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Beschreibung von 8° Cod. Ms. jurid. 806
Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.

Lübisches Recht - Hamburger Stadtrecht

Pergament — I, 97 Bll. — 20,2-20,4 × 13,9-14,1 cm — Raum Lübeck / Hamburg — 15. Jh. (1. V.)

Pergament. Lagen: III (6). II (10). 8 V (90). IV-1 (?, 97); zwischen Bl. 90/91 ein Bl. herausgeschnitten; allerdings ohne Textverlust und vielleicht handelte es sich auch nur um das Gegenbl. jenes letzten Bl. der Lage, das als HS an den VD geklebt und gleichfalls liniert wurde; Aufbau der letzten Lage deshalb unklar; Reste von Lagensignaturen samt lageninterner Blattzählung mittig am unteren Seitenrand auf Blättern der letzten drei Lagen erkennbar (auf 91r erhalten: k2 (?); die Lesung der '2' jedoch unsicher, da erstens unpassend - das betreffende Bl. ist das dritte oder vierte dieser Lage - und zweitens ungünstig abgeschnitten; da es sich tatsächlich um die 11. Lage handelt, scheint davor keine Lage verloren zu sein). Bleistiftfoliierung (modern): 1-97. Verschiedentlich Flecken. Schriftraum: 14,4-15,4 × 8,6-9,2 cm, durchgehend eine Spalte; 21-25 Zeilen. Gesamter Text von einer Hand des beginnenden 15. Jh.s (wohl 1. V.); kaum Korrekturen oder andere Nutzerspuren (siehe auf 8r die von neuzeitlicher Hand notierte Jahreszahl 1254; zudem 21r, 63r). Ohne besonderen Aufwand, aber gut ausgestatteter und geordneter Gebrauchsband; am Rand neben dem Text herlaufend Artikelzählung (in schwarzer Tinte und römischen Zahlzeichen); auf 21r (und 21v ?) darüber noch Artikelzählung in arabischen Ziffern. Rubriziert; insbesondere Artikelüberschriften in Rot; zudem Kapitel- bzw. Paragraphenzeichen in Rot und Blau. Schlichte Lombarden oder Initialen in denselben Farben; zumeist 2-zeilig; I-Initialen jedoch des Öfteren größer; zudem beim Anfang des Hamburger Stadtrechts auf 51r sowie auf 64v vierzeilige Initiale in Rot und Blau.

Einband: spätmittelalterlicher Einband; rotes Leder über Holzdeckeln, verziert mit Streicheisenlinien und Blindstempeln: Rosette - mit einem Blattkranz - sechsblättrig - Blätter kreisförmig (EBDB s032684 ?); teilweise als Einzelstempel verwendet, teilweise sind aus dieser Rosette aber auch größere Formen gebildet (einerseits Dreiecke aus drei Rosetten, andererseits größere Rosetten, bei denen eine mittig gesetzte Rosette von 8 weiteren Abdrücken derselben umgeben ist); ehemals zwei Metallschließen (noch von Hach Das alte lübische Recht, S. 117 erwähnt); ist in der Einbanddatenbank seit 2008/2011 der im 15. Jh. tätigen Werkstatt 'Bursfelde frühgotisch' (EBDB w004300) zugeordnet, die in Hannoversch Münden verortet wird. Da der besagte Rosetten-Stempel völlig unspezifisch und demnach wohl gar nicht eindeutig zu identifieren ist und die sonstigen Informationen zur Provenienz der vorliegenden Handschrift auf einen erheblich weiter im Norden gelegenen Entstehungsort hindeuten (s. unter Herkunft), erscheint diese Zuordnung zur Hann. Mündener Werkstatt allerdings wenig überzeugend. Auf dem Rücken aufgeklebt älteres Titelschildchen aus Leder mit der Angabe: Codex/ Juris/ Lubeccen[sis]/ A. 1258/ Mss. Am unteren Rand des Rückens zudem das übliche Papierschildchen mit der Göttinger Signatur (Cod. MS. jurid. 806). VS alt und aus Pergament; darauf von einer Hand des 18. Jh.s Literaturverweise zur vorliegenden Handschrift bzw. zum Inhalt derselben (unter der Überschrift: De hoc Codice conferatur: ...); vermutlich vom letzten Vorbesitzer derselben eingetragen, d.h. von Johann Karl Heinrich Dreyer, der über diesen alten VS ein Blatt Papier mit seinem Schenkungsvermerk klebte: Codex/ Iuris Lubecensis/ ann./ MCCLVIII./ magistro et ordini Teutonico/ in Livonia/ communicatus./ cedit Bibliothecae Academiae Göttingenis/ ex/ reculis/ Io. Carol. Henr. Dreyer./ eccl. Lubec: cathedr. Praepositi/ Rei publ: Protosyndici et ./ Lubec d. 28. Dec 1798. (nur unvollständig angegeben bei Göttingen 1, S. 520 und Hach Das alte lübische Recht, S. 116-117); auf VS offenbar älterer (Besitz?)Vermerk getilgt (Rasur); auf HS groß am unteren Rand mit Bleistift vermerkt die ältere Göttinger Signatur Mss. Jurid. 45.

