Gregorius IX papa
Pergament — I, 196, I Bl. — 14 × 9,7 cm — Nordfrankreich — 13. Jh. Mitte
Lagen: 1 Bl. (I). X-2 (18). 3 X (78). IV (86). IX (104). XII (128). 3 X (188). IV (196). 1 Bl. (II). Lagenblattzählung im zweiten Teil (ab fol. 87) in roter Tinte z.T. sichtbar. Moderne Foliierung mit arabischen Zahlen (schwarze Tinte). Die Vorsatzblätter nicht foliiert. Pergament gewellt. Fol. I-8 auf dem Fußsteg beim Falz Spuren eines Lochs (aus ehem. Verkettung?), der mit Stücken Pergaments repariert wurde. Gelegentlich Löcher, z.B. fol. 169. Einige Spuren von Wachstropfen sichtbar. Zweispaltig. Tituli dreispaltig. 45 Zeilen. Schriftraum: 9,5-10 × 7 cm. Textualis von zwei Händen. Auf dem Kopfsteg in den Farben Rot und Blau Angabe der Bücherzahl: L[iber] (Verso) und römische Zahl (Recto). Beim Schreiber 1. auf fol. 1ra und 47va nach der Initiale eine oder zwei Zeilen in Displayscript geschrieben: zwei Zeilen hohe Majuskel (alternierend Rot und Blau) mit Verzierung in der Gegenfarbe (parallel zum Stamm laufende Linien, kleine Kreise). Die zwei Hauptschreiber arbeiteten anscheinend in derselben Werkstatt, wie die sehr ähnlichen kodikologischen und Ausstattungsmerkmale in beiden Teilen der Handschrift belegen. Schreiber 1: fol. 1ra-85vb. Schreiber 2: 87ra-194rb. Der zweite Schreiber zeichnet sich u. a. durch Oberlänge der Buchstabenstämme bis in den Kopfsteg bei der ersten Textzeile aus. Eine dritte Hand schrieb die Tituli. Eine Revision des Gesamttextes ist durch Ergänzungen am Rande dokumentiert. Diese wurden in Form eines Dreiecks geschrieben und durch einen rote Linie, oft mit kleinen Kreisen verziert, umrahmt. Am Rande, nachträglich in heller brauner Tinte gezeichnet, Maniculae, oft mit Gesichtern von Menschen oder Hunden im Profil zusammengestellt, manchmal auch Drôlerien. Eine spätmittelalterliche Hand hat oben rechts auf dem Kopfsteg die jeweiligen Kapitelinhalte geschrieben (Bastarda). Rubriziert. Fleuronnée-Initialen: 1. Fünf bis acht Zeilen hohe Hauptinitialen zu Beginn der einzelnen Bücher. Rot/blau ornamental gespaltener Stamm mit zweifarbigem Fleuronnée (Motiv: Kopfstempel). Besatz: Blockartige Erweiterung durch Stege und Voluten; konturbegleitende Fäden, beim zweiten Schreiber auch Halbpalmetten. Links Einzelfäden, die durch Perlen, Kreuze oder Striche überschnitten werden. Im Binnenfeld spiralförmig eingerollten Fäden, durchsetzt mit andersfarbigen Punkten. Beim zweiten Schreiber Punkte gestielt und auch Halbpalmetten. 2. Kleinere zwei bis vier Zeilen hohe alternierende rot/blaue Fleuronnée-Initialen mit Fleuronnée in der Gegenfarbe. Besatz: konturbegleitende Fäden, mit eingerolltem Ende, Zwickelpalmetten, an den Ecken links spiralförmige Voluten (besonders im ersten Teil). Im Binnenraum parallele vertikale Fäden; im ersten Teil auch Perlen. Dazu (fol. 1r) dekorative Fleuronnée-Stäbe, auf dem linken Seitensteg an Paragraphenzeichen, zwischen den Spalten an letzem Buchstabe der Displayscript, und auf dem rechten Seitensteg an der dreieckigen Textergänzung hängend. Diverse Ornamente: Fischgrätenmuster mit Punkten in der Gegenfarbe, zwei Parallelfäden, mit Perlenreihen in der Mitte, rechts und links Perlen, Striche, spiralförmige Voluten. Am Ende oft Einzelfäden, durch Perlen oder Striche überschnitten. 1ra: G(regorius). 47va: D(e). 87ra: U(ut) [!]. 133vb: D(e). 149va: S(i).
