Transkription

Lütkemann, Joachim: Ander Theil Apostolischer Auffmu[n]terung zum Lebendigen Glauben in Christo Jesu : Nach dem Sinn vnd Anleytung der gewöhnlichen Episteln durch Gottes Gnade in öffentlichen Predigten angestellet / Durch Joachimum Lütkemann/ der H. Schrifft Doctorem, Superintendentem Generalissimum zu Wolffenbüttel.
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Ander Theil Apostolischer Aüffmu̅terüng zum Lebendigen Glauben in CHRISTO JESU: Nach dem Sinn vnd Anleytung der gewöhnlichen Episteln durch GOttes Gnade in öffentlichen Predigten angestellet / Durch JOACHIMUM Lütkemann / der H. Schrifft Doctorem, Superintendentem Generalissimum zu Wolffenbüttel.
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Franckfurt vnd Rostock / In Verlegung Joachimi Wildens.
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Im Jahr M DC LII.
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Dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn CHRISTIANO Hertzogen zu Mecklenburg / Fürsten zu Wenden / Schwerin vnd Ratzeburg / auch Grafen zu Schwerin / der Lande Rostock vnd Stargard Herrn / Meinem Gnädigen Fürsten vnd Herrn / Wie auch S. F. G. Hochgeliebten Gemahlin / Der Durchleuchtigen Hochgebornen Fürstin vnd Frawen / Frawen CHRISTINAE MARGARETAE Geborner vnd Vermählter Hertzogin zu Mecklenburg / Fürstin zu Wenden / Schwerin vnnd Ratzeburg / auch Gräfin zu Schwerin / der Lande Rostock vnd Stargard Frawen / Meiner Gnädigen Fürstin vnd Frawen / GOttes Segen / an Leib vnd Seel / glückliche Regierung / vnd hochersprießliche Wolfahrt.
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DVrchleuchtiger Hochgeborner Fürst / Auch Durchleuchtige Hochgeborne Fürstin. E. E. F. F. Gn. Gn. seyn meine vnterthänige Dienste / neben schuldigen Gebett zu Gott für dero zeitliche vnd ewige Wolfahrt zuvor; Gnädiger Fürst vnd Herr / auch Gnädige Fürstin vnd Fraw. Wie ich im Werck begriffen / gegenwärtige Apostolische Auffmunterung durch offentlichen Druck ans Tages Liecht zu bringen / ist mir vorgekommen ein (Psal. 49, 21.) Sprüchlein auß dem 49. Psalm also lautend: Wann ein Mensch in der Würde ist / vnd hat keinen Verstand / so fähret er davon wie ein Vieh; von dieses Sprüchleins Einhalt etwas in einer Vorrede zu handlen / habe ich alsbald Belieben gewonnen / weil mein Zweck in dieser Auffmunterung eben dahin gehet / daß ein Christ doch verständig sey vnd bedencke / was jhm das beste / dann es freylich hieran vielen fehlet. Fehlts aber jemand am rechten Verstand / so mag keine Würde in der Welt so groß seyn / die jhn könne glückselig machen / dann wie das vorgenommen Sprüchlein
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saget: Wann der Mensch in der Würde ist / vnd hat keinen Verstand / so fähret er davon wie ein Vieh. Es ist mancherley / daß den Menschen in der Welt ein Ansehen machen kan / Reichthumb / Tapfferkeit / Ehr / grosse Macht vnd Gewalt / vnter allen aber ist keine grössere Würde / als der Standt hoher Obrigkeit / welche mit solchem Ansehen von GOtt begabet / daß nicht allein die Menge eines grossen Volcks einen Fürsten ehren vnnd fürchten muß / sondern auch die him̅lische Geisterlein selbsten dem Regenten vmb jhres Standes willen Ehrerbietung erzeygen / davon insonderheit mercklich ist / was Petrus redet / in seinem andern Brieffe am 2. Capitel. Allda er dieselbige strafft / die die Herrschafften(2, Pet. 2, 11.) verachten vnd nicht erzittern / die Maiestäten zu lästern. Solchen eigensinnigen durstigen Leuten setzet der Apostel entgegen das Exempel der Heyligen Engel / vnnd will eygentlich so viel sagen: Ob wol die Engel an Krafft vnd Macht grösser seyn als die Menschen / fällen sie doch wieder die Herrschafften für GOttkein Vrtheil darinn sie verlästert oder verfluchet werden. Es seynd die heyligen Engeln dienstbare Geister /(Heb. 1. 14.)
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wie die Schrifft zeuget / außgesandt zum Dienste vmb derer willen / die die Seeligkeit ererben sollen. Krafft dieser Verheissung / hat kein Gottloser sich der heiligen Engeln Schutz zugetrösten; dennoch dienen die Engel den Herrschafften in der Welt / ob sie schon nicht glaubig oder fromb seyn / vmb jhres hohen Ampts willen / weil sie seyn eine Ordnung Gottes / darzu bestellet / daß sie Gerechtigkeit vnd Gericht handhaben / öffentlichem Gewalt vnnd Boßheit stewren / die Vnschuldige schützen vnnd Frieden erhalten. In diesem jhrem Dienst sehen vnd hören die Engel viel daß nicht gut ist / doch lästern sie dieselbe nicht / mögen auch für GOTT wieder dieselbe keine Klage vnnd Vrtheil der Verdamnüß bringen / sondern vmb der Ordnung GOttes willen / dienen sie jhnen / vnnd halten sie in hohen Ehren. Darauß ist abzunehmen / wie würdig vnnd heylig die Gewalt hoher Herrschafften vnter Menschen seyn solle; dann das bey den him̅lischen Geistern ehrwürdig ist / soll bey Menschen nicht vnheylig oder geringschätzig gehalten werden / sondern man soll der weltliche̅ Obrigkeit / als einer Göttlichen Ordnung / vmb deß Gewissens (Rom. 13. 1.) willen / nach GOttes Befehl vnterworffen seyn / sie ehren vnnd für sie betten / als die Gerechtigkeit vnnd Frieden in diesem Leben mit dem Schwerdt zuer
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halten / von GOTT eingesetzet ist. Vnd wann schon alles nicht recht zugehet / wie es wol solte / sollen doch die Vnterthanen sich enthalten / nach dem Exempel der Engel / vnd die Herrschafften nicht alsfort lästern vnnd verdammen. So seynd nun freylich die Herrschafften in grossem Ansehen / beydes auff Erden vnnd im Himmel / dennoch will das vorhingesetztes Sprüchlein auß dem 49. Psalm nicht zugeben / daß in der Welt würdig seyn / die höchste Würde sey. Wann ein Mensch in der Würde ist / vnd hat keinen Verstand / so fähret er davon wie ein Vieh. Was ist nun besser vnd höher als alle Würde dieser Welt? Verstandt oder Weißheit / verstehe nicht die Weißheit dieser Welt / sondern eine andere die Göttlich ist / dann es ist ein zweyfacher Verstand / erstlich ein jrrdischer vnd viehischer / zum andern ein him̅lischer vnd geistlicher / der jrrdische vnnd viehischer Verstandt sucht nur fleischliche Lüste / daß ein Mensch reich werde / grosse Ehre vnnd gute Tage auff Erden habe / solcher Verstand erhebet die Menschen nicht viel höher als das Vieh / dann auch das vnvernünfftige Vieh gerne gute Tage verlieb nimbt / vnd seinen viehischen Affecten nachhänget; der himmlischer vnnd geistlicher Verstandt wirdt erleuchtet von einem
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Liecht / daß auß Gott kompt / vnd trachtet nach einem him̅lischen Gut / daß nicht mit viehischen Augen gesehen wirdt / vnnd nicht anders als in einem Göttlichen Liecht erkandt wirdt. Dieser him̅lische Verstandt vnd geistliche Weißheit zeyget vns ein gewisses Ende / ein vollkommenes beständiges Gut / vnd lehret vns wie wir zu solchem Ende kom̅en müssen. Das Ende der Seelen ist GOtt / dann was das Ende seyn soll aller Begierligkeit / muß alles Gut in sich begreiffen ohn allen Mangel / daher kompts / daß deß Menschen Begierligkeit in der Welt nicht kan Ruhe finden / will jmmer mehr vnd mehr haben / biß es gelanget zu einem solchen Gut / darinnen sie alles zusammen findet / was man jmmer begehren kan. Wer zu diesem Ende gelangen will / muß jhm nit eigen Wege erdencken / Gott hat selbst eine Verordnung auffgesetzet / diese Ordnung muß man wissen / (Ephes. 5, 15. 17.) vnd wol in acht nehmen wie die Schrifft saget: Seyd verständig vnd nicht vnverständig / was deß Herrn Wille ist / wandelt fürsichtig / nicht als die Vnweisen / sondern als die Weisen. Also begreifft die Göttliche Weißheit die Erkändtnuß Gottes / Glaube / Hoffnung deß ewigen Lebens / Gottes-Furcht / vnnd eine ernstliche Sorgfältigkeit zu erlangen das vnvergängliche Gut im Himmel. Das diß
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Weißheit sey / lehret auch die gesunde Vernunfft / dann gesetzet / ich erlange / was ein Mensch erlangen kan / vnd beküm̅ere mich nicht vmb das Ewige / wird meine Seele nim̅ermehr zur Ruhe kom̅en. Zwar die glaubige Seele soll Gott laut erlich allein meinen vn̅ lieben vmb sein selbstes willen / wann schon kein Höll noch Him̅el were / doch mags Gott wol leyden / daß die Seele auch auff jhre eigne Wolfarth sihet / drumb er auch dieses als den Zweck deß Christenthumbs vns fürgesetzet / daß wir Ruhe finden für die Seele / vnd der Friede Gottes in vnsern Hertzen herrsche / welches nicht anders als in GOtt kan erlanget werden / dann Gott selbsten ist der Seelen Ruhe. Hiernach trachten / ist eine Weißheit / vn̅ eine solche Weißheit / die aller jrrdischen Menschen Witz vnd Vernunfft übertrifft / wan̅ jemand verstand hat / ob er schon keine grosse Würde in der Welt hat / ist er doch wol versorgt / es wird jm ewig wol gehen / wan̅ aber ein Mensch in der Würde ist / vnd hat keinen Verstandt / so fähret er davon wie ein Vieh / er ist verlohren an Leib vnd Seel / dann auff ein viehisches Leben soll nit anders als ein viehisches Sterben folgen. Wann jemand seine Seele mit den gegenwärtigen jrrdischen Gütern erfüllet / vnd den viehischen Begierden nachgehet / was ist das anders als ein viehisches Leben? Wann er dann hernach stirbt / vnd der zukünfftigen him̅lischen Gütern sich nit zuerfrewen
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hat / was ist das anders als ein viehisches Sterben? Er fähret davon wie ein Vieh. Ja es wirt eine̅ welt-liebenden noch vnerträglicher fallen als dem Vieh / gieng es dem Menschen nicht anders als ein Vieh / vnd hätte kein ander Leben zu erwarten / were er zu entschuldigen / daß er nach einem andern Leben nicht getrachtet habe / weil aber gewißlich nach diesem ein anders Leben zu erwarten ist / ists freylich kein Lob / nur leben vnnd sterben wie das Vieh. Darauß ist nun dieser Schluß zu fassen / daß derselbe vbel bey sich thue / der nicht nach geistlicher Weißheit trachtet / er lebe auff Erden in Würden oder nicht / lebt er in der Würde vnd gedencket / als wann er nichts mehr bedürffe / vnd an seiner weltlichen Würde genug habe / betriegt er sich gar zu sehr in seinen eignen Gedancken. Die zeitliche Glückseligkeit solte einen Menschen billig dahin treiben / daß er Gott so viel mehr danckbar were / so viel höher er über andere an zeitlichem Glück erhaben / da entgegen findet man leyder in der gantze̅ Welt dise schändliche Vnart / dz der grosse Gott für seine Güter von keine̅ Menschen weniger Danck bekom̅et als von denen / die er mit zeitlichem Glück für andern angesehen hat / wiewol solches gemein / solts darum̅ klüglich gethan heissen? Solt ein vernünfftiger Mensch nicht weiter sehen / als auff das / was für Augen ist? Solte er nit daran
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gedencken / daß er in seiner zeitlichen Würde nicht jm̅er bleiben könne? vnd wan̅ er dann davon fähret / solts jhm gleich vil seyn / er fahre dahin wie ein Vieh oder Christ? wie viel sel ger ist der / der keine Würde in der Welt hat / vnd nur ein gut seliges Ende erlanget? Wolte Gott / daß alle Weltlinge möchten erkennen / wie vbel sie bey jhrer Seelen handlen / welches der Herr jhnen für Augen stellet durch den Narren / der nur darauff trachtet / wie seine(Luc. 12, 20) Schewren möchten voll werden / vnnd wie er auff viele Jahr einen Vorrath möchte samlen / vnd doch bald darauff die Seele mit dem Vorrath verlieren muste. Es sage doch / der nur eine gesunde Vernunfft hat / ob dieser Weltling wol bey seiner Seelen gethan habe? Er erwege aber dabey / was der Herr zu disem Fürbilde hinzu setzet; Also gehts / wan̅ jm jemand Schätze samlet / vnd ist nit reich in Gott / ja also gehet es / wann jemand in der Würde hie auff Erden ist / vnnd hat keine Würde in Gott. Es gehet jm wie einem Maulthier / der den Tag über köstliche Seidenwahre getragen / auff den Abend wann es an seiner köstlichen Last ermüdet ist / wird jhm die köstliche Decke abgenom̅en / vnd in einen stinckenden Stall geführet. Vernünfftige Christen sehen zeitliche Glückseligkeit nit anders an als eine Roßdecke / damit sie nur gezieret seyn / hie auff der Reyse / vnd wissen daß auff den Abend jhres Todtes sie selbige müssen ablegen / wer dann keine Zierd in GOtt findet / der
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bleibt ewig in dem stinckenden Stall / vnd hat nichts davon als ewige Schmach vnd Hertzenleyd. Die wir Christo in öffentlichem Predig-Ampt dienen / seynd Diener der geistlichen Weißheit / Gott hat vns dise Sorge anvertrawer / den vnverständigen Menschen das Verständniß zu öffnen / nicht allein die Weißheit zu lehren / sondern auch zu ermahnen / daß sie nach (Col. 1, 28.) der Weißheit einher gehen. Wir verkündigen / wie Paulus redet / vnd vermahnen alle Menschen / vnd lehren alle Menschen mit aller Weißheit / auff daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu. Das ist vnser Wunsch vnd Lust / drumb hören wir nit auff zu (V. 9, 10.) lehren / zu ermahnen / vnnd zu bitten / daß alle die das Wort der Gnaden hören / mit der Erkändtnuß Göttlichen Willens erfüllet werden in allerley geistlicher Weißheit vnnd Verstandt / daß sie wandeln würdiglich / dem HErrn / zu allem gefallen vnd fruchtbar seyn / in allen guten Wercken / vnd wachsen in der Erkäntnuß Gottes / vnnd gestärcket werden mit aller Krafft nach seiner herrlichen Macht in al
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ler Gedult vnd Langmütigkeit / mit frewden. Wer aber ist hiezu tüchtig? GOtt aber sey Danck / der(2. Cor. 4, 6.) vns tüchtig macht / vnd einen hellen Schein in vnser Hertzen gegeben / daß durch vns entstünde die Erleuchtung von der Erkändtnüß der Klarheit Gottes in dem Angesichte JEsu Christi. Ich dancke meinem GOtt / der mir solchen Fleiß ins Hertze gegeben / daß ich begere in diesem Ampt trew zu seyn / vnnd achts für mein Theil / daß ich Christum bekand mache. Kan ich einem Menschen Christum ins Hertze predigen vnd schreiben / das ist meine Frewde. Diß Ampt Gnädiger Fürst vnd Herr / Auch Gnädige Fürstin vnd Fraw / hab in E. E. F. F. Gn. Gn. Lande ich zehen Jahre getrieben / vnd dancke Gott dem Vatter Jesu Christi / daß meine Arbeit in Christo nicht vergebens gewesen / trage auch die Hoffnung / daß der bey mir vn̅ durch mich kräfftig gewesen bey meiner vorigen Gemein in dem lieben Rostock / der werde auch an diesem Orth / da ich jetzt nach Gottes Willen lebe / sein Werck gesegnen. Ob nun wol wider meinen Willen / doch durch GOttes wunderliche Schickung / wie E. E. F. F. Gn. Gn. zum theil bekandt / von meiner vorigen sehr lieben Gemeine ich gerissen worden / hat doch das Band der Liebe nicht können zerrissen werden / dann wie sie nur in
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meinem Hertzen ligen / also finde ich auch bey jhnen eine rechtschaffne Gegenliebe / vnd ein hertzlich Verlangen / da ich jhnen gegenwärtig nicht mehr dienen kan / etwas von meiner Lehr vnd Vermahnung zu lesen. Dieses hat mich bewogen mit dem öffentlichen Druck der Epistel-Predigten nicht länger einzuhalten / da ich vorhin Vrsach gehabt / Gott bekandt / die mich dazu getrieben / daß ich mir vorgenom̅en / gedachte Predigte ordentlich auffzusetzen / vnnd jederman zu Nutz offentlich ans Liecht zu bringen. Ists GOttes Wille / daß dadurch einem vnnd andern an seiner Seelen Erbawung / vnnd zur geistlichen Weißheit gedienet werde / ist die Mühe bezahlet. Nach dem nun das Werck dem Druck vbergeben war / berichtet so wol der Verleger als der Druckherr / wie sie es für gut erkennen / daß diß Werck in zwey Theil abgetheilet würde / halte̅ auch deßwegen bey mir an / den newen Vnterbruch mit einem newen Titel vnd Vorrede von dem andern zu scheyden / damit ein jeglicher das Buch nach dem es jhm bequem / entweder in einen oder zwey Bände könne binden lassen. Ich hab mir solches lassen belieben / vnd dadurch die Gelegenheit ergriffen / gegen E. E. F. F. Gn. Gn. meine vnterthänige Affection offentlich zu beweisen / vn̅ dero disen andern Theil vnterthäniges demütiges fleisses zuzuschreiben / weil nicht allein in E. E. F. F. Gn. Gn. Land / vn̅ dero Erb-vnterthä
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nigen Statt Rostock diese Predigte gehalten seyn / sondern auch allhie E. E. F. F. Gn. Gn vnverdiente gnädige Gewogenheit gegen meine Wenigkeit ich genugsamb verspüret habe. So habe ich nicht wenige / auch nicht geringe Vrsachen / die mich bewegen / gegen dem Fürstl. Hause Mecklenburg meine vnterthänige Affection öffentlich zu bezeugen / Gott von Him̅el gesegne es / daß es wachse / grüne / vnd blühe. Vnnd were nichts auff der Welt / daß zu solcher vnterthäniger Affection mich bewegete / da doch viel ist / habe ich täglich allhie für Augen E. E. F. F. Gn. Gn. nächste Blutfreundin vnnd Fraw Schwester / Meine Gnädige Fürstin vnd Fraw / die Rose der Gottseligkeit / die Cron der Holdseligkeit / das Kleinod aller Fürstl. Christlichen Tugenden (ich heuchle nicht / sondern rede die augenscheinliche Warheit) die mit jrer vnverschuldeten Gnade / mir Vnwürdigen auff mancherley Weise erwiesen / mich verbunden hat / nicht allein J. F. Gn. alles Fürstliches Wolergehen zu wünschen / sondern auch allen so J. F. Gn. angehörig vn̅ lieb seyn. Gelanget demnach an E. E. F. F. Gn. Gn. mein vnterthäniges demütiges Bitten / dieselbe wollen diß mein vnterthäniges Beginnen jhr gefallen lassen / vnd dieses geringschätzige doch verhoffentlich nicht vnnützlich Werck in Gnaden auff vnd annehmen / auch nicht allein mir vnd den meinigen / sondern auch der guten Statt Rostock / vnd der löblichen Vniversität darinn
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mit beharrlicher gnädigen Affection zugethan verbleiben. Es soll mir eine hertzliche Frewde seyn / so offt ich vernehmen werde / daß offt gedachte gute Statt / E. E. F. F. Gn. Gn. Fürstlicher gnädiger Affection sich zuerfrewen habe. Der höchste GOTT wolle E. E. F. F. Gn. Gn. mit allem Fürstlichen Wolergehen / zeitlichen vnd ewigen Segen erfrewen / vnnd für allem Vnfall Leibs vnd der Seelen gnädiglich bewahren. Geben in der Fürstl. Brunswigischen Vestung Wulffenbüttel. Den 27. Jan. Anno 1652. E. E. F. F. Gn. Gn. Vuderthäniger Diener Joachimus Lütkeman / D.
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Am Tage der Heiligen Dreyfaltigkeit.
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Von den vnbegreifflichen Wegen in den Gerichten Gottes.
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TEXTUS.
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Rom. 11. V. 33. usque V. 37.
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V. 33. LIeben Brüder / O welch eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit / vnd Erkäntnüß Gottes / Wie gar vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich seine Wege. V. 34. Dann wer hat deß HERRN Sinn erkant? Oder wer ist sein Rathgeber gewesen? V. 35. Oder wer hat jhm etwas zuvor gegeben / das jhm werde wieder vergolten? V. 36. Dann von jhm / vnd durch jhn / vnd in jhm seynd alle Ding / Ihm sey Ehre in Ewigkeit / AMEN.
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Geliebte in Christo Jesu.
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(Exord. DEUS cognoscendus tum secundum essentiam, tum secundum proprietates & operationes.) WAnn das heutige Fest der H. Dreyfaltigkeit in der Christlichen Kirchen angeordnet / zu sonderbarer Erklärung deß der Natur vnbegreifflichen göttlichen Wesens; wird billich einfältigen Christen der ewige GOtt auß göttlichem Worte für die Augen gemahlet / nicht allein nach seinem Wesen / sondern auch nach seinen Wirckungen vnd Eigenschafften. Nach seinem Wesen zwar / wie er ist einig in dem Wesen / dreyfaltig in den Personen. Nach seinen Eigenschafften vnd Wirckungen aber / wie er ist vnendlich / ewig vnd allmächtig / heilig / gerecht vnd warhafftig / der alles erschaffen hat / vnd erhält / ein ewiger König / der auch die armen Menschen erlöset vnd selig machet. Beydes gehöret zur Erkäntnüß Gottes / daher derselbe / der läugnet die Gerechtigkeit oder Warheit Gottes / oder seine Vorsehung in Zweifel ziehet / GOtt verläugnet hat / eben so wol / als der schlecht läugnet / daß ein GOtt im Himmel ist. Ja so einer begehrete GOtt seiner Weißheit vnd Gerechtigkeit zu berauben / der würde jhn höher lästern / als der nur schlecht läugnet / daß ein GOtt im Himmel sey. Eben wie es einen redlichen Menschen viel mehr kräncket / so man jhn für einen lügenhafften vngerechten Menschen außruffet / als so man sage / er sey kein lebendiger Mensch. Denn dieses würde er als eine vnsinnige Rede verlachen / jenes aber würde jhm / als eine ehrenrührige Rede / wehe thun. Also ist nun alle Welt voll solcher Leute / die GOTT nicht kennen / sondern jhn verläugnen / in dem sie nicht trawen der Weißheit Gottes in seiner Regierung / der Warheit in seinen Verheissungen / der Gerechtigkeit in seinen Drawungen; daß billich von allen Menschen gesaget wird / was geschrieben stehet im 14. Psalm: (Psal. 14, 1.) Die Thoren sprechen in jhrem Hertzen / es ist kein Gott.
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Dann in dem ich solche vngöttliche Gedancken fasse; GOtt hasset das böse nicht / er straffets auch nicht / er machts nicht recht mit mir / ich habe keine Hülffe bey jhm / ist eben so viel als sagte ich / es ist kein GOtt. Denn so ein wahrer GOtt ist / so muß er auch heilig / gerecht vnd warhafftig seyn / oder so er nicht ist heilig / gerecht vnd warhafftig / so kan er auch nicht ein wahrer GOtt seyn. Gleich wie aber GOtt nach seinem Wesen vnbegreifflich(Utrobique est incomprehensibilis.) ist. Denn wer will außgründen / wie eins drey sey? Eine vnzertrennliche Gottheit / vnd drey vnterschiedliche Personen? Denn wie der Vatter nicht ist der Sohn / also ist auch der Sohn nicht der Heilige Geist; sondern diß seynd drey vnterschiedene Personen / in welchen doch allesampt ist die einige vngetheilte ewige Gottheit / Allmacht vnd Herrligkeit. Also seynd auch die Eigenschafften Gottes vnbegreifflich / vnd die Wege deß HERRN vnerforschlich. Denn er in seiner Regierig-Weißheit vnd Gerechtigkeit so wunderlich ist / daß auch die hocherleuchtete Männer Gottes sich nicht darin haben schicken können. Damit nun auch von diesen vnerforschlichen Wegen Gottes die Gemeine erinnert würde / seynd recht vnd wol dazu verordnet die Wort auß dem 11. Cap. an die Römer: O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes / wie vnbegreifflich seynd seine Gerichte / wie vnerforschlich seynd seine Wege! Die Summa ist / daß die Wege GOttes in seinem Gerichte vnerforschlich(Thema.) seyn / an Weißheit vnd Gerechtigkeit. Von solchen vnerforschlichen Wegen in Gottes Gerichten fruchtbarlich zu handeln / wolle GOtt Weißheit vnd Verstand / durch die Krafft seines Geistes gnädiglich verleihen / AMEN.
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(Occasio textus.) IM 9. 10. vnd 11. Cap. an die Römer handelt Paulus von Verwerffung der Juden / als eines Volcks / das GOtt vorhin vor aller Welt zu eim Eigenthumb erwehlet / vnd darinnen er grosse Wunder geübet hatte; vnd bey solcher Verwerffung gibt er vns zu bedencken dreyerley. 1. Seine freye Macht / sich über jemand zu erbarmen / oder jemand zu verstocken / sintemal er niemand etwas schuldig ist / auch niemand mit jhm rechten darff / vnd sagen: GOtt / was machstu. 2. Die Vrsach der Verwerffung. Ob er zwar Macht hat / sich zu erbarmen vnd zu verwerffen / wenn vnd wie er will / so verwirfft er doch niemand schlechter dinge / auß freyem Willen / ohn Vrsach / sondern vmb deß Vnglaubens willen / welcher Vnglaub bey den Juden auß der Ergernüß deß Creutzes hergesprossen / alldieweil sie jhnen viel ernen andern Messiam vnd Heyland hatten eingebildet / als der geereutzigte JESVS war. 3. Gibt Paulus auch zu bedencken / die Art der Verwerffung / wie die Juden nicht schlecht in gemein überall verworffen seyn / sondern viele auß denselben erwehlet seyn / auch noch künfftig eine grosse menge auß denselben soll herzu gebracht werden. (Propositio.) Bey solcher Betrachtung der wunderbaren Regierung Gottes in dem Werck / das vnsere ewige Seligkeit betrifft / fällt der hocherleuchte Apostel in solche Bestürtzung / daß er auffschreyet: (V. 33.) O welch eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Wie gar vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich seine Wege! Zweyerley wird hie geredet / die Meynung aber ist nur eine. Denn das zu erst der Apostel mit tunckeln Worten außredet: O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes; das erkläret er stracks mit klaren
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Worten: Wie vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich seine Wege. Die Meynung ist: Gottes Wege in seinen Gerichten seyn vnerforschlich / doch allzeit voller Weißheit vnd Gerechtigkeit. So handelt nun hie Paulus von den Wegen Gottes in seinen Gerichten / wie GOtt in seinen Gerichten handele vnd vmbgehe. Es können die Gerichte Gottes auff zweyerley weise betrachtet werden / einmal in gemein / wie GOtt alle vernünfftige Creaturen / Engel vnd Menschen regiere / vnd wie er mit denselbigen vmbgehe / in dem er derselben ein theil selig machet / ein theil verwirfft; hernach absonderlich / wann man eines einigen Menschen Leben ansihet / vnd in demselben Gottes Gericht vnd Regierung betrachtet. Zu beyden mahlen findet sich Vnbegreiffligkeit vnd Vnerforschligkeit / daß in den Regierungen vnd Gerichten deß HERRN sein Rath / Thun vnd Werck nimmermehr kan erforschet vnd ergründet werden. Begreifflich ist / was mit den Sinnen vnd der Vernunfft kan gefasset werden; erforschlich ist / nicht das man stracks sihet vnd erkennet / sondern das ein scharffsinniger Kopff mit langem vnd scharffem nachdencken endlich erfinden kan. Also ist deß Himmels Lauff nicht jederman bekant / doch haben die Menschenkinder mit fleissigem nachsinnen viel davon erreichet: daher ist der Lauff deß Himmels noch ein begreiffliches Ding. Hingegen was in allen Tieffen / vnd im mittelsten Grunde der Erden verborgen liget / weiß niemand / kan auch niemand wissen oder erforschen / darumb heisst es ein vnerforschlich Ding. Auff solche weise redet auch Paulus von den Wegen Gottes in seinen Gerichten; sie seynd vnbegreifflich vnd vnerforschlich / seinen Rath / Weißheit vnd Gerechtigkeit sihet man nicht darin / vnd kan mans auch nicht sehen / begreiffen / oder erforschen / man forsche nach mit aller Scharffsinnigkeit / wie man will.
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Eben dasselbe meynet Paulus auch mit diesen Worten: O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Er redet von der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes / wann nemblich ein Mensch nachdenckt der Weißheit Gottes in seinen Gerichten vnd Wercken. Solche Weißheit in der Erkäntnüß Gottes wird vns fürgestellet / als ein vnerforschlicher Schatz vnd ein tieffer Abgrund / da man nicht kan zum Ende kommen. Vnd ist die Meynung: Wann man der Weißheit Gottes in seinen Wercken vnd Gerichten nachdencket / findet man einen tieffen vnerschöpfflichen vnerforschlichen Schatz. Gottes Werck seynd so wunderbar / daß sie nicht können zu grund erkant werden. In seiner Regierung ruhet solch ein Reichthumb der Weißheit / welcher weder zu gründen noch zu messen ist. Also werden wir geführet zu einer vngründlichen vnerforschlichen Tieffe / darinnen ein solcher Schatz der Weißheit liget / der nimmermehr zu grund kan erkant oder erforschet werden: wie mehr man suchet / wie mehr man findet; wie tieffer man sich hinein lässt / wie tieffer man hinein sincket. Wann wir haben etwas gefasset von Gottes Gerichten / vnd meynen / wir habens nun gefunden; so haben wir kaum den anfang ersehen / vnd ist noch übrig ein vnendlicher Abgrund / voller Weißheit vnd Gerechtigkeit / zu welcher Erkäntnüß wir nicht können gelangen. O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Wie gar vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich seine Wege! Diß findet sich / wann wir erstlich in gemein Gottes Wege vnd Wercke in seinen Creaturen betrachten; vnd hernach ein jeglicher auff sich selbst kompt / vnd bedenckt nur / wie jhn GOtt so wunderlich die Zeit seines Lebens über geführet hat. Wann vns nun etwas fürkompt / darinnen wir vns nicht richten können / vnd nicht begreiffen / wie es mit Gottes Güte überein komme; so ge
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dencke daran / daß Gottes Wercke allezeit seyn voller Weißheit vnd Gerechtigkeit / ob sie schon vns seyn vnbegreifflich. Es sagts Paulus nicht allein / die Heiligen im Himmel haben darauß einen Gesang gemacht / wie auffgezeichnet ist in der Offenbarung Johannis am 15. Cap. Groß vnd wundersam(Apoc. 15, 3.) sind deine Werck / HERR allmächtiger GOtt / gerecht vnd warhafftig sind deine Wege / du König der Heyden; David auch im 145. Psalm: Der HERR ist gerecht in allen(Psal. 145, 17) seinen Wegen / vnd heilig in allen seinen Wercken. Hierüber werden vns vom Apostel Paulo gezeiget drey(Confirmatio.) Gründe / vnter welchen der erste ist / daß niemand möge erkennen den Rath vnd den Sinn Gottes / ohn allein der Geist Gottes / der in GOtt ist: Denn wer hat deß HERRN Sinn erkant? Der Sinn vnd Rath deß HERRN ist zweyerley / ein verborgener / vnd ein geoffenbarter. Was GOtt geoffenbaret hat / ist darumb offenbaret / daß wir jhm sollen nachdencken / vnd es wissen. Was aber GOtt in geheimb behalten / davon werden wir mit vnserm grübeln keine Gewißheit erlangen. Paulus hatte viel gelernet im dritten Himmel / dennoch wann er kompt auff die wunderliche Gericht deß HERRN / ruffet vnd bekennet er: Wer hat deß HERRN Sinn erkant? Wann nun niemand weiß den Sinn vnd Rath deß HErrn / warumb er diß so / vnd nicht anders mache / so meistert man jhn vergeblich in seinen Wercken / vnd bleibt dennoch dabey / daß Gottes Wege vnerforschlich seyn / voller Gerechtigkeit vnd Weißheit. Der ander Grund ist genommen auß dem 40. Capitel deß Propheten Esaiae / da also geschrieben stehet: Wer vnterrichtet(Esa. 45, 13.) den Geist deß HERRN / vnd welcher Rathgeber vnterweiset jhn? Wen fraget er vmb Rath / der jhm Ver
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stand gebe / vnd lehre jhn den Weg deß Rechtes? vnd lehre jhn die Erkäntnüß / vnd vnterweise jhn den Weg deß Verstandes. Das begreiffet Paulus kurtz zusammen / vnd spricht: Wer ist sein Rathgeber gewesen? Salomon war ein weiser König / vnd so weiß / daß seines gleichen nicht gefunden ist / auch nicht wird gefunden werden / noch hat er seine Räthe gehabt. Aber wer ist Gottes Rathgeber gewesen? Welcher vnter den Menschenkindern darff sich vnterstehen / dem HERRN einen Rath zu geben / wie er etwas anfangen vnd machen soll? Ist er nicht die vnendliche Weißheit? Muß nicht von jhm kom̅en alle Weißheit / die bey vns Menschenkindern kan gefunden werden? Warumb meisterst du denn die Wercke deß HERRN? Meynestu du seyest klüger denn GOtt / in dem du achtest / es wäre besser / wenn es anders wäre? Denn so thöricht seynd wir Menschen / daß wir dürffen dencken / wann es nach vnserm Sinne gieng / so wäre es recht. Eben als wann die vnendliche Weißheit vnsers Raths bedürffte / vnd von vns solte Weißheit holen. Der dritte Grund ist genommen auß dem 41. Capitel deß Büchleins Hiob / allda der HERR spricht: Wer hat mir was zuvor gegeben / daß ichs jhm vergelte? Es ist mein / was vnter allen Himmeln ist. Also auch hie: Wer hat jhm etwas zuvor gegeben / das jhm wieder werde vergolten? Denn von jhm / vnd durch jhn / vnd in jhm sind alle ding. Alle Ding seynd von GOtt / denn er ist der Schöpffer / der auß nichts alles gemacht. Alles durch GOtt / denn GOtt bedarff keines Instruments / wann er alles erschaffet / Er macht alles durch sein kräfftiges Wort; vnd was die Creaturen gutes vermögen / das thun sie durch GOtt / vnd durch eine Krafft auß GOtt. Alles ist zu GOTT gerichtet vnd seinen Ehren / als zu einem Zweck vnd Ziel. Weil denn alles von jhm ist / was da ist / so hat jhm auch
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niemand können etwas geben / das jhm werde wieder vergolten. Wer wolte denn mit GOtt ins Gerichte gehen / wenn er gleich kein gutes vns bewiesen hätte? Wer könte etwas von jhm fodern / als wann er vns etwas schuldig wäre? Würde er nicht antworten: Du elende Creatur / was wilstu mit mir rechten? Hastu wir doch noch nicht bezahlet / was du mir bereit schuldig bist? Was darffstu denn ein mehrers von mir fodern? Ich habe dir mehr gegeben / als du mir bezahlen kanst. In dem aber / das Paulus saget: Von jhm / durch jhn / vnd zu jhm ist alle Ding: beweiset er nicht allein / daß niemand GOtt etwas zuvor gegeben; sondern leget auch zugleich einen newen Grund / darauß offenbar wird / daß Gottes Wercke vnd Gericht gerecht vnd voller Weißheit seyn / ob sie schon vns seyn vnerforschlich. Denn so alles von GOtt vnd durch GOtt; auch alles zu Gottes Ehren gerichtet ist / so thut er freylich nichts wider seine Ehre. Wir verstehen nicht alles / so sehen wir auch nicht / wie alles zu Gottes Ehr gerichtet ist; denn wir müssen vns noch über viel verwundern / welches den Schein hat / als käme es mit göttlicher Majestät vnd Billigkeit nicht überein. Aber so es deß HERRN Werck ist / vnd alles zu Gottes Ehr gerichtet ist / so muß es freylich ein gerechtes Werck seyn / voller Weißheit / obs vns schon wunderbarlich vorkompt. Darumb müssen wir nur in allen dingen mit Paulo sagen:(Conclusio.) Ihm sey Ehre in Ewigkeit. Denn weil die Wege deß HErrn seyn vnaußforschlich / an Weißheit vnd Gerechtigkeit / so muß jhm auch ewiglich die Ehre bleiben / die Ehre der Allmacht / die Ehre der Heiligkeit / die Ehre der Gerechtigkeit / die Ehre der Weißheit. Es müssen den HERRN loben alle seine Wercke / an allen Orten seiner Heerschaaren. Ja / Ihm sey Ehre in Ewigkeit / denn die Wege deß HErrn seyn vnaußforschlich / an Weißheit vnd Gerechtigkeit. O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß
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Gottes! Wie gar vnbegreifflich seynd deine Gerichte / vnd vnerforschlich deine Wege! Niemand kan jhn tadeln in seinen Gerichten / denn wer hat deß HERRN Sinn erkant? vnd wer kans sagen / warumb GOtt diß oder jenes so oder so geschicket hat? Niemand mag jhn meistern in seinen Wercken / vnd sprechen: Warumb thut er doch also? Denn wer ist sein Rathgeber gewesen? Wer darff sich vnterstehen / dem allerweisesten GOtt etwas zu rathen? Niemand darff sich beklagen / es geschehe jhm vnrecht / denn wer hat jhm etwas zuvor gegeben / das jhm wieder werde vergolten? In Summa / seine Wege seynd gerecht / weiß / herrlich vnd vnaußforschlich / denn auß jhm / durch jhn vnd zu seinen Ehren gehet alle Ding; Ihm sey Ehr in Ewigkeit. (Usus confistit 1. In consideratione viarum Domini. Ubi consideratur 1. Quae sint opera DEI admiranda.) Hie gewinnen wir Vrsach näher zu tretten / vnd absonderlich die vnerforschliche Wege der Weißheit Gottes zu bedencken / beydes an vns vnd vnseren neben Menschen: da werden wir sagen: O eine Tieffe! Ich will hie nicht viel sagen von dem Werck der Erschaffung. Wir waren nichts / er aber hat vns lassen zusammen rinnen wie Milch / hat vnsere Gebeine zusammen geknüpffet / vnd sie mit Fleisch vnd Haut vmbkleidet / vnd durch seinen Willen haben wir den Odem. Da gibt der gütige GOtt nicht einem jeglichen einerley Sinn vnd Hertz. Dem einen bescheret er eine gute Seele / dem andern eine geringere. Da finden sich in der Natur deß Menschen vnterschiedliche Eigenschafften / vnterschiedliche Zuneigungen. Da solte man bereits viel finden / daß man muß vnerforschet lassen. Ich will auch nicht viel sagen von dem Werck der Erlösung / über welchem sonsten die Engel sich nicht gnug verwundern können. Wer solte gemeynet haben / daß das der rechte Weg wäre / deß Teuffels Reich zu zerstören / wenn GOTT sich würde vom Teuffel peinigen / vnd vom Todt fressen lassen? Darauff hat kein Engel gedencken können / vnd hat jhnen gelüstet das hohe Geheimnüß anzusehen.
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Ich bleibe allein bey den wunderlichen Wegen in der Regierung vnd Vorsehung Gottes. Sehet an die natürliche Werck vnd Bewegung deß Menschen; Auß GOtt vnd durch GOtt ist alles. Ju Ihm leben / schweben vnd seynd wir. So ein Fisch nicht lang ohn Wasser / der Vogel nicht lang ohne Lufft dawren kan; so können wir viel weniger dawren ohne GOtt. Die Seele ist mehr in GOtt / als der Fisch im Wasser / vnd der Vogel in der Lufft. GOtt ist vns viel näher / als wir vns selber seyn. Wir vermögen nicht eine Hand außstrecken / wann GOtt sie nicht außstrecket; der muß alle Krafft vnd Bewegung geben / auch in dem Augenblick / wann wir vnsere Glieder mißbrauchen zu Dienst der Vnreinigkeit vnd Vngerechtigkeit / vnd mit denselben wider GOtt streiten. O du langmütiger GOtt! daß du dein einfliessendes Wort nicht entziehest / wenn der Sünder beginnet mit seinen Gliedern zu streiten wider dich / daß er verlähmet werde / oder zu scheittern gehe: Aber du erhältest auch mitten in den schweren Sünden die Natur / vnd schaffest die Bewegung. Sehet an den bürgerlichen Wandel der Menschen / da finden sich wunderliche Gaben / vnd lässt doch GOtt offt einen Vnwürdigen zu Ehren kommen / da die Würdige vnd Verständige im Koth bleiben. Mancher geschickter Mensch / wann ers bedenckt / wird darüber entrüstet. Den sichern gehets nach Hertzen Wunsch / die GOtt fürchten / müssen über sich gehen lassen Angst vnd Hertzenleid. Würde ein verständiger Weltmensch hierüber zu ordnen vnd zu walten gesetzet werden / er würde viel eine andere Ordnung halten / vnd kompt den Klugen die Ordnung Gottes allezeit wunderlich für. Wunder erfahren wir / wann GOtt erwachet zur Straffe; Wunder erfahren wir / wann GOtt auffstehet zur Hülffe. Da dann die Errettung so viel herrlicher ist / so viel mehr verzweiffelt böß das Vnglück gewesen ist / daß wir dem HERRN bekennen müssen auß dem 116. Psalm: Stricke deß(Psal. 116, 3. 4. 5. 6. 7. 8.) Todes hatten mich vmbfangen / vnd Angst der Höllen
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hatten mich troffen / ich kam in Jammer vnd Noth. Aber ich rieff an den Namen deß HERRN; O HERR / errette meine Seele. Der HERR ist gnädig vnd gerecht / vnd vnser GOtt ist barmhertzig. Der HERR behütet die Einfältigen / wenn ich vnterlige / so hilfft er mir. Sey nun wieder zu frieden meine Seele / denn der HERR thut dir guts. Denn du hast meine Seele auß dem Todt gerissen / mein Auge von den Thränen / meinen Fuß vom gleiten. Wer sihets / wie vnd auff was Wege GOtt es gut mit vns meynet; warumb ers so vnd so mit vns mache? Wer wünschet jhm nicht einen andern Weg / als den / dadurch jhn GOtt ziehet? Wir mögen nicht erforschen den Rath Gottes / in Regierung seiner Kinder. Der HERR führet die seinen wunderlich. Für allen sehet an die wunderbare Verordnung vnd Außtheilung der Gnade / im Werck der Seligkeit. Denn diß ist eben das Werck / das den Apostel Paulum ziehet zu dieser Stimme: O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Wie gar vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich sind seine Wege! Lässet nicht vnser GOtt das Liecht seines Worts so vngleich scheinen? Abraham steckte so tieff in Abgötterey / als ein ander. Warumb sprach der HERR zu Abraham / vnd nicht zu einem andern: Gehe auß auß deines Vatters Hause / vnd von deiner Freundschafft? Es hätte vielleicht auch ein ander dem Munde deß HERRN Gehorsam geleistet / wann jhm GOtt geruffen vnd geführet (Act. 16, 6. 7. 9.) / wie den Abraham. Wenn Paulus auff einer Reise begriffen / die er jhm selbst für gesetzet / erscheinet jhm im Gesicht ein Mann auß Macedonia / vnd ruffet jhm: Komme zu vns. Hat denn GOtt nicht können Paulo so eine weite Thür auffthun an
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dem Ort / da Paulus hin gedacht / als an dem Ort / da jhn GOtt hin ruffet? Lasset vns nur auff vns selbst kommen. Vnsere Vätter waren Heyden / vnd wandelten ohne GOtt in der Finsternüß. Doch hat GOtt endlich auch vns verkündigen lassen sein Wort; ja / hat auch zur letzten Zeit vns in Teutschland das Liecht ernewert / da hingegen so viele Länder noch in schwerer Finsternüß / in grosser Gefahr der Seelen sitzen. Was haben wir für andern gethan / daß bey vns leuchtet das helle Liecht deß Evangelij? Wir wissen / wie vielen es entzogen ist. Woher kompt diese Vngleichheit? Ein Volck sitzet in vollkommener Finsternüß / das ander hat ein wenig Liechtes / dem dritten scheinet der gantze Glantz deß Evangelij. Wahr ists / daß Heyden / Juden / Türcken außgeschlossen seyn vom Reiche Christi / haben sie zu dancken jhren Vorfahren / welche muthwillig das Liecht deß göttlichen Wortes bey jhnen haben lassen verleschen. Was können aber die Nachkommen dafür / daß jhre Vorfahren so gehauset haben? Ich zweifele nicht / daß viel seyn vnter Heyden / Juden vnd Türcken / welche / wann sie vnter Christen / vnd von Christen erzogen wären / wie wir; es vns im Christenthumb möchten zuvor thun. Wo bleibet denn hie die Barmhertzigkeit Gottes / die er allen Menschen versprochen hat? Aber O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Wie vnbegreifflich seynd seine Gerichte / wie vnerforschlich seynd seine Wege! Eins ist gewiß / daß GOTT niemand etwas schuldig ist. Denn wer hat jhm etwas zuvor gegeben / das jhm wieder werde vergolten? Er hat nach seiner Gerechtigkeit vns alle können im Elend vnd in dem ewigen Todt stecken lassen / darin wir durch Adam gefallen seyn. So hat er auch wol können auß blossen freyem Willen ein theil der Menschen für über gehen / vnd sich deß andern theils annehmen; vnd hätte doch niemand zu jhm sagen dürffen / was machstu? Denn er würde antworten; Habe ich nicht Macht zu thun mit dem meinen was ich will / sihestu darumb so
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scheel / daß ich so gütig bin? Nimb was dein ist / vnd packe dich damit zur Höllen hinein. Das ist / darauff der H. Geist deutet zun (Rom. 9, 14.) Römern am 9. Cap. Ist denn GOtt vngerecht / wenn er den einen auffnimpt / den andern verwirffet? Das sey ferne. Denn er spricht zu Mose: Welchem ich gnädig bin / dem bin ich gnädig / vnd welches ich mich erbarme / deß erbarm ich mich. Ich lasse mir hie kein Gesetz geben. So erbarmet er sich nun / wes er will / vnd verstocket / welchen er will. So sagstu: Was schuldiget er denn vns? Wer kan seinem Willen widerstehen? Ja / lieber Mensch / wer bistu denn / daß du mit GOTT rechten wilt? Spricht auch ein Werck zu seinem Meister / warumb machstu mich also? Hat nicht ein Töpffer Macht / auß einem Klumpen zu machen ein Faß zu Ehren / vnd das ander zu Vnehren? Weil nun alle Menschen auß einem gemeinen sündlichen Klumpen zugerichtet seyn / hat er seinen Zorn vnd Macht wol können erzeigen / vnd von aller Gnade außschliessen die Gefäß deß Zorns; vnd kund thun den Reichthumb seiner Herrligkeit allein an den Gefässen der Barmhertzigkeit / die er bereitet hat zur Herrligkeit. Solche Freyheit hat GOtt in der that bewiesen an den gefallenen Engeln. Ob nun GOtt hierin niemand etwas schuldig ist / so ist doch ferner gewiß / daß GOtt nicht wolle den Todt eines Sünders / sondern daß er sich bekehre / vnd lebe / wie er denn thewer bezeuget (Ezech. 18, 23.) durch den Propheten Ezechiel am 18. Cap. Meynestu / daß ich gefallen habe am Tode deß Gottlosen / vnd nicht vielmehr / daß er sich bekehre von seinem Wesen / vnd lebe. Damit setzet GOtt gegen einander das Wolgefallen / das GOtt hat an dem Leben deß Sünders / der sich bekehret; vnd das Wolge
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fallen / das er haben könte an dem Todt deß Sünders. Vnd zeuget / daß das Wolgefallen am Leben / dessen der sich bekehret / viel grösser ist / als das Wolgefallen / das er hat an dem Todt eines Verworffenen. Hernach spricht GOtt nicht schlecht: Ich habe vielmehr ein Wolgefallen daran / daß sich ein Sünder bekehre vnd lebe / als daß ich solte ein Wolgefallen haben an seinem Todt; sondern mit einer Bewegung: Meynestu / daß ich gefallen habe am Todt deß Gottlosen? Ist als wann ein Fürst beschuldiget würde / er meynets nicht redlich mit seinen Vnterthanen / vnd suchte nur jhr Geld vnd Verderben; vnd derselbe nicht allein sich mit freundlichen Worten entschuldiget: Nicht / meine Lieben / daran habe ich kein gefallen; sondern auch mit Hertzensbewegung herauß bricht: Was meynet jhr / solte ich daran ein Wolgefallen haben / daß jhr verderbet / vnd nicht vielmehr / daß jhr vnter meinem Schutz vnd Schirm ein geruhiges glückliches Leben führen möget! Da glaubet man ja billich solchen ernsthafftigen Worten. So aber über das auch noch der Printz sein Hand vnd Finger gen Himmel hebet / vnd schweret bey dem lebendigen Gott: So wahr der HERR lebet / ich habe keinen gefallen an ewrem Verderben; glaubt man noch viel mehr. Also spricht auch der HERR HERR: Meynestu daß ich gefallen habe am Tode deß Gottlosen / vnd nicht vielmehr / daß er sich bekehre von seinem Wesen / vnd lebe? Ist das nicht genug / thut er einen Eyd dazu / vnd weil er keinen höhern hat / als er selbst ist / schweret er bey sich selbst im 32. Cap. desselbigen Propheten: So wahr als ich lebe / spricht(Ezech. 32, 11.) der HERR HERR / ich habe keinen gefallen am Tode deß Gottlosen / sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen / vnd lebe. So bekehret euch doch nun von ewrem bösen Wesen / warumb wolt jhr sterben / jhr vom Hause Israel? Darumb sollen wir das dem
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warhafftigen GOtt zutrawen / daß er keine lust habe an jemands Verderben / sondern daß er wolle das Leben vnd die Seligkeit eines Sünders; vnd daß er solches wolle / nicht allein mit dem Beding / so sie wollen vmbkehren / vnd glauben; sondern daß er auch willig sey / so viel als an jhm ist / jederman den Glauben zu schencken / vnd was jhm zu seiner Bekehrung von nöthen ist. Derwegen folgends auch diß gewiß ist / ob wol GOtt den Heyden vnd Türcken auß gerechtem Gerichtsein Wort entzogen hat / daß dennoch er sich nicht ohn Zeugnüß gelassen habe. Sie haben können GOTT erkennen / dazu seine Gerechtigkeit vnd Barmhertzigkeit. Das Schrecken vnd Anklagen jhres Gewissens / hat gezeuget vom göttlichen Gericht vnd Gerechtigkeit. Die vielfältigen Gutthaten in der Natur / da GOtt gibet Regen / Sonnenschein / vnd fruchtbare Zeiten / vnd ergetzet das Hertz mit Lust vnd Frewde / zeugen von Gottes Güte vnd Barmhertzigkeit. Denn an statt daß GOtt allen Einfluß seiner Güte vns solte entziehen / vnd mit Donner vnd Blitz die halßstarrige Sünder zur Hölle schlagen / thut er jhnen viel gutes / dabey alle Heyden haben schliessen können vnd sollen / daß noch Gnade bey GOtt für den Sünder vorhanden sey. Ob nun zwar durch dieses natürliche Liecht kein Mensch bekehret / vnd zum Glauben gebracht ist / auch nicht kan gebracht werden; doch ist kein zweiffel / wann einer vnter der Heydenschafft dieses Liecht nicht verworffen hat / sondern desselben / wie es sich gebüret / gebrauchet; GOtt würde nach seiner versprochenen vnd hochbethewrten Barmhertzigkeit / denselben Heydnischen Menschen weiter geführet / vnd zu einem andern Liecht gebracht haben / durch Weise vnd Wege / die jhm nicht schwer seyn. Daß aber letzlich GOtt so vngleich mit dem Liecht seines Wortes fortgehe / einer Nation nehme / der andern gebe / die dritte vorüber gehe; da ist nichts übrig / als daß wir mit dem Apostel ruffen: O wie vnbegreifflich seynd seine Gericht! Wie vnerforschlich seynd seine Wege! Du aber / lieber Christ / erkenne vnd preise
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die Barmhertzigkeit Gottes / daß er dir hat auffgehen lassen ein Liecht zum ewigen Leben. Wolten wir vns weiter versencken / in Erkundigung der Gerichte Gottes / über die elende Kinder / deren viel tausentmal tausent vnter Juden / Türcken vnd Heyden in jhrer angebornen Sünde dahin sterben: da würde sich noch eine grössere Tieffe finden / vnd ein gar vnerforschlicher Weg. Wir können nicht anders sagen / als daß sie müssen sterben deß ewigen Todes / da sie doch in jhrem Leben nicht einmal erkant haben / was linck oder recht / weiß oder schwartz ist. Wir / ich vnd du / haben vnseren Verstand / vnd haben mit vnsern Sünden vielmal vnd schwerlich GOtt beleidiget; vnd gleichwol bleibt vns durch GOtt die Hoffnung der Seligkeit. OChristen Hertz / wenn du Thränenquelle in deinen Augen hättest / so soltestu sie nicht enthalten / wann du bedenckest / daß du dieser Gefahr nur durch blosse Gnad entrunnen bist. Denn was hats verhindert / daß auch du nicht vnter Heyden geboren vnd gestorben bist? O eine Tieffe deß Reichthumbs / beyde der Weißheit vnd Erkäntnüß Gottes! Wie vnbegreifflich sind seine Gericht / vnd vnerforschlich seine Wege! Ewer Liebe haben etlicher massen besehen / die vnbegreiffliche Wege Gottes / in Beförderung der Menschen Seligkeit / so viel anlanget den Vnterscheid deß gepredigten Wortes; daß es einem Volck gepredigt werde / dem andern nicht. Da denn die wunderliche Gerichte Gottes zum hefftigsten herfür scheinen. Dennoch lassen sich auch mercken vnbegreiffliche vnd vnerforschliche Wege / vnter denen die das Wort Gottes haben vnd hören / da denn auch die Gnade Gottes nicht allerdings zu erforschen ist. Hie ist gewiß / daß wir alle in Sünden todt seyn / vnd niemand durch eigene Kräffte von seinem bösen Wesen kan vmbkehren; welches allein ist ein Werck deß H. Geistes. Dennoch sehen wir / daß in einer Gemein in einer Predigt / dem einen das Hertze beweget wird / dem andern nicht; einer wird bekehret / der ander bleibet in seinen Sünden. Da ist ja wol wahr / daß der Vnbußfertige
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muthwillig sein Hertz verstocket / vnd dem H. Geist widerstrebet; so sehen wir dennoch auch / daß vielen ein sonderliche vnd über flüssige Gnade vnd Gelegenheit zur Bekehrung gegeben werde / die anderen nicht wiederfähret; als wann GOtt einem zuschickt eiferige Lehrer / gottsfürchtige Gesellschafft / vnd dergleichen gute Mittel zur Bekehrung vnd heiligem Leben. GOtt brauchet an allen nicht die überflüssige Gnade / die er Paulo bewiesen. Paulus schnaubete wie ein wüteriger Hund / vnd verfolgete mit allem Ernst vnd Eiffer Christum vnd seine Gemeine. Wer weiß / was jhm geschehen wäre / wann Christus nicht die Wundergnade jhm erzeiget / vnd sich jhm im Liecht offenbaret / vnd ein ander Hertz gegeben hätte? Auch spüren wir einen vnerforschlichen Weg in dem Gericht vnd Langmuth deß HERRN / die er in seiner Kirchen brauchet / darin; wann er dem einen Zeit vnd Raum gibt zur Busse; den andern wegreisset in seinen Sünden. So viel vnser getauffet seyn / die haben Christum angezogen; wir haben aber jhn nicht alle behalten; wir haben jhn zum offtern mit vnsern Sünden außgestossen. Durch Gottes Gnade seynd vnser viel wieder vmbgekehret / vnd warten auff die selige Erlösung. Ihrer viel aber seynd in jhrer Sicherheit weggerissen / vnd haben verschertzet jhre Seligkeit. Hat nicht GOtt Macht vnd Recht gehabt / auch vns gleichfalls wegzunehmen / da wir muthwillig verharreten in Vnbußfertigkeit? Ich setze / es seynd zween Buben / gleich gut / der eine so böß als der ander. Der eine wird durch einen schleunigen vnd schrecklichen Todt / mitten in seinen Sünden von GOtt gestraffet; der ander wird durch deß vorigen Exempel bekehret. Wer will zwischen diesen beyden Richter seyn / vnd sagen / warumb GOtt jenen / vnd nicht diesen / zum schrecklichen Exempel seines Zorns gesetzet hat? Augustinus / ein heiliger sehr würdiger Kirchenvatter / wäre ein solches Liecht der Kirchen nicht geworden / wann jhn GOtt durch den Todt hätte dahin genommen / wie er noch im Vnglauben vnd den Weltlüsten dahin gieng. Augusti
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num erduldete die Langmuth Gottes / biß zur Bekehrung: einen andern nahm er weg in der helffte seiner Tagen / da er noch gieng in seiner Vnbußfertigkeit. Was wollen wir aber sagen? Vnbegreifflich seynd seine Wege / vnd vnerforschlich seine Gerichte. Du aber preise in diesem Gericht die Langmuth Gottes / vnd erkenne / daß in diesem Augenblick schon viel in der Höllen brennen vnd braten / die so viel böses nicht gethan haben / als du. Dieses seynd in gemein die Wercke deß HERRN / die da(2. Quod haec opera sint consideratione digna.) seynd voller Weißheit vnd Gerechtigkeit / ob sie wol von vns nicht können erforschet werden; wann nun ein jeglicher auff sich selbst kompt / vnd diß alles auff sich ziehet / vnd bedenckt / wie jhn GOtt von seiner Jugend auff geführet habe / wird man mit keiner vnnützen Arbeit vmbgehen. Es können ja nicht erzehlet vnd begriffen werden die vnerforschliche Wege deß HERRN; dennoch müssen wir sie an vns erkennen / daß GOtt dadurch geehret werde. Wer den Wundern deß HERRN nicht nachdenckt / der ist den Säwen gleicher denn einem Christen Menschen; denn auch die Säwe nur jhrem Bauch zu gute leben / daß sie gemästet werden / vnd dencken wenig ans Werck deß HERRN. Aber warumb hat GOtt dem Menschen die vernünfftige Seele gegeben; warumb hat er jhn erschaffen / warumb erhält er jhm das Leben? Darumb daß er Gottes Wunder anschawe / vnd dessen Ehre verkündige. Mercket / daß der HERR das Wehe schreyet über die säwische Menschen / die den Bauch mästen / vnd auff Gottes Werck nicht sehen / Esa. 5. Wehe denen / die deß Morgens frühe auff sind / deß(Esa. 5. ???) sauffens sich zu befleissigen / vnd sitzen biß in die Nacht / daß sie der Wein erhitze / vnd haben Harpffen / Psalter / Paucken / Pfeiffen vnd Wein in jhrem Wolleben / vnd sehen nicht auff das Werck deß HERRN / vnd schawen nicht auff das Geschäffte seiner Hände. Es seynd die
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Wercke deß HERRN wol vnerforschlich / doch wird niemand empfinden / wie sie vnerforschlich seyn / als der in Andacht jhnen nachgedacht hat. (II. In considerationis scopo & modo.) Es soll aber auch eine Christliche Seele wissen / zu welchem ende / vnd auff was weise / die Wege vnd Gericht deß HERRN zu bedencken seyn. Nemblich also / daß fürs erst GOtt gepreiset werde / vnd wir jhm können Lob vnd Danck geben. Mit Jacob sollen wir sagen: HERR / ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit (Psal. 116, 12. 16. 17.) / die du mir thust. Mit David auß dem 116. Psalm: Wie soll ich dem HERRN vergelten alle seine Wolthat / die er mir thut? O HERR / ich bin dein Knecht / ich bin dein Knecht / deiner Magd Sohn / du hast meine Bande zurissen. Dir will ich Danck opffern / vnd deß HERRN Namen predigen. Vnd mit Syrach auß dem (Syr. 42, 32. &c.) 43. Cap. Lobet vnd preiset den HERRN / so hoch jhr vermöget / er ist doch noch höher. Preiset jhn auß allen Kräfften / vnd lasset nicht abe / noch werdet jhrs nicht erreichen. Wer hat jhn gesehen / daß er von jhm sagen könte? Wer kan jhn so hoch preisen / als er ist? Wir sehen seiner Werck das wenigste / denn viel grösser sind vns noch verborgen; denn was da ist / das hat der HERR gemacht / vnd gibts den Gottfürchtigen zu wissen. (V. 29. &c.) Wenn wir gleich viel sagen / so können wirs doch nicht erreichen. Kurtz / er ists gar. Wenn wir gleich alles hoch rühmen / was ist das? Er ist doch noch viel höher / weder alle seine Wercke. Der HERR ist vnaußsprechlich groß / vnd seine Macht ist wunderbarlich. Also soll GOtt in seinen wunderbaren Wercken von vns erkant vnd ge
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preiset werden. Warumb seynd wir das außerwehlte Geschlecht /(1. Pet. 2, 9.) das Königliche Priesterthumb / das heilige Volck / das Volck deß Eigenthumbs? Darumb / daß wir verkündigen sollen die Tugend deß / der vns beruffen hat von der Finsternüß zu seinem wunderbaren Liecht. Darumb mit Paulo vnd allen Heiligen auß der Epistel an die Colosser am 1. Cap. Saget Danck dem Vatter(Col. 1, 12.) / der vns tüchtig gemacht hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Liecht / welcher vns errettet hat von der Oberkeit der Finsternüß / vnd hat vns versetzt in das Reich seines lieben Sohns / an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut / nemblich die Vergebung der Sünden. Zum andern / sollen wir bey Betrachtung der vnbegreifflichen Wege Gottes / die Vernunfft lernen im Zaum halten. Wir haben hie ein Exempel an dem heiligen hocherleuchteten Paulum / der seine Theologische Weißheit im dritten Himmel studiret gehabt; dennoch muß er sich nur verwundern über Gottes Gericht: O wie eine Tieffe! Vnmögliche Dinge soll man ja nicht anfangen. Die Geheimnüß vnd vnerforschliche Wege Gottes außzusinnen / ist vns vnmüglich / vnd bleibts vns doch zu hoch / daß wirs müssen lassen anstehen. Kompt nun einer in Glaubenssachen mit seinem Warumb? so gehe bedachtlich vmb. Wann man schon nach der Gleichförmigkeit deß Glaubens eine Richtigkeit darin finden könte; dennoch wann wir auß Gottes Wort gegründet seyn / daß es so / vnd nicht anders sey / als wir glauben; thun einfältige Christen wol / daß sie / nach dem Exempel deß hocherleuchteten Apostels / jhre Gedancken einziehen; nicht in der weise vnd vrsachen vnerforschlicher Dinge grübeln / sondern sich verwundern. Ebenmässig / wann vns in den Wercken vnd Gerichten Gottes was fürkompt / darinnen wir nicht begreiffen können / wie sie mit der Billigkeit vnd Gottes Gütigkeit überein kommen / da sollen
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wir vnsere Gedancken zähmen / vnd daran gedencken / was Paulus saget: Wie vnbegreifflich seynd seine Gerichte / vnd vnerforschlich seine Wege? Zum dritten / sollen wir die Wunderwege deß HERRN also betrachten / daß wir in der Furcht Gottes wandeln / vnd jhm in seiner Heiligkeit dienen / mit heiligem Leben. Hat GOtt vns so geführet / daß wir jhm zu dancken haben / so sollen wir jhm auch dancken in heiligem Leben. Vergiß deß ernsthafftigen Gerichts nicht / (Rom. 11, 20) das GOtt an andern geübet. So etliche von den natürlichen Zweigen zerbrochen sind / vnd du / da du ein wilder Oelbaum warest / bist vnter sie gepfropffet / vnd theilhafftig worden der Wurtzel vnd deß Saffts am Oelbaum; so bedenck / hat GOtt der natürlichen Zweige nicht verschonet / daß er vielleicht dein auch nicht verschone. Sey nicht stoltz noch sicher / sondern fürchte dich / denn du trägst nicht die Wurtzel / sondern die Wurtzel träget dich. Lebet als ein heiliges Volck / denn der Heilige ist in euch. Von jhm / durch jhn / vnd zu jhm ist alle ding; in jhm leben / schweben vnd seynd wir. Wir vermögen nicht die Hand außzustrecken / GOtt führe sie denn. Lasset vns nicht streiten durch Sünde mit vnsern Gliedern / wider GOtt. Vielmehr lasset vns auffopffern / vnd GOtt ergeben / vnsere Glieder / Leib vnd Seel / vnd was wir haben; vnd dabey lasset vns erkennen / daß auch diß nicht möge geschehen ohn die Gnade deß HERRN. Damit wir mit David sagen können / (1. Paral. 30, 14.) auß dem ersten Buch der Chronica am 30. Cap. Was seynd wir / daß wir sollen vermögen Krafft freywillig zu geben / wie diß gehet; denn von dir ist alles kommen / vnd von deiner Hand haben wir dirs geben. Letzlich sollen die vnbegreiffliche Wege deß HERRN also von vns betrachtet werden / daß wir vnser Glück mit Gedult tragen lernen. Ihr sollt nicht meynen / daß etwas zufällig vnd von vngefehr euch begegne. So sollt jhr auch nicht meynen / daß euch denn besser gerathen wäre / wann es gienge nach ewrem Sinn. Was
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Gott einem Menschen thun will / mögen wir mit vnser Vernunffe nicht ersehen / noch mit Gedancken erforschen. Es stehet bey Gott / den müssen wir vngemeistert lassen. Wir müssen jhm die Ehre geben / daß er / als vnser Schöpffer vnd Vatter / besser wisse / wie er regieren soll / als wir arme Würme jhm vorschreiben. Solte der Gott nicht wissen / wie er mich vnd mein Leben regieren soll / der so lange Zeit die gantze Welt regieret hat? Gar eine grosse Vermessenheit ists / Gott Rath geben / was er jhm soll gefallen lassen. Daher kehret Gott so offt vmb die Gedancken der Menschen / vnd thut das Widerspiel / ob sie einmal wolten klug werden / vnd lernen / es soll nicht so gehen / wie wir gedencken. Darumb magstu dir wol etwas in Demuth fürsetzen / aber GOtt mustu das Regiment lassen / vnd dir gefallen lassen / was GOtt schickt. Er bedarff deines Raths nicht; dazu weistu nicht / was deß HERRN Sinn ist / vnd wohin er gedenckt. Wisse auch / daß GOtt bereit mehr gutes dir erzeiget hat / als du bezahlen kanst / vnd sey zu frieden mit Gottes Ordnung. Nun HERR / du grosser GOtt / wir erkennen an vns die Tieffe deiner Weißheit; wir erkennen deine vnbegreiffliche Gericht / vnd deine vnaußforschliche Wege. Groß seynd deine Wunder / die du an vns beweisest. Was haben wir dir zuvor gegeben? Oder was können wir dir hernach geben? Denn dein ist ja alles / was da ist / vnd auß dir / durch dich / vnd zu dir seynd alle Ding. Auch foderstu nichts von vns / als daß wir selig werden; vnd auch das gibstu / vnd gibst noch Belohnung dazu / denen die es annehme̅. HERR / deine Güte ist zu groß vnd wunderlich. Von dir / durch dich / vnd in dir sind alle Ding. Dir sey Ehre in Ewigkeit / AMEN.
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Am I. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Liebe / wie fürtrefflich sie sey / vnd wohin sie gehen soll.
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TEXTVS 1. Ioh. 4. V. 16. usque V. 22.
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V. 16. LJeben Brüder / GOtt ist die Liebe / vnd wer in der Liebe bleibet / der bleibet in GOtt / vnd GOtt in jhm. V. 17. Daran ist die Liebe völlig bey vns / auff daß wir eine Frewdigkeit haben am Tage deß Gerichts. Dann gleich wie er ist / so seynd auch wir in dieser Welt. V. 18. Forcht ist nicht in der Liebe / sondern die völlige Liebe treibet die Forcht auß. Dann die Forcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet / der ist nicht völlig in der Liebe. V. 19. Lasset vns jhn lieben / denn er hat vns erst geliebet. V. 20. So jemand spricht: Ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder / der ist ein Lügner. Dann wer seinen Bruder nicht liebet / den er sihet / wie kan er GOtt lieben / den er nicht sihet. V. 21. Vnd diß Gebott haben wir von jhm / daß wer GOtt liebet / daß er auch seinen Bruder liebe.
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Geliebte in Christo Jesu.
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ES hat der Welt nicht können eine angenehmere Bottschafft(Exord. Dilectionis à fide inseparabilitatem proponit.) gebracht werden / als daß die verdampte Sünder mit GOtt durch das blutige Opffer deß Mittlers versöhnet / Gottes Kinder vnd Erben werden / auß lauter Gnade vnd Barmhertzigkeit / ohn alle vnser Zuthun vnd Würdigkeit; doch / wo GOtt eine Kirche bawet / da bawet der Teuffel eine Capell daneben / vnd bringet durch Sicherheit die Christen auff solchen Sinn / als wann sie gar nichts guts bey jhres Glaubens Bekäntnüß thun dürfften. Solcher gefährlichen Sicherheit widersetzet sich der liebreiche Apostel vnd Evangelist Johannes / in seiner ersten Epistel / vnd zwinget die Früchte deß Glaubens herauß / mit recht Apostolischem Geist / auß der Art vnd Natur deß Glaubens / vnd will Lieb vnd Glauben vngescheiden haben. Da dieser Apostel im letzten Abendmahl lag bey der Brust seines lieben Meisters JEsus / hat er wol empfunden / wie inbrünstig das Hertz vnsers Heylandes sey / vnd wie hertzlich lieb vns Gott habe / in Christo seinem Sohn: dadurch ist er erwarmet in der Liebe / vnd brennet / vnd mag nicht ruhen / biß auch andere durch dieselbe Liebesflamme erwarmet werden: daher ist seine Epistel so voller Liebe. Hie ist aber zum Grunde zu mercken dreyerley / welches Johannes(Ubi fundamenti loco tria notantur) in seinem vierdten Capitel anziehet / vnd ist das erste die Krafft deß Glaubens im Werck der Seligkeit. Dann wie sonsten die Schrifft zeuget / daß alle die an Christum Jesum glauben /(1. Fidei in salvando efficacia. Joh. 3, 15. 16 1. Joh. 4, 15.) nicht verlohren werden / sondern das ewige Leben haben; also zeuget auch hie Johannes: Welcher bekennet / daß JESVS Gottes Sohn ist / in dem bleibet GOtt / vnd er in Gott. Wann wir in GOtt seyn / vnd GOtt in vns / nach seiner seligmachenden Gnaden / so haben wir das ewige Leben in vns. Das ist verheissen denen / die bekennen / daß JESVS Gottes Sohn sey / nicht mit dem Munde allein / sondern von Hertzen grund / also
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daß sie erkennen / wie GOtt seinen Sohn in die Welt gesandt / zur Versöhnung für vnsere Sünde / vnd in Empfindung jhrer Sünde GOtt solche Versöhnung fürhalten. Diesen / so lang sie in solchem Glaubensbekäntnüß bleiben / gibt der Geist die Verheissung GOtt bleibt in jhnen / vnd sie in Gott / drumb sollen sie nicht verlohren seyn / sondern das ewige Leben haben. (2. Salvatorum cum DEO conformitas.) Fürs ander / müssen wir hie zum Grunde mercken / die Gleichförmigkeit mit GOtt / die da ist bey denen / die durch den Glauben schon gerecht vnd selig geworden seyn. Denn wie Johannes saget (V. 13.) / daß wir in GOtt bleiben / vnd GOtt in vns / das erkennen wir daran / daß er vns von seinem Geist gegeben hat. Soll GOtt in vns / vnd wir in GOtt seyn / so müssen wir eines Geistes mit GOtt seyn. (3. Dilectio, DEI proprietas. V. 8. 9. 10. 14. 16.) Zum dritten / sehen wir hie auff die Liebe / als eine Eigenschafft deß Geistes Gottes / denn GOtt ist lauter Liebe. Welches auch erkennen / dieselbe die bekennen / daß JEsus Gottes Sohn sey / welchen der Vatter gesandt hat zum Heyland der Welt. Denn daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen vns / daß GOtt seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt / zur Versöhnung für vnsere Sünde / daß wir durch Ihn leben sollen. Denn was hat GOtt dazu genötiget / daß er sich der verdampten Sünder angenommen? Hat er nicht ohn vns seyn können in höchster Seligkeit / wie er gewesen ist von alle Ewigkeit? Was hat jhn denn genötiget sich vnser anzunehmen? Die Liebe. Was ist aber das / daß er seines eingebornen Sohns nicht verschonet / sondern für vns alle dahin gegeben? Was ists denn eine vnaußsprechliche Liebe? Wann diese drey Stück betrachtet vnd verstanden werden / so erkennet man leicht / wie nothwendig die Liebe bey dem Glauben seyn muß / also daß der Glaube nicht ein wahrer / sondern ein falscher vnd heuchlischer Glaube sey / wo nicht Liebe dabey ist. Denn das folget also auff einander: Wer in GOtt ist / vnd hat GOtt in sich / der ist eines Geistes mit GOtt. Nun aber / wer nicht allein
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mit dem Munde / sondern warhafftig von Hertzen grunde / mit hertzlichem Vertrawen bekennet / daß JESVS der geereutzigte Gottes Sohn sey / der ist in GOtt / vnd hat GOtt in sich; daher kans nicht fehlen / wer nicht mit heuchlischem / sondern glaubigem Hertzen seinen JEsum bekennet / vnd in der Warheit an Ihn glaubet / er muß auch eines Geistes mit GOtt seyn. GOtt aber ist die Liebe. Darumb wer glaubet / der ist in der Liebe. Solchen Grund der Liebe hat der liebreiche Johannes im 4. Capitel auffgerichtet / vnd die Nothwendigkeit der Liebe bezeuget / damit ein Christ nicht meyne / er möge die Liebe wol beyseit setzen. In gegenwärtiger Lection fähret er fort / vnd ziehet vnd(Thema. De Dilectionis eminentia & objecto.) beweget vns zur Liebe / durch die Hoheit vnd Fürtreffligkeit der Liebe / vnd zeiget zugleich / wohin vnsere Liebe soll gerichtet seyn. Wie nothwendig es nun ist / vns die wir durch den Glauben JEsu Christi gedencken selig zu werden / daß wir in der Liebe bleiben / so fleissig sollen wir auch auffmercken / was der Geist Gottes von der Liebe vns weiter fürhält. GOtt gebe seine Gnade / Amen. ZWeyerley findet sich in diesem Apostolischen Text / darauff(Pars I. De dilectionis eminentia.) eine andächtige Seele soll achtung haben / erstlich die Hoheit vnd Fürtreffligkeit der Liebe / zum andern / dasselbe / zu dem vnsere Liebe soll gerichtet seyn. Das erste / nemblich die Betrachtung der Hoheit / die bey der Liebe sich findet / beweget vnd treibet vns / in der Liebe zu bleiben; das ander vnterweiset vns / wohin die Liebe soll gerichtet seyn. In der Hoheit der Liebe ist das ein grosses / davon Johannes(1. In DEI fruitione.) saget: GOtt ist die Liebe / vnd wer in der Liebe bleibet / der(V. 16.) bleibet in GOtt / vnd GOtt in jhm. Er redet von solchen Leuten / die nicht allein in der Liebe(Subjectum.) seynd / sondern auch in der Liebe bleiben. In der Liebe seyn / ist /
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wann eine Seele erkennet die Liebe Gottes / die offenbaret ist dadurch / daß er seinen Sohn der Welt zu einem Erlöser geschencket hat / vnd mit seinem Hertzen daran hanget / vnd durch solche Liebe angezündet wird / GOtt hertzlich wieder zu lieben. In der Liebe bleiben ist noch mehr. Wann die Liebe nicht wieder erkaltet / sondern beständig bleibet / vnd die Flamme zunimpt. (Praedicatum.) Solchen liebhabenden Hertzen gehöret diese Hoheit / daß sie in GOtt seyn vnd bleiben / vnd haben auch vnd behalten Gott in jhnen. Hätte die Schrifft gesaget: sie solten in einem Königlichen Pallast wohnen / daß es jhnen an Ehr vnd Ergetzligkeit nicht mangeln wird / so hätte sie was verheissen / das weltliche Hertzen groß achten. Aber viel ein grössers ist / das den liebreichen Hertzen zugesaget ist; er bleibet in GOtt / vnd GOtt in jhnen. Was ist GOtt? vnd wie kan ich höher vermahnet werden / denn in GOtt? wie kan ich höher geehret werden / denn in GOtt? vnd wie kan ich höher erfrewet werden / denn in GOtt? Ist GOtt mein Schatz / mein Ehr / mein Reichthumb / mein Ergetzligkeit / was will ich höhers wünschen? Bin ich in GOtt / vnd hab Gott in mir / so bin ich im Himmel / vnd habe den Himmel in mir. (Fundamentum.) Der Grund dieser Hoheit ist / daß GOtt ist die Liebe. GOTT brennet gantz von Begierde / gutes zu thun seinem Geschöpffe / vnd reichet vns da / zween Spiegel seiner Liebe: vor erst das Wort / das von Gottes Liebe zeuget. Insonderheit im andern (Exod. 34, 6. 7.) Buch Mosis am 34. Cap. hat er sich offenbaret / als ein barmhertziger vnd gnädiger vnd gedültiger GOtt / von grosser Gnad vnd Trew / der Gnade beweiset in tausent Glied / vnd vergibet Missethat / Vbertrettung vnd Sünde. Hernach beweiset er auch seine Liebe im Werck vnd in der That / allermeist darin / daß er seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt / daß wir verdampte Sünder durch Ihn leben sollen.
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Es heisst vnser GOtt nicht allein ein liebreicher GOtt / sondern die Liebe selbst. Er ist wesentlich die Liebe / vnd könte GOtt nicht GOtt seyn / wann er nicht die Liebe wäre. Daher ist er auch der Vrsprung aller Liebe / die man findet in den Creaturen. Das zeiget Christus an beym Matthaeo am 19. Cap. da ein Jüngling zu jhm kompt / vnd nennet jhn einen guten Meister; antwortet er: Wie heissestu mich gut? niemand ist gut / denn der einige(Matth. 19, 17.) GOtt. Wie GOtt wesentlich gut ist / also ist alles Gut von Ihm; eben so / weil GOtt die Liebe ist wesentlich / so ist auch alle Liebe von jhm. Daher ist offenbahr / wie wahr es sey / daß die liebhabende Seele in GOtt sey / vnd in sich habe: denn GOtt ist die Liebe / vnd alle Liebe in den Creaturen ist ein Flämmlein / angezündet von dem vnendlichen Fewr der Liebe Gottes. Hie könte man aber gedencken: Man findet die Liebe nicht allein bey den Glaubigen / sondern auch bey den Vnglaubigen / ja auch bey den vnvernünfftigen Thieren. Seynd dann auch die Vnglaubigen in GOtt / vnd haben GOtt in jhnen / was ist denn für eine sonderbare Fürtreffligkeit / in GOtt seyn? So wisse ein Christ / daß die Liebe nicht einerley / sondern fürnemblich zweyerley sey. Erstlich eine natürliche Liebe / die GOtt in der Natur gepflantzet hat / daß Eltern jhre Kinder lieben. Zum andern / eine Christliche Liebe / wann ein Mensch die Liebe Gottes in Christo Jesu erkennet / vnd dadurch angezündet wird / GOtt wieder zu lieben / vnd vmb Gottes willen alle Menschen. Solche Liebe wird vns nicht durchs Fleisch angeboren / sondern kompt auß der newen Geburt. So bleibts nun wol wahr / wo Liebe ist / da findet sich GOtt / doch mit Vnterscheid. Wo natürliche Liebe ist / da lässt sich GOtt mercken / als ein Schöpffer vnd Erhalter der Natur. Wo Christliche Liebe ist / da lässt sich GOtt mercken in seiner Gnadengegenwart / vnd wissen / daß wir in GOtt / als in vnserm Himmel seynd / vnd haben GOtt in vns / als vnser ewiges Leben vnd Seligkeit.
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(???. In fiducia.) Diß ist der liebhabenden Seelen erste Hoheit / auß derselben fliesset die andere / nemblich Frewdigkeit am Tage deß Gerichts. (V. 17. 18.) Davon saget Johannes: Daran ist die Liebe völlig bey vns / auff daß wir eine Frewdigkeit haben am Tage deß Gerichtes / denn gleich wie er ist / so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe / sondern die völlige Liebe treibet die Furcht auß / denn die Furcht hat Pein / wer sich aber fürchtet / der ist nicht völlig in der Liebe. (Subjectum.) Johannes redet hie von einer völligen Liebe. Es ist die Liebe offt schwach in vns / wann die Liebe nicht wircket / was sie wircken soll. Doch wird die Liebe völlig bey vns / so offt wir durch Erkäntnüß der Liebe Gottes / die da ist in Christo JEsu vnserm HERRN / angezündet werden zur rechtschaffenen vngefärbten Gegenliebe. Dann was vns hie mangelt / das wird alles erstattet / durch die überflüssige Liebe JEsu Christi / der vns von GOtt gemacht ist zur Gerechtigkeit. (Praedicatum.) Bey welchem nun die Liebe völlig geworden ist / der hat diese Hoheit: Er fürchtet sich nicht / sondern hat Frewdigkeit am Tage deß Gerichtes. Die völlige Liebe leidet keine Furcht / sondern treibet die Furcht auß. Wann GOtt mit seinem Gerichte auffwachet / die gottlose Welt zu straffen / so fürchtet sich die Gottliebende Seele nicht / als würde jhr etwas böses von GOtt widerfahren / sondern sie hat Frewdigkeit. Vnd das ist die Frewdigkeit / daß die Gottliebende Seele nichts böses fürchtet / sondern alles gutes vnd liebes von GOtt erwartet / auch wenn sich Gott stellet / als zürne er. (Fundame̅tum.) Die Vrsach dieser Hoheit ist: Denn gleich wie GOtt ist / so seynd auch wir in dieser Welt. Wie ist GOtt in der
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Welt? als lauter Liebe / der alles in seine Liebe eingeschlossen hat / alles in der Liebe träget. Also auch vnser lieber Heyland Jesus Christus / in den Tagen seiner Erniedrigung / wie wandelte er in der Welt? als lauter Liebe. Er war wol in der Welt / aber er war nicht von der Welt / vnd hielts nicht mit der Welt / sondern auß Liebe suchte er selig zu machen was verlohren war. Eben also seynd auch wir in der Welt / die wir den Geist Christi empfangen haben. Wir halten es nicht mit der Welt Boßheit / vnd Feindseligkeit / sondern wir wandeln nach dem Geist Christi. So wird nun hie eben so viel gesagt / als sagte ich: Wir seynd eines Geistes mit GOtt. So ist schon vorhin gesaget: Daran erkennen wir / daß wir in GOtt bleiben / vnd er in vns / daß er vns von seinem Geist gegeben hat. Da ist nun offenbar / wie wahr es sey / daß die liebhabende Seele Frewdigkeit hat am Tage deß Gerichts; denn sie hat einen Geist vnd Sinn mit GOtt. Die aber eines Geistes mit GOtt seyn / haben GOtt in sich / vnd seynd in GOtt. Die aber GOtt in sich haben / vnd in GOtt seyn / dürffen sich nicht fürchten / sondern haben grosse Frewdigkeit. Denn ist GOtt für vns / wer kan(Rom. 8, 31.) wider vns seyn? Rom. 8. Hingegen / Wer sich fürchtet / der ist nicht völlig in der Liebe. Denn die Furcht hat Pein. Zum Exempel. Die Gottlosen tragen in jhrem bösen Gewissen herumb jhre Hölle vnd Verdamnüß. Kompt denn GOtt mit seiner Straff / vnd will Gericht halten / so fühlen sie die Angst in jhnen / vnd können kein gutes Vertrawen zu GOtt haben. Das ist eine Anzeigung / daß der Gottlose nicht in der Liebe ist. Die Liebe aber findet nichts in GOtt / darüber sie sich ängstigen solte oder erschrecken / sondern es ist jhr alles liebreich vnd tröstlich / was sie in GOtt findet. Hie könte man gedencken: Soll man denn nicht fürchten / was man liebet? Freylich / beydes kan bey einander seyn / aber auff gewisse maaß. Die GOtt lieben / fürchten GOtt / aber nicht auff
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(Rom. 8, 15. 2. Tim. 1, 7.) knechtische weise / denn wir haben nicht einen knechtischen Geist empfangen / daß wir vns fürchten müsten; sondern wir haben einen kindlichen Geist / der ruffet: Abba / lieber Vatter. Darumb so fürchten die Liebhabenden GOtt nicht anders / als auß kindlichem Geist / wie die rechtschaffene liebe Kinder jhre Eltern also lieben / daß sie auch auß Liebe sich fürchten / etwas zu thun / darinnen sie den Eltern mißfallen könten. Eben so verhält sich ein Liebhaber Gottes auch gegen GOtt / vnd so er ja von einem Fehl übereilet wird / so fliehet er nicht auß Verzweifflung von Gottes Angesicht hinweg / wie Cain / sondern mit demütiger Erkäntnüß seines Feiltritts / fällt er seinem lieben Vatter zu Fuß / vnd ruffet: Ach Vatter / ich bin nicht werth / daß ich dein Kind heiß / Ach HERR / nimb deinen Heiligen Geist nicht von mir / tröst mich wieder mit deiner Hülffe. So auch GOtt mit seiner Straffruthe kompt / so hält ein liebhabendes Kind seinem Vatter in der Straffruthe stille / vnd (Jerem. 14, 7. 8. 9.) spricht auß dem Jeremia am 14. Cap. Ach HERR / vnser Missethat habens ja verdienet / aber hilff doch vmb deines Namens willen / denn vnser Vngehorsam ist groß / damit wir wider dich gesündiget haben / Du bist der Trost Israel / vnd jhr Nothhelffer. Du bist ja vnter vns / HERR / vnd wir heissen nach deinem Namen / verlaß vns nicht. Es tröstet sich auch das liebhabende Kind mit göttlichem Zusprechen / bey demselben Propheten am 30. Cap. (Jer. 30, 11.) Ich bin bey dir / spricht der HERR / daß ich dir helffe; denn ich wills mit allen Heyden ein Ende machen / aber mit dir will ichs nicht ein Ende machen / züchtigen aber will ich dich mit masse / daß du dich nicht vnschuldig haltest. In Betrachten solches Trostes / muntern sich die liebhabende Seelen auff / vnd sprechen auß dem Propheten Hosea
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am 6. Cap. Wir wollen wieder zum HERRN; denn Er(Hos. 6, 1. 2.) hat vns zurissen / Er wird vns auch heilen / Er hat vns geschlagen / Er wird vns auch verbinden / Er wird vns lebendig machen / vnd auffrichten / daß wir für Ihm leben werden. Dann es bleibet doch GOtt vnser lieber Vatter / vnd brennet in der Liebe gegen vns seine Kinder / so wol wann er stäupet / als wann er vns zulachet. Ein Exempel solches kindlichen Geistes hat man an David / da derselbe sich vergriffen; da schlug jhm sein Hertz / vnd er sprach zum HERRN: Ich habe(2. Sam. 24, 10. 14.) schwerlich gesündiget. Vnd nun HERR / nimb weg die Missethat deines Knechts / denn ich habe sehr thörlich gethan. Da jhm auch durch einen Propheten die Straff angekündiget wird / ergibt er sich demütiglich: Ja̅ / laß vns nur in die Hand deß HERRN fallen / denn seine Barmhertzigkeit ist groß. Eben also verhält sich auch der fromme König Hißkias / wie jhm angekündiget wird / wie alle seine Schätz nun bald solten ein Raub werden / da übergibt er sich auch in den Willen deß HERRN / vnd spricht zu Jesaia: Das Wort deß(Esai. 39, 8.) HERRN ist gut / das du sagest: es sey nur Fried vnd Trew / weil ich lebe. Wann dann das Vnglück fürüber / erkennets die liebhabende Seele mit Danck / alles was GOtt gethan / vnd spricht auß dem Propheten Esaia am 12. Capitel: Ich dancke dir HERR / daß du zornig bist gewesen über(Esa 12, 1. 2. 5. 6.) mich / vnd dein Zorn sich gewendet hat / vnd tröstest mich. Sihe / GOtt ist mein Heyl / ich bin sicher / vnd fürchte mich nicht / denn GOtt der HERR ist meine Stärcke / vnd mein Psalm / vnd ist mein Heyl. Lobsinget dem HERRN / denn er hat sich herrlich beweiset.
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Jauchtze vnd rühme / du Einwohnerin zu Zion / denn der Heilige Israels ist groß bey dir. Das ist der Liebenden Art zur Zeit deß Gerichts; wer sich aber fürchtet / vnd für GOTT fliehet / der liebet nicht / vnd ist Schande werth / daß er nicht liebet / damit er sich nicht fürchten dürffte. Das seynd zwo Hoheiten der Liebe; Wer in der Liebe bleibet / der bleibet in GOtt / vnd hat GOtt in jhm; vnd dieweil er in GOtt ist / vnd GOtt in jhm hat / so fürchtet er sich nicht / sondern hat Frewdigkeit am Tage deß Gerichts. Das mag noch wol einen Christen bewegen / in der Liebe zu bleiben. (Pars II. De dilectionis objecto.) Wohin vnd zu wem soll denn vnsere Liebe gerichtet seyn? Dieses ist das andere Stück / welches Johannes in vnserm Text vns fürträgt. Er weiset vns 1. auff GOtt: Lasset vns Ihn (V. 19. quod 1. est Drus.) lieben / denn er hat vns erst geliebet. GOtt lieben heisset / nichts höhers vnd angenehmers halten vnd haben / im Himmel vnd auff Erden / als GOtt; nirgends lieber von reden vnd gedencken / als von GOtt. Vmb Gottes willen alles gerne thun / lassen vnd leiden / solte es auch dem Fleisch der bitter Todt seyn. (Ratio.) Daß wir also GOtt lieben / haben wir grosse Vrsach / weil er vns vor geliebet hat. Denn da wir seine Feinde noch waren / hat er vns geliebet / vnd wer kan gnug bedencken / was GOtt an vnserer Seele gethan hat. Ach lasset vns Ihn lieben / denn er hat vns erst geliebet. (2. Proximus.) Zum andern / weiset vns Johannes auff vnseren Nechsten: (V. 19. 20. 21.) So jemand spricht / Ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder / der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebet / den er sihet / wie kan er GOtt lieben / den er nicht sihet? Vnd diß Gebott haben wir von jhm / daß wer GOtt liebet / daß er auch seinen Bruder liebe.
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Die Liebe deß Nechsten bestehet nicht in Worten / sondern in der That / daß wir jhm im Hertzen hold seyn / vnd mit Rath vnd That beyspringen / worinnen er vnser von nöthen hat / vnd wir jhm helffen können. An dieser Liebe deß Nechsten ist die Liebe Gottes so hart verbunden / daß keine von der andern will getrennet seyn. So jemand spricht / ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder / der ist ein Lügner; denn es kan nicht seyn / daß einer GOtt liebe / der nicht zugleich seinen Bruder liebe. Vrsach / Wer seinen Bruder nicht liebet / den er(Ratio 1.) sihet / wie kan er GOTT lieben / den er nicht sihet? Die Liebe folget der Erkäntnüß / GOtt aber sehen wir nicht / vnd kennen jhn kaum. Hingegen so schwebet vns vnser nothleidender Bruder täglich für Augen / daß seine Noth vns leicht kan das Hertz bewegen / als wann ein armer Lazarus für eines Reichen Thür liget / kranck / hungerig / durstig / nacket vnd ohnmächtig. Wer da keine Liebe übet / wann er für Augen sihet / das jhn zur Liebe bewegen solte / was will er sich rühmen / daß er liebe das / welches er nicht sihet / vnd kaum kennet? Zu dem muß die Liebe thätig seyn. GOtt aber bedarff vnserer Dienste nicht für sich / er ist vns zu hoch gesessen / daß wir jhm weder rathen noch helffen können. Vnsere Brüder vnd Schwestern hat GOtt der himlische Vatter vns für Augen gestellet / an denen können wir Liebe üben. Vben wir aber keine Liebe an denen / so üben wir gar keine Liebe. Auff solche weise hat Johannes vorhin gesaget: Ihr Lieben / hat vns GOtt(V. 11.) also geliebet / so sollen wir vns auch vnter einander lieben. Niemand hat GOtt jemals gesehen. Als wolte er sagen: Wer lieben will / muß in der That lieben. GOtt an jhm selbsten können wir keine Liebe erzeigen; denn wir sehen jhn nicht. Doch seynd wir schuldig jhn zu lieben / denn er hat vns vor geliebet / darumb so lasset vns jhn in vnsern Brüdern lieben. Eine andere Vrsach / warumb Gottes vnd deß Nechsten(Ratio 2.)
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Liebe nicht kan oder soll getrennet werden. Diß Gebott haben wir von GOtt / daß wer GOtt liebet / daß der auch (Joh. 13, 14.) seinen Bruder liebe. Es gedenckt Johannes an das Fußwaschen deß HERRN / darinnen er seinen Jüngern ein Beyspiel gegeben / wie sie sich vnter einander in der Liebe die Füsse waschen sollen. Er gedenckt an das Gebott / das er selbst auff gezeichnet in seinem (V. 34. 35.) Evangelio am 13. Cap. Ein new Gebott gebe ich euch / spricht Christus / daß jhr euch vnter einander liebet / wie ich euch geliebet habe / auff daß auch jhr einander lieb habet; dabey wird jederman erkennen / daß jhr meine Jünger seyd / so jhr Liebe vnter einander habet. Vnd am (C. 15, 12.) 15. Cap. Das ist mein Gebott / daß jhr euch vnter einander liebet / gleich wie ich euch liebe. Solches göttlichen Gebotts (1. Ep. 3, 11. 23) gedenckt er auch am 3. Cap. seiner ersten Epistel: Das ist die Bottschafft / die jhr gehöret habt vom Anfang / daß wir vns vnter einander lieben sollen. Das ist Gottes Gebott / daß wir glauben an den Namen seines Sohns Jesu Christi / vnd lieben vns vnter einander / wie er vns ein Gebott gegeben hat. Wer Gottes Wort nicht fest bewahret / der liebet GOtt nicht. So spricht Christus selbst / Johannis am 14. Capitel: (Joh. 14, 23.) Wer mich liebet / der wird mein Wort halten. Vnd am (Joh. 15, 14.) 15. Cap. Ihr seyd meine Freunde / so jhr thut was ich euch gebiete. Wer nicht liebet / den GOtt zu lieben befihlt / der liebet GOtt nicht; Wer nicht liebet GOtt auff solche weise / wie er sich zu lieben befohlen hat / der liebet jhn nicht recht. Das ist aber die art GOtt zu lieben; Wer GOtt liebet / der liebe seinen Bruder / vnd erzeige die Liebe Gottes in seinen Brüdern. Wann grosse
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Herren nicht zugegen seyn / sondern schicken jhre Legaten / so müssen wir die Ehre den Legaten thun / die wir den Herren selbst thun wolten / wann sie zugegen wären. Vnseren Nechsten hat GOtt abgesandt / vnd vns für Augen gestellet / mit diesem Befchl; Wilstu mich lieben / so liebe diesen deinen Bruder. Wer den Sohn hasset / kan den Vatter nicht lieben / wer aber dem Sohn gutes thut / vmb deß Vatters willen / vnd einem Knecht vmb deß HERRN willen / der bezeuget in der That / wie er den HERRN deß Knechtes / vnd den Vatter deß Sohns liebe. Hiemit erkennet jhr nun wol die Meynung dieser Lection:(Compendiosa repetitio.) Ihr sollet lieben / vor erst vnd vor allen GOtt; denn der hats verschuldet / vnd vns erst geliebet; hernach vnseren Nechsten / er habe es verdienet oder nicht / vmb deß HERRN willen. So erkennen wir / daß GOtt in vns / vnd wir in GOtt seyn / vnd haben Frewdigkeit am Tage deß Gerichts. Da prüfe sich nun ein jeglicher / wie viel er in der Liebe zugenommen(Praxis 1. ad redargutionem.) / oder wie viel jhm darin noch mangele. Zu besorgen ists / es wird vns treffen / das der HERR saget; In den letzten Tagen wird die Liebe in vieler Menschen Hertzen erkalten. Lieben wir GOtt / warumb hanget dann vnser Hertz nicht an GOtt? Warumb halten wir sein Wort nicht? Lieben wir vnsere Brüder vnd Schwestern / woher kompt denn Haß / Neyd / Verachtung? Wann du von deinem Nechsten hieltest vnd redest / als von deinem Vatter vnd leiblichen lieben Brüdern / vmb deß HERRN willen / das wäre Christlich geliebet. Lieben wir vns als Brüder vnd Schwestern / woher kompt die Vnbarmhertzigkeit? Wer dieser(1. Joh. 3, 17.) Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / vnd schleusst sein Hertz für jhm zu / wo bleibt die Liebe bey jhm? Was soll ich sagen / wann vnserm Nechsten nicht allein nicht geholffen / sondern auch schad geschicht? Die beängstiget seyn / beängstigen wir noch mehr; die bedrückt seyn / drücken wir noch mehr. Die hülffreiche Hand schliessen wir gar zu; da muß denn ein Bruder Christi in der Noth herumb gehen / vnd suchen / ob nicht einer sey / der Christum
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liebe / vnd findet keinen. Mancher bemühet sich auch zu bereichern / mit dem wenigen / das ein Nottürfftiger in grossen Nöthen noch übrig hat / vnd achtet es für keine Vnart / so er den Nechsten könte gar verderben vnd aufffressen. Wann wir denn vnserem Nechsten keine Liebe beweisen / so betrachtet doch / was wir gethan haben. Die Liebe Gottes haben wir verworffen. Denn wer GOtt liebet / der liebet auch seinen Bruder; so aber jemand spricht / Ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder / der ist ein Lügner. Wer hat mit Ernst bedacht / daß so viel an der Liebe deß Nechsten gelegen / wiewol wirs offt gehöret haben? Meynstu nicht / daß das seufftzen der Geängstigten durch die Wolcken dringen / vnd für GOtt komme / was wolten wir denn sagen / wir lieben GOtt. Es ist zu besorgen / GOtt werde die Thränen nehmen / die vmb vnserer Vnbarmhertzigkeit willen vergossen werden / vnd thue Asche dazu / vnd bereite eine Lauge / vnd zwage vns damit / daß Haut vnd Haar hernach gehe. Lieben wir denn auch GOtt nicht / wie wollen wir den Namen eines Christen schützen? So seynd wir ja nicht gehorsame Jünger Christi / sondern Heuchler / die nur mit dem Munde / vnd nicht im Hertzen vnd in der Warheit Christum vnd den Glauben bekennen. (2. Ad correctionem.) Darumb bey zeit / kehre vmb / liebe Seele; weistu dich schuldig / daß du in der Liebe nicht geblieben / so bekümmere dich darumb von Hertzen / vnd klage es Gott: Ach Vatter / du hast mir meinen Nechsten vor Augen gesetzet / daß ich an jhm beweisen solte / wie lieb ich dich hätte; Ich bekenne / ach heiliger Vatter / ich habe es nie recht erwogen vnd in acht genommen. Laß nicht das Gericht über mich kommen / wie dein Wort saget: Wer nicht in der Liebe bleibet / der bleibet nicht in GOtt / vnd hat GOtt nicht in jhm. Ach HERR / schaff in mir ein new Hertz / gib mir einen newen Sinn / daß ich dich vnd meinen Nechsten in dir vnd nach deinem Willen von Hertzen liebe. In solchem Vorsatz lasset vns auch ernstlich fortfahren. GOtt seynd wir ja schuldig zu lieben / denn er hat vns erst geliebet / vnd ists die höchste Vndanckbarkeit / Gott
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nicht wieder lieben / der vns liebet / die wir seiner Liebe doch gantz nicht werth seyn / vnd hat vns geliebet / ehe wir jhn kanten / oder lieben konten. Er hat vns so sehr geliebet / daß er sich für vns dahin gegeben in die Gewalt deß Satans / daß er jhn möchte peinigen / ängsten / würgen / tödten / wie er wolte. So lasset vns jhn wieder lieben / also / daß wir vns jhm ergeben / daß ers mit vns mache / wie es jhm gefällt. Den Nechsten seynd wir zu lieben schuldig / vmb Gottes willen / weil wir wissen / daß ohne die Liebe deß Nechsten / die Liebe zu GOtt bey vns nicht seyn kan. Bleiben wir in solchem Vorsatz vnd Fleiß / so haben wir das rechte Kennzeichen / daß Gott in vns / vnd wir in GOtt seyn; vnd folgends / weil wir dessen versichert seyn / daß wir in GOtt / vnd GOtt in vns ist / so dürffen wir vns nicht fürchten / wann alle Welt zittert / sondern wir haben Frewdigkeit zu GOtt; denn GOtt ist in vns / vnd wir in GOtt. Gedenck auch an das / so im Anfang gesaget ist / wie hochnothwendig die Liebe dem Glauben anhange vnd nachfolge; denn wer in GOtt ist / durch den Glauben / der hat einen Geist vnd Sinn mit GOtt. Oder so wir nicht einen Geist vnd Sinn mit GOtt haben / ists vergebs / daß wir vns deß Glaubens rühmen / vergebs ists / daß wir gedencken / wir seynd in GOtt / vnd haben GOtt in vns. Gottes Geist aber ist Liebe. Darumb lasset vns in der Liebe bleiben. Gedenckt aber einer: Sihe / es möchte mir in Todesangst einfallen / daß ich nicht recht in der Liebe geblieben / vnd die Liebe nicht recht geübet gegen GOtt vnd meinem Nechsten / was würde ich denn vor Trost haben / so das wahr ist / daß der nicht in GOtt ist / der nicht in der Liebe ist. So mercke diesen Bericht. Es bleibt wahr in alle Ewigkeit: Wer in der Liebe bleibet / der bleibet in GOtt / vnd GOtt in jhm; denn GOtt ist die Liebe; vnd hingegen(1. Joh. 4, 3.) / wer nicht recht in der Liebe ist / der ist nicht in GOtt / vnd kennet Gott nicht / denn Gott ist die Liebe. Doch wiß dabey / vnsere Liebe ist nicht das Mittel / dadurch wir zu Gott kommen; dazu gehöret eine andere Liebe / nemblich / daß Gottes Sohn vns geliebet /
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vnd sich für vns dahin gegeben / wer das glaubet / der ist gerecht / vnd durch solchen Glauben kompt er zu der Gnaden Gottes / vnd wird Gottes Tempel. Wann aber der Mensch durch den Glauben nun versöhnet / vnd mit GOTT vereiniget wird / so folget die Liebe / als das Zeichen / daß nunmehr wir in GOtt seyn / vnd Gott in vns. Wann du dann in deinem Gewissen merckest / daß du nicht recht in der Liebe geblieben / so nimb solches an / als eine Straffe deß H. Geistes / vnd verklage vnd verdamme dich selbsten / vnd suche dich mit GOtt zu versöhnen / durch den Fürsprecher vnd Mittler Jesum Christum. Wann dir aber GOtt weiter das Leben fristet / vnd du nun auffs newe dich mit GOtt außgesöhnet hast / so befleissige dich mit allem Ernst / rechtschaffen in der Liebe zu bleiben / in der Hoffnung / daß alles was vns mangelt / durch die vollkommene ja überflüssige Liebe Jesu Christi erstattet worden / der da sitzet zur Rechten Gottes / vnd vertritt vnd versöhnet vns / durch das Blut vnser Reinigung. Alsdenn haben wir das gewisse Zeugnüß deß H. Geistes in vns / daß wir Gottes Kinder seyn. Denn die der Geist Gottes treibet / die seynd Gottes Kinder. Alsdenn seynd wir gewiß vnserer Seligkeit. Ich habe lust zu GOtt / GOtt zu mir. GOtt vmbgibt mich mit seiner Liebe / vnd ich habe lust an seiner Liebe / was solte vns scheiden? Alsdann fürchten wir vns nicht / sondern haben Frewdigkeit / vnd seynd bereit zu jederzeit / Jesum kommen zu sehen in den Wolcken / als einen Richter der Lebendigen vnd der Todten / denn wir haben jhn eingeschlossen in vnsere Liebe / vnd ruhen in seiner Liebe.
Liebreicher GOtt / Osüsser Geist / Das Hertz ist kalt / vns Gnade leist / Zu lieben GOtt / ders hat verschuldt / Den Nechsten gleichfalls mit Gedult. So mercken wir / du lebst in vns / Vnd im Gericht wir finden Gunst. Zünd an / zünd an / das Werck ist dein / Laß vns / wie GOtt / nur Liebe seyn / AMEN.
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Am II. Sontage nach Trinitatis.
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Von Art der Liebe gegen dem Nechsten / die da ist das Kennzeichen der Wiedergeburt.
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TEXTVS 1. Ioh. 3. V. 13. usque V. 19.
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V. 13. LJeben Brüder / Verwundert euch nicht / ob euch die Welt hasset. V. 14. Wir wissen / daß wir auß dem Todt in das Leben kommen seynd / Dann wir lieben die Brüder. V. 15. Wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Todte. Wer seinen Bruder hasset / der ist ein Todtschläger. Vnd jhr wisset / daß ein Todtschläger hat nicht das ewige Leben bey jhm bleibend. V. 16. Daran haben wir erkant die Liebe / daß Er sein Leben für vns gelassen hat / vnd wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. V. 17. Wann aber jemand dieser Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / vnd schleusst sein Hertz vor jhm zu / wie bleibet die Liebe Gottes bey jhm?
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V. 18. Meine Kindlein / lasset vns nicht lieben mit Worten / noch mit der Zungen / sondern mit der That / vnd mit der Warheit.

