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Beschreibung von Cod. Guelf. 937 Helmst.
geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 4: Cod. Guelf. 616 bis 930 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.

Bruder Philipp der Kartäuser

Papier — 110 Bl. — 21 × 14,5 cm — Südostniedersachsen — 1390–1400

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Maul, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: Piccard-Online 78748 (1398), 78743, 78856 (beide 1395), WZIS DE8100-CodTheol4229_999 (1395–1398). Anker (ein typ, nicht nachweisbar). Lagen: 13 IV (104). IV–2 (109). Lagenzählung in römischen Zahlen (IXIII) auf dem Fußsteg der ersten Rectoseite jeder Lage mit Ausnahme der letzten. Die Lagenmitte ist durchweg mit Pergamentfalzen verstärkt. Bleistiftfoliierung modern: 1109, das letzte Bl. ist ungez. Einige Bl. (28, 36, 40, 59, 62, 67, 68, 73, 82, 89, 94, 98 und 103) weisen auf dem Fußsteg eine zusätzliche sporadische Foliierung vermutlich des 19. Jh. auf. Schriftraum: 16,5 × 11–11,5 cm, zweispaltig (Spaltenbreite unregelmäßig, 4,5–5,5 cm), 30–35 Zeilen. Sorgfältige und regelmäßige jüngere gotische Kursive von einer Hand, durch Reimpunkte interpungiert. Auf dem VS eine erläuternde Angabe zum Inhalt (19. Jh.).: Dieses Marienleben des Meisters Philipp* ist nochmals enthalten in dem August. Manuscr. N. 18.21.1, was aber nicht mit fol. 1um (hier) beginnt. *(s. Hagen Grundriss 251, 2). Von dieser Hand analoge Notizen in Cod. Guelf. 18.21.1 Aug. 4°, wo wiederum auf diese Hs. als Helmstädter Manuscript N. 747 (937) hingewiesen wird. Der Verfasser der Notizen, die offenbar vor 1843 eingetragen wurden (ab diesem Zeitpunkt waren mit dem neuen Helmstedter Handschriftenkatalog von T. Thies die hier noch zitierten Helmstedter Altsignaturen obsolet) gehörte nicht zum Personal der Herzoglichen Bibliothek und war anhand der Benutzer- und Registraturbücher nicht zu ermitteln. Rubriziert, am Beginn der einzelnen Abschnitte rote Lombarden über 2–4 Zeilen.

Gotischer Koperteinband aus Kalbspergament, Haarseite außen, erheblich beschädigt und geknittert, der vordere Umschlag und die ehemals gerade Umschlagklappe sind an den Ecken abgerissen, im hinteren Gelenk lose. Die Lagen sind zunächst auf einen starken Pergamentstreifen geheftet. Die äußere Rückenverstärkung besteht aus einer durchgehenden, ebenfalls beschädigten graubraunen Hornplatte, die durch eine mittig angebrachte, umwobene und kunstvoll mit einem Holzknopf verzierte Längsheftung und zwei Kettenstichheftungen an Kopf und Schwanz mit dem Buchblock verbunden ist. Zwischen der Längsheftung und den Kettenstichheftungen war jeweils oben und unten auf der Rückenplatte ein Knopf aus Holz oder Leder angebracht (beide verloren), die als Teil des Knopf-Wickelverschlusses dienten; erhalten ist lediglich ein Teil der oberen Kordel an der Umschlagklappe. Auf dem VD und zwei Titelvermerke (15. Jh.): Dat leue Maryen. Dat leue vnses heren vnde Marien.

Herkunft: Der Codex wurde nach Ausweis der Wasserzeichen zwischen 1390 und 1400 im südöstlichen Niedersachsen, vermutlich im Raum Braunschweig, geschrieben. Ob er zunächst für einen laikalen Rezipientenkreis geschaffen wurde, zu Unterrichtszwecken (Federproben) gedient haben könnte oder von Anfang an für ein monastisches Lesepublikum angefertigt worden ist, kann mangels weiterer Indizien nicht mehr sicher entschieden werden. Die Anwesenheit der sog. "Marienregel" (vv. 8498–8847, die in Cod. Guelf. 894 Helmst. fehlen und die Maria bei der Feier der sieben Tagzeiten darstellt) reicht als Indiz für eine klösterliche Schriftheimat nicht aus. — Der Codex dürfte zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Besitz eines der im Braunschweiger Raum gelegenen Klöster gelangt sein; da Einkunftsvermerke fehlen, kommen beispielsweise die Augustiner-Chorfrauenstifte Heiningen oder Marienberg bei Helmstedt als Vorbesitzer in Betracht. — Sofern dies zutrifft, befand sich der Codex seit dem Frühjahr 1572 in der Bibliotheca Julia in Wolfenbüttel. Er ist 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 305 [300]) unter den Papalia Miscellanea als Historia Mariæ et Jesu filii eius Deutsch ein Mariale (entspricht dem Titelvermerk 1r) mit der Signatur Z 113 nachgewiesen und wurde 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 im Katalog der Helmstedter Universitätsbibliothek (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 17r) als Historia Mariæ virginis et Jesu filii eius, rithmis Saxonicis unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben, im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 747 aufgeführt.

