Pompeius Maurus, Commentum artis Donati. Grammatische Texte
Tours, Benediktinerkloster Marmoutier — um 750
Provenienz: Vorblatt recto Bendiktinerkloster Weißenburg, Besitzeintrag: Codex monaterii sanctorum Petri et Pauli in Wissenburg. Darüber Commentum artis Donati. 1r Signaturenbuchstabe: .J. (14. Jh.). Das Vorblatt mit einer Notiz über die tironischen Noten (216r–218r) von F. Kopp a. d. J., 1824. Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. 4°21 ( , 3–18).
Pergament — 219 Bl. — 22 × 15,5 cm
Lagen: Vorsatzblatt 4 IV (32). IV-1 (39). 20 IV (203). IV+1 (212). III+1 (219). Lagenbezeichnungen in römischen Ziffern auf dem unteren Rand des letzten Blattes der Lage, daneben requisitum est (tironisch). Handschrift ist verbunden: Lagenanfänge in der ursprünglichen Lagenreihenfolge: 1, 9, 17, 25, 33, 124, 196, 188, 180, 172, 164, 156, 148, 132, 40, 48, 56, 64, 72, 80, 96, 104, 112, 140, 204, 212. Die alten Bünde fehlen. Das Vorblatt ist ein Fragment aus demselben Missale (10./11. Jh.), das auch zum Einbinden von 34 Weiss. verwendet wurde. Neuere Bleistiftfoliierung unten rechts. Schriftraum: 18 × 12 cm, einspaltig, 23–24 Zeilen. Vorkarolingische Minuskel von mehreren Händen. 216r–218r Unzialis. Die Minuskel steht der Hand J des Pariser Eugippius (Paris, BnF, nouv. acq. lat. 1575) sehr nahe (vgl. , Bd. 1, 8–9). Überschriften in Unzialis, rot und tintenfarbig. Grünliche Marginalien.
Roter Ledereinband (Neubindung1963).
INHALT
1r–139v, 148r–203v : Commentum artis Donati ( 5, 95–282). 140r–141r : Institutio saecularium lectionum, Praefatio ( 7, 213–214; 70, 1051–1052). 141r : De generibus causarum , aus: Institutio saecularum lectionum ( 70, 1163–1164). 141r–144v : De pedibus expositio ( 6, 641–645). 145r–145v Griechisch-lateinisches Glossar. 146r–146v Caesurae Versuum , Auszug aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae 1, 17, 21–27 ( 82, 92ff.; , 86–89; Weiterführendes zum Text, vgl. , 250). 146v–147r De caesuris ( 6, 645, Z. 25–35). 147r–v, 204r–205r : Ars metrica ( 1564c; 133B, 107–113). 205r–216r : De metris ( , 6, 585–601; Malli Theodori De metris, hrsg. von , Hildesheim 2007, CXLIII-CLXI, 5–55). 216r–218r Griechische, liturgische Texte mit lateinischen Interlinearglossen in tironischen Noten ( 99–100). 39v Nachtrag: Lateinisches Glossar (zweispaltig). 218v–219r Nachtrag: Federproben aus dem 9. Jh.
AUSSTATTUNG
5 Initialen.Initialen: Zu den Textanfängen 1 große Zierinitiale (124r) und 4 kleine Initialen (16r, 25r, 30v, 38v) als verzierte Hohlbuchstaben, sowie 2 leicht verzierte Federmajuskeln (40r, 147r). Initialstämme mit dreieckig erweiterten Enden, seitlich eingerollt (häufig paarweise, gegenständig, vgl. 16r, 25r, 30v und 38v). 38v das Initialstammende als große Knospe. Auf 25r als Besatz eine Rebe. Auf 124r als oberer Initialabschluss ein Säulenschaft mit Kanneluren und seitlich eingerollten Voluten, als unterer Abschluss ein stilisierte Fischkopf. Der Initialstamm gefüllt mit einem breiten, eckig geführten Seilband. Die Fadenausläufer häufig wellenförmig (vgl. 30v). 1,5–4 cm. 39v und 141r unverzierte Kreuze zu den Textanfängen. 1,0–1,5 cm.
Farben: Initialen in brauner Tintenfarbe, 124r zusätzlich rot koloriert.