Geliebte in Christo Jesu.
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(Exord. A probatione fidei.) ALle Verheissungen in Christo JEsu müssen Ja vnd Amen seyn; also bleibet fest der Grund vnser Seligkeit; Wer an den Sohn Gottes Christum JEsum glaubet / der soll nicht verlohren werden / sondern soll das ewige Leben haben; Doch aber hat sich mannich tausent Mensch betrogen / darin / daß er sich den Glauben zu haben eingebildet / der doch ferne von jhm ist. Darumb (2. Cor. 13, 5.) vermahnet vns der H. Geist: 2. Cor. 13. Versucht euch selbst / ob jhr im Glauben seyd / prüfet euch / vnd erkennet euch selbst / ob Jesus Christus in euch ist. 2. Petr. 1. (2. Pet. 1, 10.) Wendet Fleiß an / ewren Beruff vnd Erwehlung fest zu machen. Ist nun jemand / der meynet / er habe auch den Glauben / der prüfe sich / meynet er / er habe auch Jesum Christum bey sich / so forsche er nach / obs auch gewiß sey / ob er sich nicht betriege; damit wir vnsern Beruff vnd Erwehlung fest machen / denn hieran hanget viel. Wie aber die Proba anzustellen / zeiget Johannes in seinem 3. Cap. der ersten Epistel / vnd will / daß wir den Baum auß seinen Früchten erken̅en / welche seynd zweyerley / Heiligung vnd Sünde. (1. Joh. 3, 8. 9. 10.) Wer Sünde thut / der ist vom Teuffel / denn der Teuffel sündiget von Anfang / vnd hat den Sünden Saamen in vns außgesäet / treibet auch zu Sünden / vnd verhärtet vns auch in den Sünden; Wer aber auß GOTT geboren ist / der thut nicht Sünde / denn sein Saame bleibet bey jhm / die Krafft deß H. Geistes / der den Sünden wehret / vnd vnsere Seele heiliget; Ein solcher kan nicht sündigen / darumb / daß er von
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GOtt geboren ist. Denn weil wir Gottes Kinder seyn / haben wir(V. 3.) die Hoffnung / daß in seiner Erscheinung wir jhm gleich seyn werden / denn wir werden Ihn sehen / wie Er ist / vnd weil wir solche Hoffnung zu Ihm haben / so reinigen wir vns / gleich wie er rein ist. Wer in Ihm bleibet / der sündiget nicht / wer aber sündiget / der hat Ihn nicht gesehen noch erkant. Daran wirds nun offenbar / welches die Kinder Gottes seyn / vnd die Kinder deß Teuffels. Denn gleich wie die Früchte deß Feldes sich arten nach dem Saamen / vnd ein jeglicher Saame seine eigne Früchte bringet / also wird auß der Sünde vnd der Heiligung erkant / ob Gottes Saame / oder deß Teuffels Saame in vnseren Hertzen außgeschlagen / wachse vnd blühe. Es redet aber Johannes nicht von einer solchen Heiligung / bey welcher gantz kein Mangel oder Sünde zu finden sey / denn er selbst im ersten Cap. spricht: So wir sagen / wir haben keine(1. Joh. 1, 8. 10.) Sünde / so verführen wir vns selbst / vnd die Warheit ist nicht in vns; ja / so wir sagen / wir haben nicht gesündiget / so machen wir Ihn zum Lügner / vnd sein Wort ist nicht in vns. Vnd damit wir nicht meynen / diß gelte nur denen / die noch nicht bekehret seyn / so lasset vns daran gedencken / was Paulus bekennet / zun Römern am 7. Cap. Wenn ich will(Rom. 7, 21.) gutes thun / so hanget mir das böse an. Darumb viel ein anders ist / das wüten der Sünde in sich fühlen; als Sünde thun / oder der Sünde mit willen gehorchen. Wer die Sünde in sich fühlet / mit vnwillen / vnd vmb derselben betrübet wird / vnd jhr widerstrebet / vnd durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödtet / der hat Gottes Saamen in sich / vnd ist von GOtt geboren. Wer der Sünde Gehorsam leistet / vnd das Geschäffte deß Fleisches vollführet / der hat sich damit vnd in dem Augenblick der Kindschafft verlustig gemacht / vnd muß vmbkehren / vnd durch Christi Blut vnd Todt sich wieder mit Gott versöhnen / so wird er wieder
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zu einem Kinde von GOtt angenommen. Wer aber Sünde begehet / vnd derselben nicht achtet / auch darinnen verharret / der ist nicht von GOtt / sondern von dem Bösen. (Rom. 8, 9. 13. 14.) Solche Kennzeichen setzet auch Paulus zun Römern am 8. Wer Christus Geist nicht hat / der ist nicht sein; welchen aber der Geist Gottes treibet / also daß sie durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödten / die seynd Gottes Kinder. Wie nun alle andere muthwillige Sünde ein Zeichen eines vn Christen seyn / also auch absonderlich hassen vnd nicht Liebe üben; wie denn auch Johannes dessen absonderlich gedencket: (1. Joh. 3, 10. 13.) Daran wirds offenbar / welche die Kinder Gottes / vnd die Kinder deß Teuffels seynd. Wer nicht recht thut / der ist nicht von GOtt / vnd wer nicht seinen Bruder lieb hat; Denn das ist die Bottschafft / die jhr gehöret habt vom Anfang / daß wir vns vnter einander lieben (V. 4.) sollen. Wer dawider thut / der thut vnrecht / vnd die Sünde ist das vnrecht. Darauß wird offenbar / wie nothwendig die Liebe deß Nechsten bey einem Christen seyn muß / denn es ist das Kennzeichen / dabey er erkennen soll / ob er auß GOtt / oder auß dem Satan sey. Ist denn die Liebe gegen dem Nechsten so nothwendig / so ist auch nötig zu wissen / wie sich die Liebe gegen dem Nechsten verhalten soll / vnd wie weit sie gehen soll. Beydes (Thema.) zeiget vns Johannes in vorhabender Lection / Nemblich / Die Nothwendigkeit vnd Art der Liebe gegen dem Nechsten / vnd dadurch begehret der H. Geist in vnseren Hertzen einen Tempel der Liebe auffzurichten. GOtt gebe sein Gedeyen / Amen.
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WAs massen Cain auß lauter Frevel seinen frommen Bruder(Mundi odium erga pios.) Abel erschlagen / ist bekant auß der Historia der Schöpffung. Diesen Brudermord ziehet der Apostel(1. Joh. 3, 12.) vnd Evangelist Johannes an / im 3. Cap. seiner ersten Epistel / fürnemblich zum Exempel eines falschen Christenthumbs / denn es wolte Cain auch den Namen haben / als dienete er dem lebendigen GOtt / vnd gehörete GOtt an / darumb brachte er auch GOtt sein Opffer; aber er war dabey ein Heuchler / vnd war der nicht / dafür er sich außgab / das ward offenbar auß seinem Leben / dann er thäte nicht recht / vnd liebete nicht recht. Also ist mancher / der sich für einen Christen außgibt / vnd meynet auch nicht anders / als sey er ein rechter Christ / vnd hat doch Cains Mucken / daran wirds denn offenbar / welche die Kinder Gottes / oder die Kinder deß Teufels seyn. Wer nicht recht thut / vnd wer nicht seinen Bruder liebet /(V. 10.) der ist nicht von GOtt. Hernach zeiget Johannes in demselbigen Exempel auch dieses / wie friedliebende Christen nicht fort Fried vnd Liebe in der Welt wieder bekommen. Denn Abel liebete vnd ehrete Cain / als den Erstgebornen / vnd seinen ältesten Bruder / vnd ließ sich begnügen an der Gnade Gottes / nichts deß zu weniger muste er getödtet werden. Darumb spricht Johannes: Verwundert euch(V. 13.) nicht / meine Brüder / ob euch die Welt hasset. Es bildet jhm mancher ein / wann er niemands leides thut / sondern sich befleissiget allerley gutes jederman zu erzeigen / so werde man jhn wieder lieben / vnd werde jhm niemand was zu wider thun; kompts denn / daß sich das Wiederspiel findet / fängt er an sich zu verwundern: wie ists müglich / daß dieser vnd jener kan ein solches Hertz gegen mir haben? Aber was verwundern wir vns viel? Die Welt ist ja Welt / vnd lässet von jhrer Art nicht. Die Welt ist nicht von GOTT / sondern vom Satan / den Geist der Liebe hat sie nicht. Was wilstu denn gutes von jhr warten? Gibt die Welt Böses vmb Gutes / Haß vmb Liebe / so thut sie nichts mehr / als was jhrer
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Art ist / das hat sie von jhrem Vatter Cain / vnd jhrem Großvatter dem Teuffel. Darüber wolte ich mich viel mehr verwundern / so ich etwan was liebes oder gutes von der Welt empfangen solte. Kompts dann / lieber Christ / daß dir von einem nicht das beste wiederfähret / dem du doch kein leides / oder auch wol viel gutes gethan hast / gedencke daran / was von Johanne gesagt ist: Verwundert euch nicht / ob euch die Welt hasset. (Piorum dilectio.) Aber diese Art der Welt stosset einen schwachen Christen hart für den Kopff / vnd hindert jhn sehr in der Liebe; daß er gedencket: Ey / so will ich mich auch an diesen Menschen nichts mehr kehren. Mag denn das so wol seyn? sollen Christen wieder hassen? oder sollen sie auch wol auff hören gutes zu thun? Das sey ferne: Wie könten wir Kinder Gottes seyn? Daß die Welt hasset / vnd einem Frommen böses thut / das ist kein Wunder / denn sie ist durch jhre Boßheit schon versencket in deß Teuffels Reich; Christen aber seynd andere Leute / die seyn durch den Todt ins Leben kommen / als Kinder Gottes / darumb müssen sie auch in der Liebe bleiben. (V. 14. 15.) Denn höret was Johannes saget: Wir wissen / daß wir auß dem Todt in das Leben kommen sind / denn wir lieben die Brüder; Wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Tode; wer seinen Bruder hasset / der ist ein Todtschläger / vnd jhr wisset / daß ein Todtschläger hat nicht das ewige Leben bey jhm bleibend. Sihe / wie hochnothwendig die Liebe deß Nechsten ist! denn dabey sollstu dich kennen / ob du ein rechter Christ bist / ob du recht im Glauben bist / ob du selig seyst / oder nicht. (1. Consideratur ut regenerationis probatio.) Der rechten Liebe Art ist / daß sie niemand arges / sondern jederman gerne alles gutes thut. Da sie schon nichts von dem Nechsten empfahet / schencket sie doch vnd theilet gerne alles mit; höret auch nicht auff / ob schon dieselbige nicht wieder lie
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ben / denen sie wol thut. So sie auch beleidiget wird / vergibt sie gerne / vnd vergilt nicht böses mit bösem. Vnd diß alles thut die Liebe / auß einem trieb deß H. Geistes / der die Liebe Gottes also in vnsern Hertzen anzündet / daß wir Lust gewinnen / Gott in Christo hertzlich wieder zu lieben / vnd vmb Gottes willen wol zu thun allen Menschen. Diese Liebe zeiget an / wer ein rechter Christ sey: Wir wissen / daß wir auß dem Todt zum Leben kom̅en seynd / denn wir lieben die Brüder. Johannes saget nicht: Durch die Liebe gegen die Brüder werden wir vom Todt errettet. Denn dazu gehöret eine andere Liebe; nemblich / daß der Sohn Gottes Christus Jesus vns geliebet hat / vnd sich für vns alle dahin gegeben / auff daß / wer an Ihn glaubet / nicht verlohren werde / sondern das ewige Leben habe. Diß aber sagt Johannes: Wir wissen / wir spüren vnd erkennen es / daß wir vom Todt zum Leben kommen seyn; vnd das wissen / spüren vnd erkennen wir darauß / daß wir die Brüder lieben. Darumb gehets hie / wie mit dem natürlichen Leben. Das natürliche Leben kompt nicht her von der Bewegung / sondern die Seele bringet dem Leibe das Leben / vnd daher kommen denn die Bewegung deß Hertzens / der Lungen / vnd anderer Glieder. Da machet nun die Bewegung nicht das Leben / sondern folget auff das Leben / vnd ist deß Lebens Kennzeichen. Also ists mit dem geistlichen Leben / das wir in GOtt haben; das kompt nicht her auß der Liebe / darinnen wir die Brüder lieben / sondern allein auß dem Glauben an die Versöhnung Jesu Christi / deß Sohns Gottes / der vns geliebet / vnd sich selbst für vns in den Todt gegeben hat; dieser Glaube versetzet vns auß dem Todt ins Leben / daß wir in GOtt das ewige Leben haben / vnd daß Gott nach seiner Gnade in vns / vnd wir in GOtt seyn. Das Zeichen dieses geistlichen Lebens ist die Liebe gegen dem Nechsten. Den̅ wo geistlich Leben ist / da muß auch geistliche Bewegung seyn. Wer in Gott lebet / der muß auch
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in GOtt wandeln. Eben wie es vnmüglich ist / daß die Seele in einem vnbeweglichen Leibe sey / vnd demselben das Leben gebe. Denn / spüret man schon nicht außwendig eine Bewegung / so muß doch zum wenigsten inwendig noch das Hertz sich bewegen. Also ist vnmüglich / daß einer auß GOTT wiedergeboren sey / vnd in GOTT lebe / da gantz keine geistliche Bewegung ist / wirds schon nicht außwendig gespüret / muß es doch inwendig im Hertzen gefühlet werden. Vnd wie ein Mensch / der sich nicht mehr beweget / auch daran man keinen Odem mehr spüret / entweder gar todt / oder in tödtlicher Ohnmacht liget; also wann keine Liebesübungen bey einem Christen gesehen werden / so hat er kein geistlich Leben / oder er ist zum wenigsten in dem geistlichen Leben tödtlich schwach vnd ohnmächtig. Also ist nicht gnug / sich deß Glaubens vnd deß Liebens rühmen; der Glaube muß sich in der Liebe beweisen. Wann vnser Hertz mit himlischem Trost durchgossen / vnd durch göttliche Liebe beweget wird / daß der Mensch auch gegen seinem Nechsten wird gütig / freundlich / diensthafftig / mitleidig / sanfftmütig / gedultig / das seynd rechte Liebesbewegungen / auß welchen die newe Geburt zum geistlichen Leben gespüret wird. Wo der Mensch wiedergeboren ist / so lässet sich seine Wiedergeburt sehen / in der Liebesübung gegen dem Nechsten; vnd wo die Liebe ist / da ist auch gewiß eine geistliche wiedergeborne Seele. Denn die Liebe gegen dem Nechsten / kompt auß der Liebe / die die Seele gegen Gott hat; die Liebe gegen GOtt kompt auß dem Glauben / dadurch wir die Liebe Gottes erkennen / die er zu vns / als seine Kinder / träget / in Christo Jesu. Wo dieser Glaube ist / da ist Leben vnd Seligkeit / vnd ist der Mensch vom Todt zum Leben hindurch gedrungen. (1. Joh. 4, 10. C. 3, 1.) Darauß fliesset dieser Apostolischer Schluß: Wer den Bruder liebet / der liebet GOtt; der GOtt liebet / der ist vorhin von GOtt geliebet. Denn darinnen stehet die Liebe / nicht daß wir GOtt geliebet haben / sondern / daß Er vns geliebet hat /
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vnd gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für vnsere Sünde. Sehet / welch eine Liebe hat vns der Vatter erzeiget / daß wir Gottes Kinder seyn sollen! Wer aber von GOtt / als ein Kind / geliebet wird / der kan nicht im Todte bleiben / sondern er findet in Gott das ewige Leben. Seynd wir Kinder / so seynd wir Erben / Gottes Erben / vnd Miterben Christi. Es haben zwar auch die vnwiedergebornen Heyden Liebe geübet / vnd vielen Leuten gutes gethan; aber das ist noch nicht eine Christliche Liebe gewesen; denn wo ist ein solcher Heyde gewesen / der auß brünstiger Liebe gegen GOtt / angezündet durch die Erkäntnüß der seligmachenden Liebe in Gott / gegen allen Menschen ein geneigtes liebreiches Hertz trage / das begierig ist / allen Menschen vmb Gottes willen gutes zu thun / vnd denselben zu helffen in allen Leibesnöthen? Denen sie fleischlicher weise gewogen gewesen / denen haben sie auch gutes gethan / aber nicht allen Menschen / auch nicht den Feinden / auch nicht von Hertzen grund / auch nicht vmb der Liebe Gottes willen / sondern vmb Ruhms willen. Darumb bleibet die recht Christliche Liebe ein Anzeigung der Wiedergeburt. Wo die Wiedergeburt ist / da folget Liebe; vnd wo Liebe ist gegen dem Nechsten / da ist gewiß die Wiedergeburt. Also ist hingegen auch wahr; wo keine Liebe gegen dem Nechsten ist / da ist auch keine newe Geburt. Denn wer den Bruder nicht liebet / sondern jhn hasset / der bleibet im Todt; denn er ist ein Todtschläger / vnd jhr wisset / daß ein Todtschläger hat nicht das ewige Leben bey jhm bleibend. Ist ein rechter Donnerschlag für alle / die sich Christen rühmen / vnd keine Liebe haben. Es ist dürr vnd klar beschlossen: Er bleibt im Todt / im alten Cainischen Wesen erstarret / ohn Fühlung göttlicher Gnade. Die Vrsach / denn er ist ein Todtschläger; Wer keine Liebe übet / sondern seinen Nechsten hasset / der ist ein Todtschläger für Gottes Gericht / nicht besser als der Bruder
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mörder Cain. Denn wer den Hungerigen nicht speiset / der tödtet jhn. So ich jhm die Speise versage / ein ander auch / vnd so fortan ein jeglicher; so müste ja der Dürfftige in seinem Hunger verschmachten / vnd sterben. Wann ich denn dem Hungerigen mein Brodt versage / so habe ich / so viel an mir ist / jhn getödtet / vnd bin für Gottes Gericht ein Todtschläger. Wann denn für Todtschläger geachtet werden / die keine Liebeswerck üben; wird solches viel mehr treffen dieselbe / die neiden vnd hassen / verachten vnd lachen / betriegen vnd liegen / Gewalt vnd Leid thun? Sie seynd alle Todtschläger. Ihr wisset aber / daß ein Todtschläger nicht hat das ewige Leben bey jhm bleibend. Ich setze / daß einer wiedergeboren / vnd ein guter Christ gewesen ist; doch so er von der Liebe abtritt / so kan das ewige Leben nicht bey jhm bleiben. Darumb gleich wie wir wissen / daß wir durch den Geist Gottes wiedergeboren / vnd vom Todt zum Leben kommen seyn / wenn wir die Brüder lieben; also wissen vnd erkennen wir auch / daß wir nicht wiedergeboren / sondern entweder im Todt geblieben / oder vom Leben wieder in den Todt gefallen seyn / wenn wir nicht lieben / sondern dem Nechsten Leid thun / vnd jhn hassen. Darauß ist denn offenbar / wie nötig die Liebe einem Christen sey / vnd ob er ohne Liebe wol mag ein Christ heissen. (II. Dilectionis oftenditur ratio.) Das ist nun eins in dieser Lection; Das ander Stück zeiget die Art derselbigen Liebe / die so nötig ist; vnd zwar in dem Exempel der Liebe Gottes; denn so spricht Johannes weiter: Daran (V. 16. 17.) haben wir erkant die Liebe / daß er sein Leben für vns gelassen hat / vnd wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / vnd schleusst sein Hertz (ubi 1. Dilectionis divinae demonstratio) für jhm zu / wie bleibt die Liebe Gottes bey jhm? Hie ist zufodderst zu erwegen / der Beweißthumb vnd Offenbarung der Liebe Gottes: Daran haben wir erkant die Lie
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be / daß er sein Leben für vns gelassen hat. Die Schrifft zeuget gnug von Gottes Liebe / wie er ist gnädig / barmhertzig / gedultig / vnd lauter Liebe. Aber dabey muß es nicht bleiben. GOtt will seine Liebe in der That beweisen / vnd weil es die Noth also erfodert / in dem höchsten Grad der Liebe. Niemand hat grösser Liebe(Joh. 15, 13.) / denn der / daß er sein Leben lässet für seine Freunde: Johan. 15. Christus aber ist gestorben für vns Gottlosen. Darumb preiset(Rom. 5, 6. 8.) GOtt seine Liebe gegen vns / daß Christus für vns gestorben ist / da wir noch Sünder waren / Rom. 5. Vmb der Sünder willen hat GOtt seines Sohns nicht verschonet / sondern hat jhn lassen von jhren eignen Händen hinrichten / das thut GOtt. Hierauff ist ferner zu erwegen / die schuldige Nachfolge / daß(2. Debita imitatio.) wir vns auch lieben. Christus selbst weiset vns auff sein Exempel / als beym Johanne am 13. vnd 15. Cap. Das ist mein Gebott / daß(Joh. 13, 34. C. 15, 12.) jhr euch vnter einander liebet / gleich wie ich euch liebe. Das fasset ein Glaubiger / vnd wird beweget / anderen auch gerne in der Liebe zu dienen. Dagegen müssen sich schämen die lieblosen Hertzen. Die Liebe hat den Fürsten deß Lebens vom Himmel gezogen / vnd in Noth vnd Todt versencket / vns Verfluchten zu gut. Wir Würme seynd so hochmüthig / daß keine Liebe vns ziehen mag zu vnserm Nechsten / jhm Liebedienst zu erzeigen / so doch einer so gut ist als der ander / allesampt elende Würme / Staub vnd Asche. Wisset aber / daß in dem Exempel der göttlichen Liebe vns eine grosse Nothwendigkeit der Liebe fürgeleget ist. Wollen wir mit GOtt vereiniget seyn / so müssen wir auch seines Geistes seyn. Denn daran erkennen wir / daß wir in Ihm bleiben / vnd Er in vns /(1. Joh. 4, ???.) daß Er vns von seinem Geist gegeben hat. Nun aber ist GOtt lauter Liebe; vnd hat sich in der That als die höchste Liebe bewiesen. Darumb / wollen wir Gemeinschafft mit jhm haben / müssen wir den Geist der Liebe haben. Dabey wird man erkennen / spricht(Joh. 13, 35.) Christus / Joh. 13. daß jhr meine Jünger seyd / so jhr Liebe vnter einander habet.
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Es wird aber nicht allein in diesem Exempel gezeiget der Liebe Nothwendigkeit / daß wir GOtt in der Liebe zu folgen schuldig seyn; sondern auch insonderheit wird angezeiget / welches der Liebe Art sey / vnd wie hoch sie steige: Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Man möchte sagen: Christus vnd das Gesetz erfoderte nicht mehr / als daß wir vnsern Nechsten lieben / wie vns selbst. Wie aber? erfodert Johannes noch ein höhers / weil er sagt: Wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen? Heisset das nicht seinen Bruder mehr lieben / denn sich selbst? Hierauff gehöret diese Antwort: Vmb geringes Dinges willen das Leben einem andern zu gute lassen / ist nicht nötig / auch kein Liebeswerck / sondern eine Verwegenheit / als wann ich mit meinem Todt einem könte einen Gülden gewinnen. So aber eine hohe Noth da ist / so nehme ichs mit allem Danck an / wann einer für mich sein Leben waget. Darumb seynd wirs anderen auch schuldig; nach der Regel der Liebe: Was du wilt das dir geschehe / das soltu einem andern auch thun. Zum Exempel: Da wir waren in einer Noth / die Seel vnd Seligkeit angieng / ists freylich wol gethan / daß Gottes Sohn sein Leben für vns in den Todt gegeben. Also wann eine gantze Gemein in eusserster Gefahr ist / ists ein Liebeswerck / so einer derselben auch mit dem Todt dienet. Auß diesem ist ferner zu schliessen: So wir dem Nechsten dienen sollen mit Leib vnd Leben / wie viel mehr mit leiblichen Gütern? Wiederumb / so wir dem Nechsten nicht dienen mit vnsern Gütern / denen wir doch mit Leib vnd Leben zu dienen schuldig seyn / so ist die Liebe gewiß nicht in vns. Drumb spricht Johannes: Wenn jemand dieser Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / vnd schleusst sein Hertz für jhm zu / wie bleibt die Liebe Gottes bey jhm? Johannes sihet auff das gemeine Wesen der Welt. Mancher ist reich gnug / vnd will doch den Dürfftigen mit seinem Reich
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thumb nicht helffen. Wer so geartet / von dem zeuget Johannes / daß keine Liebe Gottes bey jhm sey. Denn die Liebe ist bereit auch das Leben für den Nechsten zu lassen. So nun einer von seinem Reichthumb nichts will entberen vmbs Nechsten willen / wo bleibt die Liebe bey jhm? Da erkennen wir nun / welches der Christen Ampt in der Liebe ist. Weil sie schuldig seyn / mit Leib vnd Leben sich zu dienen / seynd sie vielmehr schuldig / sich mit den geistlichen Gütern zu dienen / vnd da soll niemand sein Hertz verschliessen. Es ist natürlich / daß Noth vn̅ Elend einem Menschen zu Hertzen gehe / vnd zu Mitleiden beweget. Als wann ein dürfftiger Lazarus für vnsern Augen liget / in Hunger vnd Blöß / in Ohnmacht vnd Schwachheit. Da muß freylich ein Christ kein Vnmensch seyn / daß er sein Hertz verschliesse / vnd die Barmhertzigkeit außstosse; sondern er soll helffen. Von wem aber wird die Hülff erfodert? So jemand dieser Welt Güter hat / vn̅ etwas das zu dieses Lebens Auffenthalt vnd Notturfft gehöret / so soll er sein Hertz nicht versehliessen. Wer nicht hat / kan auch nicht geben / wer wenig hat / gebe von dem wenigen. Einer ist angenehm / nach dem er hat / vnd nicht nach dem er nicht hat. Wer viel hat / soll deß zu reichlicher gebe̅. Es fodert Gott nicht von vns / ohne Noth das dahin zu geben / damit wir vns vn̅ die vnserigen ernehren / vnd etwas er werben müssen / denn sonsten würden wir vns selbst an Bettelstab bringen / vn̅ nichts mehr verdienen können / daß wir hätten zu geben den Dürfftigen. Als wann ein Ackersmann sein Acker vnd Pflug dahin gebe / könte er auch nichts mehr erwerben / sich vnd die seine ehrlich zu ernehren / vn̅ den Dürfftigen zu helffen. Darumb thut er wol / so er seines Ackers fleissig wartet / vnd von den Einkunfften seines Gutes vnd Arbeit sich redlich ernehret / vnd den Dürfftigen Hülffe leistet. Solche Ordnung weiset der H. Geist selbst zun Ephesern am 4. vnd gebietet / daß ein(Eph. 4, 28.) jeglicher arbeite / vnd schaffe mit den Händen etwas gutes / auff daß er selbst keine Noth leide / sondern habe zu geben den Dürfftigen.
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Wem soll man denn zum meisten dienen mit vnsern Gütern? Der Heilige Geist weiset vns allermeist auff die Dürfftigen. Es erstreckt sich die Liebe sonsten auff alle Menschen. Wann ein Fürst einem wolverdienten Mann ansehnliche Verehrungen schencket / thut er wol / vnd ist eine Mildthätigkeit / die zu loben ist. Wann wir von einem eine Wolthat / entweder eine geistliche oder leibliche empfangen haben / vnd wir demselben nach vnserm Vermögen von dem vnseren wieder gutes thun / das ist eine Christliche Danckbarkeit / vnd kompt auß der Liebe / vnd ist hoch zu loben. Die erbarmende Liebe aber sihet auff das arme vnd elende. So jemand dieser Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / vnd schleusst sein Hertz für jhm zu / wie bleibet die Liebe Gottes bey jhm? Darben aber heisset nicht allein / wann einer kein Brodt hat; sondern wann einer in seiner Nahrung gerne fort will / vnd hat mangel an Mitteln / der darbet auch / von dem muß ich meine Hand nicht abziehen / so ich jhm kan helffen. Thue ichs nicht / wo bleibt die Liebe? Was die Augen nicht sehen / das beweget das Hertze nicht. Was einer für Noth leidet / der ferne von mir ist / weiß ich nicht / drumb kan ich jhm auch nicht helffen. Wann mir aber ein Dürfftiger für Augen kompt / muß ich mein Hertz nicht verschliessen. Es begibt sich zu weilen / daß mancher reicher ist / der die Allmosen empfähet / als der sie gibet. Drumb mag man Fürsichtigkeit gebrauchen / wenn man Allmosen gibet / damit man nicht jemand in der Faulheit vnd Boßheit stärcke. Doch wann wir Dürfftigkeit für Augen sehen / sollen wir vnser Hertz nicht verschliessen. Wer die Allmosen vnwürdig vnd betrieglich empfanget / den richtet der HERR. So ist nun diß die Art vnd das Werck der Liebe / sie dienet gern / auch mit Leib vnd Leben / so es von nöthen ist / viel mehr mit anderen geringeren Gaben. So du aber dich wegerst / den Dürfftigen mit kleinen zu helffen / wie kan in dir seyn die Liebe Gottes / die du nicht so weit achtest / daß du jhrenthalben einen Heller entperest.
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Darumb schliesset der Heilige Geist diese Lection mit dieser freundlichen Vermahnung: Meine Kindlein / lasset vns(V. 18.) nicht lieben mit Worten / noch mit der Zungen / sondern mit der That vnd mit der Warheit. Viele geben Liebe für mit Worten / aber in der That wollen sie nichts thun. Diese seynd gleich einer tauben Nuß / darin kein Kern ist. Die thätige Liebe / die im Werck vnd in der That hilfft / ist allein eine warhafftige Liebe. Liebet in der That vnd Warheit. Denn GOtt hat vns nicht nur mit Worten geliebet / sondern in der That vnd Warheit. Damit ist nun klar vnd offenbar / nicht allein wie nothwendig die Liebe sey / als die da ist das wahre Kennzeichen deß geistlichen Lebens in GOtt; sondern auch / welches der Liebe Art sey / nemblich / daß sie bereit ist / dem Nechsten zu dienen in der That vnd Warheit / nicht allein mit Geld vnd Gut / sondern auch / da es die Noth erfodert / mit Leib vnd Leben / sintemal GOtt vns also geliebet / daß er sein Leben für vns gelassen. Das ist auffgezeichnet / vnd wird geprediget darzu / daß wir(Usus 1. Informatorius ad probationem.) vns vnter einander lieben / vnd auch prüfen / ob wir in der Liebe recht / vnd folgends / ob wir auch im geistlichen Leben seyn. Da prüfe sich nun ein jeglicher / vnd forsche / ob er recht in der Liebe sey / ob er auß GOtt geboren sey / ob er noch im geistlichen Leben sey. Mundliebe / Heuchelliebe lässet sich balde finden; aber rechte Christliche / warhafftige thätige Liebe / ist ein seltsam Wildbrät. Falsche Christen geben grosse Liebe für / seynd aber nur Worte. Wo seynd / vnd wie viel seynd / die vmb der Liebe Gottes willen von Hertzen willig vnd geneiget seyn / nach allem Vermögen einem jeglichen zu dienen / der vns zur Hand kompt? Wie viel seynd / die ohne murren vnd vnwillen einem jeglichen Dürfftigen die Hand reichen? Man darff nicht viel suchen / so wird man finden bey vns vnd im gantzen Lande / Haß vnd Neyd / Gewalt vnd Vnrecht / verachten vnd verleumbden / liegen vnd
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triegen / daß vns recht vnd wol trifft die Klage beym Propheten (Jerem. 9, 3. 4. 5. 6. 8.) Jeremia am 9. Cap. O es ist keine Warheit im Lande / sie treibens mit Gewalt / vnd gehen von einer Boßheit zur andern / vnd achten mich nicht / spricht der HERR. Ein jeglicher hüte sich für seinem Freunde / vnd trawe auch seinem Bruder nicht / Denn ein Bruder vnterdruckt den andern / auch ein Freund verräth den andern / ein Freund teuschet den andern / vnd reden kein wahr Wort / Sie fleissigen sich drauff / wie einer den andern betriege / vnd ist jhnen leid / daß sie es nicht ärger machen können. Es ist allenthalben eitel Triegerey vnter jhnen. Ihre falsche Zungen seynd mordliche Pfeile / mit jhrem Munde reden sie freundlich gegen dem Nechsten / aber im Hertzen lauren sie auff denselben. Wo es so zugehet / da rühme man sich nicht groß deß Christenthumbs. So du noch nicht zu dem geringen kommen bist / daß du einen Schilling gebest vmb Christi willen; wie viel fehlts denn noch / ehe du zu dem grössern kommest / da wir schuldig seyn / vmb Christi willen auch das Leben für die Brüder zu lassen. So es Sünde ist nicht Gutthat er zeigen / was wirds seyn / einen freventlich beleidigen / beliegen / betriegen / verfortheilen? Noch wollen wir Christen heissen. Oder Ruhm ist ertichtet; da ist Vnglaub vnd Todt; es ist ärger / als nimmer etwas vom Evangelio gehöret haben. Denn diß Vrtheil wird nicht vmbgestossen: Wer nicht liebet / sondern seinen Bruder hasset / der bleibet im Todt; Er ist ein Todtschläger / vnd jhr wisset / daß ein Todtschläger nicht habe das ewige Leben bey jhm bleiben. Wann GOTT beym Propheten Jeremia klaget über die Gewalt vnd Triegerey seines Volcks / folget bald darauff / was
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GOtt dazu thun will: Solt ich solches nicht heimsuchen(Jerem. 9, 9.) an jhnen / spricht der HERR / vnd meine Seele solte sich nicht rächen an solchem Volck / als diß ist? Höret jhr falsche liebvergessene Hertzen / höret / wie GOtt ewer Triegerey vnd Vnrecht gefällt! Solt ich solches nicht heimsuchen an jhnen? spricht der HERR; solt meine Seele sich nicht rächen an solchem Volck / als diß ist? Wie der höchste GOtt ein Grewel hat an feindseligen Hertzen / also rächet er sich an jhnen / vnd straffet sie mit zeitlichen vnd ewigen Plagen. Beym Propheten Amos werden die Gedancken der betrieglichen lieblosen Händeler also eingeführet: Wenn wollen doch die Feyrtage(Amos 8, 5. 6. 7. 4. 8. 2. 3.) ein ende haben / daß wir Geträyde verkauffen / vnd der Sabbath / daß wir Korn feyl haben mögen / vnd den Epha ringern / vnd den Sekel steigern / vnd die Wage fälschen / auff daß wir die Armen vmb Geld / vnd die Dürfftigen vmb ein par Schue / das ist / vmb ein geringes Ding vnter vns bringen / vnd Sprew für Korn verkauffen? Was stehet aber dabey? Der HERR hat geschworen wider die Hoffart Jacob; Was gilts / ob ich solcher jhrer Werck ewig vergessen werde? Höret diß / die jhr den Armen vnterdruckt / vnd die Elenden im Lande verderbet. Solte nicht vmb ein solches willen das Land erbeben müssen / vnd alle Einwohner trawren? Ja / es soll gantz wie mit einem Wasser überlauffen werden / vnd weggeführet / vnd überschwemmet werden wie mit einem starcken Fluß. Das Ende ist kommen über mein Volck / Ich will jhm nicht mehr
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übersehen / die Lieder in den Kirchen sollen in ein heulen verkehret werden / spricht der HERR HERR / vnd zur selbigen Zeit werden viel todter Leichnamb ligen an allen örtern / die man heimlich wegtragen wird. Wann solche Zornzeichen gesehen werden / zeugen sie von dem ewigen Zorn / der die lieblose Hertzen drücken wird. Drumb machen die lieb vergessene Hertzen jhnen keine ander Rechnung: Wer nicht liebet / der bleibet im Todt / vnd wird für Gottes Gericht wie ein Todtschläger geachtet; vnd ein Todtschläger hat das ewige Leben nicht bey jhm bleibend. Bistu schon einmahl wiedergeboren gewest / so kan doch das Leben nicht bey dir bleiben / es ist verlohren / das bezeuget dein liebloses Hertze. Es kan zwar niemand sich einer Vollkommenheit rühmen / als mangele jhm nichts an der Liebe. Doch wie das nicht ist eine Christliche Heiligkeit / der nichts mangelt; also ist das auch nicht eine Christliche Liebe / der nichts mangelt. Wie Johannes von (1. Joh. 1, 8.) sich vnd allen Heiligen bekennet: So wir sagen / wir haben keine Sünde / so verführen wir vns selbst. Also müssen wir auch sprechen: So wir sagen / vns mangelt nichts an der Liebe / so verfahren wir vns / vnd die Warheit ist nicht in vns. Wer will fromb seyn / muß Christi Blut mit zu hülffe nehmen / sonst (1. Joh. 1, 9. 7) wird er nimmer fromb seyn; denn so wir vnsere Sünde bekennen / so ist GOtt getrew vnd gerecht / daß er vns die Sünde vergibt / vnd reiniget vns von aller Vntugend; denn das Blut Jesu Christi deß Sohns Gottes / macht vns rein von aller Sünde; wie auch Johannes sagt in seiner ersten Epistel am 1. Cap. Also auch / wer will lieben / der nehme Christi Blut mit zu hülffe / sonsten wird er nimmer recht lieben. Befleissige dich nur mit allem Ernst / ohne Heucheley / nach Ver
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mögen deinem Nechsten zu dienen; findet sich noch Mangel vnd Gebrechen dabey / das erkenne / vnd seufftze darüber / vnd glaube / daß durch Christi Blut aller Mangel erstattet / vnd alle anklebende Vnreinigkeit abgewaschet werde; so ist deine Liebe recht vnd Christlich / vnd hast das Zeichen der Wiedergeburt in dir / vnd weisst / daß du auß dem Todt zum Leben kommen bist. So ermahne ich euch nun im HERRN / meine Lieben / daß(2. Hortatori, ad correctionem. Diligamus realiter.) jhr ableget allen Haß vnd Neyd / alle Gewalt vnd Vnrecht / alles Liegen vnd Triegen / vnd daß jhr euch vnter einander liebet / nicht mit Worten allein / vnd mit der Zungen / sondern in der That vnd Warheit. Wer dieser Welt Güter hat / vnd sihet seinen Bruder darben / der schließ sein Hertz nicht für jhm zu. Liebet nicht allein die euch lieben; thut nicht allein wol ewren Wolthätern; leihet nicht allein / von denen jhr hoffet zu nehmen: denn das thun auch die Sünder. Jhr aber thut / wie der HERR lehret / Lucae am 6. Liebet ewre Feinde / thut wol / vnd leihet / daß jhr nichts(Luc. 6, 35.) dafür hoffet. Es ist ein köstlicher Rath / für einen der Liebe üben / vnd den Dürfftigen dienen will / von allen Einkunfften vnser Güter / oder von allem Gewinst vnser Arbeit etwas für die Dürfftigen beylegen / es sey auch so viel es wolle; so wirstu einen geistlichen Schatz samlen / vnd wird dir nicht schwer werden / dem Nechsten zu leihen vnd zu geben. Was du aber gutes thuest / das thue nicht zum Pracht / oder vmb Ehre willen; auch nicht vmb Dancks willen / sondern bloß vnd allein vmb Gottes willen / weil es GOtt wolgefällig / vnd dem Nechsten nutz ist. Wir haben Gottes Befehl im 5. Buch Mosis am 15. Cap.(Deut. 15, 7. 8.) Wenn deiner Brüder jrgend einer arm ist / in jrgend einer Statt in deinem Lande / so soltu dein Hertz nicht verhärten / noch deine Hand zuhalten gegen deinem armen Bruder / sondern solt sie jhm auffthun / vnd jhm leihen / nach dem er mangelt. Wir haben reiche Verheissung
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daneben; Lucae am 6. Cap. Liebet ewre Feinde / thut wol / vnd leihet / daß jhr nichts dafür hoffet / so wird ewer Lohn groß seyn / vnd werdet Kinder deß Allerhöchsten seyn. Gedenck an die Liebe deines Gottes. Christum hat die Liebe vom Himmel ans Creutz gezogen; was ist schändlichers / Christo zu lieb nicht wollen gutes thun demselben / für welchen der Sohn Gottes / so wol als für dich / sein Leben gelassen. Du wilst mit Gott vereiniget seyn. So treib auch nicht auß den Geist der Liebe. Du wilt deines Lebens gern gewiß seyn / so bezeuge es mit der thätlichen Liebe / daß du nicht seyest auß dem Mord- vnd Lügenvatter dem Teuffel. Denn nochmahl bezeuge ich: Liebvergessene Hertzen seynd Todtschläger / vnd Kinder deß Todtes. Gedencke nicht: kein Richter in der Welt wird mich straffen. Gedenck an das höchste Gericht / da wirstu freylich nicht frey durchgehen / so du nicht Liebe übest. Du wirst wie ein Todtschläger gerichtet werden / ein Todtschläger aber hat das ewige Leben nicht bey jhm bleibend. (Constanter.) Wer nun recht zu lieben angefangen / der werde nicht müde. Es kan vns leicht müde machen die menge der Dürfftigen / vn̅ daß wir gar zu offt angesprochen werden. Aber / ist denn auch Christus in seinem Leyden so bald müde geworden für vns? Warumb wiltu so bald vermüden / wann du vmb Christi willen ein geringes thun solt. Wirstu nicht auffhören gutes zu thun / wird auch Gott nicht auffhören gutes zu vergelten. Lasset vns gutes thun / spricht (Gal. 6, 9.) Paulus zun Galatern am 6. Cap. Lasset vns gutes thun / vnd nicht müde werden / denn zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohn auffhören. GOtt begehret nicht / daß du mehr gebest / als du hast. Das wenige das du hast / theile mit auß trewem Hertzen / so lang du was übriges hast. Wer nichts hat / der kan auch nicht geben. Aber da ist die Boßheit so groß / daß mancher jhm einbildet / wann jhm der Geldkasten nicht über schwimmet; wann nicht so viel zufliesset / daß ein Seckel nach dem andern kan gefüllet wer
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den / so habe er auch nichts übriges / seinem Christo gutes zu thun. Wenns dir ein rechter Ernst wäre / würdestu gedencken; ich will auß getrewem Hertzen mittheilen / so lang ich was habe; vnd solte dir einer einreden: du must auch für dich vnd die deine sorgen; so soltu antworten: Der HERR ist reich für mich vnd für vns alle. Aber hie gehöret Glaube zu. Als einmal Amazia / ein König Juda(2. Chron. 25, 6.) / auß dem gottlosen Israel hundert tausent starcke Kriegesleute vmb hundert Centner Silber geworben; gefiel solches dem HERREN nicht / vnd sendete einen Propheten zum Könige / mit solchem Gewerbe; er soll das Herr Israel abschaffen / denn der HERR ist nicht mit Israel; Amazia aber sprach zum Mann Gottes: Was soll man denn thun mit den hundert Centnern / die ich den Kriegsknechten von Israel gegeben habe? Ist so viel geredet: So werde ich ja hundert Centner Silbers quit gehen. Der Mann Gottes sprach: Der HERR hat noch mehr / denn das ist / das er dir geben kan. Damit soll auch ein Christ sich auffrichten / wann jhm solche Gedancken einfallen: Sihe / das hastu selbst wol von nöthen; daß er spreche: Ey / mein GOtt hat noch mehr / denn das ist / das er mir wieder geben kan. Es kan vns in der Liebe auch sehr müde machen die Vndanckbarkeit. Dennoch soll ein Christ im gutes thun nicht darauff sehen / ob er Danck oder Vndanck davon trage. Vmb Danck willen muß er nicht anfangen; vmb Vndanck muß er nicht ablassen. Er sehe auff seinen Gott / dem er in der Liebe dienet. Vmb Gottes willen lasset euch durch Vndanck nicht von der Liebe ziehen / viel weniger lasset euch zur Feindseligkeit bringen. Wir sollens dem Teuffel vnd der got losen Welt nicht zu willen thun / daß wir durch Vngedult vnd Rachgier wolten vnsern Ruhm in Gott / den Trost der Seelen / vnd das Pfand vnser Wiedergeburt verderben. Hasset dich jemand / so ist er vnglückselig genug / darffest jhm nichts böses wünschen oder thun; denn er ist ein Todtschläger für GOtt / vnd verlieret das ewige Leben. Hingegen was schadets dir / so dich jemand hasset vnd verfolget. Der Name
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(Prov. 18, 10.) deß HERRN ist ein festes Schloß / der Gerechte laufft dahin / vnd wird beschirmet; in Sprichwörtern am 10. Cap. Wann der Mann Gottes Moses sein Leben für die Kinder Israel (Exod. 32, 32.) auffopffert / in dem er bittet: Ach HERR / vergib jhnen jhre Sünde / wo nicht / so tilge mich auch auß deinem Buch / das du geschrieben hast; da hatte er nicht eitel gute Freunde für sich. Sie haben offt wider jhn gemurret / vnd haben jhn auch zu steinigen begehret. Es kompt der Natur hart an / den Feinden alles gutes thun / vnd von Hertzen zu wünschen / doch die Liebe überwindet (Marc. 9, 23.) die böse Natur. Den Glaubigen ist alles müglich. Nun / erwehlet was euch gefällt; wolt jhr lieber in Haß oder Liebe leben; lieber im Finsternüß als im Liecht / lieber im Satan als in Christo; lieber im Todt als im Leben? Bedenckt / ob jhr auch wollet die Ehre haben / ewren Christum / der sein Leben für euch gelassen / in seinen Gliedern zu ehren. Einen dürfftigen Menschen sollt jhr nicht ansehen / als einen blossen Menschen / sondern als einen Bothen Gottes / den dir GOtt zur Hand geschickt / daß du an jhm beweisest / wie lieb du deinen Seligmacher habest. Wann man grossen Herren Geschenck bringet / müssen es ansehnliche kostbare Gaben seyn. Christus ist mit eim Heller zu frieden / vnd wils tausentfältig wieder vergelten. Wer den Dürfftigen etwas gibt / der leihet dem HERRN. Alles was wir haben / haben wir vom HErrn / vnd seynds schuldig dem HERRN wieder zu geben: aber GOtt gibt vns die Ehre / vnd saget / wir habens jhm geliehen / vnd will vns reiche Zinse geben. Wer noch denckt böse zu seyn / sey jmmer hin böß; wer sich fürgenommen hat zu lieben / der liebe thätlich vnd beständig / vmb deß HERRN willen. Es ist ja / HERR / dein Geschenck vnd Gab / mein Leib / mein Seel / vnd was ich hab / in diesem armen Leben / damit ichs brauch zum Lobe dein / zu Nutz vnd Dienst deß Nechsten mein / wollest mir dein Gnade geben / AMEN.
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Am III. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Demuth / Ruhe vnd Wachtsamkeit / als Stücken deß Christenthumbs / die bey dem Jammer dieses Lebens einem Christen sehr nütz seyn.
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TEXTVS 1. Petr. 5. V. 5. usque V. 12.
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V. 5. LIeben Brüder / Allesampt seyd vnter einander vnterthan / vnd haltet fest an der Demuth. Dann GOtt widerstehet den Hoffärtigen / aber den Demütigen gibt er Gnade. V. 6. So demütiget euch nun vnter die gewaltige Hand Gottes / daß er euch erhöhe zu seiner Zeit. V. 7. Alle ewere Sorge werffet auff Ihn / denn Er sorget für euch. V. 8. Seyd nüchtern vnd wachet / dann ewer Widersacher der Teuffel gehet vmbher / wie ein brüllender Löwe / vnd suchet / welchen er verschlinge. V. 9. Dem widerstehet fest im Glauben. Vnd wisset / daß eben dieselbige Leyden über ewere Brüder in der Welt gehen. V. 10. Der GOtt aber aller Gnaden / der vns beruffen hat zu seiner ewigen Herrligkeit / in Christo Jesu /
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derselbige wird euch / die jhr eine kleine Zeit leidet / vollbereiten / stärcken / kräfftigen / gründen. V. 11. Demselbigen sey Ehr vnd Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen.

Geliebte in Christo Jesu.
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(Exord. Vita hominis aerumnosa.) OB zwar vom Anfang der Mensch nicht dazu erschaffen / daß er Jammer vnd Elend leiden solte / so ist doch der Sünde halben demselben die Welt zum rechten Jammerthal geworden / in dem das zeitliche Leben nicht allein kurtz / sondern auch ein vnbeständiges / vnruhiges vnd elendes Leben geworden ist. Wann man nur betrachtet / was täglich vorlaufft / mag man mit (Syr. 40, 1. usque ad 8.) dem weisen Mann sagen: Es ist ein elend jämmerlich Ding / vmb aller Menschen Leben / von Mutterleibe an / biß sie in die Erden begraben werden / die vnser aller Mutter ist. Da ist jmmer Sorge / Furcht / Hoffnung / vnd zuletzt der Todt. So wol bey dem / der in hohen Ehren sitzet / als bey dem Geringsten auff Erden. So wol bey dem / der Seiden vnd Kron trägt / als bey dem / der einen groben Kittel anhat. Da ist jmmer Zorn / Eyver / Widerwertigkeit / Vnfriede vnd Todtesfahr / Neid vnd Zanck. Vnd wenn einer deß Nachts auff seinem Bette ruhen vnd schlaffen soll / fallen jhm mancherley Gedancken für. Wenn er gleich ein wenig ruhet / so ists doch nichts / denn er erschrickt im Traum / als sehe er die Feinde kommen. Vnd wenn er auffwacht / vnd sihet / daß er sicher ist / so ist jhm / als der auß der Schlacht entrunnen ist / vnd ist wunderfroh / daß die Furcht nichts ist
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gewesen. Moses weiß es fein zusammen in ein Bündlein zu fassen / wann er von dem köstlichen Leben in dieser Welt spricht: Es ist Mühe vnd Arbeit gewesen. Diß seynd Sachen / die sich täglich finden / thut man dazu die grosse schwere vnd mancherley Vnfälle / die sich zutragen; Gefahr vnd Vnglück / darunter wir schweben / mag man noch mehr sagen; Es ist ein elend jämmerlich Ding vmb aller Menschen Leben. Die Israclitische Reise in der Wüsten mag wol ein fein Fürbilde seyn / da in kurtzer Zeit so viel tausent dahin gestorben / vnd mit so mancherley Vbel seynd geplaget worden. Dann weil sie offt wider Gott murreten / musten sie auch offt vnd schwerlich geplaget werden. Bey diesem Jammer scheinet das sehr seltzam / daß die heiligen(Imprimis Christiani.) Kinder Gottes von solchem Jammer vnd Elend nicht außgeschlossen seyn / vnd noch dazu mannichmal zum aller meisten leiden müssen / daß auch Paulus saget 1. Corinth. 15. Hoffen wir allein in(1. Cor. 15, 19) diesem Leben auff Christum / so seynd wir die elendesten vnter allen Menschen. Denn da sonsten andere Menschen für Sünde ruhe haben / müssen Christen mit Sünden streiten / vnd sich plagen täglich / daß sie darüber matt vnd müde werden / vnd ruffen: Ach HERR / wer will mich hievon erlösen? Dieses ist das höchste Elend; nebenst dem überfällt einen Christen alles / was Leiden mag heissen. Er schwebet in Leibes vnd Seelengefahr / von wegen deß grewlichen vnauffhörlichen wütens vnsers Widersachers deß Teuffels / der nicht ruhen kan / sondern jmmer fort herumb schleichet / vnd suchet / wie ein brüllender Löwe / vns zu verschlingen. Da mangelts auch an Sorgen nicht. Verachtung für der Welt bleibet selten auß. Kommet daher; die Kinder Gottes vnd die Kinder dieser Welt haben einen vnterschiedlichen Geist. Darumb verwundert euch nicht / meine Brüder / ob euch die Welt(1. Joh. 3, ???.) hasset. Geschichts / daß ein Kind Gottes durch ein schweres Anligen vntergehalten wird / welches an jhm selbsten Schmach vnd
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Verachtung mit sich ziehet / findet die Welt deß zu mehr Vrsach / ein Kind Gottes zu verschmähen. (Remedia contra aerumnas vitae.) Damit wir vns nicht auffhalten / so bleibts dabey: Ein elend jämmerlich Ding ist es / vmb aller Menschen Leben: Wie aber ein Christ bey solchem elenden jämmerlichen Leben sich wol verhalten soll / daß er jhm das Elend nicht grösser mache / das ist keine schlechte Kunst. Der Apostel Petrus setzet in heutiger Lection drey Stücke / die einem Christen in dem gegenwärtigen elenden Leben sehr nützlich seyn: Demuth / Ruhe in GOtt / vnd Wachtsamkeit. Die Demuth fliesset nicht allein her auß der Betrachtung deß jämmerlichen Lebens / sondern bereitet auch bey vnserm Elend vnser Hertz zur Werckstatt Gottes / in welcher er seine Gnade will wircken lassen. Den Demütigen erzeiget GOtt Gnade. In GOTT ruhen ist nöthig / damit die Last vns nicht vnterdrücke. Wachtsam seyn ist nötig / damit wir nicht gar vmb Seel vnd Seligkeit kom̅en. Darumb wollen wir diese drey Stücke: nemblich (Thema.) Demuth / Ruhe in GOtt / vnd Wachtsamkeit / wie sie vns vom Apostel Petro fürgetragen werden / in Christlicher Andacht betrachten / als solche Stücke deß Christen thumbs / die bey dem Jammer dieses Lebens einem Christen sehr nutz seyn. GOtt verleihe dazu seine Gnade / Amen. (I. Regula de humilitate.) DAs erste / so einem Christen wol anstehet / so lang er ist in diesem müheseligen Leben / ist Demuth. Davon saget (V. 5. 6.) Petrus: Allesampt seyd vnter einander vnterthan / vnd haltet fest an der Demuth / denn GOtt widerstehet den Hoffärtigen / aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütiget euch nun vnter die gewaltige Hand Gottes / daß er euch erhöhe zu seiner Zeit. Damit gibt der H. Geist diß Gebott: Haltet vest an der Demuth / vnd de
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mütiget euch vnter die gewaltige Hand Gottes / vnd allesampt seyd vnter einander vnterthan. Von der Demuth ins gemein ists geredet / wann der Apostel(In genere.) spricht: Haltet vest an der Demuth. Vorzeiten hat man die Knechte mit sonderlichem Habit vmbgürtet / welcher jhrem Stande bequem war / als die auffzuwarten vnd zu dienen verordnet waren. Solchem knechtischen Habit wird hie die Demuth verglichen / in dem Petrus eigentlich so viel sagen will: Ziehet an( ) die Demuth / als einen knechtischen Rock / vnd Zeichen der Diensthafftigkeit. Die Meynung ist; Demuth soll der Christen Habit vnd Farbe seyn. Es ist vnsere Schwachheit / bald hochmütig werden. Dagegen will der H. Geist / wir sollens fest mit der Demuth halten. Ein besonders ists / daß hie auch gedacht wird / für wem sich(In specie 1. de humilitate erga Deum.) ein Christ demütigen soll. Da werden wir gewiesen auff GOtt vnd Menschen. Erstlich müssen wir vns demütigen gegen Gott. Demütiget euch vnter die gewaltige Hand Gottes. Solches geschicht 1. wann wir in vnsern Gaben vns nichts zueignen / sondern erkennen / daß alles Gottes sey / vnd von GOtt komme / was gutes an vns ist / vnd derwegen nicht vns / sondern GOtt alle Ehre geben. Denn hastu es empfangen / was rühmestu dich denn / als hättestu es nicht empfangen. 2. Demütigen wir vns vnter GOtt / wann wir vns seiner Regierung gantz vntergeben / beydes im Thun vnd Leiden. Dann so man der Ordnung Gottes nichts achtet / was ist das anders / als daß man mit dem stoltzen Pharao sage: Wer ist der Gott / dem ich soll gehorchen? So man aber wider Gottes Regierung murret / was ist das anders / als GOtt stoltziglich widerstreben? Die demütige Seele spricht mit Jeremia: Die Güte deß HERRN ists / daß wir nicht(Thren. 3, 22.) gar auß seyn. Sie erkennet sich vnwürdig aller Barmhertzigkeit / vnd in demütiger Erkäntnüß jhrer Vnwürdigkeit / ergibt sie
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sich vnter den Willen Gottes / vnd dancket jhm noch dazu: wie Hiob thät: Der Name deß HERRN sey gelobet. (2. De humilitate erga proximum.) Hernach hat die Demuth auch mit dem Nechsten zu thun. Allesampt seyd vnter einander vnterthan. Ist ein gemein Gebott / das alle Menschen angehet. Dann da absonderlich zuvor von den Jungen gesaget ist: Ihr Jungen seyd vnterthan den Eltesten; wird stracks darauff zu allen Christen ins gemein gesagt: Ihr allesampt / hoch vnd niedrig / reich vnd arm / jung vnd alt / niemand auß genommen / jhr allesampt seyd vnter einander vnterthan. Damit wird nicht alle Ordnung in der Gemeine auffgehoben / als wann ein Fürst nicht mehr gelten solte / als ein Bawr; denn es bleibt die Regel: Gebt Ehr dem Ehr gebühret / Furcht dem Furcht gebühret. Das ist nur die Meynung / daß ein Christ / der hoch ist am Stand vnd Gaben / auff sein Recht vnd Hoheit nicht pochen soll / sondern sich auch dem geringsten bequemlich mache / füge / vnd so viel es seyn kan / nach eines andern Sinn sich richte / vielmehr als daß alles schlecht nach vnserm Kopff gehen soll: vnd daß er durch die Demuth ein Knecht aller Menschen werde. Das geschicht 1. im Gemüth / wann einer an sich selbst sich nicht das geringste höher achtet / als den allergeringsten / in Betrachtung / daß die Ordnung vnd Vnterscheid der Stände nur zu diesem zeitlichen Leben gehören. Das Wesen dieser Welt vergehet. Hat ein Christ auch grosse Gaben / so erkennet er sie / als ein Geschenck Gottes / damit er andern Leuten dienen soll. An jhm selbsten erkennet er sich so dürfftig vnd vnvermögen / als ein Mensch seyn kan. Sihet dann ein demütiger Christ einen armen gebrechlichen Menschen auff einem Misthauffen ligen / so verachtet er denselben nicht hochmütiglich / sondern spricht in seinem Hertzen: Ach / was bistu deiner Natur halben besser / als dieser Mensch? Was ist GOtt dir mehr schuldig gewesen / denn diesem? Wäre es denn mir zu nahe / wann ich eben also in armseliger
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elenden Gestalt auff einem Misthauffen läge? Bistu aber vnd hast etwas mehr / als der; woher kompts / als von der Gnad vnd Ordnung Gottes? Vnd wer weiß / wie hoch dieser Mensch in seinem Elende für GOtt geachtet ist? Findet aber ein begabter vnd demütiger Christ einen andern / der auch begabt ist / verschmälert er demselben seine Gaben nicht / leidet gerne / daß er jhm vorgezogen werde / achtet jhn höher vnd würdiger / denn sich selbst. 2. Macht sich ein Christ auch zum Knecht durch Liebesdienste / wann er nach seinem Stand vnd Gaben / dem neben Menschen gerne vnd willig auffwartet vnd dienet / in Betrachtung / daß zu solchem ende Gott jhn in solchen Stand gesetzet / vnd mit solchen Gaben gezieret habe. Also wird derselbe / der hoch ist / durch die Liebe der niedrigste. Vnd das ists / dazu vns Paulus ziehet zun Philippern am 2. Cap. Ein jeglicher sey gesinnet / wie JEsus Christus auch(Phil. 2, 5. 6. 7. 3. 4.) war / welcher / ob er wol in göttlicher Gestalt war / hielt ers nicht für einen Raub / GOtt gleich seyn / sondern äussert sich selbst / vnd nahm Knechts Gestalt an. Nichts thut durch Zanck oder eitel Ehre / sondern durch Demuth / achtet euch vnter einander einer den andern höher / denn sich selbst / vnd ein jeglicher sehe nicht auff das seine / sondern auff das / das deß andernist. Wer sich in der Warheit vnter die Hand Gottes gedemütiget hat / bey dem folget auch gewißlich diese Demuth gegen dem Nechsten; eines hanget an dem andern. Diß ist nun das Gebott / das wir haben von der Demuth: Haltet fest an der Demuth / erstlich zwar gegen Gott / daß jhr euch demütiget vnter die Hand Gottes; hernach auch gegen allen Menschen / daß jhr allesampt seyd vnter einander vnterthan. Daß vns hiezu der H. Geist deßzu eher bewege / schreibet er(Regulae causa.) vns für ein gar erhebliche Vrsach: GOtt widerstehet den
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Hoffärtigen / aber den Demütigen gibt er Gnade / vnd erhöhet sie zu seiner Zeit. Ist gleiches Inhalts mit dem / das Maria singet: Er übet Gewalt mit seinem Arm / vnd zerstrewet die hoffärtig seyn in jhres Hertzen Sinn; Er stösset die Gewaltigen von dem Stuel / vnd erhöhet die Niedrigen; Die Hungrigen füllet er mit Gütern / vnd lässet die Reichen leer. Hätte die Schrifft von den Hoffärtigen nichts mehr gesaget / als daß sie Gottes Gnade verlieren / wäre es gnug. Denn was ist ein Mensch ohn Gottes Gnade? Ohn Gottes Gnade vermag niemand etwas / ohn Gottes Gnade gilt niemand etwas. Petrus aber redet hie noch härter. GOtt widerstehet den Hoffärtigen / sie haben jhn zum abgesagten Feinde. Gleich wie der Engel deß HERRN dem Bileam wehret in seiner Reise / also setzet sich GOtt entgegen den Hoffärtigen in allem Fürhaben. Er lässet sie zwar ein zeitlang gehen nach jhres Hertzen Sinn / aber endlich müssen sie mit dem stoltzen Pharao erfahren / was es sey / sich aufflehnen wider die gewaltige Hand deß HERRN. Anderen Sündern übersihet GOtt noch leichter / wann aber ein Mensch mit stoltzer auffgeblasener Vppigkeit sich aufflehnet wider GOtt vnd seinen Nechsten / kan ers durchauß nicht erdulden / sondern stürtzet jhn. Denn ein hoffärtiger Mensch / da er doch nichts ist / will gleichwol groß seyn / vnd sich selbst groß machen. Aber Gott / wie er allein der Schöpffer ist / so will er auch allein die Ehre haben / daß er auß nichts etwas mache / vnd diese Ehre will er niemand anders geben. In dem nun der Sünder vnter die gewaltige Hand Gottes sich nicht will demütigen / sondern sich selbst groß macht in seinem Sin̅ / kan vnd will Gott es nicht erdulden / sondern er widersetzet sich allen stoltzen Fürnehmen. Was will darauff folgen? Wie einem es übel bekompt / wann er mit blossem Kopff an eine ehrne Mawr stosset / so
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fahren auch gar vnglückselig die Hochmütigen / weil Gott sich jhnen widersetzet. Gleich wie Gott den Hochmütigen widerstehet / also gibt er hingegen den Demütigen Gnade / vnd erhöhet sie zu seiner Zeit. An Gottes Gnad ist alles gelege̅ / ohn welche wir nichts vermögen / auch nichts für Gott gelten. Aber niemand hat sich dieser Gnad zu trösten / als die demütige Hertzen. Gnad finden sie / wann sie etwas bitten; Gnad finden sie / wann sie arbeiten; Gnad finden sie / wann sie leiden; Gnad im Leben / Gnad im Sterben. So haben sie auch diese Verheissung: Er wird euch erhöhen zu seiner Zeit. Das thut er zu weilen auch auff dieser Erden / wie er den Joseph erhebet auß dem Kercker / den David auß dem Schaffstall / die Esther auß dem Staub / vnd bringet sie zu hohen Ehren. Aber das ist noch nicht die rechte Erhöhung; Es hält vnser lieber Heyland seine Glaubigen viel zu gut dazu / daß sie nur auff Erden solten geehret werden. Vatter / spricht er / Ich will / daß wo ich(Joh. 17, 24.) bin / auch die seyn / die du mir gegeben hast; wo ich bin / da sollen sie seyn / da sollen sie erhaben werden / vnd meine Herrligkeit sehen. Aber hierauff gedenck kein Hoffärtiger; den Demütigen ist diese Verheissung gegeben: Demütiget euch / vnter die gewaltige Hand Gottes / daß er euch erhöhe zu seiner Zeit. GOtt ist groß / vnd ein hocherhabener Gott / vnd wird doch nimmer besser gefunden / als wann das Hertz niedersincket; mit hohen Schritten kompt man nicht zu jhm. Denn er sihet allein auffs niedrige / daß er darauß etwas mache / wie geschrieben stehet im 113. Psalm: Wer ist(Psa. 113, 5. 6.) wie der HERR vnser GOtt? der sich so hoch gesetzet hat / vnd auff das niedrige sihet im Himmel vnd auff Erden / der den Geringen auffrichtet auß dem Staube / vnd erhöhet den Armen auß dem Koth.
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Hie muß man aber der Zeit warten; denn GOtt erhöhet die Demütigen zu seiner Zeit. Er weiß wanns Zeit ist / vnd hat die Zeit auch schon bestimmet / obs bald oder langsam geschchen soll / auff Erden oder im Himmel. Mustu / demütige Seele / noch im Staub ligen / vnd Kummer leiden / gedenck / daß es noch nicht Zeit ist; es gilt nicht / daß wir vns selbsten eine Zeit setzen / wann vns GOtt erhöhen solte / das wäre zu hochmütig gehandelt / bleibt demütig vnter die Hand deß HERRN / Er weiß wanns Zeit ist. Geschichts nicht in diesem Leben / so geschichts gewiß im Himmel / (Matth. 5, 4.) da ist die rechte Zeit der Erhöhung. Selig seynd / die da Leid tragen / sie sollen getröstet werden / wie der HERR spricht Matthaei am 5. Cap. Wann vns Gott erhöhen wird bey Christo im Himmel / da wird dieser Trost recht angehen. So seyd jhr ja selig / jhr Demütigen / denn der HERR gibt euch Gnade in allen Dingen / vnd wird euch erhöhen zu seiner Zeit. Aber vnglückselig seyd jhr Stoltzen / denn der HERR widerstehet euch. Doch werdet jhr selig seyn / so jhr einmal mercket / wie euch der HERR widerstehe / daß jhr auffhöret stoltz zu seyn. (Num. 22, 31) Ein Glück war es für den Bileam / daß die Eselin redet / vnd jhm die Augen geöffnet wurden / daß er sahe den Engel deß HERRN / der jhm widerstund auff dem Wege / mit einem blossen Schwerdt. Denn es sprach der Engel deß HERRN: Die Eselin hat mich gesehen / vnd mir dreymal gewichen / sonst so sie nicht vor mir gewichen hätte / so wolte ich dich auch jetzt erwürget / vnd die Eselin lebendig behalten haben. Dieser Engel deß HERRN stehet noch wider einen jeglichen Hoffärtigen / vnd wer sich für jhm nicht demütiget vnd niederfällt / den wird er erwürgen. Gut ists / daß ein Hochmütiger ablasse von seinem Hochmuth / vnd mit Bileam zur Erden falle / vnd zum HERRN spreche: Ich habe gesündiget / denn ich habs nicht gewust / daß du mir entgegen stündest; Nun HERR / weil dir mein Weg nicht gefällt / will ich wieder vmbkehren. Gut war es für den grossen König Nebucadnezar / daß er
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sich demütiget / denn dieweil er stoltz war / stieß jhn GOtt von seinem Stuel / vnd macht jhn zur Bestia / daß er wie ein vnvernünfftig wildes Viehe hat müssen herumb lauffen; da er aber zu seiner Vernunfft kompt / demütiget er sich vnter die Gewalt deß HERRN / vnd gibt Ehre dem GOtt deß Himmels / vnd bekennet / daß Er allein groß vnd gewaltig sey / für welchem alle Könige auff Erden nichts seyn. Das war jhm sehr gut. Hätte der stoltze Pharao auch vmbgekehret / wäre es auch gut für jhn gewest / weil er aber nit auffgehöret sich zu erheben wider die Hand deß HErrn / hat er müssen mit Schande zu grunde gehen. Das ist nun die erste Regel für die / die begehren durch die Müheseligkeit der Welt wol hindurch zu kommen; nemblich / daß sie demütig seyn. Denn wie nichts vngereimbters / als in Armuth vnd Elend noch stoltz seyn / also ist nichts bequemers / als demütig seyn. So haben die Demütigen auch bey jhrem Leyden die Verheissung / daß Gott jhnen will Gnade geben / vnd erhöhen zu seiner Zeit / dessen sie mit Gedult erwarten. Das ander Stück heisset Ruhm in GOtt: Alle ewere(II. Regula de tranquillitate. V. 7.) Sorge werffet auff Ihn / denn er sorget für euch. Wann wir seynd in Noth vnd Gefahr / gedencken wir bald; wie will dir nun geholffen werden? wie wilstu fortkommen? Der H. Geist gibt hie einen guten Rath: All ewer Sorg werffet auff den HERRN. Die Vögel vnter dem Himmel / vnd die Thier im Walde lassen GOTT sorgen; die Menschen müssen GOtt auch sorgen lassen. Doch setzet die Schrifft ein Vnterscheid vnter Menschen vnd andern vnvernünfftigen Thieren / wie sie GOtt sorgen lassen. Die vnvernünfftige Thiere / die säen nicht / sie erndten nicht / sie spinnen nicht / sie nähen nicht / vnd vnser himlischer Vatter ernehret vnd bekleidet sie doch. Den Menschenkindern aber ist gesaget: Ihr sollt im Schweiß ewers Angesichts ewer Brodt essen; jhr sollt mit ewren Händen wircken etwas redliches / jhr sollt euch nehren ewer Hände Arbeit; vnd spricht
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doch auch die Schrifft; All ewer Sorge werffet auff den HErrn. Nemblich / es hat die Meynung / daß ein Mensch seinem Beruff nach soll fleissig seyn / vnd in allen anderen Fällen die Mittel brauchen / die GOTT verordnet oder zugelassen hat / vnd das übrige GOtt befehlen. So aber gantz keine Mittel vorhanden seyn / soll er doch nicht verzagen / all dieweil GOtt sich an keine Mittel verbunden hat. Darumb / bistu ein Christ / so arbeite vnd bete: findest du Noth vnd Mangel / vnd kompt dir etwas für / das dich sorgfältig macht / nach dem du alle mögliche Mittel gebrauchet / oder auch alle Mittel dir gantz entzogen seyn / so wirff das allesampt auff GOtt deinen himlischen Vatter / vnd sprich: Ach / mein Vatter / ich weiß mir nicht zu helffen oder zu rathen / Du / du bist der Vatter / du wirst ja für dein Kind sorgen. Diß ist eine Kunst / die den allergeschickten Weltkindern verborgen ist; die müssen bekennen / vnd sagen: Wenn ich alles gantz wol betrachtet habe / finde ich nichts / darin ich ruhen kan. Hie hilffet nicht / die Bekümmernüß verbeissen / vnd in sich fressen; hie hilffet auch keine weltliche Kurtzweil / es hat kein Bestand / jemand von der Sorgen abzuhelffen. Also ists freylich eine Kunst / daß man wisse / wohin wir vnsere Sorge werffen sollen. Diese Kunst ist der Natur vnverborgen / auch rechte schwere: denn vnsere Augen wollen von Natur gern sehen / wo die Hülffe sey / vnd was die Augen nicht sehen / das will das Hertz schwerlich glauben. Noch ists eine gewisse bewehrte Kunst: denn es ist ein gewisses warhafftiges Wort: Der HERR sorget für euch. Er hat alles in seiner mächtigen Hand eingeschlossen / Er regieret alles / vnd schaffet wie es seyn soll / vnd richtet alles zum guten Ende; Denen die Gott lieben / müssen alle Ding zum besten dienen. Eben diesen Rath hat der Heilige Geist auch auffgesetzet im (Psal. 37, 5.) 37. Psalm: Befihl dem HERRN deine Wege / vnd hoffe auff jhn / Er wirds wol machen. Wiederumb im 55. Psalm: (Psal. 55, 23.) Wirff dein Anligen auff den HERRN / der wird dich
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versorgen / vnd wird den Gerechten nicht ewiglich in Vnruhe lassen. Bistu nun in Vnruhe / vnd weisst nicht wie du es machen solt; thue was du kanst / die übrige Sorge wirff auff den HERRN / vnd befihl jhm deine Wege / daß ers mache nach seinem vätterlichen Wolgefallen; sihe / er wird dich nicht jmmerdar in Vnruhe lassen / Er wirds wol machen / vnd du wirst deine Lust an seiner Gnade sehen / vnd dich verwundern / wie wol der HERR für vns gesorget habe. Mit saur sehen vnd ängstiglichen grübeln vnd Bekümmernüß wirstu wenig außrichten. Wenn du GOtt dein Anligen befohlen hast / wird ers besser außrichten / als wirs gedencken können. Die Gottesfürchtigen erfahrens / vnd preisen GOtt. Folget das dritte / das wir in diesem Jammerthal wol müssen(III. Regula de vigilantia.) in acht nehmen / vnd heisset Wachtsamkeit. Seyd nüchtern / vnd wachet / denn ewer Widersacher der Teuffel gehet(V. 8. 9.) vmbher / wie ein brüllender Löwe / vnd suchet welchen er verschlinge; dem widerstehet fest im Glauben / vnd wisset / daß eben dieselbigen Leiden über ewer Brüder in der Welt gehen. Hie betrachte fürs erste die Gefahr / darin wir schweben.(In qua 1. consideramus periculum ab hoste.) Vnser Widersacher der Teuffel gehet vmbher / wie ein brüllender Löwe / vnd suchet welchen er verschlinge. Der Satan ist ein Meister alles Vnglücks / vnd ein Vrsach alles bösen / der wird vns hie fürgestellet / als vnser Widersacher. Dafür will er nicht angesehen seyn / sondern stellet sich als ein Freund / wie offenbar ist an denen / die mit jhm in Bundschafft tretten. Da muß man sich verwundern / wie er denselbigen schmeicheln kan / wie er jhnen gehorchet / wie er jhnen allerley Lust erwecket. Was der Bösewicht mit diesen Leuten offenbarlich thut / das thut er heimlich bey den andern allen in allen Versuchun
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gen. Bey der Eva ließ er sich nicht als ein Feind / sondern als ein Freund herauß; wolte jhr einen guten Rath geben / daß sie wie GOtt würde. Also macht er noch alle Anfechtung leicht vnd süß / (Joh. 8, 44.) vnd ist doch vnser abgesagter Feind / ein Lügner vnd Mörder von Anfang / wie jhn Christus nennet / Johannis am 8. Cap. Sein Vorhaben ist / daß er vns verschlinge / wie ein Hecht einen geringen Fisch auffschluckt. Er begehrts an Leib vnd Seel mit vns gar außzumachen / daß nichts heils überbleibe; erstlich leiblicher weise / durch grewliche Tyranney / Verfolgung / Blutvergiessen / vnd mancherley Noth; hernach geistlicher weise / in dem er vns von GOtt vnserm Heyl abweiset. Einem Fisch ist nicht besser / als wann er frey im Wasser gehet / wo jhn aber der Wallfisch verschlinget / das ist sein Verderben / also ist der Scelen nicht besser / als in Gott / wird sie aber von GOtt gezogen zum Satan / so ist sie verschlungen zu jhrem Verderben. Es wird vns vnser Widersacher auch fürgemahlet als ein brüllender Löwe; Er ist ein starcker Feind / vnd ein grimmiger Feind / wie ein Löw der ergrimmet ist / vnd in seinem bittern Grimm erschrecklich brüllet. Also wird er vns auch beschrieben in (Apoc. 12, 12) der Offenbarung Johannis am 12. Cap. Wehe denen die auff Erden wohnen / denn der Teuffel kompt zu euch hinab / vnd hat einen grossen Zorn. Letzlich wird vns hie der Satan beschrieben / als ein vmbstreichender listiger Feind. Er gehet herumb / vnd suchet wie er vns verschlinge. Er ist ein außbündiger Methodicus, vnd brauchet heimliche geschwinde Schliche. Wann er die Evam will zu Fall vnd vnter seine Gewalt bringen / spricht er nicht alsfort: GOtt hat nicht gesaget / jhr sollt von diesem Baum nicht essen; oder GOtt will euch nur betriegen / vnd mißgönnet euch die Hoheit / die jhr durch Geniessung dieser Früchte haben könnet: sondern er fanget einen Discurß an; ob der Mensch nicht möge
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von allerley Früchten deß Paradieses essen; rühmet die Früchte deß verbottenen Baums / vnd erwecket den Appetit / vnd verhütet / daß das arme Weib nicht drauff achte / daß es wider Gottes Gebot ist. Eben also gehet er die Seelen noch heute an / durch heimliche Räncke. Erstlich bildet er vns eine Lust ein / hernach zeiget er das Mittel / zu erlangen vnser begehren / vnd das ist eine Sünde. Die Lust vnd Begierde macht er groß / vnd die Sünde macht er gering; also stürtzet er vns in Sünd vnd Todt / ehe wir es vermeynen. Es hat gewiß ein wolgeübter Christ viel zu thun / ehe er die Schliche deß Teuffels lernet mercken. Nun betrachten doch die Sünder vnd Gottlose / mit wem sie es halten. GOtt machen sie jhnen zum Feind / vnd den Feind machen sie jhnen zum Freund / haben aber an jhm einen gantz vntrewen Freund / der nichts anders suchet / als daß er vns verschlinge. Zu dem gesellet jhr euch / vnd mit dem wandert jhr herumb. Betrachtet auch / jhr Frommen / in was Gefahr jhr in der Welt schwebet. Ihr gehet in einer Wüsten voller brüllender Löwen. Er ist nicht weit von vns / er wandelt vns nahe an der Seiten / spatziret auch mit zur Kirchen / lauret auff vns / wann wir beten / allenthalben sucht er vns zu beschädigen / vnd zu verderben an Leib vnd Seel. Er erweckt Krieg / Raub / allerley Schaden vnd Vnfall. Vor allen sucht er vns in Sünde zu stürtzen / denn durch Sünde kriegt er Macht / da wird Holtz vnd Stroh zu allerley Vnglück zugetragen; vnd eben in der Stunde / da er vns in willige Sünde stürtzet / ohne rechtschaffene Hertzens Rew vnd Beküm̅ernüß / da hat er vns verschlungen. Merckt auff jhr Sünder; wenn vnser Widersacher herumb gehet / vnd suchet / wie er vns in Sünde stürtzet; so heissts / er sucht wie er euch verschlinge. Betrachtet / wohin jhr fallet / wann jhr in Sünde fallet; nemblich / in den Schlund deß Satans. Sehe nun auch zum andern / was der H. Geist vns hie für einen(2. Solatium in certamine.) Trost fürhält / wider die grosse Gewalt vnd mancherley Versuchungen deß Satans. Wisset / daß eben dieselbige Ley
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den(V. 9.) an ewer Brüderschafft / die in der Welt ist / vollendet werden. Die Brüderschafft ist die Christliche Kirche. An derselben müssen wir ein Exempel deß Leydens nehmen; alle die in dieser Brüderschafft seyn / haben müssen jhr Creutz Christo nachtragen; so sollen wir nicht begehren was sonders zu seyn. Wollen wir mit vnter der Brüderschafft seyn / müssen wir vns jhr Glück gefallen lassen. Wir haben aber hie nicht ein blosses Exempel / sondern werden weiter geführet / in dem die gantze Christliche Kirche vns fürgestellet wird / als ein Leib / dessen Haupt Christus ist. Diesem Leib ist eine gewisse maß Leydens bestimmet vnd abgemessen / vnd muß ein jeglicher das seine tragen. Da misset GOtt auß einem jeglichen sein theil / vom Anfang der Welt / biß zum Ende / da nichts mehr über ist. Wie nun an einem jeglichen / der vor vns in dieser Brüderschafft gelebet / sein bestimbtes Leyden hat müssen erfüllet werden / also soll es vns auch lieb seyn / daß bey vns ein Creutz nach dem andern überwunden werde. Auff solche weise (Coloss. 1, 24) redet Paulus zun Colossern am 1. Cap. Ich frewe mich in meinem Leyden / das ich für euch leide / vnd erstatte an meinem Fleisch / was noch mangelt an Trübsalen in Christo / für seinen Leib / welcher ist die Gemeine. Die Meynung ist: Ich Paulus / gehöre mit zu der Brüderschafft Christi / vnd bin darin ein Diener / nach dem göttlichen Predigampt / drumb muß ich viel leiden / der Gemeine zu gut / nun aber frewe ich mich über meinem Leyden / alldieweil ich dadurch erstatte / alles was mir noch mangelt an meiner zugeordneten Last / die ich in dieser Brüderschafft tragen soll. Also erfrewe sich ein jeglicher / wann ein Trübsal kompt / dieweil wir wissen / daß damit eine Last nach der andern abgelegt wird / biß wir endlich zur ewigen Ruhe kommen. Das Maß / der Brüderschafft Christi zugeordnet / ist noch nicht gantz außgelediget / darumb muß täglich gelitten seyn / biß daß alles Leyden erfüllet werde. Wann die Seelen der Creutz
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träger in der Offenbarung Johannis am 6. Capitel schreyen: HERR / du Heiliger vnd Warhafftiger / wie lange(Apoc. 6, 10.) richtestu / vnd rächest nicht vnser Blut an denen / die auff Erden wohnen; wird zu jhnen gesagt / daß sie ruheten noch eine kleine Zeit / biß daß vollend dazu kämen jhre Mitknecht vnd Brüder / die auch solten noch ertödtet werden / gleich wie sie. Wie aber GOtt vnserer Brüderschafft jhr gewiß abgemessenes Leyden in der Welt hat abgemessen / vnd zugeschickt / also hat er auch helffen tragen vnd überwinden; vnd wir hoffen auch / in dem an vns erfüllet wird / was noch mangelt an vnserm Leyden / es werde GOTT helffen tragen vnd überwinden. Drumb laß den Löwen brüllen / wir seynd vnter Gottes Schutz / der noch Meister ist. Wie sollen wir aber / fürs dritte / in vnser Noth vns verhalten(3. Modum certandi.) / daß wir nicht verschlungen werden? Seyd nüchtern / vnd wachet / vnd widerstehet ewrem Widersacher fest im Glauben. In einem Kriegsheer / wann der Feind nahe ist / muß man nüchtern seyn / vnd wachen / sonst reichet man dem Feind das Schwerdt in die Hand / vns zu schlagen vnd zu würgen. Das heisst aber wachen / wann man allezeit sich fürsihet / daß nichts von vns zugegeben werde / dadurch der Feind vns könne Schaden zufügen. Wir müssen dem Widersacher widerstehen; wann er durch sein listiges eingeben vns zur Sünde reitzet / soll man das Widerspiel thun. Im Anfang muß es den Schein nicht haben / als wanns übel soll außlauffen; erlangt aber der Satan ein Finger breit / begehret er stracks einer Hand breit. Drumb so bald einer merckt / daß es auff eine Sünde angeleget sey; soll er dem Anfang widerstehen / vnd nicht gedencken; diß will ich nur thun / aber weiter soll es nicht kommen. Thue du im anfang alsbald das Widerspiel / sonst wirds dir nur jmmer schwerer fallen zu widerstehen. Widerstehet aber im Glauben. Der Glaube muß das beste
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thun / denn es ist keine Versuchung / es laufft Sünde mit vnter / vnd die böse Natur reget sich; wenn ein Christ das merckt / muß er nicht allein widerstehen; sondern auch hertzlich seufftzen: Ach / ich elender Mensch / Ach HERR / sey gnädig. Durch den Glauben müssen wir von Gott bitten / daß er vergebe vnd helffe. (Occupatio de perseverantiae incertitudine V. 10.) So du aber noch kleinmütig bist / vnd gedenckest an die Schwachheit der Natur / wie leicht es mit dir geschehen sey / so kompt dir der Apostel Petrus zu hülffe / mit dieser Antwort: Der GOtt aller Gnad / der vns beruffen hat zu seiner ewigen Herrligkeit / in Christo JEsu / derselbige wird euch / die jhr eine kleine Zeit leidet / vollbereiten / stärcken / kräfftigen / gründen. Es sihet der heilige Petrus auff zweyerley / erstlich / daß wir die Versuchung gern vnd gedultig ertragen; hernach / daß wir einen guten Muth haben. Damit wir willig vnd gedültig die Versuchung ertragen / hält er vns für / die kürtze vnsers Leydens / vnd die Ewigkeit der künfftigen Herrligkeit; Wir leiden hie eine kleine Zeit; vnd seynd beruffen zur ewigen Herrligkeit Gottes. Der GOtt aller Gnad hat vns / die wir hie eine kleine Zeit leiden / beruffen zu seiner ewigen Herrligkeit. Da hüte sich ein jeder / daß in der Versuchung vnd Leyden / die nicht lang wehren / er nicht matt vnd über wunden werde / vnd die ewige Krone verliere. Gedenck in deinen Versuchungen: Diß wird nur eine kleine Zeit wehren / sey nur stille / vnd halte auß / daß du nicht abweichest von GOtt / es wird auff diesen Streit folgen eine Herrligkeit bey GOtt / die nicht geendiget wird. Damit wir aber auch ferner einen guten Muth haben / vnd nicht über vnser Vnvermögen verzagen / weiset vns Petrus auff Gottes Stärck / der wird vns vollbereiten / stärcken / kräfftigen / gründen. Ein Zimmermann / wann er ein daurhafftiges Hauß bawen will / muß er alle Stücke wol zusam
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men setzen / mit Seulen vnd Bändern stärcken vnd bekräfftigen / vnd auff einen guten Grund setzen / daß es nicht leicht sincke / oder vom Sturmwinde eingerissen werde. Vnser HErr Christus ist eines Zimmer manns Sohn / anzuzeigen / daß sein Ampt vnd Beruff sey zimmern / vnd eine Kirche zu bawen / vnd das Reich Gottes in vnsern Hertzen auff zurichten; wie er in der gantzen Kirchen die Glieder durch seinen Geist mit einander verbindet / also bereitet er auch in allen seinen Gliedern allgemählich alles zu / was zum Christenthumb gehöret / setzet ein Stück ans ander / vnd richtet das Reich Gottes in vns völlig zu; vnd was er zusammen gesetzet / das befestiget er; vnd was er befestiget / das erhält er kräfftig vnd starck; vnd gibt einen guten Grund / darauff wir sicher vnd fest stehen können. Mit wenigem / der das gute Werck der Seligkeit in vns angefangen / der wird durch seine Krafft es vollführen / so wir jhn nur nicht in seinem Werck verhindern. Der Grund dieser Hoffnung ist / daß GOtt ist ein GOtt aller Gnaden / der vns schon beruffen hat zu seiner ewigen Herrligkeit / in Christo JEsu. Wir haben von GOtt nichts / als lauter Gnade zu erwarten; Gnade hat er bewiesen / da er seinen Sohn geschenckt; Gnade hat er bewiesen / wenn er durch seinen Sohn vns erworben seine ewige Herrligkeit; Gnad ists / wenn er durch seinen Geist zu solcher Herrligkeit vns beruffet. So wird auch die Gnade nicht außbleiben / daß er vns erhalte bey der Herrligkeit / zu welcher er vns beruffen hat / an jhm solls nicht mangeln. Werden wir auffhören zu wachen / so ist die Schuld vnser. Wie GOtt Nahrung verheissen / aber denen die arbeiten; also hat er Beständigkeit im Glauben zugesagt / aber denen die da wachen. Das müssen wir mercken / wollen wir vnserer Hoffnung gewiß seyn. Weil aber alles von GOtt kompt / müssen wir auch alles GOTT zueignen / vnd Ihm in allem das Lob geben mit Petro: Ihm sey Ehr vnd Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit.(V. 11.)
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Damit ist nun ein guter Rath gegeben denen / die durchs Jammerthal wandern müssen. Denn es kan jhnen nicht besser gerathen werden / als daß sie demütig seyn / alle Sorg auff GOtt werffen / vnd vor allem sich fürsehen / daß sie von jhrem Widersacher dem Satan nicht verschlungen / vnd vmb der Seelen Seligkeit gebracht werden. (Usus In aerumnis Christianae vitae 1. Consolatorius. 2. Sam. 11, 11.) Ein Christ muß hie viel leiden. Vnd das soll er willig vnd gerne leiden / damit er nicht begehr was sonders zu seyn. Denn also haben müssen leiden alle / die vor vns zum Himmel gereiset seyn. Vrias war so redlich / daß er nicht wolte in sein Hauß gehen / vnd der Wollust pflegen / da das Volck Gottes zu Felde vorm Feind lag. Die gantze Brüderschafft Christi ligt im Streit / so lang sie auff Erden ist / vnd wir allein wolten nur lauter Ruhe haben? Das mag nicht seyn / vnd stehet vns auch nicht wol an. Vnser Leyden gehöret mit zum Leyden deß Lebens Christi / deß solten wir froh seyn. Der GOtt / der andern außgeholffen / vnd noch täglich vielen hilfft / der wird vns auch helffen / daß wir überwinden. In allen vnserm Leyden soll insonderheit das ein grosser Trost vns seyn / daß das beste / der Seelen Herrligkeit / vns wol soll verwahret bleiben. Denn GOtt / der vns beruffen hat zu seiner ewigen Herrligkeit / ist ein GOtt der Gnaden / darumb will er nicht allein vns beruffen / sondern auch stärcken vnd erhalten. Denn gleich wie vnmüglich ist / daß Fewr nicht solte brennen / wann es für sich findet dürr Holtz oder Stroh; so ists auch vnmüglich / wann die demütige Seele zu Gottes Gnaden fliehet / daß Gottes Gnad sie nicht solt stärcken vnd erhalten. (2. Informatorius.) Aber was gehöret hiezu? Es ist schon mit einem Worte gesagt. Nemblich / daß die demütige Seele zu Gottes Gnaden fliehe. Das begreifft alles in sich / was Petrus hie stückweiß gelehret hat. Solches kürtzlich zu wiederholen. Ist 1. der glaubigen Seelen in diesem Jammerthal sehr nützlich / demütig seyn / das stehet jhr bey
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diesem elenden Leben sehr wol an / denn was ist billiger / als daß wir die Pfawenfedern sincken lassen / wann wir der gallstrigen Füsse ansichtig werden; wie im gegentheil sich gar nicht wol reimet / wann man bey diesem jämmerlichen gefährlichen Leben noch will stoltz seyn / vnd durch Ehrgeitz sich erheben. So ists auch / wie gesaget / nützlich. Denn Gott sihet das niedrige an / den Demütigen gibt er Gnade / vnd erhöhet sie zu seiner Zeit. Was ist doch ein Mensch ausser der Gnade Gottes? Hätte er auch alles in der Welt überflüssig / wäre er doch ein elender Mensch. Was aber kan vns schaden / wann wir Gottes Gnade haben. Hätte ich bey Gottes Gnade nur einen gesunden Finger / vnd ein bißlein Brodts / solte mirs viel lieber seyn / als wann ein ander hat einen gantz frischen vnd gesunden Leib / vnd alles vollauff / aber ohn Gottes Gnade. Vmb Gottes Liebe vnd Hulde willen soll mir alles lieb seyn; aber so ich Gottes Hulde nicht habe / was solte mich erfrewen? Nun aber hat GOtt seine Hulde vnd Gnade verheissen den Demütigen. In göttlichen Verheissungen ist nicht auß der acht zu lassen / weme dieses oder jenes zugesaget. Als wann GOtt spricht: Ich will erhören vnd helffen; so gehet solch Versprechen nicht jederman an / sondern denen die anruffen / vnd zwar die den Namen Gottes anruffen / vnd keinen andern. Also hat GOtt verheissen; Ich will Gnade erzeigen. Aber wem? Den Demütigen. Den Demütigen gibt er Gnade. Eben denselben Demütigen ist auch zugesaget die Erhöhung. Demütiget euch vnter die gewaltige Hand Gottes / so wird er euch erhöhen zu seiner Zeit. Sic itur ad astra! So muß man gen Himmel fliehen! nicht Berg an / sondern Berg ab. Es ist die demütige Seele bereits hoch in GOTT erhaben. Denn ist das nicht eine grosse Ehre / vnd grosse Hoheit / wann der Engel zu dem lieben Daniel sagt: Du werther Mann / du bist lieb vnd werth bey GOtt. Wann mich die gantze Welt lobet / vnd ich bilde mir aber ein / sie lästere mich / was hilfft mich jhr
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loben? Vnd so mich alle Welt lästert / vnd ich bilde mir ein / sie lobe mich / was bekümmerts mich? Also ist Hoheit bey Menschen nichts anders als ein Einbilden. Aber bey GOtt geehret seyn / ist kein bloß Einbilden / sondern es ist mehr dahinden. So ist nun die demütige Seele bereit hoch gnug bey GOtt vnd in GOtt erhaben. Doch muß sie noch mehr erhaben werden / daß sie jhrer Hoheit sichtbarlich geniesse; denn sie soll nicht allein einmahl von jhrem Jammer erfrewet / sondern auch erhöhet werden / vnd für alles Leyden gnug getröstet werden. Seyd getrost / jhr Demütigen / GOtt wird euch erhöhen zu seiner Zeit. Es gehe vns wie GOtt will / so müssen wir doch erhöhet werden. Die Zeit ist schon bestimmet / vnd Gott weiß dieselbige wol. Aber wehe / jhr Hochtrabende / wie macht jhr euch ewren Jammer so schwer. Ihr lebet doch auff Erden nicht ohn Vngemach / es wird euch nimmer alles gantz vnd gar nach ewrem Kopff gehen. Es (Psal. 90, 11.) bleibt wahr von aller Menschen Leben: Wanns köstlich gewesen ist / so ists Mühe vn̅ Arbeit gewesen. Wie macht jhr euch aber diß elende Leben noch so viel beschwerlicher / mit ewrem Hochmuth? Denn den Hochmüthigen widerstrebet Gott. Ihr Hochfahrende / wann jhr zum schleunigsten über euch fahret / stosset jhr den Kopff. Denn Gott widerstehet ewrem beginnen. Was ist ein Mensch / wann er Gott nicht auff seiner Seiten hat? Aber vielmehr was ist er / wan̅ er Gott zum Widersacher hat? Gott widerstrebet den Hochmütigen. O jhr Hochmütige / wie seyd jhr so elende Creaturen? Wie ists müglich / wann jhr diß höret vnd bedenckts / daß jhr noch ferner könnet hochmüthig seyn? Bedenckts doch / jhr elende Creaturen. Gott / von welchem alle Hülffe kompt an Leib vnd Seel / den macht jhr euch zum Feinde / denn Gott widerstrebet den Hochmütigen. Den Teuffel / der vnser Widersacher vnd Feind ist / den nehmet jhr an zum Gefehrten. Denn der Satan ist ein Vatter der Hochmut / der von Anfang auß Hoch mut
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sich Gott widersetzet hat. Wer nun hochmütig ist / der folget dem Satan. Das ist nun eben / als wann ein Schaaf sich von seinem getrewen Hirten reisset / vnd laufft zu einem hungrigen Wolffe. Ja es ist noch mehr / den̅ ein Hochmütiger laufft nicht allein von Gott ab / vnd hälts mit dem / der herumb gehet wie ein brüllender Löwe / vnd suchet vns zu verschlingen; sondern er machts auch / daß Gott sich jhm widersetzet / den Hochmütigen widerstrebet Gott. Darumb / gleich wie zu Krieges zeiten einem der überwunden ist / oder der leicht von einem mächtigen Herrn kan überwunde̅ werden / nichts bessers kan gerathen werden / als daß er sich demütige / vnd Gnade suche; also auch vns / die wir mit einem grossen vnd erhabenen Gott zu thun haben / kan nicht besser gerathen werden / als daß wir vns demütigen / denn als denn schonet er / vnd will vns nicht widerstreben / sondern in Gnaden zu hülffe kommen / vnd erhöhen. Sehen wir aber einen stoltzen Menschen / der vns oder einen andern veracht oder vnterdruckt; so gedencke daran / wie GOtt / der im Himmel sitzet / seiner spottet / vnd jhm zu wider stehe. Liebet den(Psal. 31, 24.) HERRN alle seine Heiligen / die Glaubigen behütet der HERR / vnd vergilt reichlich dem / der Hochmuth übet / wie David singet im 31. Psalm. Wie es nun wol stehet vnd nützlich ist in diesem Jammerthal / demütig seyn / also ists auch sehr nötig / alle Sorge wissen auff GOtt zu werffen. Ists nicht besser / ohne Sorge seyn / als sich mit Sorgen quälen / wenn wir nur wissen / daß GOtt für vns sorget? Nun aber sorget er für vns. Seynd wir in Noth / so weiß ers wol / vnd weiß auch wol / wie er vns soll außhelffen / darumb ist er vnser Gott / darumb heisst er auch vnser Vatter. So werffet nun ewre Sorge auff den HERRN / jhr beängstigte Seelen. Gedencke daran / daß du mit alle deinem Vnglück ligest in der Hand deß HErrn / die alles begreifft / vnd alles regieret. Dein Vnglück kan er wenden / es steht in seinen Händen. Er wills auch thun / weil er ist dein Gott vnd dein Vatter.
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Die Heiligen werden auch offt von Sorgen überwunden. Ein jeder weiß was jhn druckt. Wann wir dann vor Augen sehen / wie vnsere Sache nicht will fortgehen / hie vnd dort werden wir verlassen / hie vnd dort werden wir verhindert; vnd werden auch geängstiget bald hie / bald dort. Da wünschen wir vns offt den Todt / vnd nehmen vns auch wol für / mit zu viele vnd vnzeitiger Mühe vnd Arbeit das Leben abzubrechen / daß wir nur davon kommen. Aber das taug nicht. Wir sollen vns vnter die mächtige Hand demütigen / vns derselben vntergeben / vnd der Gnade Gottes vertrawen. O wie wol wissen wirs / vnd wie schwerlich thun wirs! Das ist vnsere Schwachheit. Doch bedencke dich darin / vnd sehe zu / was du thust oder fürnimbst. Vbergibstu dich den Sorgen vnd Zagen / so plagstu dich. Trittstu für GOtt / mit demütigem Gebet: Ach mein Vatter / ich bin nicht werth der geringsten Barmhertzigkeit / doch weiß ich / du bist mein GOtt vnd mein Vatter / du wollest mich nicht ewiglich in Vnruhe lassen: das bringet dir Lufft zum Hertzen. Letzlich nehmet ewre Seele wol in acht / daß jhr dem Satan keine Gelegenheit lasset / euch von ewerer Seligkeit zu stürtzen. Diß ist das einige / das allermeist vns soll angelegen seyn. Es wiederfahre vns was jmmer kan / so wir nur das davon bringen / daran vns zum meisten gelegen / nemblich der Seelen Seligkeit / haben wir nicht zu klagen. Darumb seyd nüchtern vnd wachet / vnd im Glauben widerstehet dem Widersacher / daß jhr seinem beginnen nicht raum gebet. Wachet / sage ich / denn der Feind ist mächtig vnd geschwinde / vnd versäumet keine Gelegenheit euch zu verschlingen. Doch durch die mächtige Hand Gottes hoffen wir zu überwinden. Ach GOtt / du Vatter Jesu Christi / du Gott aller Gnaden / der du vns beruffen hast zu deiner ewigen Herrligkeit / in Christo Jesu / du wollest vns / die wir eine kleine Zeit leiden / vollbereiten / stärcken / kräfftigen / gründen; Dir sey Ehr vnd Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen.
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Am IV. Sontage nach Trinitatis.
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Von dem Seufftzen der Creaturen vnd aller Heiligen / nach der Erfreyung der Kinder Gottes.
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TEXTVS Rom. 8. V. 18. usque V. 24.
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V. 18. LIeben Brüder / Ich halte es dafür / daß dieser Zeit Leyden der Herrligkeit nicht werth sey / die an vns soll offenbaret werden. V. 19. Dann das ängstliche harren der Creatur / wartet auff die Offenbarung der Kinder Gottes. V. 20. Sintemal die Creatur vnterworffen ist der Eitelkeit / ohn jhren Willen / sondern vmb deß willen / der sie vnterworffen hat auff Hoffnung. V. 21. Dann auch die Creatur frey werden wird / von dem Dienst deß vergänglichen Wesens / zu der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes. V. 22. Dann wir wissen / daß alle Creatur sehnet sich mit vns / vnd ängstet sich noch jmmerdar. V. 23. Nicht allein aber sie / sondern auch wir selbs / die wir haben deß Geistes Erstlinge / sehnen vns auch
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bey vns selbs nach der Kindschafft / vnd warten auff vnsers Leibes Erlösung.

Geliebte in Christo Jesu.
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(Exord. Pati, pars est Christianismi necessaria. Rom. 8, 1. 2.) WAnn ein armer Sünder durch den Glauben Jesu Christi für GOTT gerecht gesprochen ist / hat er diesen Ruhm / daß nichtes verdamliches an jhme ist / doch mit diesem Anhang / so er nicht nach dem Fleische / sondern nach dem Geiste lebet. Ferner / wann er nach dem Geiste Jesu Christi lebet / so ist er warhafftig ein Kind vnd Erbe Gottes / vnd ein Miterbe Christi / das bezeuget der Geist der Kindschafft / doch abermal (V. 17.) mit dem Anhang / So jhr mit leidet / Rom. 8. Ist also Gedult vnd Leyden ein nötiges Stück deß Christenthumbs. Wann der Apostel saget: Wer ein Miterbe Christi seyn will / vnd mit jhm will zur Herrligkeit erhaben werden / der muß mit leiden / das spricht er im selbigen Capitel (V. 24.) hernach mit solchen Worten auß: Wir seynd wol selig / doch in der Hoffnung / die Hoffnung aber / die man sihet / ist nicht Hoffnung / so wir aber deß hoffen / das wir nicht sehen / so warten wir sein durch Gedult. Daß er spricht: Wir seynd Miterben Christi / ist eben das / wenn er saget: Wir seynd wol selig / doch in der Hoffnung. Wann er spricht: Wir müssen mit leiden / ist eben das / wenn er saget; Wir warten sein mit Gedult. Die fürgesetzte Seligkeit ist Frewd ohne Leyd / Heiligkeit ohne Sünde / ewige Frewde ohne alle Vnruhe. Das will sich in diesem Leben nicht finden / das ist denn vnser Leyden. So feyret der Satan auch nicht / Wer Christi Freund ist / der ist deß Teuffels Feind / darumb wie derselbige Christum geplaget / so schonet
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der auch vnser nicht / vnd stünde nicht GOtt dawider / er liesse vns nicht auff eine Stunde Ruhe / Gesundheit / vnd alle Seligkeit. Hie muß ein Christe können Gedult üben. Falsche Christen suchen nur an Christo / was jhnen wol vnd sanffte thut / wahre Christen schewen sich nicht / vmb Christi willen etwas zu leiden. Leiden wir doch nicht alleine / sondern leiden mit Christo / wie alle Heiligen vor vns mit Christo haben leiden müssen. Frage alle von Adam her / so wird ein jeglicher seine Plage bekennen. Wollen wir mit Christo Brüder seyn / so müssen wir auch mit jhme gleiche Kappen tragen / wie wir seinen Namen führen / vnd nach Christo Christen heissen / so müssen wir auch führen sein Mahlzeichen an vnserm Leibe / sein Creutze / dorne Kron / vnd Geissel / das ist das Feldzeichen / darnach der HERR fragen wird an jenem Tage / wo ist mein Creutz / meine dorne Kron vnd Geissel? Wer das nicht zeigen kan / dem wird die Kron der Herrligkeit auch nicht wol anstehen. Darumb gedencke / Leyden sey deines Erbes ein Stück / wilstu Christi Miterbe seyn / so mustu auch sein Mitmärtyrer seyn / denn auch nicht Christus ehe zur Herrligkeit erhaben wird / er muß zuvor leiden. Damit wir aber bey solchem Leyden nicht überdrüssig(In passionibus erigimur spe futurae gloriae.) werden / hält vns die Schrifft für den seligen Stand der Außerwehlten / der künfftig auff gegenwärtige Trübsal folgen wird / wie dann auch thut in gegenwärtiger Lection der Apostel Paulus. Damit es vns nicht verdrießlich werde / mit Christo viel leiden vnd außstehen / setzet er dagegen die künfftige Herrligkeit. Denn wir halten dafür / daß dieser Zeit Leyden nicht werth ist der Herrligkeit / die an vns soll offenbar werden. Setzen wir diese Herrligkeit gegen vnser Leyden / wird vns der Kauff nicht gerewen / Dasselbige bekräfftiget der Geist Gottes / mit dem Exempel der Creaturen vnd aller Heiligen / die alle viele Leyden vnd Mitgedult ertragen / in der Hoffnung der zukünfftigen Erlösung / damit zugleich bezeuget wird / daß warhafftig eine Erfreyung zu ge
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warten sey / darauff mit allen Creaturen alle Heiligen so ängstiglich (Thema.) warten. Darumb können wir das Seufftzen der Creaturen vnd der Heiligen allhie Christlich bedencken / theils als ein Exempel der Gedult / theils als ein warhafftiges Zeugnüß / der künfftigen Erfreyung vnd Herrligkeit der Kinder Gottes / auff daß wir in Gedult gewisse Hoffnung haben. GOtt gebe Verstand vnd Weißheit / solches nützlich vnd seliglich zu behertzigen / Amen. (I. Patientis expectationis argumentum, à preciositate futurae gloriae.) IN allen Händeln sihet man viel auff Gewinst vnd Verlust / verkauffet jemand etwas / so sihet er zu / daß er auch den werth dafür bekomme. Arbeitet jemand / so sihet er darauff / daß jhm seine Arbeit gelohnet werde. Ein Thor wäre es / der vmb geringe Ehre grosse Mühe auff sich laden würde. Ein Christ hat auch zu bedencken / wenn er bey seinem Christenthumb viel leiden soll / ob jhm auch seine Mühe belohnet werde / (V. 18.) da spricht der Apostel: Ich halte es dafür / daß dieser Zeit Leyden nicht werth sey der Herrligkeit / die an vns soll offenbaret werden. Damit bezeuget er / daß Christen bey jhrem Leyden nicht allein eine Veränderung hoffen können / sondern auch / daß sie dieselbe hoffen können mit grossem Gewinst / ist schon das Leyden groß / so ist es doch nimmermehr der Würde / daß es etwas möchte geachtet werden gegen der Herrligkeit / die darauff folget. Halte hiegegen / was derselbe Apostel spricht in der andern (2. Cor. 4, 17.) an die Corinth. am 4. Cap. Vnser Trübsal / die zeitlich vnd leicht ist / schaffet eine ewige vnd über alle maß wichtige Herrligkeit. So halte nun die Seligkeit gegen dein Leyden / wie du wilt / es wird keine Vergleichung seyn / wiltu es messen / so ist das Leyden zu kurtz / wiltu es wägen / so ist es zu leicht. Wann dein Trübsal so groß wäre / als alle Menschen von Anfang getragen
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haben / so wäre es doch zu leicht / so mans würde auff die Wage legen / gegen der zukünfftigen Herrligkeit. Das Leyden / wie lang es auch wehret / ist doch nur zeitlich / die Frewde aber ist ewig. Wie nun eine Feder nicht kan gerechnet werden gegen einem Centner / ein Sandkörnlein gegen einem grossen Berg / ein Tröpflein gegen dem grossen Meer / also auch gilt kein Leyden gegen die künfftige Seligkeit / ja jenes gilt noch etwas / denn das Meer ist nicht vnendlich / vnd wie es bestehet auß vielen Tröpflein / also wächset es auch durch viele Tröpflein / aber vnsere Herrligkeit / die wir hoffen / ist vnendlich allezeit / da ist die vnmäßliche Fülle aller Güter / vnd erstrecket sich biß in die vnendliche Seligkeit. Denn es wird da erfüllet / was Christus seinen Glaubigen zusaget: Ihr habet nun zwar Trawrigkeit / aber ich will euch(Joh. 16, 22.) wieder sehen / vnd ewer Hertz soll sich frewen / vnd ewer Frewde soll niemand von euch nehmen. Also weiß Paulus der Christen Trübsal anzusehen / wann er saget: Wir haltens dafür / daß dieser Zeit Leyden nicht werth sey der Herrligkeit / die an vns soll offenbaret werden. Solchen Sinn sollen wir auch haben / denn gleich wie in der that vnser Leyden der künfftigen Herrligkeit vnwerth ist / also sollen wir es auch für vnwerth halten / vnd sagen / Ich halte diß mein Leyden viel zu gering gegen der Herrligkeit / die darunter verborgen ist / denn es ist der Christen Trübsal gleichsam eine heßliche Larve / darunter ein schön Bild verborgen ist / Da spricht die glaubige Seele / nur her / du erschreckest mich nicht / ich kenne dich wol. Vnd in solcher Betrachtung übergeben wir vns dem Leyden deste williger / da es sonst der Natur was hart würde für kommen. Nun folget das Exempel der Creaturen vnd der Heiligen /(II. Patientis expectationis duplex exemplum.) die mit Gedult jhr Creutze tragen / in Hoffnung der endlichen Erlösung / darnach sie auch seufftzen vnd sehnen. Welches denn nicht allein zum Exempel der Gedult vnd Hoffnung vns für gestellet ist / sondern auch zu einem gewissen Gezeugnüß. Es zeuget ja GOtt
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in seinem Wort vnd Verheissung / gnugsamb von dem künfftigen Lohn der Kinder Gottes / doch stehen auch auff Gottes Seiten alle Creaturen vnd alle Heiligen / vnd helffen mit zeugen von der künfftigen Erlösung / damit daß sie sich darnach sehnen vnd seufftzen / denn gleich wie in den Creaturen die Natur solches Verlangen nicht vergeblich erwecket hat / eben so wircket der Heilige Geist gleichmässiges Verlangen nicht vergeblich in den Heiligen. (1. In creaturis ubi exponitur 1. Creaturarum expectatio.) Die vnvernünfftige Creaturen werden vom Geiste Gottes vns fürgestellet / vnter der Figur einer vernünfftigen Creatur / Denn das ängstige harren der Creatur / spricht Paulus / wartet auff die Offenbarung der Kinder GOttes. Durch die Creaturen verstehe Himmel vnd Sterne / alle Elementen (V. 19.) / Laub vnd Graß / alles sichtbare Geschöpff Gottes / dieselbe allesampt werden abgemahlet / als eine grosse menge Volcks / die mit auffgerecktem Halse / vnd vmbschwebenden Augen auff den Eintritt eines hohen Herrn auffwarten. Dasselbe aber / darauff die Creaturen warten / heisset die Offenbarung der Kinder Gottes / denn wir wissen hie selbsten noch nicht / was wir seyn / man sihet es vns hie nicht an / daß wir hochgechrte Kinder Gottes seyn / die Herrligkeit der Christen ist allhie vnter dem Creutze / als einer Larven verborgen / sie wird aber einmal hervor gezogen werden / darauff denn auch mit vnaußsprechlichem Verlangen warten alle Creaturen. (2. Expectationis causa Liberatio à servitute vanitatis.) Fragen wir nach der Vrsache / so offenbarets vns der Geist Gottes / Sintemal die Creatur vnterworffen ist der Eitelkeit / ohn jhren Willen / sondern vmb deß willen / (V. 20. 21.) der sie vnterworffen hat auff Hoffnung / denn auch die Creatur frey werden wird / von dem vergänglichen Wesen / zu der Herrligkeit der Kinder Gottes. Damit
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ist vns die wahre Vrsach deß ängstlichen harrens der Creatur offenbaret / nemblich die gegenwärtige Dienstbarkeit / vnd die künfftige Erlösung. Die Creaturen wie sie rein seyn / also begehren sie auch(Creaturae serviunt vanitati.) Gotte einen reinen Dienst zu thun / wollen alleine GOtt dienen / den heiligen vnd frommen Menschen / die GOtt dafür dancken. So befindet sich das Gegentheil / die Kinder Gottes haben den geringsten theil an den Creaturen / wenn die Sonne einen frommen Menschen bescheinet / muß sie hergegen wol tausent Gottlosen dienen mit jhrem schönesten vnd reinesten Dienste / denselben leuchten zu jhrem gottlosen Leben / wie sie erfähret / also kan sie auch erzehlen / wie alle Welt dem Teuffel gedienet / gleichermassen müssen alle andere Creaturen den meisten vnd besten Dienst leisten den Feinden deß Schöpffers / zur Schmach jhres HERRN / die GOtt für solchen Dienst nicht dancken / sondern vielmehr dafür lästern vnd schänden / vnd sein Wort muthwillig verachten. Das ist die Eitelkeit / deren die Creatur vnterworffen ist. An solchem Dienst hat die Creatur keinen gefallen / sie thut(Invitae.) es ohne jhren Willen. Wie es ist wider die Natur eines Steines / daß er in der Lufft schwebe / es sey dann / daß er mit Ketten angebunden werde / also ist es auch wider die Natur aller Creaturen / daß sie wider GOttes Ehre der Eitelkeit dienen muß / denn sie seyn geschaffen zu Gottes Preiß / darumb lassen sie sich auch gerne brauchen zu Dienst derselben / die GOtt ehren / wann sie aber von Natur empfinden / daß sie von den Feinden Gottes zur Schmach jhres Schöpffers gebrauchet werden / so sind sie widerspenstig / dann man soll wissen / daß in der Natur eine heimliche Erkäntnüß ist / welche nicht von der Vernunfft herkommet / sondern von der blossen Natur / daher ist eine jegliche Seele geschickt / in jhrem Saamen jhr einen solchen Leib zu bereiten / mit Figur vnd Farben / wie es einem jeglichen Geschöpff nach seiner Art ge
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bühret. Es wissen die Thiere / vnd pflantzen / was jhrer Natur angenehm vnd widerwärtig ist / daher entspringet Lieb vnd Feindschafft / auch bey denen sonst vnempfindlichen Creaturen. Solches mag ein Mensch an seinem eignen Leibe mercken / hastu wider dein wissen ein Gifft zu dir genommen / so mercket es die Natur / daß sich was feindseliges zu dir gesellet / widerstrebet demselben / vnd so viel sie vermag / begehret sie es von sich zu treiben. Eben auff solche weise erkennen alle Geschöpffe Gottes / wann sie zur Ehre oder Schmach jhres Schöpffers gebrauchet oder mißbrauchet werden / daher sind sie willig oder widerspenstig. Die Endvrsache jhrer Schöpffung ist Gottes Ehre / dahin gehet jhr gantzes Wesen mit allen Kräfften / was denn wider Gottes Ehre ist / das ist wider die Natur / dasselbe empfindet sie auch / vnd wider strebet. (Propter Deum.) Daß aber die Creatur dennoch dienet in der Eitelkeit / geschicht durch Gottes Willen / Sie ist vnterworffen der Eitelkeit ohn jhren Willen / doch aber vmb deß willen / der sie vnterworffen hat / Sie thut nichts gerne / doch ist sie GOtt gehorsam / denn GOtt gebeut der Sonnen auffzugehen / vnd dem Regen zu fallen / beydes über gute vnd böse. Am Anfang schuff Gott alles zu seinen Ehren / vnd zum Dienste desselbigen Menschen / der nach dem Ebenbilde Gottes gemacht war / wann aber durch die Sünde das Bilde Gottes im Menschen verdorben / ist die Creatur nicht mehr schuldig / dem abtrünnigen Menschen zu dienen / hat auch einen Widerwillen dazu / doch gebeut jhr der Schöpffer / daß sie sich vnterwerffe vnd diene / auff solche Ordnung jhres Schöpffers ist sie gehorsam / vnd dienet der Eitelkeit / wiewol ohne jhren Willen. Solte es nach dem Willen der Sonnen zugehen / würde ein Gottloser nicht den geringsten Dienst von jhr bekommen / daß sie aber scheinet / das kompt von GOtt / der es jhr gebeut / das erduldet sie gehorsamlich / vnd das ist jhr Creutz. (Sub spe libetationis.) Vnter diesem Creutz hat die Creatur gleichwol eine Hoffnung / daß sie frey werden wird von dem Dienst deß
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vergänglichen Wesens / zu der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes. Es kan zwar bey vnvernünfftigen Creaturen die Hoffnung nicht auff solche weise statt haben / als bey den Menschen / doch findet sich bey jhnen Hoffnung nach jhrer masse. Als wann ein Kraut oder Baum / den Winter über vnter der Kälte kahl stehet / vnd vnterdrucket wird / daß es seine güte nicht herfür bringen kan / so erkennet es doch / daß es noch nicht Zeit ist / es werde aber eine andere Zeit kommen / da es seine Macht wieder wird bekommen / derselbigen Zeit erwartet es / vnd das ist seine Hoffnung. Auff solche weise ist der gantzen Natur eine Hoffnung eingepflantzet / auff die zukünfftige Erfreyung / vom Dienst deß vergänglichen Wesens / was das für eine Erfreyung seyn wird / davon hat man nicht einerley Gedancken. Viele halten dafür / daß die gantze Welt am Jüngsten Tage werde ernewert werden / da zwar nach Gottes Wort die Himmel vnd alle Elementen werden verschmeltzen / doch aber auß derselben Aschen ein newer Himmel vnd eine newe Erde soll erschaffen werden / darinnen Sonn vnd Mond viel heller leuchten werde / als nun / die Erde auch nicht mehr werde etwas vnliebliches vnd widriges herfür bringen. Die H. Schrifft gibt so viel zu verstehen / daß Himmel vnd Erde werde vergehen / also / daß jhre stätte nicht mehr werde gefunden werden / so gedencket auch hie der Geist Gottes keiner Ernewerung / sondern nur einer Erfreyung vom Dienste der Eitelkeit / welches auch geschehen kan / durch der Creaturen gäntzlichen Vntergang / denn es nicht glaublich ist / daß die vnvernünfftige Thiere eben wie die Menschen / zum ewigen Leben erschaffen seyn. So wird nun eine solche Zeit kommen / darinnen die Verdampten werden beraubet seyn aller Creaturen Wolthaten / daß sie auch nicht eines Tröpflein Wassers werden geniessen können / nach solcher Zeit verlanget die Creaturen / daß sie nur den Sünden nicht mehr dienen / ob es jhnen schon kostet jhr eigen Vnter
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gang. Da merckt ein vnbußfertiger Sünder die Auffrichtigkeit der vnvernünfftigen Creaturen / sie wollen viel lieber nicht seyn / als mit solcher Vnbequemligkeit seyn / darinnen sie zur Sünde dienen müssen. (Tempus liberationis.) Die Zeit der Erfreyung der Creaturen ist verbunden mit der Erfreyung der Kinder Gottes / drumb saget Paulus / daß die Creatur frey werden wird / von dem Dienst deß vergänglichen Wesens / zu der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes. Wie der Satan ist ein Fürst dieser Welt / so wäret auch sein Reich nicht länger / als in dieser Welt. Wann dann die Kinder Gottes kein ander Leyden zu fürchten haben / als vnter dem Reich deß Satans / so folget / daß die Trübsal der Frommen auff hören werde / wenn auffhöret das Reich deß Satans / wann aber die Welt verstöret wird / so wird auch verstöret das Reich deß Satans / vnd seynd die Kinder Gottes von aller Trübsal erfreyet. Darumb muß die Creatur vntergehen dazu / daß darauff folge die herrliche Freyheit der Kinder Gottes. Also auch / wann die Kinder Gottes erfreyet werden / mögen die Creaturen nicht mehr vnter dem Dienst der Eitelkeit bleiben. Denn daß GOtt die Welt erhält / geschicht vmb der Glaubigen willen / wann GOtt darinnen keine Kinder gezeuget werden / so ist die Welt nicht nütze / so lange aber noch Christen leben vnd gezeuget werden / muß vmb solcher Christen willen die Welt noch stehen / vnd sich vnter deß Teuffels Reich zu vieler Boßheit brauchen lassen / doch aber mit der Hoffnung / daß wenn die Zahl der Kinder Gottes erfüllet / sie mit den Kindern Gottes von jhrem Creutz soll erfreyet werden. Dieses ist die warhafftige Vrsach deß hertzlichen harrens der Creaturen / nach der Offenbarung der Kinder Gottes / für sich selbsten haben sie nichtes zu erwarten / man möchte denn sagen / daß die Creaturen in dem menschlichen Leibe würden erhöhet vnd geehret werden / denn alle Creatur endlich auff den Menschen zielet /
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vnd fast keine Creatur ist / die nicht eine Portion jhres Gutes vnd jhres Wesens in den Menschen geleget habe. Wann dann der menschliche Leib geehret wird / so werden in jhme auch die Creaturen geehret / solches werden sie mit lust anschawen / vnd sich frewen. Doch aber das fürnembste / darauff sie sehen in jhrem ängsilichen harren / ist die Hoffnung der Erfreyung von dem vergänglichen Wesen / von welchem sie nicht erfreyet werden / biß daß komme die Offenbarung in Erfreyung der Kinder Gottes. Damit wir aber nicht meynen / es sey nur eine verblümbte(3. Expectationis certitudo.) Rede / was der Apostel vom Leyden / Gedult / Hoffnung vnd Harren gesagt hat / bekräfftiget er seine Rede mit diesem Zusatz: Wir(V. 22.) wissen / daß alle Creatur sehnet sich mit vns / vnd ängstiget sich noch jmmerdar. Vorhin hat der Apostel die Creaturen vns fürgestellet / als eine menge Volcks / die mit auffgerecktem Halse warten auff den Einzug jhres Fürsten / als wolten sie sagen: Kompt er nicht balde? Hie stellek er sie vns für / als ein gebärendes Weib / dem angst zur Geburt wird / vnd nichts lieber sihet / als daß die Stunde fürüber wäre / darin sie gebären solle: denn eben also schreyet vnd ängstiget sich die Creatur / vnd wolte jhrer Bürde gern loß seyn. Vor der Sünde dieneten die Creaturen dem Menschen mit lust / aber nach der Sünde ist die Creatur mit beschweret / in dem sie der Eitelkeit dienen muß / davon begehret sie / als von einer schweren Last / gern loß zu seyn. Darumb seufftzet sie. Wann die Creaturen den Gottlosen dienen müssen / wider den Frommen / oder zu Schmach deß Schöpffers / darüber seufftzen sie / sampt den Frommen. Die Erde trifft der Fluch mit nach den Sünden / vnd muß noch dazu den Sündern in jhren Sünden dienen / sie tragen vnd nchren / das ist jhre Angst / darüber seufftzet sie. Das Meer vnd alle Wasser seynd beschweret / die Schandlappen in jhrem Vnflat zu reinigen / in Hitze zu kühlen / in Durst zu träncken / sie wolten dieselbe lieber verschlingen / oder selbst gar versiegen vnd vertrocknen; weil sie
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aber dienen müssen / so ängstigen sie sich / vnd seufftzen. Ein Pferd seufftzet / wann es einen Lasterbalg tragen soll / vnd wolte jhm viel lieber den Halß zerbrechen / als tragen. Ein Ochs seufftzet vnter seiner Last / darunter er gedruckt wird / zum Bauch dienst so vieler gottlosen Menschen. Eine Kuhe seufftzet / wann sie jhre süsse Milch muß von sich lassen / vnd wolte lieber Gifft für Milch geben. Ein Schaaff seufftzet / wann es beschoren wird / vnd wolte gerne Disteln vnd Dorn für Wolle tragen. Vnd was wollen wir von dem herrlichen Schein der Sonnen sagen / wie muß sie seufftzen / wann sie so vielem bösen in der gantzen Welt muß zusehen / vnd jhren Schein dazu verleihen? In Summa / alle Creaturen mit einander seufftzen vnd schreyen: Ach / ach / ist noch kein ende deß Jammers? seynd wir doch eitel gefangene Knechte der Eitelkeit. Mit solchem schreyen klagen sie die Gottlosen für GOtt an / als Tyrannen. So mannichmal ein Mensch sündiget / so mannichmal macht er / daß alle die Crcaturen / die bey seiner Sünde jhm dienen müssen / als die Lufft / darin er lebet / vnd die Erde / die jhn muß tragen / vnd was jhm mehr dienet / das alles seufftzet wider jhn / vnd klaget jhn an für GOtt / als jhren Tyrannen / der die Creaturen belästige / also daß sie viel lieber nicht wolten seyn / denn also beschweret seyn. Solch Zettergeschrey der Creaturen ist nicht außzusprechen. Denn wie viel seynd der Creaturen / die also vnter jhrer Last seufftzen vnd schreyen? Wer kan sie alle zehlen. Vnd solch Geschrey wird grösser / so mannichmal auffs newe eine Sünde begangen wird. Das muß ein Geschrey geben! Wer solte wol den Creaturen angesehen haben / daß sie sich so ängstigen? Wer solte glauben / daß sie also schreyen? Doch ists wahr / der Apostel sagt: Wir wissens / daß es also sey. Ob wol die Creaturen nicht haben eine Zunge vnd Sprach / die du verstehest / so haben sie doch eine solche Zunge vnd Sprach / die der Geist Gottes höret vnd verstehet. Kein Mensch kans glauben /
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wie die Creaturen seufftzen über das Vnrecht / das sie von den Gottlosen leiden müssen / durch Mißbrauch. Aber Gott sihets vnd hörets / vnd hat dem Apostel Paulo Augen vnd Ohren auff gethan / daß er ein Zeugnüß davon geben kan; vnd der zeuget vnd bekräfftiget es: Wir wissen es / es ist kein Fabelwerck / oder Schertz / Wir wissen es / daß alle Creatur sich sehne mit vns / vnd ängstige sich jmmerdar. Diß Exempel deß ängstlichen harrens / das bey den Creaturen(Scopus prioris exempli.) gefunden wird / die vnter jhrer Last sich ängstigen / vnd warten auff die Offenbarung der Kinder Gottes / vnd jhrer Erfreyung; wird vom Geist Gottes vns fürgestellet einmahl zu solchem ende / daß die Glaubigen an den Creaturen ein Zeugnüß haben der gewissen Erfreyung / vnd einer herrlichen Veränderung. Denn diß schrcyen / warten vnd verlangen den Creaturen nicht vergeblich vom Schöpffer eingepflantzet ist. So muß daß auch eine grosse Herrligkeit seyn / darnach sich die gantze Creatur sehnet. Hernach muß es vns eine Anreitzung seyn / in Gedult auff vnser Erlösung zu warten / dieweil auch Him̅el vnd Erd mit grossem seufftzen vnd sehnen warten muß auff jhre Erfreyung.
All Creatur bezeugen das / Was lebt im Wasser / Laub vnd Graß / Sein Leyden kans nicht meiden. Wer denn in Gottes Namn nicht will / Zuletzt muß er deß Teuffels Ziel Mit schwerem Gewissen leiden. Wir kommen auff das ander Exempel / denn nicht alleine sie /(Exemplum II. in Sanctis.) die Creaturen / sondern auch Wir selbst / spricht der Apostel / Wir selbst / die wir haben deß Geistes Erstling / sehnen(V. 23. ubi exponitur 1. Sanctorum expectatio.) vns auch bey vns selbst / nach der Kindschafft / vnd warten auff vnsers Leibes Erlösung. Diß wird gesaget von allen Heiligen vnd Glaubigen in gemein. Bey denselben findet sich hie
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zu bedencken zweyerley. Eines das sie haben / vnd eines das fie nicht haben. Das sie haben / heisset deß Geistes Erstling. Die an Christum glauben / haben auch den Geist Christi / nach der Regel (Rom. 8, 9.) Pauli: Wer den Geist Christi nicht hat / der ist nicht sein. Doch haben sie den Geist nicht in aller Fülle / sondern nur die Erstlinge / das ist / die erste Wirckungen deß Geistes / nemblich die geistliche Kräffte vnd Bewegungen / die in der Wiedergeburt durch den H. Geist in vns erschaffen vnd erwecket werden. Die Vollkommenheit wird allererst folgen in der zukünfftigen Herrligkeit / welche hie genennet wird die Kindschafft / vnd vnsers Leibes Erlösung. Denn es ist die zukünfftige Herrligkeit / die an vns soll offenbaret werden / vor erst eine Erlösung vnsers Leibes Hie in diesem Leben seynd wir vnterworffen der Sünden / vielfältigem Jammer / vnd der Verweßligkeit; von dem allen werden wir erfreyet / im künfftigen himlischen Leben. Hernach heisset die künfftige Herrligkeit auch eine Kindschafft / das ist / die völlige Besitzung vnd Gebrauch aller der Güter / an welchen wir jetzt schon das Recht durch die Kindschafft empfangen haben / denn wir seynd hie schon Kinder Gottes durch den Glauben / aber es ist noch nicht offenbaret / was es ist / ein Kind Gottes seyn / das soll aber künfftig offenbaret werden / nach dem schönen Spruch (1. Joh. 3, 1, 2.) Johannis / in seiner ersten Epistel am 3. Cap. Sehet / welch eine Liebe hat vns der Vatter erzeiget / daß wir Gottes Kinder sollen heissen. Meine Lieben / wir seynd nun Gottes Kinder / aber es ist noch nicht erschienen / was wir seyn werden. Wir wissen aber / wenn er erscheinen wird / daß wir jhm gleich seyn werden / denn wir werden jhn sehen / wie er ist.
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So bezeuget nun der Apostel / daß alle Glaubige / die deß(2. Expectationis causa.) Geistes Erstling empfangen haben / warten / vnd bey jhnen selbsten sich sehnen nach jhrem Erbe / vnd völligen Genieß der Kindschafft / wie auch nach jhres Leibes Erlösung. Die Creaturen warten auch auff jhre Erfreyung / aber an der Kindschafft haben sie kein theil. Wir warten nicht alle darauff / daß wir von der Last erfreyet werden; sondern auch / daß wir das Erbe an Gottes Reich einnehmen / als Kinder Gottes / die Fülle alles guten / vnd aller Seligkeit / vnd aller Herrligkeit. Die Vrsach solches Verlangens ist eben dasselbe / daß wir deß Geistes Erstling empfangen haben. Weil wir den Geist Christi haben / erkennen wir den gegenwärtigen Jammer im Fleisch vnd in der Welt / vnd die Seligkeit / die in GOtt verborgen ist. Weil wir aber nur die erste Frucht deß Geistes haben / macht vns das durstig / noch mehr vom Reich Gottes zu geniessen. Daher entspringt das Verlangen. Vnd eben diß ists / das Paulus selbsten an diese Legion hinan hänget: Wir sind wol selig / doch in der Hoffnung.(V. 24. 25.) Die Hoffnung aber / die man sihet / ist nicht Hoffnung; denn wie kan man deß hoffen / das man sihet? So wir aber deß hoffen / das wir nicht sehen / so warten wir sein durch Gedult. Ist so viel gesaget: Was man hoffet / vnd nicht sihet / deß muß man warten durch Gedult. Nun ists aber mit vnser Seligkeit so beschaffen / wir hoffen sie / vnd sehen sie nicht. Darumb kans anders nicht seyn / wir müssen vnser Seligkeit warten durch Gedult. Hie merck die Art deiner Seligkeit. Wir seynd wol selig / doch in der Hoffnung. Wir heissen die Todten selig; wie man sagt: Mein seliger Vatter / mein seliger Bruder; vnd reden recht daran / so sie nur im Glauben Jesu Christi entschlaffen seyn; denn selig seynd die Todten / die im HERRN sterben. Wie aber / seynd
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denn die Lebendigen auch nicht selig? Das sey ferne; Wir seynd ja selig / wiewol in Hoffnung. So ist hie ein Vnterscheid vnter der Seligkeit derer / die entschlaffen seyn / vnd derer die noch leben. Jene seynd selig in der Erfahrung / wir in der Hoffnung; jene im schawen / wir im Glauben. Jener Seligkeit ist eine vnverhinderte vnd völlige Geniessung Gottes; vnser Seligkeit ist vermischt mit Sünde / Jammer vnd Elend. Doch haben wir die Hoffnung der (1. Joh. 3, 2.) völligen Seligkeit. Vnd das ists / das Johannes sagt: Wir sind Gottes Kinder / es ist aber noch nicht erschienen / was wir seyn werden; doch wissen wir / wenn er erscheinen wird / daß wir jhm gleich seyn werden. Hieher entstehet das Verlangen vnd die Gedult der glaubigen Seelen / daß wir vnserer völligen Seligkeit mit Gedult warten / wie Paulus redet. Wann er der Gedult gedenckt / zeiget er an / daß man noch viel leiden muß bey der Seligkeit / die wir in Hoffnung haben; denn sie ist vermischet mit Sünd vnd Jammer. Das dulden wir / vnd warten durch Gedult der rechten vollkommenen Seligkeit / vnd tragen auch hertzlich Verlangen darnach. Von diesem Verlangen redet Paulus in der andern an (2. Cor. 5, 1. 2. 4.) die Corinther am 5. Cap. also: Wir wissen / so vnser jrrdisch Hauß dieser Hütten zubrochen wird / daß wir einen Baw haben / von GOtt erbawet / ein Hauß / nicht mit Händen gemacht / das ewig ist im Himmel; vnd über demselbigen sehnen wir vns auch nach vnser Behausung / die vom Himmel ist / vnd vns verlanget / daß wir damit überkleidet werden. So lang wir in der Hütten seynd / seynd wir nur beschweret / vnd sehnen vns. Mercks wol / lieber Christ / den Himmelsliebenden Seelen ist nicht beschwerlich / den jrrdischen Sack vnd Drecklumpen dieser
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Welt abzulegen / alldieweil sie wissen ein besseres Kleid. Wird jhnen etwas vom Irrdischen entzogen / so trösten sie sich dessen / das sie im Himmel wissen vnd haben. Ja nicht allein finden sie kein Beschwer / das Irrdische außzuziehen / sondern sie haben auch ein Verlangen darnach / nur daß sie mit dem himlischen Schmuck mögen bekleidet werden. Dabey mag sich einer prüfen / ob er ein rechter Christ sey / das ist / ob er deß Geistes Erstling habe. Denn / wie vnsere Leetion sagt: Wir / die wir haben deß Geistes Erstling / wir sehnen vns nach der Kindschafft / vnd warten auff vnsers Leibes Erlösung. Mit diesem Exempel aller Heiligen will abermal der Heilige(Scopus posterioris exempli.) Geist nicht allein bezeugen / daß eine Erfreyung vnd Verklärung zu hoffen; denn diß sehnen aller Heiligen kan nicht eitel vnd vergebens seyn; sondern er will auch damit vns anreitzen / daß ein jeglicher mit Gedult vnter seinem Leyden der künfftigen Erlösung erwarte / dafern er anders seyn will vnter der Zahl derer / die deß Geistes erste Frucht bey sich haben. Ihr wisset nun / meine Lieben / wie willig jhr ewer Leyden tragen(Compendiosa repetitio.) sollet / weil jhr erkennet eine grosse Herrligkeit / die hernach folgen wird; Denn wir halten dafür mit Paulo / daß dieser Zeit Leyden nicht werth ist der Herrligkeit / die an vns soll offenbaret werden. Es müssen ja auch die vnverständige Creaturen mit Gedult jhre Last tragen / vnd der Erfreyung warten. So ist auch niemand von allen Heiligen hie außgenommen / der nicht vnter mancherley Leyden durch Gedult seiner Erlösung warten muß. So lernet nun auff dißmal / durch die Hoffnung der zukünfftigen(Usus ad tolerantiam sub spe.) Herrligkeit / ewer Last / vnd was jhr bey ewrem Christenthumb an Beschwerligkeit leiden müsst / mit Gedult ertragen. Vor allen müssen wir vns dahin gewehnen / die Kindschafft(1. Inter passiones de futurâ gloria est cogitandum.) Gottes vnd künfftige Erlösung stets vor Augen zu haben. Wir stehen zwischen Zeit vnd Ewigkeit / zwischen Welt vnd Himmel / zwischen Creutz vnd Seligkeit. Dazwischen muß ein Christ so
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stehen / daß er der Welt den Rücken kehre / das Angesicht ins zukünfftige wende. Die Welt müssen wir mit dem Rücken ansehen / vnd thun / als sehen wir darin kein Glück noch Vnglück; so stehen (2. Cor. 4, 18) wir recht. Wir müssen nicht sehen auff das sichtbare / sondern auff das vnsichtbare; denn was sichtbar ist / das ist zeitlich / was aber vnsichtbar (Phil. 3, 13.) ist / das ist ewig. Wir müssen vergessen / was dahinden ist / vnd vns strecken nach dem / das forne ist. Was hinden ist / bleibt dahinden; was forne ist / daran müssen wir. Treffen wir nicht das ewige Gut; so fallen wir ins ewige Wehe / vnd ist kein vmbkehren. Diß ist die Eigenschafft aller Heiligen. Die wir deß Geistes Erstling haben / wir sehnen vns nach der Kindschafft / vnd warten auff vnsers Leibes Erlösung. Wo du dein Angesicht zum Zeitlichen kehrest / im Zeitchen dich frewest / das Zeitliche nicht gerne lassen wilst / sondern dich betrübest / so du es entbehren must; das wird keine gute Anzeigung seyn. Denn hie finde ich nicht die Eigenschafft derer / die deß Geistes Erstling haben: welches ist / sich sehnen nach der Kindschafft / vnd warten auff deß Leibes Erlösung. So du den Creaturen anhangest / vnd sehnest dich nicht nach der zukünfftigen Herrligkeit / vnd deines Leibes Erlösung / machstu dich damit viel geringer / als die vnvernünfftige vnd leblose Creaturen / denen verlanget / daß sie frey mögen werden von dem Dienst der Eitelkeit. Du aber trägst lust zur Eitelkeit. Betrachts doch / du liebest die Creaturen / vnd das du liebest / hat ein verdruß an seinem eignen Wesen / vnd seufftzet vnd ängstiget sich. Ach wie eitel ist deine Liebe! Die Creaturen haben kein theil an der Kindschafft vnd zukünfftigen Herrligkeit / gleichwol wartet das ängstliche harren der Creaturen auff die Offenbarung der Kinder Gottes / weil sie hoffen / daß sie als dann werden frey werden / von dem Dienst der Eitelkeit. Wir haben viel mehr Vrsachen / ängstiglich darauff zu
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warten. Dann die Offenbarung der Kinder Gottes gehet vns viel mehr an / als die vnvernünfftigen Creaturen. Wir hoffen nicht allein frey zu werden von aller Beschwerung / sondern auch das vnvergängliche Erbe ein zunehmen / in dem Reich vnsers Gottes. So handeln wir ja vnbedachtsam vnd vnsinniglich / wann wir keine Gedancken haben an das zukünfftige Gut. Wären wir zu diesem Leben getauffet / wäre es kein Wunder / daß wir vnsere Luft vnd Seligkeit in diesem Leben suchten / an Geld / Ehr vnd Wollust. Nun aber seynd wir zu diesem Leben nicht getauffet / sondern auffs ewige Leben. Darumb Thorheit / O lieben Christen / daß jhr in diesem Leben Lust vnd Ruhe suchet. Zum Ewigen / zum Ewigen / dahin lasst vns gedencken. Daß ein Mensch so grosse lust an dem zeitlichen Gut hat / kompt daher / daß es sichtbar ist. Denn was man sihet / das bewegt das Hertz. Solten wir aber einen Tag über geniessen der offenbaren Herrligkeit Gottes / würden wirs verachten / so wir solten wieder in diß Leben kommen / wann wir schon solten leben tausent Jahr voll aller weltlichen Frewden. Wann wir vns nun also mit vnsers Hertzens Sinn gewandt(2. In cogitando de futura gloria, passiones sunt tolerandae.) haben zum ewigen Gut / zur zukünfftigen Herrligkeit / da wirds vns nicht schwer ankommen / wanns vns schon übel gehet. Da spricht ein Christ: Was ist das gegen die zukünfftige Herrligkeit? Mag auch das Endliche verglichen werden mit dem Vnendlichen? Vnser Leyden ist nicht einmal zu rechnen / gegen die schon empfangene Gnade / dadurch vns die Sünde vergeben seyn. Solten wir auch viel Jahr leiden / können wirs doch nicht zur Rechnung bringen / nur dagegen / daß vns GOtt die Sünde nicht zurechnet. Was wollen wir denn dagegen halten / daß wir Gottes Kinder vnd Erben seyn? Solte ich tausent Jahr im Kercker verschlossen ligen / dazu kranck vnd hungerig / solt ichs gerne leiden / so ich nur dessen gewiß bin / daß darauff folge die vnvergängliche himlische Herrligkeit. Müssen doch die Weltkinder viel dulden vnd lelden / zu erwerben Reichthumb vnd Ehr in diesem vergänglichen
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Leben. Warumb solten wir denn nicht etwas dulden / vmb deß Reichs Gottes willen / darinnen wir haben himlische vnd vnvergängliche Ehr vnd Reichthumb? So lasst vns nun vnser Angesicht richten auffs künfftige ewige Gut / als sehen wir nicht Glück oder Vnglück in dieser Welt. Lasset vns mit allen Creaturen / vnd mit allen Heiligen ängstiglich warten auff die Offenbarung der Kinder Gottes / vnd vnsers Leibes Erlösung. Lasset vns seufftzen: Komm / HErr Jesu / komm. GOtt gebe / daß es nur bald offenbaret werde / wanns jhm gefällt / damit wir erfahren / was wir nun im Worte hören vnd glauben / AMEN.