Herkunft: Der genaue Entstehungskontext der Handschrift ist unbekannt. Die Schrift verweist jedoch auf den Anfang bzw. das erste Viertel des 15. Jh.s. Sowohl der Inhalt als auch die Schreibsprache (Nordniedersächsisch mit eindeutigem Schwerpunkt bei Hamburg, Lübeck, Bremen) und die nachweisbare Besitzgeschichte deuten auf eine Herkunft aus jenem norddeutschen Raum, auf den sich auch die enthaltenen Rechtstexte beziehen. Die in der Einbanddatenbank vorgenommene Verortung der Werkstatt, von der die Handschrift gebunden wurde, in Hann. Münden erscheint vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Dies umso mehr als der Blindstempel, anhand dessen diese Identifizierung vorgenommen wurde (Rosette), so unspezifisch ist, dass er kaum eine eindeutige Identifizierung erlaubt (s. unter Einband), und auch die Rezeptions- und Besitzgeschichte der Handschrift für eine Entstehung weiter nördlich spricht. — Der Text des Kodex steht nämlich mit jenem zweier deutlich späterer Handschriften in so enger Verbindung, dass diese als Abschriften oder wenigstens als textlich abhängig von dem Göttinger Band zu betrachten sind. Diese beiden Handschriften stammen aus dem Raum um Lübeck und Hamburg: die eine aus dem Rathaus von (Bad) Segeberg in Schleswig Holstein, die andere befand sich zu Beginn des 16. Jh.s im Besitz von Hartwig von Stiten in Lübeck (vgl. Lappenberg Die ältesten Stadt- Schiff- und Landrechte, S. XCV-XCVI zu den Handschriften E und F; Hach Das alte lübische Recht, S. 116 und S. 119 ff.; Eichler Das Hamburger Ordeelbook, S. 16). Die weitere spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte der Handschrift ist bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht nachvollziehbar. Der erste und zugleich letzte bekannte Vorbesitzer war Johann Karl Heinrich Dreyer (* 1723 in Waren/Mecklenburg; gest. am 15. Febr. 1802 in Lübeck). Dieser schenkte sie am 28. Dez. 1798 der Göttinger Universitätsbibliothek (s. dazu unter Einband den eigenhändigen Schenkungsvermerk).

Göttingen 1, S. 519-520. — Hach Das alte lübische Recht, S. 116-119 und S. 379-548. — Lappenberg Die ältesten Stadt- Schiff- und Landrechte, S. XCII-XCIII. — Ebel Lübisches Recht. — Eichler Das Hamburger Ordeelbook, S. 19 und S. 21. — Schäfer Codices Iuris Lubecensis,S. 351. — Handschriftencensus.

1r-7v Inhaltsverzeichnis/Register. C. Van clage LI … — … C. We negest erue is erue vp to borende XXXVIII. Das Register umfasst erstens das Lübische Recht (240 Artikel) und zweitens die ersten 38 Artikel des Hamburger Stadtrechts, nicht jedoch die nachfolgenden, die weiter untergliedert sind und deshalb jeweils an ihrem Beginn ein Verzeichnis der folgenden Artikel bieten. Da das Register auf 1r mit Artikel Nr. LI (van clage) beginnt, nahm Hach Das alte lübische Recht noch fälschlich an, dass zu Beginn ein Teil verloren sei, doch wie schon Wilhelm Meyer richtiggestellt hat (Göttingen 1, S. 519-520), folgen auf die Artikel 51-104 noch einmal die Artikel 1-240 des Lübischen Rechts, sodass die Titel von Artikel 51-103 doppelt genannt sind.

8r-50v Lübisches Recht. (8r-v) Vorrede. In dem jare vns heren M.° CC.° LIIII do leten de heren vnde radmanne van Lubeke to samende schriuen jura vmme sundergher bede willen erer vrunde also des erliken mesters vnde brodere des dudeschen ordens van Lyflande … — … vnde alle den de desse jura willen holden den si vrede vnde vroude in dem heren Ihesu Christo dem lof vnde ere vnde glorie to ewigen tiden amen. (8v-50v) C. Van kinderen wo me de schal beraden. I. So eyn man sinen son edder syne dochter vytghijft vnde van erue sunderghet … — … CCXL. Van brudschatte. Wor en man vnde en wyf in echteschop to samende koment mit gode [...] Steruet ouer de man erst de vrouwe nemet eren gantzen brwtschat to voren dar na dat ander gut halff. In 240 Artikeln; Druck: Hach Das alte lübische Recht, S. 377-459 (nach der vorliegenden Handschrift, die dort als Codex III bezeichnet wird); Literatur: Ebel Lübisches Recht; Schäfer Codices Iuris Lubecensis (hier S. 351, Nr. 15 zur vorliegenden Handschrift); 2VL 11, Sp. 932-938.

