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Beschreibung von Cod. Guelf. A.3 Aug. 2° (Heinemann-Nr. 1572)
Otto v. Heinemann: Die Augusteischen Handschriften 1. Cod. Guelf. A. Aug. 2° — 11.10 Aug. 2°. Frankfurt/M.: Klostermann, 1965 (Nachdruck d. Ausg. 1890). S. 1012

Les cas des hommes illustres par Jean Boccace, traduits du Latin en Français par Laurent de Premierfait.

Pergam. — Ursprünglich 362 von dem Schreiber foliierte Bll., von denen aber Bl. 84 und 123 von räuberischer Hand ausgeschnitten sind. — 43,5 × 33 cm — Anfang des 15. Jahrhunderts.

zweispaltig. Prachthandschrift mit 7 grossen und 168 kleineren Bildern der flandrischen Schule sowie mit zahlreichen Initialen auf Goldgrund und entsprechenden Randleisten. Die Bilder sind durchweg von wunderbarer Frische und herrlicher Ausführung, besonders in den Köpfen von bemerkenswerther Zartheit. Von den ursprünglich 10 grossen Bildern befand sich je eines zu Anfang der neun Bücher, aus denen das Werk besteht, sowie vor dem Prologe Jetzt fehlen diejenigen vor den Büchern I, III und VIII: vor Such I und VIII sind die gleichfalls fehlenden Anfänge auf f. 8, und 28 von einer späteren Hand, doch ohne Bilder, ergänzt. Auf dem Bilde vor der Vorrede (f. 1,) überreicht der Übersetzer des Werkes, Laurent le Premierfait, dem Herzoge (Jean) von Berry knieend sein Buch, während im Hintergrunde der König von Frankreich mit Scepter und Krone auf dem Thronsessel sitzend dargestellt ist. Die Grossen des Reiches (der Adel) umgeben diese Gruppe: die Seitenabtheilungen des Bildes zeigen einestheils die Geistlichkeit (Clergie), den auf dem Stuhle Petri sitzenden und mit der Tiara bekleideten Papst umringend, anderntheils den dritten Stand (Labour). Vor Buch II ist (f. 46,) Saul auf dem Throne sitzend dargestellt, wie er von Samuel gesalbt wird, während David vor ihm die Harfe spielt, daneben noch ein kleineres Bild mit dem Besuche Sauls bei Samuel. Das Bild vor Buch IV zeigt (f. 127′,) den Verfasser (Boccaccio) in seinem Zimmer an seinem Arbeitspulte sitzend, vor ihm diejenigen Fürsten und Fürstinnen, deren Geschick den Gegenstand des Buches bildet, im Hintergrunde den Sturm auf eine tapfer vertheidigte Stadt. Auf dem Bilde vor Buch V (f. 169,) ist links eine ähnliche Situation dargestellt (Boccaccio am Schreibpulte, umgeben von den Personen, deren Schicksal er beschreiben will), rechts dagegen im Vordergrunde Seleukus von Syrien mit dem Pferde stürzend, im Hintergrunde sein Bruder Antiochus von Räubern ermordet, f. 208 vor Buch VI hat der Maler die Unterredung des Verfassers mit dem Glück (le parlementeis de fortune et de lauteur) dargestellt, links davon dreht sich das Glücksrad, im Hintergrunde Landschaft mit Stadt. Das Blatt 251 (Anfang von Buch VII) zeigt wiederum den Verfasser zur Linken in einer Halle sitzend, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoosse, ringsumher in lachender Landschaft sind die letzten Schicksale von Caesar, Cassius, Antonius, Cleopatra, Agrippina, Julia, Gallus u. s. w. dargestellt. Auf Blatt 321 (vor Buch IX) endlich erblickt man die Hinrichtung der Frankenkönigin Brunichildis, die von Pferden zerrissen wird: der Verfasser sieht auch dieser schrecklichen Scene, links in einem Gebäudebogen sitzend, aufmerksam zu. Die kleineren Bilder, von denen nur eins zu Buch III. Cap. 18 fehlt, vertheilen sich so, dass auf Buch I 19, Buch II 23, Buch III 17, Buch IV 20, Buch V 19, Buch VI 14, Buch VII 8, Buch VIII 22 und Buch IX 26 kommen. — Vergl. über die Handschrift auch: Ebert, Überlieferungen I. 156–187 und Schönemann, Merkwürdigkeiten no. 61.

Zeigt noch Spuren früherer Pracht: die Holzdeckel waren mit grünem Samt überzogen und mit Beschlägen verziert, von denen nur die metallenen Ecken übrig geblieben. Der ehemalige Goldschnitt ist verblichen, der Samt abgescheuert. Die Schliesser sind noch vorhanden, sitzen aber an erneuerten Pergamentriemen.

Herkunft: Das Manuscript ist wohl ursprünglich für den Herzog Jean von Berry und Auvergne († 1416) angefertigt. Später war es im Besitze des Herzogs Philipp von Cleve, der f. 1 in die Mitte der unteren Randleiste sein Wappen und darüber in den Zwischenraum der beiden Columnen ein rothes Spruchband mit seiner Devise (A IAMAIS) in Gold hat malen lassen und f. 362′ unter der Schlussschrift seinen Namen (Phe de Cleues) eingezeichnet hat. Nach Schönemann ist die Handschrift 1662 für Herzog August in Amsterdam für 300 Thaler erworben. Während der westfälischen Herrschaft ward sie durch Dénon mit sovielen anderen Schätzen nach Paris entführt, f. 1 und f. 362′ findet sich noch der rothe Stempel der Bibliothèque Impériale, an letzterer Stelle von demjenigen der Wolfenbüttler Bibliothek überdruckt.

Das Werk, neun Bücher umfassend, ist eine Übersetzung von Boccaccios Libb. de casibus illustrium virorum, welche oft gedruckt und auch in vielen Handschriften vorhanden ist, z. B. in Berlin (Hamiltonsche Sammlung), Dresden u. s. w. Allein die Wolfenbüttler Handschrift ist, abgesehen von der Schönheit der Miniaturen, dadurch merkwürdig, dass sie den in den meisten übrigen Handschriften mangelnden zweiten Prolog des Übersetzers (f. 3: Selon raison et bonnes meurs lomme soy exercant etc.) enthält. Der Übersetzer nennt sich im ersten Prologe (f. 1) selbst: Laurens de Premierfait clerc et votre (d. i. des Herzogs von Berry) mains digne secrétaire et serf de bonne foy. Die Schlussschrift (f. 362′) lautet: Cy fine le liure de Jehan Boccace. des cas des nobles hommes et femmes, translate de latin en francois. par moy Laurent de Premierfait clerc du dyocese de Troyes. Et fut compile ceste translation le quinziemse iour davril. Mil quatrecent et neuf. Cest ass. le lundi après pasques.


Korrekturen, Ergänzungen:
  • Normdaten ergänzt oder korrigiert. (schassan, 2015-09-07)

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  • Weitere Literaturnachweise suchen (ehem. Handschriftendokumentation)
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