Am V. Sontage nach Trinitatis.
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Von Art vnd Weise Christlich sich zu verhalten gegen den Menschen.
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TEXTVS 1. Petr. 3. V. 8. usque ad V. 15.
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V. 8. VEyd allesampt gleich gesinnet / lieben Brüder / mitleidig / brüderlich / barmhertzig / freundlich. V. 9. Vergeltet nicht böses mit bösem / oder Scheltwort mit Scheltwort / sondern dargegen segnet. Vnd wisset / daß jhr darzu beruffen seyd / daß jhr den Segen ererbet.
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V. 10. Dann wer leben will / vnd gute Tag sehen / der schweige seine Zunge / daß sie nicht triege. V. 11. Er wende sich vom bösen / vnd thue gutes / Er suche Friede / vnd jage jhm nach. V. 12. Dann die Augen deß HERRN sehen auff die Gerechten / vnd seine Ohren auff jhr Gebet. Das Angesicht aber deß HERRN sihet auff die / die da böses thun. V. 13. Vnd wer ist / der euch schaden könte / so jhr dem guten nachkommet? V. 14. Vnd ob jhr auch leidet vmb Gerechtigkeit willen / so seyd jhr doch selig. Fürchtet euch aber vor jhrem trotzen nicht / vnd erschrecket nicht. V. 15. Heiliget aber GOtt den HERRN in ewren Hertzen.

Geliebte in Christo Jesu.
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WAnn das Glück der Christen von Christo also beschrieben(Exord. A modo eluctandi ex adversitatibus.) wird / Sihe / Ich sende euch wie Schaafe / mitten vnter die Wölfe / trifft solches nicht allein die erste Kirche / die vnter den Heyden zerstrewet war / vnd von denselbigen(Matt. 10, 16 Ubi 1. adversitates imminentes.) viel leiden muste; sondern es trifft auch vns / die wir vnter lauter Christen wohnen / wiewol den Wölfen zu einer Zeit mehr Macht gelassen wird / als zur andern / denn es seynd auch mitten in der Christenheit allezeit Fromme vnd Böse bey einander / da denn kein frommer Mensch gedencken soll / daß er von den bösen nimmer etwas leiden werde / sondern ein jeglicher Christ muß sich fürchten / leiden vnd drucken / wie ein Schäflein für den Wölfen.
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(2. Eluctandi media illicita & impia.) In diesen Widerwärtigkeiten ist es schwer / wol hindurch kommen / denn die Natur reitzet vns zur Vngedult vnd Rache / wann das aber die rechte Art wäre / in Widerwärtigkeit zu siegen / so würden allezeit die Mächtigen oben ligen / Wehe aber den Armen vnd Vnvermögenen! Es hat aber GOtt auch für die Arme vnd Vnvermögene wollen rath schaffen in Widerwärtigkeit / also daß sie siegen können / vnd wol hindurch kommen / wann die Gewaltigen auch noch so böse seynd. (Pia & proba.) Wie aber das geschehe / zeiget vns Petrus in der heutigen Lection / vnd weiset vns auff die brüderliche Freundligkeit / wie nun vns Christen daran gelegen ist / daß wir die Ruhe deß Hertzens behalten / welches nicht seyn kan / wann wir vns nicht recht wissen vnter die Leute zu schicken / so müssen wir dem Rath deß H. Geistes (Thema.) fleissig zuhören / was er vns für saget von der Art vnd Weise / wol vmbzugehen mit den neben Menschen / allermeist mit den Bösen / also daß wir wol hindurch kommen. GOtt verleihe vns seine Gnade / Amen. (Virtutes exercendae 1. Erga omnes homines in genere.) WAnn erstlich in gemein gefraget wird / wie ein Christ sich soll verhalten gegen dem neben Christen / er sey friedfertig oder böse / so antwortet der Geist Gottes durch Petrum: Lieben Kinder / seyd allesampt gleich gesinnet / mitleidig / (V. 8.) brüderlich / barmhertzig / freundlich. (1. Unanimitas.) Dadurch wird von rechtschaffenen Christen erstlich erfodert die Einmütigkeit / daß sie alle vnter einander einen gleichen Sinn vnd Muth haben. In natürlichen Fragen vnd weltlichen Rathschlägen kan solches kaum seyn / da mag man lassen einem jeglichen seinen Sinn / aber was den Glauben vnd Christliches Leben angehet / da muß vnter allen rechtschaffenen Christen nur ein Sinn seyn / einen Sinn müssen wir haben nicht nach der Welt / denn das sey ferne / daß wir vns nach dem Weltsinne richten wol
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ten / sondern nach Gottes Wort / das ist die Richtschnur deß Glaubens vnd deß Lebens. Wer nun mit der wahren Christenheit will gleich gesinnet seyn / der muß für allen dingen auff Gottes Wort sehen / vnd darauß suchen / wie er recht glauben vnd leben soll / vnd hierinnen gantz vnd gar seinem eigenen einbilden absagen / welche Christen dieses thun / die bekommen alle einen Sinn / haben einen GOtt / eine Seligkeit / einen Heyland / einen Glauben / einen Gottesdienst / einen Zweck / dahin sie alle zielen / daß GOTT geehret werde in vns / durch Christum JEsum / darauff folget denn / daß sie Gaben vnd Ampt lassen vnterschieden seyn / vnter sich aber achten sie sich gleich hoch in Christo / vnd wie ich meyne / daß ich in meinem Ampt vnd Gaben GOTT diene / so achte ich auch / daß es ein ander kan mit seinen Gaben vnd in seinem Stande. So aber einer von dem Worte abgehet / so machet er jhm einen eigen Sinn / daher kommen Secten vnd Spaltungen / denn wie von einem richtigen Wege können abgehen viele Nebenwege / also ist Gottes Wort ein richtiger Weg / welche demselben folgen / die seynd eins / die davon weichen / die weichen von der Einigkeit / da kompt eigen Sinn im Glauben / daß ein jeglicher glaubet / wie es seiner Vernunfft gut düncket / da kompt eigen Sinn im Leben / vnd erdenckt ein jeglicher einen absonderlichen Gottesdienst / dadurch er für GOtt besser seyn will / denn ein ander / oder auch es folget ein jeglicher seines Fleisches Lüsten / wie jhn die Natur treibet / vnd meynet doch / er diene Gott. Die nun wollen gute Christen seyn / die begehren nicht was sonders zu seyn im Glauben vnd im Leben / sondern bleiben bey dem gemeinen Sinn aller frommen Christen. Wie aber / wenn sie alle vom Worte abweichen / soll ich gleichwol es mit jhnen halten? Da habe ich vor gesaget / daß es soll ferne von vns seyn / dem Weltsinne folgen / ich muß bey Gottes Wort bleiben / wie es einem Christen gebühret / es wird noch einer oder der ander seyn / der es
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auch thut / mit dem werde ich eines Sinnes seyn vnd bleiben / daß ich aber mit den andern nicht eines Sinnes bin / daran habe ich keine schuld / sondern dieselbe / die vom Worte Gottes sich vnd andere abgeführet haben. Es wäre eine über auß grosse Glückseligkeit in der Christenheit / wenn darinnen viele recht gleich gesinnet wären / daran würden GOtt vnd Menschen einen Lust sehen. Der Geist Gottes hält diese Tugend so werth / daß er durch Paulum in der ersten an die Corinth. am 1. Cap. durch den Namen Jesu Christi vns darzu (1. Cor. 1, 10.) ermahnet: Ich ermahne euch durch den Namen vnsers HERRN Jesu Christi / daß jhr allzumal einerley Rede führet / vnd lasset nicht Spaltung vnter euch seyn / sondern haltet fest an einander / in einem Sinn / vnd in einerley Meynung. Doch ist es seltzam Wildbrät auff Erden / denn die Leute wollen sich Gottes Wort nicht regieren lassen / daher kompt dann Vneinigkeit / Streit / Zanck / Hochmuth / da einer besser vnd mehr seyn will denn der ander / das ist vom Bösen. Alle Christen müssen so gesinnet seyn / im Glauben vnd Christlichem Wandel / als wann sie alle nur ein Mann wären / damit wird denn auch ein schöner vnd beständiger Grund zur Christlicher Freundschafft geleget. (2. Commiseratio.) Das ander / welches von vns erfodert wird gegen dem Nechsten / ist Mitleiden vnd Erbarmung / dadurch nehmen wir vns deß Nechsten Notturfft an / als vnsers eigenen / wie wir an David sehen / welcher im 35. Psalm spricht / vnd zwar von denen / die jhm (Ps. 35, 13. 14.) hernacher arges vmb gutes thaten: Wann sie kranck waren / zog ich einen Sack an / thäte mir wehe mit fasten / vnd betete von Hertzen stets. Ich hielt mich / als wäre es mein Freund vnd Bruder / Ich gieng trawrig / wie einer der Leyde träget über seine Mutter.
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Diesem ist sehr zu wider der schändliche Teuffel / der da heisset Schadenfroh / vnd ist doch in der Natur tieff eingepflantzet / es kan vns gar balde wolgefallen / so es denen übel gehet / welchen wir es gerne gönnen / das ist gar eine böse Vnart / doch seynd wir auch nicht die besten alsdann / wann wir zwar das Vnglück vnserm Nechsten nicht gönnen / aber doch auch kein hertzliche Erbarmung mit jhm tragen / vnd vns seiner Notturfft nicht hertzlich annehmen. Zum dritten / wird erfodert Brüderschafft / daß wir brüderlich(3. Fraterna dilectio.) vnd wol gesinnet seyn / das ist der Grund der hertzlichen Erbarmung / denn durch den Glauben sind alle Christen mit Christo verbunden / als Glieder an einem Leibe / drumb weiset vns die Schrifft auff die Einigkeit vnserer Glieder / wie dieselbe keine(1. Cor. 12, 25, 26.) Spaltung im Leibe zulassen / sondern für einander gleich sorgen / vnd so ein Glied leidet / so leiden alle Glieder mit / vnd so ein Glied wird herrlich gehalten / so frewen sich alle Glieder. Hie muß nun ein Christ den andern ansehen / als seinen Bruder / vnd in Worten vnd Wercken mit jhm vmbgehen / als mit seinem Bruder. Ein Bruder hält dem andern viel zu gut / kehret alles zum besten / lässet sein thun sich gerne gefallen / ist er aber böse / so wünschet er / daß er fromb werde. Also auch wir müssen vns vnter einander als Brüder vertragen in der Liebe mit aller Demuth /(Eph. 4, 2.) Sanfftmuth vnd Gedult. Ist aber einer böse / so bemühen wir vns / mit sanfftmütigem Geist jhn wieder zu recht zu bringen / will er aber sich nicht weisen lassen / so befehlen wir jhn GOtt / vnd bitten für jhn. Die Brüder haben auch Glück vnd Vnglück gemein / also vermahnet auch Paulus vns Christen / zun Römern am 12. Cap. Frewet euch mit den Frewenden / weinet mit(Rom. 12, 15.) den Weinenden. Begegnet jhm ein Glück / sollen wir jhn deßwegen nicht neiden / sondern vns darüber frewen / als wäre es vnser eigen Glück Trifft jhn ein Vnglück / müssen wir vns dessen abermal annehmen / als vnser eigen.
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(4. Humanitas.) Letzlich wird erfodert Freundligkeit / nicht allein in Worten / sondern auch in Wercken / daß wir darin den Nechsten nicht betrüben / sondern erfrewen / vnd vns willfertig erzeigen. Soll aber diese Freundligkeit Christlich seyn / vnd nicht eine heuchlische Weltfreundligkeit / so muß sie herfliessen auß einem brüderlichen Hertzen / dadurch wir vns in Christo lieb gewinnen. (II. Erga malos.) Nun folget ferner / wie wir vns gegen vnartige vnd feindselige Leute schicken sollen. Vergeltet nicht Böses mit Bösem (V. 9.) / noch Scheltwort mit Scheltwort / sondern dagegen segnet. Damit verbeut der Geist Gottes mit allem ernst alle Rachgierigkeit / die man eigen Sinnes verübet / es sey im Worte oder jm Wercke / daß wir für böses kein böses wieder geben / ja daß wir nicht allein vom bösen vns enthalten / sondern auch für böses gutes thun / vnd also das böse mit gutem überwinden. (Causa moyens.) Dieses ist ja der ernste Wille Gottes / Aber wie wirds von der Welt angenommen? Doch mercket jhr Christen / was für (V. 9.) eine Vrsach der H. Geist einführet: Vergeltet nicht Böses mit Bösem / noch Scheltwort mit Scheltwort / sondern dagegen segnet / vnd wisset / daß jhr dazu beruffen seyd / daß jhr den Segen ererbet. Da ist ein solcher Schluß: Wer beruffen ist dazu / daß er den Segen ererbe / der muß nicht böses mit bösem vergelten. Ein jeglicher Christ aber ist dazu beruffen / daß er den Segen ererbe / denn durch den Glauben Jesu Christi sind wir gesegnete Kinder Gottes. Darumb ein jeglicher Christ muß sich vom bösen enthalten / daß er nicht böses mit bösem vergelte. Der Grund dieses Schlusses bestehet darin / daß sich nicht bey einander schicke der Fluch vnd der Segen / in welchem der Segen Gottes wohnen solle / der muß keine Boßheit noch Bitterkeit im Munde vnd Hertzen haben / Ein gebenedeyter Saame kan ja nicht
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verfluchte Früchte bringen / bittere Früchte bezeugen von einer bitteren Wurtzel. Der Apostel Petrus bekräfftiget seinen Schluß mit einem(Consirmatio ex Psal. 34, 13. 14. 16. 17.) Zeugnüß / auß dem 34. Psalm / da also geschrieben stehet: Wer ist der gut Leben begehret / vnd gerne gute Tage hätte? Behüte deine Zunge für bösem / vnd deine Lippen / daß sie nicht falsch reden. Laß vom bösen / vnd thue gutes / suche Friede / vnd jage jhm nach. Die Augen deß HERRN sehen auff die Gerechten / vnd seine Ohren auff jhr schreyen. Das Antlitz aber deß HERRN sihet über die / so böses thun / daß er jhr Gedächtnüß außrotte von der Erden. Diesen Spruch wiederholet Petrus / vnd bezeuget damit / daß ein gesegnetes Leben niemand gegeben werde / denn nur allein den Friedfertigen vnd Frommen / vnd daß derselbe / der beruffen ist den Segen zu ererben / sich müsse von der bittern Boßheit enthalten / böses mit bösem zu vergelten. Mercket bey diesem Spruch erstlich / die Verheissung deß(In quo dicto notam 9 1. Benedictionis promissum.) Segens / da vns Menschen gut Leben vnd gute Tage fürgesetzet seyn / das aber soll nicht für gute Tage geachtet werden / das die Weltkinder für gute Tage achten / ein solches seliges Leben wird verstanden / dessen auch die Armen können theilhafftig werden / nemblich ein Leben in GOtt / da wir GOtt bey vns haben mit seiner Gnad vnd Segen. Wann denn GOtt mit seiner Gnad vnd Segen bey vns einkehret / vnd hätten wir auch nur eine Hand voll Köhl / so seynd wir viel glückseliger denn ein Gottloser / der alles vollauff hat / in GOTT haben wir Fried eines guten Gewissens / Schutz vnd Errettung auff Erden / das Erbe der göttlichen Seligkeit im Himmel. In GOtt besitzen wir alle Seligkeit / das ist das gute Leben / das Gott verheissen.
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(2. Divinum postulatum) Mercket fürs ander die Ordnung Gottes / mit was beding GOTT das gesegnete Leben versprochen habe; wollen wir leben / vnd gute Tage haben / so müssen wir erstlich vnser Zunge behüten für bösem / vnd vnser Lippen / daß sie nicht falsch reden / es muß keine Falschheit / keine Boßheit / keine Gifftigkeit in vnserm Munde gefunden werden / ja auch nicht im Hertzen / denn das Hertz ist der Brunn / wessen das Hertz voll ist / das quillet auß dem Munde herfür / wie Wasser auß einer Rinnen. Zum andern müssen wir vom bösen lassen / vnd gutes thuen / abermal nicht allein im äusserlichen Thuen / sondern in den junerlichen Hertzensbewegungen. Wer sich reinigen will / muß vom Hertzen anfangen. Drumb ruffet die Schrifft: Ernewert euch nach dem Geist ewers Gemüths. Zum dritten müssen wir Friede suchen / vnd jhm nachjagen / Es ist nicht genug / daß wir nicht Anlaß zur Feindschafft gegeben haben / wollen wir Christen seyn / vnd nach Gottes Willen thun / so müssen wir den Frieden vnd Freundschafft suchen / vnd demselben nachjagen / also / daß wir alle Gelegenheit suchen vnd in acht nehmen / damit ein bitteres Hertz wieder möchte versöhnet werden / da begehen wir eine doppelte Tugend / wir selbsten geben nicht böses vmb böses / vnd den feindseligen Menschen ziehen wir ab vom bösen. Fried ist ein Wildprät / wir müssen nicht dencken / dieses Wild kommet zu vns selbsten geflogen / es lauffet nun nimmer von vns / bistu aber ein Gesegneter deß HERRN / so lauffestu jhm nach. Erkennet doch / lieben Christen / was es für eine Schande für Gott sey / den Frieden anbieten. Dieses ist nun Gottes Ordnung / wer ein gesegnetes Leben haben will / der muß in seinem gantzen Leben vom bösen sich enthalten / dem guten vnd dem Friede nachlauffen / wer böse ist / wer Bittrigkeit führet im Hertzen vnd Munde / derselbe soll auff keinen Segen hoffen. Sprichstu aber / es hat so bald ein toller Kopff einen guten Tag / als ein sanfftmütiger / so wisse / daß das arme gute Tage seyn / da man Gott nicht hat.
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Mercket fürs dritte / die Vrsach dieser Ordnung / woher es(3. Promissum confirmatum.) komme / daß die Gifftigen vnd Bösen zu keinem rechten Segen kommen können / denn die Augen deß HERRN sehen auff die Gerechten / vnd seine Ohren auff jhr schreyen. Das Antlitz aber deß HERRN sihet über die / so böses thun / daß er jhr Gedächtnüß außrotte von der Erden. Ist kürtzlich so viel: GOtt kan das böse nicht leiden / denn weil er heilig ist / so liebet er auch Heiligkeit / vnd wer böse ist / den verwirfft er von seinem Angesicht. Die Augen vnd Ohren deß HERRN seynd GOtt selbsten in seiner Gegenwart / dadurch er alles erkennet / vnd jhm nichts verborgen bleibet. Wann denn gesaget wird / Die Augen deß HERRN mercken auff die Gerechten / vnd seine Ohren auff jhr schreyen: ist so viel gesaget / daß GOtt mit seiner Hülffe vnd Gnade wohne bey den Frommen / vnd gar genaw achtung auff sie gebe / also / daß er sehe jhre Noth / vnd erkenne jhr jnnerlich Seufftzen vnd Verlangen. Hingegen so setzet sich das Angesicht deß HERRN / die gantze Heilige Dreyfaltigkeit / wider den Gottlosen / mit Zorn / Rach vnd Straff / biß sein Gedächtnüß auß dem Lande der Lebendigen außgerottet werde / das ist / daß er ewig vmbkomme vnd verderbe. Da haben wir Grund vnd Vrsach / warumb die bittern Hertzen vnd rachgierige Gemüther keinen Segen ererben können / denn GOtt ist aller Boßheitso feind / daß die Krafft der H. Dreyfaltigkeit sich rüste wider die Bösen. Da habet jhr Rachgierigen ewer Vrtheil / Ihr möget gedencken was jhr wollet / so bleibet diß der ewige Schluß Gottes / Wiltu meinen Segen ererben / so thue kein böses / sondern gutes / denn mein Antlitz setzet sich wider die Bösen / daß ich sie vertilge. Diesem entgegen schreyet die gantze Welt / Soll ich mir(Occupatio, de non timendo malo.) denn jederman über den Kopff wachsen lassen? Sollen mir die Feinde nur thun einen Schaden nach dem andern / einen Frevel vnd Muthwillen nach dem andern? Diesem begegnet der Geist
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(V. 13. 14.) Gottes also: Wer ist der euch schaden könte / so jhr dem guten nach kommet / vnd ob jhr auch leidet vmb Gerechtigkeit willen / seyd jhr doch selig. Wann ein Mensch böses thut / so beleidiget er viele / die thun jhm wiederumb böses / wann er aber gutthätig ist / so gibt er niemand Vrsach zur Feindschafft / vnd ziehet vieler Leute Gemüther zu sich / das ist schon ein Nutzen / den man davon hat / wenn man dem Guten nachkommet / doch kan mans nie so gut machen / daß man nicht etwas Widerwillen von Leuten leiden müste. Da ist aber dieses das beste bey dem Guten / daß den Guthertzigen vnd Frommen nichts schaden könne. GOtt ist allein gut / so wir diesem gütigen GOtt nachfolgen in der Gütigkeit / vnd nicht böses mit bösem vergelten / da saget Petrus: Wer kan euch Schaden thun? Denn was einem gottseligen Hertzen wiederfähret / ist in Warheit nicht böse / vnd solten auch aller Welt Vnglück über jhn gehäuffet werden. Vnd so sie schon vmb der Gerechtigkeit willen etwas leiden / so sind sie doch selig / die Vrsach ist / die Augen sehen auff die Gerechten / Wie selig ist der / der GOTT zu einem Beschützer vnd Helffer hat. Christus spricht auch also Matth. am 5. (Matth. 5, 10. 11.) Selig sind die vmb Gerechtigkeit willen verfolget werden / denn das Himmelreich ist jhr. Wenn euch die Menschen vmb meinet willen schmähen vnd verfolgen / vnd reden alles Vbels wider euch / so sie daran lügen. Darumb wann du ein solches Hertz gefasset hast / daß du durch das böse dich nicht wilt verbittern lassen / Böses vnd Scheltwort mit gleichem zu vergelten / so saget Petrus erstlich / du darffst dich nicht befürchten / daß dir jemand schade / es kan auch das allerböseste Hertz offt durch Gütigkeit überwunden werden / Sollstu aber ja darüber leiden / daß du böses mit bösem nicht wilt vergelten / als wenn du deßwegen must Schimpff leiden / daß die Leute sagen /
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du hast gleichwol die Maulschelle müssen verlieb nehmen / du seyest ein loser Hund / du habest kein Hertz / so leidest du vnd wirst verschmähet vmb der Gerechtigkeit willen / nemblich darumb / daß du begehrest Christo zu dienen / vnd nach seinen Worten zu leben / vnd so du denn auch weiter etwas anders darüber leiden soltest / so leidestu abermal vmb der Gerechtigkeit willen. Da zeuget denn der Sohn Gottes vnd sein Geist / du bist selig / Sey frölich vnd getrost / es soll dir im Himmel hoch belohnet werden. So du aber solches nicht leiden kanst / so heisst es für GOtt vnd in der Warheit / Wer ist der euch kan selig machen / so jhr dem bösen nachfolget / eben darin du begehrest dem bösen zu entfliehen / dadurch fällestu recht in das böse / vnd in demen ewigen Schaden / denn das glaube nur / daß kein Mensch grössern Schaden leide / als durch sich selbsten / nemblich / wann er dem guten nicht nachkom̅et / vnd den gütigen Gott nicht bey sich hat. Darumb sehe zu / daß du dir selbst keine böse Tage erweckest. Ich bekenne / es ist dem Fleisch ein über die masse schweres Creutz / so man Böses vnd Scheltwort mit Gedult soll ertragen / vnd noch darüber bey der Welt den grösten Spott haben. Aber wolte GOtt / daß der Mensch auch bedächte / welch eine Ehre darinnen er für GOtt hätte / möchtestu dein Gemüth hie zwingen können vnter dem Creutz Christi / was würdestu für eine Frewde in deinem Gewissen empfinden? vnd köntest auch mit Frewden warten in diesem Leben / auff Gottes Schutz vnd Errettung / vnd auff den grossen Lohn im Himmel. Hier auff schliesset der Apostel: So fürchtet euch nicht(Conclusio. V. 14. 15.) für jhrem trotzen / vnd erschrecket nicht / heiliget aber GOtt den HERRN in ewrem Hertzen. Dieses ist genommen abermahl auß einem Buch Altes Testaments / denn Esaias spricht am 8. Capitel: Diß Volck redet von nichts(Esai. 8, 11. 12. 13.) denn vom Bund / fürchtet jhr euch nicht also / wie sie
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thun / vnd lasset euch nicht grawen / sondern heiliget den HERRN Zebaoth / den lasset ewer Furcht vnd Schrecken seyn / so wird er ewre Heiligung seyn. Die Menschen fürchten sich sehr für Schimpff vnd Schaden von den Menschen / dadurch aber verlieret sich die Furcht Gottes / wenn wir auff Menschen sehen / das machet daß wir auff GOtt nicht sehen / was die Welt hoch achtet / das achten wir auch hoch / daher ehren wir die Welt / vnd fürchten / wir müssen vnser Ansehen bey der Welt verlieren / das können wir gleichwol nicht wol zulassen / wir mögen mit GOtt zu rechte kommen / wie wir können. Ach wie ein eitel Ding ist es / auff Menschen sehen! Der vns nicht schaden kan / soll vns auch nicht schrecken. So du es aber für billich achtest / dich zu fürchten für dem Schaden bey Menschen / wie viel mehr soltu dich für Gott fürchten / der Leib vnd Seel verderben kan. Darumb soll ein Christ auff GOtt sehen / vnd denselben in seinem Hertzen heiligen / also daß es bey jhm thewer vnd werth sey / was GOtt saget / es möge die Welt davon urtheilen wie sie wolle / thut er das / so wird Gott auch seine Heiligung seyn / vnd jhn lassen erfahren / wie werth er Gott sey. Dieses ist die Ermahnung deß Heiligen Geistes / durch den Mund deß heiligen Petri / dadurch wir vnterwiesen werden / wie mit dem neben Menschen vmbzugehen / daß wir seinethalben nicht Vnruhe vnd böse Tage erfahren / sondern vielmehr wol mit jhm durch die Welt kommen. (Ad praxin adhortatio I. In genere, ne par vipendamus rationem vivendi cum proximo.) Dieses überzeuget nun vnser Gewissen / daß wir schuldig seyn gute Achtung drauff zu haben / wie wir mit andern Leuten vmbgehen / daß wir den Menschen nicht ansehen als ein Ding / das vns nicht angehet. Dreyerley ist / darauff wir sehen müssen / auff GOtt / auff vns / vnd auff den Nechsten / einem jeglichen müssen wir sein Recht thun / den Nechsten hat vns GOtt fürgesetzet / daß wir an jhm beweisen / was für einen Gehorsam vnd Liebe wir zu GOTT haben / für sich bedarff GOtt nicht vnser Liebeswerck.
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Dem Pharaoni satzte GOtt für die Kinder Israel / dadurch er einen Zugang hatte / beydes zu einer Erhebung / vnd zu einem Fall / aber der stoltze König gedachte / Ich bin ein mächtiger Herr / was solt ich ein solch Bettelvolck ansehen / das gerieth jhm zum Fall. Also / damit wir Vbung der Gottseligkeit haben / führet vns auch GOtt zur Hand / bald einen elenden Menschen / bald einen vnbescheidenen schädlichen Lästerer / daß wir gegen dem einen üben Erbarmung / gegen dem andern die liebe Langmuth / da ist denn niemand vnter allen / dem du nicht etwas schuldig seyest / alles von Gottes wegen / vnd hätte dir auch Gott einen Klotz fürgeleget / jhm Ehre zu erzeigen / wärestu schuldig jhn zu ehren / von Gottes wegen. Darumb sihe ja den Menschen nicht an / als einen Ochsen oder Esel / als gülte es gleich / was du mit jhm thust. Was aber hie zu thun / davon gibt vns gute Nachricht der(II. In specie: 1. omnium respectu; studeamus humanitati.) liebe Apostel Petrus. Gegen jederman / allermeist aber gegen die Friedfertigen / müssen wir friedfertig seyn / also daß wir haben einerley Sinn / vnd sind brüderlich / barmhertzig / freundlich / das bringet Gunst bey GOtt vnd Menschen. Bey den Heyden ist(Vide Sueton. in Tit. §. 9.) vmb der Welt-Freundligkeit willen / der Käyser Titus eine Liebe vnd Ergetzligkeit deß menschlichen Geschlechts genennet. Was solte man dann von der recht Christlichen Freundligkeit halten? Absonderlich wie gegen denen / die vns beleidiget / Gedult zu(2. Respectu laedentium. 1. à vindictâ abstincamus.) üben / ist offenbar. Es soll nicht gehen nach dem Sprichwort: Wie man ins Holtz ruffet / so wird jhm geantwortet. Das ist von der Welt / vnd von dem Bösen. Gottes Will ist diß: Vergeltet nicht Böses mit Bösem / noch Scheltwort mit Scheitwort. Im Büchlein Syrach am 28. Cap. stehet geschrieben: Laß ab vom Hader(Syr. 28, 10. 14.) / so bleiben viel Sünde nach. Bläsest du ins Füncklein / so wird ein groß Fewr darauß / speyest du aber ins Füncklein / so verlescht es / vnd beydes kan auß deinem Mund kommen. Ist ein guter Rath: Ein bitter Wort ist ein
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leicht Windlein / verwundet aber sehr; es fähret schnell herauß / wird aber nicht bald wieder zurück gezogen; es ist bald geredet / vnd nicht bald vergessen. Darumb kan dadurch / als auß einem kleinen Füncklein / bald ein grosses Fewr werden. Hingegen speyest du ins Füncklein / vnd verachtest die Beleidigung / so hastu alles gestillet. Wiltu aber solches in die Vbung bringen; so lasse nimmer auß deinem Hertzen kommen das Vrtheil Gottes: Wer böses mit bösem vergeltet / der kan den Segen nicht ererben / er wird nicht leben / noch gute Tage sehen / denn das Antlitz deß HERRN setzet sich wider jhn / daß er jhn vertilge. Rachgierigkeit / Verbitterung / vnd Stichelrede bleiben Früchte eines bittern Baums / vnd zeugen davon. Wer solche Früchte bringet / mag sich wol einen Christen nennen / in der That aber ist er eine Cloac deß Satans. (2. Sam. 16, 7) Das Exempel Davids ist bekant; der Ehrenschänder thät jhm kein geringes Leyd; er aber sprach: Der HERR hats jhm besohlen. Dem folge nach. Das grösseste Exempel hastu im Sohn Gottes / deinem Heyland / vnd ist auch bekant. Es gilt nichts / daß du sprichst: Soll ich denn zu allem still schweigen / vnd alles leiden? Ja ehe ich selbsten wolte böse werden / vnd böses mit bösem vergelten / ehe wolte ich alles leiden. Bin ich ja so hart beleidiget / daß es nicht zu erdulden stehe / so befehl ichs Gott vnd der Obrigkeit / was die nicht rächen / das begehr ich nicht zu rächen. (2. Pacem quaeramus.) So kehre dich nun wie du wilt / dieses ist Gottes Will / nicht böses wieder vergelten. Dagegen aber soltu segnen / den Frieden suchen / vnd jhm nachjagen. Welches geschicht 1. durch verschmertzen vnd verschweigen. Ein rauhes Lüfftlein kan man ja wol über sich gehen lassen; man muß nicht alles genawe suchen / sondern das beste zu der Sache reden. Hernach 2. müssen wir dem Frieden nachjagen / durch gutes thun vnd segnen / vnd damit das böse Hertz überwinden; wir müssen nicht allein fertig seyn / die Versöhnung gerne anzunehmen / sondern auch anzubieten / müssen alle Gelegen
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heit in acht nehmen / dadurch wir wieder zum Frieden kommen können. Es heisst: Suche Frieden / vnd jage jhm nach. Vnd wisse / da GOtt dich zum Segen vnd zum Frieden beruffen hat / da warestu auch sein Freund nicht. Da haben wir die Art / wie wir vns verhalten sollen gegen(Causae moventes.) Freund vnd Feind. Folgen wir / so finden wir gute Ruhe im Leben / vnd werden deßzu besser mit andern Menschen durch die Welt kommen. Was für ein grosser Trost ists: Die Augen deß HERRN mercken auff die Gerechten / vnd seine Ohren auff jhr schreyen. Daher / Wer ist der euch schaden könne / so jhr dem guten nachkommet? Aber wie ein grosses Schrecken ist es: Das Antlitz deß HERRN setzet sich wider die da böses thun? Es ist vnd bleibet schwer / das bekenne ich nochmal / nicht allein nicht wieder schelten / sondern auch noch dagegen segnen. Der Acker deß Hertzens ist vnfruchtbar / zu den Früchten deß Geistes. Von Natur ist es zu Zorn vnd Vngedult geneiget / vnd nicht zu dieser Sanfftmuth. Aber was hilffts? wir seynd auff die Natur nicht gewiesen / sondern wir seynd gesetzet wider die Natur. Wollen wir Christi Jünger seyn / so müssen wir auch diß Joch auff vns nehmen. Ein Weltmensch wird es verlachen. Aber wisse / wer diß Wort verlachet / der hat Gott verlachet. Denn Gott ists / der hats geredet: Vergeltet nicht Böses mit Bösem / noch Scheltwort mit Scheltwort / sondern dagegen segnet / vnd wisset / daß jhr dazu beruffen seyd / daß jhr den Sege̅ ererbet. GOtt gebe / daß wir mit vnserm Nechsten also wandeln / daß wir den himlischen Segen / dazu wir beruffen seyn / nicht verlieren / Amen.
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Am VI. Sontage nach Trinitatis.
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Vom Todt vnd Aufferstehung eines Sünders in Christo.
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TEXTVS Rom. 6. V. 3. usque V. 12.
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V. 3. LIeben Brüder / Wisset jhr nicht / daß alle / die wir in Jesum Christum getaufft sind / die seynd in seinen Todt getaufft. V. 4. So sind wir je mit jhm begraben / durch die Tauffe in den Todt: auff daß / gleich wie Christus ist aufferwecket von den Todten / durch die Herrligkeit deß Vatters / also sollen wir auch in einem newen Leben wandeln. V. 5. So wir aber sampt jhm gepflantzet werden / gleich wie er in seinen Todt / so werden wir auch der Aufferstehung gleich seyn. V. 6. Dieweil wir wissen / daß vnser alter Mensch sampt jhm gecreutziget ist / auff daß der sündliche Leib auffhöre / daß wir hinfür der Sünde nicht dienen. V. 7. Dann wer gestorben ist / der ist gerechtfertiget von der Sünde. V. 8. Seynd wir aber mit Christo gestorben /
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so glauben wir / daß wir auch mit jhm leben werden. V. 9. Vnd wissen / daß Christus von den Todten erwecket / hinfort nicht stirbet. Der Todt wird hinfort über jhn nicht herrschen. V. 10. Dann daß er gestorben / das ist er der Sünde gestorben zu einem mahl: Daß er aber lebet / das lebet er GOtt. V. 11. Also auch jhr / haltet euch dafür / daß jhr der Sünde todtseyd / vnd lebet GOtt / in Christo Jesu vnserm HERRN.

Geliebte in Christo Jesu.
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ES hat ein Weiser auß den Griechischen Heyden gesagt:(Exord. Mors Ethnicis rectè dicitur tertibilissimu̅.) Der Todt sey vnter allen erschrecklichsten das erschrecklichste / vnd hat als ein weiser natürlicher Mensch nicht anders sagen können. Denn ob wol ein kühner Heyde auch hat können einen Muth fassen wider den Todt / so ist doch das nur eine blinde Kühnheit gewesen / weil sie das Ende nicht recht betrachtet haben. Wüsten sie / wohin der Todt sie führete / vnd betrachteten es / würde jhnen der Muth gewiß gefallen seyn. Wann aber ein weiser Mann auff solche Gedancken kompt / vnd nicht Trost in GOtt hat / so muß er freylich bekennen / der Todt sey vnter allen erschrecklichen das erschrecklichste. Das bleibet nun wahr vom Todte der Gottlosen in alle(Verum est de morte impiorum.) Ewigkeit / denn wer ohne Glauben vnd Anruffung Gottes dahin fähret / der kan vnd soll nichts gutes hoffen / darumb bleibet jhme der Todt schrecklich / denn einen solchen gottlosen Menschen bringet der Todt auff den allerschrecklichsten Anblick eines ewigen Verderbens. Ist er hie im Leben ein elender Mensch gewesen / ist all sein Elend nichts gegen dem Jammer nach seinem Todt / auch
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wann er hie auff fewrigen Kohlen gebraten wäre; ist er aber glückselig gewesen / so führet jhn der Todt auß Wollust in Schmertzen / auß Frewde zum Heulen / vnd was das jämmerlichste ist / in vnauffhörliche Schmertzen vnd Elend. Daher kan kein Mensch auff Erden solch ein Schrecken erleben / als die Seele erfahren muß / wann sie auß dem Leibe scheiden muß / so schrecklich wird der Anblick in dem Todte seyn. Solches müssen die Gottlosen bekennen mit jhrer Furcht / die sie gegen dem Todte tragen / es ist geschrieben: Die Gottlosen werden jhr Leben nicht zur helffte bringen / vnd das ist wahr / denn wie alt sie auch seyn / kommet jhnen doch der Todt zu balde / wolten noch wol gerne länger leben. Mit dieser Furcht bezeugen sie / daß sie nicht viel gutes in dem Todte zu erwarten haben. (Psal. 34, 22.) Die Schrifft saget im 34. Psalm: Den Gottlosen wird das Vnglück tödten. Dem Gottlosen ist seine Gottlosigkeit das grösseste Vnglück / das wird jhn tödten / darumb ist sein Todt ein vnglückseliger Todt. Also bleibets freylich wahr gesagt von der Gottlosen Todte / daß er vnter allen erschrecklichen das erschrecklichste sey. (Non veru̅ de morte piorum. Psal. 116, 15.) Von der Gottseligen Todte muß man anders urtheilen / denn sie finden einen besseren Tausch in jhrem Todte. Im 116. Psalm stehet geschrieben: Der Todt seiner Heiligen ist werth geachtet für dem HERRN. Freylich ist das ein köstlich Ding für GOtt / das Gottes Sohn gewürdiget hat / mit seiner Seelen vnd mit seinem Blute zu erkauffen / so werth ist der Seligen Todt für dem HERRN / aber das hat kein Weiser dieser Welt ersehen. (Nec verum de mystica morte impiorum. Rom. 6, 23.) Es ist noch ein Todt der Gottlosen / davon ein Heyde auch nichts hat wissen können / davon Paulus predigen kan / der nicht schrecklich / sondern sehr lieblich ist; Der Todt ist der Sün
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den Sold / darumb muß nothwendig ein Sünder sterben / vnd muß sich nothwendig mit dem Todte ablohnen lassen. Das geschicht aber erstlich auff eine erschreckliche weise / wenn den Gottlosen das Vnglück tödtet / hernach auff eine liebliche weise. Da ist zwar seltzam zu sagen / daß ein gottloser vnd verdampter Sünder selig vnd lieblich sterben könne / so ist es doch so / vnd geschichet in Christo JEsu / in welchem ein jeglicher Gottloser stirbet / vnd wiederumb zum Leben aufferwecket wird. Das ist das liebliche(Thema.) Bilde eines Todtes vnd einer Aufferstehung / wie ein Sünder / ob er schon gottloß vnd verdampt ist / dennoch bey Leibes Leben könne lieblich sterben / vnd wieder aufferstehen. Welches Paulus in gegenwärtiger Epistel vns abbildet / zu solchem ende / daß er damit zeuge / wie die Gnade Gottes in CHristo JEsu nicht auff fleischliche Freyheit führe. Daß wirs aber verstehen / vnd fruchtbarlich bedencken / wolle Gott seine Gnade geben / Amen. ES hatte der Apostel in der Epistel an die Römer herrlich(Scopus & occasio.) hinauß geführet / die gnadenreiche Rechtfertigung eines Sünders / wie derselbe allein auß Gnaden durch das Verdienst Jesu Christi gerecht gesprochen würde / vnd diese Lehre hatte er geschlossen im fünfften Capitel / mit diesem anmütigen Lobe der Gnaden: Wo die Sünde mächtig worden ist / da ist doch(Rom. 5, 20.) die Gnade viel mächtiger geworden. Da fähret denn die rauhe Welt zu / vnd gedencket / So darffstu vmb dein Leben dich nicht viel bekümmern. Aber Paulus will solch ein Evangelium nicht haben / das Sünde zulässet; das wäre wol ein feines Evangelium. Wann nun Fleisch vnd Blut gedencken möchte / wir können wol in Sünde etwas verharren / denn es wird nur dadurch die Gnade desto mächtiger. So antwortet Paulus darauff: Das sey ferne / wie solten wir in Sünden wollen leben / der wir(Rom. 6, 1. & 2.)
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abgestorben seynd? Damit will er so viel sagen: Wer die Gnade empfangen hat / der hat dadurch nicht Freyheit zur Sünden / denn er ist der Sünden abgestorben / Wer aber der Sünden abgestorben ist / der soll nicht der Sünden weiter leben / sondern der Gerechtigkeit. Was das aber gesagt sey / vnd wie es geschehe / das (V. 3. 4. Proponitur in textu Imago 1. mysticae mortis & sepulturae.) erkläret er weiter / wann er spricht: Wisset jhr nicht / daß wir alle / die wir in Jesum Christum getaufft sind / die sind in seinen Todt getauffet? So sind wir je mit jhm begraben / durch die Tauffe in den Todt / auff daß / gleich wie Christus ist aufferwecket von den Todten / durch die Herrligkeit deß Vatters / also sollen auch wir in einem newen Leben wandeln. Es redet der Apostel von solchen Leuten / die getaufft seyn / denen stellet er jhre Tauffe für Augen / als einen Todt vnd Aufferstehung. Wann wir getaufft werden im Namen GOttes deß Vatters / Sohns / vnd Heiligen Geistes / so werden wir in Jesum Christ getaufft / daß wir denselben zu einem Seligmacher annehmen / vnd mit jhme eins seyn. Wann wir dann durch den Glauben mit Christo eins seyn / vnd sein Verdienst annehmen / so nehmen wir auch seinen Todt an / als eine Versöhnung für vnsere Sünde / das heisset denn in den Todt JESV Christi getaufft seyn / nemblich / wir werden getaufft auff einen solchen Glauben / dadurch wir Christum erfassen / als einen Seligmacher / der mit seinem Todte vnsere Sünde bezahlet hat. Denn wer sündiget / der muß den Todt leiden / nemblich die Höllenangst vnd die Verdamnüß / denn das ist der Sünden Sold. Wann dann alle Menschenkinder in Sünden empfangen vnd gebohren werden / so werden sie in der Tauffe für das Gerichte Gottes gestellet / als arme Sünder / vnd Kinder deß Zorns / die deß Todtes vnd Verdamnüß von Natur schuldig seyn. GOtt aber kommet
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mit seiner Gnade jhnen zuvor / vnd beut jhnen an den Todt seines Sohnes / als eine Bezahlung für jhre Sünde. Das nimbt auch ein Kind an / vnd tritt also in den Bund mit GOtt / der lautet also: So offt du mir in deinen Sünden die Wunden vnd den Todt meines Sohnes zeugen wirst / so soll das dein Lösegeld seyn / zu Bezahlung deiner Sünde. Der Glaube nimbt solches an / vnd spricht: Ich bin des Todtes schuldig / wolan / ich lege mich in die Wunden Jesu Christi / dieselbigen will ich dir auch allezeit für Augen halten / daß du dadurch meiner Sünden gnädig seyest. Also seynd wir auff den Todt Christi getaufft / das ist dann / das Paulus saget / Wir sind der Sünden abgestorben / das ist / Wir erkennen die Sünde / hassen vnd verbannen dieselbe / vnd mit zerbrochenem Hertzen bitten wir vmb Vergebung / durch den Todt JEsu Christi. In solcher Betrachtung solte mans mit dem Pracht was sachte angehen lassen / bey der H. Tauffe / vnd den Hoffart nur einstellen / vnd vielmehr recht zu Hertzen fassen / wie das armselige Kind / als ein Mißthäter / daselbst für Gottes Gericht geführet würde / vnd wie durch Gottes lautere Gnade / dasselbe Kind / das vmb seiner Sünde willen solte den ewigen Todt leiden / zu dem Todt deß Sohnes Gottes zugerechnet würde / auff daß damit vnd durch denselben die Sünde bezahlet werde. Es spricht Paulus nicht allein / daß wir in den Todt Christi getaufft seyn / sondern auch / daß wir durch jhn begraben seyn / durch die Tauffe in den Todt. Da Christus für vnsere Sünde gestorben ist / hat er vnsere Sünde mit sich ins Grab genommen / vnd begraben. Also sterben wir nicht allein in Christo / sondern wir werden auch begraben in den Todt / das ist / als die mit Christo gestorben seyn. Wann dann der Glaube in heiliger Tauffe den Todt Christi annimbt / das gilt für GOtt so viel /
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als wann wir selbsten für vnsere Sünde schon gestorben vnd begraben wären. Das wird angedeutet in der heiligen Tauffe / durch das Eintauchen vnd durch die Besprengung / da wir gleichsam mit Christo ersäufft vnd erwürget werden. Also ist die Tauffe mein Todt / ja mein Begräbnüß / das ist der liebliche vnd selige Todt eines Sünders. Verflucht von Natur ist jederman / daß sie vom Fluche loß werden / bedürffen sie nichts / als daß sie nur den Todt Christi annehmen / vnd denselben Gott fürhalten. (2. Mystieae vitae & resurrectionis.) Auff solchen einen lieblichen Todt folget auch eine selige Aufferstehung / Denn gleich wie Christus ist aufferwecket durch die Herrligkeit deß Vatters / also sollen auch wir in einem newen Leben wandeln. Da mercke: das natürliche Leben deß Menschen ist nichts anders / denn ein Todt / dann die Seele hat GOtt in seiner Gnaden verlohren / die Krafft dieses Todtes wird in diesem Leben nicht gefühlet / denn es gehöret dazu die Empfindnüß der höllischen Schmertzen / vnd das ist der ander Todt. Diesen Todt hat Christus für vns erduldet / vnd solch Leyden schencket er vns in der Tauffe vnd durch den Glauben / dadurch kommet GOtt wieder in die Seelen / wircket darin durch seine Liebe vnd Gnade / das ist denn das newe Leben. Wie nun Gottes Herrligkeit daran groß geworden / daß er den geereutzigten JESVM auß dem Todt vnd Gericht herauß gerissen / also wird auch die Herrligkeit Gottes bey vns groß / wann dieselbe vns auch auffwecket zum ewigen Leben / daß wir nicht mehr in Sünden todt ligen / sondern daß wir wandeln in der Gerechtigkeit / getrieben von dem H. Geist / als die durch Christum sind wieder lebendig worden. Darauß erkennen wir nun die Krafft deß Apostolischen Spruches: Wir sind der Sünden abgestorben / darumb sollen wir den Sünden nicht mehr leben; denn wer der Sünden gestorben ist zu solchem ende / daß er in einem newen Leben wandele / der muß der Sünde nicht dienen.
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Es belüstiget sich der Apostel in diesem Bilde deß Todtes(Illustratio imaginis ab insertionis similitudine.) vnd der Aufferstehung / drumb fähret er fort / vnd streichet es weiter auß / mit einem Gleichnüß eines Pfropffreißleins: So wir sampt jhm gepflantzet werden zu gleichem Todte / so(Ingenere. V. 5.) werden wir auch der Aufferstehung gleich werden. Was gepflantzet wird / wird darumb gepflantzet / daß es grüne vnd blühe. Christus ist durch den Todt gepflantzet zum Leben / denn durch den Todt ist er gerissen auß der Sünden / die auff Ihm lag / vnd auß dem sterblichen Leben. Da er aber herauß gerissen / grünet vnd blühet er jmmerdar. Wir seynd auch Pfläntzlein / himlische Reißlein in Christo gepfropffet / wir seynd Ihm einverleibet / denn so viel jhrer getaufft seynd / die haben Jesum Christum angezogen / darumb müssen wir jhme gleich / vnd seines Glücks theilhafftig werden / nicht allein vmb deß Exempels willen / sondern vielmehr wegen der Vereinigung / dieweil wir in jhm gepflantzet seyn. Gleich wie wir nun Gemeinschafft an Christo haben / durch seinen Todt / wie die Tauffe anzeiget / so müssen wir jhme auch in der Aufferstehung gleich werden. Wie solches zugehe / wird stückweise erkläret / erstlich zwar /(In specie 1. quoad mortem.) wie wir mit Christo gepflantzet werden zu gleichem Todte / Wir wissen / spricht der Apostel / daß vnser alter Mensch(V. 6. 7.) sampt jhm gecreutziget ist / auff daß der sündliche Leib auffhöre / auff daß wir hinfort der Sünde nicht dienen / denn wer gestorben ist / ist gerechtfertiget von der Sünde. Der alte Mensch ist die alte Natur / das ist / der natürliche(Quis vecus homo.) Mensch / mit allen Kräfften Leibes vnd der Seelen / wie er vom Fleisch gezeuget vnd geboren wird. Denn wir müssen hie nicht allein sehen auff den Leib / oder äusserliche Sünde / sondern auff den gantzen Baum / mit allen seinen Früchten / das ist / auff den gantzen Menschen / mit allen seinen Begierden vnd Wercken / so lang er
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noch / nach allen inwendigen vnd außwendigen Stücken / steckt in Vngehorsam vn̅ Gottesverachtung. Der heisst der alte Mensch / nicht von wegen der Jahren / sondern von wegen deß newen Menschen / welcher lebet nach Gottes Wort vnd Willen / denn so lange der natürliche vnd fleischliche Mensch noch nicht anders Sinnes worden / als wie er in der Sünde von Adam herkommen ist / so heisst er der Alte. (Quomodo srucifixus.) Von diesem alten Menschen zeuget Paulus / daß er mit Christo gecreutziget sey / denn dieweil er nur böse ist / so muß er als ein Vbelthäter vnd verfluchter Mensch nur gecreutziget / hingerichtet / vnd abgethan werden. Das aber ist geschehen in dem Todte Christi / denn Christus hat mit seinem tödtlichen Leyden für vnsere Sünde bezahlet vnd gnug gethan / vnd wir / wenn wir getaufft werden / nehmen wir an / den Todt Christi / als den Todt vnsers alten Menschen / denn vnser Glaube an den gecreutzigten JEsum gilt so viel / als wann der Sünder selbsten gerichtet vnd gecreutziget wäre. (Quo fine exucifixus.) Worzu aber ist solches geschehen? Vielleicht daß wir Freyheit zur Sünden haben. Mit nichten / sondern Paulus saget: Vnser alter Mensch ist sampt Christo gecreutziget / auff daß der sündliche Leib auffhöre / daß wir hinfort der Sünden nicht dienen. Der sündliche Leib ist das Regiment / Wesen / vnd Verbündnüß der Sünden / denn wie ein gantzes Heer / oder eine gantze Gemeinschafft / ein Corpus vnd ein Leib genennet wird / vnd wie die Christliche Kirche / die an Christo als dem Haupte hanget / auch einen geistlichen Leib machet / also machet das Reich der Sünden auch einen Leib / dasselbe muß auffhören / geschwächet / vnd vntüchtig gemacht werden / daß wir / wie Paulus es selbsten außleget / hinfort der Sünden nicht dienen. Denn ich muß nicht meynen / daß meine Heiligkeit darin bestehe / daß ich keine Sünde in mir fühle / denn so lang
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ich lebe / bleibet der böse Schalck in mir / machet mich träge zum guten / vnd treibet mich zu vielem bösen / ja je mehr ein Mensch der Heiligkeit nachstrebet / je mehr er mit Paulo empfindet / daß in jhm / das ist / in seinem Fleisch nichts gutes wohne. Ein ander empfindet es so sehr nicht / denn er gibt nicht acht darauff. Weil ich aber weiter auch ein Christ bin / widersetze ich mich dem Leibe der Sünden / vnd lasse jhm den Willen nicht. Da heisst es dann / daß der Leib der Sünden geschwächet ist / also / daß ich der Sünden nicht diene. Also ist der Leib der Sünden zwar zugegen / aber er soll nicht herrschen / sondern krafftloß gemacht werden / daß wir jhme nicht dienen. Also höret denn auff der Leib der Sünden in diesem Leben / durch den zeitlichen Todt aber muß er gar vntergehen / denn weil der sündliche Leib nicht will sterben / sondern widerstrebet noch jmmerdar / muß GOtt jhn endlich gar hinreissen / daß er den Todt an der Sünden fresse. Sehet / zu was ende vnser alter Mensch mit Christo gecreutziget wird / zu was ende wir das Creutz Christi zu einer Versöhnung annehmen / nemblich / daß der sündliche Leib auffhöre / vnd vnkräfftig gemachet werde / daß wir der Sünden nicht mehr dienen. Wo denn der Sünden noch alle Krafft gelassen wird / da ist freylich der alte Mensch nicht gecreutziget / da gilt denn auch keine Versöhnung / sondern der Mensch bleibet vnter dem Zorn / in einem bösen Gewissen / vnd kan zu Gottes Reich nicht kommen. Fragstu aber / was für eine Nothwendigkeit sey in diesem(Ratio finis.) Apostolischen Spruch: Der alte Mensch ist gecreutziget / darumb soll er auffhören; so zeiget vns dieselbe der Apostel auch in der Vernunfft. Denn wer gestorben ist / der ist gerechtfertiget von der Sünde. Wenn ein Dieb oder Mörder den Todt erlitten / so hat er sein Recht außgestanden / ist frey gemacht / vnd hat mit den vorigen Sünden nicht mehr zu thun / daß in dem welt
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lichen Gericht / darinnen er gestorben / man jhn nicht mehr besprechen kan. Also achte auch ein Christ / daß er der Sünden todt sey / vnd vmb derselben willen in Christo das Gericht vnd Verdamnüß außgestanden / darumb soll er auch die verdampte Sünde hassen / vnd mit jhr keine Gemeinschafft mehr haben. (2. Quoad vitam.) Nun folget / wie wir sampt Christo gepflantzet werden / jhme gleich zu seyn in der Aufferstehung / denn es saget Paulus: (V. 8. 9. 10. 11.) Sind wir mit Christo gestorben / so glauben wir / daß wir auch mit Ihm leben werden. Vnd wissen / daß Christus von den Todten erwecket / hinfort nicht stirbet. Der Todt wird hinfort über jhn nicht herrschen. Dann daß er gestorben / das ist er der Sünde gestorben zu einem mahl: Daß er aber lebet / das lebet er Gotte. Also auch jhr / haltet euch dafür / daß jhr der Sünde gestorben seyd / vnd lebet Gotte (in Christo Jesu vnserm HERRN.) Gleich wie wir nun Christo gleich worden seyn in seinem Todte / also seynd wir auch in jhme gepflantzet / daß wir jhm gleich seyn sollen in seinem Leben / erstlich zwar / daß wir durch seinen Geist hie in einem newen Leben wandeln / darauff denn hernach folget das Leben in der Herrligkeit. Das glauben wir / spricht der Apostel. Der Grund deß Glaubens ist das Leben Christi / das in Ewigkeit nicht geendiget wird / der Todt herrschete über Christum in seinem Leibe / hinfort aber wird er über jhn nicht mehr herrschen / denn daß er gestorben ist / das ist er für vnsere Sünde gestorben / vnd nur einmahl / dann mit einem Todt hat er eine vollkommene Erlösung erfunden / wann er aber von den Todten wieder aufferwecket ist / so lebet er durch vnd zu der Herrligkeit deß Vatters jmmerdar. Krafft dieses Spruchs glauben wir / daß die Menschheit /
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die Gottes Sohn an sich genommen / vnd in den Thron der Heiligen Dreyfaltigkeit gesetzet hat / er nimmermehr werde wieder ablegen / sonsten würde Christus nicht leben ewiglich. Wie es aber Christo ergangen / also muß es auch vns ergehen / glauben wir / daß wir in Christo Jesu durch den Glauben der Sünden gestorben seyn / sollen wir auch wissen / daß wir leben nicht der Sünden / sondern Gotte durch Christum Jesum vnsern HERRN. Der Sünden seynd wir gestorben / denn wenn wir den gecreutzigten JESVM im Glauben annehmen / gilt es für GOtt so viel / als wann wir mit Christo für die Sünde gestorben wären / auff daß wir von derselben frey seyn / vnd nicht mehr mit jhr zu schaffen haben. So leben wir auch GOtt durch Christum JEsum vnsern HERRN / dieweil Gottes Gnade vnd Gunst sich wieder mit vns durch den Glauben vereiniget hat / vnd wir durch denselben wieder newe Lebenskräffte bekommen haben / zu leben nach Gottes heiligem Willen. Anders kan es nichtseyn / so lange ich in Christo gepflantzet bin / denn ich vnd Christus seynd eins / wie ich in Christo bin / wenn ich der Sünden sterbe / so bleibe ich auch in jhm / wenn ich in jhm lebendig werde / denn er wirfft mich nicht von sich. Das ist also die Erklärung deß lieblichen Bildnüß / vom Todte vnd Aufferstehung in Christo / welches auch zun Colossern am 2. Cap. derselbe Apostel mit wenigem berühret / wenn er spricht: In Christo Jesu seyd jhr beschnitten / mit der Beschneidung(Coloss. 2, 11. 12. 13.) ohne Hände / durch Ablegung deß sündlichen Leibes im Fleisch / in dem jhr mit jhm begraben seyd / durch die Tauffe / in welchem jhr auch seyd aufferstanden / durch den Glauben / den GOtt wircket / welcher jhn aufferwecket hat von den Todten / vnd hat euch auch mit jhm lebendig gemacht / da jhr todt waret in den Sünden. Die Meynung kürtzlich ist diese: Gleich wie wir durch den Glauben in Christo sterben / da wir den Todt Christi annehmen /
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vnd als eine Bezahlung vnd Versöhnung für vnsere Sünde / für Gottes Angesicht darstellen / also müssen wir auch mit Christo aufferstehen zur Herrligkeit deß Vatters / vnd in einem newen Leben wandeln. (Usus Ne sub spe gratiae amem 9 peccata; siquide̅ in amore peccatoru̅, frustra speratur gratia.) So hüte dich nun / frommer Christ / daß du vnter der Hoffnung der Gnaden dich ja nicht in Sünden belustigest. Der rohe freche Hauffe will frey seyn / vnd kein ding thun / ohn was jhm gefällt / vnd tröstet sich bey jhrer Frechheit der Gnaden. Ist aber nichts / der Apostel macht solch einbilden der Gnade gantz zu nicht. Die Gnade vermehret nicht die Sünde / sondern frisst sie; vnd eben darumb ist die Gnade da / daß sie die Sünde sresse vnd tödte. (Fundamentum 1. à fidei proprietate.) Fasse nur eben wol den Grund / den vns der Knecht Gottes Paulus hierin vorhält. Erstlich stellet er vns den Glauben für / nicht als ein blosse Wissenschafft / sondern als eine Creutzigung vnd Tödtung. Denn das heisst glauben / wann ich über die Sünde betrübt vnd erschrocken / lauffe zu dem Todte deß Sohnes Gottes Jesu Christi / denn er an meiner statt gelitten / vnd nehme denselben also an / als wäre er mein eigen Todt vnd Gnugthuung für meine Sünde. (Cujus consequentia 1.) Sihe nun / wie es vnmüglich ist glauben / vnd in Sünden bleiben. So lange ich glaube / so lange werde ich für GOtt gehalten als einer / der in vnd mit Christo der Sünden stirbet; wie solte ich denn der Sünden leben? Durch den Glauben halte ich den Todt Christi demütiglich für dem Gerichte Gottes / als meinen Todt vnd Gnugthuung für meine Sünde / vnd also sterbe ich mit Christo. Darumb in welchem Augenblick ich mich in Sünden belustige / willig vnd beharrlich / in demselben Augenblick höret mein Glaube auff; denn ich sterbe nicht in Christo / vnd versühne nicht mit erschrockenem Hertzen durch den Todt Christi meine Sünde. In dem ich zur Bezahlung für meine Sünde den Todt Christi annehme / in dem muß ein Verdruß über die Sünde seyn / daß ich sie verfluche vnd verdamme / an meinem eignen Leibe.
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Darumb stehet nicht vergebens bey einander: Thut Buß / vnd glaubet dem Evangelio / nemblich / wer nicht Busse thut / der kan vnd soll auch nicht glauben. Darumb wisse / O Mensch / so du glaubest / so bistu der(Conseq. 2.) Sünden gestorben. Da du zur Tauffe geführet bist / da bistu fürs Gericht gestellet / vnd hast den Todt Christi angenommen / als eine Gnugthuung für deine Sünde; das ist so viel / als wann du selbst für deine Sünde gestorben wärest. Wirstu dich den sündlichen Lüsten wieder ergeben / so vergleiche ich dich einem Thoren / der ein abschewlich stinckendes Aaß hat begraben / vnd in der Sonnen Hitz wieder herfür kratzet / vnd an die Sonne leget. Ich vergleiche dich einem Vbelthäter / der vmb seiner Missethat willen gerichtet wird / vnd nach gehaltenem Gericht zur vorigen Missethat lauffet. Das alte sündliche Wesen ist ja schon mit Christo getödtet / da ist das Vrtheil deß Todtes vnd der Verdamnüß darüber gesprochen / darumb sollen wir es auch als verdampt halten / vnd jhm nicht gestatten in vns zu leben. Diß ist das vornembste / das du betrachten sollest / nemblich /(Fundam. II. à vitâ novi hominis.) welches die eigentliche Art vnd Krafft deß Glaubens sey. Doch bedenck auch dieses: wer auff besagte weise in Christo nicht stirbet / der ist nicht aufferwecket zum newen Leben. Denn diese Ordnung machet Paulus: Wir seynd mit Christo begraben durch die Tauffe in den Todt / auff daß / gleich wie Christus ist aufferwecket von den Todten / auch wir in einem newen Leben wandeln; So wir sampt jhm gepflantzet werden zu gleichem Todt / so werden wir auch der Aufferstehung gleich seyn. Erstlich muß man in Christo sterben / darnach mit jhm auffstehen / vnd lebendig werden. Wer aber hie in Christo nicht auffstehet / vnd von den Todten lebendig wird / der wird auch nicht auffstehen / vnd mit Christo leben in der Herrligkeit. Derwegen / so lange du nicht tödtest das sündliche
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Wesen / so lange lebestu in Gefahr vnd Verlust deß ewigen Lebens. (Fundam. III. ab unione cum Christo.) Endlich kan auch die Vereinigung vnd Verbündnüß der Glaubigen mit Christo keine Freyheit der Sünden zulassen. Wir seynd in jhm gepflantzet / als Reißlein / zu gleichem Todte / so müssen wir auch der Aufferstehung gleich seyn. Die Glieder nehmen an die Natur deß Leibes / dessen Glieder sie seyn; ein Hundesglied hat Hundes Natur; einer Sawen Glied hat Sawen Natur; ein (Rom. 8, 9.) Glied Christi hat Christi Natur / vnd wer den Geist Christi nicht hat / der ist nicht sein. Was du pflantzest / pflantzest du dazu / daß es grüne vnd blühe; bistu ein in Christum gepflantzetes Reißlein / so mustu auch nach seinem Geist vnd Lebenskrafft grünen vnd blühen. (Simile.) So treib nun kein Schertz mit der Gnade / es muß hie ein Ernst seyn. Ists nicht wahr? wo grosse Noth / muß auch grosse Errettung seyn. Sollstu aber darumb sprechen / Lasst vns ins Fewr lauffen / oder mitten ins Meer stürtzen / daß die Errettung deßzu herrlicher sey / würdestu GOtt nicht versuchen? Wo die Sünde groß ist / da ist die Gnade deßzu grösser. Das ist ja wahr / denn es gehöret grosse Gnade dazu / daß ein Sünder auß den Sünden gezogen werde / vnd wie grösser deine Sünde gewesen / wie höher du die Gnade preisen solt. Du bist auß grossem Verderben gezogen. Soltestu darumb in Sünden gedencken; Ich wils wagen / Gott ist gnädig / er wird die Sünde wol vergeben. Wird nicht an dir erfüllet werden das Sprichwort: Wer sich in Gefahr stürtzet / der wird darin vmbkommen. (Rom. 6???, 12. 13.) Laß vielmehr bey dir gelten / was Paulus saget: So lasset nun die Sünde nicht herrschen in ewrem sterblichen Leibe / jhr Gehorsam zu leisten in jhren Lüsten; auch begebet nicht der Sünden ewre Glieder zu Waffen der Vngerechtigkeit / sondern begebt euch selbst GOtt / als die da
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auß den Todten lebendig sind; vnd ewre Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. Ehe wir in Christo lebendig werden / begeben wir vnsere Glieder zum Werckzeug der Boßheit / nach allem gefallen deß Teuffels. Das muß nun nicht mehr seyn / wann wir mit Christo der Sünden gestorben / vnd lebendig geworden seyn. Deinem Fleisch wirds ja nicht wol thun / aller Freyheit beraubet(Occupatio de resistentia carnis.) seyn; drauff darffstu nicht warten. Es heisst hie: Wer sein Leben liebet / der wirds verlieren. Will das Fleisch in dieser Welt nicht auffhören zu widerstreben / so sollstu auch nicht auffhören / es durch den Geist zu würgen vnd zu tödten / daß es kein Krafft vnd Leben in dir habe. Allein gib acht darauff / wann die Versuchung deß Fleisches(Modus resiste̅di rentationibus de gratiâ.) heran tritt / mit solchem einbilden: Es wird ja so groß nicht daran gelegen seyn / wann ich schon diß oder das thue. Wie leben andere Leute? Vnser HErr GOtt ist gnädig / er wirds wol vergeben. Diß seynd Gedancken / die auch ein frommer Christ bey jhm empfinden wird: darauff muß er aber acht geben / daß er sie mercke / vnd jhnen wisse zu begegnen. Dann Blindheit vnd vergebens ists / wann wir bey muthwilliger ergebung der Sünden vns der Gnaden trösten. Christi Todt zeiget gnug an / daß GOtt die Sünde nicht leiden will. Gleich wie Christus einmal der Sünden gestorben / hernach den Todt über jhn nicht herrschen lässet; also haltet dafür / daß jhr auch der Sünden gestorben seyd / vnd lebet Gott / in Christo Jesu vnserm HERRN / AMEN.
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Am VII. Sontage nach Trinitatis.
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Von zweyerley Dienstbarkeiten / vnd von derselbigen Art vnd Lohn.
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TEXTVS Rom. 6. V. 19. usque ad finem.
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V. 19. ICh muß menschlich davon reden / vmb der Schwachheit willen ewers Fleisches. Gleich wie jhr ewere Glieder begeben habt / zu dienste der Vnreinigkeit / vnd von einer Vngerechtigkeit zu der andern / Also begebet auch nun ewere Glieder zu dienste der Gerechtigkeit / daß sie heilig werden. V. 20. Dann da jhr der Sünden Knechte waret / da waret jhr frey von der Gerechtigkeit. V. 21. Was hattet jhr nun zu der Zeit für Früchte? welcher jhr euch jetzt schämet. Dann das Ende derselbigen ist der Todt. V. 22. Nun jhr aber seyd von der Sünden frey / vnd Gottes Knechte worden / habt jhr ewer Frucht / daß jhr heilig werdet / das Ende aber das ewige Leben. V. 23. Dann der Todt ist der Sünden Sold / aber die Gnade Gottes ist das ewige Leben / in Christo Jesu vnserm HERRN.
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Geliebte in Christo Jesu.
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AVff dieser Welt seynd allezeit bey einander zwey grosse Regimenter(Exord. A duobus semper durantibus in hoc mundo regnis.) / Christi vnd deß Satans: vnd wann Christus eine Kirche bawet / bawet der Satan wol zehen Capellen. Von Anfang war es nicht also da GOTT alleine / Krafft seiner Schöpffung herrschete / vnd der Mensch sich auch von GOtt regieren ließ / denn es brauchet der Mensch im Stande der Vnschuld nicht seinen eigenen Willen / sondern Gottes Wille war sein Wille / ja GOtt war jhm alles. Durch Betrug deß Satans ist auff gestanden ein newes Reich / nach dem demselbigen nicht mit war / daß in seiner fürtrefflichen Weißheit er solte vnter GOtt seyn / vnd erkennen / daß all sein Vermögen nur auß GOtt herfliesse / auch alle Ehre seines Thuens vnd Wesens zu GOtt solte wieder fliessen / ist er von GOtt abgefallen / vnd hat damit zu erst eine Trennung im göttlichen Regiment gemacht. Damit er noch nicht ist friedlich gewesen / sondern nach dem er einen vnversöhnlichen Haß gefasset / als ein verdampter vnd von GOtt verworffener Geist / hat er dahin getrachtet / wie er auch Gotte das Regiment in den Seelen der Menschen benehmen möchte / damit er Gotte / welchem er vnmittelbar nicht schaden konte / in seinen edelsten vnd liebsten Creaturen ein Verdruß thäte. Der grosse GOtt wird zwar durch diesen Abfall der Engel vnd der Menschen nicht geringer / oder vnglückseliger / denn er hat alle fülle vnd alle gnüge deß Guten bey jhm selbsten / wie alles Gute von GOtt herkompt / also ists in GOtt gewesen in Ewigkeit. Zu dem soll keine Creatur gedencken / daß sie dem Regiment Gottes schlechter dinges entlauffen könne / fallen wir auß dem Reich der Gnaden / bleiben wir dennoch vnter seinem mächtigen Zepter / damit er schläget vnd straffet / alldieweil auch der König deß verdampten Reichs vnter dem gewaltigen Gerichte Gottes ist / vnd bleiben muß. Doch erkenne die Liebe deines HERRN / der dich auß dem
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verdampten Reich erkaufft hat / nicht mit Gold oder Silber / sondern mit seinem Blut / durch solche Erlösung hat er dir die Macht gegeben wieder zu kehren / ruffet dich auch durch sein Evangelium zu seinem Gnaden-Reich / vnd durch seinen H. Geist ziehet er dich. Vnter deß bleibet der Satan beschäfftig / schläffet nicht / sondern suchet sein bestes / wie er sein Reich erhalten vnd erweitern möge / vnd wie weniger Zeit er übrig hat / je mehr er arbeitet / seiner Zeit zu gebrauchen. Also regieren stets bey einander auff Erden CHristus vnd Belial; wann aber das Ende aller Dinge kommen wird / (1. Cor. 15, ???4.) da wird Christus / wie Paulus meldet / das Reich GOtt vnd dem Vatter überantworten / da er auffheben wird alle Herrschafft / vnd alle Obrigkeit vnd Gewalt / vnd also auch alle Herrschafft deß Satans. Hie regieret Christus durch den Glauben / mitten in der Schwachheit / dort aber wird GOtt regieren ohne Glauben / vnd ohne Schwachheit / denn da wird vns keine Sünde mehr drücken / sondern aller Schätze / darauff wir bißher im Glauben gehoffet / werden wir sichtbarlich geniessen / also / daß GOtt alles in allem seyn wird. Seynd derwegen vier grosse Reiche vnd Monarchien / erstlich das Reich deß Schöpffers / da alle Creaturen / weil sie durch die Schöpffung von GOtt alles empfangen haben / schuldig geworden seyn / mit allem Vermögen GOtt nach seinem Willen zu dienen. Das ander deß Satans / der an Gottes statt durch die Sünde sich in deß Menschen Hertz gesetzet hat. Das dritte ist das Reich Christi / welches er verwaltet durch den Glauben / da er als ein Gewaltiger dem Starcken seinen Raub außführet / vnd durch den H. Geist die vnreine Seele zu einem heiligen Leben ernewert. Das vierdte ist deß Vatters / wann der Sohn dem Vatter das Reich übergibet / vnd jhm die Ge
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meine / welche er durch sein Wort versamlet / wird überantworten / die daselbst keine Anfechtung mehr fürchten darff / alldieweil jhr Widersacher der Teuffel nicht mehr herrschet / sondern vnter dem Gerichte Gottes ewige Straffe leiden wird. Das erste ist durch deß Satans Boßheit auffgehoben / das vierdte ist noch zukünfftig / das ander vnd das dritte bleibet auff Erden beysammen. Da hat nun ein Mensch sich zu bedencken / vnter welchem Regiment er leben wolle / daß es jhne in Ewigkeit nicht gerewe. Zu solchem ende werden in vorhabender Lection beyderley Regierungen(Thema.) vns fürgehalten / Damit wir nun klug werden / vnsere Pflicht vnd das Ende erkennen / wollen wir mit Andacht dem Geist Gottes zuhören. GOtt rühre vnsere Hertzen / daß wir das beste erwehlen / Amen. VOrhin hat der Apostel Christi einen Christen vns fürgestellet / als einen verfluchten Sünder / der in Christo selig stirbet / vnd wieder lebendig wird; nun stellet er jhn für / als einen von schändlicher Dienstbarkeit erfreyeten Knecht: beydes zu dem ende / daß er vns das einbilden eines frechen freyen Lebens beym Evangelio benehme. Vorhin brauchte er solche Worte / die der Welt nicht käntlich seyn; mit Christo der Sünden absterben / in seinen Todt begraben werden / mit jhm gepflantzet werden zu gleichem Todt / daß wir auch der Aufferstehung gleich werden; das ist eine solche Rede / die kein Heyde verstetzet / kan auch schwerlich / ohn allein von wolgeübten Christen / verstanden werden / ob wol die rechte lebendige Krafft deß Glaubens darin außgedrucket wird. Nun will er einfältiger weise von der Sache reden / vnd spricht: Ich muß menschlich davon reden / vmb der(V. 19.) Schwachheit willen ewres Fleisches. Er will so reden / daß es auch die gemeine Vernunfft verstehen kan; vmb der Schwachheit willen deß Fleisches / das ist / deß fleischlichen Verstandes / der das Geistliche nicht geistlich begreiffen kan. Daher nimpt er wi
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der die Frechheit der Sünden einen Grund auß dem gemeinen Leben / Als wolt er sagen: Ein Herrspricht ja zu seinem Knecht: Du dienest mir / drumb soltu thun was ich will. Ihr / die jhr von dem Sünden-Reich erlöset seyd / jhr seyd Gottes Knechte worden / vnd gebet euch auch dafür auß / drumb ists nicht mehr denn billich / daß jhr Gottes Willen thut / vnd nicht dem Teuffel dienet. (Hortatio ad servitiu̅ justitiae contra imperium iniquitatis.) So sihet nun Paulus abermal dahin / daß er vns überrede / bey der Erkäntnüß deß Glaubens nicht der Sünden / sondern GOTT zu dienen / wie er denn spricht: Gleich wie jhr ewre Glieder begeben habt zu Dienst der Vnreinigkeit / vnd (V. 19.) von einer Vngerechtigkeit zu der andern; also begebet auch nun ewre Glieder zu Dienste der Gerechtigkeit / daß sie heilig werden. Er setzet gegen einander zweyerley Herrschafft / die eine ist die Herrschafft der Sünden / die ander ist die Herrschafft der Gerechtigkeit. In derersten ist Herr vnd König der Satan / der nimpt zu seiner Tochter an die fleischliche Lüste / die in vnserm Hertzen liget / denn es ist sein Saame / die macht er zur Königin / mit jhm in den Menschen zu herrschen / denn sie seynd sehr eins / vnd haben einen Sinn. Weil sie aber Herren seyn / wollen sie auch Knechte haben / das seynd vnsere Glieder / alle Kräffte Leibes vnd der Seelen / die müssen nur tantzen / wie jhnen der Teuffel durch die Lüste vorpfeiffet. Da bleibet dann der Mensch nicht allein im Hertzen vnrein vnd böß / sondern die Wercke werden auch böse; vnd das ist die Dienstbarkeit / davon Paulus saget: Ihr habt ewre Glieder begeben zu Dienste der Vnreinigkeit vnd der Sünden / zu Vollziehung der Sünden. Zum Exempel nimb den Zorn vnd Begierligkeit / alles widerwärtige zu rächen / vnd nichts zu leiden. Diese ist der Natur angenehm vnd lieblich / wie auch dem Teuffel selbst / der hilfft jhr / als seiner Tochter / gewaltiglich / vnd gibt jhr Kräffte / daß sie sich nicht wehren / noch einreden lasse; vnd spricht: Laß dich
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nicht zur Magd machen / deinen Willen zu brechen / sey selbst eine Herrin deines Lebens. Wann dann niemand ist / der dieser Königin ins Spiel sihet; so müssen die Glieder folgen / vnd nur thun / was die Lüste gebieten / der Mund flucht vnd lästert / die Hand schlägt von sich damit ist die Sünde begangen / vnd hat der Teufel sampt seiner Tochter / der angebornen fleischlichen Begierligkeit / den Muth gekühlet. Diese ist eine harte Herrschafft / vnd schwere Dienstbarkeit / denn sie leidet nichts anders als Sünde / vnd lässt keinen frembden Dienst zu. So kan auch kein Mensch durch eigne Kräffte von dieser Dienstbarkeit abkommen. Vom Dienste Gottes hat er sich wol können loß machen / die Sünde aber will jhn auß jhrem Dienst nicht lassen / sondern vielmehr stürtzet sie den Menschen von einer Sünde zur andern. Denn es will nicht gerne eine Sünde allein seyn. Wann Cain vor erst in seinem Hertzen wider seinen Bruder einen Groll fasset / verstellet er bald darauff sein Angesicht / darauff folget Todtschlag / Sicherheit / Lügen / Verzweifflung. Also fiel Judas vom Geitz auff verrätherische Falschheit / von dannen in Verzweifflung. Eben das findet sich auch bey den Frommen / wann sie der Herrschafft deß Fleisches nur etwas raum geben. Wenn David seinen Lüsten gegen einem schönen Weibe folget / fällt er bald darauff in Falschheit gegen dem Nechsten / in Heucheley vnd Scheinheiligkeit / in Todtschlag / vnd wol gar in Sicherheit. Das Reich der Gerechtigkeit ist diesem Sünden Reich gantz zu wider. Da ist GOtt König vnd HERR / vnd regieret in den Menschen durch einen newen Geist. Weil dann GOtt König vnd HERR ist / so muß er auch Diener haben / das sollen seyn abermal vnsere Glieder. Wie nun ein Sündenknecht thut / wozu jhn seine fleischliche Lust vnd Begierde treibet; so muß ein Diener Gottes vnd der Gerechtigkeit acht haben auff den Willen Gottes / vnd auff den Rath vnd Trieb deß ernewerten Geistes / der Krafft der Wiedergeburt / die in jhm ist. Zum Exempel. Lob Got
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tes vnd Dienst deß Nechsten ist ein Werck der Gerechtigkeit. Zu diesem Dienste bedarff GOtt deine Glieder. Darumb muß das Hertz durch Lieb entzündet werden / vnd dem Zorn vnd Neyd wehren; der Mund muß segnen / die Hände gutes thun. Vnd das ist der Dienst / dazu vns Christus durch seinen Knecht Paulum bringen will. (Causa implicita ab aequo.) Das erfodert die Billigkeit selbst. Denn wisset jhr nicht / daß jhr dessen Knecht seyd / dem jhr dienet. Nun ist ein von Sünden erkauffter / vnd vons Teuffels Banden erlöseter Mensch / ein Diener Gottes / dafür wir auch wollen angesehen seyn; so schicket es sich ja nicht / daß ein vons Teuffels Banden erlöseter Mensch wolte Lust haben / dem Teuffel zu dienen / er wolte denn von newem ein Knecht deß Teuffels vnd der Sünden werden / weil auch Christus (Joh. 8, 34.) saget Johan. am 8. Cap. Wer sündiget / der ist der Sünden Knecht. Hastu einen Menschen auß deß Türcken Ketten erkauffet / vnd zu deinem Knechte angenommen / so würde es dir ja nicht gefallen / so derselbige Knecht mit seinem Dienste / dir zu wider / dem Türcken zugefallen wäre. Daß er vorhin dem Türcken gedienet / wäre jhm nicht zu verdencken / denn er war sein gefangener Knecht / nun er aber solches thut / dir zum Nachtheil / nachdem er von dir erlöset / vnd zu deinem Dienste erkauffet ist / zürnest du billich. (Causa explicita. à conditione utriusque regni.) Mag aber die Billigkeit nichts bey vns erhalten / so setzet der Apostel eine andere Vrsach hinzu / vns zu bewegen / daß wir vns gefallen lassen / viel lieber der Gerechtigkeit vnsere Glieder zu Diensten zu begeben / als der Vngerechtigkeit. Nemblich / er gibt vns das Ende zu bedencken / was für Nutzen wir auß diesem oder (V. 20. 21. 22.) jenem Dienst davon bringen. Denn da jhr der Sünden Knecht waret / da waret jhr frey von der Gerechtigkeit / was hattet jhr nun zu der Zeit für Frucht? welcher jhr euch jetzt schämet / denn das Ende derselbigen
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ist der Todt. Nun jhr aber seyd von der Sünden frey / vnd Gottes Knechte worden / habt jhr ewre Frucht / daß jhr heilig werdet / das Ende aber / das ewige Leben. Da merck / lieber Christ / was du bey deinem Dienst zu erwarten hast / du dienest der Gerechtigkeit oder der Sünden. In dem Sündendienst findestu zweyerley / 1. eine Freyheit / 2. den Nutzen / den du endlich davon bringest. Von der Freyheit sagt Paulus: Da jhr der Sünden Knecht waret / da waret jhr frey von der Gerechtigkeit. Ein Knecht Gottes muß in allem seinem Leben sich hüten / daß er nicht thue seinen Willen / ja muß auch seine Gedancken wissen im Zaum zu halten; davon ist ein Sündendiener frey / der mag gedencken / reden vnd thun nach aller Lust seines fleischlichen Hertzen. Ein Knecht Gottes hat eine einige Richtschnur / darnach muß er sich richten in allem seinem Leben / das ist jhm Gottes Wort vnd Wille. Der Sündenknecht ist an solcher Richtsehnur nicht verbunden / darff nicht sehen auff GOtt oder Gewissen / sondern nur / wanns jhm so eben fällt / seinen Begierden vollen lauff lassen. Solches zu verstehen / mustu wissen / daß im Gesetz zwey Stück zum Zweck dem natürlichen Menschen vorgesetzet seyn / so lang er vnter deß Gesetzes Zwang vnd Bottmässigkeit ist; deren eines er nothwendig erwehlen / vnd auff sich nehmen muß / also / daß wann er eines erwehlet / er vom andern frey ist. Diese Stücke heissen Gerechtigkeit / oder Fluch. So lang nun der Mensch in vollkommener Gehorsamkeit der Gerechtigkeit sich vntergibet / ist er frey vom Fluch; so bald er aber vnter den Fluch gerathen / ist er frey von der Gerechtigkeit. Denn das ist die Stimme deß Gesetzes; Diß soltu halten / oder sterben. Wann dann der Sünder sich ergibet zu sterben / darff er vom Gesetz zur Gerechtigkeit sich nicht mehr zwingen lassen / sondern mag leben jmmer hin / nach deß Fleisches Freyheit.
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Eine feine Art für einen eigenwilligen Menschen / auß der Regierung deß Schöpffers zu tretten; daß du frey seyest vom Dienste Gottes / so stürtze dich nur in das Reich deß Satans / da findestu Freyheit. Was bringts aber für Früchte? dessen wir vns müssen schämen / denn das Ende ist der Todt. Man solte meynen / die Weltmenschen müsten gewiß grossen Gewin davon haben / daß sie auß der Regierung deß Schöpffers sich zur Dienstbarkeit deß Satans begeben. So hälts auch die Welt für köstlich Leben / denn es thut dem Fleische sanfft. Ihr Lohn aber ist Schand vnd Todt / ein billiger Lohn für solchen Dienst. Erstlich hat der Sündenknecht Schand zu Lohn / ob ers wol anfangs nicht mercket / denn mancher rühmet sich wol seines Muthwillens / doch bleibet die Sünde in der Warheit seine höchste Schande / dessen er sich zum meisten zu schämen hat / denn er ist in seinen Sünden ein Stanck für GOtt / wie ein Aaß / wann die Seele darauß fähret; vnd kan nichts schändlichers erdacht werden / als daß ein Christ / der mit Gottes Blut erkauffet vnd gereiniget ist / sich vom Teuffel soll gebieten vnd führen lassen. Zu seiner Zeit wird diese Schande gnugsam offenbar werden / nemblich / wann die Sünde recht erkant wird. Denn so lange die Sünde nicht erkant wird / so lange schämet man sich nicht. Adam vnd Eva schämeten sich / für GOtt zu erscheinen / vnd musten sich ins Hertze schämen / da sie jhre Schande fühleten. Ob du nun zwar / du armer Sünder / von keiner Schand vnd Scham weissest / so wirstu doch einmal gewiß deine Schande sehen / entweder zum guten / wann du durch wahre Busse zum andern Leben gekehret wirst / (denn von denselben redet Paulus hie / daß die vorhin der Sünden gedienet / sich jetzo derselben schämen) oder zum ewigen Verderben / da die Sünde mit aller anklebenden Schande in deinem Gewissen wird entdecket werden.
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Denn fürs ander hat der Sündenknecht zum letzten Lohn / den Todt. Wer sich hie nicht will schämen lernen / der muß sich ewig schämen / vnd dabey sterben. Die Sünde ist an jhr selbst ein Todt / in dem die Seele durch Vngehorsam sich von GOtt / als vom Brunnen deß Lebens / scheidet. Daher kompt auch der Stanck / vnd Schande der Sünden. Dann wie der Leib stinckend wird / wann die Seele außfähret; also kan auch bey der Seelen nichts denn Stanck seyn / bey der GOTT nicht mehr zu wohnen lust hat. Dennoch aber lässet der Todt seine Bitterkeit nicht schmecken / ehe die Seele ins Gericht gezogen wird / da fanget an der ander Todt / ein Wurm / der vnauffhörlich die Seele naget vnd ängstiget / vnd nicht stirbet noch müde wird; vnd ein Fewr / das vnauffhörlich brennet / vnd nicht verleschet. Da hastu den Lohn / vnd das ende deiner Freyheit. Nun besihe auch / was in vnd beym Dienste Gottes du zu erwarten hast. Wenn jhr von der Sünden frey seyd / vnd Gottes Knechte worden / habt jhr ewre Frucht / daß jhr heilig werdet / das Ende aber das ewige Leben. Da findestu auch zweyerley / 1. eine Last / 2. den Nutzen. Wie Paulus vorhin redet von solchen Leuten / die der Sünden dienen / vnd denselben jhr Glück vorgeschrieben / also redet er hie von solchen Leuten / die von der Sünden frey gemachet seyn; das ist / die durch Christum Jesum im Glauben Vergebung jhrer Sünden erlanget haben; denen zeiget er auch jhr Glück. Erstlich finden sie eine Last / daß sie Gottes Knechte werden; das ist / daß sie nach Gottes Worte leben / vnd nach demselben Worte GOTT dienen müssen. Sintemal ich alsdenn erst ein Knecht GOttes heisse / wann ich jhm nach seinem Worte diene / vnd Gehorsam leiste. Das ist aber eine schwere Last dem Fleisch / denn hie muß der eigne Will zurücke stehen. Doch ists besser GOtt dienen / als der Sünden. Da werden wir recht frey von dem Zwang der Sünden / daß dieselbe in vns nicht mehr herrsche.
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Hernach finden wir auch einen Nutzen bey dieser Last / Denn jhr habt ewre Frucht / daß jhr heilig werdet / das Ende aber ist das ewige Leben. Erstlich werden sie heilig. Wann man jemand dienen muß / ists ja besser / GOTT dienen / denn dem Satan / der Gerechtigkeit dienen / denn der Sünden. Denn wann wir vnsere Glieder / vnd die Kräffte Leibes vnd der Seelen abziehen vom Dienst der Sünden / vnd zum Dienst der Gerechtigkeit begeben / obs dem Fleisch wol wehe thut / ists doch Heiligkeit / damit offenbar wird / daß wir Gottes Tempel vnd eigen seyn / vnd vom Zwang der Sünden vns entfreyet haben / also / daß dieselbe in vns nicht mehr herrsche. Alles was zum Dienst Gottes sich brauchen lässt / ist Heiligthumb; drumb ists auch werth für GOTT / als sein Eigenthumb vnd Erbgut. Gleich wie wir vnsern Leib von der Welt Befleckungen absondern / zum göttlichen Gebrauch / in Vbung der Gerechtigkeit / also sondert vns GOtt auch ab von der Welt / daß wir sein Eigenthumb seyn; das liebet / schützet / vnd erhält er vielmehr / denn die Welt selbsten; dieweil die Welt nur als ein frembdes Gut für jhm geachtet wird / welches er lässt vntergehen; die Seelen aber / die jhm dienen / hat er / als ein eignes Gut / jhm von der Welt erwehlet. Wie lieb jhm diß Eigenthumb für der gantzen Welt sey / zeiget er selbst beym Propheten Jeremia am 31. Capitel: (Jerem. 31, 35. 36.) So spricht der HERR / der die Sonne dem Tag zum Liecht gibt / vnd den Mond vnd die Sternen / nach jhrem Lauff / der Nacht zum Liecht / der das Meer beweget / daß seine Wellen brausen / HERR Zebaoth ist sein Name; Wenn solche Ordnung abgehen für mir / spricht der HERR / so soll auch auffhören der Saame Israel / daß er nicht mehr ein Volck für mir sey ewiglich. Es ist hie nicht die Frage / was GOtt mit seinem
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Heiligthumb machen werde nach dieser Welt / wann die Ordnung der Sonnen vnd deß Monds auff gehaben; sondern was er damit auff Erden machen will / ob ers will vntergehen lassen / oder erhalten; da weiset vns Gott auff das / welches jhm nicht so werth ist / als sein Eigenthumb / auff Himmel vnd Erd / so er das erhält in seiner Natur / so wird er vielmehr sorgen für sein Eigenthumb / vmb welches willen Himmel vnd Erden stehen muß. Hernach finden dieselbe / die GOtt dienen / auch zuletzt das ewige Leben. Hie / weil sie noch mit dem Leib der Sünden vnd deß Todtes streitten / haben sie es in Hoffnung; nach vollendtem Streit haben sie es in völligem Besitz / vnd gebrauchen es vnverhinderlich / gäntzlich vnd vnauffhörlich. Vnd das ewige Leben ist GOtt selbst / bey welchem ist Frewde die Fülle / vnd liebliches Wesen ewiglich. Ich meyne / das möge dem Menschen seine Mühe wol belohnen. Damit aber niemand meyne / es sey Kinderspiel / was hie(Datae rationis fundamentum.) vom Lohn der Sünden vnd der Gerechtigkeit gesaget ist / bekräfftiget Paulus beydes: Denn der Todt ist der Sünden Sold /(V. 23.) aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben / in Christo Jesu vnserm HERRN. Gleich wie Paulus vorhin gelehret: Das Ende der Sünden ist der Todt; also bekräfftiget ers hie / vnd saget: Der Todt ist der Sünden Sold. Ein Arbeiter ist seines Lohns würdig / vnd wers jhm versagt / thut jhm vnrecht. Einem Kriegsmann gebühret sein Sold / sein Nahrung vnd Kleidung; wird jhm das versagt / geschicht jhm nicht recht. Also auch / wer der Sünden dienet / ist würdig eines Lohns / vnd würde jhm der versagt / geschehe jhm nicht recht; dieser Lohn aber ist / nach Pauli Außsage / der Todt vnd das Verdamnüß; denn gleich wie die Belohnung der Gottfürchtigen ist das ewige Leben / also ist der Sünden Sold der ewige Todt / vnd das ewige Verdamnüß. Es seynd
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zwar auch zeitliche Straffen / die auff die Sünden folgen / aber der rechte vnd endliche Lohn der Sünden ist der ewige Todt / wann der Mensch in der Hölle muß Todtespein leiden / ohne auffhören. Drumb dencke ja niemand / er könne GOtt wol dienen / ob er schon in Sünden lebe; vnd könne noch dazu einen Lohn erwarten. Die so gedencken / denen saget Paulus: Ja / jhr sollet einen Lohn haben / euch gebüret auch ein Lohn / vnd wird man jhn euch versagen / thut man euch vnrecht; aber ewer Lohn ist der Todt. Gleich wie auch Paulus gelehret: Das Ende derer / die GOtt dienen / ist das ewige Leben; also bekräfftiget ers hie gleichfalls / vnd saget: Die Gabe Gottes ist das ewige Leben / in Christo JEsu vnserm HERRN. Die Sünde ist ein rechter Verdienst deß Todtes / vnd ist eins deß andern würdig / denn es wird die Verdamnüß nicht grösser seyn / als die Sünde gewest ist. Das ewige Leben aber ist zu groß / daß es mit keinem Dienst oder Werck könne verdienet werden; denn gleich wie dieser Zeit Leyden nicht würdig ist der Herrligkeit / die an vns soll offenbaret werden / also ist auch derselben nicht würdig alles / was wir thun in diesem Leben. Darumb wird das ewige Leben vns Sündern auß Gnaden zugeeignet vnd geschencket / durch den Glauben an JEsum Christum vnsern HERRN / nach der Schrifft: (Rom. 3, 23. 24. 28.) Sie sind allzumal Sünder / vnd mangeln deß Ruhms / den sie an GOtt haben sollen / vnd werden ohn Verdienst gerecht / auß seiner Gnade / durch die Erlösung / so durch Christum Jesum geschehen ist; welchen GOtt hat vorgestellet zu einem Gnadenstuel / durch den Glauben in seinem Blut. So halten wir es nun / daß der Mensch gerecht werde / ohn deß Gesetzes Werck / allein durch den Glauben. Dennoch ist auch das ewige Leben eine Gnadenbelohnung / damit GOtt auß Gnad
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nach seiner Zusag reichlich vergilt / alles was wir vmb seinetwillen gethan oder gelitten haben. Seyd frölich vnd getrost / die jhr vmb Gottes willen etwas leidet / es soll euch im Himmel alles wol belohnet werden. Deßgleichen wer gutes thut / vnd nicht müde wird / der wird zu seiner Zeit erndten ohn auffhören; vnd ein Trunck kaltes Wassers / das wir im Namen Christi einem Dürfftigen dargereichet / wird nicht vnbelohnet bleiben. Vnd das ists / das Paulus hie will andeuten / nemblich / daß das ewige Leben / welches auß Gnaden gegeben wird durch Christum Jesum vnsern HERRN / die Gabe sey / damit GOtt belohnet allen Dienst / den wir jhm in Christo Jesu geleistet haben. Es findet zwar auch in diesem Leben der Dienst Gottes seinen Lohn / aber das ist nicht zu rechnen gegen dem Ewigen / die rechte vnd endliche Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo JEsu vnserm HERRN. Da sehe nun ein jeglicher Mensch wol zu / was er thue; die(Compendiosa repetitio.) Welt Christen meynen / es schade nicht / wann man schon sündige / solches könne mit dem Christenthumb wol bestehen; aber es antwortet Paulus fein deutlich; Nicht also / wollet jhr Gottes Diener seyn / so dienet GOtt; dienet jhr aber der Sünden / so seyd jhr nicht Gottes Diener / sondern der Sünden Knecht. Es schickt sich gar nicht / Gottes Knecht seyn / vnd der Sünden dienen. Drumb / wie jhr vorhin der Sünden gedienet / da jhr der Sünden Knecht waret / so dienet nun GOtt / nach dem jhr von den Sünden erfreyet seyd / vnd bedenckt daneben; daß jhr zwar bey dem Sündendienst könnet ein frey freches Leben führen / aber jhr habt Schand vnd den Todt zu lohn; hingegen wirds ewrem Fleisch wol etwas schwer fallen / Gott dienen / doch seyd jhr Gottes Heiligthumb / vnd das Ende ist das ewige Leben. Diese Vermahnung gehet vns alle an / allermeist wann wir(Incitamentum ad praxin.) auff solche Gedancken kommen / als könne die Sünde mit dem Christenthumb wol bestehen. Ihr sehet wol / lieben Christen / was euch zu thun sey. Pauli Rath vnd mein Rath ist / ja deß
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Heiligen Geistes Rath ists / daß jhr nicht den Sünden / sondern GOtt dienet. (1. Ab aequo.) So jhr der Billigkeit wollet nachgehen / vnd darauff sehen / was sich gebüret / vnd euch wol anstehet / so sehet auff euch / vnd gedenckt / als wann jhr ein Herrwäret / vnd wie es euch würde gefallen / so einer von euch thewer erkauffter vnd sehr geliebter Knecht / euch allen guten Willen versagte / vnd ewrem Feinde gerne allen Dienst erzeigete. Diß ewer eigen Recht haltet euch der H. Geist für: Dessen Knecht einer ist / dem ist er auch Gehorsam schuldig. Ihr wollet ja nicht Teuffelsknecht / sondern Gottes Diener heissen / so dienet GOtt / vnd nicht dem Satan. So gedenckt nun ewer Leblang nicht / ein Christ ist frey vom Gesetz vnd der Sünden / drumb schadets nicht groß / wann man schon sündiget. Wann ein Christ durch Christum gerecht worden ist / so ist er ja frey von Sünden / vnd vom Gesetz / daß vns das Gesetz nicht kan zwingen / noch verfluchen. Vnter deß aber seynd wir Diener Gottes geworden / denn wir göttlichen Dienst mit willigem Geist leisten sollen. Ists doch im weltlichen Regiment auch also: wer Gnade bittet / bekennet seine Schuld / vnd verheisset Besserung. Wer gestolen hat / der wird durch den Glauben zwar frey von der Schuld für GOtt / findet aber keine Freyheit / noch mehr zu stehlen. (2. A commodo & incommodo.) Wollet jhr auch auff Nutzen sehen / so geb ich zu / bey dem Sündendienst findet jhr eine Ergetzligkeit für das Fleisch. Ewer fleischlicher Will wird eine Regentin / vnd führet das Regiment in ewrem Thun vnd Leben / als eines mächtigen Königes Tochter; welches einem fleischlichen Menschen auß dermassen angenehm. Hingegen im Dienste Gottes wird einem das Leben schwer gemacht / denn vnser eigner Wille muß vnterdruckt vnd getödtet werden: das ist über die masse schwer einem fleischlichen Menschen. Aber laß das so seyn / vnd sihe auffs Ende. Denn wer der Sünden dienet / dessen Ende ist der Todt / vnd wer GOtt dienet / dessen Ende ist das ewige Leben. Denn der Todt ist der Sünden
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Sold / vnd die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo JEsu. Davon empfinden wir offt in diesem Leben einen Vorschmack. Dazu seynd die Seelen / die sich GOTT zu Dienst ergeben / ein Tempel vnd Heiligthumb Gottes / da hingegen die Seelen / die der Sünden dienen / Schand vnd Stanck für GOtt seyn. Das seynd nicht geringe Sachen: ein Heiligthumb / oder ein Schandlappen für GOtt seyn; ewig leben / oder ewig sterben. Wenn diß nicht wäre / möchte die Welt jmmer hin sagen: Lasset vns essen / vnd trincken / denn morgen seynd wir todt. Daß wir in dem Sündendienst ein Schmach vnd Schande seyn / möcht noch hingehen / die Scham ist leicht in den Wind zu schlagen. Daß aber der Todt der Sünden Sold ist / das ist zu bitter. Doch habe ich noch einen Trost für euch Weltkinder; so lang jhr lebet / fühlet jhrs nicht. Aber wie lang wäret vnser Leben? wanns hoch kompt / so seynds achtzig Jahr. Was folget hernach? ein vnauffhörliche Ewigkeit. Vnd deine Ewigkeit / O Welthertz / soll aluter Todt seyn; vnd der vnaußsprechlichen Frewde der Heiligen im ewigen Leben mustu verlustig seyn in Ewigkeit. Da hat man sich noch zu bedencken / ob man will vmb fleischlicher Lust vnd eigen Willen beym Sündendienst bleiben / vnd vmb einer kleinen Beschwerligkeit willen den Dienst Gottes fahren lassen. Wer klug ist / der tödtet lieber die Sünde in sich / als daß er sich von der Sünden solt tödten lassen. Es bleibt wol dabey / der Todt ist der Sünden Sold. Entweder die Sünde muß in dir ersterben / oder du must ewig sterben. So ists ja besser / daß wir die Sünde in vns sterben lassen / vnd leben ewiglich; als daß wir die Sünde in vns herrschen lassen / vnd sterben ewiglich. Wann nun das Ende recht betrachtet ist / befindet es sich / daß die Ergetzligkeit im Dienst der Sünden / vnd die Beschwerligkeit im Dienst Gottes / eben so groß nicht ist / wie ein Weltkind meynet. Denn was ists für eine Ergetzligkeit / die man in Sünden hat? eignen Willen haben / vnd daß das Fleisch eine Regentin wird. Aber von wannen kompt diese Herrschafft? vom Satan /
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der bildet dir ein / daß solches eine grosse Lust ist / wann du nach eignem Willen lebest. Vnter deß merckstu nicht / daß du verblendet bist. Solte das eine Ergetzligkeit seyn / das ewige Schand / Todt vnd Verdamnüß zu lohn hat? Ist eben / als wann einer einen tödtlichen Gifft eintrinckt / vnd wolte sich drüber ergetzen / so es etwan einen süssen Schmack hätte. Eben so / was ists für eine Beschwerligkeit / die man beym Dienst Gottes erdulden muß? Deß Fleisches Lust muß nicht herrschen / der eigne Will muß auffhören / vnd GOtt muß in mir die Herrschafft haben. Ist denn das so beschwerlich / so GOtt in mir die Herrschafft hat? Mein Freund / glaube mir / daß bey dem Sündendienst viel mehr Beschwerligkeit ist. Den Sünden dienen / ist rechte Vnruhe / denn ja dein Will nicht allzeit geschehen kan / vnd wann du deinem Fleisch den Willen lässt / hastu ein böß Gewissen daneben. In GOtt ruhen / vnd GOtt herrschen lassen / ach das bringt schönen Fried / vnd im Gewissen entstehet eine süsse Fröligkeit / wann es der Gerechtigkeit dienet / vnd die Sünde überwindet. Doch gesetzet / daß der Gottesdienst einem grosse Beschwerligkeit brächte / vnd du soltest tragen die allerschwereste Last im Reich Christi; gesetzet / du soltest alle Tag zwölffmahl / vnd also zu jeder Stund im Tage einmahl mit Christo gegeisselt / gecreutziget / vnd getödtet werden; was wäre es gegen dem Nutzen / den man dabey hat. Hätte ich nichts anders vom Gottesdienst / als daß ich Gottes Diener heiß / wäre es doch ein grosses. Ihr wisset / wie in der Welt die Menschen sich rühmen / wann sie grosser Herren Diener seyn. Wie eine grössere Ehre ists denn / der himlischen Majestät Diener seyn. Noch höher ists / daß wir der himlischen Majestät Heiligthumb seyn. Nun aber seynd wir Gottes Heiligthumb eben darin / daß wir GOtt in vns leben vnd wircken lassen. Das erhebet vns weit über den König der Finsternüß. O Blindheit / Jammer vnd Elend; wann die Seel zur Schlamgruben der höllischen Schlangen wird / die da könte ein Heiligthumb Gottes seyn! vnd wann sie zur Dienstmagd deß Satans
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wird / da sie könte für GOtt eine Königin seyn. Aber weiter / was achtet jhr fleischliche Menschen / wie süsse Gottes Gnade sey in seinem Heiligthumb? Ihr sehet nur auff das Fleisch / vnd was das Fleisch erfrewet oder betrübet / aber jhr wisset nicht / daß die Seele weit mehr in der Gnade Gottes kan erfrewet werden. Wie lieblich seynd deine Wohnungen / HERR Zebaoth? GOtt der(Psal. 84, 2. 12.) HERR ist Sonn vnd Schild. Die Gnade Gottes begleitet mich / wann ich außgehe / wann ich mich setze / so sitzet sie neben mir / vnd hilfft mir arbeiten; wann ich mich zu Bette lege / ligt sie bey mir; wann ich schlaffe / ruhet sie in meinem Hertzen; wann ich erwache / erscheinet sie mir. In der Gnade Gottes schließ ich mich ein / vnd ruhe sicherlich. Was aber ists / das ewige Leben ererben? Es ist dasselbe ein Gut / das nicht kan geschätzet werden. So groß GOtt ist / so werth ist auch das ewige Leben. Nun aber ist diß das Ende deren / die GOtt dienen. Die Gabe Gottes / damit er belohnet alle Mühe vnd Arbeit seiner Glaubigen / ist das ewige Leben / das er vns gibt in Christo vnd durch Christum Jesum vnsern HERRN. Sprich nun / daß es besser sey der Sünden dienen / als Gott dienen. So schliesset nun / lieben Christen / vnd habet die Wahl / ob jhr wollet GOtt dienen / oder dem Satan. Zwar es ist gantz ein vnbilliges / daß der schon in der H. Tauffe dem Teuffel entsaget / vnd mit GOtt einen Bund eingegangen / nun erst sich soll bedencken / ob er lieber GOtt / oder dem Satan dienen wolle. Doch habet die Wahl / vnd schliesset / wem jhr euch zu Dienst ergeben wollet. Da Josua nun alt war / vnd beym Volck Gottes nicht lang mehr bleiben würde / stellet er einen Rathschlag an mit gantz Israel / vnd gibt jhnen zu bedencken / obs jhnen besser sey / dem HERRN dienen / oder frembden Göttern dienen. Da antwortet das Volck / vnd sprach: Das sey ferne von vns / daß wir(Josuae 24, 15. 16. 17. 18.) den HERRN verlassen / vnd andern Göttern dienen. Denn der HERR vnser GOTT hat vns vnd vnsere
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Vätter auß Egyptenland geführet / auß dem Diensthause / vnd hat vor vnsern Augen solche grosse Zeichen gethan / vnd vns behütet auff dem gantzen Wege / den wir gezogen sind / vnd vnter allen Völckern / durch welche wir gegangen sind; vnd hat außgestossen vor vns her alle Völcker der Amoriter / die im Lande wohneten; darumb wollen wir auch dem HERRN dienen / denn Er ist vnser GOTT. So saget auch nun jhr / meine Lieben / was jhr gesonnen seyd / vnd macht einen Schluß. Das aber ist euch gesaget: Wo jhr der Sünden dienet / so seyd jhr zwar frey von der Gerechtigkeit / aber was habt jhr für Lohn? daß jhr euch müsset schämen / vnd das Ende ist der Todt. Hingegen / so jhr Gottes Knechte seyd / so habt jhr zwar die Freyheit deß eigenwilligen Fleisches nicht / aber jhr habt diese Frucht / daß jhr heilig werdet / vnd das Ende ist das ewige Leben. Nun sprecht jhr: Wir dienen GOTT. Zu wünschen wäre es. Aber prüfet euch. Im Sünden-Reich herrschet eigne Begierde / in Christi Reich herrschet der Geist Christi. Nun forsche / wann du etwas hast vorgehabt / oder so dir zu einem Dinge eine Begierden auffgestanden / wohin hastu gedacht? Wo du auff den Geist Christi gesehen / vnd durch denselben deß Fleisches Geschäffte getödtet / so lebestu / vnd dienest im Reich Christi. So du aber den Geist Christi auß dem Sinn geschlagen / vnd wenig drauff geachtet / was dem gefalle / so schmeichele dir nicht; gedencke nicht / daß du im Dienst Gottes lebest. Gibt dir denn dein Gewissen Zeugnüß / du habest dich beflissen / GOtt zu dienen / so ernewre deinen Vorsatz täglich: Ich will dem HERRN dienen / denn er ist mein GOtt. Bey solchem Vorsatz befleissige dich stetiglich / dir selbst abzusterben / denn je mehr du deinem Willen absagest / vnd deiner Begierde / als deß Satans Tochter / das Regiment benimbst / je mehr nimbt das Reich Gottes in dir zu. So dich aber dein Ge
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wissen beschuldiget / daß du deinem eignen Willen das Regiment gelassen / vnd nicht geachtet / was der Geist Gottes sage, so mach endlich einen Schluß mit dem Apostel Petro / auß seiner ersten Epistel am 4. Cap. Es ist gnug / daß wir die vergangene(1. Pet. 4, 2. 3.) Zeit deß Lebens zubracht haben / nach Heydnischem Willen; hinfort / was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist / lasset vns nicht der Menschen Lüsten / sondern dem Willen Gottes leben. Mein Hertz / Sinn vnd Leben / will ich meinem Heyland geben; gute Nacht / alles was mich dran hindern mag. Wann du nun geschlossen hast / dich deinem GOtt zu Dienst(Modus. Serviendu̅ est DEO 1. Omni studio.) zu ergeben / so befleissige dich vor erst / GOtt trewlich / mit Ernst / vnd mit gantzer Macht zu dienen. Gleich wie jhr ewre Glieder begeben habt zu Dienst der Vnreinigkeit / also begebet auch nun ewre Glieder zu Dienst der Gerechtigkeit. Sehet / wie fleissig vnd boßhafftig die Welt ist / in Bestallung deß Teuffels; alle Glieder warten auff vnverdrossen. GOTT bekompt lang das nicht in seinem Dienst. Der Geist ist willig / das Fleisch ist schwach. Doch strebet darnach / daß jhr GOtt preiset an Seel vnd Leib / denn das ist Gottes / vnd nicht ewer eigen. Wie jhr zuvor gerne gehöret / geredet / gesehen / was schandbar ist / das soll nun ewren Augen / Ohren vnd Hertzen wehe thun / weil sie zum Dienst der Heiligkeit gekommen seyn. Also in allem sündlichen Wesen / dem jhr vorhin gedienet. Mit allen Kräfften Leibes vnd der Seelen sollt jhr dafür fliehen. Meine Lieben / saget nicht / GOtt wird mir ja ein klein wenig zulassen. Wer weiß / daß er wider Gottes Willen thut / vnd kans ändern / vnd thuts mit willen / der sündiget nicht ein klein wenig / sondern ein groß theil. Es hat manchen Heiligen in grosse Sünde gestürtzet / daß er gedacht hat / nur ein klein wenig seinem Willen vnd Begierden zu folgen. Judas sieng nur vom klein wenigen an. David auch.
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Wann GOtt dem Teuffel nicht in den Zügel griff / würde er manchen Heiligen durch solche Gedancken führen ins ewige Verderben. Darumb warnet vns GOtt selbsten im ersten Buch (Gen. 4, 7.) Mosis am 4. Cap. Sihe / die Sünde ruhet für der Thür; aber laß du jhr nicht jhren Willen / sondern herrsche über sie. Gibt man jhr ein wenig raum / wird sie jmmer kräfftiger. Man darff nicht dencken / ich will nur diß vnd das thun; jenes aber soll nicht kommen. Der weise Mann im Büchlein (Syr. 21, 2.) Syrach am 21. Cap. sagt: Mein Kind / fleuch für der Sünde / wie für einer Schlange / denn so du jhr zu nahe kommest / so sticht sie dich. Wer die Schlangen nicht vertragen kan / der spricht nicht / ich will die Schlange nur ein klein wenig angreiffen / nur ein klein wenig mit jhr spielen / sondern er fliehet für sie. Hierumb meiden / die GOtt auffrichtig dienen wollen / nicht allein die äusserliche Sünde / sondern auch die jnnerliche Sünde / vnd tödten auch die sündliche Gedancken. Es bleibet nicht auß / die Gedancken vnd Reitzungen der Sünden wirstu fühlen; aber der Geist muß nicht dabey schlaffen. Also sollen wir vns befleissigen / vnserm Gott mit Ernst zu dienen. (2. Simpliciter propter DEUM.) Hernach diene deinem GOtt auch auffrichtig / schlecht vnd bloß auß Liebe / gegen Gott vnd seiner Heiligkeit. Wie vns zur Sünden keine Furcht treibet / sondern die Lust zur Sünden / vnd eigner Will vnd Wolgefallen; also sollen wir vns billig zum göttlichen Dienst nicht treiben lassen / durch Furcht der Straffe / sondern durch Liebe vnd Lust zu GOtt; allermeist nach dem wir nun den Vorsatz / GOTT zu dienen / schon genommen haben. Ein trewer Diener Gottes gedencket: Ob ich schon Gelegenheit habe / diß vnd das zu thun / vnd könte es thun / daß es niemand jnnen würde; will ichs doch nicht thun / GOtt zu Gehorsam / vnd meinem (Gen. 39, 9.) Christo zu Lieb vnd zu Ehren. Ein sein Exempel haben wir an dem from̅en Joseph / wie er von seines Herrn Weib genötiget ward
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zum Beyschlaff. Er hatte / als ein Mensch / auch Fleisch vnd Blut / er hat die Bewegung deß Fleisches wol gefühlet / er hat die bequeme Gelegenheit wol gesehen / vnd durffte sich nicht fürchten / daß es offenbar würde / er kunte auch wol gedencken / was für Gunst vnd was für Nutzen er bey der Frawen finden würde. Hie sihe den Vnterscheid eines Weltmenschen vnd eines Christen. Ein Weltkind wäre solcher Bitte froh geworden / aber Joseph folget dem Geiste Gottes / vnd spricht: Das sey ferne von mir / wie solte ich ein solch groß Vbel thun / vnd wider GOtt sündigen. So halte du dich auch / vnd diene GOtt trewlich vnd auffrichtig / nicht auß Furcht der Straff / sondern deinem Christo zu Lieb vnd Ehre; vnd wisse / wo dein Fleisch hie wird mit dem Satan in dir herrschen / so muß es auch dort in der Ewigkeit mit dem Satan leiden: Wo aber dein Fleisch hie mit Christo wird leiden / so wird es auch mit Christo in der Ewigkeit herrschen. Dazu helffe vns GOtt der Vatter / durch seinen Sohn Jesum Christum / in Krafft deß H. Geistes / AMEN.
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Am VIII. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Nothwendigkeit / zu wandeln nach dem Geist.
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TEXTVS Rom. 8. V. 12. usque V. 18.
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V. 12. SO sind wir nun / lieben Brüder / Schuldener / nicht dem Fleisch / daß wir nach dem Fleisch leben. V. 13. Dann wo jhr nach dem Fleisch lebet / so werdet jhr sterben müssen. Wo jhr aber durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödtet / so werdet jhr leben. V. 14. Dann welche der Geist Gottes treibet / die sind Gottes Kinder. V. 15. Dann jhr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen / daß jhr euch abermal fürchten müsset / Sondern jhr habt einen kindlichen Geist empfangen / durch welchen wir ruffen / Abba / lieber Vatter. V. 16. Derselbige Geist gibt Zeugnüß vnserem Geist / daß wir Gottes Kinder seynd. V. 17. Seynd wir dann Kinder / so seynd wir auch
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Erben / nemblich / Gottes Erben / vnd Miterben Christi / doch daß wir mit leiden / auff daß wir auch mit zur Herrligkeit erhaben werden.