STIL UND EINORDNUNG
Die Handschrift wurde wohl unter Abt Wicterp (gest. 756) im Benediktinerkloster Marmoutier in Tours geschrieben und befand sich anschließend dort im Besitz ( , Bd. 1, 14). Paläographisch nahe verwandt, größtenteils ebenfalls mit tironischen Kollationsvermerken und unter Verwendung von grünlicher Tinte geschrieben nennt , Bd. 1, 9ff. Köln, Dombibliothek, Cod. 98, Tours, um 750 (vgl. , Nr. 8; , 73, 204, 205, Taf. 116d, e); Paris, BnF, nouv. acq. lat. 1575, Tours, um 730 (vgl. V, Nr. 682; , Nr. 3, Taf. 3–24); Den Haag, Museum Meermann, Ms. A 10 A 1, Tours, vor 750; Épinal, BM, Ms. 68, Tours, 744 (vgl. , 79, 80). Von Lowe werden der Gruppe paläographisch die beiden Pariser Handschriften Paris, BnF, lat. 1572, Tours, 8. Jh. (vgl. V, Nr. 530) und Paris, BnF, lat. 1820, wahrscheinlich Tours, 8. Jh. ( V, Nr. 536) hinzugegeben. Besonders die Schrift von Paris, BnF, lat. 1575 zeigt enge Parallelen zur Wolfenbütteler Handschrift (vgl. , Taf. 18 und 20 ). Das von Bischoff für die Gruppe als charakteristisch bezeichnete Füllmotiv der Wellenlinie in Kombination mit in Zickzackfolge angelegten Schrägstreifen, liegt in der Wolfenbütteler Handschrift nicht vor (von Bischoff angegeben für Köln, Dombibliothek, Cod. 98, 155v - vgl. , Taf. 116e und Épinal, BM, Ms. 68). Die Ornamentik in der Wolfenbütteler Handschrift ist eher unspezifisch und fahrig ausgeführt. Allein die kleinen spiral- oder wellenförmig verlaufenden Fäden lassen sich auch in den anderen Handschriften der Gruppe ausmachen. Das auf 124r vorhandene Füllmotiv des eckig ausgeführten Seilbandes begegnet in zahlreichen vorkarolingischen französischen Handschriften, so u.a. in Brüssel, KBR, Ms. 9850–52, Bl. 4–139 und 144–176, Soissons, spätes 7. Jh., hier 90v und 100r ( X, Nr. 1547a; , 210, 211, Taf. 126a und c) und Rom, BAV, Pal. lat. 493, Frankreich, 8. Jh., hier 14r ( I, Nr. 93; 192, 193, Taf, 101*). Aufgrund des unspezifischen Ornaments erfolgt die Lokalisierung der Handschrift basierend auf paläographischen Kriterien., Nr. 4170 (Heinemann Nr.). — , 706. — IX, Nr. 1394. — , 248–250. — , Bd. 3, 214, 222, 303. — , Bd. 1, 9ff. — , Bd. 2, 13, 263. — , 43. — , Bd. 1,1.2, 824. — , 28, 29, 33–37, 48, 101, 262, 263, Abb. 1–3. — , Nr. 7424a.
Abgekürzt zitierte Literatur
B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014 | |
B. Bischoff, Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, 3 Bde., Stuttgart 1966/1967/1981 | |
H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10) | |
Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954– | |
Codices Latini antiquiores. A Palaeographical Guide to Latin Manuscripts prior to the ninth century, hrsg. von E. A. Lowe, Bd. 1–12, Oxford 1934–1971 | |
Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
D. Ganz, On the History of Tironian Notes, in: Tironische Noten, hrsg. von dems., Wiesbaden 1990 (Wolfenbütteler Mittelalter Studien 1), 35-51 | |
Glaube und Wissen im Mittelalter. Die Kölner Dombibliothek, bearbeitet von J. M. Plotzek, U. Surmann, Ausstellung Köln, 7. August - 16. September 1998, München 1998 | |
M. Hellmann, Tironische Noten in der Karolingerzeit am Beispiel eines Persius-Kommentars aus der Schule von Tours, Hannover 2000 | |
Mallii Theodori De Metris Liber Indictum Sacra Natalicia Serenissimi Principis Ac Domini Caroli Brunsvicensium Ac Luneburgensium Ducis …, bearbeitet von J. F. Heusinger, Wolfenbüttel 1755 | |
H. Keil, Grammatici latini, Bd. 1–7, Supplementum, Leipzig 1855–1880 | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938 | |
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
E. K. Rand, The earliest book of Tours, Cambridge 1934 (Studies in the script of Tours 2) | |
Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6) | |
Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443 | |
E. H. Zimmermann, Drei Missale(!) aus dem Braunschweiger Dome. Eine kunstgeschichtliche Untersuchung, in: Braunschweigisches Magazin 17 (1911), 42–45 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).