Marcus Tullius Cicero, Ps.-Vergilius, Quintus Horatius Flaccus
Papier — V, 73, IV Bl. — 23 × 16,5 cm — Nordostitalien / Freiburg Breisgau — 1450-1462
Die Handschrift besteht aus zwei Teilen. Lagen: I (II). I+1 (V). 4 V (41). V-1 (50). V-2+1 (57). VIII-1 (72). 2 I (IV). Moderne Foliierung (Bleistift), nicht durchgehend ausgeführt. Vorsatzblätter nicht foliiert, bis auf das III. vordere Vorsatzblatt, als fol. 1 foliiert [hier mit III bezeichnet]. Zwischen fol. 50 und fol. 51 ein leeres Blatt, zu der zweiten kodikologischen Einheit gehörend, hier mit 50a verzeichnet.
Pappeinband aus dem Ende des 18. Jh. mit rotem Ziegenleder überzogen. Doppelte Goldleiste als Rahmen auf VD und HD. Goldeinprägungen auf dem Rücken (Girlanden, Säulen), dem Einschlag, den Buchkanten (vegetabile und geometrische Motive). 5 Bünde; Kapital in den Farben Weiß und Grün. Auf dem Rücken ein Papierzettel mit moderner Signatur. In Gold eingraviert die Angabe: MSCPT. ANTIQ. Vorsatzblätter aus Papier aus zwei verschiedenen Zeitphasen. Die jüngsten (jeweils zwei Blätter), zusammen mit dem aktuellen Einband eingebunden, sind die äußersten; die ältesten (jeweils drei und zwei) sind etwas kleiner, mit Flecken und Schmutz. Auf VD, HD und auf deren gegenüberliegende Seite wurde marmoriertes Papier geklebt. Muster: Steinmarmor (Pattern: Turkish). Farben: Rot, Gelb, Grün, Grau, Schwarz, Weiß. Auf dem letzten hinteren Vorsatzblatt alte Signatur (Bleistift), ausgewischt: Cod. philol. 55. Danach eine weitere Zeile getilgt. Im oberen Teil des Blattes moderne Prüfangaben zum Gewicht der Handschrift (getilgt). Auf dem VS aufgeklebter Papierzettel mit Auszug aus Meyers Katalog über diese Handschrift. Zwischen Blatt 23 und 24 ein seidener Streifen in der Farbe Hellgrün als Lesezeichen (im Abschnitt außerhalb des Buchblocks sehr verschmutzt), als Teil des aktuellen Einbandes eingesetzt.
Herkunft: Die zwei Teile haben jeweils eine unterschiedliche Herkunft (s. u.) und wurden wahrscheinlich in Deutschland zusammengebunden. Lateinische interlinear- und Marginalglossen aus dem Spätmittelalter sind sehr ähnlich geschrieben, anscheinend als die zwei Handschriftenteile schon zusammengebunden waren. — Provenienz: Nach den Besitzvermerken fol. IIIr (= 1r) und 2r gehörte die Handschrift in der Frühen Neuzeit einem Ludovicus Wenigk. Ein Stadtchirurg Wenigk aus Schmalkalden wird 1814 laut einer Urkunde zum Landchirurgen befördert. Vgl. Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand 26 a Nr. 508. Dass sein Vorname Ludwig war, geht aus dem Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender auf das Jahr 1817 und 1818, gedruckt in Kassel, S. 125, 114, hervor: Unter "Bergämter zu Schmalkalden" Berg-Chirurgus: Ludwig Wenigk. Vielleicht hatte er das Buch während des Studiums erworben. In Göttingen, SUB, Bibliotheksarchiv, Kataloge, 67:3, ist auf dem losen Blatt mit der Beschreibung dieser Handschrift die alte Signatur Cod. philol. 55 gestrichen und die Zahl 55 mit 114 ersetzt worden. Dazu ist folgende Notiz zu finden, von Meyer nicht berücksichtigt: Manuscriptum chartaceum ex bibliotheca Principis Waldecciae. Vid. Man. 1801, p. 29. Im genannten Manual vom Jahr 1801 im Bibliotheksarchiv gibt es auf S. 29 eine Beschreibung des Inhalts der Handschrift, allerdings ohne weitere Angaben zum vorherigen Besitzer: Somnium Scipionis: Ex M. T. C. / M. T. Ciceronis ad Atticum lib. de amicitia. / M. T. Ciceronis De senectute lib. / M. T. Ciceronis De paradoxis liber / Publii Virgilii Maronis moretum / Oracii Flacci de arte poetica liber / Mscpt Mscpt. Es handelt sich höchstwahrscheinlich bei dem genannten princeps um den Landesherren Georg von Waldeck und Pyrmont (1747-1813), 1805-1813 Graf von Pyrmont, 1812-1813 Fürst von Waldeck und Pyrmont. Von seiner Bibliothek kam auch die Corvine 2° Cod. Ms. philol. 36 Cim. nach Göttingen. — 2r: ovaler, schwarzer Stempel EX BIBLIOTHECA REGIA ACAD. GEORGIÆ AUG:, in Benutzung ab ca. 1765 bis ca. 1850. Vgl. , S. 93.