Geliebte in Christo Jesu.
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ALles was zum Christenthumb gehöret / im Glauben vnd Leben(Exord. Ex dicto.) / ist kurtz zusammen gefasset in dem kurtzen Spruch / welchen Paulus setzt zu anfang deß achten Cap. an die Römer: Es ist nichts verdammliches an denen / die in Christo(Rom. 8, 1.) Jesu seyn / die nicht nach dem Fleisch wandeln / sondern nach dem Geist. Deß Glaubens Summa ist: Nichts verdammliches(Fidelium in judicio felicitas.) ist an denen / die in Christo Jesu seyn. Viel ist / das von einem Christen gesagt wird / daß auch für dem Gerichte Gottes(V. 2. 3. 4.) nichts an jhm erfunden werde / das da könne gestraffet oder verdammet werden: doch muß es wahr seyn / sollen wir aber vnsträfflich seyn / so muß Gerechtigkeit da seyn / dieselbe aber finden wir nicht in dem Gesetz / denn das ist vntüchtig geworden / die Gerechtigkeit in vns zu erfüllen / nicht daß es an jhm selbsten böß vnd vnnütz sey / sondern dieweil es durch das Fleisch geschwächet ist / denn das Gesetz ist geistlich / vnd fodert allen Gehorsam / das Hertz vnd den Geist / wir aber seyn fleischlich / können von gantzem Hertzen vnd von gantzer Seele GOTT nach seinem Gesetz nicht dienen / dadurch wird das Gesetz geschwächet / daß es keine Gerechtigkeit an dem Menschen wircken kan / sondern nur Sünde vnd den Todt. Was nun dem Gesetz vnmüglich war / die Gerechtigkeit in vns zu erfüllen / das thut GOtt durch seinen Sohn / den hat er gesandt in der Gestalt deß sündlichen Fleisches / vnd hat auff jhn geleget vnsere Sünde / vnd hat sie auch gestraffet; also hat er durch die Sünde / welche er Christo seinem Sohn zugerechnet / gestraffet vnd verdammet vnsere Sünde / die in vnserm Fleische ist. Es ist aber
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nicht gnug / daß in Christo die Sünde einmal verdammet ist / sie muß auch in mir verdammet werden / welches geschiehet / so bald Christus durch den Glauben in mir ist / dann alsdenn ist Christi Todt mein Todt / vnd eine Bezahlung für meine Sünde. Wann ich denn durch den Glauben bin frey gemacht / von dem Gesetz der Sünden vnd deß Todtes / das ist / von aller Sünd vnd Verdamnüß / so ist ja nichts verdamliches mehr an mir. Also bleibet das fest / was Paulus sagt: Es ist nichts verdam̅liches an denen / die in Christo Jesu seyn. (Fidelium inseparabilis proprictas.) Doch aber muß fürs ander auff den Glauben auch folgen / ein gewissenhafftiges vnsträffliches Leben / das ist / die in Christo JEsu seyn / die wandeln nicht nach dem Fleisch / sondern (V. 6. 7. 8.) nach dem Geist / denn die fleischlich seyn / die mögen Gott nicht gefallen / denn fleischlich gesinnet seyn / ist eine Feindschafft wider GOtt / daher bringet es auch den Todt. Sprichstu aber: Wer kan denn selig werden / denn alle Menschen seyn fleischlich? So (V. 9.) spricht hingegen der Apostel: Ihr rechtschaffene Christen / seyd nicht fleischlich / sondern geistlich / so anders Gottes Geist in euch wohnet. Denn entweder der Geist Christi ist in vns / vnd wircket in vns / oder auch nicht; ist vnd wircket der Geist Christi nicht in vns / so seynd wir nicht Christi / vnd haben kein theil an jhm / ist vnd wircket aber der Geist Christi in vns / so seynd wir geistlich / vnd (V. 10. 11.) nicht fleischlich. Denn ob zwar das Fleisch noch bey vns ist / so ist das Fleisch vnd der Leib / mit dem ich diene dem Gesetz der Sünden zwar todt / vmb der Sünde willen / aber der Geist vnd das newgeborne Gemüth / mit welchem ich GOTT diene / ist Leben / vnd hoffen noch darüber / daß auch GOtt den sterblichen Leib wird lebendig machen in der Aufferstehung der Todten / darumb / daß sein Geist in vns wohnet vnd lebet. Darauff schliesset der Apostel: So seynd wir nun / lieben Brüder / Schuldener / nicht dem Fleisch / daß wir nach dem Fleisch wandeln.
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Da hebet sich an vnsere Epistolische Lection / in welcher vns der Geist Gottes fürlegt die Nothwendigkeit / zu wandeln(Thema.) nach dem Geist. Irret nicht / lieben Brüder / GOtt lässt sich nicht spotten ist euch das angenehm / daß die in Christo Jesu seyn / frey seyn von aller Verdamnüß; so lernet auch / daß die Eigenschafft derer / die in Christo Jesu seyn / diese ist; nicht nach dem Fleisch / sondern nach dem Geist wandeln. GOtt verleihe seine Gnade / in Christo Jesu / Amen. ESspricht Paulus: Wir seynd / lieben Brüder /(Vita Christiano necessaria.) Schuldener / nicht dem Fleisch / daß wir nach dem Fleisch wandeln / sondern vielmehr dem Geist / daß(V. 12.) wir nach dem Geist wandeln / vnd durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödten. Fleisch ist nicht allein die vnflätige Lust der Hurerey vnd Vnzucht / sondern / wie offt gesagt / der gantze Mensch / wie er von der Mutter kompt / oder alles was der natürliche Mensch durch die Empfängnüß bekommet / vnd mit sich von der Mutter auff die Welt bringet / wann du das thust / was dich dein Natur heisset / vnd auff den trieb deiner Natur sihest / vnd dein wircken darnach richtest / so heisst es / daß du nach dem Fleisch lebest. Hingegen / wann du sihest auff den trieb deß Geistes Christi / vnd dich lässest von demselben in deinem Thun regieren / also / daß du tödtest die Wercke deß Fleisches / das ist / daß du das regen vnd treiben deß Fleisches in dir dämpffest / so heisst es / daß du nach dem Geist lebest. Mercke hie / wann gesagt wird / daß das Werck deß Fleisches in einem Christen soll getödtet werden / daß wir damit bekennen / daß auch bey einem Christen das Fleisch sey / nemblich etwas / das da soll getödtet werden. Daher auch fürs ander zu mercken / daß durch die tödtung deß Fleisches / das Fleisch hie auff Erden nicht
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gantz weggeräumet werde / sondern die Wirckung wird verhindert / nemblich die böse Gedancken / vnd das Beginnen / wenn man dieselbe mercket / muß man sie vnterdrücken vnd tödten / vnd mit (Josuae cap. 7, 21. 2. Sam. 11, 2.) nichten wachsen lassen. Als wann bey Achan auffsteiget eine Begierde zu dem köstlichen verbanneten Gute / vnd bey David sich reget die Lüste zu der schönen Batseba / das war vom Fleisch. Hätten nun Achan vnd David diesen auffsteigenden Gedancken widersprochen / vnd gedämpffet / so hätten sie / als Gottes Kinder / durch den Geist deß Fleisches Geschäffte getödtet / weil sie aber solche Begierd vnd Gedancken durch viel Anschawung vn̅ Betrachtung deß beliebten Gutes gestärcket vnd gemehret / seynd sie durch das Fleisch gestürtzet. Da sihe nun die Nothwendigkeit / zu wandeln nach dem Geist / vnd nicht nach dem Fleisch / denn es spricht der Apostel: Wir seynds schuldig. Wir seynd zwar dem Fleisch auch schuldig Speiß / Tranck / Kleider vnd Wartung / zu seiner Notturfft / (Coloss. 2, 23.) daher auch zun Colossern am 2. Cap. die selbst er wehlte Geistlichkeit vnd Demuth verworffen wird / wann man deß Leibes nicht verschonet / vnd dem Fleisch nicht sein Ehre thut / zu seiner Notturfft; aber zu seinen vnzeitigen Lüsten seynd wir dem Fleisch nichts schuldig. Da muß sich ein Christ erzeigen als ein Printz / der zwar dem Volcke dienet zu dessen Notturfft vnd Dürfftigkeit / mit schützen / wehren vnd ernehren / aber er gehorcht jhm nicht zum bösen / wann es in einem Auffruhr vnd Tumult etwas vnbesonnenes fodert vnd haben will: so thut auch ein Christ mit dem Fleisch / er nehret vnd schützet es zur Notturfft / aber folget jhm nicht zur Boßheit. Wie nun ein Christ dem Fleisch nichts schuldig ist / so seynd wir hingegen schuldig dem Geist / daß wir dem Geist folgen / vnd gutes thun / vnd dasselbe vmb all deß guten willen / das wir von Christo in GOtt empfangen haben. Christus hat Wohnung gemacht in vnser Seele / mit seinem Geist / das macht vns zu Schul
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denern / nach dem Geist zu leben / thun wirs nicht / so haben wir Schaden / thun wirs / so gebüret vns zwar kein Danck / denn wir seynds schuldig / haben dennoch grossen Lohn. Drumb folget nun weiter eine Bewegung deß H. Geistes /(Causa impulsiva à praemio.) zu Ablegung vnser Schuldpflicht / dem Geiste zu folgen / vnd dasselbe nimpt der Geist Gottes von dem Nutzen vnd Schaden / so ein Mensch hat / nach dem er folget dem Fleisch oder dem Geist / daß wir desto mehr sehen / wie nothwendig es sey / zu leben nach dem Geist / vnd nicht nach dem Fleisch. Denn also spricht der Apostel: Wo jhr nach dem Fleisch lebet / so werdet jhr sterben(V. 13.) müssen / wo jhr aber durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödtet / so werdet jhr leben. Dem Fleische folgen bringet den Todt / denn es ist eine Feindschafft wider GOtt / vnd kan jhm nicht gefallen. Wann schon ein Mensch ist der allerklügeste / vnd doch dabey fleischlich / so ist er Gottes Feind; hingegen dem Geiste folgen / ist das Leben / wer nach dem Geiste lebet / der wird auch bey GOtt leben. Denn bey einem solchen Menschen wohnet Christus / macht jhn frey von dem Gesetz der Sünden vnd deß Todtes. Der Apostel setzet einen solchen Grund. Ein Kind Gottes(Praemii probatio.) ist ein Erbe deß ewigen Lebens. Der nach dem Geiste lebet / ist ein Kind Gottes; darumb auch ist er ein Erbe deß ewigen Lebens. Zweyerley wird hie gesagt: I. Daß ein Kind Gottes auch ein Erbe Gottes sey / vnd von GOtt ererbe das ewige selige Leben. II. Daß ein jeglicher / der vom Geist Gottes getrieben wird / vnzweiffelbar ein Kind Gottes sey. Beydes setzt der Apostel mit außdrücklichen Worten. I. Welche der Geist Gottes treibet / die seynd(V. 14.) Gottes Kinder. Dieses bezeuget nicht allein der Apostel / sondern bekräfftiget es auch mit einem gewaltigen Grund. Denn jhr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen / daß(V. 15. 16.)
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jhr euch abermal fürchten müsset / sondern jhr habt einen kindlichen Geist empfangen / durch welchen wir ruffen: Abba / lieber Vatter. Derselbige Geist gibt Zeugnüß vnserm Geist / daß wir Gottes Kinder sind. Es ist ein grosser Vnterscheid zwischen einem Christen / der in Christo ist / vnd durch den Geist Christi getrieben / dem guten nachzulauffen; vnd zwischen einem Menschen / der zwar nach etwas gutes strebet / aber nicht in vnd durch Christum; wer nicht in Christo ist / ob er schon den höchsten Fleiß anwendet / etwas redliches zu thun / so wird er doch nur getrieben von einem knechtischen Geist. Denn es redet hie Paulus nach Gewonheit seiner Zeiten / da Knecht vnd Mägde vmb das Geld verkaufft wurden / wie das Viehe / sie wurden zur Arbeit gezwungen / allein vmbs Brodt / vnd hatten nichts denn Schläge darüber zu erwarten / hatten nichts eigens im Hause jhres Herrn / musten sich außstossen vnd verkauffen lassen / vnd blieben in solchem Zwang / in Furcht vnd Vnwillen / biß in den Todt. Also auch / wann einer allein durch der Natur vnd deß Gesetzes Krafft GOtt dienen will / ob er schon mit grossem Ernst in etwas gutes sich übet / so hat er doch nimmer ein hertzliche Zuversicht zu GOtt / kan vnd soll nicht gedencken / daß er in all seinem Leben vnd Thun GOtt wol gefalle / ist ein gezwungen ding / vnd muß sich stetig fürchten: denn so ers nur im geringsten versihet / hat er nichts denn Schläge vnd Zorn zu befürchten. Hingegen / die in vnd durch Christum GOtt dienen / getrieben durch den Geist Christi / die haben einen kindlichen Geist. Ein Kind arbeitet nicht vmbs Brodt / dieweil es ohn das der Erbe ist / was es thut / thut es auß freyem Gemüth / dem Vatter zu gefallen / vnd weiß / daß der Vatter hertzliche Frewd vnd Lust daran habe / so er etwas gutes thut; versihet ers einmahl / so weiß er dennoch / daß er der Sohn ist / vnd getröstet sich der Liebe seines Vatters / vnd darff nicht sorgen / daß er zum Hause außgestossen werde.
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Eben also ein Mensch / der durch den Geist Christi getrieben / GOtt dienet / dienet nicht / etwas zu erwerben / dieweil er ohn das ein Kind vnd Erbe ist in Christo / was er aber thut / das thut er auß Liebe gegen seinem himlischen Vatter / vnd weiß / daß sein Thun angenehm ist. Derselbe Geist / der jhn zum guten treibet / erwecket auch in jhm eine kindliche Zuversicht / vnd ruffet in jhm / Abba / wolgewogener lieber Vatter. Er darff sich auch nicht befürchten / als wann noch GOtt vmb der übrigen Schwachheit willen jhn wolte verdammen. Wer nun mit solchem Geist GOtt dienet / der hat das lebendige Gezeugnüß in jhm / daß er sey ein Kind Gottes. Sich halten für ein Kind Gottes / kompt nicht her auß der Natur / sondern auß diesem Geist / der vns in Christo zum guten treibet / auß hertzlichen kindlichem Vertrawen. Eben derselbige Geist gibt Zeugnüß vnserm Geist / vnserm Hertzen vnd Gewissen / daß wir Gottes Kinder seynd / vnd solch Zeugnüß gibt vns dieser Geist / auch wider das Schrecken deß Gesetzes / vnd wider das Fühlen vnserer Schwachheit. Dieses ist das wahre vnd einige gewisse Zeugnüß in vns / der Kindschafft Gottes / wann schon ein Mensch in seinem Gemüthe sich feste einbildet / er sey ein Kind Gottes / er habe die Gnade Gottes / vnd das ewige Leben / vnd hat doch nicht vnd folget nicht dem Geist Christi / der in der kindliche̅ Liebe vns stets zum gute̅ anmahne / der betreugt sich sehr. Wir aber / die wir nicht auß Furcht oder Zwang / sondern auß kindlicher Lieb vnd Vertrawen für den Augen Gottes / als vnsers lieben Vatters wandeln / das böse meiden / vnd nach dem guten trachten. Wir haben den Geist der Kindschafft / der vns gewiß Zeugnüß gibt / daß wir Gottes Kinder seynd. Weiter II. spricht Paulus: Seynd wir denn Kinder / so seynd wir auch Erben / nemblich Gottes Erben / vnd Miterben Christi. Christus ist der fürnembste Erbe / welchen
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(Heb. 1, 2.) GOtt gesetzet hat zum Erben über alles / Hebr. 1. Will er aber das Erbe alleine behalten? Darauff antwortet er selbst beym Luca (Luc. 22, 29.) am 22. Cap. Ich will euch das Reich bescheiden / wie mirs mein Vatter bescheiden hat / daß jhr essen vnd trincken solt über meinem Tisch / in meinem Reich / vnd sitzen auff Stülen / vnd richten die zwölff Geschlecht Israel. So groß Christi Herrligkeit ist / in dem Reich deß himlischen Vatters / so groß muß auch vnser Herrligkeit seyn. Johan. 17. da Christus (Joh. 17, 5. 22.) gebeten hat: Nun Vatter / verkläre mich bey dir selbst mit der Klarheit / die ich bey dir hatte / ehe die Welt war; setzt er hinzu: Ich habe denen / die an mich glauben / gegeben die Herrligkeit / die du Vatter mir gegeben hast. So gar will der Sohn Gottes das Erb vnd das Reich seines Vatters nicht allein behalten / wir sollen seine Gesellen seyn / doch also / daß er den Vorzug behalte / als das Haupt / in welchem alles bestehet / welcher ist der Anfang / vnd Erstgeborner von den Todten / (Coloss. 1, 17. 18.) auff daß er in allen dingen den Vorgang habe / Coloss. 1. Vnd eben in diesem 8. Cap. an die Römer zeuget Paulus / daß GOtt (Rom. 8, 29.) seine Außerwehlte geordnet hat / daß sie gleich seyn sollen dem Ebenbilde seines Sohns / auff daß derselbe der Erstgeborne sey vnter vielen Brüdern. So ist nun Christus der fürnembste Erbe / vnd der HERR der himlischen Herrligkeit / wir aber seine Miterben / die wir von seiner Fülle alles empfangen. Hie ist aber zu mercken / mit was beding den Kindern Gottes das Erbe vorgesetzt sey; nemblich / wir seyn Christi Miterben / so wir anders mit leiden / auff daß wir auch mit zur Herrligkeit erhaben werden. Wer mit Christo will herrschen / muß vor mit jhm leiden / auff daß wir in allen vnsern dingen Christo vnserm Haupt gleich seyn; das vornembste aber vnter dem Leyden
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der Christen / ist die Creutzigung vnd Tödtung deß Fleisches. Denn ein Kind Gottes muß dem Fleisch nicht folgen / muß seinen Willen brechen / vnd sich entschlagen vieler Dinge / die jhm in dieser Welt Ergetzligkeit bringen möchten / nur daß er dem Willen Gottes nachlebe / das bringet dem Fleisch kein geringes Leyden; doch wird es an andern Leyden auch nicht mangeln / wie Paulus seine Thessalonicher erinnert / in der ersten Epistel am 3. Capitel: Da wir bey euch waren / sagten wirs euch zuvor / wir(1. Thess. 3, 4) würden Trübsal haben müssen / wie denn auch geschehen ist / denn jhr wisset / daß wir dazu gesetzet seyn. Es möchte wol für der Natur scheinen / als stritte es mit der Kindschafft Gottes / viel leiden; aber der Geist hat hie bezeuget / daß es der Kinder Gottes Eigenschafft sey / mit vnd in Christo leiden / vnd solches muß auch dienen zu vnser Herrligkeit. Denn wie mehr wir leiden / wie mehr wir dem Bilde Christo ähnlicher werden / denn es wird auch die Herrligkeit so viel grösser seyn / so viel mehr wir in Christo vnd vmb Christi willen gelitten haben / wie hingegen auß der Gnade Gottes fällt derselbige / der nichts in Christo leiden will. Wir haben nun gesehen / wie ein rechtschaffener Christ / der durch den Geist Gottes geführet wird / warhafftig Gottes Kind sey / dieweil er nicht einen knechtischen / sondern einen kindlichen Geist hat. Wir sehen auch / wie die Kinder Gottes auch Gottes Erben seyn / vnd Miterben Christi in dem himlischen ewigen Leben. Darauß bleibet denn gewiß dieser Trost allen frommen Christen / daß sie / als die vom Geist Gottes getrieben werden / warhafftige Erben seyn deß ewigen himlischen Lebens. Da haben wir den Nutzen deß gottseligen Lebens / nemblich das Leben / vnd hingegen den Schaden deß vngöttlichen Lebens / nemblich den Todt / darauß wir erkennen / wie nötig es sey / geistlich seyn. Wer nicht will ewig sterben / der muß nothwendig geistlich gesinnet seyn / dazu seynd wir Schuldener / allermeist darumb /
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daß vns GOtt seinen Sohn vnd den Geist seines Sohns geschencket hat. (Usus 1. Hortatorius.) Erkenne / liebe Seele / diese deine Schuldigkeit / wandele nicht nach dem Fleisch / sondern nach dem Geist. Zwey Dinge seynd / darnach das gantze menschliche Leben vnd alles thun gerichtet wird / nemblich Geist vnd Fleisch / oder welches eben so viel / ein guter Geist oder böser Geist; daher ein jeglicher Mensch / vnd eines jeglichen thun entweder gut oder böß genennet wird. Vnd diese beyde seynd allezeit in einem Menschen beysammen / einen Geist müssen wir haben / der vns treibet / ists nicht Gottes Geist / so ists der böse Geist. Gottes Geist treibet ab vom Fleisch / der böse Geist treibet zum Fleisch / vnd darnach einer sich treiben lässt / darnach ist er / entweder ein Kind Gottes / zur Herrligkeit vnd Leben / oder ein Kind deß Satans / zum Todt vnd zur Schmach. Ein jeder sehe auff sich / daß er sich selbst nicht betriege. Lebestu nach dem Geist / so bistu ein Kind Gottes / darffst auch frölich vnd vnerschrocken für GOtt kommen / vnd ruffen / Abba / mein wolgeneigter lieber Vatter; lebestu aber nach dem Fleisch / so bistu ein Kind deß Satans / von welchem du getrieben wirst / vnd darffst nicht frölich für Gott tretten / vnd jhn anruffen / denn du machst all dein Gebet zur Sünde / dieweil du nicht hast die Hulde deß himlischen Vatters. Also verhält es sich in der That vnd Warheit / so du aber dennoch dir einbildest die Gunst Gottes bey deinem vngeistlichen Leben / so wisse / es ist ein vergebliches einbilden / denn wo ist der Geist der Kindschafft? Bistu aber kein Kind / so bistu auch kein Erbe / vnd wartest vergebens auff die Seligkeit. Was es denn für ein Vnruhe sey / wenn das Gewissen anfähet zu zweiffeln an der Seligkeit / das hastu Ruchloser vielleicht nicht erfahren / dieweil du nach der Seligkeit nicht viel getrachtet hast: doch ist zu besorgen / es möcht ein Stündlein kommen / darin du es mit deinem Schaden müstest erfahren. Dagegen ein Christ / der vom Geist Gottes getrieben wird / der fühlet in sich das lebendige Gezeug
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nüß deß Heiligen Geistes / wie er sey ein Kind Gottes / vnd ein Erbe der ewigen Seligkeit / vnd darff gar nicht daran zweiffeln. So ists beschlossen: Wer nach dem Fleisch lebet / der soll sterben / wer aber durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödtet / der soll leben. Hüte dich / der du dich rühmest der Gnade vnd deß Lebens / daß du nicht für die Gnade den ewigen Zorn über dich führest / sihe nicht darauff / daß die fleischliche Lust dem Fleisch so wol thut / sie betreugt die Seel / vnd verzehret sie / wie die Schaben die Wolle. Diß glaubet ein Weltkind nimmer / würde ers glauben / würde er auch andere Gedancken fassen / aber es ist beschlossen; Wer dem Fleisch dienet / soll sterben. So nimb nun von dieser Stund an den Vorsatz / lieber Christ / daß du dich nicht mehr wollest treiben lassen von dem bösen Geist / sondern daß du durch den Geist Gottes die Geschäffte deß Fleisches wollest tödten. Es wird zwar das Fleisch nicht gantz getödtet werden / es bleibet allezeit noch etwas vom Fleisch / vnd lebet / so lang es sich reget / es soll aber getödtet werden in seinen Geschäfften also / daß das Fleisch nicht ins Werck richte das jenige / das sie beginnen / es findet sich jmmer zu in vns Mißtrawen / Trägheit zum Wort vnd Gebet / Vngedult vnd Murren im Leyden / Zorn / Verringerung deß Nechsten / vnzeitige Sorge / Vnzucht; So lang diese vnd dergleichen Stück noch stecken im Fleisch vnd Blut / hören sie nicht auff / einen Menschen zu bewegen vnd an zufechten / vnd so der Mensch sich nicht fleissig gnug hütet / übereilen sie jhn; so er sich nicht wehret / vnd diese Geschäffte deß Fleisches tödtet / so überwältigen sie jhn. Daher ist einem Christen von nöthen ein hefftiges vnauffhörliches streitten / sey nicht faul / sondern tödte das Fleisch / daß du nicht von dem Fleisch getödtet werdest. Denn wer nach dem Fleisch lebet / der soll sterben. Daß du hie wol fortfahrest / so gib fleissig acht auff deine Na
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tur / thue nicht leicht / wozu dich deine Natur reitzet / denn das heisst nach dem Fleisch leben / vnd vom Teuffel regieret werden: vielmehr wann du fühlest die sündliche Lüste / vnd daß obgesetzte Stück sich regen / schlage in dich selbst / erinnere dich deß Willens Gottes / vnd bewillige nicht in die Sünde / vnd ergreiff hiebey im Glauben die Vergebung der Sünden in Christo / das heisst denn durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödten. Denn das ist ein rechtes Werck deß Geistes / das nicht herkompt vom Fleisch noch Blut / sondern vom Geist Christi / welchen wir auch zu diesem ende empfangen haben / daß wir durch jhn haben Hülff vnd Stärcke zu widerstehen; Diesem Geist soltu es dancken / so offt du dein Fleisch überwindest / denn es ist keine Sünde / die einmal von einem Menschen ist begangen / die ein ander auch nicht thun könte / wann jhn verlässt die Gnadenhand deß werthen H. Geistes. (2. Consolatorius.) Ist nun einer / der sich vom Geist Gottes regieren lässt / der vergesse ja dieses Trostes nicht / daß er sey ein Kind Gottes / vnd deß wegen nicht sey im Todt / sondern im Leben. Es ist doch über Sinnen vnd Gedancken / wie groß doch sey die Herrligkeit vnd Majestät der Kinder Gottes; darüber mögen wir wol jubiliren / das lassen wir seyn vnsern höchsten Ruhm / vnd lassen dagegen der Welt gerne jhre Ehre vnd Hoheit. Komptes mit den Weltkindern zum höchsten vnd zum letzten / so seynd es Satans Kinder; da (Luther, in Postill. super hanc Epist.) solt ein Weltk ind wünschen / daß er nur Gottes Kuhe wäre / spricht Lutherus / daß er nur den Ruhm habe / er gehöre GOtt an / vnd sey sein eigen. Wir seynd nicht Gottes Kühe / seynd auch nicht allein seine Knecht vnd Mägde / sondern Kinder. Gottes Kind seyn ist eine vnbegreiffliche Hoheit / Gott Vatter ist vnser Vatter / Gott Sohn ist vnser Bruder / Gott H. Geist ist vnser trewer Gast vnd Einwohner. Glaubstu das / wofür wilstu dich fürchten? Denn der zu GOtt sagen kan: O du mein wolgewogener lieber Vatter / der bietet trotz allen Teuffeln / vnd kan der Welt pochen leicht verachten / denn mein wolgewogener lieber Vatter eben der HERR ist / für welchem müssen alle Creaturen erzittern. Was mir begegnet /
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nehm ich an / als von der Hand meines wolgewogenen Vatters / welches nothwendig muß heilsam vnd gut seyn. Dann wer ist vnter vns Vättern / die wir doch böse seyn / der seinem Kinde etwas böses gönne? Vergiß auch nicht der Erbschafft / die du als ein Kind von Gott erwartest. Das mag dich auch trösten / auch in dem höchsten Leyden / auff daß du dein Creutz desto gedültiger trägest / nicht allein Christi Exempel nachzufolgen / sondern auch vmb der Hoffnung willen der zukünfftigen Herrligkeit. Denn ich weiß / so ich mit leide / daß ich auch mit erhaben werde / Was ist aber dieser Zeit Leyden / die kurtz vnd gering ist / gegen die zukünfftige Herrligkeit / die wir als Kinder von vnserm himlischen Vatter ererben / die da vnendlich / vnd über alle maß wichtig ist? Denn darnach der Vatter ist / darnach muß auch das Erbe seyn; In diesem Erbgut mag vns keine Creatur abbruch thun. In weltlicher Erbschafft je mehr Erben / je geringer das Theil; aber in dem Himlischen wird vns nichts abgehen / da viele so viel finden / als wenige / vnd ein jeglicher so viel / als sie alle. Denn Gott kan nicht außgeschöpffet werden / wie auch im 16. Psalm geschrieben stehet: Bey dir ist Frewde die fülle /(Psal. 16, 11.) vnd liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich. Hilff GOTT / daß wirs erfahren / AMEN.
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Am IX. Sontage nach Trinitatis.
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Von Christlicher Sorge / zu Verhütung deß Abfalls.
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TEXTVS 1. Cor. 10. V. 6. usque V. 14.
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V. 6. DAs ist aber vns zum Fürbild geschrieben / daß wir vns nicht gelüsten lassen deß Bösen / gleich wie jene gelüstet hat. V. 7. Werdet auch nicht Abgöttische / gleich wie jener etliche wurden / als geschrieben stehet: Das Volck satzte sich nieder zu essen vnd zu trincken / vnd stund auff zu spielen. V. 8. Auch lasset vns nicht Hurerey treiben / wie etliche vnter jhnen Hurerey trieben / vnd fielen auff einen Tag drey vnd zwantzig tausent. V. 9. Lasset vns aber auch Christum nicht versuchen / wie etliche von jenen jhn versuchten / vnd wurden von den Schlangen vmbbracht. V. 10. Murret auch nicht / gleich wie jener etliche murreten / vnd wurden vmbbracht durch den Verderber. V. 11. Solches alles widerfuhr jenen zum Fürbilde.
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Es ist aber geschrieben vns zur Warnung / auff welche das Ende der Welt kommen ist. V. 12. Darumb wer sich lässet düncken / er stehe / mag wol zusehen / daß er nicht falle. V. 13. Es hat euch noch keine / dann menschliche Versuchung betretten. Aber GOtt ist getrew / der euch nicht lässet versuchen über ewer Vermögen: sondern machet / daß die Versuchung so ein ende gewinne / daß jhrs könnet ertragen.

Geliebte in Christo Jesu.
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WAnn der Tichter deß 78. Psalms jhm fürnimbt zu reden(Exord. A fine Historiarum Biblicarum) von alten Geschichten / wie GOtt seinem Volck viel gutes gethan / vnd das Volck vndanckbar geworden / vnd GOtt das vndanckbare Volck gestraffet hat; muntert er zuvor auff das gottselige Gemüth / zu fleissiger Auffmerckung: Höre / mein Volck / mein Gesetze / neiget ewre Ohren zu(Psal. 73, 1. 2. 3. 4. 6. 7. 8. 9.) der Rede meines Mundes / Ich will meinen Mund auffthun zu Sprüchen / vnd alte Geschichte außsprechen / die wir gehöret haben / vnd wissen / vnd vnser Vätter vns erzehlet haben / daß wirs nicht verhalten sollen jhren Kindern / die hernach kommen / auff daß die Nachkommen lerneten / vnd die Kinder / die noch solten geboren werden / wenn sie auffkämen / daß sie es auch jhren Kindern verkündigten / daß sie setzten auff GOTT jhre Hoffnung / vnd nicht vergessen der Thaten Gottes / vnd sein Gebott hielten / vnd nicht
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würden wie jhre Vätter / eine abtrünnige vnd vngehorsame Art / welchen jhr Hertz nicht fest war / vnd jhr Geist nicht trewlich hielt an Gott. Auß diesen Worten mercken wir / wie nützlich vnd heilsam es sey / der alten Geschichte vnd der Thaten Gottes offt gedencken / vnd nicht vergessen. Es soll sie ein Geschlecht dem andern verkündigen / von Kind zu Kindeskind / das ist Gottes ernster Wille / vnd das darumb / auff daß sie setzen auff GOtt jhre Hoffnung / vnd seine Gebott halten / vnd nicht werden wie die vorigen Vätter / eine abtrünnige vnd vngehorsame Art. Denn in den alten Geschichten wird nicht allein erzehlet / was GOtt für Gesetze seinem Volck gegeben / sondern auch / wie er drüber gehalten. Wann man denn höret / wie GOtt so gnädig ist / denen die Ihn fürchten / vnd auff Ihn jhre Hoffnung setzen; vnd hingegen / wie er zürne / vnd straffe die Abtrünnigen / wird das Hertz bewogen / Gott anzuhangen / vnd nicht von jhm zu weichen. Denn wie es einer Policey nicht groß hilfft / wann gute Gesetze vnd Ordnung gemacht wird / so man nicht drüber hält / so man aber den Ernst mit Exempeln beweiset / so weiß ein jeglicher fürsichtiger Bürger sich für Vngelegenheit zu hüten / vnd die vorgeschriebene Ordnung zu halten; also wann GOTT nicht allein heilige Ordnung in Israel auff gerichtet / sondern auch die Verbrecher hart gestraffet hat / soll vns solches klug machen / daß wir auch nicht abtrünnig werden / sondern daß vnser Hertz vnd Geist fest vnd trewlich an GOtt halte. Zu solchem ende will GOtt / daß man seiner Thaten nicht vergesse. Grosse vnd gewaltige Leute haben gerne / thun auch viel darumb / daß jhrer tapfferen Thaten rühmlich bey den Nachkommen möge gedacht werden / suchen aber selten mehr denn eitele Ehre / GOtt aber suchet das Heil der Menschen / auff daß wann sie hören Gottes Weise vnd Gewonheit / sie den HERRN fürchten / vnd auff seine Güte jhre Hoffnung setzen.
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Eben zu solchem ende thut auch der Apostel Paulus in heutiger(Eundem sinem tespicit hodierna epist. In Historiis antiquis.) Lection seinen Mund auff zu Sprüchen / vnd spricht auß alte Geschichte / damit wir durch die vorigen Exempel klug werden / vnd wann wir stehen / wol zusehen / daß wir nicht fallen. Denn auch zu Corintho viele waren / die nur thäten was sie wolten / vnd wolten doch Christen seyn / vnd vermeynten / es wäre gnug / daß sie hätten das Evangelium vnd die Sacramenten. So waren auch vnter jhnen etliche / die sich bey solcher Sicherheit noch rühmeten / als der hohen Apostel Schüler / die den H. Geist empfangen hätten; was die sagten vnd thäten / solte alles recht seyn. Solche sichere Geister stosset hie der Apostel ein / vnd lehret / wie wir im Christenthumb grosses Auffsehen bedürffen / vnd bewehret solches mit alten Geschichten / vnd spricht: Ich will euch / lieben Brüder / nicht vorenthalten / daß vnser Vätter sind alle vnter der Wolcken gewesen / vnd sind alle durchs Meer gegangen / vnd seynd alle biß auff Mosen getauffet / mit der Wolcken vnd mit dem Meer; vnd haben alle einerley geistliche Speise gessen / vnd haben alle einerley geistlichen Tranck getruncken / sie truncken aber von dem geistlichen Felß / der mit folget / welcher war Christus / aber an jhr vielen hatte GOtt kein Wolgefallen / denn sie sind niedergeschlagen in der Wüsten. Damit will er so viel sagen: Meine liebe Freunde / jhr wollet den Namen haben / daß jhr Christen heisset / vnd seyd doch sicher vnd stoltz dabey / nun so jhr Christen seyd / sollt jhr billich wissen / oder so jhrs nicht wisset / oder nicht dran gedencket / will ichs nicht vnangezeiget lassen / daß vormalen auch seynd Leute gewesen / die Gottes Volck geheissen; auff dieselbe möget jhr wol zurück sehen. Die Israeliten hatten auch Gottes Wort / vnd gewisse Sacramenta / vnd klare Zeichen der göttlichen Gegenwart.
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Denn wie wir jetzt haben Tauff vnd Nachtmahl / als göttliche Gnadenzeichen; so ist jhnen die Wolcke / welche sie geführet / vnd deß Nachtes wie ein fewriger Stralen geleuchtet; vnd das Meer / dadurch sie geführet / gleichsam eine Tauffe gewesen; vnd das Manna / so jhnen vom Himmel geregnet; vnd das Wasser / so auß dem Felsen entsprungen / ist jhnen gleichsam das heilige Abendmahl gewesen / denn es war ein Fürbilde der geistlichen Speise vnd deß geistlichen Trancks / welches ist Christus. Also waren sie trefflich hochbegnadete Leute / daß auch Moses von jhnen saget: (Deut. 4, 7.) Wo ist ein so herrlich Volck / zu dem Götter also nahe sich thun / als der HERR vnser GOtt / so offt wir jhn anruffen? Vnd wo ist so ein herrlich Volck / das so gerechte Sitten vnd Gebott habe / als alle diß Gesetz / das ich euch heutes Tages vorlege? Also stehet auch im 147. (Psal. 147, 19. 20.) Psalm geschrieben: Er zeiget Jacob sein Wort / Israel seine Sitten vnd Recht; So thut er keinen Heyden / noch lässet sie wissen seine Rechte. Mercket aber / wie es jhnen gehet: Sie fallen grewlich / also / daß von allen fürtrefflichen Leuten / die mit Mose auß Egypten gangen / vnd Gottes Finger gesehen hatten / kaum zween seynd davon kommen. Davon stehet im vorgedachten 78. Psalm also: GOtt ließ sie dahin sterben / daß sie nichts erlangeten / sie kriegten das verheissene Land nicht / vmb welches willen sie auß Egypten gezogen waren / vnd musten jhr Lebenlang geplaget seyn. Also haben wir vier Epistolische Texte nach einander / die dahin gehen / daß ein Christ bey seinem Christenthumb nicht sicher werde / vnd jhm eine Freyheit zu sündigen einbilde / denn der Mensch ist leicht verführet. Der Teuffel hat auch seine Predi
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ger / die durch lose Geschwätze verderben ein gutes Christenthumb. So können auch vnsere eigne Gedancken vns leicht bethören / daß wir gedencken / es habe keine Noth. Drumb wird vns nun zum vierdten mahl eine solche Lection gelesen / die vns von Sicherheit abziehet. In der ersten seynd wir gelehret / wie ein Christ durch den Glauben in Christo der Sünden sterbe / vnd wieder geistlich lebendig werde. Darauß folget / daß er der Sünden nicht dienen muß / der er abgestorben ist. In der anderen seynd wir geführet auff das gemeine Recht / daß einer schuldig ist dem zu dienen / dessen Knecht er ist; darauß folget / daß wir nicht mehr dem Teuffel in Sünden dienen sollen / so wir nicht anders von newem deß Teuffels Knecht werden wollen. In der dritten ist vns fürgehalten der endliche vnd beständige Schluß Gottes / daß wir sterben sollen / so wir der Sünden dienen; vnd hingegen / daß wir leben sollen / so wir durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödten. In dieser vierdten Lection wirds mit einem Exempel bestättiget / wie GOtt keinem Christen Freyheit zur Sünden gestatten will. Wann jhr nun / meine Lieben / solche Exempel vnd Fürbilde deß Zorns höret / sollet jhr lernen Sicherheit meiden / vnd mit Furcht vnd Zittern schaffen / daß jhr selig werdet. Wer stehet /(Thema.) sehe wol zu / daß er nicht falle. Dieses ist der Zweck vnd die Materia dieser Predigt. GOtt gebe seine Gnade / daß es nicht vnfruchtbarlich geredet oder angehöret werde / durch Christum / Amen. DAmit nicht jemand meyne / daß die alte Historien Heiliger(In textu I. Asseritur, historiam Israelitarum esse typicam.) Schrifft niemand angehe / saget Paulus zu anfang der heutigen Lection: Das ist vns zum Fürbilde geschehen. Es seynd nicht todte Historien / die niemand angehen: sondern es seynd Fürbilde geistlicher Dinge / die im Reich Christi fürlauffen. Dieweil aber Paulus vns auff die Geschichten führet / die vns zeigen den Abfall der Leute / denen grosse Gnade von
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GOTT wiederfahren / müssen wir acht drauff haben / was es für Laster seyn / die der Apostel in dem Fürbilde der Alten anzeichnet. (II. Typus ipse specialiter explicatur, ut fugiamus malum.) Das erste ist böse Begierde: Daß wir vns nicht gelüsten lassen deß bösen / gleich wie jene gelüstet hat. Davon stehet geschrieben im vierdten Buch Mosis am 11. Cap. Denn da das Volck Israel kaum auß Egypten gegangen war / (V. 6.) ward es lüstern / vnd sprach: Wer will vns Fleisch zu essen geben? (1. In concupiscentia.) Wir gedencken der Fische / die wir in Egypten vmbsonst assen; (Num. 11, 4.) nun aber ist vnser Seele matt / denn vnser Augen sehen nichts denn das Man. So gehet es auch den Christen / so bald sie auß Egypten / nemblich auß dem Reich deß Satans geführet seyn / so wird jhnen das Brodt vom Himmel bereitet vnd vorgetragen. Liebet nicht die Welt / noch was in der Welt ist; trachtet nicht nach dem / das auff Erden ist / sondern was im Himmel ist / da Jesus Christus ist zur Rechten Gottes. Aber sie sehen sich bald vmb nach dem vorigen Egyptischen Weltwesen / belieben die Welt / vnd werden lüstern nach der Welt. Dafür werden sie hie gewarnet: Lasset euch deß bösen nicht gelüsten / gleich wie jene gelüstet hat. Wann du merckest / daß du wieder Lust zum Weltwesen bekommest / so sprich: du bist auß Egypten außgangen / was wilstu dich denn wieder nach Egypten kehren? Du bist frey von der Sünden / vnd bist ein Knecht der Gerechtigkeit worden. Wird aber das weltliche Egypten dir mehr gefallen / als das himlische Canaan / so sihe / was für einen Lohn du zu erwarten; Da Israel lüstern ward / ließ jhnen GOtt jhre Lust büssen / schickt jhnen Wachteln zu mit grossen hauffen / daß sie zu essen hatten / nicht einen Tag / nicht zween / nicht fünffe / nicht zehen / nicht zwantzig Tage lang / (Num. 11, 19. 33.) sondern einen Monden lang. Da aber das Fleisch noch vnter jhren Zähnen war / vnd noch nicht auff war / da ergrimmet der Zorn deß HERRN vnter dem Volck / vnd schlug sie mit einer sehr grossen Plage. Davon wird also gemeldet im 78. Psalm:
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GOtt der HERR ließ weben den Ostwind vnter dem(Psal. 78, 28. 29. 30. 31. 32. 33.) Himmel / vnd erreget durch seine Stärcke den Sudwind / vnd ließ Fleisch auff sie regnen / wie Staub / vnd Vögel / wie Sand am Meer / vnd ließ sie fallen vnter jhre Läger allenthalben / da sie wohneten; da assen sie / vnd wurden allzu satt / Er ließ sie jhre Lust büssen. Da sie nun jhre Lust gebüsset hatten / vnd sie noch davon assen / da kam der Zorn Gottes über sie / vnd erwürget die Fürnembsten vnter jhnen / vnd schlug darnieder die besten in Israel. Das heisset recht / sich deß bösen gelüsten lassen / denn wer sündiget / hasset seine Seele. Da wirstu wieder der Sünden Knecht / vnd verletzest dein Gewissen. Das ist eine böse Plage / wiewol du es nicht merckest; denn wo du nicht vom bösen vmbkehrest / mustu an dieser Plage sterben / vnd ewig verderben. Ist eins. Das ander Laster / dessen hie Meldung geschicht / ist Abgötterey:(2. In idololatria.) Werdet auch nicht Abgöttische / gleich wie jener(V. 7.) etliche wurden / als geschrieben stehet: Das Volck satzte sich nieder zu essen vnd zu trincken / vnd stund auff zu spielen. Die Historia ist beschrieben im andern Buch Mosis(Exod. 32, 1.) am 32. Cap. da Moses beym HERRN auff dem Berge Sinai war / vnd das Gesetz empfieng / vnd lang verzog / samlet sich das Volck wider Aaron / vnd sprach zu jhm: Auff / vnd mache vns Götter / die vor vns her gehen / denn wir wissen nicht / was diesem Mann Mose wiederfahren ist / der vns auß Egyptenlande geführet hat. Da machten sie ein gülden Kalb / vnd sprachen: Das sind deine Götter / Israel / die dich auß Egyptenland geführet haben. Auch baweten sie ein Altar für dem Kalbe / vnd liessen außruffen: Morgen ist deß HERRN Fest; vnd stunden deß Morgens frühe
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auff vnd opfferten. Darnach setzet sich das Volck / zu essen vnd zu trincken / vnd stunden auff zu spielen. Denn bey solcher Abgötterey hielt man Reigen mit jauchzen vnd singen / dabey allerhand Leichtfertigkeit mit vorgelauffen / wie abzunehmen auß den Gastereyen / die die Moabitische Weiber den Kindern Israel angestellet. Sihe / wie grewlich vnd schleunig dahin gefallen die fürtreffliche Leute / die Gottes grosse Wunder gesehen / vnd seine Stimme auff dem Berge Sinai vor wenig Tagen gehöret hatten; wiewol sie meyneten / sie dieneten dem lebendigen GOTT. Bey Christen wird Abgötterey auff zweyerley weise getrieben: erstlich im offentlichen Gottesdienst / wann man einen Gottesdienst anstellet / nicht nach Gottes Wort. Wann man Gottes Wort auß den Augen schlägt / dann erwehlet Menschenwitz eigen Gottesdienst / hält solches für köstlich ding / vnd solches soll denn GOtt gefallen / gleich wie es den Menschen wol gefällt. Hernach wird Abgötterey begangen im Gemüth vnd Vertrawen / wann ich an Gottes Trost / Hülff vnd Beystand mich nicht will begnügen lassen / vnd sehe auff äusserliche Mittel / als auff Geld / Menschen Macht vnd Freundschafft. So lang wir äusserliche Mittel für Augen sehen / haben wir ein gut Vertrawen; wann die äusserliche Mittel verschwinden / ist auch der Muth verlohren. Das ist das wahre Zeichen der geistlichen Abgötterey; denn die Seele / die sich solte an GOtt halten / suchet jhr Auffenthalt bey den Creaturen / vnd damit daß sie jhr Lieb vnd Vertrawen / die GOtt gebüret / auff das wendet / das nicht GOtt ist / macht sie die Creatur zum Abgott. Diß aber soll nicht seyn: Werdet nicht abgöttisch / gleich wie jener etliche wurden. Machet euch nicht Brunnen hie vnd da / die doch kein Wasser halten. Warumb setzet jhr ewer Vertrawen auff das / das nicht helffen kan? Wie Moses die Abgötterey deß Volcks gesehen / ist er zornig geworden / vnd hat
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die Taffel deß Gesetzes nieder geworffen / vnd zerbrochen; anzuzeigen / daß durch Abgötterey der Bund Gottes gebrochen werde. Vnd wie GOtt über Abgötterey zürne / hat er an den Israeliten gezeiget: denn er sprach zu Mose: Laß mich / daß mein Zorn(Exod. 32, 10.) über sie ergrimme / vnd sie aufffresse. Vnd ob zwar Moses mit seinem Gebet den Zorn auffhielt / seynd doch vmb dieser Abgötterey willen drey tausent in einem Tage durchs Schwerdt gefallen. Das seynd Zeugnüssen deß Zorns Gottes / wie sehr vnserm GOtt die Abgötterey zu wider / vnd wie er eiffer vnd straffe. Also pflegt er noch das abgöttische Wesen im Gottesdienst mit grewlicher Blindheit zu straffen. Denn in dem die Leute vom Worte abweichen / vnd nach menschlichem Wolmeynen GOtt dienen / geschichts / daß sie jmmer mehr vnd mehr vom Worte abkommen / biß sie Gott dahin gibt / nach jhrem eigen Sinn zu wandeln. Also wann man das Vertrawen von GOtt zu den Creaturen wendet / eiffert GOtt drüber / vnd macht gemeiniglich / daß wir an dem / darauff wir vnsere meiste Hoffnung gestellet / zu Schanden werden. Folget das dritte / nemblich Hurerey vnd vnzüchtiges Wesen.(3. In scortatione.) Auch lasset vns nicht Hurerey treiben / wie etliche vnter(V. 8.) jenen Hurerey trieben / vnd fielen auff einen Tag drey vnd zwantzig tausent. Diese Geschicht ist beschrieben im vierdten Buch Mosis am 25. Cap. da das Volck anhub zu huren(Num. 25, 1.) mit der Moabiter vnd Midianiter Töchter / welche das Volck luden zum Opffer jhrer Götter / da ergrimmet deß HERRN Zorn über Israel / vnd sprach zu Mose: Nimb alle Obersten deß Volcks / vnd hange sie dem HERRN an die Sonne / auff daß der grimmige Zorn deß HERRN von Israel gewandt werde. Vnd Mose sprach zu den Richtern Israel: Erwürge ein jeglicher seine Leute / die sich an den Baal Peor / den Moabitischen Abgott gehänget haben. Da wütete nicht allein eine Plage vom grimmigen Zorn deß HERRN vnter das Volck / sondern daß der Zorn
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gestillet würde / musten die Richter mit Hand anlegen / vnd die Verbrecher erwürgen / daß in dieser Plage / wie Moses auffzeichnet / vier vnd zwantzig tausent getödtet seyn. Paulus setzet nur drey vnd zwantzig tausent: ist aber nicht wider einander. Denn eben nicht gerade drey vnd zwantzig / oder vier vnd zwantzig tausent gewesen / die gestorben seyn / sondern zwischen drey vnd vier vnd zwantzig tausent / mehr als drey / vnd weniger als vier vnd zwantzig tausent. Hurerey / allermeist wo dieselbe muthwillig getrieben wird / ist eine schwere Sünde. Denn wir nehmen die Glieder / die Christo zugehören / vnd machen darauß Hurenglieder; damit entheiligen vnd zerbrechen wir den Tempel Gottes in vns. Gleich wie die Israeliten durch Hurenbrunst also verleitet wurden / daß sie jhren GOtt hindan setzten; so verblendet dieselbe Brunst noch die Leute / daß sie Gottes Gnad vnd Gunst hindan setzen / nur daß sie jhre Lust büssen. Wie wol GOtt solches gefalle / hat er in dieser Historia nicht allein bezeuget / mit einer harten schweren Plage / sondern mit dem Lobe Pineas. Denn da ein Mann auß den Kindern Israel / ein Fürst vnter den Simeonitern / kam vnd brachte vnter seine Brüder eine Midianitin / auch Fürstliches Geschlechts / vnd that solches offentlich / das Moses vnd die gantze Gemeine in jhrem trawren zusahen. Da stund auff Pineas / der Sohn Eleasar / deß Sohns Aarons deß Priesters / vnd nahm einen Spieß / vnd gieng dem Israelitischen Mann nach / in den Hurenwinckel / vnd durchstach sie beyde / den Israelitischen Mann / vnd das Weib / durch jhren Bauch. Derselbe Eyffer gefiel Gott so wol / daß er nicht allein dem Pineas einen herrlichen Segen versprach / sondern auch dem gantzen Volek gnädig ward. Darumb werden wir hie gewarnet: Lasset vns nicht Hurerey treiben / wie etliche vnter jenen Hurerey trieben; preiset Gott an Seel vnd Leib / denn das ist Gottes / vnd nicht ewer eigen. (4. In tentatione DEI.) Die vierdte Sünde / so an den Kindern Israel gestraffet
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wird / heisst Versuchung. Lasset vns aber auch Christum(V. 3.) nicht versuchen / wie etliche von jenen jhn versuchten / vnd wurden von den Schlangen vmbbracht. GOtt versuchen in gemein heisst / wenn man etwas von GOtt begehret / aber nicht nach seinem Worte. Solches geschicht auff zweyerley weise / zu erst wann man einen Glauben hat ohn Wort; dessen finden wir ein Exempel Matthaei am 4. Cap. da der Versucher vnsern(Matth. 4, 6. 7.) HERRN Christum auff die hohe Zinnen deß Tempels stellet / vnd spricht zu jhm: Bistu Gottes Sohn / so laß dich hinab / denn es stehet geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir Befehl thun / vnd sie werden dich auff den Händen tragen / auff daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stössest. Aber Jesus beantwortet solches also: Wiederumb stehet auch geschrieben: Du solt Gott(Deut. 6, 16.) deinen HERRN nicht versuchen. Der Satan begehrte / Christus solte einen Glauben haben / da kein Wort wäre; denn ob zwar der Satan auch Gottes Wort herfür bracht / war es doch verkehret. Denn der Schutz der heiligen Engel ist mir nicht versprochen / wann ich ohne Noth willig in gewisse vnd offenbarliche Gefahr deß Lebens mich stürtze. Wann einer das thut / vnd gleichwol glauben will / GOtt werde jhm wol herauß helffen / der versuchet GOtt. Als wann einer sich mitten ins Meer / oder in eine fewrige Glut stürtzet / in solcher Hoffnung / GOtt würde jhm darauß helffen / der versuchet GOtt / denn er hoffet vnd begehret etwas von GOtt / da er doch kein Wort hat. Zum andern versucht man GOtt auch / wann man das Wort hat ohne Glauben / dessen haben wir ein Exempel an den Israeliten / insonderheit im vierdten Buch Mosis am 21. Cap. Denn da sie etwas weit herumb(Num. 21, 4.) geführet wurden / wurden sie der Arbeit über drüssig / vnd das Volck redet wider GOtt vnd wider Mosen: Warumb hastu vns auß Egypten geführet / daß wir sterben in der Wüsten? Denn es ist kein Brodt noch Wasser hie / vnd vnser Seelen eckelt über die
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ser losen Speise. Sie hatten die Verheissung / GOtt wolte sie in ein gut Land führen; das verzog sich / vnd muste das Volck vnter wegen in der Wüsten mannichmal Noth leiden; da wurden sie verdrossen / vnd dachten nicht an Gottes Wort vnd Verheissung. Denn weil es nicht gieng / wie sie es haben wolten / hielten sie nichts von Gottes Verheissung. Das heisset auch GOtt versuchen / wie solches zu ersehen ist im 17. Cap. deß andern Buchs Mosis. Denn da das Volck nach Wasser dürstet / zancketen sie mit Mose (Exod. 17, 2. 7.) / vnd sprachen: Gib vns Wasser: ist der HERR mit vns / oder nicht? Da sprach Moses zu jhnen: Was zancket jhr mit mir? Warumb versucht jhr den HERRN? Also (Num. 14, 22.) spricht GOTT selbst im vierdten Buch Mosis am 14. Cap. von denen / die seine Herrligkeit vnd seine Zeichen geschen hatten / vnd doch seinem Wort nicht glauben wolten: Sie haben mich nun zehenmal versucht. Merck hie / wie Paulus zeuge / daß Israel Christum versuchet habe in der Wüsten. Ein herrlich Zeugnüß / daß Christus nicht allererst angefangen zu seyn / als er von Maria empfangen vnd geboren ward; Er ist der GOtt / vnd der Engel Gottes / der Israel auß Egypten führete / vnd in der Wüsten durch die fewrige Seule geleitet / welchen auch die Israeliten in der Wüsten verbittert vnd versuchet haben. Also hat vorhin Paulus gesaget / daß die Israeliten getruncken von dem Felß / der jhnen nachfolgete / welcher war Christus. Solches dienet dazu / daß wir von der Person vnd ewigen Gottheit Christi / als deß Sohns Gottes / deß zu (Joh. 8, 58.) gewisser seyn. Denn auch Christus selbst gesaget: Ehe Abraham ward / bin ich / Joh. 8. Wir werden aber hie gewarnet / Christum / als vnsern Gott / nicht zu versuchen. Wo kein Wort ist / sollen wir auch keinen Glauben fassen; denn das gilt nicht. Daß dir vnd deinen Kindern es wol gehen soll / wann du Reichthumb vnd gute Freunde
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hast / ist dir nicht verheissen; wann du denn also gedenck est; Ich will zusehen / daß ich Geld zusammen bringe / vnd gute Freunde bekomme / so werde ich vnd meine Kinder keine Noth haben; solche Hoffnung gilt nicht. So wir aber das Wort haben / sollen wir vns fest an das Wort halten. Denn das Wort haben / vnd nicht glauben / taugt nicht. Doch ists gemein; wills GOTT nicht machen / wie wir es haben wollen / vergessen wir seiner Verheissung bald. Vnd wer ist / der in grosser Noth vnd Gefahr bloß bey Gottes Verheissung bleibet / vnd gedenckt: es mag gehen wie es will; GOtt hat mir versprochen / mich zu ernehren / vnd auß allen Nöthen zu helffen / ich will GOtt lassen rathen vnd walten / ob ich schon nicht sehe / wie mir kan geholffen werden. Damit du aber nicht meynest / daß es gar wol gethan sey / wann man in Nöthen Gottes Wort vnd Verheissung auß den Augen setzet / hält vns hie Paulus den Zorn Gottes für / der fewrige Schlangen vnter die Kinder Israel geschicket / da sie jhn versuchten / welche sie bissen / daß die Leute durch jhren Gifft / als an fewrigen pestilentzischen Drüsen sterben musten. Ohn Gottes Wort sollen wir vns nichts vermessen; bey dem Worte Gottes sollen wir nicht verzagen / vnd GOTT die Vnehr nicht anthuen / als gülte sein Wort nichts. Das mittel halten / ist fein; beydes Wort vnd Glauben in eins verbinden; vnd durch den Glauben bey dem Worte bleiben / es gehe auch wie es will; GOtt wird wol wissen / wenn vnd wie er sein Wort soll wahr machen. Die letzte Sünde / die an den Israeliten getadelt wird / ist(5. In murmuratione.) noch übrig / vnd heisst Murren: Murret auch nicht / gleich(V. 10.) wie jener etliche murreten / vnd wurden vmbbracht durch den Verderber. Wiewol die Israeliten gar offt wider GOtt gemurret / wird doch hie insonderheit gesehen auff die Historia / die beschrieben ist im vierdten Buch Mosis am 14. Cap.(Num. 14, 1.) da die Kundschaffter auß dem Lande Canaan waren wieder kommen / brachten sie gefährliche Zeitungen / wie grosse vnd starcke
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Leute / vnd feste Stätte im Lande wären / vnd es wäre vnmüglich zu gewinnen. Da entstund ein groß Geschrey vnter dem Volck: Ach daß wir in Egyptenland gestorben wären / oder noch stürben in dieser Wüsten! Warumb führet vns der HERR in diß Land / daß vnsere Weiber durchs Schwerdt fallen / vnd vnsere Kinder ein Raub werden? Ists nicht besser / wir ziehen wieder in Egypten? Vnd einer sprach zu dem andern: Lasst vns einen Hauptmann auffwerffen / vnd wieder in Egypten ziehen. Vnd da Josua vnd Caleb jhnen gute Hoffnung machten / sie würden das Land leicht gewinnen / weil der HERR vnter jhnen wäre; da sprach das gantze Volck / man solte sie steinigen. Aber die Herrligkeit deß HERRN erschiene in der Hütten deß Stiffts allen Kindern Israel / vnd wolte sie mit Pestilentz schlagen vnd vertilgen. Da wehrete zwar Moses dem HERRN / durch sein Gebet; doch schwur der HERR / daß keiner vnter denen / die GOtt verlästert hätten / das Land sehen solte. Vnd jhre Leiber musten in der Wüsten verfallen. Hie wird vns eine Sünde vorgehalten / die fast noch grösser ist / als GOtt versuchen. Denn GOtt versuchen / heisset / wie auch vor gesaget / erstlich / wann einer ohn Gottes Befehl / von einer Ordnung Gottes vnd der Natur abweichet / vnd dabey meynet / es soll doch noch wol ablauffen; hernach / so man Gottes Verheissung hat / vnd doch zweiffelt. Murren aber ist eine Vngedult / wann man nicht zu frieden seyn will mit Gottes Schickung vnd Ordnung. Hätte GOtt die Kinder Israel stracks Weges ins gelobte Land geführet / vnd alsbald auffs weiche Bett gesetzet / vnd keinen Widerstand vnd gantz keine Beschwerung sehen lassen / das hätte jhnen mögen wolgefallen / nun sie aber etwas Gefahr vnd Beschwerung sollen außstehen / werden sie vngedültig. Dafür sollen wir vns hüten: Murret nicht / gleich wie jener etliche murreten / vnd wurden vmbbracht durch
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den Verderber. Wer vngedültig ist / vnd wider GOtt murret / der meistert seinen Schöpffer / vnd will den Herrscher aller Welt lehren / wie er vns regieren soll; das ist eben / als wann der Thon seinem Meister wolte fürschreiben / wie er jhn bearbeiten soll. Esaiae am 45. Cap. Wehe dem / der mit seinem Schöpffer(Esa. 45, 9.) hadert / nemblich / der Scherben mit dem Töpffer deß Thons. Spricht auch der Thon zu seinem Töpffer: Was machstu? Du beweisest deine Hände nicht an deinem Werck? Drumb ists ein vngereimbtes Ding / wider GOtt murren / vnd bringt kein Vortheil: Denn wehe dem / der mit seinem Schöpffer hadert. Hätten die Kinder Israel sich Gottes Willen gefallen lassen / wären sie bald auß aller Mühe gerissen; weil sie aber wider GOtt murreten / machten sie jhnen jhr Creutz nur schwerer / vnd musten deß zu längere Jahre in der Wüsten bleiben / biß sie auffgerieben wurden; wie im 78. Psalm geschrieben stehet: GOTT ließ sie dahin sterben / daß sie(Psal. 78, 35.) nichts erlangeten / vnd musten jhr Lebenlang geplaget seyn. Also erzürnet man GOtt mit Vngedult vnd murren / vnd machet man sich das Creutz nur grösser. Darumb soll ein jeglicher zu frieden seyn mit dem Glück / das GOtt bescheret; vnd mit dem bißlein Brodts / das der himlische Vatter vns in die Hand schneidet. Wir haben gesehen / nicht allein was das für Laster seyn / die(III. Confirmatur, historiam Israelitarum esse typica̅.) der H. Geist hie an den Kindern Israel gestraffet / sondern auch / wie vns solche Exempel zur Warnung fürgeschrieben seyn. Damit wir aber diese Warnungs Exempel nicht gering achten / saget Paulus nochmahl: Solches alles wiederfuhr jhnen zum(V. 11.) Fürbilde. Es ist aber geschrieben vns zur Warnung / auff welche das Ende der Welt kommen ist. Die Kirche Gottes wird getheilet in zween Hauffen / der erste Hauffe machet
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die erste vnd alte Kirche / der ander macht die newe vnd letzte Kirche. Die erste Kirche hat müssen warten auff die Offenbarung Christi ins Fleisch; die letzte Kirche muß warten auffs Ende der Welt / vnd Offenbarung Christi in der Herrligkeit. Was der ersten Kirchen wiederfahren / ist alles zum Fürbilde geschehen / vnd propheceyet gleichsam / was in den letzten Tagen geschehen soll. Darumb / die wir leben in den letzten Zeiten / müssen solche Geschichte nicht für todte Historien achten / sondern erkennen / daß sie vns zur Warnung auffgezeichnet / dabey wir sollen lernen klug werden / dem künfftigen Zorn zu entfliehen. Vnd in dem fall seynd wir glücklicher denn die Alten / die wir nicht allein Gottes Gebott haben / darauß wir wissen können / was gut oder böß ist / gleich wie auch die vorigen / sondern wir haben auch über das vielfältige Exempel / an denen die vor vns gewesen seyn / die vns können vnd sollen klug machen. Wie nun alles ander / was von der ersten Kirchen auffgezeichnet ist / ein Fürbild ist / also insonderheit / was geschrieben von der Reise der Kinder Israel durch die Wüsten; vnd zeiget / wie die Kirche ohn menschliche Macht erhalten / vnd durch mancherley Anfechtung / Ergernüß / Leyden vnd Schwachheit geführet werde / biß zur ewigen Ruhe; derwegen warnet es vns auch für Sicherheit vnd allem Vnfall / das die Kinder Israel ins Verderben gebracht hat. (IV. Generaliter typ9 exponitur in adhortatione contra securitatem.) Darumb / Wer sich lässet düncken / er stehe / mag wol zusehen / daß er nicht falle. Diß ist der Hauptspruch in diesem Text / gezogen auß dem Fürbilde der Kinder Israel / die Gottes Volck waren / hoch begnadiget / vnd fielen doch grewlich. Darumb wer sich lässet düncken / er stehe / mag wol zusehen / daß er (V. 12.) nicht falle. Solches wird gesaget nicht allein den ruchlosen Christen / die jhnen einbilden / daß sie gute Christen seyn / vnd seynds doch nicht; sondern auch denen / die jetzt zur Zeit im Christenthumb recht gehen vnd stehen. Denen sämptlich wird hie dieser Rath gegeben / daß sie sich wol sollen fürsehen / damit sie nicht gar dahin
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fallen. Wann bey den Menschen der natürliche Geist schwach wird / so fällt er dahin in Ohnmacht. Wo der Geist Gottes zur Zeit der Versuchung nur ein wenig die Hand abziehet / ists mit vns balde geschehen / daß wir dahin fallen in schwere Sünde. Darumb sollen wir sorgfältig seyn / also / daß wir 1. nicht frech werden / als wann wir allen Versuchungen zu starck wären: sondern daß wir mit Furcht vnd Zittern der Seligkeit nachjagen. 2. Daß wir auch allen müglichen Fleiß anwenden / Sünde zu meiden / welches geschicht durch wachen vnd beten; da muß man mit beten fleissig anhalten: HERR / führ vns nicht in Versuchung / laß vns nicht fallen; ziehe nicht von mir die Hand ab / vnd verlaß mich nicht. Hernach muß man auch bey solchem ernstlichen Gebet den sündlichen Neigungen nicht zu viel raum geben / sondern bald im anfang dieselbe dämpffen. Damit aber niemand kleinmütig werde / vnd gedencke:(Adhortationi ad ditur consolatio contra desperationem.) O ich werde den schweren Anfechtungen nicht widerstehen können / ich werde fallen / wie wirds mir denn zuletzt gehen: So hanget der Apostel bey dieser gestrengen Warnung einen Trost hinan: Es hat euch noch keine / dann menschliche Versuchung(V. 13.) betretten. Aber GOtt ist getrew / der euch nicht lässet versuchen über ewer Vermögen / sondern machet / daß die Versuchung so ein ende gewinne / daß jhrs könnet ertragen. Gedenckstu nun: Ich bin schwach / vnd zur Sünden sehr geneiget / wie bin ich versichert / daß ich nicht fallen werde / vnd in Sünden sterbe; So antwortet Paulus erstlich: Es hat euch noch keine / denn menschliche Versuchung betretten. Die Versuchung ist nicht einerley / auch nicht gleich schwer. Es ist eine hohe fewrige Versuchung / wann der Widersacher mit fewrigen Pfeilen auff vns dringet / vnd vns im Gewissen ängstiget / daß wir zweiffeln müssen an Gottes Gnad vnd Güte / an Christo vnd seinem Verdienst / an der Warheit göttliches Wortes / vnd
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göttlichen Verheissungen / wie dergleichen fewrige Pfeile der Mann Gottes Hiob hat fühlen müssen. Hernach seynd geringere Versuchungen / die von Fleisch vnd Blut herrühren / als wann einer von seinen eignen Lüsten zum bösen gereitzet vnd getrieben wird / oder von andern Leuten etwas böses leiden muß. Solche Anfechtung nennet Paulus menschliche Anfechtungen / vnd bezeuget / daß GOtt bißher die Corinther / als anfangenden vnversuchten Christen / verschonet / vnd jhnen die Anfechtung nicht lassen zu schwer werden. So man aber fraget: Wie wirds zukünfftig werden / da möchten vns härtere vnd vnerträgliche Versuchung betretten? So antwortet Paulus weiter fürs ander / vnd saget: GOtt ist getrew / der euch nicht lässet versuchen über ewer Vermögen / sondern macht / daß die Versuchung so ein ende gewinne / daß jhrs könnet ertragen. Wie GOtt vorhin hat wissen maß zu halten / so wird ers auch ins künfftige wissen / vnd will vns nicht lassen versuchen über vnser Vermögen. Ehe GOtt eine Versuchung über seine Christen verhänget / leget er vor auff die Wage seiner Christen Vermögen / wie viel Kräffte deß Geistes sie haben / vnd dagegen wieget er ab die Anfechtung / vnd schaffet / daß nimmer die Anfechtung schwerer werde / als das Vermögen deß Geistes bey vns ist; bey welchen der Geist zur Zeit noch schwach ist / denen leget er leichte Versuchung auff / denen aber grosse Krafft deß Geistes gegeben ist / die müssen auch grössere Bürde der Anfechtung erwarten. Der höllische Versucher der Satan / will hie gar keine maß halten / sondern begehret vns eine Versuchung nach der andern auff den Halß zu bringen / vnd je die eine schwerer machen / als die (Hiob. 1. & 2.) andere / wie an Hiob zu sehen; Er begehret vns zu sichten / zu rütteln vnd zu schütteln / wie den Weitzen / will vns gar keine Ruhe (Luc. 22, 31.) lassen / biß er vns von Christo vnd vnserer Seligkeit außgeschüttet. Aber GOtt lässet es jhm nicht zu. Vber das / wann
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Anfechtung über vns verhänget ist / so machet GOtt / daß die Versuchung ein solch ende gewinne / daß wirs können ertragen. Er wird mit der Versuchung auch die Entrinnung verschaffen. GOtt will in der Versuchung nicht gar von vns abtretten / vnd seinen H. Geist gantz von vns nehmen / sonst wäre es gewiß vnd warhafftig vmb vnsere Seligkeit geschehen; denn von vns selbst auß eignen Kräfften seynd wir zu keinem(2. Cor. 3, 5.) guten tüchtig / können auch dem Widersacher nicht widerstehen. Es entziehet zwar zuweilen GOtt in etwas den Beystand deß H. Geistes / daß ein Christ lerne erkennen / was für eine schwache Creatur er sey; aber da machts der liebe GOtt wie eine Mutter. Wenn das Kind zum Fewr lauffet / lässet sie jhm ein wenig den Willen / stehet aber vnterdeß hinter jhme / vnd mercket wol auff / was werden will / vnd wann sie denn sihet / daß Noth da ist / vnd das Kind mit gantzem Leibe will ins Fewr fallen / so erhaschet sie es / vnd vnterweiset es. Also thut GOtt zweyerley bey den Versuchungen seiner Kinder; erstlich / wann sie vns sollen auffgeleget werden / wieget er dieselbe ab / daß sie nicht zu schwer werden; hernach wann sie auffgeleget seyn / ist er in der Anfechtung bey vns / vnd schaffet das entrinnen. Der Grund solcher Hoffnung zu GOtt / ist seine Trewe / denn GOtt ist getrew. Die einen in Gefahr führen / vnd lassen jhn drinn stecken / das seynd vntrewe Freunde. Das sey ferne von vnserm GOtt / Er hat kein Wolgefallen an vnserm Verderben / sondern hertzlich begehret er / daß wir leben / vnd selig werden. Darumb wie er auß brünstiger Liebe vns auff den Weg der Seligkeit gebracht / also gibt er vns nicht schlecht dahin / in den Willen deß Satans / sondern da es nicht anders seyn kan / die da begehren gottselig zu leben / müssen Anfechtung leiden / lässet er nach seiner Trewe die Anfechtung nicht zu schwer werden / vnd stehet vns auch bey in den Anfechtungen / daß wir entrinnen können. Wo nun einer nicht muthwillig im
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Sündendienst verbleibet / vnd die Gnade von sich stosset / will Gott niemand verlassen. (Usus. 1. Didacticus) So bleibet nun zwar wahr / daß ein Christ sich wol muß vorsehen / als der in einem gefährlichen Stande lebet / da er leicht kan zu Fall gebracht werden: doch darff er nicht gar verzagen. Darumb erinnere dich hie / lieber Christ / deiner Schwachheit / wie leicht du zum Abfall gerathen könnest / vnd vmb der Seelen Seligkeit gebracht werden. Christen stehen noch im Streit mit der Welt / dem Teuffel / vnd jhrem Fleisch. Hie ist noch nicht gesaget / wir stehen täglich zwischen den Spiessen deß Satans / der ist gewaltig listig / vnd vnverdrossen; dagegen ist vnsere Natur schwach / vnd sündlich / vnd ist keine Sünde / darin wir nicht leicht könten gestürtzet werden. Es ist vns der vielfältige Fall der Israeliten in der Wüsten / nicht allein zum blossen Exempel / sondern zum Fürbilde vorgesetzet. Die Erlösung ist angefangen / auß Egypten seynd wir kommen / durchs rothe Meer seynd wir geführet / das ist / wir seynd getauffet / vnd außgeführet auß dem Reich deß Satans: doch aber seynd wir noch nicht durch die Wüsten ins gelobte Land / vnterwegens können wirs versehen / daß wir geschlagen werden. Es seynd nicht vergebens in H. Schrifft auffgezeichnet / die erschreckliche Fälle der Heiligen / Aarons / Davids / Salomons / Judae. Judas war ein Apostel vnd Jünger Christi / hatte Christum geprediget / vnd verläugnet jhn doch hernach / geräth dadurch in Verzweifflung / vnd erhängt sich selbst / vnd bleibt ewiglich verflucht. Doch hat ers im anfang so böß nicht gemeynet / denn er gedacht: Mein Meister ist allen seinen Feinden wol gewachsen / ich will das Geld verlieb nehmen / vnd zwar vnsern Meister in der Hohenpriester Hände bringen / aber er wird sich wol von jhnen nicht binden lassen / da ist er zu mächtig zu. Daß er mit solchen Gedancken vmbgangen / ist darauß offenbar / daß die Historia meldet / daß Juda die That hefftig gerewet / nach dem er gesehen / wie es wolt hinauß gehen. Also lässet vns der Versucher die Gefahr der Sünden nicht im anfang sehen / bildet vns
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jmmer ein / es soll so weit nicht kommen / diß vnd das soll nur geschehen. Sonst wann ein Christ solte sehen / daß sein Beginnen auff einen grewlichen Sündenfall solte außlauffen / würde er leicht im anfang dem Versucher widerstehen. Aber dazu lässts der Satan nicht kommen / bildet vns was anders ein / biß der anfang gemacht werde / wenn der anfang gemacht / stürtzt er vns tieff gnug hinein / wo jhm die Hand Gottes nicht wehret. Was war David für ein Mann? Ein Mann nach Gottes Hertzen / durch welchen der Geist deß HERRN redet / ein hochgeübter wolerfahrner Christ; dennoch wie grewlich vnd erschrecklich fällt er? Man kan sich nicht gnug verwundern / daß ein solcher Mann hat können in Vnbußfertigkeit dahin gehen. Zwar ist leicht zu erachten / daß zuweilen das Gewissen jhm zugesprochen / nach vollendeter That / doch muß ers bald auß dem Sinn geschlagen haben; biß daß ein Prophet von GOtt gesandt ward / der jhn zu rechter Erkäntnüß der Sünden / vnd derselben Berewung geführet hat. Da mag man billich fragen; Wie ists müglich / daß ein solcher Mann konte in Vnbußfertigkeit leben? Darnach mögen wir freylich wol fragen / vnd darauff achtung geben / auff was weise ein solcher Mann habe können in Heucheley vnd Sicherheit gerathen. Wisse vor erst / daß wir ohn den H. Geist nichts vermögen; zum andern wisse / daß alle Stunden nicht gleich seyn. GOtt gibt dem Versucher zu einer Zeit mehr raum / als zur andern; da entziehet offt GOtt seinen H. Geist / daß der Mensch sich selbst vnd sein Vnvermögen lerne erkennen. Wer hie nun nicht wachet / vnd im Glauben stehet fest vnd wolgerüstet / der wird leicht gefället / aller meist so man dem Satan im anfang zu viel raum gibt. Sihe / David / da er die Bathseba gesehen / vnd in vngebürlichen Lust gegen jhr entzündet war / mag zwar im anfang auch nicht gedacht haben / daß es so weit solte kommen / als es der außgang gezeiget. Weil er aber seinen Kräfften zu viel vertrawet / vnd es vom Ansehen lässet zum Gespräch kommen / vom Gespräch zur Kurtzweil / fällt er endlich in den schändlichen Ehebruch.
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Nach geschehener That war nicht seine Sorge / wie er mit GOtt möchte versöhnet werden / sondern alle seine Gedancken waren dahin gerichtet / wie er die Schmach möchte von sich abwenden / dacht auff List / ließ den frommen Vriam auß dem Krieg nach Hause beruffen / in meynung / er würde sich zu seinem Weibe der Bathseba legen / damit wäre denn das Bubenstück deß Königes bedeckt. Wie aber solches nicht angehet / ergreifft er einen andern Rath / der den guten Vriam vmb sein Leben bracht. Wie das geschehen / fähret der König zu / nimbt das geschändete Weib zur Ehe; damit war alles gut / vnd dachte König David auff keine Sünde. Nun ists ein elend Ding / daß ein Mensch / der in Gottes Gnade lebet / also falle in Sünde / vnd durch die Sünde in die Gewalt deß Satans vnd der Höllen. Denn andere Hoffnung haben wir vns nicht zu machen / wo wir anders nach Gottes heiligem Worte richten wollen. Denn so spricht GOtt durch den Propheten (Ezech. 18, 24.) Ezechiel am 18. Cap. Wo sich der Gottlose kehret von seiner Gerechtigkeit / vnd thut böses / vnd lebet nach allen Greweln / die ein Gottloser thut / solt der leben? Ja / aller seiner Gerechtigkeit / die er gethan hat / soll nicht gedacht werden / sondern in seiner Vbertrettung vnd Sünde / die er gethan hat / soll er sterben. Vnd wann David bey seiner Sicherheit noch hätt sollen Gottes Gnad behalten / wobey solte man denn endlich mercken / daß wir gewiß im Glauben / vnd in einem seligen himlischen Stande wären? Die Schrifft saget nicht allein: Wo jhr durch den Geist deß Fleisches Geschäffte tödtet / so werdet jhr leben. Die Christo angehören / creutzigen jhr Fleisch / sampt den Lüsten vnd Begierden: sondern sie saget auch: Wer die Wercke deß Fleisches thut / der hat das ewige Leben nicht bey jhm bleibend. Wer den Geist Christi nicht hat / der ist nicht sein / er gehöret Christo nicht zu. Zwar
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wann wir in vnrichtigem Beginnen / durch deß Geistes Gnad vnd den Kampff deß Glaubens auffgehalten werden / also daß das Werck deß Fleisches nicht vollzogen wird; oder da wir im vnrichtigen Wege / auß Vnbedacht oder Vnvermögenheit zu widerstehen / doch mit einem Mißfallen / etwas haben begangen / vnd alsbald die Rewe dazu kompt / mit hertzlicher Abbitt durch den Fürsprecher Jesum Christum / da bleibet noch der Glaub / vnd lässt sich spüren in seinen eigentlichen Wercken / wiewol er Schaden gelitten: Wann aber ein Christ das Einreden deß H. Geistes auß dem Sinne schlägt / vnd thut wissentlich vnd vorsetzlich ein Werck deß Fleisches / ob er schon im anfang solche Gedancken nicht gehabt / leidet er doch Schiffbruch am Glauben / vnd in demselben Augenblick verlieret er Gottes Gnade / vnd die Kindschafft; vnd so er entweder durch Gewonheit der Welt / oder bösem Zureden gottloser Leute / oder auß eigner Boßheit / deß Fleisches Werck gering achtet / auch wol noch ein vnd mehrmahl dasselbe wiederholet / vertreibt er mehr vnd mehr den H. Geist / vnd geräth in Heucheley vnd Sicherheit. Wenn denn der Mensch so leicht kan durch die Sünde vmb(2. Consolatorius.) Gottes Gnad vnd die Seligkeit gebracht werden / was soll vns denn trösten? Wie können wir gewiß seyn / daß wir im Glauben beständig bleiben? Freylich müssen wir hie nicht gar ohne Sorge seyn / als wann das Spiel schon geendiget / vnd der Streit sich geleget hätte. Die Schrifft heisset vns sorgfältig seyn; Schaffet / daß jhr selig werdet / mit Furcht vnd Zittern. Dennoch dürffen wir nicht verzweiffeln. Auff Gottes Seiten ist gar keine Gefahr; denn GOtt ist getrew / der euch nicht lässet versuchen über ewer Vermögen / sondern schaffet / daß die Anfechtung so ein ende gewinne / daß jhrs könnet ertragen. Wir seynd / GOtt Lob / so wol außgerüstet mit geistlichen Waffen / als Adam hat seyn können im Stande der Vnschuld. Dann dieser stritt durch Kräffte der Natur / die von GOtt jhm in der Schöpffung mitgetheilet waren; wir aber stehen im Kampff / durch die Krafft Gottes deß Heiligen
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Geistes / vnd haben Wort / Sacrament / Gebet / Geist / vnd Gnade. GOtt selbsten mit vns / will jmmer mit helffen / vnd nimmer zugeben / daß wir zu lang oder über Vermögen versuchet werden. Was auß Schwachheit geschicht / will GOtt vergeben; ja auch / er ist bereit / in Gnaden wieder auff zunehmen / alle die muthwillig von jhm abgefallen / laut seines Eydes: So wahr ich lebe / ich will nicht den Todt deß Sünders / sondern daß er sich bekehre / vnd lebe. So ich denn muthwillig in mir herrschen lasse die Werck deß Fleisches / vnd willig in denselben verharre / so verdamme ich mich nur selbst / vnd sage: HERR / deine Gerichte seynd recht / du thust recht / so du mich verdammest. Doch bitte ich dich / O HERR / heiliger Vatter / wo ich falle / daß du nicht von mir die Hand abziehest / verwirff mich nicht von deinem Angesicht / vnd nimb deinen H. Geist nicht von mir / denn meine Seligkeit beruhet nicht auff meinen Kräfften / sondern auff deiner Gnade. (3. Hortatorius.) Wie sollen wir denn die Sache recht anfangen? Wer stehet / der sehe zu / daß er nicht falle. Darumb erstlich prüfe dich selbst / ob (1. ad cavendu̅ lapsum.) du auch im Glauben recht stehest. Denn es gefallen GOtt nicht fort alle / die sich Gottes rühmen. Wir haben die Exempel der Israeliten / die waren treffliche Leute / hatten Gottes grosse Gnade gesehen / vnd hoch gepreiset; aber der meiste Hauff / die Obristen / vnd so für die besten gehalten wurden / gefielen Gott nicht / hattens auch nicht darnach gemacht / denn sie sich liessen deß bösen gelüsten / trieben Abgötterey vnd Hurerey / murreten wider Gott / vnd versuchten (1. Cor. 9, 24) Christum. Die Schrifft ruffet: Wer kämpffet / der kämpffe recht; wer lauffet / der lauffe recht; wer das Wort Gottes höret / der höre es recht; wer der Sacramenten gebraucht / gebrauche jhrer recht; wiltu ein Christ seyn / so sey recht ein Christ. Die Proba mustu nehmen bey dem Geist der Kindschafft Gottes / so der vns (Rom. 8, 14. 16.) auff Gottes Wegen führet. Denn welche der Geist Gottes treibet / die seynd Gottes Kinder. Vnd derselbige Geist ruffet in vns /
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Abba / lieber Vatter / vnd gibt Zeugnüß vnserem Geist / daß wir Gottes Kinder sind. Zum andern / so du befindest / daß du dich bißher von Christi Geist nicht hast führen lassen / so bilde dir den Himmel nicht ein / du stehest nicht recht im Glauben. Darumb werde nicht sicher / sondern fürchte dich für dem Zorn Gottes / vnd besser dein Leben / sonsten wirds dir gehen wie den Israeliten; du bist auff den Weg deß Himmels gebracht / aber du wirst niedergeschlagen in der Wüsten. GOtt hat auch deß Geschlechtes Christi im Stamm Juda nicht verschonet; vnd hat man sich drob zu wundern / daß Christus in dem Volck / an welchem er seine Lust hatte / daß er vnter jhnen gespielet / dennoch hernach so grewlich rumoret. Aber es ist dir zur Warnung geschehen vnd geschrieben. Sihe / da du zum Christenthumb gebracht / ist deine Seele eine Braut Christi geworden / nicht vmb deiner Keuschheit willen / denn sie war mit hurischer Vnkeuschheit vnd sündlicher Boßheit verunreiniget; sondern auß Barmhertzigkeit hat er sie angenommen / dann er hatte Lust zu jhr. So aber diese Braut / da sie zu Ehren vnd hohen Würden gebracht / jhre Ehre nicht rein behält / soll sie sich nicht fürchten / daß sie zu jhrer vorigen Schande verstossen werde? Zum dritten / wo du erkennest / durch den Geist Christi / der dich treibet / daß du im Glauben stehest / vergiß der Schwachheit nicht. Der Apostel Paulus ruffet vns allen zu in der Epistel an die Philipper am 2. Cap. Schaffet / daß jhr selig werdet / mit(Phil. 2, 12.) Furcht vnd Zittern. Vnd hie; Wer stehet / der sehe zu / daß er nicht falle. Gedencke / daß keine Sünde so groß / darin dich der Verführer nicht stürtzen könne. Darumb warnet vns auch GOtt durch anderer Leute Fälle / daß wir den Teuffel nicht so fern von vns ertichten. Niemand wird schwerlicher entgehen / als der sich einbildet / er sey allen Versuchungen schon entwachsen. Daher ziehet GOtt zuweilen seine Hand etwas zurück / wann wir zu keck vnd sicher seyn / vnd lässet vns erfahren / was wir seyn.
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(1. Pet. 1, 17.) Sintemal jhr nun den zum Vatter anruffet / der ohn ansehen der Person richtet / nach eines jeglichen Werck / so führet ewren Wandel / so lang jhr hie wallet / mit Furchten / wie Petrus ermahnet / in seiner ersten Epistel am 1. Lasset keinen Tag anbrechen / darinnen jhr euch nicht auffs newe auffmuntert wider den Satan / mit wachen vnd beten. Lasset ewer stetiges seufftzen seyn: HERR / führ vns nicht in Versuchung. Ach HERR / nimb deinen H. Geist nicht von mir. Dabey nehmet euch in acht / daß jhr ja im anfang den Reitzungen zur Sünde nicht zu viel trawet / vnd haltet die fliegende Gedancken im Zaum / vnd vnd wo jhr ja auß Schwachheit fallet / so stehet wieder auff im Glauben deß Fürsprechers Jesu Christi. Alsdenn können wir GOtt sich erlich zutrawen / Er werde alle Versuchung so richten / daß wirs können ertragen vnd überwinden. (2. Ad condolendum in lapsu proximi.) Hiebey lerne auch zuletzt diß / daß du dich über keines Menschen Fall lustig machest / du sollst vielmehr hertzlich Mitleiden haben / mit dem gemeinen Elend aller Menschen. Greiff nur in deinen eigen Busen / vnd fühle / was du für Fleisch habest. Allermeist wann sich ein Christ nach schwerem Fall gebessert hat / vnd vorhin gnugsam darüber betrübet geworden ist; sollstu jhm seine Trübsal nicht grösser machen / vnd jhm seinen Fall nicht auffrücken. Nun / heiliger Vatter / wir seynd schwach / vnd zu Sünden sehr geneiget / alles tichten vnd trachten ist nur böse / bewahr vns / lieber Vatter / daß wir nicht abfallen von deiner Gnade / vnd nimb deinen H. Geist nicht von vns. Verschaff allewege / daß die Versuchung ein solch ende gewinne / daß wir der Gewalt deß Satans entrinnen / durch den Heyland JEsum CHristum / Amen.
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Am X. Sontage nach Trinitatis.
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Vom der geistlichen Gaben Vrsprung.
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TEXTVS 1. Cor. 12. V. 1. usque V. 12.
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V. 1. VOn den geistlichen Gaben aber / will ich euch / lieben Brüder / nicht verhalten. V. 2. Ihr wisset / daß jhr Heyden seyd gewesen / vnd hingegangen zu den stummen Götzen / wie jhr geführet worden. V. 3. Darumb thue ich euch kund / daß niemand JEsum verfluchet / der durch den Geist Gottes redet / vnd niemand kan JEsum einen HERRN heissen / ohn durch den Heiligen Geist. V. 4. Es sind mancherley Gaben / aber es ist ein Geist. V. 5. Vnd es sind mancherley Aempter / aber es ist ein HERR. V. 6. Vnd es sind mancherley Kräffte / aber es ist ein GOtt / der da wircket alles in allen. V. 7. In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben deß Geistes / zum gemeinen Nutz.
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V. 8. Einem wird gegeben durch den Geist / zu reden von der Weißheit. Dem andern wird gegeben zu reden von der Erkäntnüß / nach demselbigen Geist. V. 9. Einem andern der Glaube in demselbigen Geist. Einem andern die Gabe gesund zu machen / in demselbigen Geist. V. 10. Einem andern Wunder zu thun. Einem andern Weissagunge. Einem andern Geister zu vnterscheiden. Einem andern mancherley Sprachen. Einem andern die Sprachen außzulegen. V. 11. Diß alles wircket derselbige einige Geist / vnd theilet einem jeglichen das seine zu / nach dem er will.

Geliebte in Christo Jesu.
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(Exord. Aboccasione & scopo.) YEben anderen Vnordnungen in der Corinthischen Kirchen / hat sich gefunden eine Zertrennung vnter der Gemeine / da sich einer nach Paulo / der ander nach Petro / vnd der dritte nach einem andern genennet. Die Apostel hatten allesampt recht vnd einträchtig gelehret / doch hatte einer bessere vnd mehr Gaben / besser vnd mehr Ansehen / denn ein ander / daher kam es / daß einer diesem / der ander einem andern anhieng. Auch scheinets / daß bey jhnen viel Einfältige gewesen / die sich vmb gute Gaben bekümmert haben / vnd betrübet geworden seyn / daß der Geist Gottes bey vnd durch jhnen nicht so viel hat wollen wircken / als bey einem andern. Darüber gibt jhnen Paulus einen Bericht / im zwölfften / dreyzehenden vnd vierzehenden Capitel der ersten Epistel / vnd lehret erstlich / wie der Vnterscheid der Gaben von GOtt sey. Zum andern / daß keiner vmb der Gaben willen
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sich geringer oder grösser in Christo achten solle. Zum dritten / ermahnet er gleichwol / daß ein jeglicher nach den besten Gaben trachten / vnd macht eine solche Ordnung / daß man vor allen erstlich trachte nach der Liebe / damit alle Gaben in der Liebe geschehen / weil ohne die Liebe alle Gaben nichts seyn; hernach daß man allermeist solche Gaben liebe / damit die Gemeine zum meisten erbawet wird. Es scheinet / als sey solche Lehre bey vns nicht so gar nothwendig(Utilitas doctrinae de donis.) / denn wer achtet das / daß er durch den H. Geist möge gute geistliche Gaben haben / vnd durch heilsame Gaben viel gutes wircken? Dennoch werden gleichwol etzliche seyn / die hertzlich wünschen / in GOtt viel gutes zu thun. Auch befindet sich das noch allezeit / wo herrliche Gaben seyn / da folget bald Hochmuth vnd Verachtung / nicht allein bey Zuhörern / sondern auch bey Lehrern. Ist einer / dem ein sonderliches Liecht gegeben ist / die Schrifft zu verstehen vnd außzulegen / der lässt sich bald groß düncken / will niemands Gaben neben sich leiden / alldieweil er meynet / daß niemand gegen jhm etwas sey / daher begehret er das Volck allein an sich zu hängen / vnd gehöret zu seyn. Also nimpt das Fleisch auß Gottes Gaben Gelegenheit zum Hochmuth / zur Begierde sich herfür zu thun / zur Verachtung / darauff folget auch gemeiniglich Trennung / das ist denn ein schändlicher vnd schädlicher Mißbrauch der guten Gaben Gottes. Auch findet sich das wol / so ein schwacher in einem andern fürtrefflichere Gaben vnd Erzeigung deß Geistes spüret / daß er gedencket: Ey was bin ich / ich muß ja kein theil an Christo haben / wie hat der Mensch so viel herrlichere Gaben / als ich? Da ists ja von nöthen / daß man gedencke an die Lehre Pauli / wie der Vnterscheid der Gaben von GOtt sey / vnd wir dennoch alle durch einen Geist zu einem Leibe getauffet seyn / daß wir eines Leibes Glieder seyn. Darumb wollen wir zu der Erklärung dieser Epistel schreitten / darinnen vns Paulus lehret / wie der Vnterscheid der
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Gaben von GOtt herkomme / welches wir doch also betrachten wollen / daß wir darauß lernen / mit vnsern Gaben friedlich zu seyn / vnd dieselbige mit Danckbarkeit in der Demuth zu gebrauchen. Dazu GOtt seine Gnade verleihe / Amen. (In textu proponitur I. Thematis Fundamentum, impotentia in homine naturalis ad bonum spirituale.) ESaiae 26. bekennet die Kirche Gottes / Alles was wir außrichten / das hastu HERR vns gegeben. Denn was ein Mensch gutes gedencket oder thut / das empfanget er von GOtt. Eben dasselbe lehret auch hie Paulus von allen geistlichen Gaben. Er führet vns aber zuvoderst auff vnser Vnvermögen / in dem er spricht: Von den geistlichen Gaben will ich euch / lieben Brüder / nicht verhalten. Ihr (V. 1. 2. 3.) wisset / daß jhr Heyden seyd gewesen / vnd hingangen zu den stummen Götzen / wie jhr geführet wurdet: Darumb thue ich euch kund / daß niemand JESVM verfluchet / der durch den Geist Gottes redet. Vnd niemand kan JESVM einen HERRN heissen / ohn durch den H. Geist. (Propositu̅ Pauli.) Hie zeiget Paulus sein Vorhaben an / daß er von geistlichen Gaben reden will / nemblich / wie dieselbe von GOTT kommen. Verstehet aber insonderheit solche Gaben / die nothwendig oder dienlich seyn / zu Erbawung der Kirchen / andere zu befodern in der Erkäntnüß Christi / vnd seines Heils. Sonsten seyn auch ausserhalb der Kirchen herrliche Gaben Gottes zu finden / als Beredsamkeit / vnd Erfahrung in Sprachen / vnd in dem fall seyn die äusserlichen Gaben nur für gemein zu achten / die bey Glaubigen vnd Vnglaubigen zu finden seyn. Wann aber in der Kirchen bey Christen solche Gaben gefunden werden / dadurch die Kirche gehawet / vnd das Reich vnd die Ehre Christi befodert wird / alsdenn
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werden sie geistliche Gaben genennet. Vnd wann da ein Christ gegen den andern gehalten wird / ist der Glaube eine gemeine Gabe / neben welche nachmals andere äusserliche Gaben vom Heiligen Geist außgetheilet werden / zur Erbawung der Gemeine / die nicht gemein seyn. Von diesen will Paulus reden / vnd lehren / wie sie von Gott seyn. Da führet er vns zufoderst / wie gemeldet / auff vnser Vnvermögen(Fundamentum, quod 1. illustratur percontrarium.) / vnd überzeuget vns / daß wir müssen bekennen / so etwas gutes vnd erbawliches an geistlichen Gaben bey vns ist / daß es nicht von vns / sondern vom Geist Gottes komme. Ihr wisset / spricht er / daß jhr Heyden seyd gewesen / vnd hingegangen zu den stummen Götzen / wie jhr geführet wurdet. Darumb thue ich euch kund / daß niemand JESVM verflucht / der durch den Geist Gottes redet / vnd niemand kan Jesum einen HERRN heissen / ohn durch den H. Geist. Hie werden einander entgegen gesetzet zwey widrige Wirckungen: JEsum verfluchen / vnd JEsum für einen HERRN bekennen. Jesum verfluchen / ist insonderheit / jhn öffentlich lästern / wie im Heydenthumb geschehen / damit daß sie jhr Heyl in stummen Götzen gesuchet. Hernach heisset auch JEsum verfluchen / wenn man Christum nicht prediget / vnd erkennet / als den Grund deß Glaubens / wenn man von jhm auff etwas anders weiset vnd lauffet / auch nicht erkennet / wie in Christo Jesu ein rechtschaffenes Wesen sey. Denn wer da meynet / er möge bey dem Glauben vnd bey Christo wol bleiben an den Heydnischen Lüsten / vnd in Vnheiligkeit / der hält Jesum für vnrein / für einen vntüchtigen Heyland / vnd für einen Fluch. Daß ich aber Christum einen HERRN heiß / geschicht 1. durch das äusserliche Erkäntnüß Christi / 2. durch die Neigung deß Hertzens zu Christo /
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als zu meinem HERRN / in dem ich mich für seinen Dieuer erkenne / vnd seine Ehre suche. Wie nun auß dem ersten Werck geschlossen wird / daß der Geist Gottes nicht wircke; also kan man auß dem andern / daß man JEsum einen HERRN heisst / billich schliessen / daß der H. Geist bey einem Menschen noch etwas gethan habe. Denn wie niemand / der durch den Geist Gottes redet / Christum verfluchet / sondern erkennet jhn für seinen HERRN / denn dazu treibet jhn der Geist Gottes / von welchem er erleuchtet wird: Also wer den Geist Gottes nicht hat / der kan Christum nicht einen HERRN heissen / denn jhm mangelt die Erleuchtung deß Heiligen Geistes. Niemand verflucht JEsum / der durch den Geist Gottes redet. Durch welchen der Heilige Geist lehret / der führet nicht von Christo ab. Welcher aber von Christo abführet / der lehret nicht durch den Heiligen Geist. Also wer vom Heiligen Geist getrieben wird / der schmähet Christum mit seiner Lehr vnd Leben nicht / wer jhn aber schmähet / der wird nicht getrieben durch den Heiligen Geist. Ob er sonst Gaben hat / die Gottes Geist in jhm wircket / so wircket doch in dem der H. Geist nicht in jhm / darinnen er Christum schmähet. So ist nun da kein guter Geist von Gott / da man Jesum schmähet. Hingegen wo man JEsum ehret / das kan nirgend anders herkommen / als vom Heiligen Geist. Niemand kan JEsum einen HERRN heissen / ohn durch den Heiligen Geist. Christum schmähen können wir von vns selbst / aber Christum ehren können wir von vns selbst nicht. Die Natur vnd das Fleisch richtet hie nichtes auß / wie Christus zu Petro spricht Matth. 16. (Matth. 16, 17.) Fleisch vnd Blut hats dir nicht offenbaret / sondern mein Vatter im Him̅el. Derselbe thut es durch seinen Geist / (Joh. 16, 13.) wie Christus verheissen Johan. am 16. Wann der Geist der
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Warheit kommen wird / der wird euch in alle Warheit leiten / vnd wird mich verklären. Daß wir solches scheinbarlich erkennen / führet vns der Apostel(2. Probatus per naturalem ad idololatriam inclinationem.) auff die Heydenschafft / vnd zeiget in derselben deß natürlichen Menschen Zustand. Ihr wisset / daß jhr Heyden seyd gewesen / vnd hingangen zu den stummen Götzen / wie jhr geführet wurdet. Ein Heyd ist ein solcher Mensch / der jhm selbst gelassen ist / vnd hat das Liecht göttlicher Offenbarung im Worte nicht. An denselben müssen wir scheinbarlich sehen vnd lernen / was wir von Natur seyn. Was können denn die Heyden gutes / wann sie schon grosse Weißheit in fleischlichen vnd vernünfftigen Sachen haben? Da jhr seyd Heyden gewest / seyd jhr hingegangen zu den stummen Götzen / wie jhr geführet wurdet. Es haben zwar die Heyden Gottes Majestät erkennen können / auch seine Gütigkeit / aber von dem Mittler zwischen dem erzürneten GOtt vnd den sündlichen Menschen / haben sie von sich selbsten nichts wissen können. Viel weniger haben sie vermöcht / mit jhres Hertzen Vertrawen zu demselben Mittler zu lauffen / sondern vielmehr seyn sie gegangen zu den stummen Götzen / wie sie geführet wurden. Die Heyden werden auch geführet von einem Geist / aber nicht von einem guten / sondern von einem bösen Geist / der dem Geist Christi zu wider ist. Ach wie ein schändliche Dienstbarkeit ist es / wann die arme Leute gleichsam jhrer Sinnen vnd Vernunfft beraubet / von dem leidigen Satan nach seiner Lust herumb getrieben werden. Sie seynd geführet auff stumme Götzen. Man weiß zwar auß den Historien / daß die Götzen zuweilen geredt haben / aber das alles ist nur ein Betrug deß Satans gewesen. Es ist die Verblendung so groß gewesen / daß die elende Leute auch haben müssen das Vngeziefer / Knoblauch / vnd Zwibbeln anbeten. Merck hie wol / liebe Seele /
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wie der natürliche Mensch ein Maulthier deß Satans ist / der kein Vermögen hat / zu etwas gutes sich zu kehren / sondern muß nur lauffen / wie er von dem Satan / der jhn bereittet / geführet wird. Der Art seynd wir alle von Natur / wie auch vnsere Vätter gewesen seynd. Wir lesen mit Verwunderung / wie viel GOtt zu thun gehabt mit der Kirchen deß Alten Testaments / daß er sie von der Abgötterey möchte abhalten. Auff diesen Stand vnter dem bösen Geist führet vns der Apostel / daß wir darauß vernehmen / wie ein ander Geist erfodert werde / wann wir sollen zu Christo lauffen. So bleibet nun wahr: Niemand kan JESVM einen HERRN heissen / ohn durch den Heiligen Geist. Das kan auff zweyerley weise verstanden werden / eben wie wir Christum einen HERRN heissen auff zweyerley weise / 1. mit dem Munde allein / vnd äusserlichen Erkäntnüß / wie alle Christen jhn für jhren HERRN bekennen / von welcher Erkäntnüß Christus bezeuget / daß nicht alle / die zu jhm sagen: HERR / HERR / ins Reich Gottes kommen werden. Zum andern / erkennet man Christum für einen HERRN / mit lebendigem Glauben vnd Gehorsam / wann wir im Glauben mit vnserm gantzen Leben Christo dienen; das heisst recht / Christum für einen HERRN erkennen. (2. Cor. 3, 5.) Doch kan keines ohn den H. Geist geschehen: denn wir seynd nicht tüchtig / von vns selbst als von vns selbst etwas zu gedencken / sondern (1. Cor. 2, 14.) was wir tüchtig seyn / das ist von GOtt. Der natürliche Mensch verstehet nicht / was deß Geistes Gottes ist / es ist jhm eine Thorheit / er kans nicht verstehen. Drumb kan der Mensch ohn den Geist Gottes nicht einmahl zur äusserlichen Erkäntnüß Christi kommen / viel weniger zum jnnerlichen glaubigen Gehorsam. Hieher entstehet ein zweyfacher Schluß. Der erste Schluß gehet dahin / daß dem Menschen ohn den Heiligen Geist keine Gaben heilsam vnd nützlich seyn. Denn wer ohn den Heiligen Geist
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nicht kan haben den lebendigen Glauben an Christum Jesum / der kan auch ohne den Heiligen Geist nichts gutes wircken. Zum Grund ist hie zu wissen / daß der Brunn aller guten GOtt wolgefälligen Gaben ist der Glaube in Christum JEsum / soll vnser Thun vnd Gaben vns heilsam vnd Gott wolgefällig seyn / müssen sie auß dem Glauben kommen. Nun aber kan der Mensch ohn den H. Geist an Jesum nicht glauben / so kan er auch ohn den H. Geist nichts gutes wircken. Der ander Schluß gehet darauff / daß man schlechter dinge nicht könne ohn den Heiligen Geist geistliche Gaben haben. Denn so ich ohn den Heiligen Geist Jesum nicht einmal mit äusserlicher Bekäntnüß einen HERRN heissen kan / kan ich viel weniger ohn den Heiligen Geist von solchem geistlichen Erkäntnüß mit geistlichen Gaben lehren vnd predigen. Nun aber bezeuget Paulus / daß wir ohn den Heiligen Geist JESVM nicht können einen HERRN heissen. Drumb können wir auch ohn den Heiligen Geist keine geistliche Gaben haben / die erbawlich seyn / vnd helffen zu dem seligmachenden Erkäntnüß Jesu Christi. Vnd das ist eigentlich der Zweck Pauli. Auß der Erfahrung hat nun Paulus augenscheinlich gezeiget(II. Thema ipsum de donorum origine.) vnser Vnvermögen / wie es nicht von vns / sondern vom Heiligen Geist komme / daß wir Christum für einen HERRN erkennen / darauß denn billich geschlossen wird / daß auch die geistliche(Idque 1. proponitur simpliciter.) Gaben der Christen / dadurch Christi Reich vnd Ehr befodert wird / nicht von vns / sondern von Gottes Geist herkommen. Dasselbe bezeuget nun auch Paulus mit klaren Worten: Es sind(V. 4. 5. 6.) mancherley Gaben / aber es ist ein Geist / vnd es sind mancherley Aempter / aber es ist ein HERR / vnd es sind mancherley Kräfften / aber es ist ein Gott / der da wircket alles in allen. Es ist ein Vnterscheid vnter Gaben / Aemptern / vnd Kräff
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ten. Aempter seynd Ordnungen gewisser Stände in einem Regiment. Denn gleich wie ein Regent in der Welt Diener von nöthen hat / durch welche er seine vnd deß Regiments Geschäffte verrichtet: Also auch GOtt / ob er wol alles durch sich selbst ohn Mittel außrichten kan / dennoch beliebets jhm / zu verordnen seine Diener / zu Verrichtung der himlischen vnd göttlichen Geschäfften in der Kirchen. Vmb der Aempter willen seyn dem Menschen von nöthen Gaben vnd Kräffte / als wenn das Predigampt soll bestellet werden / gehören dazu geschickte Leute / außgerüstet mit Kräfften vnd Gaben. Gaben seyn Geschickligkeit zu einem Ding. Kräffte seyn der Nachdruck. Also ist Paulus nicht allein herrlich gewesen an Gaben / sondern die Krafft Gottes ist auch groß bey jhm gewesen / durch seine Gaben kräfftiglich zu wircken. Wo GOtt nicht segnet vnd wircket / ist vergebens / daß Paulus pflantzet / vnd Apollo begeusst. GOtt muß wircken / wo anders durch vnsere Gaben vnd Arbeit etwas gutes soll außgerichtet werden. Es seyn mancherley Aempter: Ein ander ist ein Apostel / ein ander ist ein Evangelist / Prophet / Außleger. Ein Apostel ist grösser / denn ein Außleger / ein Außleger ist nützlicher / denn der mit Sprachen redet / wie nun mancherley Aempter seyn: also seyn auch mancherley Gaben / vnd mancherley Kräffte / dennoch kompt das alles von einem Geist / von einem GOTT vnd HERRN. Es rühret hie Paulus den Glaubens Artickel von der Heiligen Dreyfaltigkeit. Der Sohn / weil er ist der HERR vnd das Haupt der Gemeine / so werden auch von jhm die Aempter außgetheilet / denn dem HERRN gebüret es / die Aempter vnd Geschäffte vnter den Dienern außzutheilen. Die Gaben werden außgegossen durch den H. Geist. Der Nachdruck vnd die Kräffte seynd von GOtt dem Vatter / der da wircket alles in allen. In allen / in welchen vnd bey welchen Gaben seynd / vnd durch Gaben etwas
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geschicht / geschicht alles durch die Krafft deß Vatters. Denn vom Vatter / als von der Brunnquell / alles herfleusst. Der Apostel fähret fort / vnd erkläret dieses mit mehrem:(2. Per ulteriorem illustrationem.) In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben deß Geistes zum geineinen Nutz. Einem wird gegeben durch den(V. 7. 8. 9. 10. 11.) Geist zu reden von der Weißheit / dem andern wird gegeben zu reden von der Erkäntnüß / nach demselben Geist. Einem andern der Glaube / in demselben Geist. Einem andern die Gabe gesund zu machen / in demselben Geist. Einem andern Wunder zu thun. Einem andern Weissagung. Einem andern Geister zu vnterscheiden. Einem andern mancherley Sprachen. Einem andern die Sprachen außzulegen. Diß aber alles wircket derselbige einige Geist / vnd theilet einem jeglichen seines zu / nach dem er will. Bedencke hie zu erst die mancherley Gaben / damit GOtt die Kirche außgezieret hat; Weißheit ist der einfältige Verstand / von GOtt vnd seinem Willen / vnd begreiffet rechte Lehr vnd Leben. Die Erkäntnüß ist der hohe Verstand der Lehr vnd der Geheimnüß heiliger Schrifft; imgleichen aller Fälle im äusserlichen Leben vnd Christlicher Freyheit / wie man gegen jederman / gegen Schwache vnd Starcke / sich recht verhalte. Die Gabe zu reden von der Erkäntnüß vnd Weißheit / ist noch mehr / als die Weißheit vnd Erkäntnüß selbst / vnd ist eine Geschickligkeit / vornemblich in dem offentlichen Predigampt / entweder den einfältigen Glauben zu lehren / recht zu vnterweisen / straffen vnd trösten / oder auch die hohen Geheimnüssen der heiligen Schrifft zu erklären / sampt der Christlichen Freyheit. Der Glaube ist eine Gabe / GOtt vnd seinem Wort mit hoher Be
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ständigkeit anzuhangen / auß grossem vngezweiffeltem Muth / auff den Namen vnd Krafft Christi / grosse ding anzufahen vnd zu thun. Denn hie wird nicht geredet von dem gemeinen seligmachenden Glauben / sondern von einem absonderlichen heroischen Glauben / wie auch im folgenden 13. Cap. der ersten Existel (1. Cor. 13, 2.) an die Corinther / da Paulus saget: Wann ich allen Glauben hätte / also / daß ich Berge versetzte / vnd hätte der Liebe nicht / so wäre ich nichts. Also haben die Martyrer Christum offentlich bekant / mit Worten vnd Wercken / vnd über solchem Bekantnüß vnleidliche Pein mit grosser Frewdigkeit erduldet. Da findet sich mancher Christ / der viel behertzter ist denn ein ander / zu verachten alles sichtbares Wesen in dieser Welt / es sey Angst oder Frewd; vnd allein in dem Himlischen sich zu erfrewen. Mancher ist so behertzt / daß er durch den Glauben sich vnterstehe auch Berge zu versetzen / das ist / die Welt zu überwinden / vn̅ sich widersetzen den mächtige̅ Reichen der Welt. Die Gabe gesund zu machen / ist eine besondere Wirckung deß heroischen Glaubens in den Heiligen / auch durch blosse Wort / vnd blosse aufflegung der Hände die Krancken gesund zu machen; wie solches in der ersten Kirchen deß Newen Testaments ist gebräuchlich gewesen. Heute mag ich an statt derselben Gaben setzen die Gab / der Elenden sich anzunehmen / weil man doch befindet / daß einer vielmehr denn der ander angezündet wird / sich der Nothleidenden anzunehmen. Die Kräffte Wunder zu thun vnd mächtig zu wircken / erzeigen sich / wenn die Gaben in Wercken sich hefftig herfür thun / als wann Christus seinen Jüngern Macht gegeben / Teuffel außzutreiben / auff Schlangen zu tretten / Gifft zu trincken / so hat die Wirckung vnd die Krafft solcher zugelassener Macht bey einem sich mehr sehen lassen / denn bey dem andern. (Act. 5, 5. 9.) Eine solche Krafft war es / wann Petrus mit einem Wort den (Act. 13, 11.) falschen Ananiam sampt seinem Weibe tödtet; wann Paulus den
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Zauberer Elimam verblendet. Die Weissagung gehet entweder auff die Wissenschafft zukünfftiger Dinge / wie solche auch im anfang Newes Testaments gewesen / oder auff die Erklärung heiliger Schrifft / wann man auß derselben zuvor verkündigen kan künfftiges Glück oder Vnglück / Zorn vnd Straff / Hülff vnd Belohnung. Die Gabe Geister zu vnterscheiden / lehret vns zu vnterscheiden beydes die Personen vnd die Lehre. Wann man schon kan vnterscheiden zwischen recht vnd falscher Lehre / so bleibets dennoch eine Kunst / zu vnterscheiden den Heuchler von dem Auffrichtigen / einen falschen Bruder von einem rechtschaffenen Lehrer / vnd den Wolff erkennen vnter dem Schaaffpeltz. Durch solche Gabe merckete Petrus bald die Heucheley Ananiae vnd Simonis.(Act. 5. & 8.) Die Gabe mancherley Sprachen ist / wann man mit vielen Sprachen die Geheimnüß Gottes außreden kan. Die Gabe Sprachen außzulegen begreifft in sich eine heilsame Erklärung der heiligen Schrifft / zu erfinden vnd außzudrucken das sonderbare Liecht vnd Krafft / so in einem jeglichen Wort heiliger Schrifft verborgen liget. Ein solchen Vnterschied macht auch Paulus im folgenden 14. Cap. vnter den Gaben mit Sprachen zu reden / vnd vnter den Gaben außzulegen vnd zu weissagen. Also befindets sich / daß einer fürtrefflich ist in mancherley Sprachen / ein ander hingegen in Sprachen nicht so sehr geübet / ein sonderlich Liecht empfindet die Krafft vnd Meynung deß Geistes in der Schrifft zu ersehen. Von diesen vnd dergleichen mannigfaltigen Gaben zeuget Paulus weiter / daß in einem jeglichen Christen sich die Gaben deß Geistes erzeigen / vnd einem jeglichen / doch mit Vnterscheid / gegeben werde die Beweisung deß Geistes / in dem der Heilige Geist durch die Gaben / als durch seine eigentliche Wirckungen offenbaret wird; ja auch bey den Heuchlern lassen sich herrliche Gaben deß Geistes sehen: wie denn Christus zeuget
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(Matt. 7, 22.) Matth. am 7. Cap. Es werden viel zu mir sagen an jenem Tage: HERR / HERR / haben wir nicht in deinem Namen geweissaget? Haben wir nicht in deinem Namen Teuffel außgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viel Thaten gethan? Denn werde ich jhnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkant / weichet alle von mir / jhr Vbelthäter. Wann man derwegen herrliche vnd nützliche Gaben / entweder in Sprachen / oder in Außlegung / oder in einem andern Ding mercket / bey vnheiligen Menschen / muß man gedencken / daß auch solche Gaben ein Geschenck Christi sey / welches er der Kirchen verehret habe / denn solche Gaben nicht der Person gehören / sondern dem Ampt / auch nit vmb der Person willen / sondern vmb deß Ampts vn̅ Christi willen gegeben werden / der Person aber seynd sie nicht nütz / es sey denn / daß sie auß dem Glauben / vnd in Demuth zu Gottes Lob gebrauchet werden. Darumb seynd die Gaben niemand nützlich vnd heilsam / als frommen glaubigen Christen / da ist denn kein Christ so einfältig / hat er den Geist / so wird auch derselbige Geist in einer Gab vnd in einem Werck sich sehen lassen / es sey so gering es wolle. Woher kompt aber der Vnterscheid der Gaben? Paulus weiset auff einen einigen Geist / der alles wircket / der theilet einem jeglichen seines zu / nach dem er will. So stehets nun nicht in jemands Wahl / ob er diese oder jene Gabe haben wolle. Es liget an Gottes Willen / der theilet seine Gaben auß / wie er will. Warumb aber machts GOtt so vngleich? Paulus saget / (V. 7.) es geschehe zum gemeinen Nutzen. GOtt allein weiß / wie es sich zum besten schickt. Dann die mannigfaltigkeit der Aempter / der Gaben vnd der Kräffte / gibet dem geistlichen Leibe Christi eine Zierat / welche auffhören würde / wenn ein jegliches Glied alles
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hätt vnd vermöcht. Gleich wie die Zierligkeit deß menschlichen Leibes bey weitem so wunderbar nicht wäre / wann in allen Gliedern nur einerley Form / Kräfft vnd Wirckung wären. Wie mannigfaltiger aber die Glieder / vnd wie weiter dieselbigen in Kräfften vnd Tugenden vnterschieden / je mehr man sich über den gantzen Leib verwundern muß. Damit haben wir ein Apostolisch Zeugnüß / daß kein(Compendiosa repetitio.) Mensch von jhm selbst eine heilsame nützliche Gabe haben könne / alldieweil er von sich selbsten / ohn Wirckung deß H. Geistes / auch JEsum nicht mag einen HERRN heissen / was aber der Mensch gutes hat vnd thut / das alles kompt her von dem H. Geist / der einem jeglichen seines zutheilet / nach dem er will / alles aber zu dem gemeinen Nutzen / vnd zur Zierd deß geistlichen Leibes Christi. Das soll von vns also angenommen werden / daß für erst ein(Usus 1. Ad grata̅ donorum agnitione̅.) jeglicher seine Gaben mit Demuth vnd Danck erkenne. In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben deß Geistes / dieselbe soll der Mensch erkennen / als Gottes Gabe; wann der eine predigt / der ander zuhöret / da ist das Ampt vnd Werck vnterschieden. Dennoch so dienet der Zuhörer mit seinem zuhören so wol GOtt / als der Prediger mit seinem predigen / sie seynd in eines HERRN Dienst / vnd mag wol seyn / daß zuweilen der Zuhörer viel besser GOtt diene / vnd in seinem Dienst seinem HERRN viel angenehmlicher ist / als der Prediger / der nicht mit solcher Begierde vnd Liebe GOtt zu dienen da stehet / vnd das seine thut / als der Zuhörer. Eben so wird GOtt gedienet / so wol durch den / der die Sacrament empfanget / als von dem / der sie außtheilet. Ist etwan ein armer Mann / der mit Geld vnd Gut niemand kan dienen / so kan es seyn / daß er einen starcken Glauben habe / durch welchen er im Gebet Statt vnd Land kan erhalten: hingegen ist einer / der im Vertrawen schwach ist / vnd nicht mächtig / sich vnd andere wider allen feindseligen Anblick deß Glücks großmütig zu machen vnd zu stärcken / derselbe kan haben die Gabe / mit seinem Geld vnd
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Gut vielen Dürfftigen auff zuhelffen. Was du nun für gutes bey dir findest / das erkenne für eine Gabe / die vom Geist Christi herkomme / vnd dancke jhm dafür. (Imprimis spiritualiu̅.) Insonderheit sollen wir die geistlichen Gaben / dadurch GOtt im Predigampt seine Kirche bawet / thewr vnd werth halten / du findest sie bey dir / oder bey einem andern; mit nichten soll man sie so gering halten / als sie vor der Welt scheinen / sondern man soll GOtt in seinen Gaben die Ehre geben / denn es ist doch nicht vnser Thun vnd Geschickligkeit / sondern Gottes / doch sollen nicht solche Gaben allein darumb hochgehalten werden / dieweil sie von GOtt seyn / sondern auch vmb deß Geschencks vnd Nutzens selbsten / es seyn gewiß keine rohe Bonen / noch taube Nüß / die GOtt seiner Kirchen schencket. Wann du nur die Gaben / die gemein / vnd für der Welt gering scheinen / soltest bezahlen / würdestu sie mit keinem Käyserthumb kauffen können. Tauffen vnd Absolviren ist gemein / dennoch ein solche Gabe / dagegen aller Welt Schätze nichts zu achten seyn. Für ein gesundes Aug vnd Ohr würdestu nicht viel Geld nehmen / doch ists nur eine leibliche Gabe; wie viel thewrer ist zu schätzen die Gabe / die er der Kirchen außtheilet / für die Seelen der Menschen / daß sie auß deß Teuffels Rachen herauß gerissen / vnd zu Gottes Reich vnd Herrligkeit gebracht werden. Kein Potentat / vnd wäre er noch so mächtig / kan mit aller seiner Macht trösten ein blödes / vnd für der Sünde erschrockenes Hertze; der geringste Christ aber / der den Geist Gottes hat / kan es thun. Wann dann GOtt zu diesen Seelen-Geschäfften schicket vnd außrüstet geschickte / hochbegabte Männer / die in aller Weißheit vnd Erkäntnüß die Geheimnüssen Gottes vns wissen fürzulegen / Christum in vnser Hertze schreiben / vnd kräfftig seyn niederzureissen alles / was sich noch wider Christum vnd desselben lauteres heiliges Leben aufflehnet / vnd dagegen den Himmel in der Seelen auffzubawen / soll es nicht / wie geschicht / (1. Tim. 5, 17.) für ein geringes geachtet werden. Die Eltesten / die wol vor
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stehen / die halte man zweyfacher Ehren werth / sonderlich die da arbeiten im Wort vnd in der Lehre. Das ist deß Heiligen Geistes eignes Vrtheil. Die Person muß wol gering heissen / dennoch ist das Ampt vnd das Werck ein werthes Geschenck Gottes / dadurch GOtt so groß Ding thut / das die Welt nicht begreiffen kan / das muß man erkennen / wie es von Gott komme / daß man Gott dafür ehre. Auß diesem folget / daß man nach guten erbawlichen Gaben trachten mag. Es ist vnd bleibet die Liebe der fürtrefflichste Zierat aller Gaben / dadurch auch die geringsten Gaben töstlich gemacht werden; doch können auch die geistliche Gaben einem lieb vnd angenehm seyn / als dadurch GOtt gepreiset / vnd das Heil Christi vnter den Menschen befodert werde. Drumb spricht Paulus: Strebet nach der Liebe / vnd fleissiget euch der geistlichen(1. Cor. 14, 1.) Gaben / 1. Cor. 14. Es findet aber auch / fürs ander / ein jeglicher hie diese Vermahnung(2. Ad Deum in donis honorandum.) / daß er seiner Gaben in Demuth zu Gottes Ehren gebrauche. GOTT dienet man / wann man dem Nechsten dienet. Da stehen wir im Dienst Gottes / vnd der Mensch hat den Nutzen davon. Das seynd wir schuldig eben darumb / daß die Gaben von GOtt herkommen. Wie alles Wasser wieder hinfliesset / daher es geflossen; so sollen auch alle Gaben zurück fliessen zu dem / von welchem sie entsprossen. Zu dem seynd die Gaben zu keinem andern ende den Menschen gegeben / als zum gemeinen Nutz. Gaben werden nicht gegeben / daß einer für GOtt seliger sey / sondern daß der Nechster dadurch erbawet werde. Die Apostel empfiengen die wunderbare Gaben der Sprachen / nicht daß sie dadurch selig würden / sondern daß sie damit Christi Reich vnd Ehr befoderten. Also ist Aaron durch seine Beredtseligkeit nicht angenehmer für Gott geworden / vnd Mosen haben seine grosse Wunderthaten nicht selig gemachet. Aber dem HERRN jhrem GOtt musten sie damit dienen.
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Solls aber heissen / daß du GOtt mit deinen Gaben dienest / mustu dich nicht in den Gaben / sondern in GOtt deinem himlischen Vatter belustigen. Habe deine Lust an dem HERRN / vnd nicht an den Gaben. Drumb hab ich gesaget / daß man die Gaben in Demuth / zu Gottes Ehren gebrauchen soll. Es ist wol zu bedencken / was vnser Heyland Christus zu seinen Jüngern gesaget / welche Macht über die Teuffel bekommen / vnd sehr frohe waren / daß sie mit grosser Krafft groß Ding verrichten konten: (Luc. 10, 20.) Frewet euch nicht darinnen / spricht er / daß euch die Geister vnterthan sind / frewet euch aber / daß ewre Namen im Himmel geschrieben sind. Wann aller Heiligen Gaben vnd Wercke dein wären / vnd du mit Belustigung in denselbigen ruhest / würde das Gut mit Abgötterey beflecket. Denn ein Christ soll seine Lust / Frewd vnd Ruhe allein in GOTT haben. Wann der Mensch mit seiner Belustigung in GOtt ruhet / das ist jhm besser / denn alle Gaben. So fliessen denn die Gaben recht wieder zu GOtt. (3. Ad peste̅ donorum, elationem & in vidia̅, cavendam.) Hierumb werden wir auch / fürs dritte / ermahnet / daß ein jeglicher mit seinen Gaben zu frieden sey / daß niemand einen andern in seinem Ampt vnd Gaben verachte / oder neide. Wisset / daß jhr von euch selbsten nichts seyd / vnd vnwürdig auch der geringsten Gaben / gedencke / wie auch vnsere Vätter geführet seynd zu stummen Götzen / nicht allein im Heydenthumb / sondern auch noch bey der Erkäntnüß Christi / da sie zu Lappen vnd Todtenbein / als zu einem heiligmachen ding geführet seyn. Darumb ein jeglicher wol solte mit dem seinen zu frieden seyn / vnd GOtt dancken / daß er Christum kenne. Die eine Gabe kommet so wol von GOtt / als die ander / die kleine so wol als die grosse / vnd wird gegeben zum gemeinen Nutz / daß einer dem andern damit diene. Darumb sollen wir die Gaben gebrauchen nach dem Wolgefallen / vnd zu Ehren desselben / von welchem sie gegeben seynd / nicht daß wir vns erheben / vnd andere niederdrucken. Der du herrliche Ga
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ben hast / verachte nicht den geringern / dem du mit deinen Gaben dienen sollst / vnd der du gering bist / neide nicht den grössern / welcher darumb in Gaben groß gemacht / daß er dir damit dienen könne. Alle sampt lehret euch ansehen / als Glieder eines Leibes / wie in diesem 12. Cap. Paulus vns erinnert. Denn gleich wie ein(V. 12.) Leib ist / vnd hat doch viele Glieder / alle Glieder aber eines Leibes / wiewol jhr viel sind / sind sie doch ein Leib / also auch Christus. Deßgleichen zun Römern am 12. Cap. ermahnet er vns / daß niemand(Rom. 12, 3. 4. 5.) weiter von jhm halte / denn sichs gebüret zu halten / sondern daß ein jeglicher von jhm mässiglich halte; denn gleicher weise als wir in einem Leibe viel Glieder haben / aber alle Glieder nicht einerley Geschäffte haben. Also sind wir viel ein Leib in Christo / aber vnter einander ist einer deß andern Glied. Wie es nun ist in vnserm sichtbaren Leibe / so soll es auch seyn in dem geistlichen Leib Christi / das Ohr ist nicht neidisch gegen dem Auge / daß es sehen kan / sondern frewet sich darüber: die Hände seynd nicht neidisch über die Füsse / daß sie den Leib fort tragen können / sondern frewen sich darüber. Das Ohr ist zu frieden / daß es hören kan / vnd begehret nicht zu sehen; die Hände seynd zu frieden / daß sie greiffen können / vnd begehren nicht zu lauffen. Ein jegliches Glied ist damit zu frieden / daß es an seinem Leibe lebendig ist / vnd von der lebendigen Seelen regieret werde. Also ein jeglicher Christ soll sich darüber frewen / daß sein neben Christ eine gute Gabe habe / vnd gedencken / daß auch jhm damit gedienet werde; auch soll er nicht auffgeblasen werden / so er was gutes hat / das ein ander nicht hat / ein jeglicher frewe sich nicht über die Gabe / sondern über den Geist vnd HERRN der Gaben / der vns als Glieder zu einem Leibe verbunden hat. Darumb nun / ist jemand / der mit einer herrlichen Gabe gezieret ist / der erkenne sie / als ein göttlich Geschenck / verachte aber nicht einen andern / denn auch der Name einer Gabe selbst soll dich der Demuth erinnern / denn darumb heisst es eine Gabe / weil du es nicht durch deinen Fleiß erworben habest. Gebrauch aber der Ga
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ben in Demuth / zu nutz deß Nechsten / vnd gib alle Ehre dem HErren. Insonderheit soll diß gemercket werden von Theologis, von welchen nichts schändlichers kan gesagt werden / als wenn sie sich über Gaben erheben / eben als wenn der Sohn Gottes darumb den Schoß seines himlischen Vatters verlassen / vnd in das tieffste Elend sich gesencket hätte / daß er dadurch vns ließ Graß wachsen / den stinckenden Hochmuth zu weiden. Ist auch einer / der nur mit geringen Gaben versehen ist / der soll sich darumb nicht geringer achten. Laß dir das genug seyn / daß daß du so wol in deinem Ampt mit deinen Gaben GOtt dienest / als ein ander / das ist groß gnug / wann ich deß gewiß bin / daß ich in allem meinem Thun Christum kan einen HERRN nennen / das ist / daß ich weiß / daß ich in meinem Ampt vnd Thun GOtt vnd Christo diene / kan ich das thun / so bin ich nicht ohn den H. Geist / vnd Christus ist gewiß in mir. Da hastu / lieber Christ / eine Gabe deß Geistes / groß genug / es mag wol seyn / daß andere ein ansehnlicher Ampt / ansehnlichere Kräfft vnd Gaben haben / wer weiß aber / ob sie den Ruhm haben / daß sie in jhrem Ampt vnd Gaben Christum einen HERRN heissen? Offt wissen sie nicht / oder wollen nicht wissen / wem sie für jhr Ampt vnd Gaben dancken sollen / oder zu wems Ehre sie es anwenden sollen. Was nützet jhnen denn jhr herrliches Ampt vnd Gabe? Sie haben nicht Christum / vnd werden nicht geleitet von dem rechten Geist Christi; wie viel seliger bistu / der du dein Ampt vnd Gabe recht erkennest / vnd weisst / daß es Gottes ist / dem zu Ehren du es auch anwendest? So mißgönne nun nicht anderen die grosse Gabe / ob du schon geringere hast / vnd der du grosse Gaben hast / verachte nicht einen andern / ein jeglicher sey friedlich mit seinem. Erkennet Gottes Werck vnd Gaben also / daß wir jhm sämptlich dafür dancken / vnd mit Demuth einer dem andern diene. GOtt sey gelobet für alles Gut / in Christo vnserm HErrn / AMEN.
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Am XI. Sontage nach Trinitatis.
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Von dem Grunde / darnach ein Christ in allen Fällen sich richten solle / daß er stehe / vnd selig werde.
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TEXTVS 1. Cor. 15. V. 1. usque V. 11.
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V. 1. ICh erinnere euch aber / lieben Brüder / deß Evangelij / das ich euch verkündiget hab / welches jhr auch angenommen habt / in welchem jhr auch stehet. V. 2. Durch welches jhr auch selig werdet / welcher gestalt ich es euch verkündiget habe / so jhrs behalten habt / es wäre dann / daß jhr vmbsonst geglaubet hättet. V. 3. Dann ich habe euch zuförderst gegeben / welches ich auch empfangen habe / daß Christus gestorben sey für vnsere Sünde / nach der Schrifft. V. 4. Vnd daß er begraben sey / vnd daß er aufferstanden sey am dritten Tage / nach der Schrifft. V. 5. Vnd daß er gesehen worden ist von Kephas / darnach von den Zwölffen. V. 6. Darnach ist er gesehen worden von mehr dann
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von fünffhundert Brüdern / auff einmal / deren noch viel leben / etliche aber sind entschlaffen. V. 7. Darnach ist er gesehen worden von Jacobo / darnach von allen Aposteln. V. 8. Am letzten nach allen / ist er auch von mir / als einer vnzeitigen Geburt / gesehen worden. V. 9. Dann ich bin der geringste vnter den Aposteln / als der ich nicht werth bin / daß ich ein Apostel heisse / darumb daß ich die Gemeine GOttes verfolget habe. V. 10. Aber von Gottes Gnaden bin ich / das ich bin / vnd seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen / sondern ich hab viel mehr gearbeitet / denn sie alle / nicht aber ich / sondern Gottes Gnade / die in mir ist.