Pappeinband aus dem 18. Jh. mit Lederüberzug, als "Lederband" schon im Auktionskatalog von 1796 erwähnt. Auf VS aktuelle Signatur (Bleistift) und aufgeklebter Papierzettel mit Auszug aus Meyers Katalog zu dieser Handschrift. Dazu Spuren von einem abgelösten Papierzettel. Auf HS zwei alte Signaturen (Bleistift): Ms. Jus 87; Jus canon. 24b. Auf HS auch Spuren von einer früheren Beschriftung, abgewaschen und unleserlich. Vier Bünde. Dazwischen Goldeinprägungen (Staudenmotiv). Oben zwischen den ersten zwei Bünden Inhaltsangabe in goldenen Buchstaben auf weinrotem Etikett: DECRETALIUM LIBRI V MSC. Auf dem Rücken (unten) Papierzettel mit moderner Signatur, auf einem älteren Zettel aufgeklebt. Schnitt rot gefärbt. Vorderes Vorsatzblatt teilweise gerissen. Rückenrundung leicht konkav. Gold z. T. abgeplatzt. Der Überzug zeigt Kratzer und abgeriebene Stellen auf.
Herkunft: Die Ausstattungsmerkmale und die Schrift weisen auf eine Entstehung der Handschrift in Frankreich (Nordfrankreich) in der Mitte des 13. Jh. hin. Als Vergleichsbeispiele können genannt werden: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 16009, 14564, 9678, 12527. Vgl. dazu 8° Cod. Ms. jurid. 1 Cim. Die Auktion seiner Bibliothek fand am 06.05.1796 statt: Bibliotheca Lvderi Kvlenkamp, SS. Theol. Et Philos. D. Prof. P. O. Coetvsqve Reformat. Apvd Gottingenses Pastoris Qvondam Dignissimi: Ordine Digesta; Qvae Gottingae Postridie Festi Ascensionis Christi A. MDCCLXXXXVI. Pvblica Avctionis Lege Divendetvr, Göttingen 1795. Dort werden auf S. I-IV 39 Codices manuscripti aufgelistet. Unter Nr. 27, S. III, wird diese Handschrift unter den Codices manuscripti in Octavo wie folgt beschrieben: Decretalium Libri V. Cod. MS. membranac. optimae notae, saeculo XIII. scriptus, const. foliis CLXXXXVIII. Lbb. Vgl. auch A. Pozzo, Membra disiecta. Inhalt und Wirkung der Bibliothek des Göttinger Professors Lüder Kulenkamp (1724-1794), Berlin 2014 (Berliner Arbeiten zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft 25), hier S. 119 und Anm. 916. — Zusammen mit anderen Handschriften aus Kulenkamps Bibliothek wurde der Codex 1796 für die Universität erworben. Vgl. neben der Notiz auf fol. Ir auch Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Bibliotheksarchiv, Manual 1796, S. 148: III. 27. Decretalium Libri V. Cod. Msc. Membr. Saec. XIII. Ovaler schwarzer Stempel auf dem Fußsteg von fol. 1r EX BIBLIOTHECA REGIA ACAD. GEORGIÆ AUG:, in Benutzung ab ca. 1765, vgl. , S. 93.
, Kat.-Nr. 110, 113, 114, 115, S. 128-133. — Provenienz: Nach dem Besitzvermerk auf fol. 1r war der Vorbesitzer der Handschrift im 17. Jh. der Jurist und Rechtsgelehrte Antonius Anselmo (Antoon Anselmo) (1589-1668). Dieser, zufällig in Hamburg aus einer belgischen Familie geboren, wurde ab 1616 offiziell Bürger der Stadt Antwerpen. Dort übte er nach dem Studium in Leuven verschiedene Ämter aus und verfasste Gesetzkommentare. Zu seiner Person vgl. J. Delecourt, Art. Anselmo, Antoine, in Biographie nationale de Belgique, T. 1, Bruxelles 1866, Sp. 330-334; W. Druwé, Loans and credit in Consilia and Decisiones in the low countries (c. 1500-1680), Leiden 2020 (Legal history library 33), S. 97-99. Im 18. Jh. gehörte die Handschrift Lüder Kulenkamp (1724-1794), wie der Notiz auf fol. Ir zu entnehmen ist. Zu seiner Person vgl., S. 351. — 2, S. XLIII.