, S. 26. — C. Villa, I manoscritti di Orazio. III, in Aevum 68 (1994), S. 117-146, hier S. 123
Pars I
Papier — Nordostitalien — 15. Jh. Mitte
Wasserzeichen: 1. Dreiberg, frei, Beizeichen einkonturige Stange, Kreuz (senkrecht), einkonturig, ohne weiteres Beizeichen: DE5580-Clm6587_VI. (nach 1445). 2. Dreiberg, frei, Beizeichen einkonturige Stange, Kreuz (senkrecht), einkonturig, ohne weiteres Beizeichen: DE5580-Clm6587_1. (nach 1445). Lagen: Reklamanten am Ende der Lagen, verziert mit feinem Federwerk in brauner Tinte. Flecken; Schmutz an den Blatträndern. Ende lückenhaft: Verlust eines Blattes in der lezten Lage und höchstwahrscheinlich einer zusätzlichen Lage am Ende der Handschrift. Oberer Schnitt des ganzen Buches verschmutzt. Einspaltig. Liniiert. 32 Zeilen. Schriftraum: 15 × 9,5. cm Italienische Hybride von einer Hand. Rubriziert und gestrichelt. Eine 3,5 cm (ohne Ausläufer) hohe Fleuronnée-Initiale zu Beginn des Buches. 2-4 cm hohe rote Lombarden mit Punktverdickungen (fol. 27v nicht ausgeführt). Rote Paragraphenzeichen. Gelegentlich feines Federwerk von der Hand des Hauptschreibers als Ausläufer am Fußsteg und um die Reklamanten. 2r: C(um). Der Buchstabenkörper ist als ein grünes Stoffband dargestellt, das in der Mitte rechts und links mehrmals gefaltet ist. Im Binnenfeld des Buchstabens rotes Perlenfleuronnée, die Knospenreihen in Form einer Kreuzblüte angeordnet. Als Besatzfleuronnée Perlen und Fadenausläufer (Rot). Ein Ausläufer endet auf dem Kopfsteg mit zwei symmetrisch gesetzten Blättern und einer Cauda.
Iv Moderne Signatur (Bleistift).
IIr-v leer.
IIIr (=1) Besitzvermerke Wenigks.
IIIv-Vv leer.