Geliebte in Christo Jesu.
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(Articulus de resurrectione mortuoru̅ Ethnicis fuit ridiculus.) WIe närrisch den Heyden der Glaubens-Punct von der Aufferstehung deß Fleisches vorgekommen / ist zu vernehmen auß der Stimme deß Römischen Landpflegers in Judea / welcher / nach dem Paulus etwas von der Aufferstehung der Todten gedacht hatte / mit lauter Stimme sprach: (Act. 26, 23. 24.) Paule / du rasest / die grosse Kunst macht dich rasend. Eben als wäre die Aufferstehung der Todten ein solch Ding / das niemand könte in den Sinn kommen / er wäre denn seiner Sinne beraubet. Die Vnsterbligkeit der Seelen haben sie noch etwan / wiewol schwerlich / vnd nicht ohn Mißtrawen zugegeben / daß aber auch der verwesene Leib zu seiner Gestalt vnd Seelen wieder kommen solte / ist jhnen gar zu närrisch fürgekommen / alldieweil es GOtt grosse Mühe kosten würde / so er den Staub aller
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menschlichen Leiber sorgfältig solte auffheben / vnd wieder zusammen bringen. Es ist aber dieser Vnglaub der Heyden ein Zeugnüß dessen /(Sed immeritò.) davon Paulus saget zun Römern am 1. Cap. GOttes Zorn(Rom. 1, 18. 19. 21. 22.) vom Himmel wird offenbaret über alles gottloses Wesen / vnd Vngerechtigkeit der Menschen / die die Warheit in Vngerechtigkeit auffhalten. Denn daß man weiß / daß GOtt sey / ist jhnen offenbar. Ob sie nun wol wusten / daß ein GOtt ist / haben sie jhn doch nicht gepreiset als einen GOtt / noch gedancket / sondern seynd in jhrem tichten eitel worden / vnd jhr vnverständiges Hertz ist verfinstert / da sie sich für weise hielten / sind sie zu Narren worden. Ists wahr / daß GOtt ein Richter ist / vnd ein gerechter Richter / der billich zürnet über alles gottloses Wesen / so hat auch den Heyden nicht sollen vnbekant seyn / daß was dieser gerechter Richter nicht straffet bey diesem Leben / er gewiß straffen werde nach diesem Leben. Wie nun die Seele für sich allein keinen Menschen macht / auch nicht allein sündiget / sondern mit dem Leibe / so muß auch billich nach göttlichem Gerichte / der gantze Mensch mit Leib vnd Seele der Straffe vnterworffen werden. Das hätte ja den Heyden / die da wolten vernünfftig seyn / nicht als eine vnvernünfftige Rede sollen fürkommen / aber weil sie ohn GOtt haben wollen weise seyn / seynd sie in jhrer Weißheit zu Narren worden / vnd haben die Warheit nicht erreichet. Daß sie aber gesaget / es wäre nicht müglich / daß der Staub deß menschlichen Leibes / der so tausentfältig zertheilet wird / wieder solte zusammen gebracht werden / damit haben sie der Allmacht Gottes einen grossen Eingriff gethan. Wie leicht es GOtt gewesen / daß er diese meine Glieder von stück zu stück mit allem An
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theil zusammen setzte / da derselben noch keins beysammen war / so leicht wird jhm auch seyn / dieselbe meine Glieder mit allem Antheil wieder zu finden / wann sie schon tausentfältig durch die Verwesung zertrennet seyn. Da müssen Thier vnd Würme / sampt allen Elementen Gottes Kästlein seyn / darinnen er vnsern Staub verwahret / vnd darauß er jhn mit seinen allgegenwärtigen Fingern wieder nehmen kan. (Negatus etiam fuit in ecclesia DEI.) Doch ists kein Wunder / daß bey Heyden / bey welchen wol grewlichere Dinge gefunden / die Aufferstehung der Todten für nichts geachtet ist; darüber hat man sich mehr zu verwundern / daß vnter Christen / vnd zwar solchen Christen / die von Paulo vnd andern Aposteln selbsten das Evangelium vom Todt vnd Aufferstehung Christi empfangen hatten / dennoch Leute gefunden / die nicht haben wollen zugeben / daß an der Aufferstehung der Todten etwas sey / wie deren viele in der grossen Gemeine zu Corintho vnd anderen Orten gewesen / daß man ja sehe / wie der menschliche Verstand zum Irrthumb geneiget ist. Vnd ob sie zwar nicht läugnen konten / daß die Apostel jhnen von Aufferstehung der Todten gepredigt hatten / sagten sie doch; die Aufferstehung der Todten wäre schon geschehen / nemblich / wann der Mensch durch die Tauff mit Christo geistlich begraben / vnd wieder aufferwecket wird zu einem newen Menschen. Wie die Sadduceer zu Christo sagten: Es war ein Weib / die hatte sieben Männer nach einander; sage nun / wessen Manns wird dieses Weib seyn in der Aufferstehung der Todten. Also haben diese vnglaubige Jünger gleiche Rede getrieben: Wo werden wir alle Raum finden? woher werden wir alle gnug bekommen zu vnser Notturfft / so wir bey einander allesampt sollen leben / essen / trincken / Kinder zeugen / vnd andere natürliche Wercke treiben. Wie aber Christus den Sadduceern geantwortet: Ihr verstehet die Schrifft nicht; im ewigen Leben wird man nicht freyen /
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sondern sie werden den Engeln Gottes gleich seyn. Also antwortet auch Paulus seinen vnverständigen Jüngern: Es wird gesäet ein natürlicher Leib / vnd wird aufferstehen(V. 44.) ein geistlicher Leib. Wie vnbesonnen aber von einem Christen die Aufferstehung(Sed inconvententer.) deß Fleisches verworffen werde / zeiget der Apostel Paulus eben mit dem Grunde vnsers Glaubens / dadurch wir Christen werden / nemblich / daß wir bekennen / daß Christus für vnsere Sünde gestorben / vnd wieder von den Todten aufferstanden sey. Ist denn Christus gestorben / vnd doch wieder von den Todten aufferstanden / so soll man ja nicht sagen / es sey nichts mit der Aufferstehung der Todten. Dieser Glaubens-Grund wird in heutiger Lection vns fürgetragen / welchen wir auch also bedencken wollen / daß wir darauß erlernen / Worauff ein Mensch in allen(Thema.) zweiffeligen Fällen sehen solle / daß er in gesundem Glauben bestehen bleibe / vnd nicht abtrette von der Heiligkeit / beydes im Glauben vnd im Leben. GOTT gebe dazu seine Gnade / Amen. ES fanget der Apostel die heutige Lection also an: Ich erinnere(Fundamentum fidei.) euch / lieben Brüder / deß Evangelij / das(V. 1. 2. 3. 4.) ich euch verkündiget habe / welches jhr auch angenommen habt; In welchem jhr auch stehet / durch welches jhr auch selig werdet / welcher gestalt ich es euch verkündiget habe / so jhrs behalten habt / es wäre denn / daß jhr vmbsonst geglaubet hättet. Denn ich habe euch zuforderst gegeben / welches ich auch empfangen habe / daß Christus gestorben sey für vnsere Sünde /
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nach der Schrifft / vnd daß er begraben sey / vnd daß er aufferstanden sey am dritten Tage / nach der Schrifft. Damit will er seine jrrige Zuhörer wieder auff die Einfalt deß einmal angenommenen Glaubens führen / daß sie dabey bleiben / was sie gehöret haben / vnd gibt jhnen einen guten Stich / daß sie deß angenommenen Wortes so leichtlich vergessen / hoffet doch deß besten / sie werden sich wieder weisen lassen. Wir nehmen darinnen in acht den Grund deß Glaubens / oder die Summa deß Evangeliums / vnd wie vns solcher Glaubensgrund zu bedencken fürgehalten wird. Der Grund vnd die Summa deß Evangeliums bestehet darin / daß Christus für vnsere Sünde gestorben / nach der Schrifft / vnd daß er begraben vnd aufferstanden sey am dritten Tage / nach der Schrifft. Wann Christus deß lebendigen Gottes Sohn stirbt / leidet er nicht für sich / als der nichts böses gethan hat; sondern er leidet für vnsere Sünde / die Straffe ligt auff jhm / was wir verschuldet haben / das leidet er / auff daß wir Friede haben / vnd für Gottes Straff vnd ewigem Verderben vns nicht fürchten dürffen. Wie nun Christus wegen vnser Sünde warhafftig gestorben / so ist er auch begraben; doch aber wieder aufferstanden / vnd das wegen vnser Gerechtigkeit / weil er völlig für vnsere Sünde bezahlet. Dieses alles ist in den Schrifften Altes Testaments zuvor verkündiget; denn es ist nicht von vngefehr geschehen / sondern nach dem Rathe Gottes / zu deß elenden Menschen Erlösung. Diesen Glaubensgrund haben wir hie anzusehen / als das Evangelium / das Paulus sampt andern Aposteln vns gegeben vnd verkündiget hat / wie ers auch empfangen hat / ein Wort / das wir angenommen haben / darinnen wir stehen / vnd selig werden.
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Es ist diß das Evangelium / das vns Paulus sampt andern Aposteln gegeben vnd verkündiget hat / vnd zwar zufodderst / das ist / als ein Grundfest vnser Seligkeit. Es haben zwar die Apostel viel mehr gepredigt / dieses aber ist der Grund / vnd die Hauptsumma. Wo dieses falsch ist; so ist vnser Glaub vnd Hoffnung vergebens / der Grund vnser Wiedergeburt ist vmbgestossen / vnd wir seynd die elendesten Creaturen / die vnter der Sonnen seyn / dieweil wir allein hoffen auff Christum in diesem Leben / der hernach in Ewigkeit vns nicht kan nutz seyn. Wann dann Paulus vns ein solches Wort fürträgt / daran so viel gelegen / so muß ers freylich nicht auß seinem eignen Kopff herfür bringen / darumb spricht er / er hab es so gegeben / wie ers empfangen habe. Wie ers aber empfangen habe / zeiget er insonderheit in der Epistel an die Galater am 1. vnd 2. Cap. Ich thue euch kund / lieben Brüder / daß das Evangelium(Gal. 1, 11. 12. & c.) / das von mir gepredigt ist / nicht menschlich ist / denn ich habe es von keinem Menschen empfangen / noch gelernet / sondern durch die Offenbarung Jesu Christi. Solches bezeuget er mit seinem Leben: dann weyland war er ein hefftiger Eyfferer im Jüdenthumb / vnd verfolgete vnd verstörete die Gemeine Gottes über die masse. Da er aber durch Gottes Gnade beruffen ward / den Sohn Gottes zu verkündigen vnter die Heyden / besprach er sich nicht darüber mit Fleisch vnd Blut; das ist / auß seiner Vernunfft hat er nichts nehmen können / das jhn zu solch eim Evangelium brächte: So kam er auch nicht gen Jerusalem zu denen / die vor jhm Apostel waren / daß er von jhnen vnterwiesen wäre; sondern er zog hin in Arabiam / vnd predigte flugs das Evangelium von Christo / vnd eben also / wie die andere Aposteln / es war eine Lehr / eine Weißheit / also / daß nach dem er nach etlichen Jahren gen Jerusalem kam / die hohen Aposteln die
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Gnade Gottes an jhm erkanten / vnd gaben jhm / wie auch Barnaba / die rechte Hand / vnd wurden mit jhnen eins / daß sie vnter die Heyden / die andern aber vnter die Beschneidung predigten / also wie sie hätten angefangen. Dieses ist eine kräfftige Vberweisung / daß das Evangelium von Paulo gepredigt vnd geschrieben / nicht menschlich ertichtes Ding / sondern göttliche Warheit sey. Es hat nicht können vom Teuffel her kommen / denn es ist gegründet in den Schrifften der Propheten / die in vorigen Jahren durch den Geist Gottes eben dasselbe zuvor verkündiget haben; vnd daneben ist es gantz zum Verderben deß Teuffels vnd seines Reichs gerichtet. Von den Aposteln hat ers nicht erlernet / denn deren keinem hatte er gesprochen. Auß eignem Kopff hat ers auch nicht / etwan den Christen zu lieb erdacht / denn er war ein hefftiger Verfolger der Christen / vnd ein Eyfferer übers Jüdenthumb. Dazu wäre es vnmüglich gewesen / daß solch eine Lehre / die so viel in sich begreiffet / in allen Stücken wäre mit der andern Aposteln Meynung überein gekommen / wann er dieselbe von sich selbst / auß eigenem Gehirn gesponnen. So ist nichts mehr über / er muß sie vnmittelbar durch die Offenbarung JEsu CHristi gelernet haben. Diß Evangelium / wie es von Paulo geprediget / also ist es auch von den Gemeinen hin vnd wieder angenommen; denn es hat eine durchdringende Krafft / das Hertz vnd Gewissen zu binden. Es bestehet nicht in Vberweisung der Vernunfft / sondern in der Krafft deß Geistes. Falscher Propheten / als deß Mahomets Lehre / wird auch wol häuffig auffgenommen / es mangelt jhr aber an Bekräfftigung deß Geistes im Gewissen. Würden die Leute in jhr eigen Hertz gehen / vnd dem Grunde nach sinnen / darauff sie baweten / würden sie jhre eigne Gedancken mehr verklagen / als loßsprechen. Diß ist das Evangelium / dadurch wir stehen / haben Gnade vnd den H. Geist. Wann ein Mensch sein gesundes Ge
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blüt verlieret / wird er ohnmächtig / vnd fällt dahin. Wann der Mensch durch das Evangelium keinen Geist auß Christo geschöpffet / kan er für GOtt nicht bestehen / noch etwas gutes wircken / sondern ist abgefallen von GOtt. Das Evangelium aber macht den Menschen standhafftig vnd behertzt / daß er in keiner Anfechtung der Sünden vnd deß Glücks erschrecke / noch zurück weiche; denn so lange ich bey dem Worte bleibe / das lauter Gnade vnd Segen in Christo verspricht einem zerbrochenen vnd zerschlagenen Hertzen / so lange stehe ich / auch bey Empfindnüß bitterer Schmertzen vnd Betrübnüß; ja / je mehr das Hertz in Trübnüß zerbrochen / je kräfftigern Trost es in dem Worte Christi empfindet. Schlage ich das Wort auß dem Sinn / vnd sehe nur auff meine Schmertzen / so fall ich dahin. Also ist das Evangelium Christi die Stütze / daran ich mich halte / wann ich vom Teuffel vnd starckem Vngewitter angestossen werde; weiche ich davon / so falle ich. Diß ist endlich das Evangelium / dadurch wir selig werden. Bey diesem Evangelio ist vns alleine wol. Sihe / wann alles Gut der Welt dich verlässt / vnd dein bleiben nicht mehr hie ist / muß dieses allein dich erfrewen. Auff die Betrachtung dieses Evangeliums ziehet der Apostel seine Corinther / daß sie sich erinnern / was der Inhalt deß Evangeliums sey / das jhnen verkündiget / vnd sie auch angenommen / also daß sie dadurch haben stehen können / vnd selig werden: Ich erinnere euch dessen / spricht er / welcher gestalt ich es euch verkündiget habe / so jhrs behalten habt / es wäre denn / daß jhr vmbsonst geglaubt hättet. Es will Paulus hie mit keinen Vnglaubigen zu thun haben / sondern mit denen / die das Evangelium wissen / vnd angenommen haben. Haben nun die Corinther das Evangelium von sich gestossen / vnd sich wieder zu den vnglaubigen Heyden gegeben / muß ers geschehen lassen /
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daß sie auch keine Aufferstehung deß Fleisches glauben; so sie aber noch sein Evangelium lassen wahr seyn / so erinnert er sie / zu bedencken / was darinnen begriffen ist; so werden sie bekennen müssen / daß es mit der Aufferstehung der Todten nicht auß sey. (Testimonia de Christo resuscitato.) Weils dann dem Apostel darumb zu thun ist / daß er seine Gemeine auffs newe bekräfftige in der Haupt-Lehre / daß der JESVS / so / wie aller Welt bekant / gecreutziget war / auch von den Todten warhafftig aufferstanden wäre / führet er ferner Zeugen ein der Aufferstehung Christi. Deß vornembsten Zeugen ist schon vorhin gedacht / wann er gesagt / daß Christus gesterben sey nach der Schrifft / vnd daß er aufferstanden sey nach der Schrifft. Denn der Geist / der in den Schrifften der Propheten es zuvor verkündiget / ist GOTT selbst / die höchste Warheit. So der Menschen Zeugnüß diese Krafft hat / in den Gewissen der Menschen / daß wir vnzweiffelhafftig für wahr halten / was viele vnd redliche Menschen bezeugen; so hat Gottes Zeugnüß grösser Krafft / vnd bezwinget das Gewissen / daß wann der Mensch schon will widersprechen / als wäre es ein lügenhafftiges Geticht / was von Christo geprediget wird / er einen Wiederschall in sich empfindet / dadurch er sich selbsten anklaget / vnd überzeuget wird / er thue vnrecht / daß er sich dieser Warheit widersetze. Ob wol Petrus augenscheinlich die Herrligkeit Christi gesehen / auff dem heiligen Berge / vnd die Stimme Gottes deß Vatters mit seinen Ohren gehöret / trawet er doch nicht so sehr seinen eigenen Augen vnd Ohren / als den göttlichen Zeugnüssen in den Schrifften der Propheten; darumb als er in seiner andern Epistel am ersten Capitel gesaget hatte von eigner Offenbarung / (2. Petr. 1, 19.) setzet er hinzu: Wir haben noch ein festers Wort / das Prophetische Wort / vnd jhr thut wol / daß jhr darauff mercket.
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Es nennet aber Paulus auch andere Zeugen auß dem Hauffen der Menschenkinder / so wol anderer Leute / als sein eigen Erfahrung. Er gedenckt nur der vornembsten Offenbarungen / die nicht Weibern / sondern glaubhafftigen vnd in der Kirchen ansehnlichen Männern wiederfahren seyn. 1. Gedenckt er deß Petri / welchem / als einem schwer-gefallenen vnd sehr betrübten Sünder / der HErr Christus zeitig sich hat sehen lassen nach der Aufferstehung; wie er denn nicht lange den betrübten Seelen sich vorenthalten kan. 2. Gedenckt er der Zwölffen. Denn ob schon Judas abgefallen / ward doch die Versamlung der Aposteln mit dem Namen der Zwölffen angedeutet / weil zwölff hinein gehörten; wie man sonst in einem Regiment ein Collegium die fünffzehen Männer nennet / darzu fünffzehen gehören / ob schon in der that nicht fünffzehen darin seyn. 3. Gedenckt er fünffhundert Brüdern / von welcher Offenbarung doch nichts bey den Evangelisten zu finden. Ist vielleicht dieselbe / die Christus verheissen / da er gesagt: Ich will vor euch hingehen in Galilaeam / da werdet jhr mich sehen. 4. Nennet er Jacobum / davon die Evangelisten auch nichts melden. Daß man also dafür halten muß / daß der HERR nach seiner Aufferstehung vielmehr sich geoffenbaret / als die Evangelisten angezeichnet. 5. Setzet er alle Aposteln / darunter nicht allein die Zwölffe / sondern auch die übrigen siebentzig Jüngere begriffen werden. Zuletzt setzet er sein eigen Zeugnüß hinzu. Denn anderer himlischen Offenbarungen zu geschweigen / deren gedacht wird / Gal. 1. 2. Cor. 12. so hat sich Christus leibhafftig von Paulo sehen(Gal. 1, 12. 1. Cor. 12, 2. Act. 9, 1. C. 23, 11.) lassen / erstlich in seiner Bekehrung / hernach in dem Römischen Läger / da er von den Juden hart verklaget ward / vnd gen Rom solte geführet werden. Dann weil Paulus mit solcher Erscheinung will die Aufferstehung Christi bekräfftigen / ist er dessen gewiß gewesen / er habe nicht ein Gespenst oder blosses Gesicht auff Erden gesehen / sondern den Leib Christi leibhafftig.
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Damit man aber nicht meyne / sein Zeugnüß könne nicht viel gelten / bekennet er zwar seine Vnwürdigkeit / pochet dennoch auff sein Ampt vnd die Gnade Gottes / die er in seinem Ampte erfahren (V. 8. 9. 10.) hat. Denn so spricht er: Am letzten nach allen / ist er auch von mir / als einer vnzeitigen Geburt / gesehen worden. Dann ich bin der geringste vnter den Aposteln / als der ich nicht werth bin / daß ich ein Apostel heisse / darumb / daß ich die Gemeine Gottes verfolget habe. Aber von Gottes Gnaden bin ich / das ich bin / vnd seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen / sondern ich habe viel mehr gearbeitet / denn sie alle / nicht aber ich / sondern Gottes Gnade / die in mir ist. Er gibt vns zu erkennen 1. seine Vnwürdigkeit / nennet sich eine vnzeitige Geburt / welches zum einfältigsten also verstanden wird / wie es der Apostel selbst erkläret: Ich bin der geringste vnter den Aposteln / als der ich nicht werth bin / daß ich ein Apostel heisse. Eine vnzeitige oder Mißgeburt wird nicht so viel geachtet / daß es vnter die Kinder gezehlet werde / vnd bleibt ohn Namen. Also rechnet sich Paulus vnter den Aposteln / seiner Person halben / nicht anders als eine vnzeitige Geburt / der nicht werth sey / daß er vnter jhnen gezehlet werde. Vnd dasselbe vmb seiner vorigen Feindseligkeit willen / dieweil er ein Mörder gewesen / vnd zwar ein Feind vnd Mörder Christi vnd seiner Gemeine. 2. Gibt er vns zu erkennen die Gnade / die jhm gegeben ist. Er kan nicht läugnen / daß er durch Gottes Gnade groß gemacht / mit vielen herrlichen Gaben außgerüstet / vnd durch seine Gaben viel außgerichtet habe / also auch / daß er mit seiner Arbeit
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weiter gegangen / vnd mehr auß gerichtet habe / als die andern alle. Denn er hat das Evangelium weit vnd breit durch die Heydenschafft auß gebreitet / deßgleichen keiner vnter den andern gethan: vnd eben dazu ist er von Christo von allen außgesondert. Diß hat er nicht läugnen können / doch aber eignet er jhm selbst nichts zu / sondern alles bloß allein der Gnaden Gottes. Was ich bin / das bin ich durch die Gnade Gottes / was ich thue / das thue ich nicht / sondern Gottes Gnade / die in mir ist. Er erinnert aber solches / daß man jhm deß zu mehr Glauben gebe / wann er von Christo vnd seiner Aufferstehung zeuget. Will man jhm nicht glauben / weil er ein Apostel ist / so soll man jhm doch glauben / weil er vorhin selbst ein Feind vnd Verfolger Christi gewesen ist. Wir erinnern vns aber dabey / wie ein Christ Person vnd Ampt vnterscheiden soll. Paulus hält sich für eine geringe Person / vnd seiner Person nach / nichts gegen die andere; nach seinem Ampt aber vnd der Gnaden Gottes / macht er sich jhnen gleich. Du kanst / frommer Christ / deine Gaben erkennen / vnd bedencken / was du mit deinen Gaben für Früchte schaffest; denn so du nicht außrichtest / was dein Ampt fodert / so ist die Gnade an dir vergeblich; richtestu abes was gutes auß / so hast deine Gabe nicht vergeblich empfangen. Das magstu erkennen; doch aber vergiß deiner Vnwürdigkeit nicht / gedenck auff die Boßheit vnd Vnart deines Hertzens; gedenck auff dein Vnvermögen / denn wir seynd nicht tüchtig etwas gutes zu gedencken / ich geschweige etwas grössers zu thun. Wann wir vns schon setzen über das Wort Gottes / vnd demselben nachdencken / werden wir doch nichts tüchtiges oder fruchtbares erreichen / ohn allein was der H. Geist in vns wircket. Also sollen wir bey vnsern Gaben die gründliche Demuth erhalten / damit GOTT ja allein alle Ehre bekomme. Wir seynd doch gar nichts / vnwürdige stinckende Würme / seynd wir aber was / das seynd wir / OGOtt / allein durch deine Gnade. Wir thun nichts gutes / böses können wir mehr denn zu viel thun.
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Was wir aber gutes thun / das thun wir allein durch deine Gnade / du gibst Muth / Krafft vnd Vermögen. Eben so gedencke auch von andern. Sihestu einen begabten Menschen / der herrlichen Nutzen schaffet / halt jhn nicht für gering / sondern achte / es sey eine Gnade vnd Geschencke Gottes / der mit Paulo sagen könne: Ich bin einer von Gottes Gnaden. Vnd ist auch freylich solcher Mensch ein groß Gnadengeschenck / damit GOtt seine Gemeine begabet. Er sey seiner Person halben wie er wolle / groß oder klein / gesund oder gebrechlich / das laß du fahren / wir seynd allesampt vnser Person halben vnwürdig vnd vntüchtig / erkenne du die Gabe Gottes in dem schwachen Werckzeug / vnd gib GOTT auch / wie du denn schuldig bist / ein wenig Danck dafür. (Consectarium.) So hat nun Paulus den Hauptgrund vnsers Glaubens in heutiger Lection bekräfftiget / wie Christus vmb vnser Sünde willen gestorben / auch wieder von Todten aufferstanden ist. Darauff führet er auffs newe seine jrrige Corinther / vnd schliesset darauß (V. 12.) weiter: So dann Christus geprediget wird / daß er sey von den Todten aufferstanden / wie sagen denn etliche vnter euch / die Aufferstehung der Todten sey nichts? Ist so viel: Mit nichten ist es nichts vmb die Aufferstehung der Todten: Es ist falsch / daß etliche vnter euch sagen: Kein Mensch kan wieder nach dem Todt lebendig werden. Denn Christus ist ja als ein wahrer Mensch gestorben / vnd dennoch wieder aufferstanden / wie vns gepredigt wird / vnd wie wir glauben. So aber das (V. 16.) wahr ist / daß kein Mensch von Todten aufferstehe / so ist Christus auch nicht aufferstanden. Wann aber jemand sagen wolt; ich gebe es zu / daß Christus aufferstanden ist / dieweil er ein GOtt war; was gehet aber das andere Menschen an; So vnterrichtet vns (V. 20.) Paulus auß Prophetischem Geist weiter / vnd lehret / daß Christus nicht als ein einiges Exempel der Aufferstehung anzusehen sey / sondern als der Erstling vnter denen / die da schlaffen. Er ist das
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Haupt / dem seine Glieder folgen müssen; denn das Haupt kan ohne Glieder nicht seyn. Das erfordert auch sein Ampt / denn was in Adam verdorben / das alles hat durch Christum müssen wieder gebracht werden. Wie nun die jrrige Corinther von der Verführung auffs(Usus ad apprehen dendum DEI verbu̅ tanquam fundamentum fidei & sanctae vitae.) Wort gewiesen seyn / das jhnen gepredigt war von Christo / vnd sie auch angenommen / also müssen auch wir wider alle Anfechtung ans Wort vns halten. Denn das ist ein Grund / der warhafftig ist / vnd nicht triegen kan; weichen wir davon / so jrren wir. Es ist der Grund / dadurch wir stehe̅ / weichen wir davon / so fallen wir. Es ist der Grund / dadurch wir selig werden / weichen wir davon / so tretten wir ab von vnser Seligkeit. Es kennet GOtt niemand besser / denn er selbst; so kan auch niemand von jhm vnd seinem Willen besser reden / denn er selbst; darumb auch müssen wir von jhm allein hören vnd lernen / was wir von jhm halten / vnd wie wir für jhm leben sollen. Meine Lieben / es ist viel in der Welt / das vns vom reinen Glauben vnd heiligem Wandel in Christo kan abhalten vnd abziehen. Wider das alles müssen wir vns halten an das Wort / das vns gepredigt ist / das muß vnser Regel seyn / darnach wir glauben vnd wandeln / vnd nichts anders / es habe Namen wie es wolle. Ihr findet in der Welt einen hauffen grosser Leute / die anders glauben / als jhr gelehret seyd. Viele seynd darinnen erwachsen / viele von den vnserigen fallen zu jhnen. Das muß vns kein Wunder seyn / weil wir wissen / wie der menschliche Verstand so sehr zum Irrthumb geneiget ist. Seynd doch Pauli eigne Jünger gefallen / welche auß dem Munde deß Apostels das Wort deutlich / lauter vnd rein erlernet hatten. Wann jhr dergleichen Exempel sehet / so gedenckt an menschliche Schwachheit / vnd sehet auff das Wort / vnd betet: Ach HERR / laß mich ja auch nicht also fallen. Ewer eigne Vernunfft ist dem Glauben nicht gar gut. Es ist zwar die H. Schrifft nicht den Ochsen vnd Kälbern fürgeleget /
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sondern vernünfftigen Menschen; doch muß sich die Vernunfft vom H. Geist vnterweisen vnd führen lassen. Will sie aber selbst Meister seyn / so jrret sie gewiß. Denn vergebs wird in H. Schrifft vns nicht gebotten / daß wir vnsere Vernunfft gefangen nehmen / vnter den Gehorsam deß Glaubens. Was ist gefangen nehmen anders / als die Vernunfft einziehen / binden / vnd jhr keinen freyen Willen lassen / sondern mit einfältigem / gehorsamen Hertzen das klare Wort Gottes also annehmen / wie es lautet? Was wäre es nöthig / gefangen nehmen / wann sie sich der einfältigen Warheit nicht widersetzte. Darumb müssen wir vns auch für vnserer eignen Vernunfft hüten / solte vnser Glaub nach der Vernunfft gerichtet werden / dürfften wir deß H. Geistes nicht dazu / daß wir glaubig würden. Weil aber der Glaub gehet über Vernunfft / gilt hie auch kein menschlich klügeln / sondern es bleibt Glauben allein deß Heiligen Geistes Werck. Auff Erfahrung vnd Empfindnüß können wir auch nicht allezeit gehen. Wir haben ja auch Erfahrung in vnserm Glauben. Aber Erfahrung muß nicht vorgehen / sondern nachfolgen. Wann ich in höchster Trübsal Gottes Gunst wolte richten / nach meinem Empfinden / würde ich übel daran seyn. Der heilige Job hat bey seiner schweren Seelen-Angst nicht können empfinden / wie lieb er GOtt wäre / vnd wie jhn GOtt gedächte zu ehren. Was soll man denn da thun? Allein bey dem Worte bleiben / das den betrübten zerschlagenen Hertzen Gottes Gnad vnd Gunst verheisset. Dabey bleib / du magst empfinden was du wilst. Zu seiner Zeit wirstu wol empfinden / daß du nicht vergebs dem Worte Gottes geglaubet habest. Also / daß es nicht gut sey / sich auff menschliche Hülffe verlassen / sondern auff GOtt; das empfinde ich nicht fort in der Erfahrung / sondern das Wiederspiel; doch muß ich dem Worte glauben / vnd dabey bleiben / daß es wahr sey; die Erfahrung muß sich hernach finden. In Heiligkeit deß Lebens leiden wir grosse Anstöß von der Gewonheit. Wer sich hie nicht an das Wort hält / der wird sein
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Lebenlang zu keinem Christlichen Wandel gelangen. Denn woher kompts / daß wir so ein betrognes elendes Christenthumb haben / als daß man auff Gewonheit sihet / vnd dagegen Gottes Wort nicht anders achtet / als wäre es nur ein Schertz. Wird diß Wort von einem Menschen für ein warhafftiges ernstliches Wort gehalten / vnd nicht für ein Lügenwort / das da sagt: Wer den Geist Christi nicht hat / der ist nicht sein: wer durch den Geist deß Fleisches Geschäfft nicht tödtet / der soll nicht leben / er ist kein Kind Gottes; Lieber / wie kan denn derselbe Mensch bey seinem Welthertzen glauben / daß er Christo angehöre / Gottes Kind sey / vnd ein Erbe deß ewigen Lebens? Wir verwundern vns / daß vormals Leute gewesen / die geglaubet / daß Christus für vns gestorben / vnd wieder aufferstanden sey / vnd dennoch gesaget / die Aufferstehung der Todten sey nichts. Diese glaubten gleichwol noch / daß eine geistliche Aufferstehung seyn müste. Solten sie denn auffstehen / vnd hören / daß vnter vns solche Christen seyn / die glauben / daß Christus vmb jhrer Sünde willen gestorben / vnd wieder aufferstanden sey / vnd dennoch mit Christo nicht wollen den Sünden absterben / vnd zu einem newen Leben aufferstehen / sondern noch jmmer in Sünden hin leben / würden sie ebenmässig vrsach haben / sich über vns zu verwundern. Darumb / meine Lieben / haltet euch wider alle Exempel vnd Gewonheit / wider alles Fühlen vnd Vernunfft an dem Worte Christi / das gewiß ist / vnd recht lehren kan; vnd samlet euch darauß einen Schatz auffs künfftige / denn jhr wisset nicht / in welcherley Anfechtung euch GOtt üben werde. Es ist vns verkündigt ein solches Wort / dadurch wir stehen / vnd selig werden / GOtt laß vns dabey fest bleiben / vnd behüte vns / daß wirs nicht vergebs empfangen haben / AMEN.
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Am XII. Sontage nach Trinitatis.
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Von der klaren Herrligkeit deß Evangelij von Christo.
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TEXTVS 2. Cor. 3. V. 4. usque V. 12.
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V. 4. LIeben Brüder / Ein solch Vertrawen aber haben wir durch Christum zu Gott. V. 5. Nicht daß wir tüchtig seynd / Rath zu finden von vns selber / als von vns selber. Sondern / daß wir tüchtig seynd / ist von Gott. V. 6. Welcher vns auch tüchtig gemacht hat das Ampt zu führen / deß Newen Testaments / nicht deß Buchstabens / sondern deß Geistes / dann der Buchstabe tödtet / aber der Geist machet lebendig. V. 7. So aber das Ampt / das durch die Buchstaben tödtet / vnd in die Steine ist gebildet / Klarheit hatte / also daß die Kinder Israel nicht kunten ansehen das Angesicht Mosi / vmb der Klarheit willen seines Angesichts / die doch auffhöret. V. 8. Wie solte nicht vielmehr das Ampt / das den Geist gibt / Klarheit haben? V. 9. Dann so das Ampt / das die Verdamnüß pre
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diget / Klarheit hat / vielmehr hat das Ampt / das die Gerechtigkeit predigt / überschwenckliche Klarheit. V. 10. Dann auch jenes theil / das verkläret war / ist nicht für Klarheit zu achten / gegen dieser überschwencklichen Klarheit. V. 11. Dann so das Klarheit hatte / das da auffhöret / vielmehr wird das Klarheit haben / das da bleibet.

Geliebte in Christo Jesu.
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IM andern Capitel der andern Epistel an die Corinther preiset(Exord. Ab efficacia ministerii Evangelici. 2. Cor. 2, 14. 15. 16.) Paulus seinen GOtt / für die göttliche durchdringende Krafft seines Predigampts / mit solchen Worten: GOtt sey gedanckt / der vns allezeit Sieg gibt in Christo / vnd offenbaret den Geruch seiner Erkäntnüß / durch vns an allen Orten. Denn wir sind GOtt ein guter Geruch Christi / beyde vnter denen / die selig werden / vnd vnter denen / die verlohren werden. Diesen ein Geruch deß Todtes zum Todt / jenen aber ein Geruch deß Lebens zum Leben. Vnd wer ist hiezu tüchtig? Es vergleicht der Apostel das Predigampt einem gestrengen köstlichen Balsam / welcher / wann er in ein Gemach gebracht / vnd gerühret wird / einen strengen Geruch von sich gibet. Denn wenn das Wort Gottes recht getrieben wird / ist es kein ohnmächtiges Wort / sondern es hat seine Krafft / vnd dringet biß auffs Hertz. Da wirds ein süsser Geruch Christi für GOtt / vnd erweckt Andacht / Seuffzen / vnd kindliches Vertrawen. Das ist ein recht süsser Geruch für GOTT. Gleich wie aber ein starcker Geruch bey allen nicht einerley
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Wirckung hat / denn was einem lieblich vnd anmuthig ist / kan dem andern verdrießlich seyn: Also übet auch das Evangelium nicht einerley Krafft bey allen / dem einen ists ein Geruch deß Lebens zum Leben / dem andern ein Geruch deß Todtes zum Todt. Da gehets / wie auch in der Natur der Speisen / denn was einem Geschlecht süß vnd heilsam ist / mag dem andern widerlich vnd ein Gifft seyn. Also ist das Evangelium zwar / wanns recht getrieben wird / ein Geruch deß Lebens zum Leben / bey denen die selig werden; denn bey der jnnerlichen Wiedergeburt / vnd Wirckungen deß Heiligen Geistes / der sie treibet / mercken sie / daß sie Gottes Kinder seyn / vnd empfinden das Reich Gottes in jhnen / Fried vnd Frewd im Heiligen Geist / den rechten Seelen-Trost / der sie erfrewet auch in Trübsal. Doch aber wird das Evangelium ein Geruch deß Todtes zum Todt / bey denen die verlohren werden. Denn es wird jhnen ein Stachel in jhrem Gewissen / vnd eine Vberzeugung / daß sie muthwillig den Weg deß Lebens verworffen haben. Denn so das natürliche Erkäntnüß der Gerechtigkeit (Rom. 2, 15.) diese Krafft hat / wie Paulus zeuget zun Römern am 2. Cap. daß sie bey den Heyden die Gewissen überzeuget / also daß die Gedancken sich vnter einander verklagen oder entschuldigen: so hat die Offenbarung GOttes in seinem Worte vielmehr die Krafft. Daher findet ein getrewer Prediger allezeit Sieg / daß er mit Paulo sagen kan: Gelobet sey GOtt / der vns allezeit Sieg gibt in Christo. Es wird Christi Wort nimmermehr vergebens geprediget / es übet allezeit seine Krafft / wirds nicht ein Geruch deß Lebens zum Leben / so wirds doch ein Geruch deß Todtes zum Todte / dadurch die widerspenstige vnd vngehorsame jhres Todtes vnd künfftigen Gerichtes überzeuget werden; vnd haben jhr Gericht vnd Verdamnüß in jhnen / ob sie es schon auß dem Sinn schlagen. Denn eben das Wort / das sie hören / wird (Joh. 12, 28.) mit jhnen aufferstehen / vnd nach der Weissagung Christi sie richten an jenem Tage.
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Dieses erwehnet Paulus als ein Prediger / beydes zu seiner(Quae consideratur, ut cognoscant ministri suam dignitatem & indignitatem.) Erniedrigung vnd Erhöhung. Dann in dem er gedenckt an die geistliche durchdringende Krafft deß Worts / das er im Namen Christi predigt / gedenckt er auch an sein Vnvermögen vnd seine Vnwürdigkeit / vnd spricht: Wer ist hiezu tüchtig? Denn hiezu gehöret mehr denn menschliche Krafft / daß ein Mensch / der in Sünden todt ist / durch eine Predigt lebendig werde. Eben so gehöret freylich eine göttliche Krafft dazu / daß ein freches Gewissen deß Todtes überzeuget werde; denn sonsten wird ein Mensch alles zum Gelächter ziehen / denn das Hertz ist trotzig. Hierumb gibt Paulus allen Preiß vnd alle Ehr seinem GOtt: Gelobet sey GOtt / der vns allenthalben Sieg gibt in Christo. Gleichwol so gereichet diß auch zur Hoheit Pauli / daß er nicht ein vergeblicher Prediger ist / vnd darff sich dessen wol rühmen gegen seine Widersacher. Denn es waren viele falsche Apostel zu Corintho / die viel von jhrer Kunst vnd Geist rühmeten / verfälschten das Wort / redeten viel vom Gesetz / lehreten aber nicht den rechten Gebrauch / sondern führeten ab von Christo auff eigne Werck / vnd verkleinerten das Ampt Pauli. Diesen zu trotz rühmet er sich / er habe das Evangelium Christi lauter vnd rein gelehret / so habe auch sein Ampt rechtschaffene Krafft gehabt / die Gottlosen entweder zu bekehren / oder zu beschuldigen; doch nicht durch seine eigne Kunst oder Vermögen / sondern durch GOTT. Wie er nun im andern Capitel angefangen zu reden von der Krafft seines Evangelischen Predigampts / also fähret er fort im dritten Capitel / vnd rühmet das Ampt deß Evangelij / vnd bezeuget in der heutigen Lection / Wie die Predigt deß Evangelij(Thema.) durch Gottes Krafft / in den Hertzen der Menschen wircke eine überschwenckliche grosse Klarheit. Dar
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auff mag man achtung geben / daß man wisse / was wir an dem Evangelischen Ampt haben. Denn was man nicht kennet / das acht man nicht. GOtt aber gebe Gnade / daß wir die Klarheit seines Evangelij recht betrachten / durch die Krafft seines H. Geistes / Amen. (Textus ostendit 1. originem virtutis in Evangelii praedicatione.) NAch dem der Apostel Paulus nicht allein zum ende deß andern Capitels gerühmet / die Krafft deß Evangelij / wie es allewege einen starcken Geruch von sich gebe / entweder zum Todt oder zum Leben; sondern auch im anfang deß folgenden dritten Capitels davon geredet / wie sein Wort bey den Corinthern kräfftig gewest / also daß sie dadurch ein Brieff Christi geworden / denen Christus lebendig ist ins Hertz geschrieben; setzet er darauff (V. 4. 5. 6.) diese Wort: Ein solch Vertrawen aber haben wir durch Christum zu GOtt / nicht daß wir tüchtig sind / von vns selber etwas zu dencken / als von vns selber / sondern daß wir tüchtig sind / ist von GOtt. Welcher auch vns tüchtig gemacht hat / das Ampt zu führen deß Newen Testaments. Das ist denn der Anfang der heutigen Lection. Damit zeiget der Apostel den Vrsprung aller Krafft im Predigampt / wie es nicht von Menschen / sondern von GOTT komme. Durchs Predigampt etwas gutes außrichten / ein Geruch deß Todtes oder deß Lebens seyn / Christum ins Hertz schreiben / kompt nicht auß vnserer Krafft oder Kunst. Denn wir seynd nicht tüchtig von vns selber etwas zu gedencken / als von vns selber / wir können zu keinen guten Gedancken kommen / viel weniger vermögen wir etwas grössers zu thun. GOtt aber ists / der vns tüchtig macht; denn daß wir tüchtig seyn zum geistlichen himlischen Seelengut / das kompt von GOtt; alles Vermögen in diesem Werck kompt von GOtt. Zwar es muß alles gutes so wol in natürlichen Gaben von GOtt kommen / als in geistlichen Ga
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ben; doch ist hie ein Vnterscheid. Wenn GOtt die Natur schaffet vnd erhält / kan der Mensch durch Krafft der Natur die natürliche Gaben brauchen; aber wann die Seele von den Sünden zu GOtt soll bekehret werden / dazu findet sich gantz keine Krafft oder Vermögen bey den Menschen / sondern alles was hie außgerichtet wird / muß kommen von einer übernatürlichen Krafft deß Heiligen Geistes im Worte. Darumb wie ein Zuhörer von jhm selbst nicht tüchtig ist / wenn er das Wort höret / Christum mit wahrem Glauben zu ergreiffen / vnd sich von der Welt zu GOtt zu kehren / alldieweil er von jhm selbst als von jhm selbst nichts gutes gedencken kan; sondern der Heilige Geist muß jhn durchs Wort tüchtig machen; also muß auch ein Lehrer bekennen / daß er nicht tüchtig ist / Christum den Menschen ins Hertz zu predigen / alldieweil er nicht einmal tüchtig ist / etwas gutes zu gedencken; sondern es muß die Krafft von GOtt kommen. So der natürliche Mensch nichts vernimpt vom Geist Gottes / wie auch(1. Cor. 2, 14.) Paulus lehret / es ist jhm eine Thorheit / vnd kan es nicht erkennen / denn es muß geistlich gerichtet seyn: so werden natürliche Kräffte hie nichts außrichten. Wann die künstliche Redner Cicero oder Demosthenes von weltlichen Händeln eine wolauß gespickte Rede halten / können sie einen Menschen dadurch bewegen zu einem Ding / dazu er sonst keinen Willen getragen; aber auff solche weise macht man keinem Menschen den Willen / die sündliche Welt zu verlassen / vnd sich GOtt zu ergeben / sondern da muß eine göttliche Krafft seyn / die dem in Sünden todten(Eph. 2, 1.) Menschen ein newes Leben gebe. Bedencket nur / meine Lieben / was für eine Widerspenstigkeit gegen dem himlischen Gut die Wiedergeborne noch bey jhnen empfinden; wie das Fleisch wider den Geist wütet vnd tobet / da es schon vnters Joch gebracht ist; darauß schliesset / was für eine Krafft dazu gehöre / das wilde Fleisch erstlich vnter das Joch zu bringen / vnd vnter deß Glaubens Gehorsam. Die himlische Geheimnüssen würden nimmer
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mehr erdacht / gepredigt / erlernet / geglaubet werden / wo es GOtt nicht selber offenbarete. So würde auch das von GOtt abgewandtes feindseliges Hertz nimmer zu dem heiligen GOtt rechte Zuneigung bekommen / wann es nicht von GOtt durch göttliche Krafft gezogen würde. Ob nun zwar kein Mensch tüchtig ist / etwas gutes durchs Predigampt außzurichten / sondern von GOTT muß es allein kommen / so hat doch Paulus ein gut Vertrawen / vnd saget: Ein solch Vertrawen haben wir durch CHristum zu GOtt / welcher vns auch tüchtig gemacht hat / zu treiben das Ampt deß Newen Testaments. Nemblich / wenn wir predigen / so trawen wir / GOtt werde seinem Worte Krafft geben / daß es ein starcker Geruch werde / es sey zum Leben oder zum Todte / vnd daß dennoch bey etlichen Christus auffgenommen werde. Vnd solch Vertrawen haben wir durch Christum: das ist / weil das Werck nicht vnser ist / sondern Christi. Daran können fromme Prediger gedencken / wann sie jhr Ampt verrichten: Ach HERR / mein GOtt / ich soll jetzt Christum predigen / vnd also / daß er von der argen Welt angenommen werde. Wer ist hiezu tüchtig? Ich bin nicht tüchtig von mir selber etwas zu gedencken: soll ich tüchtig seyn / so muß es von dir kommen. Vnd solch Vertrawen habe ich auch zu dir / durch Christum / dieweil das Ampt ja nicht mein ist / sondern deines Sohns Christi JEsu. Das ist das erste / das Paulus lehret in heutiger Lection / in dem er vns führet auff den Vrsprung aller heilsamen Wirckungen im Evangelischen Predigampt. (II. Ipsam gloriosam virtutem Evangelii.) Darauff fähret er weiter / vnd prediget von der Herrligkeit vnd Klarheit deß Predigampts / zeuget doch zuvor an / was es für ein Ampt oder Wort sey / das er hie preisen werde: Nemblich (V. 6. Verbum cujus glo-) das Ampt deß Newen Testaments / nicht deß Buchstabens / sondern deß Geistes; denn der Buchstabe tödtet /
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aber der Geist machet lebendig. Da erinnert euch / daß Gott(riosam virtutem Paulus admiratur non est verbum legis sed Evangelii.) vns hat zweyerley Lehre offenbaret / vnd in allen beyden einen Bund mit vns auffgerichtet. In der ersten Lehr zeiget er / was wir thun oder lassen sollen / vnd verspricht denen / die völlig von gantzem Hertzen gehorsam seyn / das Leben. Diese Lehre heisset das Gesetze / vnd heisset der alte Bund / oder das Alte Testament. In der andern Lehr offenbaret GOtt / wie die Vbertretter deß ersten Bundes durch Christum bey jhm wieder sollen Gnade finden / vnd verheisset den Glaubigen das ewige Leben / vnd will auch dieselbige durch seinen Heiligen Geist ernewern / daß sie GOTT zu dienen tüchtig werden. Das heisset das Evangelium oder der ander Bund / vnd das Newe Testament. Diesen Bund verheisset der HERR durch den Propheten Jeremiam am 31. Cap. Sihe / es kompt die Zeit / spricht der HERR / da will(Jerem. 31, 31. 32. 33. 34.) ich mit dem Hause Israel / vnd mit dem Hause Juda einen newen Bund machen / nicht wie der Bund gewesen ist / den ich mit jhren Vättern machte / da ich sie bey der Hand nahm / daß ich sie auß Egyptenland führete / welchen Bund sie nicht gehalten haben / vnd ich sie zwingen muste / spricht der HERR: sondern das soll der Bund seyn / den ich mit dem Hause Israel machen will: Ich will mein Gesetz in jhr Hertz geben / vnd in jhren Sinn schreiben / vnd sie sollen mein Volck seyn / vnd ich will jhr GOtt seyn / denn ich will jhnen jhre Missethat vergeben / vnd jhrer Sünde nimmermehr gedencken. Also verspricht GOtt im newen Gnadenbund den armen Sündern / die durch den ersten Bund nicht können selig werden / Vergebung der Sünden durch Christum / vnd Ernewerung deß Lebens durch den H. Geist.
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(Utriusque differentia.) Den alten Bund heisset Paulus den Buchstab / den newen heisset er den Geist. Der Buchstab heisset hie alles / das also entweder geschrieben oder gelehret wird / daß es nur bleibe ein Wort / vnd nicht ins Hertz geschrieben / vnd lebendig gemacht (Deut. 6, 9.) wird. Ein solch Wort ist das Gesetz / das ward zwar in steinerne Taffeln gebildet / vnd auff die Pfoste deß Hauses nachgeschrieben; aber das Hertz konte es nicht bekehren vnd fromm machen: so wenig ein Buch oder Stein / darinnen die Zehen Gebott geschrieben stehen / dieselbige erfüllen können / so wenig wirds auch in den steinern Hertzen deß Menschen erfüllet. Darumb geschahe es zum Fürbilde / daß GOtt das Gesetz auff steinerne Taffeln geschrieben. Das Gesetz zeiget zwar / was man thun soll / gibt aber keine Kräffte dazu / daß wirs thun: Es rühret zwar vnd über zeuget das Gewissen / vnd treibet vns / daß wir anfangen etwas zu versuchen im äusserlichen Gehorsam; aber damit ist das Gesetz noch lang nicht erfüllet: Es erfordert den Geist / vnd ist doch bey dem natürlichen Menschen kein Geist / weil er gantz fleischlich ist. Hingegen ist das Evangelium von Christo ein Ampt deß Geistes / denn es bringet mit den Geist / der den Menschen gantz new machet vnd vmbkehret. Da wird nicht allein das Wort gepredigt / sondern der Heilige Geist wircket auch durchs Wort im Hertzen / vnd ernewert es. Es macht Paulus auch diesen Vnterscheid vnter dem Gesetz vnd Evangelium: das Gesetz nennet er ein Ampt deß Todtes / das Evangelium ein Ampt deß Lebens / denn der Buchstabe tödtet / aber der Geist macht lebendig. Das Gesetz wircket den Todt allwege / es werde recht verstanden / oder nicht. Verstehet man das Gesetz nicht recht / so meynet man mit den Phariseern / wir seyn gar heilig / wann wir nur äusserlich vns wol gehalten / vnd seyn schon im Himmel; vnd dadurch wircket das Gesetz recht den Todt: Verstehet mans aber recht / wie es geistlich ist / vnd eine geistliche Heiligkeit deß Hertzens von vns fodere / so tödtet
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es abermahl / vnd verkündiget vns Todt vnd Verdamnüß. Da dem Israelitischen Volck anfänglich das Gesetz von GOtt gegeben ward / schryen sie alle: Amen / Alles was vns der HERR gebeut / wollen wir thun. Eben so / wann ein Mensch erstlich das Gesetz höret / soll er meynen / das sey noch wol zu halten; wann aber das Gesetz mit seinem Glantz ans Hertze stosset / vnd recht erkant wird; wann das Hertz für Gottes Gericht stehen soll / vnd alle Werck fein nach dem Hertzen gerichtet werden / so folget eitel Schrecken / Todt / Zagen vnd Vngedult. Aber das Evangelium gebieret Trost vnd Frewd den erschrockenen Hertzen. Dann wanns Gewissen geängstiget wird / vnd höret dann / nicht was GOtt fodert / sondern was GOtt für vns gethan; kriegt es Lufft / vnd fleucht nicht mehr für GOtt / sondern kehret sich zu jhm / mit Demuth vnd Glauben / vnd ruffet jhn hertzlich an; Ach Abba; ach lieber Vatter. Wie fester das kindliche Vertrawen der Gnaden anhanget / je mehr wachset die kindliche Liebe vnd Begierde / Gott zu folgen. Es gedenckt Paulus hernach noch eines andern Stücks / darin das Gesetz vnd Evangelium vnterschieden werden; nemblich das Gesetz muß auffhören / das Evangelium bleibet. Das Gesetz höret nicht auff in solcher Meynung / als wann es in der Kirchen Christi nicht dürffte gelehret werden; sondern weil es dem Evangelio weichen muß. So lange die Stimm deß Evangelij nicht gehöret wird / klaget das Gesetz an / vnd schrecket; so bald aber das Evangelium im Hertzen auffgenommen wird / muß das Gesetz weichen / mit seinem schrecken vnd verdammen. Der erste Bund oder das erste Testament / so lang es bleibet / kans vns zum Leben nicht bringen / sondern muß zu diesem Werck einem andern Worte raum geben; das ist das Evangelium vnd der newe Bund / vnd das Newe Testament / das kan selig machen / das wird auch bleiben / vnd haben wir in Ewigkeit auff kein ander Wort zu hoffen.
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Wann nun Paulus sein Ampt ehren will / rühmet er sich nicht dessen / daß er das Gesetz predigen kan / sondern daß er ein Diener sey deß Newen Testaments; vnd wann er reden will von der Herrligkeit deß Predigampts / meynet er nicht das Ampt / das das Gesetz treibet / sondern das den Gnadenbund deß Evangelij den armen Sündern fürträgt. (Gloria Evangelii.) Was nun dieses Ampt deß Newen Testaments für grosse herrligkeit vnd Klarheit habe / zeiget Paulus durch einen Gegensatz (V. 7. 8. 9. 10. 11.) / in der Klarheit deß Alten Testaments. Denn so das Ampt / das durch die Buchstaben tödtet / vnd in die Steine ist gebildet / Klarheit hatte / also daß die Kinder Israel nicht kunten ansehen das Angesicht Mosi / vmb der Klarheit willen seines Angesichts / die doch auffhöret / wie solte nicht vielmehr das Ampt / das den Geist gibt / Klarheit haben. Denn so das Ampt / das die Verdamnüß prediget / Klarheit hat / vielmehr hat das Ampt / das die Gerechtigkeit prediget / überschwenckliche Klarheit; Denn auch jenes theil / das verkläret war / ist nicht für Klarheit zu achten / gegen dieser überschwencklichen Klarheit. Denn so das Klarheit hatte / das da auffhöret / vielmehr wird das Klarheit haben / das da bleibet. (Hîc consideratur 1. Gloria V. T. quae & quanta fuerit.) Hie ist vorauß zu mercken / was das Alte Testament für Klarheit habe. Klarheit bedeutet hie ein Liecht / in der Seelen angezündet. Nun aber hat auch das Gesetz sein Liecht. Von Natur ist einem Menschen das Gesetz ins Hertz geschrieben; Man soll niemand beleidigen / einem jeglichen das seine zukehren / vnd GOtt ehren. Dieses ist ein klein Liecht im Verstand der Menschen / das bald vnd leicht kan verdunckelt werden. Doch wann Gottes Of
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fenbarung im äusserlichen Gesetz dazu kompt / wird das natürliche angeborne Liecht gestärckt / daß der Mensch kan wissen / was gut oder böß ist / wie er GOtt lieben soll von gantzem Hertzen / über alles / vnd seinen Nechsten wie sich selbst. Dieses ist fürgebildet in dem gläntzenden Angesicht Mosis / davon geschrieben stehet im andern Buch Mosis am 34. Cap.(Exod. 34, 29.) Nach dem Moses bey dem HERRN gewesen auff dem Berge Sinai / viertzig Tage vnd viertzig Nacht / gieng er wieder vom Berge / vnd wuste nicht / daß die Haut seines Angesichtes gläntzete / davon daß er mit GOtt geredet hatte; vnd da Aaron vnd alle Kinder Israel sahen / daß die Haut seines Angesichts gläntzet / furchten sie sich zu jhm zu nahen / daher muste Moses / wann er mit Israel reden wolte / eine Decke auff sein Angesicht legen. Wenn er hinein gieng / mit dem HERRN zu reden / thät er die Decke ab; vnd wenn er herauß kam / vnd redet mit den Kindern Israel / was jhm gebotten war / so sahen denn die Kinder Israel sein Angesicht an / wie daß die Haut seines Angesichts gläutzet / so thät er die Decke wieder auff sein Angesicht. Dieses spricht Paulus hie auß / mit solchen Worten: Das Ampt / das durch die Buchstaben tödtet / vnd in die Steine ist gebildet / hat seine Klarheit / also / daß die Kinder Israel nicht kunten ansehen das Angesicht Mosi / vmb der Klarheit willen seines Angesichts / die doch auffhöret. Der Glantz im Angesicht Mosis / wann er dem Volck das Gesetz vortrug / zeigete an / daß das Gesetz ein Liecht vnd Klarheit in sich hätte. Es war aber eine Klarheit / die da solte abgeschaffet werden; denn Moses muß Christo weichen. Noch kuntens die Kinder Israel nicht vertragen / vnd die Klarheit nicht ansehen / sondern Moses muste sich verdecken; das bedeutet / daß das fleischliche Israel nicht verstehet deß Gesetzes Ende; denn sie meynen / es sey dazu gegeben / auff daß wir nach demselben leben / vnd dadurch für Gott fromm vnd heilig werden;
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so will es nur die Sünde zeigen / auff daß wir Christum suchen / als vnsern Versöhner vnd Seligmacher. Wann aber ja Israel deß Gesetzes Sinn verstehet / vnd der Glantz jhnen recht ins Hertz scheinet / können sie es doch nicht ertragen / denn es prediget Todt vnd Verdamnüß. (2. Collectio Pauli, ex gloria V. T. probantis gloriam N. T.) Wann wir nun wissen / was das Gesetz für Klarheit gehabt / müssen wir ferner acht haben auff den Schluß Pauli: So das Alte Testament Klarheit hat / wie viel mehr Klarheit wird das Newe Testament haben? Ja jenes / das verkläret war / ist nicht für Klarheit zu achten / gegen dieser überschwencklichen Klarheit / die da leuchtet in dem Evangelio Christi. Wie sich verlieret deß Mondes Schein / wann die Sonne herfür bricht; also wird deß Gesetzes Klarheit abgeschaffet / wann Christus anfähet zu scheinen mit seiner Gerechtigkeit. Die Vrsach dieses Schlusses ist / daß das Gesetz ist ein Ampt deß Buchstaben / das nur in Steine gebildet ist / das da tödtet / vnd die Verdamnüß prediget / vnd das auffhören muß; vnd hingegen das Evangelium ist ein Ampt deß Geistes / das den Geist gibt / die Gerechtigkeit prediget / vnd lebendig macht / vnd keinem andern Liecht weichen darff. Da ist freylich ein grosser Vnterscheid. So denn das Herrligkeit hat / vnd einen Schein in die Seele bringet / das nur ein Buchstab ist / vnd den Geist nicht geben kan; wie viel mehr wird die Seel erleuchtet durch das Ampt / das den Heiligen Geist bringet / da wird das Wort nicht ein blosses Wort bleiben / sondern es wird durch den Geist lebendig gemacht / vnd in die Seele gedruckt. So das Ampt deß Todtes Klarheit hat / das die Verdamnüß ankündiget; wie viel mehr Klarheit führet mit sich das Ampt / das Gerechtigkeit vnd das Leben wircket? So Klarheit hat das Ampt / das auffhören muß / vnd das ewige Leben nicht wircken kan / sondern zu diesem Werck einem andern Liecht raum geben muß / so wird ja das Liecht / das vns genugsam zum ewigen Leben erleuchtet / vnd keiner andern Klarheit mehr bedarff / überschwenckliche Klarheit haben.
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Dieses hat sein Fürbilde in zwo Historien Heiliger Schrifft. Wann Moses mit dem Gesetze von GOTT kompt / gläntzet er /(Exod. 34, 29.) aber also / daß die Kinder Israel dafür erschrecken / vnd könnens nicht ertragen. Wann aber Christus verkläret wird auff dem heiligen(Matt. 17, 2.) Berge / also daß sein Angesicht leuchtet wie die Sonne / vnd seine Kleider weiß wurden als ein Liecht / bracht solches den Jüngern Christi grosse Frewd / also daß Petrus sagt: HERR / hie ist gut seyn / laß vns hie Hütten machen. Freylich ist gut Hütten zu bawen / da Christus leuchtet mit seiner Erkäntnüß. Ob nun zwar das Gesetz Klarheit hat / ist doch nicht zu rechnen gegen der Klarheit deß Evangelij; denn es lehret wol / aber es bringet keinen Geist noch Krafft / noch Willigkeit zu thun / das was gebotten ist; daher kans auch nicht lebendig machen / sondern verkündiget nur Todt vnd Verdamnüß / vnd dafern auß dem ewigen Leben etwas soll werden / muß es einem andern Liecht raum geben. Halt hiegegen das Liecht der Natur / das bey den Heyden zu finden gewesen / vnd bedencke denn / welch eine Herrligkeit vns wiederfahren ist / denen Christus leuchtet in seinem herrlichen Evangelio. Also hat Paulus bewiesen / daß eine überschwenckliche herrliche(3. Quae sit gloria N. T.) Klarheit ist im Evangelischen Predigampt / was aber endlich die Klarheit deß Evangelij in sich begreiffe / wird in vorgesetzter Lection nur kürtzlich angedeutet damit / daß es genennet wird ein Ampt deß Geistes / das die Gerechtigkeit prediget / vnd lebendig machet. Aber beydes zu Anfang vnd zum Beschluß deß Capitels / darauß diese Lection genommen / wird es herrlich erkläret / durch ein zweyfach Gleichnüß / eines von einem Brieffe / das ander vom Spiegel. Zu anfang spricht Paulus: Ihr seyd offenbar worden /(Declaratur 1. similitudine literarum.) daß jhr ein Brieff Christi seyd / durchs Predigampt zubereitet / vnd durch vns geschrieben / nicht mit Dinten(V. 3.) / sondern mit dem Geist deß lebendigen Gottes / nicht
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in steinern Taffeln / sondern in fleischlichen Taffeln deß Hertzens. Mit dieser Gleichnüß-Rede zeiget Paulus an / wie durchs Evangelische Predigampt Christus mit seiner Heiligkeit vnd Gerechtigkeit in der Menschen Hertz gebracht vnd geschrieben werde. Das Papier ist das Hertz / welches zwar von Natur steinhart ist / aber durch den H. Geist wirds weich gemacht / daß es sich handeln lasse. Denn die Dinten ist der Geist vnd die Krafft deß lebendigen Gottes. Die Schreibfeder deß H. Geistes ist das Predigampt; vnd die Schrifft ist Christus JEsus in seiner Gerechtigkeit vnd Heiligkeit. Also werden wir durch das Evangelische Predigampt zubereitet vnd ernewert / nach dem Bilde Gottes / in Heiligkeit vnd Gerechtigkeit / daß man Christum Jesum in vnsern Hertzen finden vnd lesen kan. (2. Similitudine speculorum.) Zum Beschluß deß Capitels setzet Paulus solche Wort: Wir alle schawen die Klarheit deß HERRN / als in (V. 18.) einem Spiegel / mit auffgedecktem Angesicht / vnd wir werden verkläret in dasselbige Bild / von einer Klarheit zu der andern / als vom Geist deß HERRN. Dieses ist das ander Gleichnüß / darinnen die herrliche Krafft deß Evangelischen Predigampts gezeiget wird an einem Spiegel / (Evangeliu̅ est speculu̅.) darinnen allerhand schöne Figuren gesehen werden. Das Predigampt ist ein Spiegel. Einen Spiegel kan man auff zweyerley weise brauchen / erstlich / daß wir vns selbst oder die Gestalt vnsers Angesichts darinnen erkundigen: zum andern / können wir auch im Spiegel allerley Figuren sehen / die vmb vns seyn. Beydes thut Gottes Wort; erstlich zeiget es vns durchs Gesetz vnsere sündliche Gestalt; durchs Evangelium zeigets vns ein frembdes (In eolucet gloria Dei.) Bild. Was ist das? Die Herrligkeit deß HERRN. Wir schawen die Klarheit oder Herrligkeit deß HERRN / als in einem Spiegel. Deß HERRN Herrligkeit vnd Klar
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heit ist Christus / in Christi Angesicht leuchtet die Klarheit deß HERRN / die vns macht gerecht vnd heilig / frölich vnd selig. In Christo erkennen wir / wie wir mit GOtt versöhnet werden / vnd für GOtt einen heiligen Wandel führen können. Gottes Herrligkeit wird in diesem Leben nicht gesehen / gantz klar von Angesicht zu Angesicht / das geschicht im Himmel / wann die Sünden- vnd Todtenhülle vns auß den Augen gezogen ist. Hie / so lang wir seynd im Leibe der Sünden / sehen wir Gottes Herrligkeit im Spiegel / vnd das ist das Evangelium. Im Gesetz können wir zwar vnsere Gestalt beschawen / aber daß wir sehen das himlische seligmachende Bilde / wird ein ander Spiegel erfodert / nemblich das Evangelium von Christo / darinnen scheinet vns deß HERRN Klarheit / als in einem Spiegel. Wie aber? erstlich mit auffgedecktem Angesicht.(quomodo? 1. Aperta facie.) Moses verhüllet sein Angesicht / es war eine verdeckte Klarheit. Moses weiset auff Christum / als auffs Ende deß Gesetzes / aber das merckt niemand / dem die Decke für Augen ligt; das ist / der da meynet / Moses hab das Gesetz darumb gegeben / daß wir dadurch sollen leben / vnd selig werden. Christus hat überschwencklich herrlichere Klarheit als Moses / vnd erscheinet vns doch nicht mit verhülletem Angesicht / sondern mit auffgedecktem Angesicht. Das ist / wir sehen in jhm klar vnd offenbarlich / welches die Gerechtigkeit sey / die bey GOtt gilt / vnd wie man für GOtt heiliglich wandeln soll. Da kompt man zur rechten Erkäntnüß Gottes. Moses ruffet: Wer diß thut / der soll leben. Wenn GOtt spricht: Du sollst leben / da lässt er ein Liecht leuchten. Was kan mehr erfrewen / als diß Wort: Du sollst leben: Wenn aber dabey stehet: Das sollstu thun; so wird die Klarheit verdeckt. Denn Gottes Sinn vnd Meynung ist nicht / daß ein Sünder mit seinem Thun es dahin werde bringen / daß er durch sein Thun lebe; sondern Gottes Meynung gegen dem Sünder ist / daß er sein Vnvermögen mercke / bey jhm selbst verzage / vnd nach einem andern Mit
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tel frage / dadurch er möge leben. Wenn nun Christus ruffet: Wer an mich glaubet / der soll leben. Da leuchtet vns die Herrligkeit deß HERRN mit auffgedecktem Angesicht / vnd gibt klar vnd offenbarlich seinen gnädigen Willen zu erkennen. (2. Cum vi transmutativa.) Zum andern / schawen wir die Herrligkeit GOttes in dem Spiegel deß Evangelij / also / daß wir in dasselbe Bild verkläret werden. Denn es ist ein kräfftiges Bild / vnd verwandelt vnser Seel vnd Gemüth / daß wir seiner Schönheit ähnlich werden; Eben wie Moses ein gläntzendes Angesicht bekam / darvon / daß er mit GOtt redet vnd vmbgieng. Da der Mensch anfänglich erschaffen ward / hatte er das Bild Gottes bey sich; bald darauff ward er verwandelt ins Satans Bilde / in dem er durch die Sünde von GOtt abfiel. Nun aber werden wir ernewert zum Bilde Gottes / in dem vns GOtt scheinen lässt seine Herrligkeit vnd Klarheit / in dem Angesicht Christi Jesu. Das Gesetz zeiget vns auch wol das Bilde Gottes / aber mit verdecktem Angesicht / vnd ohne Krafft demselben gleichförmig zu werden. Aber in der gnädigen Verkündigung der Gerechtigkeit / die wir haben in Christo Jesu / werden wir lebendig gemacht / vnd finden Krafft in dem Geist Christi / dadurch wir zu seinem Bilde ernewert werden. (Paulatim crescendo.) Es ist aber hie wol zu mercken / das gesaget wird: Wir werden verkläret in dasselbige Bild / von einer Klarheit zu der andern. Es ist die Ernewrung zu dem Bilde Gottes nicht alsbald vollkommen / sondern sie hat jhren Wachsthumb. Wie mehr wir in den geistlichen Spiegel schawen / vnd die Herrligkeit Gottes in Christo betrachten / das ist / wie mehr wir mit dem Wort deß Evangelij vmbgehen / wie mehr der jnnerliche Mensch an dem Bilde Gottes wächset vnd zunimbt. (Per Spiritu̅ Domini.) Woher kompt diese Verklärung? Vom Geist deß HERRN; Denn es ist das Wort deß Evangelij nicht allein
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wann es gepredigt oder gelesen wird / sondern die Krafft Gottes deß Heiligen Geistes ist dabey / vnd schaffet diese herrliche Frucht / daß wir in GOttes Herrligkeit verwandelt werden. Also hat vns Paulus gezeiget / was für eine fürtreffliche Herrligkeit die Predigt deß Evangelij wircke / nicht zwar durch menschlich Vermögen / sondern durch die Krafft deß Geistes / der der HERR ist. Diß soll nun gemercket werden / erstlich von Lehrern vnd(Usus pro pastoribus 1. Scire scopum ministerii.) Predigern / daß sie wissen / wohin sie in jhrem Ampt zielen sollen / nemblich / daß die Herrligkeit Gottes in Christo durch jhr Ampt in die Seele gebracht werde / vnd Christus eine Gestalt in der Menschen Hertze gewinne. Sie müssen den Menschen einen Spiegel fürhalten / vnd darinnen zeigen das himlische Fürbilde deß jnnerlichen newen Menschen / vnd weisen / wie wir in dasselbe Bilde verkläret werden / von einer Klarheit zur andern. Zu solchem ende müssen sie Christum jmmer im Munde führen / vnd jhren Brieff damit voll machen / in dem sie Christum abbilden / erstlich in dem Ampte der Erlösung / wie er mit liebreichen erba̅rmenden Augen vns ansihet / vnd zu sich locket / vnd anbeut all sein Verdienst / sein Blut vnd Todt / dadurch allein GOTT kan versöhnet werden. Sie müssen mit Christo jhren Brieff voll machen / in dem sie zum andern Christum abmahlen / in seinem heiligen vnschuldigen Leben vnd Wandel / daß wir in sein heiliges Leben verwandelt werden. Solchen Brieff schreiben / ist der Prediger Ruhm vnd Lobbrieff / wie denn Paulus keinen andern Lobbrieff begehret. So soll das auch in vnserm Evangelischen Predigampt vnsere höchste Sorge seyn / daß wir solchen Brieff schreiben können. Es ist nicht drumb zu thun / daß man weiß / was du könnest: Auch soll das nicht deine Sorge seyn / wie du durchs Predigampt dein Brodt gewinnest / sondern daß die arme Seelen Christo zugeführet werden / daß Christus in jhnen lebe / vnd sie in Christo. Lasset vns bedencken /
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daß Gottes Sohn nicht darumb vom Himmel gestiegen / vnd im Blut gebadet / daß er deinem Hochmuth zu hülffe käme / vnd du dadurch Materia findest / dir einen grossen Namen zu machen; auch nicht daß wir auß dem Predigampt ein Handwerck machten / darin nicht mehr denn ein Bauch voll Brodt / vnd ein Sack voll Geldes gesucht werde; sondern daß die Seelen der Menschen auff einen rechten Grund deß Lebens vnd der Seligkeit geführet würden. Darumb lasset auch das vnsern Ruhm seyn / wie sich Paulus rühmet / zu ende deß andern Capitels seiner andern Epistel an (2. Cor. 2, 17) die Corinther: Wir sind nicht / wie etlicher viel / die das Wort Gottes verfälschen / vnd vmb Genieß willen gleichsam einen verfälschten Wein auß schencken / die nicht viel darnach fragen / ob das Wort recht vnd fruchtbarlich gepredigt werde oder nicht / wenn sie nur jhre Nahrung dabey haben; solche Krämer seynd wir nicht; sondern als auß Lauterkeit / vnd als auß GOtt vnd für GOtt reden wir in Christo. Es soll ein Prediger gedencken / wie das Wort nicht sein ist / das er reden soll / sondern Gottes / drumb soll er reden / als wann GOtt durch jhn redet. Er soll gedencken / daß er nicht alleine da stehe / wann er prediget / sondern GOtt sitzet jhm zur Seiten / gibt acht auff Sinn / Mund vnd Hertz / vnd sihet vnd höret / was er redet / vnd wie er es meynet. Denn er ist der König / du bist sein Cantzler. Darumb führ dein Ampt mit Furcht vnd Zittern / vnd befleissige dich / daß du Gottes Wort predigest auß Lauterkeit / nicht verfälschet / auch nicht auß falschem Hertzen / sondern ein reines lauteres Wort / das herfliesset auß einem reinen lauteren auffrichtigen Hertzen / als auß Gott / vnd für Gott. Das ist eins für Lehrer. (2. Scire originem prosperi successus.) Hernach haben dieselbe hie auch zu mercken / worauff sie sehen sollen / daß jhr Ampt wol fortgehe / vnd wem sie den Danck geben sollen. Christum ins sündliche Hertz bringen / ist nicht menschlich Vermögen / es kompt von dem Geist / der der HERR ist. Wir
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seynd nicht tüchtig / etwas gutes zu gedencken von vns selbst / so wir tüchtig seynd / kompts von GOtt. Was im Predigampt gutes außgerichtet wird / ist GOtt allein zuzuschreiben. Diß wird gesaget nicht der Faulheit zu stewer / wie denn der vntüchtigen Arbeiter genug seyn / die sich jhrer Vntüchtigkeit trösten / da sie doch noch wol etwas gutes könten erreichen / wann sie die gebürliche Arbeit dazu thäten: der Geist muß bey vns erwecket werden. Sondern darumb werden wir vnsers Vnvermögens vnd vnser Vntüchtigkeit erinnert / daß wir vns nicht zu viel vermessen / vnd stoltz werden / wie wir ermahnet werden zun Römern am 12. Cap. daß niemand weiter von jhm halte / denn sichs gebüret zu(Rom. 12, 3.) halten. Du darffst dich hie nicht verlassen auff Geschickligkeit / daß du viel gelesen habest / viele Sprachen könnest / oder guten Verstand habest; das ist alles gut / aber damit kanstu nicht durchdringen. Zum besten ist / vnsere Vntüchtigkeit erkennen / auff GOtt sehen / vnd auff denselbigen vnser Vertrawen setzen. Es sey das natürliche Vermögen gering oder groß bey dir / so gedencke doch allezeit: Wir seynd nicht tüchtig von vns selber etwas zu gedencken / sondern daß wir tüchtig seynd / ist von GOtt. Darumb sehen wir auch auff GOtt / vnd haben mit Paulo die Zuversicht durch Christum zu GOtt / er werde vns tüchtig machen / das Ampt zu führen deß Newen Testaments. Da muß das demütige Gebet das beste thun. Ach HERR / ich bin nicht tüchtig / von mir selbst etwas zu gedencken / sondern daß ich tüchtig bin / ist von dir; drumb hab ich auch solch Vertrawen zu dir / du werdest mich tüchtig machen zu diesem Ampt / Christum Jesum mit seinem heiligen Leben in die arme Seelen zu bringen. Es ist ja das Ampt nicht mein / sondern deines Kindes JEsu Christi / den wollestu / heiliger Vatter / verklären. So muß man ruffen / vnd mit den Aposteln auß dem 4. Cap. der Apostel Geschicht: Ach HERR / sihe an(Act. 4, 29.) mein Vnvermögen / vnd gib deinem Knecht mit allerley
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Frewdigkeit zu reden das Wort. Vnd auß dem 118. Psalm: (Psal. 118, 25.) O HERR hilff / O HERR laß wol gelingen. Die solch demütig Vertrawen zu GOtt haben / deren Arbeit geräth zum besten. Sie können jmmerdar versichert seyn / jhre Arbeit sey nicht vergebens. Es wird allezeitetwas außgerichtet / den̅ sie stehen da in der Krafft Gottes / vnd treiben nicht jhr Werck / sondern Christi Werck. Seynd sie nicht ein Geruch deß Lebens. zum Leben / so seynd sie ein Geruch deß Todtes zum Todte. (Pro Auditoribus 1. Scire dignitatem ministerii Evangelici.) Dieses ist Lehrern vnd Predigern gesagt. Hernach hat jederman was für sich zu mercken / so weit er ist ein Hörer deß göttlichen Wortes. Vnd zwar erstlich wird vns sämptlich die Würdigkeit deß Evangelischen Predigampts zu bedencken fürgelegt. Wisse / daß diß das Ampt sey / darumb GOtt noch die Welt erhält. Hiedurch wird die Klarheit Gottes in deine sündliche Seele gebracht. Darumb verachte nicht fort / was in diesem Ampt arbeitet / allermeist so sie trewlich mit göttlicher Krafft vnd Eyffer dienen. Achte sie für ein Gnadengeschenck Gottes / die mit Paulo sagen: Von Gottes Gnaden bin ich was ich bin. Achte sie für Christi Mahler / die da Christum mit seiner Gerechtigkeit vnd heiligem Wandel sollen ins Hertze bilden. Achte sie für göttliche Schatzmeister / die herumb führen einen Wunderspiegel / darinnen sie zeigen die Klarheit Gottes / mit solcher Krafft / daß du in dasselbe Bild kanst verkläret werden / von einer Herrligkeit zur andern. Das seynd sie warhafftig. Darumb vmb jhres Ampts willen achtet sie nicht gering / allermeist so euch GOtt die Gnade gibt / vnd rechtschaffene tüchtige Arbeiter zuschickt. Paulus saget zu seinen (1. Cor. 4, 15.) Corinthern in der ersten Epistel am 4. Cap. Ob jhr gleich zehen tausent Zuchtmeister hättet in Christo / so habt jhr doch nicht viel Vätter / denn ich habe euch gezeuget in Christo Jesu / durchs Evangelium. Also mag man auch sagen: Ihr möget leicht viele Lehrer finden / aber wenig Vätter /
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die Christi Gestalt in euch gebären. Groß ist die Erndte / aber wenig seynd der Arbeiter / bittet den Vatter der Erndte / daß er trewe Arbeiter in seine Erndte sende; vnd so jhr sie habet / so gedenckt daran / daß euch ein Gnadengeschenck von GOtt geworden sey. Zum andern / wird vns sämptlich hie gezeiget / wozu wir deß(2. Scire scopum devotae auscultationis.) Ampts deß Geistes gebrauchen sollen / oder worauff wir sehen sollen / wann wir Gottes Wort hören oder lesen. Nemblich / daß wir ein Brieff Christi werden / zubereitet durchs Predigampt / vnd geschrieben nicht mit Dinten / sondern mit dem Geist deß lebendigen Gottes / daß man JEsum Christum in vnsern Hertzen lesen kan; vnd die Klarheit Gottes in vns leuchte / vnd wir verwandelt werden in das Bild Gottes / vnd jmmer zunehmen / vnd geführet werden von einer Klarheit zur andern. Diß sollen wir suchen / dazu ist das Evangelium Christi eingesetzet. Findestu es / hastu kein geringes gefunden. Was ists doch für eine Majestät / daß Christus / als die Klarheit Gottes / will eingeschrieben seyn in die fleischliche Tafeln deines Hertzens? Da mustu freylich wachtsam seyn / daß diese Schrifft nicht außgeleschet werde / sondern daß du täglich verkläret werdest von einer Klarheit zur andern / vnd darin wachsest vnd zunehmest. Wer das nicht begehret / der führet fälschlich den Namen eines Christen. Denn ein rechter Christ heisset hie ein Brieff Christi / geschrieben mit dem Geist deß lebendigen Gottes. Wer nun kein Brieff ist / ist auch kein Christ. Was gewinnet er aber damit? Willstu nicht ein Brieff Christi seyn / mustu ein Brieff deß Satans seyn; willstu nicht / daß Gottes Herrligkeit in dir leuchte / mustu leiden / daß sich der Teuffel in dir spiegele / vnd als den̅ wirstu verwandelt in desselbigen Bilde / von einer Scheußligkeit zur andern. Wer solt meynen / daß mancher in seinem wolgestalten wolgeschmückten Leibe solche Scheußligkeit trüge? O wie mancher putzet sich so zierlich / vnd frewet sich über seine schöne Gestalt / vnd vergisset der besten Zierat seiner Seelen! Ja schmücke dich / spiegle dich / ergetze dich in deiner Schönheit / vnd schleppe dich mit deß Teuffels Bild in deiner Seelen. Wie wol thätstu / wann du trach
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test nach dem stattlichen Schmuck der Seelen. Wenn du in einen Spiegel sihest / vnd wirst gewahr deiner schönen Gestalt / so sprich: Ach daß mich auch GOtt möchte schön machen an der Seelen! wirstu aber gewahr einer jämmerlichen Gestalt / so sprich: Ach / eine jämmerliche Gestalt! ich armer Wurm / wer bin ich / daß die Herrligkeit Gottes in meiner Seelen leuchten soll? Hastu nun Lust zu dieser Herrligkeit / so suche sie in dem Wort / das ist der Spiegel / darin wirstu finden das Bilde Gottes / vn̅ wie mehr du es anschawest / je mehr du in dasselbe wirst verwandelt werden. Ohn das Wort sollstu die Klarheit nicht suchen. Vnd merck nur eben / daß Paulus zeuge von den Christen zu Corintho / wie sie ein Brieff Christi seyn / geschrieben mit dem Geist deß lebendigen Gottes / vnd zugerichtet durchs Predigampt. Den Hochweisen in der Welt ist das zu gering; aber die Thoren sehen auff Person / vnd nicht auff die Krafft deß H. Geistes / der durch solches Ampt sein Werck wircken will; darumb erlangen sie wenig von dieser Klarheit Gottes / wenn sie sich auch noch eins so weise vorkommen. Mit den Einfältigen kompt der Geist Gottes zum besten zurecht. Wer sich nun zu Gottes Wort vnd zu dem Ampt deß Geistes halten will / der thu es mit solchem Vorsatz in Einfalt / daß er ernewert werde nach dem Geist seines Gemüthes / vnd er anziehe den newen Menschen / der nach GOtt geschaffen ist / in Heiligkeit vnd Gerechtigkeit / vnd daß der inwendige Mensch jmmer mehr vnd mehr verkläret werde in die Klarheit Gottes. Bedenck hie / wie manche Predigt du habest angehöret / wie mannichmal du dich gesetzet geistliche Sachen zu lesen / vnd hast doch nicht diß Fürnehmen gehabt / daß dadurch deine Seele solte verkläret werden. (3. Scire originem bonorum moruum.) Letzlich haben wir auch dieses hiebey zu bedencken / daß auß keinem menschlichen Vermögen hie etwas tüchtiges geschehe. Wie ein Prediger muß sagen / wann er zu seinen Amptsgeschäfften tritt: Ach HERR / ich bin nicht tüchtig etwas zu gedencken von mir selbst / viel weniger mit meinem Wort Christum in die Seelen zu:
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bringen: Also muß auch ein jeglicher gedencken / wann er Gottes Wort betrachten will: Ach HERR / ich bin nicht tüchtig / etwas gutes zu gedencken von mir selbst; mach du mich tüchtig durch deinen Geist. Da laß auch dem H. Geist in Gedult seine Zeit; vnd wann du fühlest / daß das Wort seine Krafft übet / so preise deinen GOtt: Gelobet sey Gott / der auch in mir offenbaret hat(Phil. 1, 9. 10. 11.) den Geruch seiner heilsamen Erkäntnüß. Ach HERR / laß vns jmmer mehr vnd mehr reich werden / in allerley Erkäntnüß vnd Erfahrung / daß wir prüfen mögen / was das beste ist / auff daß wir seyn lauter vnd vnanstössig / biß auff den Tag Christi / erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch Jesum Christum geschehen / zu Ehr vnd Lobe Gottes. Nun / du grosser GOtt / Christe JEsu / der du bist der Hirte vnd Bischoff vnserer Seelen / deine Krafft allein muß vnseren Seelen helffen / so gib Krafft vnseren Predigten / daß dadurch die Herrligkeit Gottes in vnsere Seelen geschrieben werde / also / daß wir verwandelt werden nach demselben Bilde / von einer Klarheit zur andern / zu deinem ewigen Lob vnd Ehre / AMEN.
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Am XIII. Sontagenach Trinitatis.
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Von der Vnbewegligkeit deß Testaments / von GOtt auffgerichtet / über die Gerechtfertigung vnd Seligmachung eines Sünders.
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TEXTVS Gal. 3. V. 15. usque V. 2 3.
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V. 15. LIeben Brüder / Ich will nach menschlicher weise reden / verachtet man doch eines Menschen Testament nicht (wann es befestiget ist) vnd thut auch nichts darzu. V. 16. Nun ist je die Verheissung Abrahae / vnd seinem Samen zugesagt. Er spricht nicht / durch die Samen / als durch viele / sondern / als durch einen / durch deinen Samen / welcher ist Christus. V. 17. Ich sage aber davon / das Testament / das von Gott zuvor bestättigt ist auff Christum / wird nicht auffgehaben / daß die Verheissung solte durchs Gesetz auffhören / welches gegeben ist über vierhundert vnd dreyssig Jahr hernach. V. 18. Dann so das Erbe durchs Gesetz erworben würde / so würde es nicht durch Verheissung gegeben /
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GOtt aber hats Abraham durch die Verheissung frey geschenckt. V. 19. Was soll dann das Gesetz? Es ist dazu kommen / vmb der Sünde willen / biß der Same käme / dem die Verheissung geschehen ist / vnd ist gestellet von den Engeln / durch die Hand deß Mittlers. V. 20. Ein Mittler aber ist nicht eines einigen Mittler / Gott aber ist einig. V. 21. Wie? ist dann das Gesetz wider Gottes Verheissung: Das sey ferne. Wann aber ein Gesetz gegeben wäre / das da könte lebendig machen / so käme die Gerechtigkeit warhafftig auß dem Gesetz. V. 22. Aber die Schrifft hat es alles beschlossen vnter die Sünde / auff daß die Verheissung käme durch den Glauben an Jesum Christum / gegeben denen / die da glauben.

Geliebte in Christo Jesu.
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ES ist die Epistel an die Galater insonderheit darauff gerichtet(Exord. 1. Ascopo.) / daß sie behaupte den Glaubenspunct / von der Gerechtfertigung deß Sünders für GOtt / wie vnd wodurch er gerecht / von Sünden loß / vnd selig werde; nemblich / daß solches(Gal. 3, 10. 13. 14.) geschehe allein durch den Glauben an JEsum Christ / vnd nicht durch Gesetz / oder deß Gesetzes Werck. Eins von den vornembsten Gründen ist / daß die / so mit deß Gesetzes Werck vmbgehen / dadurch Gottes Huld vnd den Himmel zu erlangen / vnter dem Fluch seyn / weil geschrieben stehet: Verflucht sey jederman(Deut. 27, 26.) / der nicht bleibet in allem dem / das geschrieben
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stehet in dem Buch deß Gesetzes / daß ers thue. Denn kein Mensch lebet / der halten könne alles / was das Gesetze fodert / alldieweil das Gesetz geistlich ist / vnd erfodert den Geist / wir aber fleischlich seynd. Drumb kans nicht anders seyn / welcher Mensch nach dem Gesetz begehret gerichtet zu werden / der wird nimmermehr keine Gerechtigkeit / sondern lauter Fluch finden. Wie wirds aber mit denen / die durch JEsum Christ begehren gerechtfertiget zu werden? Sie seynd frey vom Fluch. Denn damit der Segen Abrahae auch vnter die gottlose Heyden käme / in Christo Jesu / vnd wir also den verheissenen Geist der Ernewerung vnd der Heiligung empfiengen / durch den Glauben / hat Christus vns erlöset von dem Fluch deß Gesetzes / da er ward ein Fluch für (Deut. 21, 23) vns; alldieweil geschrieben stehet: Verflucht ist jederman / der am Holtz hanget. Darauß ist nun klar vnd offenbar / daß Gerechtigkeit / Segen vnd Leben für GOtt / nicht auß dem Gesetz zu holen / sondern durch den Glauben auß Christo Jesu. Zu diesem Zweck ist auch die heutige Lection gerichtet / in welcher vnser Glaub von vnser Gerechtfertigung bekräfftiget wird / durch eine Vergleichung der Verheissung Gottes / mit einem menschlichen Testament / welches wann es bekräfftiget / nicht vmbgestossen wird. (2 Anecessitate pręsentis doctrinae.) Nun ist vns daran gelegen / daß wir wissen / ob wir auch ein Antheil haben am Testament / vnd was vns darinnen vermacht ist. Hierumb pflegen sich ja die Menschen bekümmern / allermeist wann das Testament streittig gemacht wird / in welchem fall dann niemand / der etwas gutes auß dem Testament zu erlangen verhoffet / zugibet / daß die Wort deß Testaments nicht solten in jhren Würden bestehen bleiben. Nun haben wir kein geringes Antheil an Gottes Testament / auch keine geringe Güter darauß zu erwarten. Gieng es Geld vnd Gut an / würden wir drumb sorgfältig seyn; gieng es den Leib an / würden wir mehr drumb sorgen; gieng es vnsern ehrlichen Namen an / würden wir auffs höchste
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verpflichtet seyn / vns der Sachen anzunchmen. Wie aber / wann es vnsere ewige Wolfahrt deß Leibes vnd der Seelen betrifft? Es ist wol ein schwerer Text / wie die gantze Epistel an die Galater / darinnen der Apostel mit hohem Geist wider die falsche Apostel disputiret / von der Gerechtfertigung / von der Krafft deß Gesetzes vnd Evangelij / von der Natur deß Alten vnd Newen Testaments / vnd holet sinnreiche Gründe auß den Propheten vnd Fürbilden Altes Testaments / welches den einfältigen Verstand übersteiget. Dennoch wollen wir / so viel müglich / mit Einfalt in diesem Text nachforschen / nicht allein / was das göttliche(Thema.) Testament / von der Gerechtfertigung vnd Seligmachung eines Sünders in sich begreiffet / sondern auch / wie fest vnd vnbeweglich es sey; auff daß vnser Glaub einen gar gewissen Grund habe. Die Einfalt fasse so viel sie kan / vnd lasse sich nicht jrren / so sie etwan eins vnd ander nicht gnug begreiffen kan. GOtt gebe vns den Geist der Weißheit / vnd erleuchtete Augen / durch die Gnade Christi Jesu / Amen. ES ist ein menschlich Werck / Testament auffrichten; so ist(Firmitas testamenti humani.) es auch bey allen Völckern ein gemeines Recht / daß ein recht auffgerichtos bestättigtes Testament vnverändert gehalten werde. Denn es wider alles Recht vnd Auffrichtigkeit wäre / wann man den Willen eines Menschen / der Freyheit hat / mit seinen Gütern zu schalten vnd zu walten / nach Wolgefallen / nach seinem Todt nicht wolte gelten lassen / wann dessen Wille durch ein rechtmässiges Testament vnd Bezeugnüß offenbarlich bewiesen ist. Auff solch Recht beruffet sich der Apostel Paulus / wann er spricht: Lieben Brüder / Ich will nach menschlicher(V. 15.) weise reden / verachtet man doch eines Menschen Testament nicht / wann es bestättiget ist / vnd thut auch nichts dazu.
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(Testamentum divinu̅ quodnam.) Hat nun eines Menschen Testament solch Ehr vnd Recht / soll man dieselbe Ehr vnd dasselbe Recht dem Testament Gottes (V. 16.) nicht nehmen / von welchem Paulus weiter also redet: Nun ist je die Verheissung Abrahae vnd seinem Samen zugesagt. Er spricht nicht / durch die Samen / als durch viele / sondern als durch einen; durch deinen Samen / welcher ist Christus. Es seynd viele Verheissungen Abrahae vnd seinem Samen gegeben / als; Ich will dein GOtt seyn / vnd deines Samens GOtt; Dir vnd deinem Samen will ich diß Land geben. Ich will deinen Samen vermehren / wie die Sterne am Himmel. Hie aber redet er von einer solchen Verheissung / die nicht auff allen Samen Abrahae / sondern auff einen gewissen Sohn soll gezogen werden: Eine solche ist diese: Durch deinen Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechte der Erden. Wann vorhin gesaget: Deinen Samen will ich vermehren / deinem Samen will ich das Land geben / Ich will deines Samens GOTT seyn. Da werden gemeine Güter versprochen / die auch in heiliger Schrifft auff viele gezogen werden: Wann aber hie stehet: Durch deinen Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechte der Erden; redet GOtt von einem solchen Werck / das nicht gemein ist / vnd auch in heiliger Schrifft nicht auff allen Samen / sondern nur auff einen cinigen / nemblich auff Christum gezogen wird. Vnd solches Werck ist / den Segen bringen über alle Geschlecht der Erden. Dann weil alle Menschen im Fluch lagen / solte durch einen vom Geschlechte Abraham / nemblich Christum / der Fluch von jhnen genommen werden / in dem er ein Fluch für jhnen wurde / auff daß der Segen / Gottes Gnade / vnd
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alles gutes / wie Abrahae verheissen / über vns käme / durch denselben Samen / nemblich Jesum Christum. Diese Verheissung wird hie einem Testament verglichen. Wie in einem Testament auff dreyerley zu sehen / 1. auff den Herrn / der ein Testament machet / 2. auff die Güter / die er vermachet / vnd 3. auff die eingesetzte Erben / wer sie seyn: Also ist solches auch im göttlichen Testament in acht zu nehmen. Der HERR ist groß vnd mächtig / der Allgewaltige GOTT / vnd König Himmels vnd der Erden; der vermacht eine Hoheit / welche niemand anstehet / denn GOtt allein / nemblich die segenhafftige seligmachende Krafft / das verfluchte Geschlecht der Menschen vom Fluch zu erlösen / mit GOtt versöhnen / vnd zum ewigen Leben zu bringen. Diese Hoheit / ob sie wol niemand anstehet / dann GOtt selbsten / wird sie doch geschencket Abrahae vnd seinem Samen; Abrahae zwar nicht für sich / vnd auff seine Person / dann für sich war er dieser Hoheit nicht fähig / sondern auff seinen Samen / daß nemblich einer von seinem Samen solte erwecket werden / dem GOtt diese seligmachende Krafft geben würde: denn also lautet das Testament; Durch deinen Samen sollen gesegnet(Gen. 22, 18.) werden alle Völcker auff Erden. Vnd weil solche Hoheit göttlich ist / vnd eine Ehr / die niemand anstchet / als GOtt; muß folgen / daß dieser Same Abrahae der ewige Sohn GOttes sey. Vnd der ist JESVS CHristus / hochgelobet zu ewigen Zeiten. Dieses ist das Testament / darauff die gantze Schrifft gegründet ist. So ist auch die heilige Schrifft nichts anders / dann eine Außlegung dieses Testaments. Beym Johanne am 6. Cap. hat Christus dasselbe mit diesen klaren Worten wiederholet: Das ist der Wille deß Vatters / der mich gesandt hat /(Joh. 6, 40.) (eben der Wille / den er im Testament eingefasset) daß wer den Sohn sihet / vnd glaubet an jhn / habe das ewige Leben.
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(Testamenti divini firmitas.) Diß ist ein bestättigtes Testament. Zu erst hat GOtt diesen seinen Willen offenbaret im Paradiß / da er gesaget: Deß Weibes Same soll der Schlangen den Kopff zertretten. Es war aber noch nicht ein gewiß Geschlecht genennet / auß welchem dieser gesegneter Same solte her kommen; biß dem Abrahae diese Verheissung geschahe: Durch deinen Samen sollen alle Völcker der Erden gesegnet werden; auch ist hernach diese Verheissung verbunden an Isaac / Jacob / Juda / vnd endlich an David vnd seinen Samen. Also ist das Testament Gottes vom gesegneten Samen / bekräfftiget durch den ewigen Schluß / vnd die ewige Warheit Gottes / durch die vielfältige Wiederholung / ja durch den Eyd Gottes; wie geschrieben stehet: Der HERR hat geschworen / vnd wird jhn nicht gerewen / Du bist ein Priester ewiglich. Eines Priesters Ampt war / versöhnen; solches Priesterlich Versöhn-Ampt ist Christo auffgetragen / vnd wird auch von jhm verwaltet / so lang Sonn vnd Mond bleibet; das hat GOtt / der nicht liegen kan / mit einem Eyde bestättiget. Endlich ist das göttliche Testament bestättiget / durch den Todt Christi / welches erstlich ist eine Versöhnung / hernach auch eine Bekräfftigung deß göttlichen Testaments. Denn eben damit / daß Gottes Sohn durch seinen Todt die verdampten Menschen versöhnet hat / hat er das göttliche Testament bekräfftiget / darin verordnet / daß durch jhn die Verfluchten solten gesegnet werden. Weil auch der Todt Christi GOtt von Anfang vor Augen gestanden / auch alle Heiligen von Anfang her auff diesen Todt gesehen / wie dann auch durch alle Opffer der Glaubigen / von Adam vnd Abel her / dieser Todt Christi vorgebildet / so heisst Christus recht das Lämblein / das geschlachtet ist von Anbegin der Welt / vnd ist sein Todt so kräfftig von Anbegin her / als wann er alsbald nach der ersten Verheissung im Paradiß den Todt gelitten hätte. Also ist dann schon von Anfang das gött
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liche Testament von dem Segen der Verfluchten durch Christi Todt bekräfftiget worden. Was nun bey allem menschlichen Testament recht ist / das muß auch recht seyn bey Gottes Testament. Nun aber verachtet man nicht eines Menschen Testament / wann es bestättiget ist / man thut auch nichts dazu. Wie solt man denn Gottes Testament verachten / vnd vnkräfftig achten / da es durch die Warheit / durch den Eyd / vnd durch den Todt Gottes bekräfftiget ist? Darumb bleibet dir das gewiß vnd warhafftig / so lange GOtt ein GOtt bleibet / du glaubige Seele / daß dein Fluch / wie verflucht du auch bist / durch Christi Todt von dir genommen werde / laut deß Testaments Gottes / das so thewr bekräfftiget ist; darauff kanstu dich in deiner Sünden-Angst starck vnd fest beruffen / vnd darffst nicht ein Haar breit davon weichen / GOtt will vnd muß halten. Nun ist gleichwol nach diesem von GOtt durch Mosen das(Objectio: Lex lata est post promissionem.) Gesetz gegeben / wie Paulus rechnet / bey vier hundert vnd dreyssig Jahr hernach. Solche Zahl wird auch gefunden im andern Buch Mosis am 12. Cap. vnd auff vnterschiedliche art(Exo. 12, 40.) zusammen gerechnet / auffs einfältigste aber also: Die erste Verheissung / so Abraham von seinem gesegneten Samen gegeben / wird gelesen im ersten Buch Mosis am 12. Cap. da GOtt jhm(Gen. 12, 3. 4) gebott auß Haran zu ziehen von seiner Freundschafft / ins Land Canaan / welches geschahe / da Abraham fünff vnd siebentzig Jahr alt war. Fünff vnd zwantzig Jahr hernach / nemblich im hundersten(Gen. 21, 5.) Jahr Abrahams / wird Isaac geboren. Nach diesem im sechtzigsten Jahr deß Isaacs / wird Jacob geboren. Hundert vnd(Gen. 25, 26.) dreyssig Jahr hernach ziehet Jacob in Egypten. Ingesampt(Gen. 47, 9.) seynd zwey hundert vnd fünffzehen Jahr verflossen / von der ersten Verheissung / biß zur Zeit / da Jacob mit seinem gantzen Hause in Egypten ziehet. Bleiben also noch übrig zwey hundert vnd fünffzehen Jahr / in welcher Zeit die Kinder Israel in Egypten gewoh
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net / biß daß sie außgezogen / vnd das Gesetz von Gott empfangen. Das wären den̅ vier hundert vnd dreyssig Jahr / die verflossen von der ersten Verheissung Abrahae / biß auff die offentliche Vbergebung deß Gesetzes. Nun lautet das Gesetz also: Thue das / so wirstu leben. Vnd / Wer nicht hält alles / was im Gesetz geschrieben stehet / der sey verflucht. Ist denn dadurch nicht die vorige Verheissung vmbgestossen / oder zum wenigsten geändert / also / daß die Verheissung durchs Gesetz seine Vollkommenheit erlange / vnd die Gerechtigkeit für GOtt wircke? Paulus antwortet: Nein. Das Testament / das von GOtt zuvor bestättiget ist auff (V. 17. Respondetur, ostendendo usum legis 1. negativè: legem non tollere promissionem.) Christum / wird nicht auffgehaben / daß die Verheissung solte durchs Gesetz auffhören / welches gegeben ist über vier hundert vnd dreyssig Jahr hernach. Ob zwar das Gesetz offentlich gegeben ist / nach dem Testament der Verheissung; vnd in demselben auch der Segen versprochen wird / denen die das Gesetz halten; so wird doch mit nichten das göttliche Testament dadurch auffgehoben / oder verändert. (Quod probatur.) Solches beweiset Paulus: Denn so das Erbe durchs (V. 18.) Gesetz erworben würde / so würde es nicht durch Verheissung gegeben; GOtt aber hats Abraham durch Verheissung frey geschenckt. Wie in Politischen Händeln ein Vnterscheid ist / wenn Saul saget: Wer Goliath schläget / dem will ich meine Tochter geben. Vnd ein ander saget ohn beding: Diesem Kinde schenck ich all meine Güter. Also ists auch in H. Schrifft ein anders: die Seligkeit durchs Gesetz erwerben; ein anders / die Seligkeit geschenckt bekommen. Hie ist zu mercken / daß keine Creatur / weder Engel noch Menschen / das ewige Leben / vnd die Geniessung der ewigen Seligkeit durch Verdienst erwerben könne. Denn erstlich / was eine
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Creatur thut / ist sie GOtt schuldig / vnd kan damit nichts newes verdienen / dieweil sie noch nicht bezahlen kan / was sie empfangen hat. So ist auch hernach keine Gleichheit vnter der Creaturen Werck / vnd dem ewigen Lohn / das GOtt selbst ist. So muß man nur zur Seligkeit kom̅en durch Krafft eines Bundes. Es finden sich aber zweyerley Bündnüssen Gottes. Das erste ist das Gesetz / darinnen fodert GOtt vollkommene Liebe vnd Gehorsam / vnd verheisset zu Lohn das ewige Leben. Nach solchem Bunde sitzen die außerwehlten Engel noch in jhrer Seligkeit / vnd seynd darin bestättiget; vnd die Menschen wären durch desselben Krafft selig geworden / wann sie das Gesetz nicht gebrochen hätten. Wie Christus saget im heutigen Evangelio: Thue das / so wirstu leben. Der ander Bund Gottes stehet im Evangelio: Im Samen Abrahae sollen alle Völcker gesegnet werden. Wer glaubet / der soll selig werden. Ob nun wol keine Creatur die ewige Seligkeit eigentlich GOtt abverdienen kan / dennoch wann man durchs Gesetz gerecht vnd selig wird / heissets in heiliger Schrifft: durch Verdienst gerecht werden / die Seligkeit verdienen / den Himmel durchs Gesetz erwerben: vnd das wird entgegen gesetzet der Gnaden / vnd der Verheissung deß Segens in Christo; wie denn auch geschrieben stehet zun Römern am 11. Ists auß Gnaden / so ists nicht auß Verdienst der(Rom. 11, 6.) Werck / sonst würde Gnade nicht Gnade seyn: Ists aber auß Verdienst der Werck / so ist die Gnade nichts / sonst wäre Verdienst nicht Verdienst. Vnd im 4. Cap. Denn der mit Wercken vmbgehet / wird der Lohn nicht(Rom. 4, 4.) auß Gnaden zugerechnet / sondern auß Pflicht. Also schliesset auch Paulus hie: So das Erbe durchs Gesetz erworben wird / so würd es nicht durch Verheissung ge
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geben. Vnd wiederumb; So das Erbe durch Verheissung gegeben wird / so wirds durch Gesetz nicht erworben. Nun aber wird das Erbe durch Verheissung gegeben. Das ist offenbar in dem Exempel Abrahams: GOtt hats Abraham durch die Verheissung frey geschenckt. Es wird beydes von Christen vnd Juden zugegeben / daß wir müssen auff solche weise für GOtt gerecht vnd selig werden / wie Abraham. Daher heisst er ein Vatter vieler Völcker. Nun aber hat Abraham den Segen vnd das himlische Erbe erlanget durch Verheissung: GOtt hats jhm frey geschenckt. Die Verheissung lautet also: In deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlecht der Erden; damit wird dem Abraham zugesaget ein Sohn / der künfftig solte geboren werden / dadurch der Segen vnd die himlische Seligkeit nicht allein auff jhn / sondern auff alle verfluchte Menschen kommen solte. Das glaubte Abraham; denn Verheissung vnd Glaube gehören beysammen. Wo eine göttliche Verheissung ist / muß sie durch Glauben auffgenommen werden / so bleibet sie fest. Weil nun Abraham durch den Glauben die Verheissung annahm / erlanget er dadurch den Segen / (Gen. 15, 6. Rom. 4, 3.) vnd das himlische Erbe / wie geschrieben stehet: Abraham glaubte GOtt / vnd das ward jhm gerechnet zur Gerechtigkeit. Wie nun Abraham die Gerechtigkeit / den Segen vnd das himlische Erbe erlanget hat / so sollen wirs auch erlangen; darumb (Rom. 4, 23. 24. 25.) wenn die Schrifft saget / daß dem Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet sey / sagt sie solches nicht allein vmb seinetwillen / sondern auch vmb vnsertwillen / welchen es soll zugerechnet werden / so wir glauben an den / der vnsern HERRN JESVM aufferwecket hat von den Todten / welcher ist vmb vnser Sünde
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willen dahin gegeben / vnd vmb vnser Gerechtigkeit willen aufferwecket / Rom. 4. Dem Abraham wird die Verheissung gegeben: Durch deinen Samen / das ist Christus / sollstu vnd alle Menschen gesegnet werden; diese Verheissung ist vns verfluchten Sündern auch gegeben. Abraham nimpt die Verheissung durch den Glauben an; wir müssen sie auch annehmen. Wann Abraham durch Glauben die Verheissung annimpt / so erlanget er das verheissene Gut / die Gerechtigkeit / den geistlichen Segen / Erfreyung vom Fluch / das himlische Erbe / die ewige Seligkeit. Wann wir durch den Glauben die Verheissung auch annchmen / so seynd wir Abrahams Kinder / vnd seine Miterben / vnd erlangen denselben Segen. Wird nun das Erbe durch Verheissung frey geschenckt / wie offenbar in dem Exempel Abrahams / so wirds nicht durch Gesetz erworben. So wirds auch mit dem Gesetz die Meynung nicht haben / daß es das Testament / das von GOtt zuvor auff Christum bestättiget ist / vmbstosse / vnd dieselbe Verheissung in Christo auffhöre. Was soll denn das Gesetz? Wozu ist es gegeben? Paulus(2. Affirmativè: legis finem esse duplicem. V. 19.) antwortet: Es ist darzu kommen vmb der Sünde willen / biß der Same käme / dem die Verheissung geschehen ist. Zweyerley wird gesaget / Erstlich: Das Gesetz ist dazu kommen vmb der Sünde willen. Nemblich / daß es die Sünde offenbare / denn durch das Gesetz kompt Erkäntnüß(Rom. 3, 10.) der Sünden / Rom. 3. vnd das ist das vornembste Ampt deß Gesetzes in der Kirchen. Zum andern: Das Gesetz ist kommen / vnd muß bleiben / biß daß der Same käme / dem die Verheissung geschehen ist. Damit wird gesehen auff das Ampt deß Gesetzes / das es verwaltet hat bey den Israeliten im Alten Testament vor Christi Geburt. Denn das Gesetz / das durch Mosen gegeben ward / begreiffet nicht allein die Zehen Gebott / sordern
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viele Ceremonialische Satzungen / von Opffern vnd vielfaltigen Reinigung; daran waren sie verbunden. Sie hatten zwar die Verheissung von dem Segen / der durch Christum kompt / eben so wol als wir / wurden auch durch den Glauben Gottes Kinder / so wol als wir; aber doch waren sie noch nicht in der Freyheit / sondern sie wurden vnter dem Gesetz / als vnter einem Zuchtmeister / verwahret / vnd im äusserlichen Gehorsam gehalten. Vnd das muste wären / biß der Same käme / dem die Verheissung deß Segens gegeben ist. Denn so hatt es GOtt verordnet. Damit ward vorgebildet / wie lang ein Mensch vnter dem Zwang vnd Fluch deß Gesetzes bleibe / nemblich biß der gesegnete Same / das ist Christus Jesus / ins Hertze komme durch den Glauben. Denn wenn der eintritt / muß das Gesetz mit seinem zwingen vnd fluchen weichen. Ob nun das Gesetz wol nicht dazu dienet / daß es das Leben bringe / ists doch nicht vergebens gegeben / sondern hat doch seinen Nutzen; vnd zwar erstlich offenbaret es die Sünde / hernach zum andern hat es auch die Juden im äusserlichen Gehorsam deß Gottesdiensts behalten / biß auff die Zeit der Erfreyung; wie denn auch noch das Gesetz so lange verklaget / zwinget vnd verdammet / biß daß wir im Glauben Christi die Erfreyung finden. (Alioargumento probaturp lege̅ non tolli promissionem.) Es gedencket Paulus dabey deß Dienstes / welchen GOtt gebrauchet bey Außruffung seines Gesetzes; nemblich / daß es gestellet ist von den Engeln / durch die Hand deß Mittlers. Dieses ist bekant auß der Historia. Da ließ sich (V. 19. Ex???d. 19, 16) sehen Fewer vnd Rauchdampff; da ließ sich hören Donner / vnd ein Thon einer sehr starcken Posaunen; da war alles schrecklich / daß das Volck erschrack / vnd flohe / vnd durffte niemand sich nahen ins Dunckel / da GOtt innen war / als nur allein der Mittler Moses. Solchem Proceß wird entgegen gesetzet die Freundligkeit Gottes / da GOtt sich dem Abraham offenbaret / vnd dem
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selben gegenwärtig mit freundlichen Worten die Verheissung deß Segens gegeben. Darauß nimpt der Apostel Paulus durch hohe Weißheit(1. Obscurè.) einen newen Beweiß / daß das Gesetz nicht dazu sey gegeben / daß es vns brächt Segen vnd Leben / vnd also die Verheissung vmbstosse: Denn ein Mittler ist nicht eines einigen Mittler / Gott(V. 20.) aber ist einig. Damit will er so viel sagen. Daß GOTT in schrecklicher Gestalt durch einen Mittler sein Gesetz dem Volck vortragen lassen / ist nicht vmbsonst geschehen / es hat seine Bedeutung. Denn eines Mittlers hat man nicht von nöthen / wann man eines ist / sondern wo ein Mittler ist / da müssen die Partheyen vneins seyn. Nun aber ist GOtt eins / vnd in seiner Gerechtigkeit vnwandelbar; so muß gewiß das ander theil / nemblich das Volck / von GOtt vnd seiner Gerechtigkeit abgetretten seyn. Darauß weiter zu schliessen: Welches Gesetz gegeben wird denen / die von GOtt vnd seiner Gerechtigkeit abgewichen / vnd Vbertretter deß Gesetzes geworden seyn / dasselbe dienet jhnen gewiß nicht zum Segen vnd zum Leben. Dieses ist hie nur kürtzlich vnd dunckel angedeutet / damit es(2. Clarè.) aber deutlicher erkläret werde / wiederholet Paulus die Frage: Wie? ist denn das Gesetz wider Gottes Verheissung?(V. 21. 22.) vnd gibt die Antwort darauff: Das sey ferne. Wenn aber ein Gesetz gegeben wäre / das da könte lebendig machen / so käme die Gerechtigkeit warhafftig auß dem Gesetze. Aber die Schrifft hat es alles beschlossen vnter die Sünde / auff daß die Verheissung käme / durch den Glauben an Jesum Christum / gegeben denen / die da glauben. Das Gesetz verheisset das Leben / wann es aber das verheissene Leben auch geben könte / den himlischen Segen / vnd ewige Se
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ligkeit / so käme die Gerechtigkeit / die für GOTT gilt / warhafftig auß dem Gesetz / vnd wäre keiner Verheissung vnd keines Christi von nöthen. Nun aber ists bey dieser Schwachheit vnmüglich / daß das Gesetz vns könne lebendig machen / in dem es durch das Fleisch geschwächet wird / daß es nicht geben kan was es verheisset. Denn das Gesetz ist geistlich / wir aber seynd fleischlich; wir seynd Vbertretter deß Gesetzes / vnd die Schrifft hat alles vnter die Sünde beschlossen / dazu denn eben das Gesetz helffen muß / in dem es die Sünde offenbaret. Darumb kan die Gerechtigkeit / die bey GOtt vns selig macht / durchauß nicht auß dem Gesetze kommen / sondern es bleibt beym Testament / das GOtt auff Christum gemacht hat / nemblich daß wir durch Christum Gerechtigkeit / Leben vnd Seligkeit haben / wie denn Paulus saget: Die Schrifft hat alles vnter die Sünde beschlossen / auff daß die Verheissung / nemblich das verheissene Erbe im Him̅el käme durch den Glauben an Jesum Christum / gegeben denen / die da glauben. (Conclusio.) Zweyerley sagt Paulus / 1. daß das verheissene Erbe gegeben werde denen / die da glauben. 2. Daß es gegeben werde durch den Glauben. Es ist gewiß / vnd Gottes Testament will es / daß der Segen zu den Verfluchten / das himlische Leben zu den Verdampten kom̅e / durch den Samen Abrahae / das ist / durch Christum Jesum. Es fragt sich aber noch / wodurch vnd zu wem dieser Segen komme. Da antwortet Paulus / der Segen vnd die Seligkeit / die vns Christus gibt / kompt zu niemand als den Glaubigen / vn̅ durch nichts als durch den Glauben. Denn weil der Segen in Christo vns durch eine Verheissung fürgestellet / so muß es auff keine andere art genommen werden / als die sich bey Verheissung schicke. Nemblich / zu Verheissungen gehöret Glaube; vnd wenn Gott etwas verheisset / will er / daß es durch Glauben von vns angenom̅en werde. Solches zeiget das Exempel Abrahams / dem ward die Verheissung deß Segens gegeben / solche Verheissung nahm er im
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Glauben an / vnd das gerieth jhm zur Gerechtigkeit. Zun Römern am 4. Was sagen wir von vnserm Vatter Abraham?(Rom. 4, 1. 2. 3.) Das sagen wir: Ist Abraham durch die Werck gerecht / so hat er wol Ruhm / aber nicht vor GOtt. Was sagt aber die Schrifft? Abraham hat GOtt geglaubet / vnd das ist jhm zur Gerechtigkeit gerechnet. Also bleibt diß das ewige Evangelium deß Apostels Pauli vnd der gantzen Schrifft: Wir halten dafür / daß der Mensch gerecht werde / ohn(Rom. 3, 28. 24. 25.) deß Gesetzes Werck / allein durch den Glauben. Wir werden ohn Verdienst gerecht auß seiner Gnade / durch die Erlösung / so durch Christum JEsum geschehen ist / welchen GOtt hat fürgestellet zu einem Gnadenstuel / durch den Glauben in seinem Blut. Es ist hie nicht die Frage / wie der Glaube sich zieren soll / wann wir nun gerecht geworden seyn / vnd die Verheissung durch den Glauben angenommen haben / sondern wie ich mich verhalten muß / daß ich die Verheissung deß Segens bekomme / vnd wodurch ich den verheissenen Segen muß annehmen. Da / in dem Stück / vnd in dem Handel / darff ich nit drauff sehen / ob ich heilig oder vnheilig / gerecht oder vngerecht / gesegnet oder verflucht / selig oder verdampt; denn ja Christus nicht will die Heiligen heilig machen / nicht die Gerechten gerecht machen / nicht die Gesegneten segnen / nicht die Lebendigen lebendig machen / nicht die Seligen selig machen; sondern das ist die rechte Haupt-Kunst Christi / daß er den Vnheiligen bringe Heiligkeit / den Vngerechten Gerechtigkeit / den Verfluchten den Segen / den Todten das Leben / den Verdampten die Seligkeit. O wie ein thewres werthes Wort ists / daß JEsus Christus in die Welt kom̅en / die armen Sünder selig zu machen. Darumb sage
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ich / wann ich will die Verheissung in Christo empfangen / vnd in Christo gerecht / gesegnet vnd selig werden / darff ich nicht drauff sehen / ob ich gutes oder böses gethan habe; ja wie tieffer ich mich in Erkäntnüß meiner Sünden erniedrige / je angenehmer vnd geschickter ich bin. Was muß ich denn thun? Allein auff die Verheissung sehen / was GOtt saget vnd verspricht / vnd mich daran fest durch den Glauben halten. Was aber der Glaube hernach thun muß / wann wir nun den Segen / die Gerechtigkeit / das Leben vnd die Seligkeit in Christo durch den Glauben empfangen haben; ob er müssig seyn soll / oder sich bewegen / vnd wie er in der Liebe / Gedult / Demuth / vnd anderen Christlichen Tugenden sich üben muß / das wird anderswo zur gnüge gelehret. Hie ist auch diß offenbar / wie kein Vnglaubiger den himlischen Segen vnd Seligkeit erlangen könne / vnd daß von keinem Heyden / er habe auch äusserlich ein Ansehen wie er wolle / wir vns sollen Gedancken machen / daß er auch selig werde / denn es bleibet (Joh. 3, 16. Marc. 16, 14) dabey: Wer an den Sohn Gottes glaubet / der soll selig werden / wer aber nicht glaubet / der soll verdammet werden. (Summaria repetitio.) Also ist in dieser Lection bekräfftiget / wie das Testament / das von Gott zuvor bestättiget ist auff Christum / nemblich daß durch jhn alle Geschlecht der Erden sollen gesegnet werden / vnwandelbar sey. Es ist zwar das Gesetz hinzu kommen / aber vmb der Sünde willen / daß die Sünde offenbar würde; mit nicht aber daß die Verheissung solte auffhören / oder zu der Verheissung noch etwas solt hinzu gethan werden. Denn ein bestättigtes Testament verändert man nicht / man thut auch nichts hinzu. Drumb bleibets bey der einen Art / gerecht vnd selig zu werden / die bey Abraham gefunden / welcher das Erbe durch Verheissung erlanget / vnd nicht durchs Gesetz erworben hat. Wann wir nicht wären Vbertretter deß Gesetzes / so könten wir durch das Gesetz den Segen erlangen / nun aber hat die Schrifft alles vnter die Sünde beschlossen. Darumb
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haben wir die himlische Seligkeit nicht in den Wercken deß Gesetzes zu suchen / sondern durch den Glauben in der Verheissung von Christo. Dabey bleibts. Dieses wird nicht allein dazu geprediget / daß wir es wissen /(Usus 1. Didacticus.) sondern daß wirs zu vnser Seligkeit recht anwenden. Wissen müssen wirs / denn wie wolten wir zu vnser Seligkeit gebrauchen / das wir nicht wissen. Drumb müssen wir hie lernen / wo wir den Segen suchen / vnd vnfehlbar finden sollen. Wann du gefraget wirst: Wo findestu Segen / das ist / Vergebung der Sünden / Errettung vom Fluch vnd ewiger Verdamnüß; mustu antworten: In Christo / denn GOtt hat ein solch Testament gemacht / daß in dem Samen Abrahae sollen gesegnet werden alle Geschlecht der Erden. Wenn du gefraget wirst: Wodurch erlangstu diesen Segen; mustu antworten: Durch den Glauben. Denn die Schrifft hat alles vnter die Sünde beschlossen / auff daß das verheissene Erbe käme durch den Glauben an JEsum Christum / gegeben denen / die da glauben. Wirstu gefraget: Ists auch gewiß / kans nicht geändert werden; so antworte: Nein / es wird in alle Ewigkeit nicht geändert. Verachtet man doch eines Menschen Testament nicht / wenn es bestättiget ist / vnd thut auch nichts dazu. Wirstu gefraget: Ist denn das Gesetz nicht darumb gegeben / daß ich darin die Gerechtigkeit vnd das Leben für GOtt finde; so antworte: Nein / denn so das Erbe durch Gesetz erworben würde / so würde es nicht durch Verheissung gegeben / GOtt aber hats Abraham durch Verheissung frey geschenckt. Wenn ein Gesetz gegeben wäre / das da könte lebendig machen / so käme die Gerechtigkeit warhafftig auß dem Gesetze; aber die Schrifft hat es alles beschlossen vnter die Sünde / auff daß die Verheissung käme durch den Glauben an JEsum Christum / gegeben denen / die da glauben. Wirstu gefraget: Wozu dienet denn das Gesetz; so antworte: Es ist darzu kommen vmb der Sünde willen; daß es die Sünde offenbare. Diß müssen wir wissen / aber beym wissen muß es nicht bleiben / wir müssens recht zu vnser Seligkeit anwenden.
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(2. Hottatorius.) Darumb / meine Lieben / gebraucht zu erst das Gesetze dazu / dazu es euch gegeben ist / daß jhr nemblich die Sünde darauß erkennet. Denn wo keine Erkäntnüß der Sünden ist / da ist auch keine Vergebung der Sünden / da ist auch kein Christus. Denn (Matth. 9, 12. 13.) Christus ist ein Artzt: Die Starcken aber bedürffen deß Artztes nicht / sondern die Schwachen; Christus ist kommen die Sünder zur Busse zu ruffen / vnd nicht die Frommen / das ist / die von keiner Sünde wissen / vnd bey jhnen keine Sünde fühlen / Matth. am 9. Cap. Mit leidtragenden Hertzen hat Christus lust vmbzugehen / vnd ist nirgends näher / als wann die Seele seufftzet vnd jammert. Damit weiß ein Davidshertz (Psal. 51, 19.) sich fein auffzurichte̅ im 51. Psalm: Die Opffer / die Gott gefallen / sind ein geängster Geist / ein geängstes vnd zuschlagen Hertz wirstu GOtt nicht verachten. Es findet das zerbrochen Hertz nicht allein Gnade bey GOtt / sondern empfindet auch vnd schmecket die Gnade. Wo die Sünde mächtig ist / vnd das Hertz rechtschaffen ängstet vnd zerbricht / da ist die Gnade auch mächtig / vnd bringet recht lebendigen Trost. Hingegen / wo man keine Sünde empfindet / da weiß man nicht / was für Gnade es ist / daß GOtt in Christo Sünde vergibt. Wer nicht mit Paulo klagen kan: Ich elender Mensch / wer will mich erlösen von dem Leibe dieses Todtes; Ich finde doch nichts gutes in mir; der kan auch mit demselben Paulo nicht jauchzen: Gelobet sey GOtt in Christo Jesu. Ach wie ein thewres werthes Wort ists / daß Jesus Christus in die Welt kommen ist / die armen Sünder selig zu machen. Christus ist in die Welt kommen / daß er selig mache; aber niemand macht er selig / als arme Sünder. Daß Christus will die armen Sünder selig machen / ist ein frewden
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reiches Wort / aber niemand empfindet es als allein arme Sünder / solche Sünder / die die Sünde fühlen / vnd bey jhnen selbsten kein Trost finden. Daher spricht Johannes recht in seiner 1. Epistel(1. Ioh. 1. 8. 9. 7.) am 1. Capitel. So wir sagen: Wir haben keine Sünde / so verführen wir vns selbst / vnnd die Warheit ist nicht in vns; so wir aber vnsere Sünde bekennen / so ist GOtt trew vnnd gerecht / daß er vns die Sünde vergibt; dann das Blut Jesu Christi seines Sohns / macht vns rein von aller Sünde. Zwar es ist bald niemand / der nicht solte sagen: Ich bin ein armer Sünder; aber das heisse noch nicht die Sünde erkennen vnd bekennen / man muß sie recht im Hertzen fühlen. Wie soll mans dann machen? Nimb die zehen Gebott für dir / vnd halt dargegen dein Leben / nicht allein die eusserliche Wort vnnd Wercke / sondern die Gedancken / die Begierden / vnd allergeringste Bewegung deines Hertzens. Dann das Gesatz ist geistlich; vnnd alle Sünde gehen auß dem Hertzen. Darumb muß der Grund deines Hertzen / vnnd deiner Sinne nach GOttes Gesatz erforschet werden. Zum Exempel. Das siebende Gebott saget: Du solt nicht stehlen; das wirdt nicht allein dem eusserlichen Menschen gesaget / sondern dem Geist vnd dem Hertzen; vnnd will das Gebott / daß in deinem Gemüth nicht der geringste Gedanck soll auffsteigen / nur zu begehren etwas / daß nicht dein ist. Haben nun deine Hände nicht gestolen / bistu dadurch noch nicht frey von Sünden; besihe dein Hertz vnnd Gedancken. Also thue in allen anderen Gebotten mit allem Fleiß vnnd Ernst / so wirstu bald finden / was für eine Creatur du bist. Gedencke nicht / lieber Mensch / daß GOtt seine Gebott vns vergebens gegeben habe / so es vns nit Nutz were / hätte ers wol können zu Hause lassen. Bistu klug / so gebrauche es dazu / dazu es dir gegeben ist.
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(3. Consolatorius.) Wann du nach dem Gesätz deine verfluchte Natur erkandt hast / da wende dich zu der gnädigen Verheissung GOttes / darinn er dir den Segen anbeut wieder deinen Fluch / die Gerechtigkeit wieder deine Sünde / die Seligkeit wieder dein Verdamnuß / vnd das alles in Christo JEsu. Dann in jhm ists beschlossen; durch jhn sollen alle Geschlecht der Erden gesegnet werden. An solche Verheissung halt dich fest durch den Glauben / so hast du was du glaubest / Gerechtigkeit / Segen / Leben vnd Seligkeit. Es ist ein vberauß grosser Trost / daß die Verheissung Gottes nicht wancket / noch vmbgestossen wirdt. Falle ich tausendtmal im Tage / kan ich tausentmal durch diese Verheissung mich wieder auffrichten. Falle ich noch tausentmal / kan ich aber tausentmahl auffstehen / wo es nur müglich ist / daß ich bey so offt wiederholten Sünden kan hertzlich die Sünde berewen. Es sey wie jhm will / so offt mein Hertz vmb der Sünde willen zerschlagen wirdt / so offt finde ich in der Gnaden Verheissung / was mir Gott (Ps. 103. 17.) zusaget: Das vermag GOttes Verheissung / im 103. Psalm: Die Gnade deß HERRN / wäret von Ewigkeit zu Ewigkeit / über die so jhn fürchten. GOtt hat diese Ehr seinem Sohn Christo JEsu im Testament vermacht / daß er immerdar die Verfluchten gesegnen kan: In dem Samen Abrahae sollen gesegnet werden alle Geschlechte der Erden. Das nennet Paulus ein Testament / vnnd spricht darzu: Man verachtet ja eines Menschen Testament nicht / wann es bestättiget ist / vnnd thut nichts darzu. König David (Ps. 110, 4.) sagt im 110. Psalm / daß solch Testament / mit einem Eyd bekräfftiget sey: Der HERR hat geschworen / vnd wirdt jhn nicht gerewen; du bist ein Priester ewiglich. Eins Priesters Ampt ist / daß er versöne. Das Ampt führet Christus ewiglich. Vnd GOtt hat geschworen / daß diß Ampt Christi nicht soll auffhö
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ren / vnnd seine Versöhnung nicht soll vergebens seyn. Er hat eine ewige Erlösung erfunden. Zun Hebreern am neundten Cap.(Heb. 9, 1???) Wann nun der Sathan einmahl solte von dir Grund fordern der Hoffnung die du hast / allermeist in der Stunde deß Todtes; kanst du dich gründen auff diß Göttliche Testament: Dann da stehts: Was gesegnet soll werden / das muß durch den Samen Abrahae gesegnet werden. Wer vom Fluch will loß seyn / muß durch Christum vom Fluch erlöset werden. Dann darumb hat GOTT seinen Sohn dahin gegeben / auff daß alle / die an jhn glauben nicht verlohren werden / sondern das ewige Leben haben. Dabey bleibe / wo du nicht anders ein Ehrendieb seyn wilst / vnd Christo die Ehre nehmen / die jhm GOtt im Testament vermacht hat. Das ist aber der Segen / daß er kräfftig segnen kan alle verfluchte Sünder die zu jhm kommen / vnnd so offt sie kommen. Ja gesetzet / daß ich die abschewligste Sünde begangen hätte / vnnd were ein Grewel geworden für GOTT vnd allen Menschen; soll ich doch nicht verzagen / sondern also gedencken: GOtt lob daß ich erkenne wie ich ein Fluch bin / nicht allein daß ich diß vnnd das gethan habe / sondern weil meine gantze Natur wieder GOtt vnnd sein Gebott ist. Diß saget mir das Gesätz / vnd damit hat es sein Ampt gethan / dann das Gesätz ist darzu gegeben / daß es Sünde offenbar. Weiter soll es nicht kommen. Es kan mich nicht selig machen / so soll es mich auch nicht verdammen. Es verkündiget mir wol mein Verdamnuß. Aber es soll mich nicht in die Verdamnuß stürtzen. Dann ich habe eine andere Predigt von GOTT gehöret / darinn er sein Kind JEsum geehret hat / daß durch jhn sollen alle Verfluchte gesegnet werden. Das will ich nimmermehr vmbkehren / sondern weil ich verflucht bin / so will ich mitlauffen zu Christo JEsu / der auch mein JEsus
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ist / dann er auch meine Sünde getragen hat. So ist auch meine Sünde vnnd mein Fluch nicht so böß / daß sein Segen nicht solte grösser seyn: HERR JEsu / du Tröster der betrübten Sünder / du warhafftiger Heyland / nimb dich meiner Seelen hertzlich an. Will sich das Hertz so bald nicht stillen / so mache dich zu dem Abendmahl / da GOTT dich speiset mit dem Leibe seines Sohns / vnnd dich träncket mit dem Blut / das für deine Sünde vergossen ist. Das versaume nicht; vnd halte GOtt rechtschaffen für das Blut deiner Versöhnung: Heyliger Vatter: Ich bin ja ein armer verfluchter Sünder. Aber sihe an das Blut deines Sohns JEsu Christi / daß mich reiniget von allen meinen Sünden. Sihe an das Blut daß ich nun trinck. Diß laß meine Versöhnung seyn. Sey mir gnädig durch das Blut Jesu Christi. Ach wie eine feine Klugheit! Wol dem der sich daran hält / er lebet ewiglich. Amen.
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Am XIV. Sontage nach Trinitatis.
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Von dem Regierer der Christlichen Freyheit / dem Geist.
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TEXTVS Gal. 5. V. 16. usque V. 25.
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V. 16. LIeben Brüder / wandelt im Geist / so werdet jhr die Lüste deß Fleisches nicht vollbringen. V. 17. Dann das Fleisch gelüstet wider den Geist / vnd den Geist wider das Fleisch / dieselbige seynd wider einander / daß jhr nicht thut was jhr wollet. V 18. Regieret euch aber der Geist / so seyd jhr nicht vnder dem Gesetz. V. 19. Offenbar seyn aber die Werck deß Fleisches / als da seynd Ehebruch / Hurerey / Vnreinigkeit / Vnzucht. V. 20. Abgötterey / Zauberey / Feindtschafft / Hader / Neid / Zorn / Zanck / Zwytracht / Rotten. V. 21. Haß / Mord / Sauffen / Fressen vnd dergleichen. Von welchen ich euch habe zuvor gesagt / vnnd sage noch zuvor / daß die solches thun / werden das Reich Gottes nicht Erben.
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V. 22. Die Frucht aber deß Geistes ist / Liebe / Frewde / Fried / Gedult / Freundlichkeit. V. 23. Gütigkeit / Glaube / Sanfftmut / Keuschheit / wider solche ist das Gesetze nicht. V. 24. Welche aber Christum angehören / die Creutzigen jhr Fleisch / sampt den Lüsten vnd Begierden.