Heinemann Nr. 1039. — Lübben, 70. — Handschriftencensus Nr. 17153.

Schreibsprache mittelniederdeutsch (ostfälisch).

1ra109ra Bruder Philipp der Kartäuser: Marienleben. Maria moter koninginne | Alder werld eyn loserinne | Vor lye my vrouwe sulke synne … — … Trost dor syner moter leuen | Marien leuen geyt hir vcz | Nu help vns or son Jhesus. Amen. ›Amen‹. Insgesamt 9977 Verse. CHRISTINA! Auf dem Kopfsteg von Bl. 1r Titelvermerk des späten 16. oder frühen 17. Jh.: Historia Mariæ et Jesu filii eius. Hier liegt nicht nur die älteste, sondern wohl auch textkritisch beste Abschrift der mnd. Fassung vor. Eine sprachlich modifizierte Abschrift von der Hand des Braunschweiger Arztes und Sprachreformers K. F. A. Scheller (1773–1842) befindet sich in Cod. Guelf. 705 Novi, p. 3–364, überschrieben in seiner neu erfundenen Orthographie (Ir): Dat levend Marien unde ores kindes Jesus, gerimet dorg Mäster Filip. (Na no. 937 Msc. Helmst. to Wulfenb. mid gebäter der shryvwife aveshreven dorg K. F. A. Scheller 1828). Die Benutzung ist im entsprechenden Registraturbuch vom 12.7.1828 bis zum 21.8.1828 vermerkt (BA I, 5, 121r). Zu Scheller vgl. H. Blume; Karl Friedrich Arend Scheller und das „Sassische“, in: Braunschweigisches und Ostfälisches. Gedenkschrift für Werner Flechsig, hrsg. von M. Wiswe, Braunschweig 1992, 51–68 (62 diese Hss. genannt); BBL 2, 517. Eine weitere mnd. Fassung befindet sich in Cod. Guelf. 894 Helmst., 95r–209v; eine durch Blattverlust fragmentierte Abschrift der mhd. Fassung vgl. auch in Cod. Guelf. 18.21.1 Aug. 4°, 1r–182r. Zwei bearbeitete und mit weiteren Texten kontaminierte Fassungen befinden sich als Teil der Weltchronik Heinrichs von München in Cod. Guelf. 1.5.2 Aug. 2°, 140vc–163ra; 1.16 Aug. 2°, 113vb–233rb. Druck (mhd.): Bruder Philipps des Carthäusers Marienleben, zum ersten Male hrsg. von H. Rückert, Quedlinburg, Leipzig 1853 (Bibliothek der gesammten deutschen Nationalliteratur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 1; 34); eine kritische Ausgabe der mnd. Fassung mit dieser Hs. (als Leiths.) wird von C. Ostermann vorbereitet. Literatur: 1VL 3, 880–891 (891 Nr. 66 Hs. genannt); K. Gärtner, Die Überlieferungsgeschichte von Bruder Philipps Marienleben, Habil.-Schrift (masch.) Marburg 1978 (193–195 Nr. 66 Hs. genannt); 2VL 7, 588–597 (590 Hs. genannt); K. Gärtner, Prologversionen zu Philipps "Marienleben", in: Neue Studien zur Literatur im Deutschen Orden, hrsg. von B. Jähnig und A. Mentzel-Reuters, Stuttgart 2014 (Beihefte zur Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 19), 137–146 (140 Hs. genannt). – 109vI*r leer.

I*v Probationes pennae. Auf dem Bl. wurden von mehreren Händen des 15. Jh. Federproben hinzugefügt, zumeist in senkrechter Ausrichtung, u. a. zwei Alphabete mit Ziffernreihen, Gruppen von Einzelbuchstaben, aber auch von unbeholfener (Schüler?)hand Aue Maria grasia blena [!] dominus tecum benedicta tu in … und schließlich drei graecolateinische Distichen aus dem "Cornutus" des Johannes de Garlandia: Claviculis firmis theos anthropos in pos ir mis | Figor ob infirmi cosmos delicta patir mi; Hic non est ayos [!] quem senadoxia [!] vexat | Quemque emit [!] cachesis non prodest dyacenaxis [!] und Pseustes et ambrones cicophantes caespiliones [!] | Stix et cochitus letes flegitonque rotabunt. Druck: Der Cornutus des Johannes de Garlandia. Ein Schulbuch des 13. Jahrhunderts, in den deutschen Übersetzungen des Mittelalters zum ersten Male hrsg. von E. Habel, Berlin 1908, 23–28 Nr. I, 14 und 4.


Abgekürzt zitierte Literatur

BBL 2 Braunschweigisches Biographisches Lexikon: 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von H.-R. Jarck und G. Scheel, Hannover 1996
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Piccard-Online Piccard-Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 340 (http://www.piccard-online.de)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Lizenzangaben korrigiert (schassan, 2020-04-17)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
  • Weitere Literaturnachweise im OPAC suchen.
  • Weitere Literaturnachweise suchen (ehem. Handschriftendokumentation)
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