2r-6v Somnium Scipionis. ›Somnium Scipionis Ex M[arci] T[ulii] C[iceronis] sexto R[ei] p[ublicae] excerptus‹. Cum in Affricam venissem … — … Ego somnum solutus sum. ›Somnium Scipionis A Cicerone excerptum finit‹. Auf dem Kopfsteg: IHS und, nachgetragen, MRA. Rechts auf dem Kopfsteg (frühneuzeitliche Ergänzung, Signatur?): E.2. 1/13. Edition: M. Tulli Ciceronis scripta. Fasc. 39. De republica, ed. K. Ziegler, Lipsiae 1964, S. 126-136. (6v) : De ortu et obitu Hermaphroditi. ›Pulex poeta de ortu atque obitu Hermaphroditi‹. Cum mea me genitrix gravido … — … flumina tela crucem. Edition: Hildebertus Cenomannensis episcopus, Carmina minora, recensuit A. Brian Scott. Editio altera, Monachii et Lipsiae 2001, Nr. 23, S. 15-16 (mit Wortvarianten). Literatur: 3662, mit Erwähnung dieser Handschrift; 3053 und Suppl.; 6, S. 161-162, Nr. 123. (7r-26v) : De amicitia. ›Marci T. Ciceronis. Ad Atticum liber de amicitia‹. Quintus Mutius augur Scevola multa narrare … — … amicitia esse putetis. ›Deo gratias. Sit salus deo nostro‹. Edition: Marcus Tullius Cicero, Cato Maior. Laelivs, recognovit K. Simbeck, Ed. stereotypa ed. prioris (1917), Lipsiae 1980. Zum Teil beschnitten, am Kopfsteg noch zu lesen: IHS. (27r-43v) : De senectute. ›Marci T. Ciceronis de senectute ad Atticum. Liber incipit‹. Auf dem Kopfsteg: IHS. O Tite si quid ego adiuto … — … probare possitis. ›Amen salus deo nostro‹. Edition: Cicero, Cato maior de senectute, ed. by J.G.F. Powell, Cambridge 1988. (44r-50v) : Paradoxa stoicorum. Unvollständig. ›Marci Tulii [!] Ciceronis Ad Brutum de paradoxis Liber incipit ‹. Animadverti Brute Catonem sepe … — … et virtutibus exaggerati sumus. Edition: M. Tulli Ciceronis Paradoxa stoicorum, Academicorum reliquiae cum Lucullo, Timaeus, De natura deorum, De divinatione, De fato, ed. O. Plasberg, Lipsiae 1908, S. 1-26. Endet abrupt mitten im Paradoxon V,41 wegen Verlustes eines Blattes. Sehr wahrscheinlich ist eine weitere Lage mit dem Ende der Paradoxa verloren gegangen.
:Pars II
Papier — Freiburg Breisgau — 1462
Wasserzeichen: 1. Buchstabe P, frei, gotische Form, mit Beizeichen, Blume/Blatt, vierblättrig, ohne weiteres Beizeichen, Schaft mit Querstrich, Querstrich vor dem Schaft, Bogenende hinter dem Schaft, Bogenende ohne Dorn, Blätter rund, ohne Stempel: DE2910-PO-113620. (nach 1472). Wasserzeichen: 2. Buchstabe P, frei, gotische Form, mit Beizeichen, Blume/Blatt, vierblättrig, ohne weiteres Beizeichen, Schaft mit Querstrich, Querstrich vor dem Schaft, Bogenende hinter dem Schaft, Bogenende ohne Dorn, Blätter rund, ohne Stempel: DE2910-PO-113622. (1472). Bei den älteren vorderen und hinteren Schutzblättern Löcher aus Wurmfraß. Auf den hinteren Schutzblättern I-II auch breite Feuchtigkeitsflecken. Siehe auch Beschreibung der einzelnen Teile. Einspaltig. Liniiert. 14-24 Zeilen. Schriftraum: 16 × 9 cm Semitextualis von einer deutschen Hand. Geschrieben in Freiburg. Rubriziert und gestrichelt. Ein- bis dreizeilige hohe rote Lombarden mit Punktverdickungen.
Herkunft: Nach dem Kolophon fol. 72v wurde die Handschrift in Freiburg am 4.12.1462 geschrieben (Fest der hl. Barbara).
50ar-v leer.