Geliebte in Christo JEsu.
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(Erord. à Christiana libertate, quae no̅ est in lice̅tiam carnalem convertenda. Gal. 5, 1.) DAß wir arme Sünder für GOtt gerecht vnnd selig werden / allein auß lauter Gnad / durch den Glauben an JEsum Christ / heißt in heiliger Schrifft eine Freyheit. Dann nach dem Paulus in der Epistel an die Galater gründlich gelehret hatte / wie wir die Seligkeit nirgends anders dann in den Verheissungen von Christi Erlösung suchen sollen / spricht er zu Anfang deß 5. Capitels: So bestehet nun in der Freyheit / damit vns Christus befreyet hat. Das ist aber keine geringe Freyheit. Wann ich stehe für GOttes Gericht / will haben Vergebung der Sünden / vnnd noch darzu GOttes Erbeim Himmel seyn / bedarff ich nichts / als daß ich in Erkandtnuß meiner Sünden GOtt das Blut Christi fürhalte / mit gewisser Zuversicht / das werde meine Versöhnung seyn. Hie gilt weder Lauffen noch Arbeiten / sondern allein kindlich Vertrawen. So wir solten durchs Gesetz suchen / für GOtt gerecht werden / das würde Mühe vnnd Arbeit kosten / vnnd nichts helffen; nun aber seynd wir davon frey. Tretten wir für GOttes Gericht / ist nicht noth zu sehen darauff / was das Gesetze fordere / ohn allein so weit es die Sünde offenbahret / sondern ohn allen Beding ergreiffen wir den Segen in Christo / nach GOttes Testament vnd Ordnung: In dem Samen Abrahae sollen gesegnet werden alle Geschlecht der Erde̅.
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Es ist aber hiebey nicht zuvergessen / was Paulus hinzu setzet / eben in dem 5. Capitel an die Galater. Ihr seyd / lieben(Gal. 5, 133.) Brüder / zur Freyheit beruffen / allein sehet zu / daß jhr durch die Freyheit dem Fleisch nicht Raum gebet. Ob wir zwar allein auß Gnaden durch Christi Verdienst im Glauben ergriffen für GOtt gerecht vnd selig werden / muß doch kein Christ gedencken: So will ichs was sacht angehen lassen mit gutes thun / was schadets / so ich dem Fleisch seinen Willen laß? Habe ich doch stracks durch den Glauben alle Seligkeit. Nicht so / darinn muß man wol vnderscheiden Zeit vnd Stunde. Ein anders ist / wann ich frage / was der Glaube thun soll / daß ich mit GOtt versönet vnnd selig werde; Ein anders ist / wann ich frage / was der Glaube thun soll / wann ich gerecht vnd selig geworden bin. Wann ich für Gottes Gericht stehe / sihet mein Glaub auff nichts dann auff Christum JEsum / vnd das ist vnsere Freyheit darzu wir beruffen seyn. Wann ich aber im Glauben nun versöhnet bin / vnnd den Göttlichen Trost hinweg habe / so soll mein Glaub nicht müssig seyn / sondern wieder die sündliche Lüste streiten. Gedenckt man dann / so seyn wir ja noch vnter dem Gesetz. So antwortet Paulus: Nein / gar nicht. Das Gesetz soll bey den Glaubigen nichts mehr thun / als daß es vnsere Schuld anzeyge: Was GOtt von vns zu fordern habe. Wie dann auch in der 1. an Timotheum am 1. geschrieben stehet: Den Gerechten ist kein(1. Tim. 1, 9.) Gesetz gegeben. Fraget man / wie soll das zugehen? Wir seynd frey vom Gesetz / vnd müssen doch nothwendig Sünde meiden / vnnd gutes thun. Da weiset vns Paulus in heutiger Lection auff den Geist / vnd saget: Wandelt nach dem Geist / so werdet jhr die Lüste deß Fleisches nicht vollnbringen / vnd doch frey bleiben ohne Gesetz. Zeyget vns also drey Wege / darauß zween zu meiden / vnnd nur der mittelst zu erwehlen ist.
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Die beyden Nebenwege heissen Knechtschafft vnnd Sicherheit. Der gute Mittelweg heisset Geist. Den sollen wir wandern. Derwegen müssen wir in dieser Lection erkennen lernen den Geist / als den Regierer der Christlichen Freyheit; daran ist vns gelegen (Thema.) / damit wir der Freyheit vnd der Gnaden nicht mißbrauchen / vnd fleischlich werden / wann wir meynen / daß wir geistlich / vnd in (Pars I. hortatur ad ambulandu̅ in Spiritu.) Christo selig geworden seyn. So stehe nun auff HERR / vnnd würcke durch deinen guten Geist / vnnd würcke also / daß es dein Werck sey. (Rom. 6, 22. 19.) EBen wie Paulus zun Römern am sechsten Cap. schreibet: Nu jhr seyd von der Sünde frey / seyd jhr Gottes Knechte worden; auff solche Weise will er auch hie sagen: Nu jhr seyt vom Gesetze frey / sollet jhr nach dem Geiste leben. Dann so lauten seine Worte: Wandelt im Geist / so werdet jhr die Lüst deß Fleisches nicht vollnbringen. Dann das Fleisch gelüstet wieder den Geist / vnd der Geist wieder das Fleisch / dieselbigen sind wieder einander / daß jhr nicht thut / was jhr wollet. Regieret euch aber der Geist / so seyd jhr nicht vnter dem Gesetz. Damit zeyget er die Art der Freyheit recht zu gebrauchen / vnnd will so viel sagen: So jhr nach dem Geist wandelt / werdet jhr dem Fleisch nicht Raum geben / vnd doch in der Freyheit bleiben. Wie das? Dann Fleisch vnd Geist seynd Feinde / vnnd streiten wieder ein ander. Darumb (Ubi consideratur 1. perpetua inter carne̅ & Spiritu̅ pugna.) so wir nur dem Geiste folgen / wirdt das Fleisch in vns die Herrschafft nicht gewinnen. Hie haben wir zu erst zubedencken / den Streit deß Fleisches vnnd deß Geistes. Dann das Fleisch gelüstet wieder den Geist / vnnd den Geist wieder das Fleisch / diesel
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ben sind wieder einander / daß jhr nicht thut / was jhr wollet. Die zween Obristen in diesem Streit / seynd zween Fürsten vnd Regenten vnsers Lebens / vnd heissen Geist vnd Fleisch. Der Geist ist ein newes Liecht in der Seelen von GOtt dem heyligen Geist angezündet / vnnd eine innerliche geistliche Krafft deß Hertzens vnd der Seelen / die vns reget vnd beweget / zu GOtt vnd allem guten. Oder aber / es ist GOtt der heylige Geist selbst / so weit derselbe das innerliche Liecht / vnd die newe geistliche Krafft in der Seelen außgeusset. Dann der heylige Geist wird auff zweyerley Weise betrachtet / erstlich nach seinem Wesen / hernach nach seiner Würckung. Wann nun der heylige Geist in der Wiedergeburt / die Seel erleuchtet / ein newes Liecht vnd geistliche Krafft in die Seele bringet / das heißt der Geist / vnd ist der Vrsprung vnd der Anfang aller geistlichen Tugenden / vnd deß gantzen Christlichen Wandels. Das Fleisch heisset die begierliche Lustseuche der Affecten / oder der gantze natürliche Mensch / wie er nach der Natur von Vatter vnd Mutter gezeuget wird / in dem derselbe mit allen Bewegnussen deß Hertzens / der Seelen / vnd allen Kräfften zur Wiederspenstigkeit vnd Vngehorsamb / wieder GOTT vnd seinen Willen sich mercken läßt. Solche natürliche angeborne Vnart ist der Vrsprung vnd Anfang aller Laster / vnd deß gantzen sündlichen Lebens. Diese Fürsten seynd sich vntereinander Spinnefeind / vnnd wohnen doch zusammen / in einem Lande / in einer Statt / in einem Hause / in einem Menschen / in einer Seelen. Daher entstehet ein wunderlicher Streit. Der Geist fänget an zu streiten in mir vnd wieder mich; wieder dasselbe daß auch ist in mir / vnnd wieder mich. Das ist das rechte Kennezeichen der Kinder Gottes.
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Auffdiesen Streit folget / daß wir nicht thun was wir (Rom. 7, 18.) wollen. Wie Paulus auch klaget zun Römern am siebenden: Ich weiß daß in mir / das ist in meinem Fleische / wohnet nichts gutes; wollen habe ich wol / aber Vollbringen das gute / finde ich nicht. Dann das gute das ich will / das thue ich nicht / sondern das böse daß ich nicht will / das thue ich. Ich finde in mir ein Gesetz / oder zwingende Krafft / wann ich will das gute thun / daß mir das böse anhange. Dann ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen: Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern / daß da wiederstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte / vnd nimpt mich gefangen in der Sünden Gesetz / welches ist in meinen Gliedern. (2. Consi???u̅, ostenlens cui parti sit adhaerendum.) Wann wir die streitende Parteyen besehen haben / müssen wir zum andern bedencken / zu welchem Theyl wir vns schlagen sollen. Der Apostel spricht: Wandelt nach dem Geist. Ist so viel: Lieben Christen / weil jhr glaubet / seyd jhr ein Tempel deß H. Geistes / der wohnet in euch / vnd straffet in euch das böse / vnd treibet euch zum guten / vnd gibt euch einen erleuchteten Verstandt / vnd einen heyligen Willen; demselben folget / den lasset ewren Fürsten seyn / vnd dem springet bey / das ist mein Rath. Warumb aber: Wandelt im Geist / so werdet jhr die Lüste deß Fleisches nicht vollnbringen; vnnd abermahl: Regieret euch der Geist / so seyd jhr nicht vnter dem Gesetze. Damit ist vns so viel gesagt: Ich weiß daß in euch vnderschiedliche Lüste ermercket werden. Ich will euch aber zeygen was jhr thun sollet; folget dem Geist vnnd thut / wozu der Geist euch treibet / so werdet jhr deß Fleisches Lüst dämpffen / vnd gleichwol in ewrer Freyheit fest stehen.
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Zweyerley wird hie gesaget von denen / die im Geist wandeln: Erstlich sie werden die Lüste deß Fleisches nicht vollnbringen. Dann der Geist streitet wieder Fleisch / vnnd läßt jhm den Willen nicht. Daß ein Christ keine Lüste deß Fleisches fühlen werde / ist nicht gesagt; hats doch der heylige Mann Paulus fühlen müssen. Daß aber wirdt gleichwol gesagt: Sie werden die Lüste deß Fleisches nicht vollnbringen. Das Fleisch wird vns zu allem bösen rathen vnd treiben; aber der Geist merckts / daß es nicht vollnbracht wird. Zum andern wird gesagt / daß die so vom Geist sich regieren lassen / nicht vnterm Gesetze seyn. Das Gesetze verdammet sie nit; dann sie seind vom Fluch deß Gesetzes erlöset / vnd seynd gerecht worden durch die Gnade JEsu Christi; das Gesetz treibt vnnd zwinget sie nicht: Eben darumb / weil sie regieret werden / durch den Geist Christi. Das Gesetz richtet hie wenig auß. Wo ich mich selbst recht kenne / finde ich in mir solche Natur / wann das Fleisch hitzig wird / daß es sich nicht wehren lässet / wann ich schon gedencke ans Gesetz / Fluch vnnd Verdamnuß. Weil ich aber durch den Glauben den heyligen Geist empfangen habe / der erinnert mich / wie einen gnädigen GOtt ich habe / vnd daß ich doch die Liebe vnd Gnade meines GOttes nicht geringschätzig achte. Daher gewinnet das Hertz Lust vnd Lieb GOtt gehorsamb zu seyn / vnd sich für Sünde zu hüten. Also stehen wir recht in der Freyheit / davon auch Paulus(1. Tim. 1, 9.) spricht in der ersten an Timotheum am 1. Den Gerechten ist kein Gesetz gegeben. Vnd Christus beym Johanne am achten.(Ioh. 8, 36.) So euch der Sohn frey machet / so seyd jhr recht frey. Durch Christum seynd wir GOttes Kinder / vnd empfangen das Erbe von GOtt wie die Kinder / die jhres Vatters Erben seyn / darumb daß sie Kinder seyn. Doch seynd wir vnserm Vatter Ge
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horsamb vnnd Ehrerbietung schuldig / wie die Kinder / nicht daß wir dardurch das Recht zum Erbe erlangen / sondern auß Liebe vnnd Danckbarkeit / vnnd damit wir den Vatter nicht erzürnen / vnd das Kindes Recht verlieren. Darzu treibt vns der Geist Christi / darumb weil wir Kinder seyn. Hingegen / so jemand die Gerechtigkeit für GOtt auß dem Gesetze holen will / ladet er nur Mühe auff sich / vnd erlanget doch dadurch nichts; wer aber in Sicherheit fällt / vnnd begehret keiner Sünden zu wehren / weil er auß Gnaden gerecht wird / stehet nicht in der Freyheit / sondern ist der Sünden Knecht geworden / vnd bezeuget mit seinen Früchten / daß er nicht in Christo als dem Baum deß Lebens grüne / vnd seines Geistes theylhafftig sey. So haben wir nun gesehen / wie durch den Geist wir in rechter Freyheit geführet werden / dann wann wir vns vom Geist regieren lassen / darff vns das Gesetz nicht treiben / vnnd lassen doch dem Fleisch nicht seinen Muthwillen. Darumb / wie wir ermahnet werden / zu stehen in der Freyheit / darzu wir in Christo JEsu beruffen seyn; so werden wir auch ermahnet / nach dem Geist zu wandeln / damit wir durch die Freyheit dem Fleisch nicht Raum geben / sondern die Lust deß Fleisches in vns tödten / als dann dörffen wir nicht über knechtischen Zwang klagen / sondern wir seynd recht frey. (Pars II co̅tinet informatio nem. 1. de fructibus carnis. ??? 19. 20. ??? 22. 23.) Diß in die Vbung zu bringen ist von nöthen / daß wir wissen / welche da seyn Wercke deß Fleisches / oder Wercke deß Geistes. Darumb legt vns Paulus ein Register für / darinn stehet also: Offenbar sind die Werck deß Fleisches / als da sind Ehebruch / Hurerey / Vnreinigkeit / Vnzucht / Abgötterey / Zauberey / Feindtschafft / Hadder / Neid / Zorn / Zanck / Zwytracht / Rotten / Haß / Mord / Sauffen / Fressen vnnd dergleichen. Von welchen ich euch habe
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zuvor gesagt / vnnd sage noch zuvor / daß die solches thun / werden das Reich GOttes nicht ererben. Die Frucht aber deß Geistes ist / Liebe / Frewde / Friede / Gedult / Freundligkeit / Gütigkeit / Glaube / Sanfftmut / Keuschheit; wieder solche ist das Gesetze nicht. Damit wird nicht allein erzehlet / was das Fleisch oder Geist für Früchte bringe / sondern werden auch zugleich Vrsachen eingeführet / warumb wir viel lieber nach den Wercken deß Gejstes / als deß Fleisches streben sollen. Die Früchte deß Fleisches nennet der Geist GOttes / offenbarliche Früchte: Die Wercke deß Fleisches seyn offenbar. Dann es ist auch eine verborgene Sünde / als die angeborne Erbsünde / welche tieff im verborgen lieget / vnd nicht leicht kan erkant werden / ohne durchs Wort GOttes / wann nach demselben die Wiedergeborne sich recht von Grunde auß prüfen: Aber die Früchte deß Fleisches / vnd der angebornen anklebenden Sünde / wann dieselbe in vns anfahet sich zu regen vnd zu wüten / lassen sich eusserlich im Werck sehen / daß sie auch von der Vernunfft erkant vnnd gerichtet werden können / daher auch die Weisen vnter den Heyden auß dem Liecht der Natur / viel vnd herrlich wieder die Laster geschrieben haben. Die Früchte deß Fleisches / seyn allesampt dreyerley Art / dann etliche seynd gerichtet wieder GOtt / etliche wieder den Nächsten / etliche wieder den Menschen selbst / der sündiget. Es seynd zwar alle Sünde wieder GOtt / der in allen Sünden beleydiget wird; sie seynd auch alle wieder den Nächsten / so weit derselbige geärgert wird; auch seynd sie alle wieder den Sünder selbst / so fern sie jhn verderben. Doch ist ein Vnderscheyd vnter denselben. Dann etliche beleydigen GOtt vnmittelbar / als die Sünde wieder die erste Tafel; andere Sünde beleydigen zu erst / vnnd vnmit
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telbar den Menschen / hernach aber vnnd mittelbar GOTT / weil sie wieder GOttes Gebott. Also seynd Sünde / darinn der Nächste beleydiget vnnd geschändet wirdt; so seynd auch (1. Cor. 6, 18) Sünde / dardurch der Sünder sich selbst schändet / auff welche Weiß in der 1. an die Corinther am 6. Capitel geschrieben stehet: Alle Sünde die der Mensch thut / sind ausser seinem Leibe / wer aber huret / der sündiget an seinem eygenen Leibe. So wütet nun das Fleisch / zu erst wieder GOTT durch Abgötterey vnnd Zauberey. Abgötterey ist eine Frucht deß Fleisches / wann der Mensch sich mit seinem Hertzen von GOtt abwendet zu den Creaturen. Geschicht nicht allein / wann man eusserlich selbst Gottesdienst erdichtet / vnd mit Hertzens Andacht anruffet / dem die Ehre der Anruffung nicht gebüret / es seyn Engel oder Menschen / Todte oder Lebendige; sondern auch wann man deß Hertzens Vertrawen zur Creatur wendet / imgleichen so man die Creatur mehr fürchtet dann GOtt. Diß ist eine offenbarliche (Matt. 4, 10) Frucht deß Fleisches, dann GOtt in seinem Gesetz befohlen: Du sollest keine andere Götter haben neben mir. (Deut. 6, 13.) Du solst anbetten GOtt deinen HERRN / vnnd jhm allein dienen. Vber das zeyget die Vernunfft selbst / daß es nicht wol gethan / so man von dem Schöpffer fällt zu den Creaturen. Paulus im Anfang seiner Epistel an die Römer überzeuget (Rom. 1, 23.) die Heyden auß der Natur / daß sie vbel gethan mit jhrer Abgötterey / in dem sie die Herrlichkeit deß vnvergänglichen GOttes verwandelt haben / in ein Bilde gleich den vergänglichen Menschen vnd der Vögel / vnd der vierfüssigen vnd kriechenden Thiere. Die Herrligkeit deß vnvergänglichen GOttes verwandeln wir in ein Bild deß sterblichen Menschen / der Rosse / vnnd eines Erdklumpen / nicht allein wann wir auß Gold oder Holtz ein Götzenbild machen lassen vnd anbetten, sondern auch wann ich meines
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Hertzens Furcht vnd Vertrawen auff die Stärck der Roß vnnd Menschen / vnnd auff Reichthumb wende. Dann deß Hertzens Vertrawen ist eine Ehre für den vnvergänglichen GOtt. Wer mit seines Hertzen Vertrawen hanget am Menschen- vnd Creatur Hülff / der verwandelt die Herrligkeit GOttes in ein Bild der vergänglichen Creaturen. Abgötterey Sünde ist eine offenbarliche Frucht deß Fleisches / die meidet / dann sie klebet vns hart an. Man muß sich verwundern / wie viel der grosse GOTT mit seinem Volck Israel zu schaffen gehabt / daß er sie von Abgötterey möchte abhalten / ist eine Figur / wie sehr das menschliche Hertz zur Abgötterey geneiget. Zauberey ist auch eine vnmittelbare Sünde wieder Gott / wann einer sich hält zu Teuffels Künsten vnd vnnatürlichen Mitteln / dardurch zukünfftiger Dinge sich zuerkundigen / auch wunderliche Dinge zu würcken / den Nächsten zu beschädigen oder zubelustigen. Geschicht nicht allein / wann jemand in solcher Teuffels Kunst ein Meister wirdt / sondern auch / wann jemand zu den vnnatürlichen Teuffels Künsten laufft / vn̅ derselbigen gebraucht / wie der Gottlose König Ahasja deß wegen vom Prophete̅ Elia gescholten ward / daß er in seiner Kranckheit sich raths erholte bey einem Abgott: Ist dann nun kein GOtt in Israel? Sprach der Prophet zu den Botten deß Königes / daß jhr hingehet / zu(2. Reg. 1. 3.) fragen Baalsebub / den GOtt zu Ekron. Eine offenbarliche Frucht deß Fleisches ist Zauberey / ein klarer außtrucklicher vnd schröcklicher Abfall von GOtt zum Teuffel. Im 5. Buch Mosis am 18. Spricht der HERR: Du solst nicht lernen(Deut. 18. 10. 11. 12.) thun die Grewel der Heyden / daß nicht vnter dir funden werde ein Warsager / oder ein Tagwöhler / oder der auff Vogelgeschrey achtet / oder ein Zauberer / oder Beschwörer / oder Warsager / oder ein Zeichendeuter / oder
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der die Todten frage / denn wer solches thut / der ist dem HERRN ein Grewel. Im 3. Buch am 19. Capitel wird auch (Lev. 19, 31.) verbotten / sich bey Zauberern vnd Zeichendeutern Raths zu holen: Ihr solt euch nicht wenden zu den Warsagern / vnnd forschet nicht von den Zeichendeutern / daß jhr nicht an jhnen verunreiniget werdet / dann ich bin der HERR ewer GOTT. Mancher gedenckt / wann er zu aberglaubigen Segen / vnnd vnnatürlichen Mitteln / verborgene Dinge zu erkunden laufft / es sey keine grosse Sünde: Aber höre was der HErr an jetzt gemeldtem Orth spricht: Ihr solt euch nicht wenden zu den Warsagern / vnd forschet nicht von den Zeichendeutern. Warumb nicht? Ihr werdet an jhnen verunreiniget werden. Schröcklich ists / beym Teuffel Rath suchen / da man weiß / daß er ein abgesagter Feind der Menschen ist: Er hasset keine Creatur mehr als eben den Menschen / wie vnbesonnen handeln dann die Leute / die sich in Gemeinschafft einlassen mit einem solchen grewlichen Feind? Wir haben jhm alle in der Tauffe abgesaget / vnnd Christo geschworen. Darumb / lieben Christen / meidet zweyerley Sünde. Wolt jhr sie aber meiden / so hütet euch für aller Gemeinschafft deß Sathans. Dann wann wir durch Vnzucht / Fleisches Lust / Bauchsorge / vnd andern bösen Stücken dem Sathan Raum geben / verhänget GOTT offt / daß der böse Feind näher kommet / vnd gar mit vns in den Bund tritt / welches dann vber alle maß erschröcklich ist. Nahet euch zu Gott / so köndt jhr für dem Sathan sicher seyn. Zum andern folgen Sünde / dardurch das Fleisch sich setzet wieder den Nächsten / als da seynd: Zorn / Haß / Feindschafft / Hader vnd Zanck / Zwytracht vnd Rotten / Neid vnd Mord. Zorn / ist dem Menschen angeborn. Geschicht vns etwas zu nahe / werden
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wir entrüstet. Wehret man dem Zorn nicht / wirdt darauß eine offenbarliche Sünde / wo die Sonne vber solchen Zorn vndergehet / gebieret sie Haß / vnd rachgirige Gedancken. Da wirfft man einen vnversönlichen Groll auff den Nächsten. Da denckt man / wie man das zornige Gemüth möge abkühlen. Darauff folget Feindschafft. Dann wann das Gegentheyl das feindselige Gemüth seines Nächsten merckt / wird es auch gegen jm feindselig gesinnet. Da fasset einer gegen dem andern einen fortwerenden Groll. Vnd das verursacht offt ein loser Argwohn / oder eine gar geringe Beleydigung. Ein eintzlich Wort / eben nicht böß gemeynet / aber böß auffgenommen / kan manigmal grosse Verbitterung anrichten. Darauff folget Hader vnnd Zanck / Zwytracht vnd Rotten. Wann die Gemüter getrennet vnd verbittert / lässet sich die Verbitterung bald in Worten mercken. Da gibt ein Wort das anders / also daß die Verbitterung mit den Worten zunimpt / bey des im Hertzen vnd auff der Zungen. Dahin gehöret das Zancken im Recht. Rechten wann es gebührlich geführet wirdt / stellet man an seinen Orth / wans aber auß Rachgirigkeit getrieben wird / nur dem Nächsten zu wiedern / jhm Verdrieß zu thun / ists eine schändliche Frucht deß Fleisches. Zwytracht ist / wann in einer ehrlichen erbaren Gemein / oder Gesellschafft die von einander tretten / die billig bey einander halten solten. Als wann Collegen zweyhellig / die mit einander einträchtig seyn solten. Ingleichem wann Mann vnd Weib wieder einander / vnter welchen doch die liebeste Einigkeit seyn solte. Wann Zwytracht in Religionssachen angerichtet wird / allermeist in solchen Glaubens Artickeln / die den Grund der Seligkeit angehen / so heisset es Rotten oder Ketzerey. Neid / ist gar eine arge Frucht / wann man erbittert vnd vnruhig wird über dem Glück vnnd Wolstandt eines andern. Wann Abel seinem Bruder Cain vorgezogen wird / fahet Cain an seinen Bruder zu neiden / vnd neidet jhn also /
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daß er jhm kein freundlich Wort kan zusprechen. Also stehet von Daniel geschrieben / wie er vmb seiner hohen Gaben willen hat müssen geneidet werden. Dann er übertraff alle Fürsten vnnd Landvögte in Meden vnd Persen / derhalben neideten sie jhn / vnnd (Dan. 6, 4.) trachteten darnach / wie sie eine Sache wieder Daniel finden / die wieder das Königreiche wäre / vnd hätte den frommen Daniel dieser Neid der Gewaltigen gewiß gefressen / wann GOtt nicht were auff seiner Seiten gewesen. Mord / ist das Ende in Haß vnnd Zorn / da man auß eygen Zorn vnd Rachgir dem Nächsten Schaden zufügt an Leib vnd Leben / vnd jhn deß besten Schatzes / deß Lebens beraubet. Es wirdt auch Mord begangen / auß grosser Boßheit / auß Begierde eines schnöden Raubes. Hie gedencken Herren / Fürsten vnd Könige nicht / daß sie von mordlicher Schuld frey seyn / wann sie auß Fürwitz / Rachgierigkeit / vmb eitler Ehr vnd Hoheit / auß Begierde frembder Land vnd Leuth Krieg vnnd Empörung anrichten. Diese Stücke allesampt / seynd offenbarliche Früchte deß Fleisches. Im Gesetz spricht Gott: Du solst nicht tödten. (Gen. 9, 6.) Im 1. Buch Mosis am 9. spricht derselbige HERR: Wer Menschen Blut vergeußt / deß Blut soll wieder vergossen werden. Dann Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht. Man muß Menschen nit ansehen / als Schaaffe vnd Ochsen / die man schlachten mag. Menschenblut gilt mehr für GOtt. Man soll aber nicht meynen / daß man allein mit der (1. Ioh. 3, 15.) Faust tödtet / mit dem Gemüth tödtet man nicht / 1. Johann. 3. Wer seinen Bruder hasset / der ist ein Todtschläger / vnd jhr wisset / daß ein Todtschläger nicht hat das ewige Leben bey jhm bleibend. Was Haß vnd Neid für Kräutlein seyn / zeyget Jacobus mit einer harten Rede im 3. Capitel:
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Habt jr bittern Neid vnd Zanck in ewre̅ Hertzen / so rühmet(lac, 3, 14. 15. 16.) euch nit / dan̅ das ist nicht die Weißheit die von oben herab kompt / sondern irrdisch / menschlich / vnd teufflisch. Dann wo Neid vnnd Zanck ist / da ist Vnordnung vnnd eytel böß Ding. Haß vnd Neid entspringt auß dem Teuffel / der hat auß Haß vnd Neid im Anfang den Menschen ins Verderben gestürtzt. Daher heißt er ein Mörder von Anfang. Hütet euch lieben Christen / für Haß vnd Neid. Nempt eweren Zorn in acht. Vnd lernet demselben stewren im Anfang. Es ist ein gefährlich Ding vmb den Zorn / lässestu dich von Zorn übereilen / vnd wehrest nicht / kanstu nichts gutes schaffen / vnd thust leicht / daß dir die Tage deines Lebens leyd ist. Wirstu ja gereitzt durch vnbilliche Schmache vnd Vnrecht / so gedencke an deinen lieben HERRN Christum / was der hat müssen außstehen vnd leyden / vnd hats gelitten ohne Zorn vnd Verbitterung / mit grosser Gedult vnd Sanfftmuth / nicht allein zu Bezahlung deiner Sünde / sondern auch dir zum Exempel / daß du möchtest nachfolgen seinen Fußstapffen. Hütet euch für Neid. GOtt ists ja der die Gaben außtheylet. Du hast nichts darzu gegeben. Vnnd wem schadet doch ein Neidhalß als jhm selbst? Dann er peiniget sich in seinem Hertzen / vnnd macht jhm selber grosse vergebliche Vnruhe. Letzlich folgen die Früchte deß Fleisches / durch welche der Sünder sich selbst schändet. Solche Sünde seyn / Ehebruch / Hurerey / Vnreinigkeit / Vnzucht. Ehebruch wird begangen von Personen die im Ehestand leben; Hurerey von Personen ausserhalb der Ehe. Vnreinigkeit vnd Vnzucht ist / wann man im verborgen heimliche Schande treibt / die nicht zu sagen ist. Das seynd ja offenbarliche Früchte deß Fleisches. Wie spricht Paulus 1. Corinth. 6. Wisset jhr nicht / daß ewere Leiber Christi(1. Cor. 6, 15. 19.) Glieder sind? Solte ich nun die Glieder Christi neh
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men / vnnd Hurenglieder darauß machen? Das sey ferne. Wisset jhr nicht / daß ewer Leib ein Tempel deß heyligen Geistes ist / der in euch ist / welchen jhr habt von GOtt / vnd seyd nicht ewer selbs? Dann jhr seyd thewr erkaufft. Darumb so preiset GOtt an ewerem Leibe vnd in ewerem Geist / welche sind GOttes. So fliehet nun die Hurerey vnd Vnzucht. Es kan sich der Mensch hie leicht versehen / wann GOttes Gebott auß den Augen gesetzet wird. Leichtfertige Gesellschafft / leichtfertige Geschwätz / leichtfertige Geberden helffen gewaltig darzu. Darumb stehet beyder. (Eph. 5, 3 4.) ley bey einander im 5. Cap. an die Epheser: Hurerey vnd alle Vnreinigkeit lasset nicht von euch gesagt werden / wie den Heyligen zustehet / auch schandbare Wort vnd Narrentheidinge / oder Schertz / welche euch nicht ziemen. Fressen vnnd Sauffen seynd auch solche Früchte deß Fleisches / dadurch der Mensch seinen eygnen Leib beleydiget. Ein Laster in Teutschen Landen leyder mehr bekandt als es gut ist; dennoch ein offenbarliche Frucht deß Fleisches. Da werden die Creaturen mißbraucht / die schreyen wieder vns. Da entstehen allerhandt Laster / Vnzucht / Zanck / Lästerung. Die Amptsgeschäfft vnnd das Gebett wirdt verhindert. Was ist aber ein Mensch der nicht betten kan? Ich muß sagen; in der Stunde darin ein Mensch zum hertzlichen Gebett vntüchtig / ist er auch vntüchtig zum Reiche Gottes. Daher liget ein Mensch / der seine Vernunfft mit Fressen vnd Sauffen begraben hat / in grosser Gefahr der ewigen Verdamnuß. Wann einer alsdann / plötzlich durch den Todt hingerissen wirdt / wie es dann an Exempeln nicht ermangelt / so fähret der Mensch dahin ohne Vernunfft vnd Gebett / wohin / ist
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leicht zuerachten. Beym Esaia am 5. Zeyget sich die Hölle den(Es. 5, 14.) Vollsäuffern mit auffgesperretem Rachen. Daher vnser liebster Heyland vns nicht vergeblich ermahnet beym Luca am 21. Cap.(Luc. 21, 14.) Hütet euch / daß ewere Hertzen nicht beschweret werden mit Fressen vnd Sauffen / vnd komme dieser Tag schnell vber euch. Es erhasche vns das jüngste Gericht im Fressen vnd Sauffen / oder es erhasche vns der Todt / ist eins wie das ander. Nach dem Todt gilt kein Bekehrung vnnd Abbitte. Diß ist die Erläuterung deß Sünden Registers / welches vnsere Lection vns fürgelegt / darinnen doch der Apostel nicht alle Wercke deß Fleisches erzehlet. Darumb setzet er hinzu: Vnd dergleichen. Dann es seynd noch andere Früchte / beydes wieder die erste vnd andere Tafel / aller meist wieder das vierdte / siebende vnd achte Gebott / die auch hieher gehören: Als Vngehorsamb / Vngerechtigkeit / Geitz / Dieberey / Falschheit vnd Lügen. Seynd alle offenbarliche Früchte deß Fleisches. Aber lasset vns auch besehen das Tugendt Register: Die(2. de fructibus Spiritus.) Frucht deß Geists ist Liebe / Frewde / Friede / Gedult / oder Erträglichkeit / Freundligkeit / Gütigkeit / Glaube / Sanfftmuth / Keuschheit. Darinnen abermal nit alle Früchte deß Geistes / sondern etliche von den fürtreffligsten erzehlet werden. Die Liebe stehet forn an / vnd ist ein Brunn / darauß alle Tugenden fliessen sollen / die ein Christ gegen GOtt oder Menschen üben kan. GOtt lieben wir vmb sein selbst willen / die Menschen vmb GOttes willen. Frewd vnd Fried seynd nicht allein Früchte deß Geistes / sondern auch herrliche Belohnungen. Alle Frewde ist gerichtet auff ein Gut / es sey gegenwärtig oder zukünfftig. Wie das Gut ist / so ist auch die Frewde. Ist das Gut jrr
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disch / ist auch die Frewd jrrdisch; ist das Gut eitel vnd vergänglich / so ist auch die Frewd eitel vnd vergänglich; ist aber das Gut geistlich vnd ewig / so ist auch die Frewd geistlich vnd ewig. Das Gut darauff vns der heylige Geist führet / ist ein geistlich vnnd ewiges Gut; darumb bringts auch geistliche vn̅ warhafftige ewige Frewd. Die Frewde die GOtt in der Seelen würckt / ist viel edler vnd viel fürtrefflicher / als die die Creaturen bringen. Der Friede sihet auff GOtt / auff den Nächsten / vnd vns selbst. Wer von fleischlichen Lüsten getrieben wird / der findet allenthalben Vnruhe. Die Gottlosen haben keine Ruhe. Den aber der Geist GOttes treibt / der hat grossen Frieden. Die Beleydigung vn̅ Schwachheit deß Nächsten erträgt er mit Gedult vnd Sanfftmuth. Gegen GOtt hat er ein gutes frewdiges Gewissen / kan im Glauben JEsu Christi mit aller Zuversicht GOtt anruffen / als seinen lieben Vatter. Sanfftmuth / vnd Gedult / oder Lindigkeit / seynd dz Mittel dardurch Friede vnter Menschen erhalten wird. Ein gelinder vnnd sanfftmütiger Mensch / erträget nicht allein was an Wiederwärtigkeit von GOTT zugeschickt wird / sondern träget auch vnd duldet die Schwachheit deß Nächsten / vergilt nicht böses mit bösem / sondern vergibet gern. Freundligkeit / machet vns bequem gegen dem Nächsten / mit Worten vnnd Wercken. Gütigkeit macht vns geneiget alles gutes dem Nächsten zu erzeygen. Glaube gegen dem Nächsten ist eine Auffrichtigkeit in Worten vnd Zusagungen / ohn einigen Hinderlist. Keuschheit bezwinget die Vnzucht / vnd andere fleischliche Lüsten / vnd lehret vns in Essen vnd Trincken / vnd allenthalben gute Maß halten. Diese allesampt seynd solche Tugenden / die der H. Geist bey Christen durch den Glauben würcket. Bey den ehrbaren Heyden hat man zwar auch Leuthe gefunden / die nicht allein der
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gleichen Tugend geliebet vnnd gelobet / sondern die auch mit fleiß denselben nachgestrebet; doch ist ein grosser Vnderscheyd / wann ein Heyd oder Christ eine Tugendt übet. Jener thut es nach dem Liecht / daß noch übrig ist in der menschlichen Natur / vnd verläßt sich auff eigen Weißheit vnd Vermögen / vnd ruffet GOtt nicht an / vnd lebet nicht im Glauben vnnd hertzlichen Vertrawen zu Gott / vnter dessen bleibet er voller vnreinen fleischlichen Lüsten vn̅ Begierden / von welchen er nicht gewaschen noch gereiniget ist. Christen aber werden getrieben von dem heyligen Geist / bawen auff jhr Vermögen gar nicht / sondern werden bey jhnen selbsten zu nicht / vnd hangen mit jhrem Vertrawen an GOtt / den ruffen sie auch an; was dann von natürlicher Schwachheit jhnen noch anhanget / davon werden sie gereiniget durch das Blut der Versönung / vnd haben den Geist der sie bey GOtt vertritt mit vnaußsprechlichen Seufftzen. Daher heissen jhre Tugenden Früchte deß Geistes / die auß dem Glauben herkommen. Da haben wir nun gehöret ein zwyfach Register / darinnen fürnehme Früchte deß Fleisches vnnd deß Geistes erzehlet seyn. Was vom Geist kompt / ist eine Frucht deß Geistes; was vom Fleisch kompt / ist eine Frucht deß Fleisches. Darbey soll man mercken / ob wir vom Geist oder Fleisch getrieben werden. Dann an den Früchten muß man den Baum kennen. Es ist aber der Rath deß heyligen Geistes gewesen / daß wir(3. de causis ostendentibus, cur fructibus carnis pręfere̅di sin fructus Spiritus.) nach dem Geist wandeln. Höret was hie für Vrsachen eingeführet werden / die vns bewegen sollen Von den Früchten deß Fleisches habe ich zuvor gesagt / spricht der Apostel / vnnd sage noch zuvor / daß die solches thun / werden das Reich Gottes nicht erben. Wann wir durch die Tauff zum Reich Gottes kommen / so bleiben wir auch darinn so lang / biß mit wissentlicher muthwilliger Sünde wir vns drauß stossen. Wann wir vns dann zum Fleisch kehren / vnd dem Fleisch Früchte bringen / vnnd
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belustigen vns in den Wercken deß Fleisches / vnd verbleiben darin ohn Bußfertigkeit / so berauben wir vns selbst vnser Seligkeit / vnnd machen vns verlustig deß Erbes / daß wir hatten im Reich GOttes; die deß Fleisches Werck thun / so lang sie es thun ohne Bußfertigkeit / können daß Reich GOttes nicht erben. Auff solche (1. Cor. 6, 9. 10.) Weise stehet auch geschrieben 1. Cor. 6. Wisset jhr nicht / daß die Vngerechten werden das Reich GOttes nicht ererben? Lasset euch nicht verführen / weder die Hurer noch die Abgöttischen / noch die Ehebrecher / noch die Weichlingen / noch die Knabenschänder / noch die Diebe / noch die Geitzigen / noch die Trunckenbold / noch die Lästerer / noch die Räuber / werden das Reich Gottes ererben. Hingegen wann der Geist in jemand lebet vnd Frucht bringet (V. 23.) / wieder solchen ist das Gesetz nicht. Wie sie das Gesetz zu dem guten nicht hat getrieben / so kan sie das Gesetz auch nicht (V. 18.) verdammen. Dann so euch der Geist GOttes regieret / wie vnsere Lection vorhin gesagt / so seyt jhr nicht vnter dem Gesetz. Das Gesetz treibt vns nicht / sondern der Geist Christi; so werden wir auch nach dem Gesetz nicht gerichtet / dann wir seynd gerecht in Christo. Hiezu gehöret der Beschluß dieser Lection / welcher auch die Nothwendigkeit anzeyget / wie dieselbe die durch Christum gedencken selig zu werden / nicht nach dem Fleisch leben müssen: (V. 24.) Die Christum angehören / die creutzigen jhr Fleisch sampt den Lüsten vnd Begierden. Ists wahr / daß ich Christum angehöre / so ist zwar der alte Adam noch in mir / aber ich laß jhn nicht herrschen / sondern ich binde jhm Hände vnd Füsse / vnnd wehre jhm in allen seinen Lüsten vnnd Begierden / vnd laß jhn vn
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ter deß was murren. Darauß folget: So jemand sein Fleisch sampt den Lüsten vnd Begierden nicht creutzigt / der gehöret Christum auch nicht an. Da hastu den Grund dessen / daß vorhin gesagt von den Früchten deß Fleisches: Die solches thun / können das Reich GOttes nicht ererben. Dann weil ich Christum nit mehr angehör / wann ich mein Fleisch herrschen lasse; so kan ich auch durch Christum kein Erbe mehr seyn im Reich GOttes. Das mercke wol. Hiemit endet sich die heutige Lection / welche nicht allein zeyget den rechten Gebrauch der Freyheit / sondern auch darzu ermahnet; vnd will kürtzlich so viel sagen: Lebet nach dem Geist / wo jhr euch aber deß wegert / vnd wollet nur das Fleisch herrschen lassen / so sage ich euch: Ihr könnet dergestalt durch Christum das Reich Gottes nicht ererben. Darinn kan ein frommer Christ Vnterricht finden / wieder(Usus. 1. Didacticus.) den Mißbrauch der Freyheit. Der Christen Freyheit bestehet darinn; wann sie für GOttes Gericht gefordert werden / seynd sie nicht schuldig / von keinem Dinge Rechnung zu geben / als von dem Glauben an JEsum Christ; können sie JEsum Christum mit seinem Verdienst auffweisen / seynd sie frey vnnd loß von Sünden vnd Verdamnuß. Da fähret das Fleisch fort / vnd gedencket; nun kanstu gut Leben haben. Das begehret aber Paulus nicht zu zugeben / vnnd kans auch nicht / sein Evangelium leydets nicht. Er spricht zwar eben in diesem 5. Capitel an die Galater:(C. 5, 1.) Bestehet in der Freyheit / damit vns Christus befreyet hat / vnd lasset euch nicht wiederumb in das knechtische Joch fangen: Aber er setzet bald darauff diesen Spruch: Ihr / lieben Brüder / seyd zur Freyheit beruffen / allein sehet zu / daß jhr durch die Freyheit dem Fleisch nicht Raum gebet. So hat er auch hie bezeuget / daß die jhr
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Fleisch nicht ereutzigen / Christum nicht angehören / vnd folgendes das Reich GOttes nicht ererben können. Wie soll man sich dann verhalten? Paulus trifft das rechte Mittel: Lebet nach dem Geist. Dadurch geschichts / daß ich nicht in Knechtschafft gerath / dann ich bin nicht vnter dem Gesätz / so ist auch das Gesätz nicht wieder mich: Es geschicht auch / daß ich dem Fleisch keinen Willen lasse. Da bin ich auff beyden Seiten versichert. (2. Hortatorius.) Die jhr nun durch Christum gedenckt gerecht vnnd selig zu werden / nehmet an den Rath Pauli: Wandelt im Geist. Sehet zu / daß jhr durch die Freyheit / dem Fleisch nicht Raum gebet. O wie haben wir vns die Freyheit so weit außgedenet! Suche vnd forsche / ob du dich haltest nach der rechten Christlichen Freyheit. Auß den Früchten deß Fleisches vnd Geistes wirstu es wol können erkennen. Kan es mit dem Christenthumb bestehen / daß du in Feindseligkeit lebest? So scheints / dann es ist der Natur zu wieder das Vnrecht so bald vergessen. Kan es mit dem Christenthumb bestehen / wann wir mit rachgirigen Gedancken vmbgehen / auch in der That Rache an vnsern Beleydigern üben? So scheints / dann was hält man von solchen Leuten / die sich viel vexieren lassen? Kan das gewohnliche Fressen vnd Sauffen wol mit dem Christenthumb bestehen? So scheints / dann womit kan man sonsten einem guten Freunde besser Ehre anthun? Kans mit dem Christenthumb bestehen / die gewohnliche Vnreinigkeit vnnd Vnkeuschheit / darinn man ohne hertzliche Buß sich besudelt? So scheints / dann es ist ja der Mensch kein Stock / kein Stein / kan mit dem Christenthumb wol bestehen das vnrechtfertig Wesen in der Welt? So scheints / dann ein Mensch ist ja schuldig für die seine zu sorgen / daß er den seinen etwas hinderlasse. Obs zwar wol anders seyn solte / doch achten wir / GOtt werde es so genaw nicht suchen / vnd das betrachten / daß wir hie in der Welt leben. Aber was
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segt GOttes Geist darzu? Der zehlet solche vnnd dergleichen Stücke vnter die Früchte deß Fleisches / vnnd spricht darüber diß Vrtheyl: Die solches thun / werden das Reich GOttes nicht ererben. Dann sie können dergestalt Christum nicht bey sich behalten. Es bedarff diß nicht viel außstreichens / genug ists daß es der heylige Geist gesagt hat: Die solches thun / werden das Reich GOttes nicht ererben. Ist dem also / vnnd wir bleiben dennoch bey den Früchten deß Fleisches / was hilfft vns daß wir getauffet seyn? Was hilffts daß wir im H. Nachtmahl den Leib Christi essen / vnd sein thewres Blut trincken? Was hilffts Gottes Wort haben? Was hilffts daß wir Christen heissen? Bedencke das schon vil tausent Seelen in der Höllen Angst vnd Pein leyden / die der Meynung mit dir gewesen / Gott würde wol mit jhnen zu frieden seyn. Was ists daß wir suchen als deß Fleisches Lust vnd eigen Sinn / wann wir die Lüste deß Fleisches vollenbringen? Aber das Fleisch bringt dich in alles Vnglück / vnd ewiges Verderben. Fragstu aber; wo ist dann die Freyheit? Was rühmen wir viel von Freyheit? So frag ich auch; wann wir frey seyn vom Fluch deß Gesetzes / ist das eine geringe Freyheit? Wann wir vns nicht dörffen vom Gesatz zum guten treiben lassen / sondern haben inwendig im Hertzen einen freyen willigen Geist darzu / ist das nicht Freyheit? Wann bey den übrigen Schwachheiten ich nicht darff erschrecken für der Gestrengigkeit / vnd für dem Fluch deß Gesetzes / ist das nicht Freyheit? Meinstu daß diß bessere Freyheit were / wann du dem Teuffel immerhin frey in den Lüsten deß Fleisches dienen möchtest? Was soll man denn thun? Es bleibt bey dem Rath deß heyligen Geistes: Lebet im Geist. Wann du Reitzung deß Fleisches spürest / so gedenck / da reget sich der Feinde / der will mich von Christo trennen / vnd meines Erbes im Reich GOttes berauben /
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vnnd in solchen Gedancken wiederstehe den Wercken deß Fleisches. Erwecket aber der heylige Geist in dir gute Gedancken / zu etwas gutes / dem folge / vnnd laß dich von demselben gerne vnterrichten. Was du aber kanst oder wilst gutes thun / das thue nicht auß Zwang oder Furcht / sondern in der Liebe / durch einen willigen Geist. Es hat zwar seine Wege / daß man in Anfechtung der Sünden gedencke: Siehe thustu das / wirdt dich GOtt straffen. Doch weiß ich nicht / was für eine Vnart in vns ist / wann die Brunst deß Zorns / der Vnzucht / oder anderer Fleisches-Lust mit Macht auffsteiget / so schlägt man Teuffel vnnd Hölle auß dem Sinn. Wann man aber an GOttes Lieb vnnd Gunst gedenckt / die wir haben in Christo / das dringt besser durch / vnnd kan dem Fleisch kräfftiger wehren. Da folget der Gehorsamb recht auß dem Geist / vnd auß der Krafft deß Evangeliums. Bistu ein Knecht oder Magd / so frewestu dich / so du kanst deinem Herrn etwas zu gefallen thun. Bistu ein getrewer Vnterthan / so ists dir lieb / so du deinem gnädigen Fürsten vnnd Herren etwas kanst zu Gefallen thun. Bistu ein getrewer Freund / so frewestu dich / so du deinem Freund etwas kanst zu Gefallen thun. Bistu ein frommes liebes Kind / so ists dir lieb / so du deinem Vatter oder Mutter kanst etwas zu Gefallen thun. Bist du ein tugendtsame Braut oder Frawe / so frewestu dich / daß du deinem Bräutigam oder Ehemann kanst etwas zu Gefallen thun. Die Liebe wartet nicht biß man sie zwinget. Nun bistu ein Knecht. GOTT ist dein HERR / da du nichts warest / hat er gemacht / daß du etwas warest / vnd da du verlohren warest / hat er dich thewr erkaufft vnnd wieder gebracht. So ist er ja dein HERR. Du bist ein Freund / vnd dein Freund ist GOtt. Dann er hat ja Freundesstück dir bewiesen. Was kanstu höhers vom Freunde fordern / als so er sein Leben für dich läßt? Du bist ein Kind / GOTT ist dein Vatter. Ich will nicht gedencken / daß er dich erschaffen / daß er dich erhält / daß er dir gibt Nahrung vnnd Frewde / das begehr ich
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nur zur Erinnerung / daß er dich seinem einigen Sohn gleich machet / daß du mit jhm vnd in jhm seyest GOttes Erbe in GOttes seligem Reich. Du bist eine Braut / der Sohn GOttes ist dein Bräutigamb. Du lagest in deinem Blute / er gieng fürüber / er bereytete dir ein Bad der Reinigung / vnd wusche dich mit seinem Blut. Er stellete dich für seinen Vatter: Sihe / daß ist meine Liebste / meine werthe Braut / mache sie zu einer Himmels Königin. Wem solstu nun zum liebsten einen Wolgefallen erzeygen. Weist du nun etwas / darinn du GOtt ein Wolgefallen thun kanst / es sey in Thun oder in Lassen / deß soltu dich mehr frewen / als wann dir ein Welt voll Gold vnd Silber gegeben würde. Da solstu gedencken: Weil ich weiß / daß diß meinem GOtt wol gefällt / so will ichs thun / solts auch mein Blut kosten. So lebt man recht im Geist. Der nun stehet in der Krafft deß Geistes im Kampff wieder(3. Consolatorius.) das Fleisch / der findet hie herrlichen Trost. Regieret euch der Geist / so seyd jhr nicht vnter dem Gesetz; das Gesetz ist nicht wieder euch. Du darffst dich an kein Gesetz kehren / wann du für Gottes Gericht stehest / genug ists / daß du Jesum im Glauben bey dir hast. Daß du betrübest wirst / wann du durchs Gesätz den Grewel der innwohnenden Sünden erkennest / ist recht vnnd billig. Wann du aber durchs Gesätz betrübet bist / darffstu weiter auff kein Gesätz sehen / sondern bleib bey deinem Christo / der ist deine Gerechtigkeit. Also ward zwar Paulus betrübet / wann er bey jhm fühlet das Toben der anklebenden Sünden vnnd klaget darüber im 7. Cap. an die Römer: Ach ich elender Mensch! Das(Rom. 7.) gute das ich thun will / thue ich nicht / sondern das böse daß ich nicht thun will / das thue ich: Wann ich will gutes thun / hanget mir das böse immer an. Ein jämmerlich Ding / daß auch vnsere heyligste Gedancken nicht ohne Vnreinigkeit seyn. Aber dennoch kan er getrost vnnd frewdig seyn in GOtt: Gelobet sey GOTT in(C. 8, 1.)
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Christo JEsu. Dann es ist doch nichts verdamliches an denen die in Christo JEsu seynd / die da leben nicht nach dem Fleisch / sondern nach dem Geist. O liebe Seelen / GOtt hat für vns wol zugesehen / jhm sey ewig Lob vnd Ehre / in Christo JEsu. Amen.

Am XV. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Art zu wandeln im Geiste / allermeist in Vbung der Sanfftmuth vnd Wolthätigkeit.
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TEXTVS Galat. 5. & 6. usque V. 11.
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V. 25. SO wir im Geist leben / so lasset vns auch im Geist wandeln. V. 26. Lasset vns nicht eyteler Ehre geitzig seyn / vnnd vnter einander zu entrüsten / vnnd zu hassen. V. 1. Lieben Brüder / so ein Mensch etwan von einem Fähl vbereylet würde / so helfft jhm wieder zu recht mit sanfftmütigem Geist / die jhr geistlich seyd / vnnd sihe auff dich selbs / daß auch du nicht versucht werdest. V. 2. Einer trage deß andern Last / so werdet jhr das Gesetz Christi erfüllen.
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V. 3. So aber sich jemand laßt duncken er sey etwas / so er doch nichts ist / der betreuget sich selbs. V. 4. Ein jeglicher aber prüffe sein selbs Werck / vnd als dann wird er an jhm selber Ruhm haben / vnd nicht an einem andern. V. 5. Dann ein jeglicher wird sein Last tragen. V. 6. Der aber vnderrichtet wirdt mit dem Wort / der theyle mit / allerley gutes / dem der jhn vnderrichtet. V. 7. Irret euch nicht / GOtt läßt sich nicht spotten. Dann was der Mensch säet / das wirdt er ernden. V. 8. Wer auff sein Fleisch säet / der wird vom Fleisch das Verderben ernden / wer aber auff den Geist säet / der wird von dem Geist das ewige Leben ernden. V. 9. Lasset vns aber guts thun / vnd nicht müde werden / dann zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohn auffhören. V. 10. Als wir dann nur Zeit haben / so laßt vns gutes thun an jederman / allermeist aber an den Glaubensgenossen.

Geliebte in Christo JEsu.
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ES ist ein seliger Mensch / der weiß zu rechter Zeit Buß zu(Exord. à tempore poen irendi non negligendo.) thun. Es hat wol GOtt Fluch vnnd Verdamnuß den Gottlosen fürgesetzet / doch so lange sie hie seynd / hat noch ein
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jeder vor sich eine offne Thür zur Gnaden / daß er vmbkehre von seinem Verderben / vnd selig werde; nach der Verheissung GOttes: (Ezech. 18, 21. 22. 23.) Wo sich der Gottlose bekehret von allen seinen Sünden / die er gethan hat / vnd hält all meine Rechte / vnd thut recht vnd wol / so soll er leben vnd nicht sterben; es soll aller seiner Vbertrettung / so er begangen hat / nit gedacht werden. Dann meinstu / spricht der HErr / daß ich gefallen habe am Todte deß Gottlosen / vnnd nicht viel mehr / daß er sich bekehre von seinem Wesen / vnd lebe? So halt ich nun denselben für selig / der die rechte Zeit Buß zu thun / weiß in acht zu nehmen. Dann es muß doch dahin kommen / daß er einmal seine Sünde berewe vnd beweine / geschicht es hie / so lang die Thür der Gnaden offen stehet; ist dem Sünder sein Weinen vnd Hertzenleyd nutzlich vnd selig. Geschichts nicht hie / muß es doch geschehen zur andern Zeit / da die Thür zur Gnaden verschlossen ist. Dann wirstu ja heulen vnd weinen / vnnd dich selbsten verfluchen / daß du darumb für GOtt / die kurtze Ergetzligkeit der Welt für ewiges vnd himlisches Wolleben genommen / vnd darüber in ewige vnd höllische Pem gefallen bist. Wurdestu als dann gantz in Thränen zerfliessen / wird doch dein Verdamnuß nicht von dir genommen werden / ja nicht einmal auff ein Stäublein verringert werden / dann da ist die Zeit deß Gerichts. Vnnd damit ein Mensch nicht meyne / die Barmhertzigkeit Gottes werde nicht zugeben können / daß ein Mensch solte ewiglich die vnerträgliche Höllenangst leyden, hat GOtt zu weilen solche Zornzeichen auff Erden sehen lassen / dabey keine Barmhertzigkeit zu finden / daß der Mensch erkenne / was der Zorn GOttes thun werde zur Zeit deß Gerichts / wann die Thür zur Barmhertzigkeit wirdt ewig verschlossen bleiben. So ists ja besser nun trauren / da man
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noch einen Nutzen davon hat; als hernach / da alles Trauren vnnd Weinen wird vergebens seyn. Solche vnglückselige Zeit deß künfftigen Gerichts / hält die Schrifft den Gottlosen für / daß sie doch klug werden; wie dann in nächster Predigt / der Apostel Paulus eine harte Lection gelesen /(Gal. 5, 21.) denen / die die Werck der Finsternuß vollbringen / nemblich / sie sollen das ewige Leben nicht ererben; vnnd ist kein Wunder / dann sie haben keinen Christum / wo aber kein Christus ist / da ist auch kein(V. 24.) ewiges Leben. Die Christum angehören die creutzigen jhr Fleisch / sampt den Lüsten vnd Begierden. Wann dann die Menschen die Lüste deß Fleisches nicht creutzigen / sondern herrschen lassen / ja auch muthwillig denselben nachgehen / in sich nehren / vnnd mit losen Stricken sich in der Boßheit verknüpffen / vnd die Sünde gering machen; sollen sie auch noch Christum angehören? das sey ferne. Was ist dann anders zu hoffen / als ewiger Jammer vnnd Verdamnuß / so lange sie die Sünde in jhnen herrschen lassen? Weil es dann so gefährlich vmb einen Sünder steht / hat GOtt durch seinen Knecht Paulum vns einen guten Rath gegeben / wie wirs angreiffen sollen / daß die Sünde in vns die Herrschafft nicht erlange / nemblich: Wandelt im Geist / so werdet(Gal. 5, 16.) jhr die Lüste deß Fleisches nicht vollbringen. Werden wir immer auff das Wort vnd auff den Geist Gottes sehen / vnd demselbigen folgen; wirdt die sündliche Lust zur Herrschafft nicht gelangen. In solcher Meynung bleibt Paulus beständig / vnd ermahnet auch in der heutigen Lection / daß wir doch im Geiste wandeln.(Thema.) Er laßts aber nicht bleiben / bey einer gemeinen Vermahnung / sondern führet vns auff gewisse Exempel / auff Demuth vnd Sanffmuth / auff Lieb vnnd Gutthätigkeit / vnnd
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zeyget / wie darinnen wir nach dem Geist leben müssen. Dem wollen wir auch zuhören. GOtt gebe daß es Nutz vnnd Frucht schaffe. Amen. (Regula generalis, de Spirituali agendi modo.) DAs Leben wird offt in heyliger Schrifft verglichen einer Wanderschafft. Wie eine Wanderschafft verricht wird durch vnterschiedliche Tritt / da ein Tritt dem andern folgt / biß wir an vnsern Orth kommen; Also bringen wir vnsere Zeit zu mit vnterschiedlichen Gedancken / Worten vnd Wercken / da eins dem andern folget / biß wir zum Ende kommen. Da muß ein Christ einen jeglichen Tritt in acht haben / daß er von Göttlicher Bahn nicht abtrette; das ist / er muß alle seine Gedancken / Wort vnnd Werck in acht nehmen / daß er darinn nicht sündige; dann einem Christen nicht frey steht / seinen Gedancken / Worten vnd Wercken freyen Lauff zu lassen. Wiltu aber wissen / warnach du dich / deine Gedancken / Wort vnnd Werck richten solt: (V. 25.) So spricht d’ Apostel Christi: Lasset vns im Geiste wandeln. In allen Wercken / Worten / ja in allen Gedancken / müssen wir auff den Geist GOttes sehen / was der in seinem Worte vns fürsaget / dem müssen wir auch folgen. Im alten Testament hat man in wichtigen Sachen müssen den Mund deß HERRN fragen / ist ein Fürbilde / wie ein Christ in allen Dingen auff das Wort deß HERRN sehen soll / wo er anders will klüglich handeln. Wo ein Mensch auß Frevel / oder aber nur auß Vnachtsamkeit / deß Wortes GOttes vergisset / daß er nicht darauff sihet / vnd nach demselben seine Gedancken Wort vnd Wercke prüfet / so hat er sich schon in Gefahr der Sünden eingelassen. Ich sage nicht / was ein Mensch hierin thun könne oder nicht / ich weiß wol wie flüchtig vnd vnachtsamb menschliche Gedancken seyn; ich sage nur was das Christenthumb erfordert. Wann du dann bey dir merckest / daß du deinem Thun / Wort vnnd Gedancken / freyen Lauff gelassen hast /
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solstu dich nicht sündloß achten / sondern mit hertzlichem Verdruß zu Gott darüber seufftzen. Daß du aber wissest / wann dein Christenthumb solche Fürsichtigkeit erfordert / so mercke wie Paulus redet: So wir im Geiste leben / so lasset vns auch im Geiste wandeln. Im Geist leben / vnd im Geiste wandeln ist hie zweyerley. Solches zu verstehen habt jhr euch zu erinnern / daß ein Mensch zweyerley Seel vnnd Leben habe. Erstlich eine natürliche Seele / die gibt das natürliche Leben. Aber ein Mensch der nicht mehr hat als das natürliche Leben / ist für GOTT todt vnnd ein Aaß. Darumb muß fürs ander zu vns kommen eine geistliche Seele / die ist GOtt / wann der in Gnaden sich mit vns vereiniget; alsdann fanget an das geistliche Leben / vnnd heisset eine Wiedergeburt. Wann nun ein Mensch zum newen Leben wiedergeboren ist / das heißt hie im Geist leben. Wann in demselben die Wiedergeburt jhre Früchte bringet / das heißt hie im Geiste wandeln. Ists nun wahr / daß wir zum newen Leben durch den Glauben wiedergeboren seynd / GOttes lebendige Kinder geworden seyn / so muß auch folgen / daß wir in der Krafft der newen Geburt wandeln / vnd die Früchte deß Geistes in vns sehen lassen. Ists der Geist GOttes / der vns das Leben für GOtt gibt; so muß es auch der Geist GOttes seyn / der vns regirt vnd führet in vnserm Leben. Wollen wir das Ansehen haben / daß wir durch GOttes Geist wiedergeboren seyn / müssen wir solches im Werck beweisen. Wie es eine vnsinnige Rede ist / wann einer im finstern Loch in allerley Vnflat sich weltzet / vud gleichwol rühmen wolte / er lebte in einem gläntzenden herrlichen Saal; so ist es auch eine vnbesonnene Rede / wann einer fürgibt / er lebe im Geist GOttes; der sich doch weltzet in allerley Vnflat deß Sathans.
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(Regulae speciales.) Dieses ist noch in gemein vom geistlichen Wandel geredet / was folget / seynd sonderbare Stücke deß geistlichen Wandels; dann es führet vns der Apostel auff Sanfftmuth vnnd Wolthätigkeit (Prima de mansuetudine, duabus specialissimis; proponitur. Matt. 11, 29) / vnnd zeyget / wie darinnen wir nach dem Geist wandeln sollen. Wann vns aber Paulus auff Sanfftmuth führet; führet er vns auff das Stück deß Geistes / dazu vns Christus lockt / wann er rufft: Kompt her zu mir / vnd lernet von mir / dann ich bin sanfftmütig vnd von Hertzen demütig. Es will Christus nicht / daß wir von jhm lernen / grosse Weißheit / Beredtsamkeit / Wunder thun sonder Sanfftmuth vnd Demuth. Es hat aber Sanfftmuth zu streiten mit zween gewaltigen Fürsten / mit Ehrgeitz / vnnd Vngedult. Darumb schreibt der Apostel den Sanffmütigen zwo Regel für / darnach sie sich richten müssen / wollen sie nicht von den Feinden der Sanfftmuth vnnd Demuth überwältiget werden. (Specialissima 1. co̅tra ambitionem.) Die Erste Regel: Lasset vns nicht eyteler Ehr geitzig seyn / vntereinander zu entrüsten / vnd zu hassen. Nach Ehren trachten / das ist / in allem Thun sich eines guten Nahmens (V. 26.) befleissen / die Amptsgeschäffte redlich außrichten / das thun / was für GOtt vnd Menschen rühmlich ist / solches ist vergönnet vnd gut. Aber bey dem allen / kan ein Mensch leicht mit Ehrgeitz beschmitzet werden / insonderheit auff dreyerley Weise. Erstlich / wann er in seinem Ampt vnnd Thun nicht lauter auff die Liebe GOttes / vnd deß Nächsten sihet; sondern setzet jhm die Ehre für zu einem Lohn / vnd sich nicht so sehr darüber ergetzet / daß er was gutes vnd löbliches thun kan / als daß er dardurch berühmet / vnnd geehret werde. Also war es den Aposteln nicht vmb Gottes / sondern eygene Ehr zu thun / wann sie vnter sich einen Zanck erweckten / wer vnter jhnen solte der grösseste seyn. Solche Leute haben jhren Lohn dahin / dann weil sie in jhrem Ampt vnnd Thun Ehre
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suchen / so wirdt jhnen zuweilen die Ehre gegönnet / aber nichts mehr. Fürs andere treibt den Menschen der Ehrgeitz / wann er mit seinem Stande nicht kan friedlich seyn. Wann David von seinem Reich verjaget ward; sprach er: Gefällts GOtt mich wieder zu bringen / werde ich wol wider kommen; spricht er aber / ich habe kein Gefallen an David / so bin ich hie / er mache mit mir wie es jhm wol gefält. Das war recht. So lang es GOtt gefiel / könte er wol die Ehre tragen / vnd König seyn / wann jhn aber GOtt hätt wollen zum Bettler machen / war er mit GOtt auch zu frieden. So solte ein jeglicher Christ gesinnet seyn. Wann er hoch sitzet / soll er gedencken / befriediget zu seyn / auch wann jhn GOtt herab in den Staub ziehet. Vnd wann er im Staube sitzet / vnnd kein Ansehen oder Ehr in der Welt hat / daß er mit dem Wolgefallen GOttes zufrieden ist. Es seynd ja wol andere Menschen / die eben so tieff im Koth liegen als ich / was ist mir dann GOtt mehr schuldig / dann andern. Vnd wann kein Mensch were in der Welt so vnansehnlich vnd veracht als ich / solte ich doch mit Gottes wolgefallen zu frieden seyn. So war auch Christus gesinnet. Hingegen wann man nicht genug kan geehret werden / vnnd immer noch will mehr haben / ist nur eitler Ehrgeitz. Zum dritten / geräth man auch in Ehrgeitz / wann einer sich allein will erheben / keinen neben sich leyden / der jhm entweder gleich ist / oder vorgezogen solte werden. Da folgen dann auff Ehrgeitz diese beyde Trabanten / Neid vnd Verachtung. Sihet der Ehrgeitziger etwas herrlichers bey einem andern dann bey sich / das erweckt Neid; dunckt jhn aber / daß sein Nächster jhm in etwas nicht gleich thue / so vernichtet vnd verachtet er seines Nächsten Thun. Vnd wieder solches gehet insonderheit vnsere Apostolische Regel: Lasset vns nicht eytler Ehre geitzig seyn / vntereinander zu entrüsten / vnnd zu hassen.
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Hat einer für treffliche Gaben / so kan er nicht leyden / wo er anders seiner Natur folgen will / daß ein ander komme / der in denselbigen Gaben jhn übertrifft. Cain liebte Abel / als seinen Bruder natürlicher Weise / als er aber merckte / daß jhn GOTT vorgezogen hatte / vnd mehr von Abel hielte als von Cain / da ergrimmet er vnd neidet seinen Bruder bitterlich. König Saul liebte David als einen geschickten Mann / als er aber hörte / daß er jhm solte vorgezogen werden / vnnd mehr Ehr dar von tragen als er der König selbst / da neidet er jhn biß auff den Todt. Das ist ein gemeines Laster in allen Ständen. Findet eine Magd mehr Gunst / bey der Frawen als die ander / das macht Neid; hat ein Handtwercks-Mann etwan einen besonderlichen Griff in seiner Kunst / der siht nicht gern / daß einer auff stehe / der jhms nach- oder zuvor thue. Gerathen dann hie zween harte Köpff an einander / die stossen sich. ( ) Die entrüsten sich vnter einander / eygentlich nach dem Text / sie fordern sich einander auß; bieten sich Streit an; das ist / einer verunglimpfft vnnd tadelt den andern / vnnd will ein jeder der beste seyn. Diese alle mit einander macht der Apostel zu Schanden / vnd spricht; ey pfui! Ist das der Geist Christi! Ist daß der Geist der Sanfftmut! Lebet jhr im Geist / der da ist ein Geist der Sanfftmuth vnnd Demuth / so wandelt auch im Geist der Sanfftmuth vnd Demuth. Lasset vns nicht eiteler Ehr geitzig seyn / vntereinander zu entrüsten / vnd zu hassen. Das ist die erste Regel / für denen die da wollen im Geist der Sanfftmuth wandern. (Specialissima altera: Demodo procede̅di cum lapsis.) Die andere Regel: Lieben Brüder / so ein Mensch etwa von einem Fehl vbereilet würde / so helfft jhm wieder zu recht / mit sanfftmütigem Geist / die jhr geistlich (V. 1, 2.) seyd / vnnd sihe auff dich selbst / daß du nicht auch versucht werdest. Einer trage deß andern Last / so werdet
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jhr das Gesetz Christi erfüllen. Diese Regel zeyget wie vmbzugehen(Object) mit den schwachen vnd gefallenen Christen. Sie handelt nicht von gantz muthwilligen Vbelthätern / bey welchen alle Vermahnung verloren ist / sondern von solchem Meuschen / der etwa von einem Fehl vbereilet wirdt. In allen Menschen ist das Fleisch / als die Wurtzel alles bösen / das reitzet vnnd locket; wann dann der Mensch nicht behutsamb wandelt / ists bald geschehen / daß er sich versündigt gegen GOtt vnd Menschen. Dann die einwohnende Sünde übereilet jhn / vnd kompt jhm zuvor / ehe er recht erweget / was er vorhabe. Dakans geschehen / daß auch ein frommer Mensch in eine abschewliche Sünde gerathe. Hie ist zu mercken / das Mitleyden deß heyligen Geistes / dan̅ in dem er die gefallene Christen beschreibet / als die von einem Fehl vbereilet worden / bezeuget er gleichfalß sein Mitleyden mit der schwachen Natur / vnd bringt die Schuld auff den Wiedersacher den Sathan / vnd seinen Schlangensamen / diß seynd die geistliche Feinde / die mit jhren Versuchungen derfrommen Seelen nachgehen / vnd jhr offt zuvor kommen / ehe sie recht erweget / was sie thut. Ein solches Mitleyden findet man auch im 3. Buch Mosis am 5.(Lev. 5, 4.) Cap. Da zeyget GOtt / auff was Art sich ein Mensch versönen soll / der sich an einem vnbedachten Schwur verschuldet / als wann einer schwöret / vn̅ jm auß dem Mund ein schwur entfähret / Schaden zu thun. Daselbst setzet der gütiger hinzu: Wie dann einem Menschen ein Schwur entfahren mag / ehe ers bedacht. Mit dieser vnd dergleichen Art zu reden / bezeuget der from̅e Gott sein Mitleyden mit der schwachen Natur. Was sollen aber Christen thun bey dem Fehltritt jhres Nächsten?(Officium.) Paulus spricht: Helfft jhm wieder zu recht mit sanfftmütigem Geiste. Die Gewonheit ist / den betrübten Fall deß Nächsten zu belachen / verlästern / vnd auffzurucken / oder auch so
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wir Schimpff vnd Schaden daran haben / zu zürnen. Mancher will vor Vnmuth auß der Haut springen. Deß heyligen Geistes Will ist / daß wir den Sünder wieder zu recht bringen. Dann weil er bey Seite abgetretten / vnd nicht im rechten Wege der Gottseligkeit geblieben / muß man jhn nicht weiter abtreiben / sondern wieder auff den rechten Weg bringen. Man muß mit jhm vmbgehen wie mit einem verruckten vnd außgewichenen Gliede / daß man wieder an seinen Orth bringen muß. Ein Christ der von einem Fehl vbereilet ist / ist ein verrucktes Glied an dem Leibe Christi / das muß man nicht fort abhawen vnd wegwerffen / sondern wieder an seine rechte stätte setzen. Vnd dasselbe nicht mit Vngestüm / sondern mit sanfftmütigem Geist / mit solcher Sanfftmuth / daß man sehe / daß es vom Geist Gottes herkomme. Eben wie ein Artzt nicht mit Vngestüm zufährt / wann er ein verrucktes Glied wieder soll einsetzen / sondern er braucht Behändigkeit / sihet zu / wo es anzugreiffen / vnd fähret gemach / biß es an sein Orth kompt. (Subjectu̅, in quo hoc officiu̅ requiratur.) Diß fordert der heylige Geist von geistlichen Leuten: Ihr die jhr geistlich seyd / helfft jhm wieder zu recht mit sanfftmütigem Geiste. Was Eltern vnd Obrigkeit / Prediger vnd Schulmeister hiebey jhrem Ampt nach thun sollen / wird am andern Orth berichtet; hie hat der heylige Geist zu thun mit Christen in gemein / wie ein Christ gegen dem andern in gemeinem Leben soll gesinnet seyn. Paulus als der Werckzeug deß heyligen Geistes / redet sie freundlich an / nennet sie erstlich seine lieben Brüder / hernach geistliche Leute. Das ist ein recht feiner Titel für Christen / die sollen geistlich seyn / das ist / solche Leuthe / welche den heyligen Geist in sich haben / vnd von demselben vnderwiesen / vnd getrieben werden. (Rationes implicitae.) Mit diesen Titeln zeyget zugleich Paulus Vrsachen / warumb Christen einen gefallenen Sünder mit sanfftmütigem Geist tragen / vnnd wieder zu recht helffen sollen. In dem er sie nennet
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lieben Brüder / gibt er zuverstehen / daß sie brüderlich gegeneinander sollen gesinnet seyn. Wan̅ er sie nennet geistliche Leute / erinnert er sie jhrer Pflicht: Lebet jhr im Geist / so wandelt auch im Geist. Der Geist vnserer Wieder geburt ist ein Geist der Sanfftmuth. Ists nun wahr daß wir geistlich seyn / müssen wir dasselbe auch in der Sanfftmuth beweisen. Vnd ist kaum etwas / daß mehr einen geistlichen Menschen beweiset / als Sanfftmuth gegen irrende vnd gefallene Sünder. Vber dieses gibt der heylige Geist vns noch zweyerley außtrucklich(Explicitae.) zu bedencken / vnd erstlich zwar die gemeine Schwach heit aller Menschen. Sihe auff dich selbst / daß nicht auch du(V. 1, 2.) versuchet werdest. Darumb trage einer deß andern Last. Ist so viel gesagt: Hats ein ander versehen / so gedenck(Aut sumus aut fuim 9, aut possumus esse, quod hic est.) daran / daß du es auch kanst. Wie du nun wilt / daß ein ander mit deiner Schwachheit Gedult habe / so habe du auch Gedult mit deß Nächsten Schwachheit. Die Wurtzel alles bösen / das Fleisch / ist in vns allen. Daher kans leicht geschehen / daß wir versucht werden vnd fallen / eben wie ein ander Mensch. Ja wann wir vns recht bedencken / so haben wir schon einen guten Fall gethan / eben darinn / daß wir vnzeitig vnd übermässig vnsern Nächsten tadeln vnd straffen. Was wir an andern sehen / kan vns auch wiederfahren. Daran soll man gedencken / so offt wir hören oder schen / wie andere Leute zu Fall gekommen seyn. Spiegle dich nur an jhnen / vnd bedencke was auß dir selbst werden kan. Dann anderer Leuthe Falle müssen ein Spiegel vnserer verderbten Natur seyn. Wann solches betrachtet wird / werden wir keine Vrsach haben / einen andern in seinem Fall zuverlachen / verschmähen / vnnd jhn mit Vngestüm von vns zu treiben / sondern werden viel mehr Mitleyden vnd Gedult mit jhm haben / vnd mit Sanff muth jhn ertragen. Das ist dan̅ / dazu vns Paulus ermahnet: Einer trage
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deß andern Last. Wir haben mancherley Last / mancherley Trübsal / die schwereste Last aber ist das sündliche Fleisch / damit müssen wir vns alle schleppen / vnnd das macht vns offt den geistlichen Weg der Gottseligkeit sehr saur. Wie sollen wir nun / einer gegen dem andern / vns hie verhalten? Stehts vns wol an / so wir vntereinander vns selbst die Last schwerer machen? Besser ists / daß einer dem andern tragen helffe. Das geschicht durch Gedult / so etwan wir in einem Dinge beleydiget worden: Durch Mitleyden / wann wir dem Nächsten nicht vnzeitig seine Fehle auffrucken / sondern vns also gegen jhm erzeygen / daß er sehe vnd mercke ein gutes mitleydendes Gemüth; durch Sanfftmuth vnd Bescheydenheit / in dem wir jhn vnderweisen / vnnd wieder zu recht helffen wollen. Wir wissen wie es Fuhr- oder Wandersleute halten / wann sie zusammen auff einem Wege seyn. Ist einer vnter jhnen der vberladen / vnd mit der Last weiter fort zu kom̅en vnvermögen ist / so muß er entweder zu rücke bleiben / vnd wol gar auff dem Wege vmbkommen / oder die Geferten müssen jhm helffen die Bürde leichter machen. Wird jhm die Bürde leichter gemacht / daß er mit fort kommet / kan er nachmals einem andern / wan̅ der ermüdet wieder fort helffen. Also auch / wann einem Fuhrmann die Pferde ermüden / vnd allein auß der Pfütze nicht kommen kan / kompt jhm der ander zu Hülff mit seinen Pferdten / damit sie samptlich fortkommen. So soltens wir Christen auff vnserer geistlichen Reyse auch machen. Einer trage deß andern Last. Zum Exempel: Ist jemand der langsamb ist / vnd in seinen Geschäfften übel fortzubringen / so bistu jachzornig / vnd fährest mit Eyffer vnd Vngestüm herauß. Da muß ein ander mit dir Gedult haben. Wie du nun wilt / daß ein ander dich ertrage / vnd dir etwas zu gute halte / so mach es auch mit einem andern / so trägt einer deß andern Last. Laufft etwas für daß dir mißfällt an einem andern / so gedenck / daß auch viele dir anhängt / daß einem andern nicht gefällt. Darumb trage einer deß andern Last / habt Gedult vnter einander / vnd wer den andern
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ermahnet / sehe zu daß er jhn zu recht bringe mit sanfftmüthigem Geiste. Wann das geschicht / alsdan̅ erfüllen wir das Gesetze Christi / daß ist das ander / welches vns hie Paulus zubedencken fürleget:(V. 2.) Einer trage deß andern Last / so werdet jhr das Gesetz Christi erfüllen. Wir wissen was Christus an vns gethan / vnd wie er vnsere Schwachheit auff sich genommen vnd getragen habe. Wir wissen / was für ein Gebott er vns gegeben / nemlich / daß wir vns vntereinander lieben. Wie wissen was er gesuchet / da er seinen Jüngern die Füsse gewaschen: Ihr heisset mich(Johan. 13, 14, 15.) Meister vnd HErr / spricht er / vnd saget recht dran / dann ich bins auch. So nu ich ewer HErr vnnd Meister / euch die Füsse gewaschen habe / so solt jhr auch euch vnter einander die Füsse waschen. Ein Beyspiel hab ich euch gegeben / daß jhr thut wie ich euch gethan habe. Diß Beyspiel erkläret der Apostel Petrus mit solchen Worten /(1. Pet. 4, 8.) in seiner ersten am 4. Für allen Dingen habt vntereinander eine brünstige Liebe / dann die Liebe deckt auch der Sünden Menge. Wer recht liebet / lässet sich nicht leicht erzürnen / sondern verträget alles / wie viel an jhm gesündiget wirdt. Fragstu dan̅ / was bedeuts / daß Christus der HERR den Jüngern die Füsse waschet / so zeyget vns Petrus zweyerley. Erstlich / daß vns allen die sündliche Vnreinigkeit anklebe. Zum andern / daß einer deß andern Vnreinigkeit vnd Schwachheit in der Liebe mit Sanfftmuth vertrage / vnnd bessern helffe. Diß ist das Gesetz Christi vns seinen Jüngern anbefohlen. Diesen Befehl seynd wir schuldig in Würden vnd Ehren zu halten. Einer trage deß andern Last / so werdet jhr das Gesetz Christi erfüllen.
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Diß seynd die beyde Stücke / die vns Paulus hie außtrücklich zu bedencken gibt / nemblich vnsere eygene Schwachheit / vnd der Befehl Christi. Damit will er vns bewegen / daß wir vnsern Nächsten mit Gedult in seiner Schwachheit ertragen / vnd alle zeit mit Sanfftmuth wieder auff vnd zu rechte helffen. Weil aber mancher nicht will wissen / was er selber ist / vnd von seiner Wahr gar viel hält / hält sich Paulus hie noch etwas auff / vnd redet von (V. 3. 4. 5.) solchen einbildenden Leuten also: So aber sich jemand läßt duncken / er sey etwas / so er doch nichts ist / der betreugt sich selbst. Ein jeglicher aber prüfe sein selbst Werck / vnd alsdann wird er an jhm selber Ruhm haben / vnd nicht an einem andern. Dann ein jeglicher wirdt seine Last tragen. Ist nun jemand der mehr zu seyn vermeynt als ein ander / als wann er sich keines Falls zu besorgen hätte / denen entdeckt Paulus zu erst jhren Vnverstand / vnd spricht: O du Thor betreugst dich selbst. Du bist doch nichts: So sich jemand läßt duncken er sey etwas / so er doch nichts ist / der betreugt sich selbst: Dann gewiß wir seynd doch nur allesampt ein gebrechlich Gefäß. (1. Cor. 10, 12,) Wer sich läßt duncken er stehe / mag zusehen / daß er nicht falle. 1. Corinth. 10. Gesetzt du habest etwas besonders / so verderbstu doch solch alles dadurch daß du darumb viel von dir hältest / vnd achtest geringschätzig deinen Neben Christen. Dann GOtt wiederstehet den Hoffärtigen. Bistu dann vorhin nichts / so wirstu erst nichts werden / wann du dir GOTT zu wiedern machest. Zum andern / gibt Paulus solchen hochfahrenden Geistern einen Rath / was sie thun sollen: Ein jeglicher prüfe sein selbst Werck. All dein Werck / dein Thun vnnd Lassen setze auff die
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Probe / vnd beschawe es nach der Regel deß Göttlichen Wortes / sehe wol zu / was oder wie viel du erreychet / was oder wie viel die noch mangeln / vnd worin du zu bessern seyst. Das ist ein recht guter Rath / vnnd eine heylsame Vbung. Dann erstlich wer solches thut / der wird als dann an jhm selber Ruhm haben / vnd nicht an einem andern. Viel haben darzu Lust / daß sie Ruhm vnd Lob auß eines andern Schande suchen. Sie verkleinern gerne einen andern / daß sie deßzu grösser geachtet werden. Das gilt nicht. Besser ists / daß wir den Ruhm bey vns selbst / ohn deß Nächsten spott suchen / welches geschicht / wann wir / wie gesagt / vns selbst prüfen. Dann als dann werden wir einen solchen Balcken in vnsern Augen finden / daß wir deß Splitters in den Augen vnsers Nächsten wol vergessen werden. Richten vnd vrtheylen / stehet vns nimmer besser an / ist auch nimmer heylsamer / als wann wir vns selbst richten. Zum andern ist diß auch wol gerathen darumb / weil ein jeglicher seine eigne Last tragen werde. Gleich wie vns vil anbefohlen ist / daran wir genug zu tragen haben / also werden wir auch viel im künfftigen Gericht für Gott zu verantworten haben. Da werden wir nicht nach eines andern / sondern nach vnserem eigenen verhalten gerichtet werden. Da wird ein jeglicher müssen für sich Antwort geben. Hie zwar / in dem wir noch auff dem Wege seyn / muß einer dem andern die Last tragen helffen / wie Paulus vorhin gelehret hat. Die Starcken müssen Sanfftmut gegen die Schwachen üben / daß jhnen die Last nicht zu schwer werde / vnd sie gar zurück bleiben. Wann wir aber ins Gericht kommen / muß ein jeglicher seine eygne Last tragen / vnd wird nach seinen eignen Wercken gerichtet / es sey gutes oder böses. Hastu was dir nach deinem Ampt vnd Christe thumb anbefohlen nicht recht verwaltet / wirst du genug zu verantworten bekommen. Also auch / wann du hie in dieser Wanderschafft nicht wilst die Last deinem schwachen Bru
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der helffen tragen / keine Sanfftmuth beweisen / so hastu eben damit eine Last auff dich geladen / die dich schwer genug drucken wird. Derwegen haben wir grosse Vrsach auff vns selbst zu sehen / daß wir vns selbst bessern. Das sey gesagt von der Sanfftmuth / dadurch einer deß andern Gebrechen vertragen solle / daß wir vntereinander vns nicht durch Vngedult vnd Ehrgeitz entrüsten. (Specialis secunda de beneficentia.) Nun folget ein ander Stück deß Christenthumbs / darinnen wir gleichfalß müssen beweisen / wie wir im Geiste leben / vnnd das ist Gutthätigkeit. So höret nun auch / was der Geist GOttes (V. 6. 7. 8. 9. 10.) durch Paulum davon redet: Der vnterrichtet wirdt mit dem Wort / der theyle mit allerley gutes / dem der jhn vnterrichtet. Irret euch nicht / GOtt läßt sich nicht spotten. Dann was der Mensch säet / das wirdt er erndten. Wer auff sein Fleisch säet / der wird von dem Fleisch das Verderben erndten. Wer aber auff den Geist säet / der wird von dem Geist das ewige Leben erndten. Lasset vns aber gutes thun / vnd nicht müde werden / dann zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohn auffhören. Als wir dann nun Zeit haben / so lasset vns gutes thun an jederman / allermeist aber an des Glaubens genossen. Den Grund dieser Vermahnung leget Paulus in der künfftigen Wiedervergeltung / die er als eine reiche Erndte vns für Augen stellet. Was der Mensch säet / das wird er erndten. Wer auff sein Fleisch säet / der wird von dem Fleisch das Verderben erndten. Wer aber auff den Geist säet / der wird von dem Geist das ewige Leben erndten. Da sihestu zweyerley Acker / das Fleisch vnd den Geist. Da sihestu zweyerley Samen. Was vom Fleisch kompt ist ein fleischlicher Same /
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vnd wird auffs Fleisch gesäet. Was vom Geist kompt / ist ein geistlicher Same / vnd wird auff den Geist gesäet. Da sihestu auch zweyerley Früchte. Die Frucht deß Fleisches ist das Verderben; die Fruchte deß Geistes / ist das ewige Leben. Nicht daß vnsere Werck der Würde seyn / als köndten sie das ewige Leben verdienen. Wir wissen daß es ist ein Gnadengeschenck / daß vns durch den Glauben an Christum JEsum auß Gnaden geschenckt wirdt. Dennoch sollen wir auch gewiß darfür halten / daß nichts von allem / daß der Geist JEsu Christi in vns würckt / werde vergebens vnd verloren seyn / sondern es werde seinen Lohn haben / vnnd der Lohn wird seyn eben das ewige Leben / daß vns durch den Glauben an Christum JEsum auß Gnaden geschenckt ist / dann im ewigen Leben wird GOtt alle das gute / welches Christi Geist in vns gewürcket / reichlich vergelten vnnd bezahlen / nach seiner gnädigen Verheissung. Wer nun viel lieber eine gute Erndte haben will / als eine böse / der säe guten Samen auff einen guten Acker / vnnd thue gutes durch den Geist JEsu Christi. Eine grosse Thorheit ists / böses thun / einen bösen Samen / auff bösen Acker säen / vnnd gleichwol gedencken was gutes zu erndten. Sey auch versichert / daß wann du viele säest / nicht wenig vnd sparsam erndten werdest. Wer da kärglich säet / der wird auch kärglich erndten. Vnd wer da säet reichlich vnd im Segen / der wird auch reichlich erndten vnd im Segen. 2. Cor. 9.(2. Cor. 9, 6.) Auff disem Grunde bawet Paulus eine solche Ermahnung: Als wir dann nun Zeit haben / so lasset vns gutes thun an jederman / allermeist aber an deß Glaubens genossen. Wer vnterrichtet wird mit dem Wort / der theile mit allerley gutes / dem der jhn vnterrichet. Lasset vns aber gutes thun vnd nicht müde werden / dann zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohn auffhören. Die Sum̅a ist.
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Ein Christ soll sich befleissigen seinem Nächsten gutes zu thun. Wir müssen gutes thun auff allerley Weise. Theylet mit allerley gutes. Gutes thut man nicht allein mit Gelde vnd Gut. Ein jeglicher Mensch kan einem anderen gutes thun / mit rathen / mit helffen / mit Erzeygung allerley Dienst. Wer nicht mehr kan als betten / kan gutesgenug. Nach dem nun Gott vns Vermögen gegeben hat / nach dem seynd wir schuldig dem Nächsten zu dienen / mit allem was wir können vnd haben. Wir müssen gutes thun reichlich / so wir anders gedencken reichlich zu erndten. Wir müssen gutes thun zur rechten Zeit. Als wir nun Zeit haben lasset vns gutes thun. Dann die Saatzeit wäret nicht länger als in diesem Leben / nach dem Todt kan man nicht mehr säen / sondern da ist ewige Erndte. Wer bey Leibes Leben versäumet hat gutes zu thun / der hat die Saatzeit versäumet; vnd wird in Ewigkeit zu keiner glücklichen Erndte kommen. Wir müssen gutes thun ohn auffhören: Lasset vns gutes thun / vnnd nicht müde werden / dann zu seiner Zeit werden wir auch erndten / ohn auffhören. Man kan im guten bald verdrossen werden / durch mancherley Vrsachen / aber darfür müssen wir vns hüten / vnd allezeit an die reiche Erndte gedencken / darinnen wir der Frucht alles guten geniessen ohn auff hören. Verstehestu das / lieber Christ / so frewe dich / so offt dir eine Gelegenheit gutes zu thun zur Handt stosset / frewe dich / daß du etwas deinem Nächsten zu Dienst vnd GOtt zu gefallen thun kanst / frewe dich mehr als wann du eine Welt voll Goldes findest. Dann warlich die Erndte zu seiner Zeit wird viel reicher seyn. Wisse aber auch wem du gutes thun sollest / daß es wol angeleget sey. Paulus macht eine gewisse Ordnung: Lasset vns gutes thun an jederman / allermeist aber an deß Glau
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bens genossen. Wer vnterrichtet wird mit dem Wort / der theile mit allerley gutes dem / der jhn vnterrichtet. Vors erst mustu bereyt seyn jederman gutes zu thun / wer deiner Hülff bedarff; wer er auch sey / wie solches der HERR Christus in dem Gleichnuß von dem Samaritaner lehret / der sich deß halbtodtverwundeten Menschen angenommen. Solt auch vnser Feind / vnserer Hülffe bedörffen / sollen wir jhm gutes zu thun nicht versagen nach Christi Lehr / vnd dem Exempel deß himlischen Vatters / der seine Sonne lässet auffgehen / vber gute vnnd vber böse. Absonderlich aber müssen wir mit Gutthat zugethan seyn deß Glaubens genossen / die von dem grossen Haußvatter / sampt vns in ein Hauß anff genommen seyn / vndmit vns einen Glauben / einen Christum / vnd die thewre Verheissung der künfftigen Herrligkeit empfangen haben. Allen Menschen seynd wir schuldig gutes zu thun / darumb daß sie Menschen seyn: Christen aber / weil sie mit vns Glieder Christi soyn. Mit allen seynd wir verbunden durchs Geblüt; mit Christen aber / durch den Geist. Vnter den Christen vnnd Glaubensgenossen finden wir abermal einen Vnderscheyd. Blutfreunde vnnd Haußgenossen / seynd vns zu forderst zur Hand gestellet / denselben alles gutes zubeweisen / nach dem Spruch 1. Timoth. 5. So jemand die seinen(1. Tim. 5. 8.) / sonderlich seine Haußgenossen / nicht versorget / der hat den Glauben verläugnet / vnnd ist ärger dann ein Heyde. Gleichermassen seynd vns sonderbarlich Lehrer vnd Prediger anbefohlen / als die vber vnsere Seelen wachen / daß wir derselben nicht vergessen. Hie stehet der klare Spruch Pauli: Wer vnterrichtet wird mit dem Wort / der theile mit allerley gutes / dem der jhn vnterrichtet. Im alten Testament hat GOtt die Verordnung gemacht / daß zu gewissen Zeiten alle Israeliten musten erscheinen für dem HERRN / an dem Orth
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den der HERN erwöhlen würde / vnd dabey befohlen / daß niemand leer vor dem HERRN erscheine / sondern man muste für die Leviten vnd Priester was mitbringen / ein jeglicher nach der Gabe seiner Hand / nach dem Segen den GOTT der HERR einem jeglichen (Deut. 16, 16. 17.) gegeben hatte / wie geschrieben stehet / im 5. Buch Mosis am 16. Also hat auch Christus die Verordnung gemacht im newen Testament / daß der dem Altar diene / auch davon lebe / dann ein (Matth. 10, 10.) Arbeiter ist seiner Speise werth. Man lese was davon geschrieben (1. Cor. 9, 7. & seqq.) stehet / in der 1. an die Corinther am 9. Man bedenck was für Grunde der H. Geist daselbst einführe / dann erstlich so arbeiten sie ja / vnd müssen vns dienen. Zum andern / so dienen sie vns nicht bey Schweinen vnd Kühen / sondern arbeiten vnd wachen für vnsere Seelen. So wir euch das geistliche säen / ists ein groß Ding / ob wir ewer leiblichs erndten? Vnd wanns schon die Billigkeit nicht erforderte / stehet doch da der Befehl vnd Ordnung Christi / daß wir die so am Worte dienen / nicht vergebens arbeiten lassen. Weil aber die Leuthe vielerley Außflucht suchen / wanns geben gilt / benimbt vns dieselben der H. Geist allesampt mit einem Wort / wann er hie spricht: Irret euch nicht / GOtt läßt sich nicht spotten. Außflucht suchen in den Dingen die GOtt angeordnet hat / ist nichts anders als GOttes spotten. Damit wird sich der Mensch grewlich betriegen / dann der Spott wird auff seinen Kopff fallen. Derwegen bedenckt euch / die jhr euch der Nothleydenden nit begehret anzunehmen. Bedenckt euch / wann jhr an statt deß Brodes / eweren hungerigen Bruder mit Scheltwort abspeiset. Bedenckt euch / wann jhr die krancke Brüder vnd Schwestern Christi bey euch verschmachten lasset. Was thut jhr anders / als daß jhr den armen verwundeten / vnnd für euch getödteten Christum ohne Hülffe für euch liegen lasset / vnd dargegen dem Teuffel zwantzig /
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dreyssig / vnd mehr Thaler auffopffert? Wenns gilt prangen / vnd Gastereyen anstellen / da muß sich Geld finden / wann aber dem Dürfftigen mit eim Heller soll gedienet werden / haben wir nichts. Heist das nicht für GOtt dem Teuffel ein Opffer bringen? Kom̅ nun vnd beklage dich / es ist deß außgebens viel / vnd wenig erwerbens. Irret euch nicht / GOtt lässet sich nicht spotten / er sihet wol was jhr im Schilde führet. Es fühlet ja wol mancher seine eigene Noth / der sonsten gerne gutes thät; der wisse daß jemand angenehm ist / nach dem er hat / vnnd nicht nach dem er nicht hat. Wisse aber auch bey deiner Notturfft / daß Gott reich ist / vnd noch viel für dich hat / nur daß du glauben könnest. Bedenckt euch auch / jhr / die jhrs gleichviel achtet / jhr thuet denen die am Worte Christi dienen / gutes oder nicht / da jhr doch vom Geiste Gottes ermahnet seyd / jhnen allerley gutes mitzutheilen. Wie mancher muß ewerthalben mit Paulo auß der 1. an die Corinther am 4. diese Klage führen: Biß auff diese Stunde(1. Cor. 11, 4.) leyden wir Hunger vnd Durst / vnd sind nacket? Wenig seynd die hie bedencken / wessen Geistes Kinder sie seyn. Der meiste Hauff spricht: Ich bin jhnen nichts schuldig. O du armer Sünder / bistu nichts schuldig / wann der H. Geist von dir etwas fodert. Deß H. Geistes Wort ists: Wer vnterrichtet wird mit dem Wort / der theyle mit allerley gutes dem der jhn vnterrichtet. In vorigen alten Zeiten hat man reichliches Einkom̅en geordnet / daß auch ein Vberfluß vorhanden gewesen. Bey vnsern Zeiten hat man gedacht / die Diener GOttes möchten zu viel haben. Da hat man den grössesten Theil zu sich gerissen / das wenigste Gott vnd seinem Dienste gelassen. Wann dann noch das wenige / den Dienern Christi gelassen wird / leben sie / vnd werden vnterhalten nicht von deiner Gabe; sondern die Verstorbene müssen deine Lehrer ernehren. Aber auch das wenige daß jhnen zu jhrem Sold gelassen wird / wird so liederlich beachtet / dz auch fast nichts über ist.
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Wann dann nichts mehr vbrig ist / ist die Frage / wie man darzu kom̅e / daß die das Evangelium predigen / auch nach Christi Ordnung vom Evangelio sich nehren. Da will nie mand meynen / daß er was schuldig ist. Thue wie deine Vorfahren. Wo kein Sold ist / muß man ein machen. Man brummet zwar zuweilen: Es ist nicht recht / daß Prediger Noth leyden; daß sie vmb sonst dienen; ists nicht recht / du Heuchler / so machs recht. Könt jhr Rath finden zu leiblichem Schatz / so findet auch Rath zum geistlichen Schatz. Gott ist ewer Hertz nicht verborgen / er sihet wol was jhr thun könnet / vnd was jhr nicht thun wollet. Irret nicht / Gott läßt sich nicht spotten. (Heb. 13, 17.) Verschaffet daß ewere Lehrer jhr Ampt mit Frewden thun / vnnd nicht mit Seufftzen; das ist euch nicht gut / spricht der Geist / zun Hebreern am 13. Was nutzet es euch / wann das Weib kompt zum Diener Christi / vnd fodert einen Schilling oder Groschen / zu Fleisch oder Fisch / vnd er gibet jhr an statt deß Schillinges oder Groschen einen Seufftzer? Es ist euch nicht gut. Was nutzets / wann er eins nach dem andern verenssert / Schulden häuffet / vnd drüber seufftzet? Es ist euch nicht gut. Was nutzets / wann er sich setzet / auf seine Predigt zu dencken / vnd kan für Sorgen vnd Betrübnuß zu keinen guten Gedancken kom̅en / vnd muß seine Arbeit thun mit Seufftzen? Es ist euch nit gut. Was nutzets / wann er zur Cantzel gehet / vnd sihet den Ort seiner Arbeit / vnd muß hinan gehen mit Seufftzen? Es ist euch nicht gut. Was nutzt es / wann er von seiner Arbeit zu Hause kommet / vnd sich erlaben soll / vnd sättiget sich an statt deß Brodes mit Seufftzen? Es ist euch nicht gut / es ist euch nicht gut. (Epilogus.) Endlich alle ins gemeine / die jhr höret das Wort ewres Gottes / irret nit / verfüret euch nicht / mit vergeblichen losen Auß flüchten / GOtt lässet sich nicht spotten. Was Paulus in dieser Lection geprediget / das hat er denen gepredigt / die da wollen angesehen seyn für Christen / als die durch Christi Geist seynd wiedergebohren. So jhr im Geiste lebet / so wandelt auch im Geist. Lasset
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es in der That vnd Warheit spüren / daß jhr durch Christi Geist lebendig geworden seyd. Was ewren Nächsten anbelanget / bestehet alles was jhr auß Liebe zu thun schuldig / in diesen beyden Stücken; erstlich / daß jhr jederman alles gutes thuet; Zum andern / daß jhr niemand böses thut / aber das böse wol ertragen möget. Dazu gehöret Freundligkeit / Sanffmut / Gedult / Demut / daß wir durch Ehrgeitz vns nit einander entrüsten / neiden / verachten / sondern in Demut hoch von andern halten / vnd mit Gedult vnd Sanfftmut anderer Leuthe gebrechen ertragen. Das seynd schöne Früchte deß Geistes / wer darin wandelt / der hat ein gewiß Zeugnuß / daß er im Geist lebe. Hingegen Vnbarmhertzigkeit / Geld vnnd Ehrgeitz / Neid / Haß / Zorn / seynd Früchte deß Fleisches / wer darinnen wandelt / kan sich nicht rühmen / daß er im Geist lebe. Leben wir aber im Geist / seynd wir eine gesegnete Saat. Irret nicht / GOtt läßt sich nicht spotten. Machet euch ja keine andere Gedancken von euch vnd ewrer Seligkeit / als der H. Geist zeuget. Wer auff sein Fleisch säet / der wird vom Fleisch das Verderben erndten; wer auff den Geist säet / der wird vom Geist erndten / das ewige Leben / dazu verhelff vns GOtt durch die Barmhertzigkeit JEsu Christi / Amen.
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Am XVI. Sontage nach Trinitatis.
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Vom Wachßtumb deß inwendigen Menschen.
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TEXTVS Ephes. 3. V. 13. usque ad finem.
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V. 13. DArumb bitte ich / daß jhr nicht müde werdet vmb meiner Trübsalen willen / die ich für euch leyde / welche euch ein Ehre seynd. V. 14. Derhalben beuge ich meine Knie / gegen dem Vatter vnsers HERRN JEsu Christi. V. 15. Der der Vatter ist / vber alles was da Kinder heisset / im Himmel vnd auff Erden. V. 16. Daß er euch Krafft gebe nach dem Reichthumb seiner Herrligkeit / starck zu werden durch seinen Geist / an dem inwendigen Menschen. V. 17. Vnd Christum zu wohnen durch den Glauben in ewern Hertzen / vnd durch die Liebe eingewurtzelt vnd gegründet werden. V. 18. Auff daß jhr begreiffen möget mit allen Heyligen / welches da sey die Breyte / vnd die Länge / vnd die Tieffe / vnd die Höhe.
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V. 19. Auch erkennen / das Christum lieb haben / viel besser ist dann alles wissen / auff daß jhr erfüllet werdet mit allerley Gottes Fülle. V. 20. Dem aber / der vberschwencklich thun kan / vber alles das wir bitten oder verstehen / nach der Krafft / die da in vns würcket. V. 21. Dem sey Ehre in der Gemeine / die in Christo JEsu ist / zu aller Zeit / von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen.