50v-93 Hamburger Stadtrecht ('Hamburger Ordeelbook') (C). (50v) ›C.Juste judicate filii hominum. Dvsse ordele synt beschreuen van der menen stat willen vnde van wittigesten des rades van Hamborch vnde se en mach ok noch en schal neen man beschelden by syner woninge de he heft in der stat, wil ouer jenich man de beschelden de schal entberen synes erues vnde syner woninghen sunder weder teent in dat bok. ... (51r-61r) Anno domini dusent CCC. LXX. des godenstages vor sunte Felicianus daghe do wort de mene rat vnde de wittighesten van der stat tho rade also we burgermester were en jar de en schal dar na bynnen VI. jaren nen burgermester werden noch syn broder. I. Van deme rade. ... Der Abschnitt enthält 38 Artikel; entsprechen bei Eichler Das Hamburger Ordeelbook: A I-XXIII, B I-V, C I-XI (= Artikel XXXVII der Göttinger Handschrift) sowie C XVII. (61r-62v) I. Wo en monink ofte en closter vrouwe eruen mogen ... Enthält 8 Artikel; entsprechen bei Eichler Das Hamburger Ordeelbook: D I-VIII. (62r-63v) Dat en man dat gut mit eruen besetten schal des he vormunt wesen wil ... Enthält 6 Artikel; entsprechen Eichler Das Hamburger Ordeelbook, E I-VI (der erste dieser Artikel ist in der vorliegenden Handschrift jedoch als Nr. IX dem vorhergehenden Abschnitt zugeordnet, sodass in diesem nur die Nrn. I-V stehen und gezählt werden). (63v-71v) Oft men schult gheft eyneme manne vmme gelt vnde anspreket mit tughe ... Enthält 29 Artikel, von denen der letzte, betreffend das Thema wan en ordel van dem huse gesent wert, im abschnittsinternen Register auf 64v jedoch die Nr. XXX führt); entspricht bei Eichler Das Hamburger Ordeelbook den Nrn. F I-II sowie F III-XXX (Nr. III der Göttinger Handschrift fehlt in der Edition). (71v-76v) So we sik enes tughes van tugen beropet vnde wert he eme delet vnde deyt he dat synen weddersaken to wetende ... Enthält 20 Artikel, die jedoch anders als die umgebenden weder eine Zählung noch eine Überschrift oder ein Register zu Beginn aufweisen; entspricht bei Eichler Das Hamburger Ordeelbook, den Nrn. G I-XX. (76v-78r) Van denste. Enthält 6 Artikel, von denen nur 5 im abschnittsinternen Register auf 76v durchnummeriert sind; entspricht Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Nr. H I-VI. (78r-86r) Van sleghen. Enthält 30 Artikel; entsprechen Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Nr. J I-XXX. (86r-88r) Dat stucke is van gherichte. Enthält 8 Artikel; entspricht Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Nr. K I-VIII. (88r-89r) Dat stucke is van vorsate. Enthält 3 Artikel; entsprechen Eichler Das Hamburger Ordeelbook, L I-III. (89r-92v) Van duue ofte van roue. Enthält 12 Artikel; entsprechen Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Nr. M I-XII. (92v) Van wunden in houede. Enthält einen Artikel; entspricht Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Anhang 7. (93r) Van broke wat de is van wunden. Enthält einen Artikel; entspricht Eichler Das Hamburger Ordeelbook, Anhang 8. Während der Text im Abschnitt auf 51r-61r in durchgezählte einzelne Artikel gegliedert ist, sind die darauffolgenden Artikel - obwohl sie in den Registern gleichfalls durchgezählt werden - gruppiert in Unterabschnitte (mit eigenen Überschriften), in denen eine eigene Artikelzählung vorgenommen ist, die jeweils am Beginn dieser Abschnitte in einem eigenen Register sichtbar gemacht ist, auf das dann die betreffenden Artikel folgen (Überschrift, Register und abschnittsinterne Artikelzählung fehlen jedoch auf 71v-76v). Im Text fehlt insbesondere der bei Eichler Das Hamburger Ordeelbook als N I-XXVIII gezählte Teil. Edition: Hach Das alte lübische Recht, S. 377-459 (nach der vorliegenden Handschrift, die dort als Codex III bezeichnet ist, allerdings ohne Übernahme bzw. Wiedergabe der Binnengliederung und der betreffenden abschnittsinternen Register); nach anderer Handschrift: Eichler Das Hamburger Ordeelbook. Literatur: Zum Werk und seinem möglichen Verfasser - Jordan von Boizenburg - s. 2VL 4, Sp. 849-852; Eichler Das Hamburger Ordeelbook.

93r-94r Register. (93r-94r) Van gude to lenende van leende CCII … — … Van brutschatte CCXL. Dieses Register bezieht sich auf die Artikel des Lübischen Rechts, von denen hier noch einmal die bereits im Register zu Beginn der Handschrift verzeichneten Rubriken der Artikel 200-240 aufgelistet werden (hier allerdings gezählt als Artikel 202-240). (94r) ›Hir geyt en nye an.Van deme rade I … — … Van erue VIII. Die an dieser Stelle genannten Artikel bilden die ersten des Hamburger Stadtrechts und finden sich auch im Register zu Beginn der Handschrift auf 7r.


Abgekürzt zitierte Literatur

EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften.
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