51r-53v Moretum. ›Publii Vergilii Maronis moretum incipit‹. Iam nox ibernas [!] … — … et terre condit aratrum. Edition: , S. 158-163. 7517. (53v) : Carmen IV,7. ›Manlio Torquato de vite humane brevitate per comperationem temperis [!] hec‹. Diffugere nives redeunt … — … nos ubi decidimus. Endet abrupt mit Vers 14 wegen Verlustes von zwei Blättern. Edition: Q. Horati Flacci, Opera, ed. D. R. Shackleton Bailey, Stutgardiae 1985, S. 122-123. 3688. (54r) : Est et non. duo quam monosillaba versant. Nur die letzten zwei Verse wegen Blattverlustes erhalten. Edition: , S. 173-174. 20390. 17263. (54r-54v) : Vir bonus. ›P.V.M. de viro bono et sapiente carmen incipit‹. Vir bonus et sapiens … — … palmam et premia rectis. Edition: , S. 167-168. 20390. 17263. (54v) : Carmen de libidine et vino. ›Publii Vergilii Maronis de Bacho et Venere carmina incipiunt‹. Nec veneris nec tu … — … transiluisse nocet. ›Publii Virgilii Maronis de Bacho finit‹. Edition: , Nr. 633, S. 84-85. 11706; 10135. (55r) : De Y littera. ›Publii Virgilii de y Pitagore littera‹. Littera Pithagore … — … transiget evum. ›finit‹. Edition: , Nr. 632, S. 83-84. 10361. 8966. Ein schwarzes Y auf dem linken Seitensteg neben dem Gedicht gezeichnet. (55r-v) : De hortulo. ›P.V.M. de ortulo‹. Adeste muse … — … multiforme gaudium. Edition: , Nr. 635, S. 86. 518. 286. (56r) : De Pan pastore. ›Ovidius in Rusticum carmen incipit‹. Rustice lustrivage … — … niger hispidissime fallax. Edition: , Nr. 682, S. 142. G. Kölblinger, "Versus Panos" und "De rustico", in Mittellateinisches Jahrbuch 8 (1973), S. 8. 16956. 14427. (56r-v) : Epistula Lentuli. ›Lentuli epistola ad senatum romanum de Iesu Christo‹. Apparuit temporibus istis … — … speciosus inter filios hominum. Edition: E. von Dobschütz, Christusbilder, Leipzig 1899 (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 18), S. 319. 158,1. 1371. , 5, Sp. 705-709 (K. Ruh). (56v-58r) Anonymus. De rhetoricis disciplinis. Ohne Rubrik. Apud sapientes sepenumero revocatur … — … emolumento esse possitis. ›Finis Friburgi‹. Der gleiche Text befindet sich auch in der Handschrift Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. A 869, fol. 30r-v, dort mit der Zuschreibung Florius. Diese Handschrift wurde ebenfalls in Freiburg (im Jahr 1471) geschrieben. Vgl. E. Wunderle, Katalog der mittelalterlichen lateinischen Papierhandschriften (Handschriften der Forschungsbibliothek Gotha 1), Wiesbaden 2002, S. 143-147, hier S. 146. Francesco Florio war 1466 der Vefasser eines ähnlichen Traktats gewesen: De laudibus rethorice. Vgl. Edition von E. Beltran, Un discours inconnu de Francisco Florio sur la Rhétorique, in Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance 50 (1988), S. 101-109; G. Tournoy, An Italian scribe at Bruges in the second half of the fifteenth century: Francesco Florio, in Medieval manuscripts in transition. Tradition and creative recycling, hrsg. von G.H.M. Claassens und W. Verbeke, Leuven 2006 (Mediaevalia Lovaniensia Series I. Studia XXXVI), S. 261-308. (58v-72v) : De arte poetica. ›Oracii Flacci de arte poetica liber incipit‹. Humano capiti cervicem … — … nisi plena cruoris yrundo. ›Oracii Flacci de arte poetica liber explicit Friburgi 1462 anno festo Barbare‹. Edition: Q. Horati Flacci, Opera, ed. D. R. Shackleton Bailey, Stutgardiae 1985, S. 310-329. — Ir-IIIv leer. (IVr) leer, bis auf getilgte bibliothekarische Angaben (s.o.).
:Abgekürzt zitierte Literatur
Appendix Vergiliana, recognoverunt er adnotatione critica instruxerunt W. V. Clausen, F. R. D. Goodyear, E. J. Kenney, J. A. Richmond, Oxonii 1967 | |
Bibliotheksstempel. Besitzvermerke von Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von A. Jammers, Wiesbaden 1998 (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 6) | |
C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999– | |
Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1) | |
Anthologia Latina, sive poesis Latinae svpplementvm, ed. F. Bvecheler et A. Riese. Ps. 1: Carmina in codicibvs scripta, rec. Alexander Riese. Fasc. 2, Leipzig 1870 (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana) | |
D. Schaller, E. Könsgen, Initia Carminum Latinorum saeculo undecimo antiquiorum, Göttingen 1977, Supplementbd. fortgeführt von T. Klein, Göttingen 2005 | |
F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980 | |
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015 | |
H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1) | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.