Geliebte in Christo JEsu.
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ZWey Dinge seynd / dahin Lehrer vnd Zuhörer bey der Predigt(Exord. Duo atte̅denda in docendo & disce̅do verbo Dei.) deß Wortes GOttes zielen sollen / das erste ist / daß wir die Krafft deß Wortes in vns fühlen / es ist eine gemeine Klage: Viele Predigen / wenig Besserung / was ist es aber nütze / das Wort alleine hören oder lesen? Das Wort soll nicht bey Schwätzen bleiben / sondern muß zu Kräfften kommen / dann das Reich Gottes bestehet nicht im Worte / sondern in der Krafft. 1. Corinth.(1. Cor. 4. 20.) 4. Darumb müssen wir darauff sehen / daß was eusserlich geprediget wird / auch innerlich in vns würcke / daß wir dessen Krafft empfinden im Glauben / vnd im newen Gehorsamb. Das ander ist / daß wir wieder Versuchung gestärcket werden / damit wir beständig bleiben / bey dem was in vns angefangen ist / dann was hilffts angefangen haben / vnnd nicht zu Ende bringen? Dadurch möchte nur vnser Verdamnuß grösser gemachet werden. Der Apostel Paulus hat beydes getrieben / bey allen seinen(Exemple Pauli.) Gemeinen mit allem Eyfer. Im dritten Capitel an die Epheser rühmet er sein Predigampt / wie er auß der Gnaden GOttes die
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jhme nach der mächtigen Krafft GOttes gegeben ist bey den Ephesern (Eph. 3. 6. 12.) / so wol als bey andern Heyden verkündiget habe / den vnerforschlichen Reichthumb Christi; dadurch sie erleuchtet seyn / also daß sie Miterben vnd Mitgenossen geworden der Verheissung in Christo / durch welchen sie haben Frewdigkeit vnnd Zugang zu GOtt in aller Zuversicht / daß sie auch mit erbawet seyn zu einer (Eph. 2, 22.) Behausung Gottes im Geist. Ferner ist er sorgfältig / die newgeborne Christen in jhrer Seligkeit nicht allein zu behalten / sondern auch zu stärcken / welches er thut in dieser Epistel / nicht alleine durch Vermahnung / sondern auch durch ein hertzliches Gebett. Mit solchem seinem Exempel zeyget dieser Lehrer / wie alle andere Lehrer das Volck bessern sollen / sie müssen nicht gedencken / daß sie gleich in einer Predigt lauter Heyligen gemachet haben / man muß mit grosser Gedult viel ertragen / mit Ermahnung anhalten / auch mitdem Gebett GOtt ohn vnterlaß in den Ohren ligen / da will dann GOtt auch seinem Donner Krafft geben / wann aber das stätige Auffmuntern / vnnd das Gebett zurücke bleibet / so leydet das Christenthumb Noth / darumb ist wol werth / mit Andacht (Thema.) zu betrachten / was Paulus von beständigem Wachsthumb eines Christen vns hie fürhält / in dem er mit Vermahnung vnd Bitten zeyget / wie ein Christ nicht soll müde / sondern jmmer stärcker werden an dem inwendigen Menschen / auff daß wir auch zum Wachsthumb deß newen Menschen bereytet werden. GOTT gebe Gnad vnnd Segen in Christo JEsu / Amen.
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DA Paulus diese Epistel geschrieben / war er ein gefangener zu Rom / darumb war er sorgfältig für seine Gemeinen / daß er nicht möchte vergebens gearbeitet haben / vnd was er noch gutes thun kan / das thut er / nemblich mit Vermahnen vnd mit Betten / wie dann beydes in dieser Epistel bey einander ist. 1. ein herrliche Vermahnung. 2. ein brünstig Gebett. Die Ermahnung zur Beständigkeit ist diese: Ich bitte(Pars I. Adhortatio ad constantiam.) euch / daß jhr nicht müde werdet vmb meiner Trübsalen willen / die ich für euch leyde / welche euch eine Ehre(V. 13.) sind. Wann Paulus als ein Lehrer deß Evangelij zu Rom gelitten / hat auch das Evangelium mit gelitten / dann da hat man gedencken können / siehe dieser Paulus hat grosse Ding fürgegeben / vnd wir haben auch selbst viel von jhm gehalten / weil er von Christo selbsten gelehret / were aber sein Lehr vnd Ruhm recht / würde GOTT jhm ja solches nicht wiederfahren lassen. Hernach hat man auch gedencken können / der Anfang ist bey Paulo gemacht / die Verfolgung wird wol balde zu vns kommen. Bey geübten vnd bewährten Christen hat es so balde keine Noth / aber bey den Schwachen vnd Zarten ist Noth / wann einer vorhin vom Glauben nichtes gehöret hat / vnnd soll dann einen gecreutzigten Menschen zum GOtte auffnehmen / vnnd demselben seine Seligkeit vertrawen / auch demselbigen sich in allem vntergeben / also daß er seinem eygenen Fleische wehe thue / vnd soll dennoch kein Glücke darzu haben / sondern Spott vnd Verfolgung leyden / das möchte mannichen abschrecken; also auch jetzt / wann ein Weltkind zu einem bessern Sinne gekommen / vnnd sich zum rechten Christenthumb gewendet hat / also daß er nicht mehr mit der Welt will Fressen vnd Sauffen / will Schmachwort verachten / vnd sich der Heyligunge ergeben / so kan es leichte kommen / daß er dar durch
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bey seiner vorigen Gesellschafft in Spott gerathe / die Verkleinerig von jhm achten vnd reden / daß er vnter jhnen nicht mehr könne gelitten werden / da kan es einem balde zu sawr werden / daß man deß Christenthumbs vergisset / vnd gedencket / ich kan mich gleichwol nicht gar vntertretten lassen / will man vnter Leuthen leben / so muß man sich ja auch in der Leute Weise schicken. Dargegen ermahnet der Apostel: Ich bitte euch / daß ( ) jhr nicht müde werdet / wann einer eine Bürdeträget / vnnd jhme dieselbe länger zu tragen verdrießlich fürkommet / so wirfft er sie von sich / also ist auch den schwachen Christen das Evangelium eine schwere Last / darunter sie leichtlich ermüden / biß sie dieselbe gar von sich werffen / darfür seynd wir nun gewarnet / daß es vus auch nicht so gehe. Paulus brauchet für seine Epheser zweyerley Vrsachen / dardurch er das Ergernuß seiner Bande hoffet auffzuheben. Erstlich spricht er; Ich leyde die Trübsal für euch. Dann in deme er die Heyden gelehret / ist er darüber in Trübsal vnnd Bande gerathen / dieselbe erträget er auch willig vnnd gedultig / abermahl vmb der Heyden willen / daß sie in jhrem angefangenen Glauben gestärcket werden / darumb wann er spricht: Ich leyde die Trübsahl für euch / will er so viel sagen / wenn ich meinen Mund bey euch nicht auff gethan hätte / dürffte ich keine Bande ertragen / ich bin aber bereyt / bey dem Evangelio auffzusetzen alles was ich bin vnd habe / damit jhr erkennet / es sey ein Ernst / darumb sollen meine Ketten euch seyn eine Bestättigung deß Evangelij / dardurch jhr selig werdet. Zum andern spricht er / meine Trübsahl ist euch eine Ehre / der Apostel Christi weiß anders von Trübsahl vnnd Gefängnuß zu vrtheylen / als die Welt / dann diese wird Schmach nicht für Ehre halten / Paulus achtet seine Trübsal nicht alleine
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für seine Ehre / sondern auch für eine Ehre seiner Gemeine / dann sie haben sich dessen zu rühmen / daß sie einem solchen Apostel vnnd Lehrer gefolget / der sein rechtmässiges Bekandtnuß auch mit dem Blute bestättigen darff. Diese Vrsachen gelten heute auch noch. Wann Zuhörer sehen / daß man den Anfang der Verfolgung bey jhren Lehrern machet / sollen sie gedencken / daß die Diener GOttes solches leyden für sie / vnd weiter sagen / GOtt hat mir sein Wort durch seine Diener predigen lassen / die Noth vnnd Trübsal darüber leyden / solte ich dann diß Wort verwerffen / das würde mir eine schwere Verdamnuß seyn. Also auch / wann wir selbsten bey vnserem Christenthumb müssen Vngemach leyden / daß man verächtlich von vns redet / sollen wir daran gedencken / daß solche Schmach vnser Ehre sey. Wann der Mensch nicht wolte sehen auff anderer Menschen Vrtheil / würde er noch eins so starck seyn im Christenthumb. Als wann ich ein Trübsal habe / dadurch ich bey andern in Verkleinerung gerathe / so thuts mir wehe / wann ich gedencke an die Rede der Leuthe / kan ich aber der Menschen Reden verachten / vnnd alleine darauff sehen / was GOtt von meiner Trübsal halte / so darff ich mich nicht groß grämen. Also auch soltestu ja bey der Welt darumb in Verkleinernng gerathen / daß du es nicht wilt mit jhnen halten / so wisse eben diese Verkleinerung ist eine grosse Ehre für GOTT. Wir kommen auff das Gebett / darinnen Paulus bittet(Pars II. Precatio pro incremento.) vmb Beständigkeit vnd Stärcke deß Christenthumbs: Ich beuge meine Knie gegen dem Vatter vnsers HERREN JEsu Christi / der der rechte Vatter ist über alles was(V. 14. 15. 16.) da Kinder heisset / im Himmel vnd auff Erden / daß er euch Krafft gebe / nach dem Reichthumb seiner Herr
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ligkeit / starck zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen. (In qua co̅sideratur. 1. Deus invocandus.) Bey diesem Gebette haben wir zu bedencken / erstlich / wie man GOtt im Gehette soll ansehen / nemblich als einen Vatter / vnd zwar anfänglich als einen Vatter vnsers HErrn JEsu Christi. Dann soll ich jhn für meinen Vatter halten / vnnd als meinen Vatter anruffen / so muß ich vor seinen Sohn JEsum Christum erkennen als meinen HERREN / nicht zu einem Schrecken / als würde er mich vnter drücken / sondern zur Frewde / weil ich an jhm einen solchen HERRN habe / der mich schützen kan wieder alle frembde Herren / die Tyranney an vns verüben / sie haben Nahmen wie sie wollen / sie heissen Todt oder Teuffel. Hernach muß ich wissen / daß Gott dieses meines Herrn Vatter ist / der mich vnnd alle Menschen so geliebet / daß er für vns seinen Sohn dahin gegeben hat / daß wir nicht möchten verloren werden / sondern das ewige Leben haben. Darauff folget weiter / daß wir GOtt erkennen / als einen allgemeinen Stam̅-Vatter. Dann so redet Paulus eygentlich: Von jhm / nemblich dem Vatter vnsers HERRN JEsu Christi / hat das gantze Geschlecht (der Heyligen) so wol deren die im Himmel / als deren die auff Erden seyn / den Namen. Ist so viel gesaget: Alle Heylige̅ / so wol die jenige die bereyts im Him̅el leben / als dieselbe die noch auff Erden wallen / sie kommen her von Juden oder Heyden / machen sie doch nur eine Gemeine / vnd ein Geschlecht / welches von GOtt / als dem allgemeinen Vatter den Vrsprung vnd Namen hat / daß sie heissen die Gemeine GOttes / eine Statt Gottes / Kinder GOttes / Kinder GOttes deß Allerhöchsten. Dann weil vnser HERR JEsus ist der ewiger vnd natürlicher Sohn GOttes / werden wir / die wir Christo angehören auch Kinder Gottes durch (Ioh. 1, 12.) Christum. Wie geschrieben stehet: Er hat Macht gegeben /
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GOttes Kinder zu werden / allen die an seinen Namen glauben. Also wird dann durch Christum GOtt ein Vatter vber alles was Kinder heißt / im Himmel vnd auff Erden. Von Natur mögen wir ehe Gott fürchten als einen Richter / als daß wir jhn solten lieben als einen Vatter / dann das Band der Liebe ist zerbrochen durch die Sünde / wie mehr ich denn GOtt vnd seinen Willen nach seinem Gesetz erkenne / je mehr ich mich zu fürchten Vrsach habe / wann ich aber höre / daß er mir seinen Sohn gesandt habe zu einem HErrn vnd Erlöser / der mich auß der höllischen Herrschafft herauß reisset / vnd zur Göttlichen Gnaden / vnnd zur Kindtschafft bringet / so bekomme ich wieder einen Muth / vnd kan GOtt als meinem Vatter trawen. Darumb so offt wir GOtt wollen anruffen / müssen wir jhn erkennen als den Vatter vnsers HErrn JEsu Christi / vnd aller Glieder Christi die im Glauben mit Christo Jesu verbunden seyn. Das ist ein nothwendiges Stück zum Gebett / niemand vnterwinde sich etwas für GOtt zu handeln / er ergreiffe jhn dann bey solchem Nahmen / wie er ist ein Vatter vnsers HErrn JEsu Christi / vnd vnser aller in Christo. Wann er also ergriffen wirdt / das machet einen Muth. Wann auff Erden einer schon nicht der natürliche Vatter ist / so bringet doch der Nahme Vatter mit sich eine tröstliche Zuversicht. Ist GOtt vnser Vatter / so muß er vns auch helffen als seinen Kindern. Alle vätterliche Liebe auff Erden / wie groß sie auch ist / ist doch gegen dem vätterlichen Hertzen GOttes nur wie ein gemaldtes Bilde. Dann von welchem alles fliesset / von dem fliesset auch die Liebe in dem vätterlichen Gemüthe aller Creaturen. So ist ja der Vrsprung noch grösser / als dasselbe was auß dem Vrsprung entspringet. Ist dann GOtt ein solcher Vatter / gegen welchem alle vätterliche Gunst nur ein Schertz oder Spiegelfechten ist / was darff ich nicht von jhm bitten? Vnd was solte er mir versagen? Da kan ja
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nichtes seyn dann Hülffe vnnd Gnade / daß er sich vnser annehme als seiner Kinder / zu bessern / zu trösten / zu helffen / solches Vertrawen im Hertzen gefasset ist gewaltig / vnd fehlet nimmer. (2. Invoca̅di modus.) Fürs ander / ist bey dem Gebette Pauli zu mercken / die Art vnd Weise mit was Geberden man für GOtt im Gebette erscheinen soll / Paulus spricht: Ich beuge meine Knie / Knie beugen ist ein Zeichen eines ernsthafftigen vn̅ demütigen Gebetts. Darum̅ bezeuget hie Paulus / daß er zu GOtt geflehet mit Demuth vnnd Ernst. Eusserliche Geberde so sie alleine seyn / ist lauter Heucheley / wann aber das Hertze brünstig ist / als dann wird das Fewer der Andacht auch leicht herfür brechen in eusserlichen Geberden / vnd hebet gen Himmel wie das Gemüthe / also auch Hände vnnd Augen. (3. Invocationis materia, robur puta interni hominis.) Endlich fürs dritte / haben wir wol zu bedencken das Gebett selbsten / darinnen Paulus bittet / daß GOtt vns gebe nach dem Reichthumb seiner Herrligkeit durch seinen Geist / kräfftiglich starck zu werden an dem inwendigen Menschen. Wir haben einen zweyfachen Menschen / einen eusserlichen vnd einen innerlichen / der Außwendige wird mit der Vernunfft erkandt / vnd mit den Sinnen begriffen / mit Augen gesehen / vnnd mit Händen betastet; der inwendige Mensch ist vnsichtbahr den Augen vnnd der Vernunfft new geschaffen durch den H. Geist. (2. Cor, 5, 17) Wer glaubt ist ein newer Mensche geworden / 2. Corinth. 5. Ist jemandt in Christo / so ist er eine newe Creatur. Der außwendige Mensche / so er nicht ernewert ist / ist ein Knecht der Sünden / der inwendiger Mensche zwinget den Außwendigen vnter den Gehorsamb der Gerechtigkeit. Hiezu gehöret Stärcke / ja es muß der inwendige Mensche in seiner Krafft immer wachsen vnnd zunehmen / das ist dann das vns der Geist GOttes durch den Mund Paulihie wünschet /
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nemblich / daß wir nach dem inwendigen Menschen / kräfftiglich oder an Kräfften zunehmen vnd starck werden. Darumb muß ein Christ bekümmert seyn / wie er wachse vnd gestärcket werde / an allen Kräfften / vnnd allem dem daß zum newen Menschen gehöret / als da ist / Glaube / Liebe / Hoffnung / Gebett / Gedult / Demuth / Sanfftmuth / vnnd das gantze Leben Christi. Darzu wird Krafft erfordert / allermeist wegen deß außwendigen Menschen. Dann der außwendige Mensche hat auch seine Stärcke / den Fürsten dieser Welt der das Hertze verblendet vnd verhärtet / also daß der Mensche nicht weiter gedencket / als er siehet / da dann die Natur von jhr selbsten zum bösen geneiget / leicht in der Boßheit erhalten / oder wieder zur Boßheit gezogen wirdt / da soll jhm aber der inwendige Mensche vberlegen seyn in allen Stücken. Sihestu an das eusserliche wie alles schröcklich / so fürchtet sich der außwendige / dann er folget seinen Sinnen / der inwendige spricht: Auff Hertz / du must weiter sehen / dann im Glauben ist das Gemüth starck vnd vnerschrocken für Armut / Kranckheit / Schmach / Sünde / Todt vnd Teuffel / vnd ist gewiß / daß vns in Christo JEsu nichtes schaden noch mangeln könne. Siehestu das eusserliche an / wie es schön vnd lieblich ist / da bekombt der außwendige Mensch einen Muth / der inwendige spricht / was mit dem / das ist nicht das rechte Gut / dann er erkennet seinen GOtt / vnd findet in jhm durch den Glauben alle Fülle vnnd Genügen / darumb verläßt er sich alleine auff Gott / vnd bawet auff seine Gnade vn̅ Hülffe / es mag das eusserliche jhm zu lachen oder verfluchen. Leyden wir eusserlich etwas vngebührlich / so wird der eusserliche Mensch entrüstet / der inwendige Mensch spricht: Nicht also / das habe ich in Christo nicht gelernet. Sihestu einen Dürfftigen vnd Elenden / da wil der Außwendige nicht gerne etwas entbehren / vnd gedenckt daran was er selbst bedarff / der inwendige drückt dem außwendigen die Augen zu / vnd sihet nicht auff das sichtbare / son
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dern vnsichtbare: Auff Hände vnd Füsse da ist einer / der bedarff ewer Dienste. Auff solche Weise muß der inwendige Mensche sich stärcken wieder den Außwendigen in allen Dingen. Woher aber kompt diese Krafft / Paulus zeyget den Vrsprung / vnd nennet den Reichthumb der Göttlichen Herrligkeit vnd den heyligen Geist. So kompt nun die Krafft deß inwendigen Menschen her / erstlich auß dem H. Geist / die Natur vermag nichtes / sondern ist vns nur zu wiedern / der heylige Geist / wie er den inwendigen Menschen in vns muß erschaffen / also muß er jhn auch stärcken / also gar kan der Mensche jhm nichtes in gutem zueygnen; wo der heylige Geist keine Kräffte schaffet / da kan der Mensche auch nichts guts würcken / wann aber der H. Geist newe Kräffte gibet vnd vermehret / so kan auch der Mensche auß solchen Kräfften etwas gutes würcken / da ist dann die Krafft nicht vnser / sondern GOttes. Hernach fliesset die Stärcke deß inwendigen Menschen her / auß dem Reichthumb Göttlicher Herrligkeit. GOttes Herrligkeit vnd Preiß ist / daß er vermag viele gutes zu thun vnd zu geben / wie dann bey aller Vernunfft daß für ein GOTT gehalten wird / von deme man etwas gutes hoffen / vnnd in Nöthen Hülff erwarten kan. Also machen die Reichen das Geld zum Gott / wann sie darauff jhre Hoffnung stellen. Wie grösser nun / vnd wie kräfftiger ein GOtt im geben ist / je mehr Ehre vnnd Herrligkeit hat er. Vnsers GOttes Herrligkeit aber ist so groß / daß es billig ein Reichthumb mag genennet werden. An leiblichen Gaben bezeuget ers täglich / auch an den gemeinen natürlichen Gütern / da er vns durch die Elementen gutes thuet; noch mehr aber wirdt dieser Reichthumb erkandt / wann GOtt der armen Seelen wol thut. Nach solchem Reichthumb seiner Herrligkeit muß GOtt handlen / wann er den inwendigen Menschen schaffen vnd stärcken
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soll. Wir seyn vntüchtig / wir seyn auch vnwerth / vntüchtig seyn wir / weil wir von Natur GOttes vnnd seiner Heyligkeit Feinde seyn / das macht aber die Herrligkeit Gottes groß / wan̅ dieselbe auß einem Gefäß deß Zorns einen Heyligen Tempel Gottes zurichtet. Wann GOtt allen Koth in Gold verwandelte / were es ein Reichthumb seiner Herrligkeit / aber viel grösser ist / wann auß einem Teuffelskind ein Gottliebendes Kind gemachet wird. Wir seyn vnwerth / dann was hat GOTT an vns gesehen / daß jhn bewegen möchte vns zu erneweren / was / spreche ich / hat er an vns gesehen als Fluch vnnd Elend? seynd wir dann nicht werth / die zu einem himlischen Stande erhaben werden / so ist es doch GOtt werth / daß man seine Herrligkeit erkenne / in dem er die him̅lische Güter außschüttet in die verfluchte Seele / vnd dasselbe reichlich vnnd vmb sonst. So will nun Paulus so viel bitten / daß die Christen so durch den Glauben eine newe Creatur geworden seyn / in solcher newen Geburt / vnd an allem das darzu gehöret / mögen wachsen vnd zunehmen / nicht durch vnser Vermögen / vnd nach vnserer Würdigkeit / sondern daß es GOtt würcket / durch den H. Geist / nach dem Reichthumb seiner Herrligkeit. Soll nun der innerliche Mensch gestärcket werden / muß es(Requisita seu media ad robur interni hominis. 1. Inhabitatio Christi.) auff gewisse Art geschehen. Darumb wie Paulus gebeten / vmb die Stärcke deß newen Menschen / also bettet er auch vmb die dazu gehörige Stücke vnd Mittel. Vnter denen ist das erste / die Inwohnung Christi / daß Christus durch den Glauben in vnseren Hertzen wohne. Das ist der Anfang der newen Creatur.(V. 17.) Soll in vns gezeuget werden ein newer Mensch nach GOtt erschaffen in Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit / so muß der Vatter der Ernewerung da seyn / bey vns einkehren / vnd sich setzen in den inwendigsten Grund deß Hertzens. Daher kompt alles Wesen / vnnd alle Krafft deß newen Menschen.
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Ich habe aber gesagt / daß sich Christus setzen muß in den innersten Grundt deß Hertzens. Dann das Reich Christi bestehet nicht in eusserlichen Geberden / sondern im innerlichen Schmuck. Darumb nennet Paulus auch den wiedergebornen (1. Petr. 3. 4.) Menschen / einen inwendigen Menschen / vnd Petrus / einen verborgnen Menschen deß Hertzens. Das Hertz ist die Quelle aller lebendigen Geister / die im gantzen Leibe außgetheylet werden. Wann in diese Quelle sich setzet ein böser Geist / so wirdt alles im Menschen vergifftet vnd böß was er thut. Was als dann auß dem Hertzen kompt / das verunreiniget den Menschen / (Matth. 15, 18. 19.) nach Christi eygnem Zeugnüß. Dann auß dem Hertzen kommen arge Gedancken / Mord / Ehebruch / Hurerey / Dieberey / falsche Zeugnuß / Lästerung. Das seyn die Stücke die den Menschen verunreinigen. Wann aber Christus das Hertz einnimbt / so ist die Quelle gereiniget / vnd empfanget der Mensch newe Kräffte / daß er kan gutes thun / wie es GOtt gefällt. Wie der böse Geist / wann er im Hertzen wohnet / den Menschen treibet zu allem bösen / so treibet Christus jhn zu allem guten / wann er im Hertzen wohnet. Wiltu nun nicht stracks beym Anfang eines wahren Christenthumbs irren / so sehe dich für / daß du Christum nicht nur auff der Zungen führest / sondern daß du jhm dein Hertz zu besitzen eingiebest / vnnd er mit seinem Geist auß dem Grunde deß Hertzens dich / deine Begierde / Gedancken / vnnd alles Vorhaben regiere. Das ist ein guter Anfang bey dem / dem es ein Ernst ist. Es muß dieses alles geschehen / durch den Glauben. Ich muß Christum kennen vnd wissen / was ich mich zu jhm versehen solle; vnd wie durch jhn ich dahin komme / daß ich armer Sünder Gott für meinen Vatter halten könne. Darauff thut sich mein Hertz auff / vnnd nimpt Christum an. Dann gewißlich / ist der
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Glaube recht / wie er seyn soll / so fühlestu Christum in deinem Hertzen / der ist darin kräfftig / vnd richtet auß alles / was vns das Wort fürhält / erlöset vom Todt / versöhnet mit GOtt / versichert vns der Gnade vnd deß Lebens / reitzet vnd regieret vns mit seinem Geiste; Daher kompts / daß wir die Sünde hassen / dem Teuffel vnnd seinen Wercken feind seyn / vnd Lust zur Heyligung haben. Damit ist der Anfang gemachet. Darauff folget die Einwurtzlung in der Liebe / welches das(2. Radicatio per dilectionem.) ander ist / zur Stärcke deß inwendigen Menschen gehörig; daß wir durch die Liebe eingewurtzelt vnd gegründet werden.(V. 18.) Wann ein Hauß nicht wol gegründet / kan es nicht lange stehen; wie fester vnd tieffer der Grund geleget / je besser vnnd sicherer kan das Gebäw in die Höhe geführet werden. So ists auch mit dem newen Menschen. Wann Christus in vnserm Hertzen Wohnung(Eph. 2, 40.) nimpt / werden wir ein lebendiger Stein / erbawet auff den Grund der Apostel vnd Propheten / da JEsus Christus der Eckstein ist / vnd wachsen zu einem heyligen Tempel in dem HERRN / zu einer Behausung GOttes im Geist. Aber wir müssen wol gegründet werden / fest auff Christum ligen / daß wir nicht bey Seite gleyten vnd abfallen. Wie auch ein Baum leichtlich außgerissen / oder vom Winde vmbgeworffen wird / der nicht wol in der Erden bewurtzelt; also werden wir in den Versuchungen leicht von Christo gerissen / nach dem wir als junge Bäume in Christum verpslantzet seyn / so wir nicht wol eingewurtzelt. Wann aber ein Baum tieff in die Erde wurtzelt / stehet er fest / vnd traget viel Frucht; so ists auch mit dem inwendigen Menschen / er muß wie ein junger Baum tieff einwurtzeln in Christo. Wie geschicht das! Durch die Liebe. Durch die Liebe müssen wir eingewurtzelt vnd gegründet werden. Dann Christus liebet vns sehr / gibt vns auch seine Liebe zu erkennen / erwärmet dardurch vnser Hertz / daß wir nicht allein im lebendigen Glauben der
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Güte GOttes ankleben / sondern auch mit brünstiger Liebe anhangen. So seyn wir recht gegründet / vnnd wie mehr die Liebe zunimpt / wie tieffer wir einwurtzeln. Je geringer die Liebe / je weniger Wurtzeln. (3. Experie̅tia in dilectione.) Hierauff folget eine lebendige Erfahrung. Dann die auff besagte Masse durch den Glauben Christum in jhnen wohnen lassen / vnd durch die Liebe sich gründen vnd einwurtzeln / die können alleine erfahren was die Liebe Christi sey. Das mag das dritte seyn / zur Stärck deß inwendigen Menschen gehörig. Diese Ordnung macht Paulus / für die Gemeine Christi also betend: Ich bitte / daß Christus durch den Glauben in ewren Hertzen wohne / auff daß (V. 18. 19.) jhr durch die Liebe eingewurtzelt vnd gegründet / mit allen Heyligen möget begreiffen / welches da sey die Breyte / vnd die Länge / vnd die Tieffe / vnd die Höhe / auch erkennen / daß Christum lieb haben viel besser ist dann alles wissen. Paulus redet als ein Meister in der Meßkunst / vnd will vns lehren etwas abmessen nach der Länge vnd Breyte / nach der Tieffe vnd Höhe. Man verstehe solches von dem geistlichen Gebäw / welcher auff Christum gegründet / wächst zu einem heyligen Tempel (Eph. 2, 20.) vnnd Behausung GOttes im Geist deß HERRN / davon im vorigen Capitel Paulus geredet; oder man verstehe es von der Liebe Christi / ist eins wie das ander. Dann in der geistlichen Gemeinschafft der Glaubigen mit Christo gibt sich die grösse der Liebe zuerkennen. Fragstu nach der Breyte / erstreckt sich die Liebe Christi auff alle Menschen / auff Juden vnnd Heyden / die haben alle einen Zutritt zur geistlichen Gemeinschafft. Christus ist reich vber alle. Fragstu nach der Länge / so hat sie kein Ende. Wirstu schon von einem Fehl vbereilet / wirstu darumb nicht gantz außgestossen von
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der Gemeinschafft Christi / du kanst allezeit widerkehren. Fragstu nach der Tieffe / so ist alle das Gut daß wir in Christo haben / gegründet tieff in den Abgrund der Barmhertzigkeit GOttes; da ist dann auch keine Hölle so tieff / darauß Christi Liebe vns nicht ziehen köndte. Fragstu nach der Höhe / so ist nicht außzureden die Herrligkeit vnd Hoheit der Kinder GOttes / es ist in keines Menschen Gedancken gekommen / was GOtt bereytet hat denen die jhn lieben. Man sehe an die Liebe Christi / dadurch wir zu seiner Gemeinschafft gezogen werden / wie man will so ist alles vnabmeßlich. Diß lernen verstehen / die durch die Liebe in Christum eingewurtzelt seyn / die werden tüchtig es zubegreiffen / vnnd zuvernehmen. Vnd die diß vernehmen / die wissen was von der Liebe Christi zu halten / die da ist zwischen Christo vnd der glaubigen Seelen / wann nemblich die glaubige Seele mit Christo in der Liebe lebet / Christi Liebe im Hertzen empfindet / vnnd dadurch wieder zu lieben angezündet ist. Sie wissen vnd müssen bekennen / daß die Liebe Christi vbertreffe alles wissen / vnd wie es viel besser sey / Christum lieben / dann alles wissen. Wie nicht zu begreiffen / wie breyt vnnd lang / wie tieff vnnd hoch Christi Liebe ist gegen vns / so ist auch die Liebe Christi / die zwischen Christo vnd der glaubigen Seelen ist / nichts zu vergleichen. Die Erkandtnuß mancherley Geheimnussen ist gut / aber gegen der Liebe Christi ist sie nicht so groß zu rühmen. Christum lieb haben ist besser dann alles wissen. Hat eine einfältige Seele so viel gelernet / daß sie Christum kan lieben / hat sie mehr gelernet / als ein hochgelehrter verständiger Mann / bey dem viel erkandtnuß ist / aber wenig Liebe. Hievon vernehmen nichts all die jenige / in deren Hertzen die Welt wohnet / sie mögen etwas davon lallen / aber Empfindnuß vnnd Erfahrung haben sie nicht. Die aber Christum im Hertzen
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haben / vnnd durch die Liebe seyn eingewurtzelt / die können auß der Erfahrung davon reden vnd sagen: Ja warlich Christum lieb haben ist besser dann alles wissen. Das stärcket dann nicht wenig den inwendigen Menschen Je mehr Christi Liebe empfunden wird / wie heisser sie wird. Da fühlen wir / daß wir Christum haben / pochen auff GOtt / vnd werden muthig wieder Sünd / Todt / Teuffel / vnd alles Vnglück; da versencken sich vnsere Wurtzeln tieffer vnd tieffer in Christo / stehen fest / vnd holen Safft vnd Krafft auß Christo / daß wir grünen / vnd viele Früchte bringen. Den anderen / die von dieser Liebe nichts wissen / schwebet das Wort nur in Ohren vnd im Munde / hat aber keine Wurtzel gewonnen. Wir aber fühlen Christum mit seinem tröstlichen Worte im Hertzen / das macht vns starck. Also hilfft hie eins dem andern / Christus offenbaret vns seine Liebe / damit gewinnet er das Hertz / wann das Hertz Christo im Glauben vnd in der Liebe anhanget / wurtzelt es ein in Christi Hertz / allda wird es immer wärmer vnnd wärmer in Christi Liebe / erfahret immer mehr vnd mehr / dadurch wirds mehr vnd mehr eingewurtzelt / daß der inwendige Mensch immer stärcker werde. Daher bittet der Apostel Paulus nicht alleine hie vmb das lebendige Empfindnuß der liebe Christi / sondern auch im 1. Capitel (Eph. 1, 17. 18.) dieser Epistel an die Epheser bittet er / daß der GOtt vnsers HERREN JEsu Christi / der Vatter der Herrligkeit / vns gebe den Geist der Weißheit / vnd der Offenbarung / zu seines selbst Erkandtnuß / vnnd erleuchtete Augen vnsers Verständtnuß / daß wir erkennen mögen / welche da sey die Hoffnung vnsers Beruffs / vnnd welcher sey der Reichthumb seines herrlichen Erbes an seinen Heyligen. (4 Plenitudo Dei.) Endlich fürs vierte folget die GOttes Fülle / daß wir erfüllet (V. 19. Eph. 1, 23,) werden mit allerley GOttes Fülle. Dieses ist die
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höchste Vollkommenheit. Gleich wie die Glaubigen seynd die Fülle dessen der alles in allen erfüllet / nemblich Christi / also ist Christus die Fülle der Glaubigen. Christus ist das Haupt seiner Gemeine. Wie nun ein Haupt für sich allein keinen Leib machet / sondern es gehören mehr Glieder dazu / als köndte Christus kein rechter Christus seyn / wann er nicht einen Anhang hätte / vnnd in solchem Ansehen heisset die Gemeine Christi seine Fülle. Hingegen aber ist Christus der Glaubigen Fülle / dann wir haben vielerley Mangel / vnnd seynd leer an allem guten / diese leere stätte muß Christus erfüllen / daß wir voll Christus werden / voll GOttes / vberschüttet mit Gnad vnd Gaben seines Geistes. Wir seyn im finstern / aber GOttes Liecht erleuchtet vns. Wir seyn voller Trawrigkeit / aber GOttes Güte erfrewet vns. Wir seyn erschrocken; aber Gottes Krafft macht vns muthig. Wir seyn todt / aber Gottes Leben macht vns lebendig; Wir seyn verflucht / die Barmhertzigkeit GOttes fegnet vns. Wir seyn in der Liebe kalt / aber Gottes Liebe entzündet vns. GOttes Leben ist vnser Leben / GOttes Liecht ist vnser Liecht / GOttes Frewde ist vnser Frewde / GOttes Seligkeit ist vnsere Seligkeit. Summa / was Gott ist vnd vermag / das ist in dieser Vollkommenheit. Wir sollen haben nicht ein Stuck von Gott / sondern alle Fülle GOttes; diese Fülle müssen wir haben nicht in einem Theyl / sondern müssen damit erfüllet seyn. Alle Fülle Gottes / was Gott ist vnd vermag / muß in vns völlig seyn / vnd kräfftig würcken. Da muß es an keinem Stückefehlen. Alles was du vorhast / muß Göttlich seyn / alles was du gedenckest / muß Göttlich seyn; alles was du redest / muß Göttlich seyn. GOtt muß deinem Munde das süsseste / deinen Ohren das liebligste / deinen Augen vnd Gedancken das schönste / deinem Hertzen vnd Begierden das allerköstligste seyn / daß du mit Paulo sagen könnest / zun Galatern am 2. Ich lebe ja / aber doch nicht(Gal. 2, 20.) ich / sondern Christus lebet in mir. Das ist der nächste
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Grund zur vollkommnen Seligkeit / die wir im Himmel erwarten. Dann was wird das himlische Wesen anders seyn / als daß (1. Corinth. 15, 28.) GOtt alles in allem sey. 1. Cor. 15. Grosse Dinge seynds / die Paulus begeret / dennoch trawet ers durchs Gebett zu erlangen / darum̅ in guter Zuversicht / schliesset er (Gratiaru̅ actio. V. 20. 21.) diß sein Gebet mit solcher Dancksagung: De̅ der vberschwenglich thun kan vber alles / daß wir bitten oder verstehen / nach der Krafft / die da in vns würcket / dem sey Ehre in der Gemeine / die in Christo JEsu ist / zu aller Zeit / von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen. Merck hie wol / was für ein Titel Gott gegeben wird: Er ist ein GOtt / der vberschwänglich thun kan / vber alles daß wir bitten oder verstehen. Es ist Paulo die Schwachheit menschlicher Natur nicht verborgen / so hat ers nicht vergessen / wie schwer es falle / die sündliche Natur so weit zu bringen / daß sie Christo das gantze Hertz einraume / dem nach weiß er auch / daß durch vnsere Kräffte hie nichts angefangen / nichts vollführt werde / verläßt sich derwegen auff die vberschwengliche Krafft GOttes / welcher vberschwenglich thun kan / vber alles daß wir bitten oder verstehen. In leiblichen Sachen / wünschet ein elender Joseph offt nur / daß er auß dem Loch der Gefängnuß gezogen werde; vnnd erlanget nicht das allein / sondern noch ein viel grössers / daß er gesetzet wird neben dem König Pharao / darauff der arme Joseph sein Lebelang nicht hätte dencken können. In geistlichen vnd himlischen Sachen erfahren wir diß noch viel mehr. Wann wir einmal durch GOttes Gnade in den Himmel werden auffgenommen werden / werden wir vns verwundern / vber alle das gute / daß vns der HErr geben wirdt / vnnd gleichsamb sagen: Hätte ichs doch mein Tage nicht gedencken können / daß mir GOtt so grosse Dinge bereyten würde.
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Damit wir an diesem nicht zweifflen / führet der heylige Geist vns auff die Erfahrung / vnnd auff die Krafft / die da in vns würcket. GOtt kan vberschwenglich thun / vber alles daß wir bitten oder verstehen / nach der Krafft die da in vns würcket. Ist so viel gesagt: Ihr dörfft nicht zweifflen / ob GOtt den inwendigen Menschen auch stärcken / vnnd vollkommen machen könne / sehet nur auff die Krafft die er bereyts an euch geübet hat. Im ersten Capitel der Epistel an die Epheser darff der Geist Gottes sagen(Eph. 1, 19.) / daß wir zum Glauben kommen seyn nach der Würckung der mächtigen Stärcke GOttes / welche er gewürcket hat in Christo / da er jhn von den Todten aufferwecket hat / vnd gesetzet zu seiner Rechten im Himmel: Daselbst sihet er vnsere Bekehrung an / als eine vberschwengliche Grösse Göttlicher Krafft. So laß dich nicht irren / lieber Christ / daß es so grosse Dinge seyn / die Paulus zur Stärcke deß inwendigen Menschen fordert. Hat euch Gott auß Todten lebendig gemacht / so kan er euch auch stärcken. Weil dann alle Krafft muß von GOTT herkommen / so lerne auch hie von Paulo / daß du in allem jhm / vnnd nicht dir die Ehre gebest; vnd sprich: Ihm sey Ehr zu aller Zeit / von Ewigkeit zu Ewigkeit. Es ist auch hie zu mercken / daß GOtt diese Ehre soll gegeben werden / in der Gemeine die in Christo JEsu ist / durch Christum JEsum beruffen vnd gesamblet. Das geschicht /(Eph. 4, 12.) wann wir alle wachsen vnnd starck werden nach dem inwendigen Menschen / vnd die Heyligen wol zugerichtet / vnd der Leib Christi wol erbawet werde / in dem wir alle hinan kom̅en zu einerley Glauben vnd Erkändtnuß deß Sohns GOttes / vnnd ein vollkomner Mann werden in Christo JEsu. Dadurch wird Gott geehrt.
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Schließlich spricht Paulus: Amen. Zweiffelt nicht / GOtt werde alles also geschehen lassen / wie ers gewünschet vnd gebetten hat. Also auch jhr lieben Christen / die jhr diß Wort höret / sprecht Amen: GOtt laß es auch in vns erfüllet werden. (Adhortatio ad praxin.) Damit gehet in ewren Gedancken zu rucke / vnnd bedenckt / was für herrliche Wort der Apostel auß hitzigem Geist herfür gebracht / vnd gehet doch nur alles dahin / daß jhr nicht abfallet / sondern stärcker werdet. Darumb wie Paulus als ein Diener Gottes / diß mit ermahnen vnnd bitten bey euch gesuchet hat / also suche ich es auch / vnd wünsche / daß jhr nicht müde werdet / sondern jm̅er stärcker werdet an dem inwendigen Menschen. Vor erst stehet fest / vnnd werdet nicht müde. Manchem wirds beschwerlich bey der Bekantnuß JEsu Christi Vngemach leyden. Das findet sich / wann vns solche Versuchung zur Hand stosset / daß wir entweder Christum vnd sein Wort müssen hindan setzen / oder Gut / Ehr vnd Ansehen in der Welt verlieren. Da ermüdet mancher / vnnd wirfft das Christenthumb als eine schwere Last von sich. Du aber / so du getrew / ermüde nicht / vnd halte es für eine Ehre / so du vmb Christi willen Vngemach kanst auf dich nehmen vn̅ etwas leyden. Am Jüngsten Gericht / wird kein grösser Lob gefunden werden / als vmb Christi willen etwas gelitten haben. Diß ist eine Ehre / die den Engeln versaget ist. Darumb frewe dich vielmehr in Schimpff vnd Schaden / daß du Christo zu gefallen leyden must / als daß du woltest müde werden. Fürs ander bleibt nicht allein beständig / sondern strebet auch darnach / daß jhr die Krafft deß Wortes in ewren Hertzen empfindet / daß jhr dadurch an dem inwendigen Menschen gestärcket werdet / vnd immer newe Krafft bekommet. Der eusserliche Mensch ist geneiget viel böses zu thun / vnd ist vns in Vbung deß guten hinderlich / dargegen muß der inwendige gestärcket werden / damit er nicht vnderlige. Lasset derwegen Christum in ewrem Hertzen wohnen / führet seinen Nahmen nicht allein auff der Zungen / sondern
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durch den Glauben haltet jhn fest im Hertzen / daß er inwendig das jenige in euch würcke / was jhr eusserlich im Worte höret. Betrachtet offt die Liebe Gottes in Christo Jesu / das wird in ewrer Seelen ein Fewer seyn / vnd ewer Hertz in Lieb entzünden. Ewern Wunsch lasset seyn / daß ihr erfüllet werdet mit allerley GOttes Fülle; daß jhr in allen Stücken rühmen könnet / das hat Gott in mir gethan. Sihe das ists / dazu euch der H. Geist hie ermahnet / das ist / daß er auch in dem Gebet seines Knechts Pauli wünschet. So lasset euch nichts liebers seyn / als daß dieser Wunsch deß H. Geistes in euch erfüllet werde. Sihe / wo hat jemals der H. Geist also geflehet vmb die Stärcke deß außwendigen Menschen / daß der starck vnd gesund sey / in Ehr / Reichthumb vnd guten Tagen sitze? das / ist solcher Bitte nicht werth. Aber was in diesem Gebett vns gewünschet wird / ist ein Gut von vberschwenglicher Würden. O der hertzlich wol geneigter Wille Gottes! Ist er doch so brünstig / daß er mit all seiner Fülle vns erfüllen will. Was solte mich mehr ergetzen / als daß ich also in der Liebe eingewurtzelt werde / daß ich grüne vnd blühe für GOttes Angesicht als ein Paradißröselein? Was kan mir höhers wiederfahren / als daß ich vnschuldige lebe / vnd nur von Gott getrieben werde? wie herrlich / wie lieblich ist / dises Stuck erreichen. Verflucht sey alles was hieran vns hindert. Diß ist das nächste bey der himlische̅ Seligkeit / der nächste Grad bey der himlischen Thür. Höher kanstu in dieser Welt nicht kommen. Sage nicht / es ist vergebens hierauff zu dencken / man wirdts doch nicht erreychen. GOtt kan vberschwenglich thun / vber alles daß wir bitten oder gedencken / nach der Krafft / dadurch er in vns würcket. Du must das nicht für eine geringe Kraffthalten / dadurch GOtt in seinen Heyligen würcket. Kanstu schon alles nicht vollkommen erreychen / solstu doch nicht vnterlassen darnach zu seufftzen. Doch lege auch die Hand mit ans Werck / vnd nach allem Vermögen / trachte nach der Stärcke deß inwendigen Menschen / vnd der Göttlichen Fülle.
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Ich erlange so viel ich kan / will ich mich doch drüber frewen / daß mir nur zugelassen ist / vmb diese Seligkeit zu bitten. Ja daß ich nur einen Zugang habe zu dieser Gnade / ist meine höchste Frewde; vnd weiß nicht ob mich etwas höhers erfrewen könne / als daß ich nur von Gott begeren darff / dz er mich erfülle mit aller seiner fülle. Darumb beuge ich meine Knie / gegen dir O Heyliger Vatter / du Vatter vnsers HERREN JEsu Christi / der du der rechte Vatter bist vber alles / was da Kinder heist / im Himmel vnd auff Erden / daß du vns Krafft gebest nach dem Reichthumb deiner Herrligkeit / starck zu werden / durch deinen Geist / an dem inwendigen Menschen / vnnd Christum zu wohnen durch den Glauben in vnsern Hertzen / auff daß wir durch die Liebe eingewurtzelt vnnd gegründet / begreiffen mögen mit allen Heyligen / welches dasey die Breyte vnd die Länge / vnd die Tieffe / vnd die Höhe / auch erkennen / daß Christum lieb haben / viel besser ist / dann alles wissen / auff daß wir erfüllet werden mit allerley Gottes Fülle. Dir O heiliger Vatter / der du vberschwenglich thun kanst vber alles / daß wir bitten oder verstehen / nach der Krafft / die da in vns würcket / dir sey Ehre in der Gemeine / die in Christo JEsu ist / zu aller Zeit / von Ewigkeit zu Ewigkeit / Amen.
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Am XVII. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Einigkeit im Geist.
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TEXTVS Ephes. 4. V. 1. usque ad 7.
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V. 1. LIeben Brüder / so ermahne nun euch / ich gefangener in dem HERRN / daß jhr wandelt wie sichs gebürt in ewrem Beruff darinn jhr beruffen seyd. V. 2. Mit aller Demuth vnnd Sanfftmuth / mit Gedult / vnd vertrage einer dem andern in der Liebe. V. 3. Vnnd seyd fleissig zu halten die Einigkeit im Geist / durch das Band deß Friedens. V. 4. Ein Leib vnd ein Geist / wie jhr auch beruffen seyd auff einerley Hoffnung ewers Beruffs. V. 5. Ein HErr / ein Glaube / ein Tauffe. V. 6. Ein GOtt vnd Vatter (vnser) aller / der da ist vber euch alle / vnnd durch euch alle / vnnd in euch allen.

Geliebte in Christo JEsu.
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ZV der Aufferbawung eines wahren Christenthumbs / ist(Exordiu̅. Ad aedificationem Christia-) nicht genug / daß man in gemein die Leuthe antreibe zur Heyligkeit / zu meiden die Sünde / welche wieder die Seele streiten /
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(nismi non fufficiunt generalia in citame̅ta ad pietate̅, sed adde̅da specialia???) sondern man muß auch zeygen absonderlich / in welchen Stücken man GOTT dienen / oder erzürnen könne. Solches ist nöthig. 1. zu vnserer eygenen Erkändtnuß. Dann gleich wie in Politischen Händeln mancher will dafür angesehen seyn / daß er doch im Grunde der Warheit nicht ist: Also auch im Christlichen Wandel will mancher für ein guter Christ gehalten seyn / daß er doch nit (Syr. 1. 32.) ist. Darfür vns warnet der weise Mann Syrach am 1. Capitel. Siehe zu / daß deine Gottesfurcht nicht Heucheley sey. Daß du nicht zu Schanden werdest / vnd der HERR dich stürtze. Darumb daß du nicht in rechter Furcht GOtt gedienet hast. Vnd dein Hertz falsch gewest ist. Wie kan aber ein Christ hie versichert seyn / der nicht weiß alle seine Wege nach GOttes Wort zu erforschen. Daher ist solches zum Andern hoch nötig zu deß Lebens Besserung / welches nicht geschehen kan / wo man nicht vorhin die Fehler erkandt hat. 3. Ist die absonderliche Lehr deß guten vnnd bösen auch dazu gut / daß die Menschen sich nicht entschuldigen können. Daher rühmet die Schrifft / daß sie dem Menschen für gesetzet habe Leben vnnd (Mich. 6, 8.) Tod. Gleich wie auch Micha am 6. spricht: Es ist dir gesagt / Mensch was gut ist / vnd was der HERR von dir fodert / nemlich / GOttes Wort halten vnd Liebe üben / vnnd demüthig seyn für deinem Gott. (Applicatio.) Beydes hat wol in acht genommen Paulus / welcher nicht allein in gemein darauff dringet / in seinem Schreiben / daß man den alten Menschen ablege / vnd einen newen anziehe / sondern auch alle Stuck eines wahren Christenthumbs so beschrieben / daß ein Christ vollkommen darinn kan vnterwiesen werden / wie er dann auch in gegenwärtiger Lection nach der gemeinen Regul würdiglich zu wandeln nach vnserm Beruff / ein herrliches Stuck eines
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Christlichen Wandels setzet / wie wir sollen behalten die Einigkeit im Geist. Diß ist eine nötige Lehre / dann hie fehlet man leichtlich / diß ist die schönste Tugendt eines Christen / dann sie hält vnnd bindet die Christen hart zusammen / sie ist eine von Christo gewünschete Lehr. Dann da er etwas herrliches für seine Christen bitten wolte / bittet er Johan. 17. Gib Vatter / daß sie eins seyn / gleich(Ioh. 17, 1???.) wie wir eins seyn. So laßt vns nun dem H. Geist zuhören /(Propositio.) was er vns hie von der Einigkeit deß Geistes fürhält. Gott gebe dazu Gnad vnd Gedeyen. Amen. WAnn der Apostel zun Philipp. am 1. seine Gemeine will ermahnen(Phil. 1, 27, Praemittitur regula universalis.) / daß sie stehen in einem Geist / vnd in einer Seele / setzet er vorher diese gemeine Regel / wandelt würdiglich dem Evangelio Christi. Eben also in vorhabender Lection / ehe er zeyget / wie ein Christ sich soll befleissigen zu halten die Einigkeit deß Geistes / setzet er zum Grunde diese gemeine Regel. So ermahne nun euch ich Gefangener(V. 1.) in dem HERRN / daß jhr wandelt / wie es sich gebüret / ewrem Beruff nach / darinnen jhr beruffen seyd. Diese Regel zuverstehen / müssen wir bedencken / 1. Die Hoheit(Ubi consideratur 1. Vocationis emi nentia.) vnsers Beruffes. Bedenck was du bist gewesen vor deinem Beruff / was du jetzt bist / vnd was du künfftig seyn wirst. Wir seynd ja beruffen auß der Finsternuß zum Liecht; von der Armuth zum Reichthum; Vom Todt zum Leben. Wir haben nun GOtt Lob GOttes Wort vnd Gnade / vnd alles in Christo was wir bedürffen / vnd ist noch nicht offenbaret / was wir künfftig in Christo seyn werden. Der Apostel zun Tit: am 2. nennet diesen Beruff(Tit. 2, 13.) eine heylsame Gnade GOttes / welche erschienen ist / daß wir warten können auff die selige Hoffnung / vnnd
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Erscheinung der Herrligkeit deß grossen GOttes / vnnd vnsers Heylandes JEsu Christi. Der natürliche Mensch muß für dem Gericht GOttes erschrecken; ein Mensch in Christo erwartet desselben auch mit Frewden. Dieser Beruff erhebet vns hoch vber andere Menschen / nach dem wir viel ein anders Gut in Christo erlanget haben. (2. Digna hâc emine̅tiâ vita.) 2. Ist zu bedencken / das würdige Leben in diesem Beruff / das ist aber das würdigste Leben / so wir tretten in die Fußstapffen vnsers Heylandes Christi. Ein jeglicher hält sich billich nach seinem Standt / so müssen auch wir Christen also leben / als die wir nach einem grössern Gut trachten / als die Welt thut. Das vnwürdige sündliche Leben schmähet vnsern Vatter im Himmel / vnd gibt den Feinden Vrsach / den Namen Gottes zu lästern. Es ist bey dieser Vermahnung nicht zuvergessen deß Ehrentitels deß Apostels / den er nennet sich einen Gefangnen in dem HERRN / der das Bekandtnuß deß HErrn JEsu Christi mit Banden vnnd Gefängnuß bekräfftigen muste. Er hätte sich wol mögen nennen ein außerwöhlten Rüstzeug JEsu Christi: Ich Paulus ermahne euch / der ich im dritten Himmel das Evangelium gelernet habe; aber es ist jhm das angenehmste / daß er seiner Banden gedencken möge / zu bezeugen / daß er ein trewer Reichsgenoß JEsu Christi sey / der vmb deß Erkendtnuß willen seines HERRN etwas begehre außzustehen / damit seine Vermahnung bey Christen desto mehr Raum vnd Statt gewinne. (Paraphrasis.) Will derwegen so viel sagen: Ich Paulus / der ich vmb deß Evangelions willen jetzt lige in Gefängnuß vnd Banden / ermahne euch ewers Beruffs / daß jhr betrachtet / wozu jhr durch mein Evangelium von GOtt beruffen seyd; vnd warumb jhr Christen heisset / nemlich daß jhr eins seyd mit Christo / vnd seine Miterben. Darumb lasset solches für der Welt scheinen / daß durch ewer
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Leben Christus geehret / vnnd seine Lehre gezieret werde.(Specialis regula. V. 2. 3.) Hierauff folget absonderlich die Vermahnung von der Einigkeit deß Geistes / daß wir würdiglich wandeln nach vnserm Beruff / mit aller Demuth vnd Sanfftmuth / vnd Gedult / vn̅ vertraget einer den andern / spricht er / in der Liebe / vnd vnd seyd fleissig zu halten die Einigkeit im Geist / durch das Band deß Friedes. Die Einigkeit deß Geistes ist eine Verbindung der Christen(Unio Spiritus: quae) / die da herrühret vom Geist Christi / welcher die Glieder Christi verbindet vnd regieret. Wann dann die Christen / dem Trieb dieses einigen Geistes folgen / so werden sie auch eins vnter sich durch denselben einigen Geist. Ist eben / als wann die Apostel Christi predigen einer zu Rom / der ander zu Corintho / der dritte bey den Mohren / so predigen sie doch einerley. Wie geschrieben stehet: Die Könige der Heerscharen seynd vntereinander(Psal. 68, 13.) eins. Dann das kompt daher / daß sie von einem Geist gelehret seyn / vnnd auß einem Geiste reden. Also wann sich alle Christen treiben vnnd führen lassen von dem einigen Geist Christi / seynd sie vnter einander eins im Geiste. Daß ist dann eine Einigkeit viel höher als die Politische Einigkeit vnd Freundschafft / welche auch vnter Gottlosen seyn kan. Es erfordert die geistliche Einigkeit / 1. Ein gemein Erkantnuß(Requirit 1. Conjunctionem fidei. 1. Cor. 1, 10) im Glauben an JEsum Christum / dardurch Christen im Grund der Seligkeit vberein stimmen / dazu sie ermahnet werden / 1. Corinth. 1. Ich ermahne euch lieben Brüder / durch den Nahmen JEsu Christi / daß jhr allzumal einerley Rede führet / vnnd lasset nicht Spaltung vnter euch seyn / sondern haltet fest aneinander in einem Sinn / vnd in einerley Meynung. Vmb solcher Vrsach willen kan die
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Einigkeit deß Geistes mit Vnglaubigen nicht gehalten werden / (2. Cor. 6, 14) 2. Corinth. 6. Ziehet nicht am frembden Jochmit den Vnglaubigen / dann was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Vngerechtigkeit? Was hat das Liecht für Gemeinschafft mit der Finsternuß? Wie stimmet Christus mit Belial? Oder was für Theil hat der Glaubige mit dem Vnglaubigen? (Quaestio: An unio spiritualis possit servari inter diversę religionis Confessores?) Hie möcht man fragen / kan dann kein Einigkeit vnd Freundschafft gehalten werden / mit eine̅ der frembder Religion zugethan ist? Hie ist freylich ein Vnderschied zu machen mit den Verführern / vn̅ Verführten. Trennung der Lehr / kompt gemeiniglich von vnruhigen / eygensinnigen / ehrsüchtigen Köpffen / die etwas sonders seyn wollen. Solche Leuthe werden freylich nicht getrieben von einem guten Geist / dan̅ sie richten an schädliche Ergernuß / vil der schwachen vnnd guthertzigen Leuthe führen sie in Zweiffel / daß sie nit wissen was sie glauben sollen oder nicht / viel machen sie zu Epicurer / die von einer Religion so viel halten als von der andern / sie richten Verbitterung an vnter Christen / in dem dieselbe vber Religions Sachen streiten / so zerreissen nun solche Leuthe das Band deß Friedens. Bey welchen in acht muß genommen werden die Regel deß Apostels: Ziehet nicht am frembden Joch mit den Vnglaubigen. Andere die sich einfältig an Christum halten / wiewol mit vieler Schwachheit / sollen mit Gedult ertraget werden. Dann bey diesen ist das Band deß Friedens noch nicht gar zubrochen. (Requirit 2. Conjun ctionem animoru̅.) Nebenst der Einhelligkeit im Glauben / gehöret zu der geistlichen Einigkeit. 2. Eine Verbündnuß der Gemüther / daß sie sich alle / für Glieder Christi / vnnd durch Christum für GOttes Kinder halten / vnnd sich vntereinander lieben / nicht hassen / noch verachten.
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Zu dieser Einigkeit deß Geistes vermahnet vns der Apostel /(Unio Spiritus qua̅ studiosè sit serva̅da, 1. Pet. 3, 11.) daß wir fleissig vnd sorgfältig seyn / dieselbe zu halten: Seyd fleissig zu halten die Einigkeit im Geist / wie auch Petrus in 1. Epist. 3. Wann er anzeyget / was das für Leuthe seyn / die da leben wollen / vnd gute Tage sehen / diese Eygenschafft setzet / Er suche Friede vnd jage jhm nach. Dann man nicht gedencken soll / daß diese Einigkeit so leicht gefunden / oder erhalten werde / sie ist wie ein wildes Thier / welches von der Boßheit deß Fleisches / vnd deß Sathans in die Flucht gejaget wirdt. Darumb wer dieses Wildbrät erlangen will / der muß mit allem Fleiß jhm nachjagen / vnd sorgfältiglich behalten. Wie aber vnd durch was Mittel? Das zeuget der Apostel:(Media ad unionem Spiritus.) Mit aller Demuth vnd Sanfftmuth / mit Gedult / vnd vertraget einer den andern in der Lieb. Dann wie Hochmuth / Storrigkeit / vnd Vngedult die Einigkeit sehr verhindern: Also befördern dieselbe sehr Demuth / Sanfftmuth / vnnd Gedult. Niedrigkeit vnd Demuth ist eine Christliche Tugend / dardurch der Mensch sich selbsten erkennt / vnnd gering wird in seinen Augen / er erkennt menschliches Vnvermögen vnd Schwachheit / vnd schreibet alles zu der Barmhertzigkeit GOttes / das hilfft viel zu Einigkeit. Dann ein solcher Mensch ziehet sich keinem vor / verachtet auch niemand / wirdt auch nicht entrüstet / wann sich andere erheben. Dann wer demüthig ist / kan die Thoren wol ertragen. Sanfftmuth ist eine Tochter der Demuth / vnnd macht den Menschen freundlich in Worten vnd Wercken / auß rechte̅ Grund deß Hertzens / gibt niemand Gelegenheit zur Feindseligkeit / durch Vngestüm̅igkeit oder Storrigkeit / vnnd damit befördert es auch die Einigkeit. Gedult oder Langmuth ist eine Gelindigkeit deß Gemütes / welche macht / daß ein Christ viel ertragen kan / ist langsam zu Zorn /
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vnd weicht von seinem Recht. Solche Langmuth aber muß in der Liebe gegründet seyn / darumb setzet der Apostel hinzu: Vertraget einer den andern in der Liebe. Dann ohn die Liebe ist es nur ein Politisch Stücklein / wo aber rechte Liebe ist / ertraget einer den andern von Hertzen / vnnd geduldet / wann schon nicht eben alles Schnurrecht zugehet; dadurch wirdt den vielem Vnheyl vnd Vneinigkeit gewehret. (Vinculum seu fundamentum. pacis. V. 4. 5. 6.) Es erkläret auch der Apostel / das Band deß Friedes / das ist der Grund / welcher Christen bewegen soll fest zu halten an dem Frieden / vnnd ist mit einem Wort ein gemeiner Schatz aller Christen. Ein Leib vnd ein Geist / wie jhr auch beruffen seyd / auff einerley Hoffnung ewers Beruffes. Ein HERR / ein Glaube / eine Tauffe / ein GOtt vnd Vatter vnser aller / der da ist vber euch allen / vnd durch euch allen / vnd in euch allen. Wir Christen haben einen Leib vnd einen Geist / das Haupt ist Christus / wir seynd seine Glieder / vnnd werden alle von dem Geist Christi / als von einer Seelen regieret. Nun wer es ein vngehewres Ding / wann die Glieder eines Leibes vnter einander sich anfeinden. Wir haben auch einen Zweck / vnnd seynd beruffen auff einerley Hoffnung vnsers Beruffes / vnd erwarten alle einerley Seligkeit. Ist nun einer der stoltz ist / von wegen der Güter dieser Welt / der soll wissen / daß wir ein viel höhers Gut haben. Bistu aber auch desselben theylhafftig / vnd haltest auch meine Seligkeit für dein höchstes Gut / wirstu mich nicht verachten. Wir haben auch nur einen Weg vnd Mittel zur Seligkeit / einen Herren / einen Glauben / eine Tauffe. Wir haben alle einen HErrn / der vns alle zu seinem Dienst gleich thewr erkaufft vnd erlöset hat. Wir haben alle einen Glauben / ein Mittel zu kommen zu diesem HErrn / vnd ist in diesem Stuck kein Patriarch / kein Prophet oder
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Apostel grösser dann der geringste Christ. Wir haben all eine Tauff / eine Thür zum Christenthumb / zum Glauben / vnd zu der Vereinigung mit Christo. Im Alten Testament ist zwar kein Tauff gewesen / so haben doch die Altvätter eben das Gut durch jre Beschneidung empfangen / daß wir durch vnsere Tauff / vn̅ wie sie allesampt nicht mehr dann eine Beschneidung gehabt / so haben wir auch nit mehr dann nur eine Tauff. Achtestu nun das für deinen höchsten Ruhm / daß du durch die Tauff vnd den Glauben mit Christo vereiniget bist / so gedenck / daß derselbe Ruhm auch bey andern Christen zu finden ist: wir haben allesampt nur einen GOtt / der gegen vns allen vätterlich gesinnet ist / gewiß ein grosses Band deß Friedes / der GOTT Himmels vnd der Erden ist mein Vatter vnd dein Vatter / vnnd vnser aller Vatter. Dieser GOtt ist vber vns alle / ein einiger Herrscher vnnd Regierer vber die gantze Christenheit / dieser GOtt ist durch vns alle / er würcket durch vns alle / vnd giesset auß durch alle Glieder der Kirchen seine vielfaltige Wolthaten. Dieser GOTT ist in vns allen / er wohnet in vns / dann es ist kein Christ / wo er nur ist ein wahrer Christ / der nicht bey sich hat diesen Gast / GOtt Vatter / Sohn vnnd H. Geist / nach der Verheissung Christi: Wer mich liebet der wird mein(Ioh. 14, 23.) Wort halten / vnd wir werden zu jhm kom̅en vnd Wohnung bey jhm machen. Ist dann GOtt vber vns alle / was erhebest du dich vber einen andern? Würcket GOtt durch vns alle / so wisse / ein jeglicher Christ ist so wol ein Werckzeug GOttes als du. Ist GOtt in vns allen / was solt vns fester zusammen binden? So befleissige dich nun lieber Christ / zu halten die Einigkeit(Adhortatio ad praxin.) deß Geistes / durch das Band deß Friedes / prüfe dich / wie du durch Demuth / Sanfftmuth / vnd Langmuth der geistlichen Einigkeit(1. Redargutio.) nachgejaget / hastu es gering geachtet / so lerne das Vbel erkennen / vnd darüber erschrecken. Wandere mit deinen Gedancken durch
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alle Stände vnd Gassen / vnnd suche / ob auch wol Einigkeit im Geist zu finden sey. Zwytracht / Zorn / Haß / Neid / Feindschafft wirstu finden mit vollem Hauffen / das kompt alles daher / daß einer den andern in der Liebe nicht vertragen kan. Wann einer dem andern zuwidern thut etwas gar geringes / vnnd noch nicht mit Vorsatz / so ist gleich vergessen die Christliche Einigkeit / entfähret einem ein Wort auß Vnbedachtsambkeit / das kan dem andern also zu Hertzen gehen / daß er eine vnversühnliche Feindschafft wirfft auff seinen zuvor gewesenen guten Freund. Offtmalen werffen die Leut einen Groll auff jhren Nächsten auß blossem Argwohn / da sie auß gantz vngewissen Vmbständen sich etwas in den Sinn bilden / daß doch nichts ist: Also zieht mancher ein wolgemeyntes Gespräch auff sich / bildet jhm ein / man gibt jhm einen heimlichen Stich / vnd wird darüber voller Groll vnd Bitterkeit: Da hört man dann diese Klag / ich weiß nicht wie ich mit diesem Menschen daran bin / ich hab jhm nichts böses gethan / vnnd spüre doch bey jhm nur eytel Groll vnd Wiederwillen. Gemein aber teufflisch ist es / daß Christen sich vntereinander hassen / auch wegen der Güter vnd Gaben / die Gott auß freyer Gnad den dürfftigen Menschen außtheilet. Wann etwa einer den andern vbertrifft mit Scharffsinnigkeit / Kunst vnnd Erfahrung / so findet er seine Neider. Dieses ist so gemein / daß auch in Handtwercken einer den andern anfeindet / so einer ein besser Stuck machen kan / oder einen bessern Griff in seiner Kunst hat als der ander / ich geschweig was vnter Gelehrten geschicht. Wirdt etwan ein frommer David herfür gezogen / vnnd kompt zu Ehren / so findet (1. Sam. 18, 8. 9.) sich bald ein Saulisch Hertz / das ergrimmet / vnnd wirdt seines Nächsten Feind sein Lebelang. Gesegnet GOtt einem frommen Jacob seine Nahrung / findet sich bald ein Labans Hertz / daß den Wolstand seines Freundes nicht ertragen kan. Also können wir vmb geringer / ja nichtiger Vrsach willen Groll tragen im Hertzen / was wird dann geschehen / so man schwer
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beleydiget wird? Was soll ich dann darüber viel klagen / daß man das Vnrecht nicht leyden kan / daß wir voll Zorn lauffen / vnd mit rachgierigen Gedancken vmbgehen / so vns etwa zu nahe geschehen ist mit Worten oder mit Wercken. Erschreck doch Odu Christliche Seel vber diß Vnhey / vnd(II. Correctio.) laß doch diß Vnkraut nit weiter wurtzeln in deiner Seelen. Wandelt wie es sich gebühret ewrem Beruff / darinnen jhr beruffen seyd / mit aller Demuth vnd Sanfftmuth / mit Gedult / vnnd vertraget einer den andern in der Liebe / vnd seyd fleissig zu halten die Einigkeit im Geist. Dazu soll dich bewegen / 1. die nahe Verwandnuß der Christen(Causę moventes.) vnter einander / wer ist der / den du anfeindest? Ists nicht der / in welchem das Ebenbild GOttes ernewert ist / gleich wie auch bey(1. à conjunctione Christianorum.) dir? Ists nicht der / welchem GOtt auff vnzehliche Weise seine Liebe beweiset? Ists nicht der / welchen der Sohn GOttes so thewer gehalten / daß er vmb seinet willen die höchste Marter außgestanden / vnd du liebest sein Verderben. Meinstu / daß es ein geringes sey Wiederwillen beweisen demselben / der mit dir ist ein Glied Christi / ein Erb vnd Kind deß himlischen Vatters? Dünckt dich ein geringes zu seyn / zu wüten in den geistlichen Leib Christi? Von den Verstorbenen pflegen wir noch wol das beste zu sagen / vnd der vorigen Vnbilligkeiten vergessen / weil wir die Hoffnung haben / sie seyn bey GOtt / vnd geniessen der Herrligkeit / derer wir erwarten. Warumb greiffen wir vns dann vntereinander so feindselig an / wann wir noch beysammen auff dem Wege seynd? Wie der Altvatter Jacob seine Söhne in Egypten sendet Brodt zu kauffen / vnd sie wieder vmbkehrten zu jhrem Vatter / gab jhnen Joseph jhr Bruder diese Vermahnung / zancket nicht auff dem Wege. Was meinstu? Solte es vnsers himlischen Bruders / deß lieben HErrn Jesus Wolgefallen seyn / so wir seine Brüder in vnserer Wanderschafft vns vntereinander beissen vnd fressen? Ge
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schicht dir zu nahe / so gedenck / dieser Mensch ist dennoch ein Glied Christi; Ist er wol gebrechlich / so will ich jhn doch darumb nicht richten. Ist Christus fertig jhm zu vergeben; So will ich jhm auch gern vergeben. (2. à diguitate vocationis.) 2. Bedenck / daß dieses das würdige Leben ist / damit du Christum ehren / vnd deinen Beruff zieren sollest. Hiebey wird man den Adel deines Gemüthes spüren / Friedseligkeit ist eine Anzeygung eines reinen vnnd Adelichen Gemüthes; der ist viel herrlicher zu halten / der sich selbsten vberwinden kan / als der viel Land vnd Leute vberwunde̅ hat / dabey spürt man den / wie wir in Christo zugeuommen haben. Hingegen ist einem Christen nichts vnwürdigers / als die Feindseligkeit / dadurch GOtt vnnd alle fromme Christen betrübet / der Satan aber vnd alle Gottlosen erfrewet werden. Wie mehr ein Mensch GOtt liebet / wie mehr er vber Feindseligkeit betrübet wird: Wie mehr der Satan vnd seine Glieder GOtt hassen / wie ein höher Frewden Spectacul sie an Feindseligkeit haben. Wer ist doch / zu welches Dienst du / durch einen geistlichen Beruff beruffen bist? Ists nicht GOtt? Wer ists? Dessen Dienst du in dem Christlichen Beruff abgesagt? Ists nicht der Satan? Wie aber GOtt ist ein Liebhaber deß Friedens vnd der Einigkeit / so ist der Sathan ein Liebhaber vnnd Anstiffter der Feindseligkeit vnd Zwytracht. Jacobus sagt in seiner Epistel am dritten Capitel: (Iacob. 3, 14. 15.) Habt jhr bittern Neid vnd Zanck in ewren Hertzen / so rühmet euch nicht / dann das ist nicht die Weißheit / die von oben herab kommet / sondern irrdisch / menschlisch / vnd teufflisch. Dann es ist doch Neid vnnd Bittrigkeit / nichts anders als deß Teuffels Pfeil / damit die Seel verwundet wird; der Sathan ist der erste Stiffter aller Zwytracht. Ist er nicht der erste / der sich wieder seinen HERRN auffgelehnet / vnd eine ewige Feindtschafft angerichtet / zwischen jhm vnnd sei
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nem Schöpffer? Ist er nicht der erst / der das Liebes Band zerrissen zwischen GOTT vnd den Menschen / da durch den leydigen Fall aller Menschen Hertzen mit schröcklicher Feindschafft wieder GOtt erfüllet werden? Ist er nicht der erste / der die Menschen aneinander verhetzet / in dem er den Cain die Bittrigkeit ins Hertz gegossen / daß er vmb Gottesfurcht willen den frommen Abel / seinen eygenen Bruder erwürget? Darumb dieser Störfried billig ein Lügner vnd Mörder von Anfang her genennet wird. Darauß folget: Welcher Bittrigkeit in seinem Hertzen nehret / ist ein Kind deß Satans / vber gibet willig vnd vorsetzig dem Satan sein Gemüth vnd Hertz / welches doch Gottes ist vnd seyn soll. Wer(Ioh. 3, 10.) seinen Bruder nicht liebet / der ist nicht von GOtt; ist er nicht von Gott / von wannen wolt er anders seyn / als vom Satan? Solte das die Zierde seyn ewers Beruffes? Zu diesem allen kompt 3. die schwere Rach GOttes / vber(3. à maledictione & benedictione.) die feindseligen Menschen / welcher seinen Nächsten hasset / der fällt in den Zorn / vnd ist vnmüglich / daß er bey Gott Gnad finden könne / so lang er ein vergältes Hertz traget. Hingegen / welcher hält an der Einigkeit im Geist / der hat GOttes Segen / Psalm. 133.(Psal. 133, 1. & ult.) Siehe wie fein vnd lieblich ist / daß Brüder einträchtig bey einander wohnen; daselbst verheisset der HErr Segen vnd Leben immer vnd ewiglich. 2. Corinth. 13. Habt(2. Cor 13. 11.) einerley Sinn / vnd seyd friedsam / so wird Gott der Liebe vnd deß Friedes mit euch seyn. Matth. 5. Selig seynd(Matt. 5, 9. & 5.) die Friedfertigen / dann sie werden Gottes Kinder heissen. Selig seynd die Sanfftmütigen / dann sie werden das Erdreich besitzen. Vber welche Wort Lutherus diese Glossesetzet / die Welt vermeynet die Erden zu besitzen / vnd das jhre zu schützen / wann sie Gewalt übet. Aber
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Christus lehret / daß man die Erde mit Sanfftmuth besitze. (Objectio de difficultate & responsio.) Laß dich nicht anfechten / daß es so schwer sey geistliche Einigkeit zu erhalten / es findet sich leicht Vrsach zu Wiederwillen / kanst leicht zu Zorn vnd Haß beweget werden / der Teuffel scheuret vnd bläset zu wie er kan vnd mag. Mosen hat auch die Vngedult vberwunden / da die Israeliten murreten / daß von jhm geschrieben (Ps. 106, 33.) stehet im 106. Psalm: Sie betrübten jhm sein Hertz / daß jhm etliche Wort entfuhren. Aber eben darumb soltu desto fleissiger vnd behutsamer seyn / vnd den Reitzungen deß Teuffels vnnd deß Fleisches desto minder Raum geben / auch mit dem Gebett anhalten: Du süsse Liebe schenck vns deine Gunst / laß vns empfinden der Liebe Brunst / daß wir vns von Hertzen einander lieben / vnd im Friede auff einem Sinne bleiben. (Informatio proponens consiliun. & modum.) Darumb / so nimb an diesen Rath. 1. Bistu gesetzt in einen hohen Standt / vnnd begabet mit grossen Gaben / so verachte nicht den niedrigen / ein jeglicher Christ im geringen Standt kan so gut vnd selig für GOtt seyn als du. Gedenck / daß du nicht desto besser vnd mehr gültest für GOtt / weil du mehr vnd grössere Gaben habest; die Gaben machen dich nur mehr schuldig andern in Demuth zu dienen. Darzu der Niedrige in seinem niedrigen Stande / mit seinen niedrigen Gaben dienet auch Gott / ja GOtt kan durch geringe Leute grössere Ding thun als durch die grossen. Der Hohepriester zu Jerusalem solte wol nit gedacht haben / daß Gott durch den Fischerknecht Petrum / mehr in seiner Kirchen außrichten wurde als durch jhn. 2. Bistu in einem geringen Ansehen / neide nicht den / der höher ist dann das were GOtt fürgeschrieben / wie er soll Stände vnd Gaben außthe len. Ja was thätestu anders / als daß du gedachtest vnd wünschest / Gott solle nicht ein gutthätiger GOtt seyn. Dagegen gedencke: Ich / in meinem geringen Stande / Gaben vnnd
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Wercken / bin dennoch auch ein Werckzeug Gottes / würde er grössere Werck an mir haben wöllen / wurde er mich auch dazu geschickt gemacht haben / ich dancke Gott für das / daß ich habe / sintemal ich auch der allergeringsten Wolthaten nicht werth bin. Daneben frewe dich über eines andern Göttliche Gaben. Dann sie seynd von Gott gegeben zu gemeinem Nutz / vnd also auch zu deinem Nutz. 3. Einer füge dem andern / vnd bequeme sich zu allen Seiten / daß zu Trennung kein Anlaß gegeben werde / einer hab mit deß andern Schwachheit Gedult / vnd gedencke daß er selbst auch viel bey sich habe / daß ein ander mit Gedult muß ertragen. Darumb erzeyge die Freundschafft andern / die du wollest daß sie ein ander dir erzeyge. So man aber nichts ertragen / vnd alles nach seinem Kopff haben wolte / wo wolt dann Einigkeit bleiben? 4. Wer beleydiget / der sey willig Verzeyhung zu suchen / wer beleydiget ist / der sey bereyt hertziglich zu vergeben / ja auch / wann dein Wiedersacher sich nicht vmbthäte nach Versöhnung / so gedencke du / wie du jhm die Versöhnung mögest anbieten / da begehestu eine zweyfache Tugendt / Erstlich gibstu nicht Raum der Feindseligkeit in deinem Hertzen / hernach hilffstu dem Nächsten ab von seinem Zorn. Es ist gewiß eins von den höchsten(Chrysost. homil. 58. in Gen. p. 463.) Tugenden mit stätiger Freundschafft / vnd Wolthun / derselben Gemüth zu vberwinden / vnd vns geneiget zu machen / die vns gerne wollen feind seyn. Diß Kunststuck hatte wol gelernet Jacob /(Su̅mae virtutis est assiduitate officioru̅ nobis conciliare, qui nobis infesti esse volunt. Gen. 32. Co̅clusio. Ioh. 17, 11.) welcher seinen zornigen Bruder mit Geschenck gedacht zu versöhnen / vnd wartetet nit biß jhm die Versöhnung zu erst solt angetragen werden. Zum Beschluß / laßt vns das eine Frewde seyn / daß wir mögen den Wunsch Christi erfüllen / welches er seinen Christen gewünschet hat: Heyliger Vatter / erhalte sie in deinem Namen / die du mir gegeben hast / daß sie eines seyn / gleich wie wir. Erfüll lieber HERR Christe was du gebetten hast /
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dann du kanst es / vnd mach belustig vnsere Hertzen / daß wir ja fleissig seyn zu halten die Einigkeit im Geist / daß du durch vnser Leben geehret werdest. Amen.

Am XVIII. Sontage nach Trinitatis.
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Von dem Reichthumb der Christlichen Lehre.
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TEXTVS 1. Cor. 1. V. 4. usque ad 10.
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V. 4. LIeben Brüder / Ich dancke meinem Gott allezeit ewerthalben / für die Gnade GOttes / die euch gegeben ist in Christo JEsu. V. 5. Daß jhr seyd durch jhn an allen Stücken reich gemacht / an aller Lehre / vnd in aller Erkandnuß; V. 6. Wie dann die Predigt von Christo in euch kräfftig worden ist. V. 7. Also / daß jhr keinen Mangel habt an jrrgend einer Gaben / vnd wartet nur auff die Offenbarung vnsers HERRN JEsu Christi. V. 8. Welcher auch wird euch fest halten / biß ans Ende / daß jhr vnsträfflich seyd / auff den Tag vnsers HERRN JEsu Christi.
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V. 9. Dann GOtt ist trew / durch welchen jhr beruffen seyd / zur Gemeinschafft seines Sohns JEsu Christi vnsers HERRN.

Geliebte in Christo JEsu.
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WAnn ein Mensch zum Christenthumb beruffen ist / ist seine(Exord. à Christianae sapie̅tię ad Christianismu̅ necessitate.) vornembste Tugendt die Christliche Weißheit / daß er nicht sicher sey / sondern weißlich wandele / damit jhm das fürgesteckte Ziel nicht verrucket / noch das himlische Kleinodt entzogen werde. Dises wünschet die himlische Weißheit jren Kindern im 5. Buch Mosis am 32. O daß sie weise weren / vnd vernehmen(Ex dicto. Deut. 32. 22.) doch was jhnen hernach begegnen wird. Die Christliche Weißheit siehet hinder sich / siehet für sich / siehet vmb sich / leget alles wol vber / daß jhr das beste im Leben nicht entzogen werde. Sie siehet hinder sich / vnnd zeyget vns was wir gewesen von Natur / vnnd in vnsern Sünden / was wir empfangen von Gottes Gnad vnnd Güte / da wir beruffen seyn zur Gemeinschafft deß Sohnes GOttes. Ein grosses ist es / daß Gott seinen abgefallenen Knechten vnnd Feinden Erlösung verheissen: Noch grössers ists / daß er solch Erlösung ins Werck gesetzet durch schwere Arbeit vnd Leyden seines Sohns; das allergröst ist / daß er vns vnnütze Knecht auch in das Reich seines Sohns versetzet hat / daß wir seine Miterben seyn sollen. Kehren wir die Gedancken weiter hinauß was künfftig / vnnd für vns ist / zeyget vns die Christliche Weißheit das Gericht / vnnd gibt vns zu bedencken die Straffe derer / die die Gnade jhres Beruffes geringschätzig geachtet: Sie zeyget vns die Wiedervergeltung vnnd Seligkeit derer / die diese Gnadenzeit haben ich acht genommen. In vns vnd vmb vns zeyget vns die Weißheit vnser Fleisch / die Welt / vnnd den Sathan / welche vns alle ziehen zu einem frembden Ziel. Sie zeyget vns
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aber auch GOtt / der vns durch seine Krafft vnd Gnade in Christo erhält biß zur vollkommen Seligkeit. Wann solches ein Christ stätig für Augen hat / alsdann gedencket er auch zu entfliehen dem zukünfftigen Vnheyl / vnd nicht zu verlieren die Hoffnung seines Beruffes / trawet nicht dem gegenwärtigen Glück / sondern prüffet sich / ob er auch noch fest stehe in der Gnad dazu er beruffen ist. O daß wir also weise weren / vnd vernehmen solches / daß wir verstünden was vns hernach begegnen würde! (Christiana̅ sapientiam circa accepta̅ divini verbi gratiam Corinthei neglexerunt.) Diese Weißheit hatten fahren lassen die Corinther / vnd fast vergessen die Würde jhres Beruffes. Darumb gedenckt der Apostel Paulus durch die erste Epistel sie wieder auffzumuntern / vnnd fänget an mit einer Dancksagung für den Reichthumb der Predigt Christi die sie gehöret vnd angenommen / führet sie heimlich zu bedencken / was sie gewesen seynd / vnnd was sie empfangen haben / damit sie dadurch gezogen werden / den Schatz der Lehr Christi mit danckbarem Hertzen zu erkennen / vnd sorgfältig zu bewahren / vnd dabey ein solches Vertrawen fassen / daß GOtt / der sie beruffen hat zu der Gemeinschafft seines Sohns / sie auch werde fest vnnd vnsträfflich erhalten biß auff den Tag JEsu Christi. Damit aber auch wir weißlich thun lehren bey vnserm Beruff / (Propositio.) wollen wir auffmercken / was Paulus von dem Reichthumb Christlicher Lehre vns fürhält / wie es ein thewrer Gnadenschatz sey in Christo JEsu / welches wir billich mit danckbarem Hertzen erkennen / vnd mit grosser Sorgfältigkeit gebrauchen sollen. GOtt gebe dazu seine Gnade. Amen.
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ES hat der Apostel diese Dancksagung geschrieben / da alles(Exegensis.) bey den Corinthern nicht so köstlich mehr stunde im Glauben vnnd im Leben. Darumb nimpt ers jhm für hart zu machen / fällt aber nicht mit der Thür ins Hauß / sonder fähet an gantz säuberlich. Ich dancke meinem Gott allezeit ewerthalben(V. 4. 5.) / für die Gnade GOttes die euch gegeben ist in Christo JEsu / daß jhr seyd durch jhn an allen Stücken reich gemacht / an aller Lehr / vnd in aller Erkändtnuß. Hiemit zeyget er jhnen / was sie durch das Evangelium empfangen haben / vnd gibt genug zuverstehen / wie sie sollen der Danckbarkeit sich befleissigen. Wir haben aber hiebey zweyerley zu bedencken / Erstlich /(Partes duae.) den Vberfluß vnd Reichthumb Ehristlicher Lehr / worinn der bestehe / was das gesagt sey / daß eine Gemein reich ist an Lehr vnnd Erkendtnuß: Zum Andern / was dasselbe für ein Gnadenschatz sey. Den Vberfluß vnnd Reichthumb Christlicher Lehr zeyget(I. In quo co̅sistant divitiae cognitionis divinae. V. 5. 6. 7.) vns der Apostel mit solchen Worten: Ihr seyd durch Christum an allen Stücken reich gemacht / an aller Lehr / vnd in aller Erkantnuß; wie daß die Predigt von Christo in euch kräfftig worden ist: Also daß jhr keinen Mangel habt an jrgent einer Gaben / vnd wartet nur auff die Offenbahrung vnsers HERRN JEsu Christi. Der(Ubi 1. de fundamento cognitionis divinae.) Grund der Erkändtnuß bestehet in der Bekräfftigung deß gepredigten Worts / daß das Zeugnuß von Christo bey den Christen bekräfftiget werde / daß sie dessen gewiß seyn / sie hören nicht Fabeln / sondern ein festes vntrügliches Wort GOttes. Solches ist geschehen durch Zeichen vnd Wunder / wie geschrieben stehet Marci am
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(Marc. ult. V. ult.) letzten. Die Aposteln giengen auß / vn̅ predigten an allen Orten / vn̅ der Herr würckete mit jnen / vnd bekräfftiget das Wort mit nachfolgenden Zeichen. Gleichfals bezeuget auch hie der Apostel / daß sein Evangelium / welches er von Christo den Corinthern gepredigt / mit gewaltigen Zeichen vnter jhnen bekräfftiget sey. Die Predigt von Christo ist in euch kräfftig geworden. Ja das ist nicht allein geschehen durch Zeichen / sondern es ist auch in jhren Hertzen bekräfftiget / daß sie vberzeuget seyn durch Göttliche Krafft deß Wortes / daß sie nicht auff Fabeln / sondern auff Göttliche Warheit bawen. Dann die eusserliche Zeichen vnd kräfftige Wunderthaten / bewegen nur erstlich das Gemüthe / das Wort nicht für gerin gschätzig zu halten / aber die Krafft die im Wort steckt / thut das meiste / vnnd vberzeuget das Gewissen / durch allerley Trost vnd Erfahrung / daß es sey ein Göttlich Ding. (2. De sufficientia & div itiis hujus cognitionis.) Wann das Wort also bekräfftiget ist / so folget dann ein Reichthumb der Lehr vnd der Erkandtnuß. Zweyerley Wort setzet der Apostel / Lehr vnnd Erkendtnuß. Die Lehr oder das Wort ist alles was einen Christen vnterrichten kan. Erkandtnuß ist nicht allein der Verstandt der Lehr / sondern auch die Empfindung vnd Erfahrung. So ist nun die Christliche Kirche durch die Predigt deß Evangelij reich / vnnd hat völlige Lehr an allem was zur Seligkeit noth ist / daß sie darauß eine gantz himlische Weißheit kan schöpffen. So erklärts der Apostel selbst / jhr habt keinen Mangel an jrrgent einer Gabe / vnd wartet nur auff die Offenbahrung vnsers Herrn JEsu Christi / wir haben einen hohen geistlichen Verstand deß Wortes / vnnd Trost deß Glaubens zu Christo / dardurch das Wort in vns versiegelt ist / in dem wir
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dessen Krafft selbsten gespüret haben. Darneben wissen wir auch einen Vnterscheyd zu halten im eusserlichen Leben. Summa / wir seynd reich an allem daß gehört zum ewigen Leben / davon vnsere Vätter im Heydenthumb nichts gewust haben / vnd wir auch von Natur nichts wissen können / vnd haben so viel / daß wir nichts bessers noch mehrers können erlangen / nur daß wir warten auff die Offenbarung dessen daß wir schon haben im Geist. Hie ist zu mercken / wie die Zukunfft deß Sohnes Gottes eine Offenbahrung genandt wirdt. Dann es darff Christus nicht eben viel tausent Meilen reysen / vnnd von ferne kommen / wann er zum Gericht kommen will. Dann seine Zukunfft geschicht in einem Augenblick. Wann er aber sich allen klar vnnd offenbahr erzeygen wird / alsdann heist es / daß er zu vns komme. Zu dem wird seine Mayestät / vnnd der seinigen Herrligkeit hie nur durch den Glauben / von den Glaubigen erkandt. Von den Gottlosen aber gar nicht geachtet / dort aber werden die Glaubigen augenscheinlich erfahren vnd besitzen die Herrligkeit in Christo darauff sie jetzo hoffen. Die Gottlosen aber werden auch sehen Christi Macht / vnd darüber erschrecken. Dieses ist die Offenbahrung Jesu Christi / die Erfüllung vnserer Hoffnung / welches allein vns hie noch mangelt / sonsten seynd wir reichlich versehen durch die Christliche Lehre mit allem / was vns zur Seligkeit dienen kan. Da möcht man aber sprechen! müssen wir allererst hoffen(Occupatio de consta̅tiae incertitudine.) auff die Offenbahrung vnsers Heyls / so mangelt vns noch viel? Dem begegnet der Apostel mit dieser Antwort. GOtt wirdt auch euch fest behalten biß ans Ende / daß jhr vnsträfflich(V. 8. co̅servatio in gratia 1. asseritur.) seyd auff den Tag vnsers HERRN JEsu Christi: Als sprech er / wo jhr selbst nicht durch Vnglauben den himlischen Schatz verwerffet / nimpt Christus jhn nicht von euch; sondern er wird euch behalten / vnd viel mehr befestigen / daß jhr seyd vnsträfflich für seinem Richterstul / frey von aller Schuld vnnd Verdam
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nuß. Dann diß ist die Herrligkeit deß Reiches Christi. Was von Natur sträfflich ist / ist bey einem Christen nicht sträfflich / vnnd was verdamlich ist / ist bey jhm nicht verdamlich / dann ob schon die Sünde bey vns wohnet / so ist doch nichts verdamlichs an denen / die da seyn in Christo JEsu. (2. Probatur.) Der Grund dieser Hoffnung bestehet in der Trew dessen / der vns beruffen hat. Den̅ GOTT ist trew / spricht der Apostel / (V. 9.) durch welchen jhr beruffen seyd / zur Gemeinschafft seines Sohnes JEsu Christi vnsers HERRN. GOtt ist kein Mensch daß jhn etwas gerewe / er ist getrew / sein Wort vnnd Werek ist nicht wandelbar / wie eines Menschen / GOttes Gaben vnnd Beruffung mögen jhn nicht gerewen / wie zeuget derselbige (Rö. 11, 29.) Apostel zun Röm. 11. Er hat vns einmal in die Gemeinschafft seines Sohns auffgenommen / daß wir sein Erben vnd Mitgenossen aller Güter Christi / so wirdt er vns auch nicht wieder hinauß stossen / er siehet vns allezeit an / als Glieder seines Sohns / nur daß wir selbsten nicht abfallen. Darumb wird nun der Schatz deß Evangelij nicht geringer / ob wir schon noch warten müssen auff die Offenbahrung Christi. Dann was vns GOtt im Worte aufftraget / das will er vns auch erhalten vnd geben / ist die Natur schwach / so ists durch die Natur nicht angefangen / wird auch durch die Natur nicht vollenbracht. (Philip. 1, 6.) GOttists / der in vns das gute Werck der Seligkeit hat angefangen / der wirds auch vollführen biß an den Tag JEsu Christi; darumb muß ein Christ die Gnad der Erhaltung im Glauben / von GOtt erbitten / vnnd hernach Fleiß anwenden / daß er nicht abfalle von der Warheit Christi / vnd dann auch solches als ein Göttlich Geschenck erkennen / dessen er vns als ein trewer GOtt in seinem Wort versichert hat. (Dubiu̅ explicatur, quomodo) Es möchte gleichwol einen Wunder nehmen / wie der Apostel die Corinther hat können so reich achten an aller Lehr vnd Er
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kantnuß / daß jnen nichts mangele / da doch vnter jneu war / viel vnd(divitię doctrinae locu̅ habea̅t in co̅munione vitiis cortu ptâ.) grobe Irrthumb in der Tauff vnnd Nachtmahl / in der Aufferstehung der Todten / vnnd daneben viel schändliche Mißbräuch der Freyhett / daß jhrer viel nur lebten wie sie wolten. Da müssen wir freylich recht vnterrichtet seyn. Die Christliche Kirche hat allezeit etzliche falsche Christen vnter dem Hauffen: so das Evangelium lauter geprediget wird / so haben wir einen Schatz zur Seligkeit daß vns nichts mangele / sie habens aber darumb noch nicht alle gefasset / sie seyn noch nicht alle rein im Glauben vnnd im Leben / viel seyn schwach / viel gar vnglaubig / solte aber darumb der Schatz der Lehr / vnd der Erkantnuß nicht mehr ein Schatz seyn? Er ist freylich vnd bleibet ein reicher Schatz / vnnd richtet auch viel gutes auß / wiewol zu einer Zeit mehr dann zur andern / vnd kan auch bessern alles was noch mangelt / wann GOtt der HERR durch sein Wort Gnade gibt / daß auch andere zum rechten lebendigen Erkantnuß Christi gezogen werden / wo aber kein Wort mehr ist / da ist der Schatz gantz verlohren / da ist auch keine Christliche Kirche mehr. Eben also waren noch bey den Corinthern etliche Glaubige / die das Zeugnuß Christir ein vnter sich behielten / darumb ob schon vil abgewichen waren / war denncho der Schatz dar vnter den Glaubigen / welcher auch viel andere hat können reich machen. Dann wo nur zween oder drey in Christi Nahmen versamlet seyn / vnd das Wort behalten / ist vnd würcket Christus vnter jhnen.(II. Divitias cognitionis divinae esse gratiosu̅ thesauru̅, dignum gratiarumactione.) Wann wir nun wissen / wie die Kirch Christi reich ist an aller Lehr vnd Erkantnuß / folget zum andern / daß wir sehen / wie dieser Reichthumb der Lehre / ein Gnaden Schatz sey in Christo JEsu / dafür wir jhm allezeit zu dancken haben. Wie es der Apostel ansihet vnd erkennet / wann er spricht: Ich dancke meinem Gott allezeit ewert halben für die Gnade Gottes / die euch gegeben ist in Christo JEsu.(V. 4.)
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Es ist ein Gnadenschatz / von Natur haben wir es nicht ererbet / haben es nicht verdienet / noch darumb gearbeytet / dencke zurück / wie viel deiner Vätter im Heydenthumb ohne die Erkäntnuß Christi gestorben / vnd wie viel tausent noch heute sterben / ohne dieses selige Erkantnuß? was haben wir gethan? Oder womit haben wir es verdienet / daß wir so reich an aller Lehr vnd Erkäntnuß geworden seyn. Dieser Schatz ist vns gegeben durch Jesum Christum / durch jhn seyn wir reich gemacht an allen Stücken / Christus hat zu erst die himlische Erbschafft verdienet / hernach vereiniget er sich selbst mit vns durchs Wort. GOtt der himlische Vatter nach dem er versöhnet ist / durch den Todt seines Sohns / ruffet vnd ziehet er vns zu Christo seinem Sohn / daß wir in vnnd durch jhn das Erbe empfahen. Wann wir kommen seyn zu der Gemeinschafft deß Sohns GOttes / seynd wir eins mit ihm / vnd Gottes Kinder vnd Erben. All das gute / daß wir in vnnd bey der Erkändtnuß GOttes haben vnd erwarten / kompt durch Christum JEsum. Diß ist ja ein denckwürdiger Schatz / so Paulus allezeit Danck gesagt hat für andere / die mit diesem Reichthumb begnadet seyn / was soll dann ein jeder für sich thun? (Faraphrasis.) Auß gesagten ist genug zu ersehen / die Meynung deß Apostels in dieser Epistel / der so viel sagen will: Ihr wisset meine Lieben / wie jhr in der Heydenschafft / vnd von Natur arm vnd blind gewesen seyd an allem was gehöret zur Seligkeit: nun aber seyd jhr reich gemacht durch das Evangelium Christi / vnnd mangelt euch zur Seligkeit nichts / vnnd wartet nur auff die Offenbahrung ewerer Hoffnung / welches euch auch GOtt gewiß erhalten wird / diß erkennet mit mir für ein Gnadenschatz in Christo / wie ich dann darumb GOtt allezeit für euch dancke? (Apostoli inhac epi-) Mit solcher Dancksagung erkläret er nicht allein sein geneigtes Gemüth gegen die Corinther. Dann wahre Freunde haben
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Frewd vn̅ Leyd gemein; sondern er gewinnet auch hiemit die Gunst(stola intentio.) der Corinther / vnd macht zunicht der falschen Apostel Fürgeben / als wann die Corinther nicht genugsam von Paulo an Lehr vnnd Erkändnuß versorget weren / alldieweil jhnen noch nicht geschencket weren alle die Gaben / damit im Anfang deß Newen Testaments die Christliche Gemeinen gezieret wurden; solchem Einbilden setzet der Apostel entgegen den Reichthumb seiner Lehr / vnnd bezeuget damit / daß die Corinther vergeblich warten auff höhere vnd bessere Gaben vnnd Beruff / führet sie daneben zur Dancksagung solchen Gnadenschatz zu erkennen / vnnd zum Christlichen Fleiß solcher Gnad nicht zu mißbrauchen. Solchem Anreitzen nach / sollen auch wir denselben Gnaden-Schatz(Usus. Ad redargutionem neglige̅tiae: & ingratio titudinis.) der vnter vns ist mit Danck erkennen. Der meiste Hauff ist leyder sicher vn̅ vndanckbar / bemühen sich vil vm̅ den elenden Leib / vnd andere Eytelkeit dieser Welt / machen sich darinn müd vnnd matt / vnd vergessen dabey dieses Gnadenschatzes in Christo Jesu; wüste mancher einen Gülden zu gewinnen / zur Zeit deß offentlichen Gottesdienstes / wurde er dem Gülden nachlauffen / vnnd die Predigt lassen Predigt seyn. Solches ist fürwar ein grosse Vndanckbarkeit / ja auch eine grosse Vnwissenheit / dann ja die Leuthe nimmermehr in diesen Dingen so säumig seyn wurden / wan̅ sie den Reichthumb desselben verstünden. Viele meynen es sey allzeit so gewesen / daß man gepredigt hat / vnd werde auch so bleiben. Sehe hinder dich / sehe vmb dich / wie viel seyn der elenden Leuthe / denen dieser Gnadenschatz entzogen ist. Zu vielen ist das Wort Christi gekommen / welche doch entweder dasselbige im Grunde vmbgekehret / oder doch bey vielen Irrthumb / mit grosser Schwachheit Christum als den Grund der Seligkeit behalten / daß sie selig werden / doch als durchs Fewr / das ist mit grosser Gefahr. Was ist das für Finsternuß / wann einem die Schrifft verdecket vnnd vergraben ist. Lutherus vber diese Epistel zeuget von sich / vnnd seiner vorigen Vnwissenheit vnter dem Papstumb / wann er zum
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Verstandt eines Spruchs kommen ist / sey jhm gewesen / als wenn er von new geboren were. Darumb ist es freylich kein Pflicht noch Schuldigkeit / wann dir so ein reicher vnnd reiner Verstandt deß Wortes GOttes täglich geprediget wirdt. Es ist so eine grosse Gnad / darfür wir in Ewigkeit nicht genug können Dancksagen. (2. Ad correctione̅, ut 1. Evangeliu̅ de Chri sto thesauriloco habeamus.) Darumb lieben Christen / erkennet doch mit Danckbarkeit diesen Schatz der euch gegeben ist in Christo JEsu / was da führet zu dem wahren vollkomnen Gut / also daß wir keinen Mangel haben / ist billig für ein Reichthumb zu schätzen. Frag Himmel / frag die Erde / frag dein eygen Gewissen / welches doch der beste Reichthumb sey / so werden sie antworten Volle genüge. Was ist aber in der Welt / daß den dürfftigen Menschen bringen kan zur vollen Genüge / ohn dasselbe / welches bringet zu GOTT dem höchsten Gut? Bistu reich an Gold vnd Silber / kan es doch wol seyn / daß du nichts könnest essen / wie im Tantalo von dem Poeten fürgebildet / welche̅ schöne Aepffel in der Höllen biß ins Maul hiengen / die doch von jhm fliehe̅ / so offter darnach schnappet. Gleicher massen ist solches abgebildet / in jenem thörichten Menschen / welcher gewünschet / daß alles möchte Gold werden / welches er anrührte / vn̅ darüber Hungers gestorben ist / dieweil auch nach seine̅ Wunsch die Speiß zu Gold worden / doch seinen Hunger nicht hat stillen können. Bistu reich an Macht vnd Ehre / hebet das nicht auff die Kranckheit vnd Schmertzen deines Leibes. Vnd wann du auch alles hättest / was ein Mensch haben kan / wurde doch vnter den allen nichts gefunden werden / daß dein vnruhiges Gewissen befriedigen könte. Gottes geniessen / das begreiffet alles / dann wie alles vollkomnes vnd wahres Gut ist in GOtt vnd von GOtt: Also wer GOttes geneust / geneust alles guten. Bin ich dann arm / so lebt der Mensch nicht allein vom Brodt / sondern von einem jeglichen Wort / daß auß dem Munde GOttes gehet. Das müssen bezeugen alle Creatur GOttes. Sehet an die Lilien / wer kleydet
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sie? Sehet an die Sonne / wer erhält sie in jhrem Lauff? Der alles erhält / solte der mich nicht erhalten / der ich durch Christum in seinem Hertzen als ein Kind eingeschlossen bin? Bin ich schwach vnd kranck / hab ich einen Artzt / der mich heylet / wie es zu meinem Heyl das beste ist. Bin ich veracht in der Welt / ist meine Ehr bey GOtt. Wie lieblich ist es zu hören / wann der Ertzengel spricht zu Daniel / O du lieber vnd werther Mann für GOtt. Ich kan über die massen stoltz werden / wenn ich verachtet bin / vnnd sehe die Ehr vnd Pracht der Welt / vnd bedencke dagegen / wie thewr vnd werth meine Ehr für GOtt sey / was acht ichs / wann mich kein Mensch ehret / vnnd mich nur GOtt ehret? Solte mir auch alles entzogen werden / so ist mein grosser Schatz / wiewol verborgen / dann noch gewiß vnd warhafftig in Christo. Es ist noch nicht erschienen was wir seyn. HERR wann ich nur dich habe / so frag ich nichts nach Himmel vnd Erd. Ist nun etwas / daß mich bringe dahin / daß ich GOttes also geniessen kan / das soll auch in der Warheit mein Reichthumb seyn vnd ein werther Schatz. Was ist aber / daß mich dahin bringe? Nichts anders als der Vorrath der heylsamen Lehre. Wer begehret GOttes zu geniessen / der muß recht vnterrichtet seyn / im Glauben vnd heyligen Leben / das thut aber die Predigt von Christo / darumb ist es dein höchster Schatz vnd Reichthumb / wider alles daß dir GOtt gibt hie auff Erden. Bedencke nur ein wenig / was du hast bey dem Evangelio / was solt doch ein Mensch mehr begehren? Ich weiß wann ich getauffet bin / so hab ich Vergebung der Sünden / bin schon gerecht gesprochen / ein Sohn vnnd Erbe GOttes; Bin ich gebrechlich / ja fall ich / so kan ich wieder auffgerichtet werden / vnnd loß gesprochen von allen meinen Sünden. Ich weiß auch / worin ich GOtt ehren kan / vnd wie ich für jhm soll heylig leben. In Nöthen kan ich GOtt anruffen / vnd hab die gewisse Verheissung der Erhörung. Durch die Predigt deß heyligen Wortes redet Gott selbst in mir /
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würcket in mir / vermahnet / tröstet / stärcket / vberwindet in mir / meinstu daß solches ein geringer Reichthumb seye? Was kan doch ein armer Heyde hievon wissen? Einem Christen mangelt nichts beym Evangelio. Wir besitzen GOtt / vnnd werden besessen von GOtt. Es mangelt nichts / als daß nur offenbahret werde JEsus Christus zur Herrligkeit. Daher wird auch der Todt / der sonsten der Natur schröcklich ist / vnd für welchem alle Natur fleucht / einem Christen angenehm / als welcher erfüllet dasselbige / was vns noch mangelt. Diesen Schatz zeyget die Schrifft / vnd erhebt jhn vber aller (Ierem. 9, 22. 24.) Welt Stärck / Reichthumb vnnd Weißheit / Jerem. am 9. Cap. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weißheit / ein Starcker rühme sich nicht seiner Stärcke / ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthumbs. Sondern wer sich rühmen will / der rühme sich deß daß er mich wisse vnnd kenne. Christus selbsten zeyget vns auch diesen (Matt. 6. 20) Schatz / Matth. 6. Ihr solt euch nicht Schätze samblen auff Erden / da sie die Motten vnd der Rost fressen / vnd da die Diebe nachgraben vnd stehlen. Samblet euch aber Schätze im Himmel / da sie weder Motten noch Rost fressen / vnd da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen. Daher auch alle andere Schätze ausserhalb der Erkantnuß Christi nicht einmal für Schätze zu halten seyn / sie trösten (Zeph. 1, 18.) nichts / sie helffen nicht. Zeph. 1. Es wird sie jhr Silber vnd Gold nicht erretten am Tag deß Zorns deß Herrn. Darumb liebte diesen Schatz David höher dann Gold vnnd Silber (Ps. 119. 127.) / Psalm. 119. HERR ich liebe dein Gebott vber Gold / vnd vber fein Gold. Moses hat vmb dieses Schatzes willen auch die Schmache Christi für grösser Reichthumb geachtet / dan̅
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die Schätze Egypti / denn auch Reichthumb ausser Christo ist eine(Ebr. 11, 26) wahre Armuth / die Armuth aber bey der seligen Erkäntuß Christi ist auch für Reichthumb zu schätzen. Darumb halt nit gering diesen Reichthumb / daß euch Christus gepredigt wird / insonderheit seyn Lehrer schuldig nach dem Exempel Pauli mit danckbarem Hertzen zu erkennen / wann diese Gnade in Christo JEsu einer Gemein gegeben wird. Erkennet nit allein lieben Christen danckbarlich diese Gnad /(II. Ut isto thesauro fruamur.) sondern lernet auch / derselben fruchtbarlich zugeniessen. Dann was soll euch sonsten dieser Schatz? Ich achte aber vnd beklage es / daß kaum in einem Geschäffte der Mensche nachlässiger gefunden werde / als in diesem. Solle ein Lehrjung drey oder vier Jahr bey seinem Handwerck seyn / vnnd nichts davon gefasset haben? Aber beym Christenthumb ist mancher aufferzogen dreyssig / viertzig vnd mehr Jahr / vnd hat nichts gründliches davon gefasset. Der Apostel preiset eine solche Erkentnuß / welche durch das Zeugnuß Christi in vns bekräfftiget ist. Du must nicht darumb glauben / daß du also predigen hörest / dann wie woltestu es machen / wann dein Prediger ein falscher Apostel were? Darumb mustu auff ein gewisses Zeugnuß gehen / auff das vnfehlbar Wort Gottes / vnd darinn deinen Glauben gründen / sonst ist dein Glaub kein Glaub / sondern nur Einbilden. Dann so du gedenckest / wer an Christum glaubet der wird selig / vnd weiß nicht was das ist / vnd hast auch dessen kein Grund / was woltestu dem Versucher antworten / so er in deiner Todtes Noth sagte; meinstu daß das wahr sey? Habt jhr nun einen solchen Schatz gesamblet / daß jhr reich(III. Ut thesauru̅ studiosè conservemus.) seyd an der Seelen / vnd gerüstet wieder die Anfechtung / so bewahret solchen Schatz sorgfältig. Ein Kauffmann / der einen Schatz herum̅ führet vnter Dieb vnd Raubern / ist deßzu sorgfältiger. Vn̅ wer ist vnter den Menschen in der Welt / der nicht darauff dencket Tag vnd Nacht / daß sein Vorrath wachse. Aber die Kinder dieser Welt seyn kluger in jhrem Geschlecht / dan̅ die Kinder deß Liechts.
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Die Corinther hatten den geistlichen Schatz vber die maß reichlich. Aber sie kundten jhn auch reichlich miß brauchen / vnd wurden vndanckbar. Lasset vns in der Erkäntnuß Christi danckbarlich verbleiben / als die wir alle Augenblick warten auff die Offenbahrung vnsers Heylandes JEsu Christi. Dann diß ist das einige daß vns noch mangelt / haben wir dann diesen Schatz hie recht gebrauchet / so seynd wir bereyt / wir schlaffen oder wachen / vnnd frewen vns zu erscheinen für Christi Angesicht / die wir haben gelernet vnnd wissen / daß wir seyn in Christo / da werden die Vnglaubigen sehen / was sie nicht haben glauben wollen / vnd werden drüber erschrecken vnnd verderben; die Glaubigen aber werden sich frewen / vnd mehr gutes finden / als sie gehoffet haben. (Conclusio cum grasiarum actione.) So dancken wir nun Gott allezeit für seine Gnad / die er vns gegeben hat in Christo JEsu / daß wir seynd durch jhn an allen Stücken reich gemacht / an aller Lehr / vnd in aller Erkändtnuß / wie dann die Predigt von Christo in vns kräfftig worden ist / also / daß wir keinen Mangel haben an irrgent einer Gabe / vnnd warten nur auff die Offenbarung vnsers HERRN JEsu Christi / welcher auch vns wird fest behalten biß ans Ende / daß wir vnsträfflich seyn auff den Tag vnsers HERRN JEsu Christi / dann Gott ist trew / durch welchen wir beruffen seynd / zur Gemeinschafft seines. Sohns JEsu Christi / der sey gelobet in Ewigkeit. Amen.
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Am XIX. Sontage nach Trinitatis.
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Von der täglichen Ernewerung eines Christen.
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TEXTVS Eph. 4. V. 22. usque ad 29.
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V. 22. LIeben Brüder / so leget nun von euch ab / nach dem vorigen Wandel / den alten Menschen / der durch Lüste in Irrthumb sich verderbet. V. 23. Ernewert euch aber im Geist ewers Gemüthes. V. 24. Vnd ziehet den newen Menschen an / der nach GOtt geschaffen ist / in rechtschaffener Gerechtigkeit vnd Heyligkeit. V. 25. Darumb leget die Lügen ab / vnnd redet die Warheit / ein jeglicher mit seinem Nächsten / sintemal wir vnter einander Glieder sind. Zürnet vnnd sündiget nicht. V. 26. Lasset die Sonne nicht vber ewern Zorn vntergehen. V. 27. Gebet auch nicht Raum dem Lästerer.
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V. 28. Wergestohlen hat der stehle nicht mehr / sondern arbeyte vnd schaffe mit den Händen etwas gutes / auff daß er habe zu geben dem Dürfftigen.

Geliebte in Christo JEsu.
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(Exord. Gratia major apparet in iis, qui vocantur extra Eccle siam, quàm qui intra Ecclesiam. Convenientia.) OB zwar allzeit nur Gnade ist / wann ein sündlicher Mensch zum Reich Christi beruffen wird / so erscheinet doch dieselbe viel grösser bey denen / die ausserhalb der Kirchen zur Gemeinschafft Christi / als bey denen die in der Kirchen beruffen werden. Sie kommen zwar darinn vberein / daß sie alle seyn Kinder deß Zorns von Natur / vnd daß sie alle auß Gnaden beruffen vnd selig werden. Gnad ists / daß vns GOtt erwöhlet hat durch Christum / ehe der Welt Grund geleget ward / vnnd verordnet zu seiner Kindtschafft. Gnad ist es / daß wir erlöset seyn / (Eph. 1, 4. 5.) durch das Blut seines Sohns JEsu Christi. Gnad ists / daß wir (V. 7.) durch dasselbige Blut haben Vergebung der Sünden / vnnd daß (V. 6.) wir bey GOtt angenehm vnnd geliebet werden in dem Geliebten / das ist in Christo JEsu. Gnad ists / daß er vns hat wissen lassen (V. 9.) das Geheimnuß seines Willens. Gnad ists / daß wir zum Erbtheyl (V. 11. 12.) kommen vnd etwas seyn / zu Lobe seiner Herrligkeit. Gnad ists / daß wir versiegelt werden mit dem H. Geist der Verheissung / welcher ist das Pfandt vnsers Erbes. Selig seynd wir / wann wir erkennen die selige Hoffnung dieses Beruffes / vnnd den Reichthumb deß herrlichen Erbes GOttes an vns seinen Heyligen: Wir seynd (V. 3.) schuldig mit dem Apostel herauß zu brechen: Gelobet sey Gott / vnnd der Vatter vnsers HERRN JEsu Christi / der vns gesegnet hat mit allerley geistlichem Segen / an himlischen Gütern durch Christum.
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Diß ist ein gemeine Gnad / daran sich halten muß ein jeglicher(Discrepa̅tia.) der gedenckt selig zu werden / doch erscheinet dieselbe viel grösser / wann sie auch den Heyden mitgetheylet wird. Dann wie grösser die Gefahr ist / je herrlicher ist auch die Erquickung. Es haben gewißlich dieselbe die in der Christenheit aufferzogen werden / einen grossen Vortheyl für denen / die daraussen seyn / sie hören täglich GOttes Wort / stehen im Bund der Gnaden / jhr Same ist heylig vnd gesegnet nach der Verheissung: Ich will dein Gott seyn / vnd deines Samens GOtt. Die armen Heyden aber seyn(Eph. 2, 12.) todt in Sünden / haben jhren Wandel in den Lüsten deß Fleisches / vnter dem Fürsten der Finsternuß / vnd wissen nichts bessers: Sie seyn ohn Christo / frembd vnd ausser der Burgerschafft Israel / vnd Frembd von dem Testament der Verheissung. Daher sie keine Hoffnung haben / vnd seyn ohne GOtt in der Welt. Wann nun GOtt der reich ist von Barmhertzigkeit sie auß solchem Jammer versetzet in das Reich seines Sohns / vnd sie wiedergebühret / daß sie seyn in Christo JEsu / daß auch die / die weyland(V. 13. 18. 19.) ferne waren von der Gnad / nahe kommen durch das Blut Christi / also daß sie haben sampt vns einen Zugang in einem Geist zum Vatter / da sie nicht mehr seyn Gäste vnnd Frembdling im Reich GOttes / sondern Burger mit den Heyligen vnd GOttes(Eph. 3, ???.) Haußgenossen. Das ist ein vnaußgründliche Gnade / vnd vnaußforschlicher Reichthumb Christi. Dann wie einer mag von Glück sagen / der im Schiffbruch errettet wird / da viel andere in derselben Noth von dem wilden Meer verschlungen seyn: Also mag der singen von Grund vnd Barmhertzigkeit / der auß der Heydenschafft bekehret ist / als welcher dem ewigen Verderben entrunnen / darinnen viel tausent versincken / vnnd ersauffen müssen ewiglich. Dieses ist / daß Paulum treibet zur Dancksagung für seine(Gratia quò major, hoc magis pel-) Epheser / wann er die Epistel an jhnen also anhebet: Gelobet sey
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(lit ad gratitudinem novae vitę.) GOtt vnd der Vatter vnsers HERRN JEsu Christi / der vns gesegnet hat mit allerley geistlichem Segen / in himlischen Gütern / durch Christum. Hieher treibet er sie auch zu einem danckbarlichen Leben. Dann das ist die Summa der gantzen Epistel. Ihr seyd beruffen zur Gemeinschafft Christi (Eph. 4, 1.) JEsu. Darumb wandert würdiglich / wie es sich geziemet ewerem Beruff. Dann wer einmal auß dem Reich der Finsternuß gezogen / vnd ein lebendiges Glied an dem Leibe JEsu Christi worden ist / vnd wendet sich dennoch wieder zur vorigen Vnreinigkeit / der schändet den Leib Christi / vnd stürtzet sich wissentlich ins Verderben. Diß treibet der Apostel im 4. vnd 5. Cap. Wie er dann auch sonst allenthalben vermahnet vnnd reitzet zum Christlichen Wandel / wie wol mit vnterschiedlichen Worten. In gegenwärtiger Lection thut ers vnter dem Bilde einer Ernewerung. (Ad novam piamque vitam saepè excitandi Christiani.) Solch Vermahnen muß noch stätig getrieben werden / dann es wird nimmer dahin kommen / daß daß Fleisch für Frewden springe vber dem guten / wie es der Geist gerne wolte / wann einer schon das Wort GOttes gerne hört / es lieb vnnd werth hält / ist doch das Fleisch faul / vnnd wieder bellet / ja setzet sich starck zu wieder. Darüber feyrt der Sathan auch nicht / findet er so viel Raum / daß er mit den Spitzen seiner Klawen ansetzen kan / dringet er bald gantz nach / so dann Glaub vnd Geist kaum können fort kommen / wann man schon immer treibet mit dem Worte / vnd den Menschen auffmuntert / was würde geschehen / wann man diß treiben liesse anstehen? So vnachtsamb seyn alle Menschen / wie herrlich sie auch seyn / daß sie ohn treiben nicht fort kommen / nichts thun / sondern vielmehr in der Gottseligkeit verkalten. Darumb soll niemand gedencken / diß hab ich lange gewust / ich kans auch andere selbst lehren. Die wir andere lehren vnd treiben / bedürffen gar sehr / (Thema.) daß wir wieder getrieben werden. Darumb wollen wir auch nun dem Geist GOttes zuhören / wie er die Christen zu der Ernewe
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rung treibet / dadurch sie das alte sollen ablegen / vnd ein newes anziehen. GOtt gebe daß es fruchtbarlich geschehe durch Christum Amen. DIe Ermahnung deß Apostels zur Ernewerung in vnser(1. Regula Apostolica de renovatione.) Epistel lautet also: So leget nun von euch ab / nach dem vorigen Wandel / den alten Menschen / der durch Lüste in Irrthumb sich verderbet; Ernewert euch(V. 22. 23. 24) aber im Geist ewers Gemüths / vnnd ziehet den newen Menschen an / der nach Gott geschaffen ist / in rechtschaffener Gerechtigkeit vnd Heyligkeit. Die Ernewerung ist eine Wiederbringung eines veralteten(Quid sit renovatio.) vnd besudelten Dinges zu seinem vorigen Glantz vnd Schönheit / als wann eine Kammer oder Gemähld ernewert wird. Eben so muß es auch mit einem Christen zugehen / der Mensch ist erschaffen anfänglich in einer herrlichen Schönheit / in dem er trug das Bilde GOttes / er ist aber häßlich gemacht durch Betrug deß Sathans / darumb muß er ernewert / vnd zu seiner vorigen Schönheit geführet werden. Daran wird der Grund geleget / in der Vergebung der Sünden durch Christum. Die Vergebung der Sünden vnnd die Gerechtfertigung geschiehet in einem Augenblick. Dann in demselben Augenblick / wann ich Christum durch den Glauben ergreiff / bin ich loß gesprochen von allen meinen Sünden / bin gerecht / vnd hab den Himmel vnnd Seligkeit in Christo / aber die Ernewerung ist nicht gantz da / daran muß der Mensch noch arbeiten so lang er lebet / dann auch Paulus zeuget / 2. Cor. 4.(2. Cor. 4. 16) Daß der innerliche Mensch bey rechtschaffenen Christen ernewert werde von Tag zu Tag.