Ir leer bis auf bibliothekarische Angabe (braune Tinte): Ex Bibliotheca D. Lüd. Kulenkampii. 1796 (Vid. Man. p. 148). Siehe unter Provenienz.
Iv Frühneuzeitliche Anmerkungen zum Alter und zu den Schriftmerkmalen der Handschrift (braune Tinte): Codex magnae Antiquitatis; scriptus scilicet ante publicationem sexti libri decretalium, qui a Bonifacio 8° publicatus fuit anno 1298. character duorum primorum librorum alius (ut videre est) a charactere trium posteriorum, sed tamen uterque antiquitatem maximam redolet. Eine weitere Hand, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Herstellung des Auktionskatalog, hat geschrieben: Constat codex foliis 198. Diese Zahl später von einem Bibliothekar gestrichen und mit 196 ersetzt.
1ra-194ra Decretalium compilatio. ›Incipit liber primus de fide catholica et summa trinitate‹. Gregorius episcopus servus servorum dei dilectis filiis universis doctoribus et scolaribus Bononie ... Rex pacificus … — … quis homagium compellatur. ›Expliciunt nove decretales‹. (1ra) Bulle Rex pacificus. (1r) Auf dem Kopfsteg Besitzvermerk: A. Anselmo IC. Siehe unter Provenienz. (47va) ›Incipit liber IIus de iudiciis‹. (86ra-86vb) Tituli. Tituli für die Bücher I-II (dreispaltig). Auf fol. 86r die kleinen einzeiligen Initialen D(e) in roter Farbe, auf fol. 86v diese alternierend in den Farben Rot und Blau. (87ra) ›Incipit liber IIIus de vita et honestate clericorum‹. (133vb) ›Incipit liber quartus de sponsalibus et matrimonio‹. (149va) ›Incipit liber quintus de accusationibus inquisitionibus et de nominationibus‹. — 194r-195v leer. (196r) leer bis auf Zeichnung eines männlichen Kopfes im Profil und auf den Satz aut aliquis confitetur extra iudicium (sehr verblasst). Vgl. Distinctio 48 Qui confitetur aliter extra judicium, in F. C. von Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, 4, Heidelberg 1850², S. 501. (196v) Tituli. Tituli für die Bücher III-V (dreispaltig). — IIr leer. (IIv) leer bis auf handschriftliche Notiz (Bleistift): Abb (?). Edition: 2, S. 1–928, unter Verwendung dieser Handschrift (K), vgl. S. XLIII. Druck: 11450–11502. Vgl. auch 2, S. 22, Anm. 3. Literatur: 2, S. 3-25, mit Erwähnung dieser Handschrift S. 21, Anm. 1. M. Bertram, Signaturenliste der Handschriften der Dekretalen Gregors IX. (Liber Extra). Neubearbeitung April 2014 (Online-Publikationen des Deutschen Historischen Instituts in Rom), Rom 2014, S. 14. www.dhi-roma.it/bertram_extrahss.html Decretales Pictae. Le miniature nei manoscritti delle Decretali di Gregorio IX (Liber Extra). Atti del colloquio internazionale tenuto all'Istituto Storico Germanico, Roma 3-4 marzo 2010, ed. M. Bertram und S. Di Paolo, 2012 (open access-Publikation). M. Bertram, Überlegungen zu einem qualifizierten Überlieferungsbild der Dekretalen Gregors IX. ("Liber Extra"), in: Rechtshandschriften des deutschen Mittelalters. Produktionsorte und Importwege, hrsg. von P. Carmassi und G. Drossbach, Wiesbaden 2015 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 29), S. 285-302.
:Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.