Aug. lib. 14. de Trinit. C. 16.
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Prima curatio est causam removere languoris, quod peromnium fit indulgentiam peccatorum: Secunda ipsum sanare
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guorem, quod fit, paulatim proficiendo in renovatione hujus imaginis. Bernh. in serm. de Coen. Dom. In casu primi hominis cecidimus omnes. Cecidimus autem super acervum lapidum, & in luto. Unde non solùm inquinati, sed & vulnerati & graviter quassatisumus. Lavari quidem citò possumus; ad sanan dum verò opus est curatione multa. Lavamur igiur in Baptisma, & sanamur in tota vita per verbum & Sacramenta. (Objectum renovandum; spir. mentis.) Dasselbe was bey einem Christen soll ernewert werden / nennet der Apostel den Geist deß Gemüths: Ernewert euch im Geist ewers Gemüthes / das ist die innerliche Krafft der Seelen / deß Verstandes / deß Hertzens / vnd aller Begierden / den wie auß dem Hertzen / als auß einem Brunnen alles böses herauß quillet / also müssen auch alle gute Werck von Hertzen gehen / vnd werden auch von GOtt nach dem Hertzen gerichtet. Gehet derhalben die Christliche Ernewerung viel weiter / als der eusserlicher ehrbarer Wandel der Heyden. Ein ehrbarer Heyde vermag auch zu wiederstehen / der Flammen der Begierd / deß Zorns / deß Hasses / der Rachgierigkeit / vnnd sich bezwingen; aber er ist nicht ernewert am Sinn deß Gemüths / es mangelt jhm das newe Liecht an der Seelen / die lebendige Erkäntnuß Gottes vnd seiner Gnaden / es mangelt jhm der Geist Christi / der Werckmeister der rechten innerlichen Ernewerung / von welcher herkommen die heyligen Früchte / Liebe / Fried vnd Frewd. Darumb muß ein Christ lange nicht damit zu friden seyn / daß er im eusserlichen Leben vnsträfflich ist / er muß arbeyten an dem rechten innerlichen Grund der Seelen / daß derselbe ernewertwerde. (Pars deponenda, vetus homo.) Soll aber der inwendigste Grund der Seelen ernewert werden / so muß er verändert werden / eins muß er ablegen / das ander (1. quid sit.) muß er annehmen. Das abgeleget soll werden / nennet der Apostel den alten Menschen: So leget nun von euch ab den alten
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Menschen / der durch Lüste in Irrthumb sich verderbet. Der alte Mensch ist der Mensch / wie er von Natur nach dem Fleisch von Vatter vnnd Mutter gezeuget wird / oder viel mehr / die angeborne böse Art / welche von Adam herkompt / daß der Mensch ist ohn recht Erkantnuß Gottes / ohn Furcht vnnd Liebe GOttes / vnd nur zum bösen geneiget. Diesen alten Menschen beschreibet der Apostel / daß er(2. ejus proprietas, seductricibus cupiditatibus se corrumpere.) durch Lüst in Irrthumb / oder durch die verführische Lüste sich verderbe. Er verderbet sich / in dem er täglich ärger wird. Er verderbet sich / in dem er ein Stanck wird. Wie mehr er sündiget / wie mehr er stincket / vnd ist der alte Mensch für GOttes Augen nichts anders / als ein todter Leib / voller Würm vnd Vnflath. Wie zahrt ist doch mancher Mensch / vnnd mag keinen Gstanck erdulden / vnd ist doch in der Warheit vnd für GOtt der allergrewlichste Stanck. Dan̅ da alle Creaturen in jhrem Wesen seyn wie sie GOtt erschaffen / vnd GOtt dienen nach jhrem Vermögen / ist der Mensch allein verderbet / vnnd durch die Sünd zu einem Grewel geworden. Es verderbet sich der alte Mensch / in dem er auff sich ladet die Tyranney deß Satans / den ewigen todt / vnd das ewige Verderben. Also verderbet sich der alte Mensch / durch die verführische Lüste / in deme er folget / seinen angebornen Lüsten. Die heissen recht verführische Lüste. Dan̅ in dem der Mensch lebet nach dem Trieb deß Fleisches / vnd wehret nicht dem Zorn / der Vnzucht / der Trügerey / der Wollust / vnd andern vnersättlichen Lüsten; Thut ers doch alles vnter dem Schein deß guten / vnd soll noch gut vnnd ehrbar heissen: Als wann er seinen Zorn vnd Vnmuth außgeust vber seine vntergebene / muß es heissen / daß er strenge disciplin halte. Wann er dem Geitz / dem Liegen / vnnd Triegen nachgehet / muß es ein Fleiß heissen / daß er begehre sich vnd die seinen zu ver
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sorgen. Vnd in Summa / wann ein Weltmensch seinem Fleisch allen Willen lässet / soll er sich einbilden / es sey kein ehrbarer vnnd reputirlicher Mensch auff Erden / als er. Da ist dann zweyerley bey einander / erstlich die Lüste vnd angeborne Vnart / Vnheyligkeit vnd Vngerechtigkeit. Zum andern der Irrthumb / daß der Mensch bey solcher natürlicher Vnart / sein Leben für gut vnd ehrbar hält; das verderbet jhn dann also / daß er immer ärger wirdt / immer stünck ender / vnnd häuffet sich den Zorn vnnd die Verdamnuß. (3. quomodo sit deponendus.) Diß ist der alte Mensch / den ein Christ soll ablegen; wie aber? Kan er den alten Menschen wol außziehen? Kan ein Mensch auch wol seyn ohn den alten Menschen? Freylich wird man bey diesem Leben den alten Menschen nicht gantz vnd gar ablegen. Ein jeglicher wird jhn noch bey sich fühlen. Darumb auch lebet kein Christ / dem nicht diß gesagt ist; leget ab den alten Menschen. Wie solls dann zugehen? Der Apostel sagt: Leget von euch ab nach dem vorigen Wandel / den alten Menschen. Davon hat er (V. 17. 18.) vorhin also geredet: So sage ich nun / vnnd zeuge in dem HERRN / daß jhr nicht mehr wandelt wie die andern Heyden wandeln / in der Eytelkeit jhres Sinnes; welcher Verstandt verfinstert ist / vnd sich entfrembdet von dem Leben / daß auß GOtt ist / durch die Vnwissenheit / so in jhnen ist / durch die Blindheit jhres Hertzen / welche ruchloß sind / vnd ergeben sich der Vnzucht / vnnd treiben allerley Vnreinigkeit sampt dem Geitz. Darumb ob schon der alte Mensch / sampt der Wurtzel nicht kan außgereutet (Galat. 5, 19. 20.) werden / muß doch ein Christ nicht die Früchte desselben außschlagen lassen; sondern meiden die offenbare Werck deß Fleisches: Als da seyn Ehebruch / Hurerey / Vnreinigkeit / Vnzucht / Abgötte
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rey / Zauberey / Feindschafft / Hader / Neid / Zorn / Zanck / Zwytracht / Rotten / Haß / Mord / Sauffen / Fressen vnd dergleichen. Hievon redet Paulus zun Römern am 6. also: So lasset nun(R 5. 6. 12. 13) die Sünde nicht herrschen in ewerm sterblichen Leibe / jhr Gehorsamb zu leysten in jhren Lüsten. Auch begebet nicht der Sünden ewre Glieder durch Waffen der Vngerechtigkeit / sondern begebet euch selbst Gotte / als die da auß dem Todt lebendig sind / vnnd ewre Glieder GOtt zu Waffen der Gerechtigkeit. Die Summa ist / ob wol die Sünde in vns wohnet vnd sich reget / soll doch ein Christ derselben nicht folgen / vnnd jhrem treiben Gehorsam leysten / das heist dann ablegen den alten Menschen / welches das erste ist / das gehört zur Ernewerung. Das Gegentheyl / welches ein Mensch muß an sich nehmen /(Pars induenda; novus homo.) ist der newe Mensch; ziehet an den newen Menschen / der nach Gott geschaffen ist / in rechtschaffener Gerechtigkeit(1. Quid sit.) vnd Heyligkeit. Wann der sündhafftige Mensch zu Christo kompt / durch den Glauben / vnd durch den Geist Christi ein ander Hertz vnd Gemüth bekompt / als er von Natur gehabt / so heist er ein newer Mensch. Oder viel mehr magstu durch den newen Menschen verstehen die Kräffte vnd Gaben deß H. Geistes / die in der newen Geburt vber vns außgegossen werden. Solchen newen Menschen beschreibet der Apostel also:(2. ejus proprietas, creari ad imaginem Dei.) daß er ist nach Gott geschaffen / in rechtschaffener Gerechtigkeit vnnd Heyligkeit. Er wird nach GOtt geschaffen / das ist / nach seinem Ebenbilde / also daß das Bilde Gottes wieder anfang in dem Menschen zu leuchten. Dann gleich wie im Anfang der Mensch zum Bilde GOttes erschaffen. Also wird er auch durch Christum zu demselben Bilde ernewert. Fragstu
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aber worinn das Bilde Gottes bestehe? So antwortet der Apostel; In rechtschaffener Gerechtigkeit vnnd Heyligkeit. Gerechtigkeit begreifft in sich alle Christliche Tugenden / alles was recht vnd wol geschicht. Wann solches gerichtet wird ohne Heucheley zu der Ehre GOttes / daß wir GOtt vnnd seinem heyligen Willen dadurch gleich werden / so heist es eine Heyligkeit. Darumb bestehet das Bilde GOttes / vnnd der Adel deß Menschen nicht in dem Leibe / vnnd leiblicher Schönheit / nicht in leiblichen Gütern / nicht in der Seelen / vnd natürlichen Gaben der Seelen. Dann das mag auch am Gottlosen gefunden werden; sondern in Gerechtigkeit vnd rechtschaffener Heyligkeit / daß der Verstandt mit Göttlichem Liecht erleuchtet werde / vnd GOtt schaw in seiner Gnad / wie er sich in Christo vätterlich offenbaret hat / vnd der Will zu GOtt gezogen werde / vnd nur wolle was Göttlich ist. (3. quomo do induatur.) Solchen newen Menschen muß ein Christ anziehen / das ist / er muß die Eygenschafft eines newen Menschen an sich nehmen. Nicht daß er fort vollkommen sey / sondern weil er vnvollkommen ist / muß er täglich arbeiten vnnd darnach streben / daß die Eygenschafft eines newen Menschen in jhm erfunden / vnnd er nach Gottes Bilde ernewert werde. (II. Regulae???mpla.) Biß daher haben wir in gemein besehen / wie ein Christ muß ernewertwerden. Eben das zeyget folgends der Apostel auch mit gewissen Exempeln in vnterschiedlichen Stücken / nemblich wie in der Ernewerung das alte muß abgeleget / vnd ein newes angenommen werden. Das erst Exempel ist genommen von der Lügen vnd (1. De deponen do me̅dacio.) Warheit. Darumb leget die Lügen ab / spricht der Apostel / vnnd redet die Warheit / ein jeglicher mit seinem Nächsten / sintemal wir vntereinander Glieder sind. Die Welt (V. 25.) leuget vnd treuget in geistlichen vnnd weltlichen Sachen / das ist vom alten Menschen Dann diese Kunst hat sie von jhrem Meister
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dem Sathan gelernet / der ist ein Lügner von Anfang / das muß aber für der Weltherrlich Ding seyn. Dann niemand will ein Lügner seyn / sintemal auch der Sathan selbst sein Betrug übet vnter dem Schein der Warheit: Also wer mit Betrug seinen Vortheyl gesuchet / achtet es für Klugheit vnd Fürsichtigkeit / damit betreugt sich dann der elende Mensch / vnd wird je mehr vnd mehr durch die betrügliche Lüste verderbet. Hingegen / Warheit ist ein Stuck eines newen Menschen / dann das finden wir in GOtt / vnd kompt vberein mit seinem heyligen Willen. Dann GOTT handelt auffrichtig in allem seinem Thun. Darumb muß ein ernewerter Christ alle Lügen / alle Verleumbdungen in Worten / allen Betrug im Handel meiden / vnnd dargegen sich der Auffrichtigkeit vnd Warheit befleissigen. In Sprüchwörtern am 12. Cap. spricht der weise König: Falsche(Prov. 12, 22.) Mäuler sind dem HErrn ein Grewel / die aber trewlich handeln gefallen jhm wol. Es setzet auch der Apostel diese Vrsach hinzu / warumb wir(Ratio.) die Warheit vntereinander lieben sollen / dieweil wir vntereinander Glieder seyn. Kein Glied soll mit dem andern betrüglich vmbgehen. Gleich wie ein Politisch Regiment durch Trew vnd Glaub erbawet / durch Falschheit vnd Lügen aber sehr verunruhiget wird: Also wird vielmehr die Einigkeit der Liebe / die vnter Christen seyn soll / durch Vntrew sehr verletzet. Das ander Exempel ist genom̅en vom Zorn: Zürnet vnd(2. De fugie̅dâ irâ.) sündiget nicht / laßt die Sonne nicht vber ewern Zorn vntergehen. Diß ist genommen auß dem 4. Psalm: Da auch(Psalm. 4, 5???.) stehet: Zürnet jhr so sündiget nicht. Zürnen an jhm selbst ist nicht böß. Dann GOtt zürnet auch. Derwegen / wie mehr ein Mensch GOtt liebet / wie mehr er vber das böse zürnet. Aber der
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alte Mensch / der durch die verführische Lüste sich verderbet / will allen seinen Zorn für gut vnd gerecht gehalten haben. Er will nicht das Ansehen haben / daß er vnbillich zürne / vnnd damit verderbt er sich / vnd wird immer ärger. Dagegen spricht der Geist: Wolt jhr zürnen / so zürnet vber das böse. Zürnet aber also / daß ewer Zorn nicht zur Sünden werde. Solches kan leicht geschehen / entweder wann wir vnbillig vnd ohn Vrsach zürnen; oder so wir zu hefftig / oder auch zu lange zürnen / daß auß dem Zorn ein Haß wirdt. Hie kans ein Christenmensch leicht versehen. Die erste Bewegung vnd Trieb zum Zorn stehet nicht in vnser Hand. Bey deinen guten Freunden vnd Bekandten wirstu offt viel sehen vnd hören / daß dich verdreust. Da wird dir auch ein Wort entfahren / daß einem andern nicht mit ist / diß müssen wir fühlen / so lang wir vnter Leuthen vmbgehen / vnd können vns deß nicht erwehren. Dann ohne daß die Natur so schwach ist / stellet vns der Sathan zu sehr nach / macht es dem Menschen zu viel / biß daß er jhn verbittere / vnnd in Zorn jage. Darumb bistu ein Christ / mustu acht auff deinen Zorn haben / daß du so zürnest / daß du nicht vber dem Zorn deinen Gott verlierest. Hüte dich / daß du nicht thuest / was dir dein Zorn gebeut; wirstu aber vbereilet im Zorn / vund greiffest zu weit / so fahre nicht fort / sondern schlag in dich / vnnd laß die Sonne vber deinen Zorn nicht vntergehen. Das ist ein Werck deß newen Menschen / der betet wieder den Zorn / vnd redet mit seinem GOtt / vnd bey sich selbst in seinem Gemüth auß GOttes Wort / vnd so er deß Abends bettet: Vatter / vergib vns vnsere Schuld / als wir vergeben vnseren Schuldenern; gedenckt er: Sihe / GOtt hat dir viel mehr vergeben / als ein Mensch immer wieder dich sündigen kan. Was solten aber das für Christen seyn / die nicht eine Nacht Zorn behalten / sondern wol Jahr vnnd Tag? Das ist ein recht teuflischer Zorn / dann deß Teuffels Zorn in der Höllen ist nicht zu sättigen noch zu löschen. Er hat einen grossen Zorn gefasset / vnnd suchet wen er verschlinge. Er ist nicht befriedigt damit / daß er das gantze
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menschliche Geschlecht zu Fall gebracht / er suchet noch / wie er alle Menschen ins Verdamnuß möge stürtzen. Dieses seyn Mordt- vnd Zorn Bilde / will er auch gern in vns drucken. Dafür aber erschrecken fromme Christen / vnd hüten sich / daß wo sie ja vbereilet werden / dennoch jhr Zorn nicht vber Nacht bleibe / damit nicht / wann die Sonne deß Himmels vber jhrem Zorn vntergehe / auch die Sonne der Gerechtigkeit vber jhrem Zorn vntergehe in jhrem Hertzen. Wann Christus als das Liecht der Seelen / außgetrieben wirdt / so erfüllet die ledige stätte / der Vatter der Finsternuß. Das ist dann wol ernewert! Vnd wer weiß / ob das nicht deß Geistes eygentliche Meynung(Ratio.) ist / wann er spricht: Lasset die Sonne vber ewern Zorn(V. 27.) nicht vntergehen / vnd gebet nicht Raum dem Lästerer: Der Ertzlästerer ist der Sathan; der deßhalben auch Diabolus Teuffel vn̅ ein Lästerer heißt. Der wolt vns auch gerne zu Teuffels genossen machen; dazu fanget er vom geringen an / vnd bläset im̅er zu / daß auß einem Füncklein ein groß Fewr wird. Wir erfahren im Zorn / welche boßhafftige Gedancken wieder vnsern Nächsten vns einfallen / wie wir nur das ärgste gedencken. Da ist das Füncklein angeleget / da feyret der Sathan nicht / sondern bläset vnnd scheuret zu / daß der Haß vnnd Bitterkeit grösser wirdt. Wann dann ein Christ die erste Brunst nit löschet / sondern lässet sie in jhm wachsen / da ist dem Lästerer zu viel Raum in der Seelen gegeben / der verdringet das Liecht der Seelen Christum / das muß vber vnserm leydigen Zorn in vns verschwinden. Dagegen warnet der Geist: Gebet nicht Raum dem Lästerer; wie auch bey Jacobo am 4. Capitel. Wiederstehet dem Lästerer dem Teuffel /(Iac. 4, 7.) so fleucht er von euch. Sonsten wird auch dem Lästerer Raum gegeben / wann vmb vnsers lasterhafftigen Lebens willen / die himlische Lehr in Verachtung kompt. Der Teuffel suchet ohne daß allezeit Vrsach mit seinen Schuppen / das Evangelium vnnd den
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Namen GOttes zu lästern. Wann jhm dann durch das vnchristliche Leben Gelegenheit gegeben wird / weiß ers sich zu nutze zu machen / vnd ruffet auß: Sihe das seynd Evangelische Leute; das ist jhr Christus den sie gelehret haben! Wer in Christo ernewert ist / begeret dazu dem Teuffelkeine Vrsach zu geben. (3. De furto & labore.) Wir kommen auffs dritte vnd letzte Exempel / von vnchristlicher Handthierung davon spricht der Apostel: Wer gestohlen (V. 28.) hat / der stehle nicht mehr / sondern arbeite vnnd schaffe mit der Hand etwas guts / auff daß er habe zu geben dem Dürfftigen. Stelen ist / nicht allein wann man ander Leute Geld vnd Gut / es sey gering oder groß / entweder mit Macht / oder durch Trug vnnd List an sich bringet / sondern auch nach deß Apostels Sententz / wann man nicht arbeytet / vnd etwas redliches würcket / daß man habe zu geben dem Dürfftigen. Dann wer kan mit Ehren etwas erwerben für sich vnd andere Dürfftigen / vnnd thut es nicht / der hat den Armen entzogen / was er jhnen schuldig ist / vnnd heist stehlen. Das alles ist vom bösen / darumb muß mans ablegen. Wer gestohlen hat der stehle nicht mehr. Hingegen müssen wir vns befleissigen eines redlichen Wandels / daß wir arbeiten / vnnd mit vnsern Händen etwas redliches schaffen / das ist / ein jeglicher soll seines Beruffes fleissig abwarten / daß er darinn mit Ehren sei (Objectum laboris.) Brodt gewinne. Merck aber 1. daß der H. Geist einen Vnderschied mache vnter den Handthierungen / dann er will nicht daß wir mit vnsern Hände̅ würcken / was vns beliebet / sondern etwas gutes vnd redliches / damit den Leuthen gedienet / vnd GOtt nicht erzürnet werde. Darumb mag sich wol einer bedencken / wer ein gutes Gewissen haben will / zu welcher Handthierung er sich vnnd seine Kinder begibet. Schändliche vnnd vnnützliche Künste vnnd Gewerbe / damit weder GOtt noch Menschen zum guten gedienet wird / müssen bey einem auffrichtigen Christen nicht seyn. Merck (Ratio.) zum 2. zu was Ende du nach täglichem Brodte streben solst.
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Der H. Geist will / daß du ein Stuck Brodes mit Ehren suchest / nicht allein für dich / sondern auch für die Arme / daß du habest zu geben dem Dürfftigen. Darumb die jhr Brod vnnd Geld für den Dürfftigen verschliessen / mögen in jhrem Gewissen bedencken / ob sie das Ampt eines newen Menschen vollenbracht haben. Es seyn nun Liegen oder Triegen / Zorn oder Vnrecht / oder(Summ???) sonst ein ander Stuck deß alten Menschen / so sollen wir / die wir Christen seyn es ablegen / vnd im Grunde deß Hertzen vns ernewren / daß wir dem Ebenbilde Gottes jmmer ehnlicher werden / das ist die Summa dieser Epistel. Selig seyd jhr / weil jhr solches wisset / wann jhrs thut / was(Invitatio ad praxin.) wir aber hiebey thun / das wird vns vnser eygen Gewissen sagen. Frag dich nur / ob du auch jemals angefangen hast dich von Hertzen(1. Redarguitur ad renovationem negligentia.) zu ernewern / vnd ein ander Mensch zu werden / vnd so du angefangen / frag dich wie du darinn bist fortgefahren / es wird sich freylich befinden / daß der gröste Hauff der Christen also leben / als wann nichtes were / daß sie ablegen könten oder solten / sie sprechen ja wol: Wir seyn Sünder; dennoch meynen sie nicht / daß das Sündenkleyd soll abgeleget werden / das ist / die sündliche Gewonheit vnd Wercke; vnd daß solches geschehen soll immer mehr vnd mehr; sie machen sich auch keine grawe Haar darüber. Wir seynd heute / wie wir gestern waren: Ist das wahr / so haben wir ja nicht angefangen vns zu ernewern. Danu soll es heissen daß wir vns ernewern / so müssen wir anders werden als wir jetzt seyn. Merckstu nun in deinem Gewissen / wie auch dir hierinnen(II. Commendatur neglige̅tiae correctio per contrariam diligentiam.) viel mangelt / entweder daß du nicht recht angefangen hast die alte Gewonheit der Sünden abzulegen / oder darinnen nicht fleissig bist sort gefahren / daß du zum Bilde GOttes je mehr vnnd mehr ernewert würdest / so fasse einen andern Muth / dann das ist der Will deß H. Geistes: Leget von euch ab nach dem vorigen(V. 22. 23, 24) Wandel den alten Menschen / der durch Lust in Irr
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thumb sich verderbet / Ernewert euch aber im Geist ewers Gemüthes. Vnnd ziehet den newen Menschen an / der nach GOtt geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit (V. 17. 18. 19. 20.) vnnd Heyligkeit. Vnd vorhin: So sage ich nun vnnd zeuge in dem HERRN / daß jhr nicht mehr wandelt wie die andern Heyden wandeln / in der Eytelkeit jhres Sinnes / welcher Verstandt verfinstert ist / vnd sind entfrembdet von dem Leben daß auß GOtt ist / durch die Vnwissenheit so in jhnen ist / durch die Blindheit jhres Hertzen / welche ruchloß sind / vnnd ergeben sich der Vnzucht / vnd treiben allerley Vnreinigkeit / sampt dem Geitz. Ihr aber habt Christum nicht also gelernet. (Ratio 1. à vera ratione esse̅di in Christo.) Mercke wol / was für Gründe dir zu bedencken der H. Geist hie für leget. 1. Nach dem er das Heydnische Wesen wol beschrieben / setzet er hinzu: Ihr habt Christum nicht also gelernet (V. 20, 21. 22.) / so jhr anders von jhm gehöret habt / vnd in jhm gelehret seyd / wie in Christo die Warheit / vnd ein auffrichtiges Wesen dieses sey / daß jhr von euch ableget nach dem vorigen Wandel den alten Menschen / vnnd anziehet den newen Menschen. Die Welt Christen bilden jhn Christum ein / als eine Freyheit der Sünden / der Geist aber spricht: Ihr habt Christum nicht also gelernet / das ist nicht das rechtschaffene Wesen in Christo. Ich verwundere mich / wie doch der Teuffel das elende Hertz einnehmen kan / vnnd den Menschen bereden / Freyheit sey das rechte Christenthumb / vnnd das Zeugnuß deß Geistes muß nichts gelten: Ihr habt Christum nicht also gelernet.
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Gewiß ists wahr / wann ich durch den Glauben zu Christo kommen bin / so bin ich in der Freyheit für dem Fluch der Sünden / durch das Verdienst meines Heylandes / daran ich mich halte. Bin ich aber in Christo / vnd ist Christus in mir / so hat er mir auch seinen Geist gegeben / der nimmermehr zuläßt / daß ich Lust hab in Sünden zu dienen / davon mich Christus erfreyen will. Fürs ander / erwege den vnterschiedlichen Zustand deß alten(2. à diversa conditione & veteris & novi hominis.) vnd newen Menschen. Der newe Mensch ist auß GOtt vnnd nach GOTT geschaffen / so muß ja der alte Mensch nach dem bösen Geist gebildet seyn. Ists aber kein schändlich Ding den innersten Grund der Seelen / dem Teuffel vnnd seinem Bilde vberlassen / welcher wol könte durch den allerheyligsten Geist GOttes gezieret werden. Was hat doch ein Mensch bey der alten Natur? Da ist weder Heyligkeit noch Gerechtigkeit / da ist keine Gnade GOttes / keine selige Hoffnung / dann er hat nichts zuerwarten / dan̅ ein Zeter Gericht / wer hiezu Lust hat / der bedarff der Ernewerung nicht. Das will ich dir wol sagen / du hast Macht hie zu vollbringen die Lust deines Fleisches / vnd wozu dich deine Natur treibet / aber was hastu für Gewin̅? Du steckest in dem Schlam der Sünden / vnd verderbest dich je mehr vnd mehr / vnd wirst dem bösen Geist gleich / da du wol Göttlicher Natur köntest gleich werden. Welcher an diesem Stande ein Mißfallen traget / der ernewere sich. Darumb alles was jhr wisset / daß dem alten Menschen angehöret(1. Modus. Omne quod co̅tra Deum, est fugiendu̅, & Contrà.) / nemlich alles was Göttlicher Natur vnd Willen zuwieder ist / dem wiederstrebet. Hastu anders gethan / so vnterwirff dich dem H. Geist Gottes / vnd sprich: Ich wills nicht mehr thun. Hingegen weistu etwas / daß zum newen Menschen gehöre / nemblich daß mit GOttes Willen vnnd Natur vberein kompt / dem lauffe nach / hastu es nicht gethan / so wilfertige dem H. Geist GOttes / vnd sprich / ich will mit GOttes Hülff ein ander Mensch werden / der Anfang muß einmal gemacht seyn. Ich rede nicht von eusserli
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chen (2. renovatio inchoanda, ab atimo.) Wercken / ernewert euch an dem Sinn ewers Gemüths / von dem innersten Grund deß Hertzens muß der Anfang gemacht werden / daß der nach GOTT gerichtet sey / so wirdt das eusserliche auch folgen. (3. quotidiè continuanda.) Diß anders werden muß immer bey vns bleiben / derwegen müssen wir mit Bitten vnd mit Flehen / vnnd mit allem Fleiß darnach streben / daß wir täglich anders werden / nach dem Geist vnsers Gemüths / dann ein Christ muß wachsen vnd zunehmen in der Ernewerung. Welcher Mensch aber nicht täglich darnach strebet / daß er sich verändere / vnd nicht eylet zur Vollkommenheit in Christo JEsu / der ist nicht rechter Art. So einer sich selbsten gefällt / vnd sich einbildet / er darff nicht weiter nach einem newen noch bessern Wandel bey seinem Christenthumb streben / da ist ein starcker Argwohn / als sey er durch den alten Menschen zu sehr verderbet / dann dessen Art ist / daß er durch die Lüste deß Fleisches vnnd Gewonheit fahre in einen Irrthumb / als sey es köstlich Ding / vnd durch solchen Irrthumb sich verderbe. Es ist der newe Mensch ein zartes Füncklein / wo das nicht immer auffgeblasen wird / kan es leicht verlöschen / so lang aber müssen wir in dem Fleiß der Ernewerung bleiben / biß wir GOtt gantz gelassen seyn / vnnd jhn in vns würcken lassen / daß nicht wir / sondern Gott in vns lebe / würcke / vnd begehre; daß nicht gesuchet werde was wir lieben / sondern was GOtt liebet / vnd wir also ein reines heyliges Werck GOttes seyn / das heist dann recht nach Gottes Bilde ernewert seyn. Hieran haben wir zu arbeyten so lang wir leben. Darumb auch so lang wir leben heist es: Ernewert euch. Darumb sag ich auch nicht daß wirs erreychen müssen oder erreychen werden / sondern daß wir darnach müssen streben immerdar. Christliche Ritterschafft ist kein Faullentzen. (Co̅clusio.) Wer GOtt fürchtet / der schlägt es nicht in den Wind / dann GOttes Stimm ist es / ernewert euch in dem Geist ewers Gemüths. Nicht mehr wünsch ich auff dißmal / als daß wir alle ein
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solches Gemüth möchten haben / daß dahin strebet / daß wir täglich ernewert würden. Erlange ich solches bey mir vnd andern / so dancke ich dem Vatter JEsu Christi / der vollführe in Gnaden was er hat angefangen zu seinen ewigen Ehren. Amen.

Am XX. Sontage nach Trinitatis.
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Vom Wandel eines erleuchteten Menschen.
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TEXTVS Eph. 5. V. 15. usque V. 22.
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V. 15. SO sehet nun zu / wie jhr fürsichtiglich wandelt / nicht als die Vnweisen / sondern als die Weisen. V. 16. Vnd schicket euch in die Zeit / dann es ist böse Zeit. V. 17. Darumb werdet nicht vnverständig / sondern verständig / was da sey deß HERRN Wille. V. 18. Vnnd sauffet euch nicht voll Weins / darauß ein vnordig Wesen folget. Sondern werdet voll Geistes. V. 19. Vnd redet vnter einander von Psalmen vnnd Lobgefängen / vnd geistlichen Liedern / vnd spielet dem HERRN in ewerm Hertzen.
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V. 20. Vnd saget Danck allezeit für alles / Gott vnd dem Vatter / in dem Nahmen vnsers HERREN JEsu Christi. V. 21. Vnnd seyd vnter einander vnterthan in der Forcht GOttes.

Geliebte in Christo JEsu.
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(Exord. Repugna̅tia Evangelii & naturae.) DAs Evangelium von Christo ist so sehr der Natur zuwieder / daß es entweder gar nicht angenommen wird / oder so es angenommen vnd geglaubet wird / bald durch Sicherheit verlohren wird / in deme die Leute bald daran genug haben / vnd meynen sie habens gar dahin / folgen jhrem Fleische / biß sie die Krafft deß Evangelij verlieren / ehe sie es meynen / daß nichts mehr vberbleibet / als daß sie etwa davon reden können / vnd den Namen eines Christen behalten. (Causae.) Das kompt daher / daß sie nicht bedencken den Grewel / deß fleischlichen Lebens für GOtt / vnnd die rechte Art deß Christenthumbs / dann sie wollen nicht wissen wie Paulus lehret zun Ephes. (Eph, 4, 21.) 4. Daß diß die Warheit / vnd das rechtschaffene Wesen in Christo JEsu sey / ablegen den alten Menschen / vnnd einen newen anziehen. Es kan ja dieses den Christen nicht verborgen seyn / das Wort GOttes ist voll von solcher Lehre / so wirds auch offt gehöret / doch wirds nicht betrachtet. Ich weiß nicht woher es komme / GOtt weiß es / daß so ein klares Wort nicht zu Hertzen dringet / es können ja die Leute nicht sagen / daß das Wort nicht wahr sey / dann sie bekennen es sey GOttes Wort / so können sie auch nicht gedencken / daß es kein Ernst sey / ohne Zweiffel thut viel dazu / daß mit keiner Begierde vnd Ernst das Wort angehöret wirdt / oder wann ja das Hertz vberzeuget vnd beweget ist / daß es sich vornimbt
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nach dem Evangelio zu wandeln / so stosset doch solches Vorhaben die Welt vmb / weil der Mensch mit der Welt muß vmbgehen / dann da wirdt durch der Welt Gewonheit / das Wort vnterdrücket / daß es vergessen wird / vnd alle Krafft verliere. Hingegen ist jm kein besser Mittel / dan̅ stätig mit dem Worte(Remediu̅.) GOttes vmbgehen / damit der gute Vorsatz erhalten / vnnd stätig ernewert werde / dann wir müssen dran gedencken / daß wir noch in der Welt leben / da der Teuffel sein Reiche hat / vnd wir Fleisch vnd Blut am Halse tragen / darumb müssen wir nicht ohne Sorge seyn / als seyn wir ohn alle Gefahr / wie weiter man das Liecht auß den Augen setzet; jemehr vberfällt vns die Finsternuß. In gegenwärtiger Lection / schreibt vns der Apostel etliche Regulen für / vom Wandel eines erleuchteten Menschen / auch zu solchem Ende / daß er vns vnsers Standes vnnd Amptes erinnere / vnnd ist eben das erste Stück vnter diesen / Von Vorsichtigkeit / daß wir vnsern Wandel nach GOttes Wort anzustellen sorgfältig seyn / wann dann durch solche Apostolische Vermahnung nicht allein eine fleissige Seele gestärcket / sondern auch die entschlaffene Seele auffgewecket / vnnd die blinde er leuchtet wird / wollen wir diesen Apostolischen Regeln Christlich nachdencken /(Thema.) daß wir darauß nicht alleine erkennen / was zu einem Wandel eines von Christo erleuchteten Menschen gehöre / sondern daß wir auch zugleich dazu angereitzet werden / GOtt verleyhe Gnade in Christo JEsu. Amen.
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(Regula 1. Pro Christiana prudentia.) DIE Erste Haupt-Regel führet vns auff die Christliche Fürsichtigkeit. Dann nach deme der Apostel gewiesen / wie alle Erleuchtung von Christo kommen muß / so setzet (1. Generaliter proposita.) er darauff Art vnd Weise / wie dieselbige die nun ein Liecht in dem HERRN geworden / auch als Kinder deß Liechtes wandeln sollen / vnd spricht: So sehet nun zu wie jhr fürsichtiglich wandelt (V. 15.) / nicht als die Vnweisen / sondern als die Weisen / damit will er / daß ein erleuchteter Christ soll fürsichtiglich wandeln. (In qua co̅siderandu̅.) Gleich wie ein Rechenmeister auff sein Regul vnnd Probe muß Achtung geben / wann er etwas genawe will außrechnen / vnd (1. Quid sit prudenter ambulare.) vnd wie in der Messekunst ein Meister ebenmässig auff seine Regul siehet / wann er etwas genawe will abmessen / da er dann nicht irret / so er seiner Regul folget; Also muß auch ein Christ / will er fürsichtiglich handlen / genawe Achtung auff seine Regul haben / daß er davon im geringsten nicht schreite / geschicht das / so heist es ein Christlich-fürsichtiger Wandel. Gleich wie auch ein fürsichtiger Wandersmann / fleissig forschet nach dem rechten Weg / ob er gleich außgehe zur Rechten oder zur Lincken / Ob viel Nebenwege / vnnd welche dieselben seyn / vnnd dann auch genawe Achtung hat auff den Weg / darnach er vnterrichtet ist / daß er nicht auff Irrewege gerathe / Also muß ein vorsichtiger Christ auch thun / daß er ein geistlicher vorsichtiger Wandersmann sey / er findet für sich nicht einen Weg / den Vnterricht (Matth. 7, 13. 14.) laßt vns von Christo hören Matt. 7. Gehet ein durch die enge Pforte / dann die Pforte ist weit / vnd der Weg ist breyt / der zur Verdamnuß abführet / vnnd jhr sind viele die darauff wandeln / vnd die Pforte ist enge / vnd der Weg ist schmal / der zum Leben führet / vnd wenig ist
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jhr / die jhn finden. Damit ist vns der rechte vnd falsche Weg beschrieben / der rechte Weg ist der schmale / dann er gehet gerade auß / vnd läßt vns nicht weiter wandeln / als das Wort vnnd Leben Christi zulässet. Auff diesem engen Steg / muß sich ein Christlicher Wandersmann halten / schreitet man ab vom Worte vnd Leben Christi / da hat man schon den Fuß vom engen Steig auff einen breyten Weg gesetzet / alles was in der Welt geschiehet / vnnd mit Christi Wort vnd Leben nicht vberein kommet / das ist der Abweg / der zur Verdamnuß abführet / der ist sehr breyt / dann da ist der Wandersmann an einen gewissen Gang nicht angebunden / vnd mag das Fleisch nach seinen Lüsten vom Wort vnd Leben Christi / ablauffen / so weit es will / daher seynd auch die meisten die diesen breyten Weg erwöhlen / dann sie lieben das fleischliche. Ferner wan̅ Paulus will / daß wir fürsichtig wandeln / nicht(2. In coconsistere sapientia̅.) als die Vnweisen / sondern als die Weisen / zeyget er damit / daß fürsichtiglich wandeln wahre Weißheit sey / dann das ist ja Weißhe; t / auffs Ende sehe̅ / vnd sein Leben vnd Thun zum rechten Ende richten. Hingegen ist das Thorheit / nach H. Schrifft / diese Fürsichtigkeit nit gebrauchen / auff Gott nicht sehen / vn̅ sein Leben nach Gott nit richte. In der Welt seyn auch weise Leute die von natürlichen Sachen wissen guten Bericht zu geben / Verstand haben eine Gemeine zu regieren / ist aber nicht die Furcht Gottes dabey / so wird diese Weißheit zur Thorheit / solt auch der Mensche mit seiner Weißheit vberwinden alle Scipiones vnd Cicerones. Wann dann der Apostel zur rechten Weißheit / vnnd fürsichtigen(3. quantu̅ studium sit adhibe̅dum.) Wandel einen Christen ermahnet / spricht er nicht schlecht / wandelt fürsichtig / sondern sehet zu / daß jhr fürsichtig wandelt / zeyget damit / daß grosse Auffsicht / vnnd ein ernstlicher Fleiß dazu erfordert wird. Sollen wir aber rechten Fleiß anwenden / müssen wir wissen /(3. Specialiter, expli-) in welchen Stücken Christliche Fürsichtigkeit gespüret wird:
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(plicantur prudentiae partes & modus.) Paulus spricht: Schicket euch in die Zeit / dann es ist böse Zeit / darumb werdet nicht vnverständig / sondern verständig (V. 16. 17.) / was da sey deß HERRN Wille. Will so viel sagen / wollet jhr fürsichtiglich wandeln als die Weisen / so versaumet keine Zeit gutes zu thun; Sprichstu aber / wornach sol ich mich richten / die Verführung ist groß; darumb so werdet nicht vnverständig / antwortet der Apostel / was da sey deß HERREN Wille / ist so viel / damit jhr durch den Teuffel vnd die Welt nit betrogen werdet / so lehret GOttes Willen recht erkennen / damit setzet nun der Apostel zwey Stück zur Christlichen Vorsichtigkeit gehörig / GOttes Willen erkennen / vnd hernach denselben in acht nehmen. (Prior pars prudentię; divinae voluntatis cognitio.) Das erste Stück ist die Erkäntnuß deß Göttlichen Wille̅s GOttes / seyd verständig / vnd nicht vnverständig wie die Vnweisen / dann in Warheit deß fürsichtigen Wandels Anfang ist / den Willen Gottes erkennen / daß man sich im Leben darnach zu richten wisse / dan̅ wie wöllen sie dem Willen folgen / den sie nit kennen / mancher thut ein Ding guter Meynung / vn̅ ist darum̅ nit gut / soll es gut gethan heissen / muß beydes die Meynung / vn̅ die Sache selbsten gut seyn / vnd mit Gottes Willen vber ein kom̅en / darumb ermahnet der Geist GOttes so ernstlich nach dem Willen GOttes zu forschen: Dann er eben in diesem fünfften Capitel an die Epheser nicht alleine spricht: Seyd nicht vnverständig / sondern verständig / was da sey deß HERRN Wille / sondern (Eph. 5, 10.) vorhin; Prüfet was da sey wolgefällig dem HERRN / durch solches Prüfen fordert er / daß man das Leben fleissig gegen GOttes Wort halte / vnnd daß man forsche / wie es damit vberein komme / wie will man aber das Leben nach GOttes Wortprüfen / wenn mans nicht er kandt hat? Zun Röm. 6. Stellet euch nicht
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dieser Welt gleich / sondern prüfet / welches da sey der Gute / vnd der wolgefällige vnnd vollkommene Wille GOttes. Es darff niemand sagen / ich bin zu schlecht vnd einfältig / im Willen GOttes soll man nicht einfältig seyn / Seyd verständig / vnd nicht vnverständig was da sey deß HERREN Wille / wir sollen nicht immerdar vnverständige Kinder bleiben. Hierinn ist zubeklagen / die Nachlässigkeit der Christen / in Erforschung deß Willens GOttes thun sie doch aller dinge / als wann an dem Willen GOttes nichts gelegen were / da doch die Erkäntnuß deß Willens GOttes ist / deß Christlichen Wandels Anfang / vber güldete wol außgeputzete Bücher wollen wir gerne haben / wollen sie aber nicht gerne antasten. Das ander Stück zum vorsichtigen Wandel gehörig / ist der(Altera pars prudentię. Dilige̅tia.) Fleiß alles allezeit in acht zu nehmen / daß wir darinnen GOttes Willen verrichten. Schicket euch in die Zeit / spricht der Apostel / eben das sagt er auch zun Coloss. am 4. Vnd ist nicht die(Colos. 4, 5.) Meynung / daß man eins mitmache mit der Welt / dann es heisset; stellet euch dieser Welt nicht gleich: Die Meynung aber ist / daß wir allerhand bequemliche Gelegenheit in acht nehmen / vnnd darnach vnser Sachen vnd Handelung anstellen / wie wir wissen daß sie Gottes Willen gemäß seyn / dann es spricht eigentlich der Apostel / erkauffet oder nehmet in acht die gelegene Zeit. Gleich wie ein Kauffmann die Zeit nicht versäumet / wann er mit Gewinst einkauffen kan / also gebührets auch einem fürsichtigen Christen / auff die Zeit Achtung zu geben / damit er das gute / welches er darinnen nach GOttes Willen thun kan / nicht versäume / wird derowegen eben das hie erfordert / was gesagt ist zun Galatern(Gal. 6, 10.) am sechsten
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So wir dann nun Zeit haben / so lasset vns gutes (2. Cor. 6, 2.) thun / 2. Corinth. 6. Spricht Paulus auß dem Propheten Esaia / Siehe jetzo ist die angenehme Zeit / jetzt ist der Tag deß Heyls. So lange einem Menschen / das Liecht deß Evangelij scheinet / so lange hat er gelegene Zeit gutes zu thun / es sey die Zeit auch wie sie will / ist die Zeit glückselig / so erzeyge darinnen daß GOtt dir lieber ist / dann alles Gut der Welt / ist die Zeit trübselig / so hast du abermal Gelegenheit / nach GOttes Willen zu üben / Gedult / Zuversicht / vnd Hoffnung / gerathestu vnter Verführer / so hastu Gelegenheit deinen Glauben zu bekennen vnd zuvertretten / steiget in deinem Hertzen auff / fleischliche Lust vnnd Zorn / da ist Zeit zu streiten vnd zu vberwinden / daß du durch Abbruch deines fleischlichen Willens / dem Willen GOttes die Ehre gebest / alles was du zu jederzeit gutes thun kanst / bistu nach dieser Regul schuldig nicht. zu versäumen / hastu es aber versäumet / solls dir so leyd seyn / als hättestu groß Gut verlohren. Was ist es aber daß der Apostel hinzu setzet: Es ist böse Zeit? Ich meyne er rede von einer gewünschten Zeit; kan dan̅ die Zeit zugleich gut vnd böse seyn? Jafreylich / eben die Stunde die gut vnd selig ist / weil vns darinnen das Liecht der Gnaden scheinet / daß wir im Liechte / das ist nach GOttes Willen wandeln können / eben dieselbe Stunde ist auch böse / wegen deß Teuffels Wüten / der Welt Verführung / vnd vnsers eigenen Fleisches Wiederstrebung / dieses alles ist dem Liechte zuwider / darumb mag ein Mensch auff alle Zeit gute Achtung geben / so lange jhm das Liecht der Gnaden scheinet / daß er auch als ein Kind deß Liechtes wandele. Es möchte das Liecht von vns genom̅en werden / da gilt es dann nicht lauffen. Wanns GOtt nicht gibt vnd darbeut / werden wir es mit vnserm Nachlauffen weder finden noch erhaschen / wann aber das Liecht (Esa. 55, 6.) wieder gekommen ist / so nimb es an vnnd gebrauch sein / Esa. 55.
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Capitel. Suchet den HERREN weil er zu finden ist. Kürtzlich die Hauptregul von der Fürsichtigkeit zu wiederholen / so werden wir ermahnet / erstlich nach GOttes Willen flejssig zu forschen / hernach denselben zu aller Zeit / wie die auch sey in acht zu nehmen / vnd nicht zu versäumen / was wir nach Begebenheit der Zeit GOtt zu Dienst thun oder leyden können. Vnd dazu müssen wir grossen Ernst vnnd Fleiß gebrauchen / das wird vnsere rechte Weißheit seyn. Folget die andere Hauptregul / die vns führet auff ein geistliches(II. Regula p spirituali ebrietate.) Wolleben vnd Trunckenheit; Sauffet euch nicht voll Weins / darauß ein vnordentlich Wesen folget / sondern werdet voll Geistes. Die Meynung ist: Wollet jhr frölich seyn / so suchet Frölichkeit nicht beym Wein / sondern in dem heyligen Geist. Damit wird zweyerley Füllerey vnd Frölichkeit gegenander gesetzet; eine ist weltlich / die ander geistlich; eine ist schändlich / die ander selig. Der Schändt-weltlichen Vollerey gilt es / wann gesagt(Rejicitur Ebrietas corporalis.) wird: Sauffet euch nicht voll Weins / darauß ein vnordentlich Wesen folget. Da haben wir außdruckliche helle Worte; darinnen vns GOtt wiederräth vnd verbeut mit Sauffen vns vnd vnsere Sinne zu vberladen. Da möchte ich nun wissen / wie jhr euch GOtt möget einbilden / die jhr wissentlich vnnd vorsetzlich mit Wein oder Bier ewren Leib vnd Sinne vberladet / es geschehe einmal oder offtmal. Andere Laster erkennt man noch etlicher massen / aber Trunckenheit will gar für keine Sünde gehalten seyn / eben als were es nicht ein Wort deß HERREN: Sauffet euch nicht voll Weins. Gedenckt bey Zeit daran / was jhr wollet antworten im künfftigen Gericht / wann euch diese klare Wort werden für Augen geleget werden; sauffet euch nicht voll Weins.
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(Ratio: quia est .) Der Apostel Paulus weiß die Trunckenheit recht zu tituliren / vnd nen̅t es ein vnordentlich / wüstes / heiloses Wesen. Sauffet euch nit voll Weins / darauß ein vnordentlich Wesen folget / oder darin ein heyloses Wesen steckt. Dann man sihet / wie Lutherus in seinen Glossen redet / daß die Trunckenbold wilde / freche / vnverschampte / vnd allerding vngezogen seyn / mit Worten / Schreyen / Geberden / vnd dergleichen. Der weise Salomon (Prov. 20. 1.) in Sprüchworten am 20. Capitel redet also davon. Der Wein macht lose Leute / vnd starck Getränck macht wilde / wer dazu Lust hat / wird nimmermehr weise. Weise seyn ist / wann man auffs künfftige Ende denckt / vnd sich nach demselben schickt; die nun Lust haben zu Vollerey / bedencken kein Ende / sie dencken nicht recht an GOtt / an kein künfftiges Gericht / wollen es nicht zu Hertzen fassen / daher werden sie nimmer weise / so lange sie zur Vollerey lust haben; sondern werden lose wilde Leuthe / vnd das so viel mehr / wie mehr sie der Vollerey nachlauffen. Ein Vollsauffer erfüllet seinen Leib / weil er meynt / darin wolle er (. Chrysost.) den Leib ergetzen / er betreugt sich aber / Vollerey ist ein heyloses Wesen / dardurch dem Leibe kein Heyl / sondern Vnheyl zugefüget wird / vnd der Seelen darneben. Ein Vollsauffer vergreifft sich an GOtt / an seinem Nächsten / an sich selbsten. Er versündiget sich an GOtt; ich will nicht sagen vom Vngehorsamb / da er das Wort deß HERRN auß den Augen schlägt: Sauffet euch nicht voll Weins. Ich gibe den Vollsäuffern nur das zu bedencken / daß sie durch Vollerey Gott die Thür vor der Nasen zuschliessen / daß er nicht zu jhnen einkehre; dann hie recht vnnd wol in acht zu nehmen der Gegensatz / der geistlichen vnnd leiblichen Vollerey; ehe Paulus saget: Werdet voll Geistes; ermahnet er zuvor / daß wir vns nicht voll Weins sauffen; vnnd hat mit solchem Gegensatz genug angedeutet / daß
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Vollerey vnnd Trunckenheit den heyligen Geist verhindere; wer voll Wein ist / der kan nicht voll heyligen Geistes seyn. Da muß nun GOtt verlieb nehmen / daß ein Mensch / bey welchem er anklopffet / bey welchem er will einkehren vnd Wohnung machen / die Thür durch seine Vollerey zuschlägt / vnd GOtt vnnd den werthen heyligen Geist auß seinem Hertzen verweiset. Dabeneben so mißbraucht ein solcher Vollsauffer der guten Gaben GOttes; GOtt hat auß Gütigkeit / Brodt / Bier vnd Wein erschaffen / zu deß Menschen Notturfft / den matten Leib dadurch zu erlaben; diese Gabe GOttes nimpt ein Vollsauffer mit grosser Vndanckbarkeit GOtt zu wieder vnd zum Verdruß / vnnd beschwäret damit sein Seel vnd Sinn; das muß Gott von einem Menschen also verlieb nehmen. Das heist ja ein heyloses Wesen. Ein Vollsauffer versündiget sich wieder seinen Nächsten; den̅ bedencke / wie vil hundert Menschen jhren Leib mit schwerer Arbeit müssen abmatten / die doch kümmerlich haben / das matte Hertz nur auffzuhalten; was nun ein Vollsauffer verschlinget / das hat er den Nothleydenden vnd Dürfftigen entwandt / die bey jhrer Arbeit jhr Hertz hätten können erlaben / mit dem daß du vberflüssig vnd vnnützlicher weise verschwendest. Vnd wisse / GOtt wird einmal nachfragen. Ein Vollsauffer sündiget wieder sich selbst. Wie kan er ärger mit sich vmbgehen / als wann er deß höchsten Gutes sich selbsten beraubet? Ein Trunckener wehret dem H. Geist / vnnd verstost das Reich Christi auß seiner Seelen. Gedencke nicht / daß ein Mensch auff Erden dich höher beleydigen kan. Es seynd die Wort klar beym Apostel Paulo zun Galatern am 5. vnd in der 1. an die Corinther(Gal. 5, 20, 1. Cor. 6, 10) am 6. Cap. Vollsäuffer sollen das Reich Christi nicht ererben. Wie viel seliger ist die geistliche Trunckenheit / davon Paulus(Commendatur ebrietas spiritualis. Explica̅do 1. ejus originem.) sagt: Saufft euch nicht voll Weins / darauß ein vnordentlich Leben folget / sondern werdet voll Geistes.
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Der H. Geist wirdt in heyliger Schrifft einem außgegossenen (Ioel. 2, 28.) Wasser verglichen / als beym Propheten Joel: Nach diesem will ich meinen Geist außgiessen vber alles Fleisch. (Ioh. 7. 38.) Vnd Christus beym Johanne am 7. Wer an mich glaubet / von deß Leibe werden Ströme deß lebendigen Wassers fliessen. Das sagt er aber von dem Geiste / welchen empfahen solten / die an jhn glaubeten. Wann nun der H. Geist vber vns außgegossen wirdt / so fangt er in vns an zu würcken sein Werck / hertzlich Wolgefallen an GOtt / Fried vnnd Frewd in Christo JEsu vnserm Heyland. Solche Würckung deß Geistes wird hie verglichen einer Vollerey. Der Wein macht frölich / vnnd setzet jhn in einen newen Standt / daß er seiner Sinnen nicht mächtig ist / was er redet vnd thut / das thut vnd redet der Wein in jhm. Also wann der Mensch voll Geistes ist / kompt er in einen newen Stand / gebraucht nicht seiner Sinn / sondern läßt sich treiben vom H. Geist / den läßt er in jhm reden vnnd walten / vnnd von (Act. 2, 13.) dem wird er erfrewet. Daher / als die Apostel voll Geistes wurden / vnd auß dem Geist redeten / hattens etliche jhren Spott / vnd sprachen: Sie sind voll süsses Weins Wie selig ist der von solcher Trunckenheit etwas erfahren hat? (2. Ejus co mite̅ hilaritatem.) Wann die Welt beym Wein sonderliche Lust will haben / braucht sie Lieder vnd Seytenspiel. Das findet sich auch bey geistlicher Trunckenheit. Dann wann die Seele voll wirdt deß heyligen Geistes / so hebet sich an ein singen vnnd jubiliren im Hertzen. (V. 19. 20.) Darumb folget: Redet vntereinander von Psalmen / vnd Lobgesängen / vnd geistlichen Liedern / singet vnnd spielet dem HErrn in ewerm Hertzen / vnd saget Danck allezeit für alles / GOtt vnd dem Vatter / in dem Namen vnsers HErrn JEsu Christi. Dreyerley wird gesagt / vnd doch einerley bedeutet.
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1. Redet vntereinander / oder mit euch selbsten von Psalmen / vnd Lobgesängen vnnd geistlichen Liedern. In Gastereyen reitzet einer den andern zu reden / vmb Zeit zu vertreiben; da redet man da von hie vnd dort / aber selten vnnd vngern von GOtt vnd geistlichen Sachen / die der Seelen erbawlich seyn. Aber dem Geist GOttes gefällt es wol / daß wir reden von vnnd mit Psalmen / Lobgesängen vnd geistlichen Liedern / vnd in denselben erwegen die Liebes Werck / vnd grosse Thaten GOttes. Vnd solches können wir thun beydes bey vns selbst / wann wir allein seyn; auch vntereinander / wann zween oder mehr versamlet seyn. Geistliche Betrachtungen vnd Reden / seynd geistliche Lieder vnnd Lobgesänge wer damit vmbgehet / der entzündet sein Hertz. 2. Singet vnd spielet dem HErrn in ewerm Hertzen. Die eusserliche Musie gehöret für die Ohren / die geistliche Musie dringet zu GOTT; die wird aber gehalten im Hertzen / entweder allein / oder auch daß der Mund mit einstimme / da dann zerbrochene Wort seyn die beste Wort. Dann in diesem Frolocken deß Geistes im Hertzen / wird so vil empfunden / daß die Wort nicht mögen folgen. Will man aber den Mund mit gebrauchen zum singen / so sehe man zu / er stlich daß es auß Hertzen gehe; sonst ist es nur ein vergeblich brüllen; darumb ist mein rath / ehe du die Wort außsprichst / bedenck vnd erwege sie in deinem Hertzen / damit also dein Wort auß der Fülle deß Hertzens herfliessen. Hernach muß der Gesang nicht nur auff Liebligkeit vnnd Ergetzung der Ohren gerichtet seyn / sondern zu GOtt / daß der dadurch gepreiset / vnd die Seele zu GOtt erhaben werde. Singet man in einer Gemeine / soll ein jeglicher mit einstimmen / doch auß Hertzen Grund / daß einer den andern zur Andacht anreitze / vnd vnser Gesang sey ein gemein Gespräch / daß wir vntereinander halten mit Psalmen / Lobgesängen vnd geistlichen Liedern.
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Zum meisten aber ist zu trachten / nach dem innerlichen Jubiliren / wie auch das äusserliche Singen vnd Betten dahin soll gerichtet seyn / daß das innerliche mehr vnnd mehr erweckt werde. Die äusserliche Musie / hat eine sonderbare vnd heimliche Krafft / einen Menschen zu bewegen / wie man dann erfähret / wann von kläglichen Dingen beweglich gesungen wirdt / wie das Hertz zu Mitleyden gezogen wird / hingegen in frölichen Dingen zur Lustigkeit vnd Fröligkeit. Was will man dann sagen von der innerlichen Hertzens Musie? die dringet noch viel mehr durch. Das glaubt vnd versteht keiner / als der es empfunden. Ein Mensch bleibt hie nicht bey jhm selbst / vnd weiß nicht wie jhm geschicht. Im Evangelio das heute verlesen wird / steht von der Frewd / die GOtt der Seelen bereytet / also geschrieben: Es war ein König der seinem Sohne Hochzeit machte / vnd lud viel dazu / vnd sandte seine Botten (Matt. 22, 2.) auß zu sagen: Sehet / mein Mastviehe ist geschlachtet / es ist alles bereyt / kompt zur Hochzeit. Meine Lieben / wann man jrrgend auff der Welt nach Frewd vnnd Ergetzligkeit trachtet / so geschichts auff Königlichen Hochzeiten. So nimpt nun Christus das / darinn zu aller Ergetzligkeit deß Fleisches alles wird zubereytet / vnd zeyget darinn / was der grosse GOtt für eine Frewde vnnd Wolleben bereytet hat für seine lieben Freunde: Es ist alles bereyt / kompt zur Hochzeit. Wie vnsinnig seynd die Menschen / die jhre Handthierung vnd Dreckwerck in der Welt höher achten / als das geistliche himlische Wolleben / darzu GOtt so viel bereytet hat? Warlich sie seynds nicht werth. GOtt hat vns seine Bibel fürgeleget / ein Buch daß zimlich groß vnnd weitläufftig ist / vnd hat doch so viel zu vnser Seligkeit von nöthen ist / kürtzlich in wenig Worten können verfasset werden. Was sucht dann GOtt in so vielen vnd mancherleyen Reden / Figuren vnnd Vorbilden? Es hat ein jegliches seine absonderliche Krafft / gleich wie vnter mancherley Speisen / ein jegliches seinen absonderlichen
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Gschmack hat; so legt vnnd trägt vns GOtt für sein Wort reichlich auff mancherley Weise / vnd vielfältiger Veränderung / auff daß der Mensch auff vielfältige Weise beweget / in GOtt erquickt vnd erfrewet werde. Darinn muß die Seele jhre Stärcke suchen / mit stätigem / andächtigen Nachsinnen / wann sie zum inwendigen Jubiliren kommen will. 3. Saget Danck allezeit für alles GOtt vnd dem Vatter / in dem Namen vnsers HERRN JEsu Christi. Der da ist ein GOtt vber alle Welt / der ist nun auch vnser Vatter; demselben sollen wir Danck sagen. Diß Dancksagen begreifft in sich erstlich eine Befriedligkeit / dann worinn der Mensch Gott dancken soll / darinn muß er so viel finden / daß er mit GOtt kan zu frieden seyn / vnd mit seiner Gnad sich begnügen lassen. Hernach begreifft das Dancksagen in sich ein Lob GOttes / daß wir die Werck Gottes als löblich erkennen vnnd preisen / mit Hertzen / Mund / vnnd mit dem gantzen Leben. Dann da hat man Gott für seine Wolthaten recht gelobet / wann das gantze Leben zu GOttes Lob gerichtet wird / alles nach seinem Willen / vnd nichtes wieder seinen Willen. Solch Dancksagen muß weren allezeit / vnnd muß geübet werden in allen Dingen / im Thun vnd Leyden / in Glück vnd Vnglück. In dem allem muß eine Christliche Seele mit Gott zu frieden seyn / vnd jhm Lob geben. Dann es höret doch Gott nie auff dem Menschen gutes zu thun / auch wann er Creutz schicket / wo es anders wahr ist / wie es dann muß wahr seyn / was Paulus saget: Denen die GOtt lieben / müssen alle Ding zum besten(Rom. 8, ???) dienen. Thustu was gutes / so dancke Gott / der dir Krafft gegeben hat. Leydestu was wiederlichs / so dancke Gott / der was herrliches auß dir machen will / vnd sprich / wie Job in seinem schweren Vnglück: Der Name deß HERRN sey gelobet.
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Ich habe gesagt / man soll GOtt auch mit dem Leben loben / daß alles nach GOttes Willen zu GOttes Lobe gerichtet werde; wie ist das aber müglich allezeit vnd in allen Dingen? Es ist nicht vergebens hinzu gesetzet: In dem Namen vnsers HERRN JEsu Christi. Wo Christi Nahme nicht ist / im Hertzen deß Menschen / so kan auch auß demselben kein Lob GOttes entspringen. Dann ohn Christo seind wir ein Gstanck vnd Fluch für Gott. Wann aber Christi Nahme in vnsern Hertzen durch den heyligen Geist außgedruckt ist / so loben wir GOtt allezeit; dann was vns an Heyligkeit mangelt / das alles wird erstattet durch den Vberfluß deß Gehorsambs JEsu Christi. Daher geschrieben steht: (Rom. 8, 1.) Es ist nichts verdamliches an denen / die in Christo JEsu seynd / die nicht nach dem Fleisch wandeln / sondern nach dem Geist. O wie selig ist der Mensch / der in allem vnd für alles GOtt Danck sagen kan in dem Namen JEsu Christi? Wie selig ist / der dem HERRN singen vnnd spielen kan in seinem Hertzen? Der hat gefunden das geistliche Gott wolgefällige selige Leben / vnd ist ein erleuchteter Mensch. (III. Pro Humilitate. V. 21.) Es ist noch vber die dritte Regel / die den erleuchteten Menschen auff gründliche Demuth führet: Seyd vnter einander vnterthan in der Furcht Gottes. Die Natur ist zur Hochmut geneiget. Niemand wil vnter seins gleichen gern der geringste seyn; ein jeder will gerne mehr vnd höher seyn dann ein ander; vnnd mag doch nicht leyden / daß ein ander vnter seins gleichen vber jhn komme vnnd mehr seye. Dem zuwieder ermahnt vns GOttes Geist: Seyt vnterthan vntereinander / einer vnterwerffe sich dem andern. Wie Christus vns vorgehet mit Wort vnnd Exempel: Christus war ja Meister / vnd wusche doch den Jüngern die Füsse / das war Knechts Arbeit; dabey gab er die Lehr: Wer der grösseste ist / der werde deß andern Knecht. Vnd gehet auch im
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Reich Christi nicht anders her / wer da will der grösseste seyn / muß bey jhm selbsten zu nichte / vnd der kleinste werden. Wann ich mich nun nach dieser Regul richten will / so frewe ich mich / vnd sehe nicht sauer / wann einer meines gleichen vber mich gezogen wird / vnnd spreche: GOtt lob / das ist recht / das habe ich gewünschet; dann ich habe von Gott gebetten / daß ich möge ein Thäter seyn dises Wortes / daß geschrieben steht: Seyd vntereinander vnterthan. Es setzet Paulus hinzu: In der Furcht deß HERRN. Weiset vns damit auff die Art vnd Vrsprung Christlicher Demuth / daß es nicht geschehe heuchlischer Weise. Seynd wir nun mit Joseph erhaben / so sprechen wir mit jhm: Ich bin vnter Gott / vnd fürchte GOtt. Das macht dann / daß wir im Hertzen vber vnsern Mitknecht vns nicht erheben / sondern vns demselben nach vnserm Stande mit Gewogenheit vnd Dienste vnterwerffen; vnd da wir Herren seyn / vns doch für Knechte halten. Werden andere vns vorgezogen / sollen wir gleichfals bleiben in der Furcht deß HERREN / daß wir vnserm Bruder nicht mißgönnen / was jhm GOtt gegönnt vnd geschenckt hat. Gedenckt daran / was geschrieben steht, GOtt wiederstrebet den Hoffärtigen / aber den Demüthigen gibt er Gnade / daß wirdt vns vntereinander vnterthan machen. Diß seynd nun drey Regul / die der Geist GOttes einem(Repetitio.) erleuchteten Menschen fürgeschrieben hat / der begehret im Liecht GOttes zu wandeln; wann man die zusammen bringt / geben sie drey gradus im Christenthum̅ / vnter denen ist der erste Grad / auff GOttes Willen sehen vnnd demselben folgen. Das macht den Menschen zu einem weisen fürsichtigen Christen. Dem folget der ander Grad / wann der Mensch offt vnnd fleissig mit GOttes Wort / vnd geistlichen Gedancken vmbgehet / daß er dadurch angezündet / vnd erfrewet werde / GOtt zu singen vnnd zu spielen in seinem Hertzen. Darin̅ empfangt er einen Vorschmack deß ewigen
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Lebens. Der höchste Grad aber ist / die hertzgründliche Demuth. Dann wann der Mensch in GOtt hoch steiget / so gehet er von sich ab; je höher er dann in GOtt erhaben wird / je weiter er von jhm außgehet / vnnd bey jhm selbst zu nichte wird. Dieses ist das höchste; dann gesetzet / daß ein Mensch Gott vnmittelbar in seiner Seelen gesehen / vnd den Him̅el empfunden / doch so er sich dessen wurde erheben / sich höher achten dann andere Menschen; were er nichts. Weil aber GOtt wol weiß / was für ein Lecker auch allen Heyligen anklebet / steckt Gott Paulo einen Pfal ins Fleisch / vnd hält jhn vnter ein bitter Creutz / daß er sich nit vberhebe seiner hohen Offenbarungen. Welcher Mensch diese gradus besteiget / der gehet als ein Kind deß Liechts / vnd wird immer mehr vnd mehr erleuchtet. (Epilogus.) Wie nun Christus seine geistliche Vnderweisung bey dem (Matt. 7, 23) Matthae o am 7. also schliesset: Wer diese meine Rede höret / vnd thut sie / den vergleich ich einem klugen Mann / der sein Hauß auff einen Felsen bawt; da nun ein Platzregen fiel / vnd ein Gewässer kam / vnd webten die Winde / vnd stiessen an das Hauß / fiel es doch nicht / dann es war auff einen Felsen gegründet. Vnd wer diese meine Rede höret vnd thut sie nicht / der ist einem thörichten Mann gleich / der sein Hauß auff den Sand bawet / da nun ein Platzregen fiel / vnd kam ein Gewässer / vnd webten die Winde / vnd stiessen an das Hauß / da fiel es / vnnd that einen grossen Fall. Also soll auch damit die Vermahnung Pauli als eines Knechts Christi geschlossen seyn: Wer dieses hört / vnnd thut es / der bawet jhm als ein weiser Mann ein festes Hauß. Wann jhr schon meine Lieben / in dieser Welt euch feste Häuser der Glückseligkeit gebawethabt; habt jhr doch nicht klüglich gebawet; dann die Glückseligkeit in dieser Welt hat keinen rechten
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Grund. Auff GOtt läßt sich eine rechte beständige Glückseligkeit bawen. Das halt ich aber für rechte Glückseligkeit; Gott erkennen / GOtt folgen / in GOtt sich frewen / vnnd demüthig seyn für Gott. Wer für sichtig wandelt nach Gottes Willen / dem wird es an Brunst deß Geistes nicht mangeln; wer aber in Gottes Geist erfrewet ist / der ist erhaben vber alle Creaturen / doch macht er durch Liebe sich zum Knecht / vnnd demüthiget sich vnter allen Menschen. Meine Lieben / nun ist die Zeit gutes zu thun. Es ist die Zeit deß newen Bundes / so ziehet an den newen Menschen; Es ist eine Gnadenzeit / wollet die Gnade Gottes nicht vergebens empfangen haben; es ist die Zeit deß Liechts / so wandelt als Kinder doß Liechts / nicht als die Vnweisen / sondern als die Weisen / nicht voll vom Wein / sonder voll deß Geistes; nicht in Hochmuth / sondern in hertzlicher Demuth / Gott helffe vns / Amen.
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Am XXI. Sontage nach Trinitatis.
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Von der Göttlichen Außrüstung wieder den Satan.
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TEXTVS Ephes. cap. 6. V. 10. usque 18.
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V. 10. ZVletzt meine Brüder / seyd starck in dem HERREN / vnnd in der Macht seiner Stärcke. V. 11. Ziehet an den Harnisch Gottes / daß jhr bestehen köndt gegen dem listigen Anlauff deß Teuffels. V. 12. Dann wir haben nicht mit Fleisch vnd Blut zu kämpffen / sondern mit Fürsten vnnd Gewaltigen / nemlich mit den Hirten der Welt / die in der Finsternuß dieser Welt herrschen / mit den bösen Geistern vnder dem Himmel. V. 13. Vmb deß willen / so ergreiffet den Harnisch GOttes / auff daß jhr / wann das böse Stündlein kommet / Wiederstand thun / vnd alles wol außrichten / vnd das Feld behalten möget. V. 14. So stehet nun / vmbgürtet ewre Lenden / mit Warheit / vnnd angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit.
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V. 15. Vnd an Beinen gestiffelt / als fertig zu treiben das Evangelium deß Friedens / damit jhr bereytet seyet. V. 16. Vor allen Dingen aber ergreiffet den Schild deß Glaubens / mit welchem jhr außlöschen köndt alle fewrige Pfeile deß Bösewichts. V. 17. Vnd nehmet den Helm deß Heyls / vnnd das Schwerdt deß Geists / welches da ist das Wort GOttes.

Geliebte in Christo JEsu.
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ES führet die Welt ein Sprüchwort: Es ist keine geringere(Exord. No̅ minor est virtus, qua̅ quaerere, parta tueri.) Kunst etwas sparen / dann etwas erwerben. Dann die Güter dieser Welt seyn allesampt der Eytelkeit vnterworffen / vnnd werden so bald verlohren als erworben. Es seynd Schätze die der Rost kan fressen vnnd die Diebe stehlen. Daher muß alles Gut dieser Welt / welches wir entweder geerbet / oder mit Müh erworben / mit Sorgfältigkeit erhalten werden. Mancher auß Vnvorsichtigkeit weiß nicht seine Güter zugebrauchen / sondern verschwendet sie. Demselben ist die Kunst zu erwerben nichts nutze / weil er nicht weiß die Kunst zu sparen. Dann gleich wie es einem Kinde mehr schmertzet dann ergetzet / so man jhm was liebliches giebet vnd fort entziehet: Also ist einem Menschen wenig ergetzlich das Gut so er erworben / so ers nicht nutzlich vnd beständig mag gebrauchen. Gleich wie nun der Geist GOttes gerne siehet vnnd haben(Eph. 4, 28.) will / daß man etwas redliches würcke / damit man habe zu geben dem Dürfftigen. Also auch ist es jhm nicht zuwieder / so man das erworbene vernünfftiglich spare / damit wir nicht allein für vns
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vnnd die vnserige / sondern auch für die Arme allezeit etwas haben. (Abusus hujus proverbii.) Diese Regel weiß sich wol zu nutz zu machen die geitzige Welt. Dann wann sie von jhrem Gut weder Gott noch Menschen gedienet haben / bemänteln sie jhre Vntugendt mit der Sparsamkeit / nach dem keine geringere Tugend ist sparen denn erwerben. (Applicatio ad quaestu̅ spirituale̅.) So dann jhr O Menschen Kinder es für billig achtet / sparen vnd bewahren die Güter / die jhr doch alle im Todt lassen müsset / wie viel für sichtiger solt jhr vmbgehen mit den himlischen vnd ewigwerenden Gütern. Da heist es freylich. Es ist keine geringe Kunst bewahren dann erwerben. Wir haben zwar nicht mit vnserm Dienst erworben die Seligkeit / die bey GOtt ist / wir habens auch nicht von den Eltern ererbet / durch Christum ist sie vns gegeben. Das lasset aber ewer Kunst seyn / daß jhr sie durch GOttes Beystand ja bewahret: Dan̅ hie ist auch Gefahr / wieder diese Seligkeit streiten / die Welt / der Teuffel / vnd vnser eygen Fleisch / das Fleisch ist zur Erden geneiget / die Weltreitzet mit jhrem Exempel / der Teuffel thut nimmer feyren / da gilts ja fürsichtig seyn / damit wir den einmal erlangten Schatz nicht wieder verliehren. Hierumb hat der Apostel Paulus der gemeinen Christenheit in der Epistel an die Epheser nicht allein für gemahlet den vberauß grossen Segen den wir haben in Christo / auch nicht allein vns auffgemuntert würdiglich zu leben / nach vnserm Beruff / vnd auß zuziehen (Eph. 5. 6, 10. 15. 17.) den alten Menschen / vnnd anzuziehen den newen / sondern warnet vns auch für der Welt Exempel / daß wir vns nicht verführen lassen mit vergeblichen Worten / sondern prüfen was da sey wolgefällig dem HERRN / daß wir nicht als die Vnweisen wandeln / sondern als die Weisen / vnd nicht seyn vnverständig / sondern verständig was da sey deß HERRN Wille. In gegenwärtiger (Thema.) Leetion ruffet er vns auß wider den Satan / daß wir fürsichtig wieder jhn streiten / damit durch desselben Krafft vnnd List / das himlische Reich vns nicht möge abgewonnen werden / solche Sachen
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müssen vns offt erinnert werden / wir vergessens gar leicht / oder bedencken es nicht. Darumb wollen wir dem H. Geist zuhören / wie er vns antreibet zur Göttlichen Außrüftung wieder den Satan. Die Krafft GOttes sey bey vns / vnd gebe daß wir in GOtt klug vnd starck werden. Amen. ES hält sich der Apostel Paulus hie aller dinges / als ein geistlicher(Explicatio Textus.) Oberste in dem Feldläger Christi / wann ein Feld Oberster seine Soldaten zu Felde führet / spricht er jhnen einen Muth ein. Paulus in dem er das Evangelium vns geprediget / hat er vns zu Felde geführet / dann das Evangelium richtet Krieg an / so erwecket er auch hier in vns einen Helden Muth / vnd vnverzagtes Gemüth / vnd gibt vns daneben guten Vnterricht / wie wir fürsichtiglich strelten vnnd siegen können. Seyd starck / spricht er / ergreiffet vnd ziehet an den Harnisch GOttes. Er will nicht / daß die Christen sicher oder erschrocken seyn / sondern daß sie muthig seyn / vnd in stätiger Bereytschafft stehen / angezogen mit der gantzen Kriegesrüstung GOttes / das ist / daß wir feste halten alle dasselbe was wir als ein Mittel zu vberwinden auß Gott schöpffen können. Bey dieser Auffmunterung müssen wir sehen vors erst auff(In excitatione ad pugna̅ spiritualem contra Sathanam nota̅dum. I. Hostis descriptio.) den Feind. Dann wir haben nicht mit Fleisch vnd Blut zu kämpffen / sondern mit Fürsten vnnd Gewaltigen / nemlich / mit den Herrn der Welt / die in der Finsternuß dieser Welt herrschen / mit den bösen Geistern vnter dem Himmel. Es hat ja wol ein Christ genug zu thun mit seinem eygenen(Hostis: no̅ est carnalis.) Fleisch vnd Blut / vnnd mit andern Menschen Kindern / die durch listige Wort vnd Exempel im Christenthumb vns viel Mühe machen / doch wann wir den Hauptfeind ansehen / vnnd den Obersten
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der verführischen Welt / haben wir freylich nicht zu thun mit Fleisch vnnd Blut / das ist / mit ohnmächtigen Creaturen / sondern mit klugen vnd gewaltigen Feinden. (Sed spiritualis potentia.) Erstlich haben wir starck vnd gewaltige Feind die Fürsten vnd die Gewaltigen / die Herren der Welt / die in der Finsternuß dieser Welt herrschen. Da hat ein Christ nicht zu kämpffen wieder einen Teuffel / sondern wieder ein gantzes Fürstenthumb / vnd wieder die Gewaltigsten in demselben; Dann es haben auch die Teuffel jhre Ordnung / daß einer gewaltiger vnnd verschmitzter ist / dann der ander. Sie werden genennt Herren der Welt / theyls / daß sie die Gottlose Welt Kinder nach jhrem Willen regieren / welche jhnen auch trew vnnd gehorsamb seyn / theyls / daß sie in dieser Welt durch GOttes Zulassung grosse Macht haben so sehr / daß sie auch die frommen vnd heylige Kinder GOttes / hefftig plagen vnd betrüben / wie an Job zu sehen. Solte Gott nicht wehren / wurde ein Christ nimmer Ruhe finden / sondern es wurde jhn treffen ein Vnglück vber das ander. Sie werden genandt Herrscher der Finsternuß / dann sie haben jhre Gewalt in der Boßheit / richten an vnnd befördern alles Gottloses Wesen / vnnd alle Werck der Finsternuß. Doch erstreckt sich diese Gewalt nicht weiter / als biß auff diese Welt. (Et versutia.) Fürs ander / haben wir boßhafftige vnd verschlagene Feinde / dann wir haben zu streiten mit den bösen Geistern vnter dem Himmel / ja viel mehr wieder die geistliche Geschwindigkeit deß Satans die er verübet in himlischen vnd Göttlichen Sachen / darinnen er vns viel krummer Springe machet. Wir seynd versetzet in das himlische Wesen / vnd sollen auch göttlich leben hie auff dieser Welt / darinnen aber richtet vns der Satan viel Wunder an / vnnd verwirret vns. Das seynd rechte geistliche
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Rencke / die wieder die Seele streiten. Solche geistliche Boßheit vnd Verschlagenheit nennet der Apostel vorher listige Anläuffe deß Teuffels / oder listige Schliche. Dann er gehet herumb vmb den Menschen / mercket alle Gelegenheit / wie etwan ein Jäger einem Wilde nach schleichet / wie dann dieser Gesell sich selbst rühmet seines herumb schleichens in der Historia Hiobs: Ich bin das Land vmbzogen. Petrus nennet jhn einen herumbschleichenden brüllenden Löwen / welcher suchet wie er die Menschen verschlinge. Solches schleichen brauchet er nicht an den Gottlosen / die er bereyt in seinen Stricken hat / sondern an die Gottselige / die er erst gedenckt zu fangen / da ziehet er an die listige Schlangen Natur / er weiß gantz verborgene Schlich / dadurch er den Menschen ankompt / ehe er sich versiehet / wie älter er ist / vnd je länger ers geübet / je geschwinder ist er / vnd ist jhm kaum vnter den Adamskindern einer fürgekommen / dem er nicht solt etwas beygebrachthaben. Da nimbt er in acht erstlich die Zuneygung vnnd Natur eines Menschen / ob dieselbe zu Geilheit / zu Geitz / zu Zorn / zu Hochmuth / oder zu andern Lastern geneyget. Das braucht er meisterlich zu seinem Vortheyl / stellet sich als ein Freund mit seinem freundlichen Anerbieten / vnd will vns beförderlich seyn / in dem dazu die Natur an jhr selbsten geneyget ist. 2. Nimpt er in acht die gelegene Zeit / wo er dich nit wachent findet / vnd in rechtschaffener Bereytschafft vnd Rüstung / so setzet er an dich ehe du es weist. Es ist mir nicht vnbewust / was er dem David gethan / wie derselbige sich auß seiner Sicherheit begeben / vnd sich nach einem frembden Weibe vmb gesehen / da seynd gewiß sein erste Gedancken nit gewesen / daß er wolt zum Ehebrecher werden / aber das ist die Natur dieses listigen Drachen / findet er so viel Raum / daß er nur seine spitzige Klawen kan ansetzen / schlupffet er mit dem gantzen Leibe bald hernach. Er nimbt 3. auch die Tugend in acht / vnd vermischt dieselbe mit seinem Vnflath der eyteln Ehre / vnnd solt ein Mensch acht haben
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auff seine Gedancken / bey seinem guten Fürnehmen vnd Verrichtungen / wurde er so närrisch Zeug finden / daß er sich schämen muste es zu offenbaren. Als wann einer fleissig ist in Wolthaten gegen den Armen / sollen jhm wol solche Gedancken einfallen. Ey daß doch auch Christus mir in armer Gestalt möchte begegnen / wie man sagt daß dem Bischoff Martino geschehen sey; vnd noch wol viel närrischer Gedancken. Kan der Satan vns zu den Lastern nicht ziehen / will er das gute vnbeschmitzet nicht lassen. (Quomodo intelli genda inspiratio Diaboli.) Hie mercke von deß Teuffels Eingeben / daß es nitdie Meynung habe / als wan̅ du nichts böses gedencken köntest / es muste dan̅ vor der Satan dirs einblasen. Dann die Boßheit ist ohn das starck vnd kräfftig genug bey den Menschen / vnd kan vnsere Sinn vnnd Gedancken / die von Natur nicht gerne still seyn / bald hie vnd dort aufführen / doch mag man recht vnd wol sagen / wann vns böse Gedancken einfallen / sihe doch was nur der böse Feind einblaset / dann man muß freylich gedencken / daß er nicht weit davon ist. Dann er ist vnd bleibet doch ein Herr vnnd Meister der Finsternuß in dieser Welt. (Haec consideratio suppeditat Arg. ad fortiter pugnandu̅ 1.) So haben wir ja freylich einen grössern Feind als Fleisch vnd Blut / groß Macht vnd viel List / sein grawsam Rüstung ist. Damit kan der Satan vns leicht eine Schantze abgewinnen / das ist dann schon eine Anreitzung zur Göttlichen Außrüstung / wie stärcker der Feind ist / je muthiger wir seyn müssen / je listiger er ist / je mehr wir wachen müssen. (II. Scopus puguae, & intentio.) II. Weiset vns der H. Geist auff den Zweck deß Streites / zn was Ende wir streiten müssen / nemlich / daß wir Widerstand thun / alles woll außrichten / bestehen mögen / vn̅ das Feld erhalten. Dann (V. 11.) so spricht der Geist: Ziehet an den Harnisch GOttes / daß (V. 13.) jhr bestehen könnet / gegen die listige Anläuff deß Teuffels / vnd abermal / ergreiffet den Harnisch Gottes / auff daß jhr / wann das böse Stündlein kompt / Wieder
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stand thun / vnd alles wol außrichten / vnd das Feld behalten möget. Ein Christ muß dahin zielen. 1. Daß er in seiner Seligkeit bestehen bleibet. 2. Daß er den Satan zu Schanden mache / desselbigen List vnd Gewalt zerbreche / vnnd jhn mit Schanden von sich treibe / vnd also die Victoria davon trage. Er fechtet mit vns vmb das ewige Gut / vmb die himlische Seligkeit / nicht daß er sie begehre / sondern daß ers vns nicht gönne / dann er kan nicht leyden / daß wir so hoch in Christo JEsu zu GOttes Ehren erhoben seyn. Auß diesem Himmel wolte er vns gerne stossen / darumb streitet er / darinn müssen wir jhm wehren. Darumb spricht der Geist: Ergreiffet den Harnisch GOttes / auff daß jhr möget Wieder standt thun wann das böse Stündlein kompt. Damit gibt er zuverstehen / daß nicht alle Stunden gleich seyn. Dann gleich wie in einem Kriege der Soldat nicht allezeit in der Schlacht stehet / doch allezeit deß Feindes muß gewärtig seyn; wann er dann vom Feind vberfallen wird / vnd zwar zur Zeit wann er vbel verwahret / vnd der Feind den besten Vortheil hat / da kompt das böse Stündlein: Also verhänget GOtt / daß der Satan zu einer Zeit vns hefftiger zusetzet / dann zur andern: Dann ob er zwar nimmer feyret / die Frommen anzufechten / dennoch so hat GOtt sonderliche Stunden verordnet / darinn dem bösen Feind mehr Macht / dann sonsten zugelassen wird / wie abermal an Job zu sehen / vnd den Jüngern Christi zur Zeit seines Leydens. So erfahren wir auch / daß zu einer Zeit die Kirche GOttes mehr gedrucket wird / dann zur andern / daß auch wir selbsten zu einer Zeit harter angegriffen werden dann zur andern. Davon saget Christus: Der Satan hat ewer begehret zu sichten wie den Weitzen: Da gehet an das böse Stündlein / da läßt sich mercken die Macht der Finsternuß / da ists noth daß wir wol gerüstet seyn / da
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mit wir nicht allein Wiederstand thun können / sondern auch nach wol außgerichter Sachen den Sieg davon tragen. (Suppeditat Arg. 2.) Solche Betrachtung treibet vns abermahl in Harnisch / dann wir kämpffen nicht vmb Geld vnnd Gut / sondern vmb das Reich GOttes / vnd die ewige Seligkeit / darumb müssen wir nicht faul seyn / wir wissen nicht wann das böse Stündlein kompt / wann die Anfechtung soll gestärcket werden / darumb müssen wir stäts bereyt seyn. (III. Origo fortitudinis Christianae.) III. Werden wir gewiesen auff den Vrsprung vnser Stärcke in diesem Streit. Mit vnser Macht ist nichts gethan / wir seynd gar bald verlohren / Menschen Macht wieder den Satan ist nicht anders als ein Zischen der Fliegen. Der Apostel aber spricht: (V. 10.) Seyd starck meine Brüder / seyd starck in dem HERREN / vnd in der Macht seiner Stärcke. Darumb ist der Grund vnser Stärcke / die starcke Krafft Gottes / vnnd wir seynd starck in vnnd durch den HERRN. Dann die Vereinigung mit Gott macht vns theilhafftig Göttlicher Natur. Wie Gottgerecht ist / also wer mit Gott vereiniget ist / wird auch gerecht / wie Gott heylig ist / also wer mit Gott vereiniget ist wird auch heylig: Eben also wer mit dem starcken Gott vereiniget ist / der ist auch starck in Gott vnnd mit Gott. Daher werden vnsere Waffen genennet / Waffen Gottes: Wann der Apostel sagt: Ziehet an den Harnisch GOttes / die gantze Armatur Gottes / das ist / alles was wir auß Gott zu vnser Stärcke empfangen können. Auff diese Stärcke gründete sich David / da er den Goliath angriff / vnd sprach / du kommest zu mir mit Spieß vnd Stangen / ich aber komme zu dir in der Krafft / vnd in dem Namen deß HERRN Zebaots. Daher muß der Mensch in dem geistlichen Streit nicht auff sich sehen / nicht auff seine Stärcke oder Schwachheit / sondern auff die starcke Krafft Gottes / vnnd dasselbige von Gott mit stätigem Seufftzen erbitten.
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Diese Betrachtung gibt vns auch einen Muth zu dem geistlichen(Suppeditat arg. 3.) Streit. Dann wie mächtig auch der Satan ist / so seynd wir jhm doch wol gewachsen. Dann wir streiten wieder jhn in dem Namen vnnd mit der Krafft deß HERRN Zebaoths. Darumb so grösser die starcke Krafft GOttes ist / dann die Krafft deß bösen Feindes / so viel grösser ist auch vnser Krafft darauff wir bawen. Da gibts vns auch einen Muth / daß wir wissen daß die Ehre in diesem Streit GOttes ist. Dann durch welches Krafft wir siegen / demselben gebühret auch die Ehre. Darumb so lasset vns streiten für die Ehre vnsers Gottes in der Macht seiner Stärcke. Wir kennen nun den Feind / wissen auch zu was Ende wir(IV. Arm atura Christiana.) streiten / wissen auch / auff welches Krafft vnd Beystandt wir vns können verlassen / vnnd wie vns dasselbige alles anreitzet zum streiten / so ist noch vbrig / daß wir vnterrichtet werden von den Waffen / wie dieselbige in diesem Streit zu führen: So stehet nun / spricht der Apostel / vmbgürtet ewere Lenden mit Warheit / vnd angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit / vnd an Beinen gestiffelt als fertig zu treiben das Evangelium deß Friedens / damit jhr bereytet seyd. Vor allen Dingen aber ergreiffet den Schild deß Glaubens / mit welchem jhr außlöschen köndt alle fewrige Pfeil deß Bösewichts / vnnd nehmet den Helm deß Heyls / vnnd das Schwerdt deß Geistes / welches ist das Wort GOttes. Stehen muß ein Christ / er muß nicht ligen vnd sicher schlaffen / sondern in der Rüstung vnd Waffen GOttes stätiglich auffwarten. Was seynds aber für Waffen Gottes? 1. Vmbgürtet ewere Lenden mit Warheit: Vor Alters(1. Veritatic cinctura.) haben die Soldaten gebraucht einen breyten Gürtel / theyls
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daß dadurch die Hindernuß der langen Kleyder beyseit gethan wurde / zum theyl daß die Kräffte deß Leibes dadurch zusammen gezogen wurden / das war dann eine Bereytung zum Streit. Ein Christ der GOTT dienen will / muß auch vmbgürtet seyn / bereytet zu streiten für die Ehre seines HERRN. Der Gürtel aber soll seyn die Warheit / dazu gehöret Erstlich wahre Erkantnuß Gottes / vnd der Göttlichen Geheimnussen. 2. Rechter Ernst in dem Dienst Christi / daß wirs mit Christo recht meynen / vnd zu seinem Dienst geschürtzet vnnd gegürtet seyn. Dann wir müssen mit Auffrichtigkeit deß Hertzens vns also gürten vnnd befestigen / daß wir nicht hin vnd her wancken. (2. Iustitiae Cancer.) 2. Seyd angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit. Der Krebs oder Pantzer ist eine Rüstung / damit das Hertz vnd die Brust gewapnet vnd verwahret wird. Das muß vns seyn ein gerechtes / heyliges vnd Gottseliges Wesen / welches herfliesset / auß der zugerechneten Gerechtigkeit JEsu Christi / daß wir nicht mit Sünden wieder das Gewissen befleckt seyn; mit wenigem der Pantzer der Christen muß seyn / ein reines Gewissen in Christo JEsu. Dann es streitet sich gar vbel / wann vns das Gewissen zuwieder stehet / wir erfahren es wol / wann das Gewissen nur ein wenig verletzet wird / vnd vns Vnglück darüber zu Handen stosset / wie viel vns das schadet an der Frewdigkeit. Mit diesem Pantzer ist auch gerüstet gewesen vnser Hauptmann Christus / von welchem (Es. 59, 17.) geschrieben stehet Es. 59. Er ziehet Gerechtigkeit an wie einen Pantzer. (3. Calcei pro̅ptitudinis.) 3. Seyd an Beinen gestieffelt / als fertig zu treiben das Evangelium deß Friedens / damit jhr bereytet seyd: Oder / Seyd geschuhet an Füssen durch die Fertigkeit deß Evangelij deß Friedens. Einem Soldaten ist es gut / wann er ist wol geschuhet. Dann sie müssen gehen durch manchen rauhen
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Weg / durch dick / durch dünn / durch Distel vnd Dorn. Der Christen Stieffel vnnd Schuhe beym Lauff deß Evangeliums / muß seyn die Fertigkeit im Evangelio deß Friedens / das Evangelium deß Friedens ist das Wort / welches vns ankündiget den Frieden mit GOTT / vnnd alles warhafftiges Gut an Leibe vnnd Seelen mittheylet. In demselben muß ein Christ fertig seyn / daß er nach dem Evangelio seinen Lauff anstelle / vnnd seinen Fuß nirgends anstosse. Dann das Evangelium bereylet vns den Weg / vnd befestiget vnsere Füsse / daß wir hurtig vnd getrost mitten durch die Feind / durch einen rauhen Weg / durchbrechen / vnd zu GOtt lauffen. Kommen wir an das Angst Meer der Verfolgung / müssen wir nicht zuruck weichen / sondern getrost durchsetzen; Kommen wir an die Pforten deß Todtes / müssen wir nicht erschrecken / sondern allezeit fertig seyn zu thun alles was zum Evangelio gehöret / in Predigen vnd Bekennen / im Glauben vnd im Leyden. Vor allen Dingen aber 4. ergreiffet den Schild deß(4. Scutum fidei.) Glaubens / mit welchem jhr außlöschen köndt alle fewrige Pfeil deß Bösewichts. Der Schild war eine niedrige Rüstung der Soldaten / dadurch der gantze Leib verdecket vnd bewahret war. Dann so lang der Soldat mit dem Schilde seinen Leib verwahret hatte / war er sicher für den Pfeilen: dieser nothwendige Schild / dadurch vnser Leben für den Mord Pfeilen versichert wird / ist der Glaub. Die fewrige Pfeil deß Satans / damit der Satan zielet auff vnser Hertz vnnd Seelen / seyn die manigfaltige Versuchungen / eusserliche vnd innerliche / dahin gerichtet / daß er vns die Gunst GOttes in Zweiffel ziehe. Die Gunst Gottes allein muß vns selig machen / dann was will vns helffen / so vns Gott nicht günstig ist; wann vns dann der Satan die Gunst Gottes entzogen hat / damit hat er der Seelen das Leben genommen. Hergegen aber seyn wir versichert / so lang wir ligen vnter dem Schild deß Glaubens. Dann der Glaub vmbgibt vns mit Christo / was
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wollen da außxichten die fewrige Pfeil deß Satans? Sie treffen ja nicht vns / sondern vnsern Schild / welcher ist Christus / daran wird kein Pfeil hafften. Dann die in Christo JEsu seyn / an denen ist nichts verdamliches. (5. Galea salutis, & gladius, verbi.) 5. Nehmet den Helm deß Heyls / vnd das Schwerdt deß Geistes / welches ist das Wort GOttes. Ohn das Wort haben wir keinen Glauben / der Glaub muß genommeu werden auß der Rüstkammer deß Wortes Gottes / das Wort hat zweyerley Krafft. 1. Ist es vns ein Helm deß Heyls / dadurch das Haupt deß Glaubens verwahret wird. Vnter dem Wort vnsers GOttes seynd wir sicher als vnter einem Helm / seine Warheit ist (Psal. 91, 4.) Schirm vnnd Schild. Psalm. 91. Das Wort ist vns auch ein Schwerd / damit wir können den Satan von vns treiben / vnd jhn vberwinden / wie dann auch vnser Hauptmann solches Schwerdt wieder den Versucher gebraucht hat / da er vom Geist in die Wüsten (Matt. 4, 4.) geführet ward / daß er vom Teuffel versuchet wurde. Diesem Hauptmann folgen / gibt die besten Krieger. Steiget auff in deinem Hertzen Zweiffel an der Gnaden GOttes / so halt dich an dem Wort daß da spricht / daß alle die an den Sohn Gottes glauben / nicht sollen verlohren werden / sondern das ewige Leben haben. Wirstu angefochten mit Sorge der Nahrung / so halt dich an dem Wort / daß da spricht: GOTT sorge für vns. Vnd so thu in allen andern. Anfechtungen / so wirdt endlich der Sathan zurück weichen. (6. Invocatio ardens & assidua.) Letzlich 6. muß das Gebett nicht zurück bleiben / dann alle vnsere Kräffte müssen von GOTT kommen / darumb muß sie auch von GOtt erbetten werden / daß GOtt mit seinem H. Geist vns regiere / Rath / Krafft / vnnd glücklichen Außgang gebe / sonst ists geschehen. Darumb finden wir auch diese Wort beym Apostel: (V. 18, 19.) Bettet stäts in allem Anligen mit Bitten vnnd Flehen im Geist / vnd wachet dazu mit allem Anhalten / vnnd
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Flehen für alle Heyligen / vnd für mich / daß mir gegeben werde das Wort / mit frewdigem auffthun meines Mundes / daß ich möge kundt machen das Geheimnuß deß Evangelij. Vnser Gebett muß stätig seyn / daß wir nicht ablassen entweder durch Sicherheit vn̅ Faulheit / oder durch Kleinmütigkeit vnnd Verzweiffelung. Vnser Gebett muß hefftig seyn vnd im Geist / dann es ist ein kaltes Gebett / wo nit der Geist innerlich seufftzet / vnd ruffet Abba lieber Vatter. Das Gebett ist vnsert halben sehr schwach / aber ein Seufftzerlein macht alles gut / sonst muste auch das Gebett zur Sünde werden. Wir müssen betten / nicht allein für vns / sondern auch für andere. Zun Hebreern am 13. Gedencket der Gebundenen / als die Mitgebundene(Heb. 13, 3.) / vnd derer die Trübsal leyden / als die jhr noch im Leibe lebet. Einem Soldaten ist ja viel dran gelegen / daß seine Mitgesellen standhafftig seyn / wo er selbst nicht will flüchtig / oder auch erschlagen werden. Weil wir zusammen fechten / müssen wir auch zusammen beten / einer für den andern / daß wir alle gestärcket werden / vnd das so viel mehr / so lieber vns ist die Ehre GOttes / vnnd die Schande deß Satans. Allermeist müssen wir beten für Lehrer vnnd Prediger / als welche forn an der Spitzen stehen müssen / die bedörffen Hülffe zu treiben das Werck deß Evangelions. Daran aber ist der gantzen Christenheit gelegen / daß das Wort rein behalten werde / so lang das Wort klinget / hat der Teuffel noch nicht gewonnen. Solt aber kein Wort GOttes mehr seyn / so were es verlohren. Damit seynd wir nun genugsamb vnterrichtet / wie wir wieder(Summa.) den Satan müssen gerüstet seyn. Es mangelt vns nicht an Hülff vnd Beystand / darumb seyd starck / vnd stehet allezeit bereyt in der Rüstung GOttes / das ist der Wille / vnnd das Begehren
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GOttes in dieser Epistel / dann jhr habt einen gewaltigen vnnd listigen Feind. (Usus 1. ad redargutionem.) Da gehe nun ein jeglicher in sein Gewissen / vnd forsche nach wie er gewachet / ob er auch allezeit in der Rüstung GOttes bereyt gestanden / ja ob er nicht bereyt gefället sey. Wer bekümmert sich vmb die Warheit / zu erkennen GOtt vnd sein Geheimnuß / wer hat jhm fürgenommen vnd beschlossen mit auffrichtigem Hertzen seinem Feldhauptmann Christo zu dienen? Wer ist bereyt in allen Dingen einher zu gehen nach dem Evangelio deß Friedes / in allen Stücken vnnd allenthalben den Frieden bey GOtt zu erhalten. Wer hat sich in dem Frieden Gottes so gestärcket / daß er mit Gott zu frieden ist / vnnd sich begnügen läßt in allen Dingen / in Glück vnd Vnglück? Wer hat seine Seele bedecket mit dem Schild deß Glaubens? Ja den Schalcksdeckel hat er leyder mehr dann zu viel vber sich gezogen / denn die Bekantnuß deß Glaubens muß seyn ein Deckel der Boßheit. Bistu aber im Glauben verwahret / wieder die listige Pfeile deß Satans / so versuch in deinem Sinn / ob du auch wol woltest bestehen / wann dich der Satan wurde setzen auff die Schwelle der Höllen / vnd hinab zu stossen beginnete / frag da dein Gewissen / was es daselbst für Frewdigkeit bey sich wurde befinden? Viel haben Christum nicht geschmäckt / viel weniger seyn sie mit jhm bekleydet / wiewol sie sich deß Glaubens rühmen. Wer hat GOttes Wort gehalten für den Helm deß Heyls / für das Schwerdt deß Geistes? Wer hat sich damit so verwahret / daß er wieder den Satan bestehen könne? Wer hat gewachet mit allem Anhalten vnd Flehen im Geist zu beten ohn vnterlaß für sich vnnd alle Heyligen? Ich fürchte sehr / viele / die da meynen sie stehen / seyn schon gefallen / oder zum wenigsten seyn schon im gleiten vnnd sincken. Liebe Seelen / jhr lebet als habt jhr schon gewonnen / als sey der böse Feind schon todt / als bedürfftet jhr keiner Hut vnnd Stärcke.
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Aber wachet vnd stärcket euch in dem HERRN / seyd starck in(II. ad correctione. Modus.) der Macht seiner Stärcke / vnd stehet allezeit bereyt in der Rüstung Gottes / vnnd verwahret euch mit Evangelischer Warheit vnnd Auffrichtigkeit / mit Gerechtigkeit vnd gutem Gewissen / mit Bereytschafft zu lauffen nach de̅ Evangelio deß Friedes durch Glück vnd Vnglück / mit dem Glauben vnd kindlichem Vertrawen auff GOtt / mit dem Wort vnnd Gebett / das Schwerdt deß Wortes soll nicht verrosten / in der Scheyde bestecken bleiben / noch vnter die Bancke ligen / sondern bloß vnd blanck / allezeit in der Hand geführet werden / dann es hat doch das Göttliche Wort vberauß herrliche Krafft / wo mans mit Ernst handelt. Es bringet nicht allein allzeit newen Verstand / Lust vnd Andacht / sondern es stärcket auch mehr vnd mehr / vnd vertreibet den Teuffel / dann es ist kein faules noch todtes Wort / sondern schäfftig vnnd lebendig. Wo diß Schwerdt nicht klinget / da ist bereyt dem Feind ein offner Paß gegeben. Das Gebett muß darumb desto weniger in diesem Streit dahinden bleiben / weil alle Krafft in GOtt ist / vnd von GOTT durchs Gebett muß erlanget werden. Wann das Gebett / wie ein Geschütz mit vielen Seufftzen wol geladen ist / kan es den Feind zurück halten. Dann wie solte Gott seinen Geist versagen denen / die jhn darumb anruffen Tag vnd Nacht? An solcher Rüstung / wie jhr vom Geist GOttes vnterrichtet(Arg. cotra securitate̅. 1. à Scopo pugnae.) seyd / haltet euch wol / vnnd werdet ja nicht sicher / dann jhr streitet ja nicht vmb Land vnnd Leuthe / oder ein ander vergängliches Gut / sondern vmb den ewigen Wolstandt ewerer Seelen / darinnen jhr durch Christum schon gesetzet seyd / darumb streitet jhr mit diesem Beding / daß wo jhr verlieret / jhr an statt der ewigen Wolfahrt fallen sollet in ewige vnaußsprechliche Schmertzen. Wer mag doch nur einen Tag oder eine Stundt schwere Leibes schmertzen ohn Winseln ertragen? GOTT behüt vns für die ewige.(2. à vigila̅tia hostis.) So lieb dir nun ist dein eygen Wolfahrt / so viel hüt dich auch für Sicherheit / vnd daß so viel mehr / weil du weist / was für einen ge
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waltigen wachen den vnd listigen Feind wir haben. Wer das jhm recht einbildet / vnd dem recht nachdencket / wird auch wol erkennen / daß er nicht aller Gefahr entrunnen. Wir dörffen jhn nicht für einen geringen Fliegen König halten / wir dörffen auch nicht dencken / daß er weit von vns ist / in Egypten oder Mohrenland / er ist ein Fürst der Welt / schweifft allenthalben herumb / gibt allenthalben vnnd zu allerzeit genawe Achtung auff alles vnser Thun vnnd Lassen / ob jhm etwan nicht Raum gegeben werde. Wie begieriger dieser Bluthund ist nach vnserer Seelen / wie fleissiger wir sollen wachen vnd Krafft suchen auß der Höhe. (Contra timiditatem arg. à robore Dei.) So wenig es vns gebühret sicher zu seyn / so wenig schicket sichs / erschrocken seyn. Es ist ja die Krafft vnnd List deß Satans groß / aber gering vnd nichtig / wann ich sie halte gegen die Krafft die ein Christ auß GOtt hat. So viel GOtt grösser ist dann die Creatur / so viel ist auch vnser Stärck kräfftiger dann deß Satans. Da ist in der Warheit alles Beginnen deß Teuffels nur lauter Thorheit; dann wann er streitet wieder einen Christen / der die Waffen GOttes ergriffen hat / so lehnet er sich auff wider die starcke Krafft GOttes. Nicht daß allein / sondern es tritt dieser loser Feind auff / vn̅ stehet wider einen Christen mehr auß Frechheit vnd Toben dann auß Stärcke / dieweil er entblösset ist / dann es ist ein Gewaltiger vber jhn kommen / vnnd hat jhm seinen Harnisch auß gezogen. Kan derwegen nicht mehr an dir haben / als du jhm selbsten zugibest; Wie schändlich berauben sich dann dieselbe jhrer Krafft / die dem Teuffel folgen. Einen rechtschaffenen Christen beweget das Toben deß Satans nicht / ohn zur Mutigkeit. Dann wie grösser das Toben deß Feindes / je grösser Ehre deß Christen der vberwindet durch Christum JEsum. So sehe nun nicht in diesem Streit darauff wer du bist / vnd (2. Corint. 12, 9.) wie weit sich dein Vermögen erstreck / sondern auff Christum / der sich erbeut starck zu seyn in vnser Schwachheit. Der Streit
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mit leiblichem Feind hat einen zweiffelhafftigen Außgang / wie bekennen muß deß Davids Kriegs Obrister / wann er seinen Bruder mit solchen Worten auffmuntert: Sey getrost / vnnd(2. Sa. 10, 12.) laß vns starck seyn für vnser Volck / vnd für die Stätte vnsers GOttes / der HERR aber thue was jhm gefällt. In dem geistlichen Streit / hat ein Christ / der mit Gottes Waffen außgerüstet ist / gewissen Sieg. Der Krieg ist GOttes / der wird sein Ehre erretten / er läßt dich nicht allein / sondern streitet mit dir vnnd in dir / du kombst auff getretten nicht mit deiner Krafft / sondern mit GOttes Krafft / nicht mit deinem Harnisch / sondern mit GOttes Harnisch. Darumb spricht ein Christ mit David: GOTT rüstet mich mit Krafft /(Ps. 18, 33. 35. 36.) GOTT lehret meine Hand streiten / vnnd lehret meinen Arm ein ehrnen Bogen spannen. Du HERR gibest mir den Schild deines Heyls / vnnd deine Rechte stärcket mich / Mit GOTT wollen wir Thaten(Ps. 60, 13.) thun / er wirdt vnsere Feinde vntertretten. Ihm sey die Krafft vnnd Herrligkeit in Ewigkeit. Amen.
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Am XXII. Sontage nach Trinitatis.
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Von einem Christlichen Gemüth / wie es gesinnet bey dem Lauff vnd Fruchtbarkeit deß Evangeliums.
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TEXTVS Philip. C. 1. V. 3. usque V. 12.
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V. 3. ICH dancke meinem GOtt / so offt ich ewerer gedencke. V. 4. Welches ich allzeit thue in allem meinem Gebett für euch alle / vnd thue das Gebert mit Frewden. V. 5. Vber ewer Gemeinschafft am Evangelio / vom ersten Tage an bißher. V. 6. Vnnd bin desselbigen in guter Zuversicht / daß der in euch angefangen hat das gute Werck / der wirds auch vollführen biß an den Tag JEsu Christi. V. 7. Wie es dann billich ist / daß ich dermassen von euch allen halte / Darumb / daß ich euch in meinem Hertzen habe / in diesem meinem Gefängnuß / darinn ich das Evangelium verantworte vnnd bekräfftige / als die jhr alle mit mir der Gnade theylhafftig seyd.
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V. 8. Dann GOtt ist mein Zeuge / wie mich nach euch allen verlanget von Hertzen grund in Christo JEsu. V. 9. Vnd daselbs vmb bette ich / daß ewere Liebe je mehr vnd mehr reich werde in allerley Erkäntnuß vnd Erfahrung. V. 10. Daß jhr prüffen möget / was das beste sey / auff daß jhr seyd lauter vnnd vnanstössig / biß auff den Tag Christi. V. 11. Erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch Jesum Christum geschehen in euch) zu Ehre vnd Lobe GOttes.

Geliebte in Christo JEsu.
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ES bedarff GOtt keines Menschen zu seinem Wolstandt /(Exord. à Desiderio Dei erga salutem humani generis.) doch ist er also begierig der Menschen / daß es scheinet / als könte er nicht ein seliger GOTT seyn / wo er nicht Menschen bey jhm habe. Der Eyd deß HERRN bezeuget / wie begierig die Göttliche Majestät sey nach der Menschen Seligkeit: So wahr ich lebe / spricht der HERR / ich will nicht den(Ezech. 33, 11.) Todt deß Sünders / sondern daß er sich bekehre vn̅ lebe. Wann die Göttliche Majestät etliche findet / die sich zu jhm ziehen lassen / wird dieselbe erfrewet / als wiederführ jhr eine grosse Glückseligkeit. Wann die Kinder Israel durch Anschawen der Göttlichen Majestät vnnd Herrligkeit zur Göttlichen Furcht gezogen wurden / daß sie zu Mosi deß HERRN Knecht sagten; Alles was(Deutr. 5, 47. 49.) der HERR vnser GOtt mit dir reden wird / das wollen
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wir hören vnnd thun; hat solches dem grossen GOTT so wol gefallen / daß die Göttliche Majestät auß jhrem Munde einen solchen Wunsch hat gehen lassen: Ach daß sie ein solch Hertz hätten mich zu fürchten / vnnd zu halten alle meine Gebott jhr Lebenlang / auff daß jhnen wol gienge / vnnd jhren Kindern ewiglich. Hingegen wann Israel sich der Ordnung GOttes nicht will vnter geben / vnd der Stimm deß HErrn (Psal. 81. 14. 15. 17.) nicht gehorchen / wünschet die Göttliche Majestät im 81. Psalm. Wolte mein Volck mir gehorsamb seyn / vnnd Israel auff meinen Wegen gehen / so wolte ich jhre Feinde bald dämpffen / vnnd meine Hand vber jhre Wiederwärtige wenden / vnd ich wurde sie mit dem besten Weitzen speisen / vnd mit Honig auß dem Felsen sättigen. (Item Christi.) Gleichen Sinn hat auch Christus geführet in den Tagen seines Fleisches; wann er Glauben gefunden / hat er sich im Geist erfrewet. Als die siebentzig Jünger auff Christi Befehl außgegangen waren / vnnd im Jüdischen Lande geprediget hatten / kommen sie wieder mit Frewden / vnd sprachen: HErr / es sind vns auch die Teuffel vnterthan in deinem Namen / da stehet beym Luca am (Luc. 10, 17. 21.) 10. geschrieben; Zu der Stunde frewet sich Jesus im Geist / vnnd sprach: Ich preise dich Vatter / vnd HERR Himmels vnd der Erden / daß du solches verborgen hast den Weisen vnd Klugen / vnnd hast es offenbaret den Vnmündigen. Ja Vatter also war es wolgefällig vor dir. Hingegen wann er den halßstarrigen Vnglauben gesehen / ist er betrübt vnd vnwillig geworden; wie davon ein klares Zeugnuß geben (Matth. 23. 37.) die hertzliche Wort / die wir lesen beym Matthaeo am 23. Capitel. Jerusalem / Jerusalem / wie offt habe ich deine Kinder
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versamblen wollen / wie eine Henne versamblet jhre Küchlein vnter jhre Flügel / vnd jhr habt nicht gewolt? Ein solches Hertz behält vnser Erlöser noch / da er sitzet in der Herrligkeit seines Vatters. Auch frewet sich der heylige Geist täglich in seinen trewen(Et Sp. S. in Sanctis.) Dienern / wann sich Leute finden / die sich zu GOTT halten. Also hat sich der Geist Christi hefftig gefrewet in seinem trewen Werck zeuge Paulo / wann derselbe einen glücklichen Fortgang deß Evangeliums bey einer Gemeine gesehen / wie dann der gegenwärtige Text ein hertzliches Frewdengebett ist / vber den glücklichen Lauff vnnd Fruchtbarkeit deß Evangeliums / in der grossen herrlichen Statt Philippis: Der Apostel Christi wird voller Frewden / dancket Gott für die heylsame Gemeinschafft deß Evangeliums / vnd ist begierig solche zu erhalten. Es solte ja billig alle Welt GOtt nachlauffen / vnnd froh werden / wann sie nur eine Evangelische Predigt hören könte; Aber Gott laufft der Welt nach / sendet auß seine Diener mit Hauffen / die mit grosser Beschwerung vnd Noth müssen das Evangelium herumb tragen / vnnd müssen froh werden wann sie noch einen antreffen / der es annimpt. Der Satan bedarff solcher Mühe nicht / er bedarff den Leuthen nicht lange nachlauffen / wann er seinen Schlangensamen außwirfft; die Leuthe lauffen dem Satan nach / vnnd bekommen dessen kein Danck beym Satan. Solte ein Prediger auffstehen / vnd lehren; wie man Fressen vnd Sauffen solte; Rechten vnd Fechten; Geitzen vnd Wuchern / das were ein Prediger für die Welt. GOtt aber / der so hertzlich vnser eygen Wolfarth vnnd ewiges Heyl suchet / mag daß bey dem grössesten Hauffen nicht erhalten / daß sie GOtt nachlieffen. Es soll sich nun ein Mensch die Göttliche Majestät nicht anders einbilden / als einen GOtt der hertzlich wünschet vnser Seligkeit / vnd dem vnser abtrünniges Wesen mißfällt; kehrestu dich
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zu jhm / mit Christlichem Vorsatz vnnd Andacht; solstu nicht anders gedencken / als daß GOTT im Him̅el wünsche: Ach daß du ein solch Hertz hättest mich zu fürchten all dein Lebenlang / auff daß es dir wol gienge ewiglich. Wendestu dich ab von dem HErrn / solstu auch nicht anders gedencken / als daß der HERR dir nachruffe: O Seele / Seele / wie offt habe ich dich sampt meinen ausserwöhlten Kindern versamblen wollen / wie eine Henne versamblet jhre Küchlein? Aber ich sehe wol du wilst nicht. Ach daß du mir möchtest gehorsam seyn / vnd auff meinen Wegen gehen! Wann dann GOtt so gierig ist nach der Menschen Seligkeit / so sollen auch dieselbe / so Göttlich seyn wollen / solchen Göttlichen Sinn an sich nehmen / vnnd gleichfalß nach der Menschen (Thema.) Seligkeit gierig seyn. Der liebe Apostel Paulus muß in vorhabendem Text ein lebendig Exempel seyn / wie ein Göttlich Gemüth gesinnet ist / gegen dem glücklichen Lauff deß Evangeliums / wie begierig es ist / daß selbiges viel fromme Christen anrichte. Es redet der Apostel hie auß recht brünstigem Geist / voll Geistes / als hertzlich begierig nach dem Heyl vieler Seelen in Christo; Also erfülle GOTT auch vnsere Hertzen mit demselbigen Geist / daß wir auch also begierig werden / durch die Krafft JEsu Christi / Amen.
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AVff was Weise das Evangelium nach Philippis / einer(Qualis apud Philippenses Euangelii fuerit progreflus.) Haupt Statt im Lande Macedonien gekommen / wird erzehlet in der Geschicht der Apostel am 16. Capitel. Nemblich da Paulus sampt seinen Geferten vmbs Evangeliums willen herum̅ reysete / erschien jhm einmal ein Gesicht deß Nachts / das war ein Mann auß Maeedonia / der bat jhn vnd sprach: Komb hernieder in(Act. 16, 9. usque ad finem cap.) Macedonien vnnd hilff vns. Nach solchem Gesicht machten sie sich auff / vnd kamen nach Philippis / vnnd reden in der Versamblung von Christo / da vnter andern der Lydiae / einer Purpurkrämerin das Hertz geöffnet ward / daß sie darauff acht hatte / was von Paulo geredet ward / die ließ sich tauffen sampt jhrem Hause / vnd zog Paulum sampt den Geferten in jhr Hauß. Es war aber in der Statt eine Magd / die hatte einen Warsager Geist / vnd trug jhren Herrn viel Genieß zu mit Warsagen / die folgete allenthalben Paulo vnd seinen Geferten nach / schrey vnnd sprach: Diese Menschen sind Knechte GOttes deß Allerhöchsten / die euch den Weg der Seligkeit verkündigen. Das that sie manchen Tag. Paulo aber that es wehe / dann er wolt kein Zeugnuß der Warheit haben vom Lugengeist / darumb wandte er sich / vnd sprach zu dem Geiste: Ich gebiete dir in dem Namen JEsu Christi / daß du außfahrest. Da solches geschahe / vnnd die Hoffnung deß Geniesses den Herrn der Magd benommen war / namen sie Paulum vnnd Silam / zogen sie als Auffrührer fürs Gericht / daß sie gestäupet / vnd ins Gefängnüß geleget wurden. Aber GOTT ehrete seine Knechte / dann es geschahe in der Nacht ein groß Erdbeben / vnd die Thüren der Gefängnuß wurden auffgethan / vnd der gefangenen Bande wurden loß. Darüber erschrickt der Kerckermeister / will sich selbst erwürgen / weil er meynte / die Gefangene weren alle hinweg. Wie jhm aber Paulus wehrte / fiel er Paulo vnnd Sila zu Füssen / vnd wird glaubig mit seinem gantzen Hauß. Da aber Paulus vnd Silas auß der Gefängnuß geführet wurden / giengen sie
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zur Lydia / stärckten die Brüder / vnnd zogen auß. Nach diesem blieben die Philipper fest vnnd beständig im reinen Glauben an (Philip. 1, 29. 30.) Christum / ob sie schon viel darüber gelitten hatten; schämten sich auch der Bande Pauli nicht / sondern namen sich seiner Notturfft (C. 4, 10. 14.) hertzlich an. Diß machte Paulum so hertzlich frölich / daß er mit (Qualis Paulo fuerit animus.) vollem Munde GOtt dancket / nimbt sich anderer Leute Heyls an als seines eygenes / bittet vnnd flehet / daß viel mit jhm zu der Gemeinschafft deß Evangeliums kommen / vnnd darinnen erhalten werden. Er brennet gantz für Lust / Frewd / vnd Liebe; vnd auß solchem (V. 3. 4. 5. 6.) brennenden Hertzen fliessen diese Worte: Ich dancke meinem Gott / so offt ich ewer gedencke / vnnd allezeit in all meinem Gebett / thue ich meine Bitte für euch allen mit Frewden / vber ewer Gemeinschafft am Evangelio / vom ersten Tage an bißher / vnd bin desselbigen in guter Zuversicht / daß der in euch angefangen hat das gute Werck / der wirdts auch vollführen / biß an den Tag JEsu Christi. (Objectum gaudii Pau lini, Communio fidelium in Eva̅gelio.) Das Christenthumb der Philipper / das Paulum so frölich machet / nennet er eine Gemeinschafft am Evangelio; daran sie gehalten am ersten Tage an bißher. Das Evangelium ist ein Schatz voll himlischer Güter / darinn ligt Vergebung der Sünden / Friede / Frewde / ewiges Leben vnd Seligkeit. An solchen Gütern hat ein jeglicher wahrer Christ sein Theyl / vnd haben alle genug / dann der Schatz ist vnaußgründlich / wie mehr man davon nimpt / wie vberflüssiger er ist. O eine grosse Frewde für einen Armen vnnd Elenden / sie haben hie kein geringern Theil als die Allerreichsten. O ein elender Reicher / der an dieser himlischen Seelen-Gemeinschafft kein Theyl hat! Hierüber seynd die Philipper für selig zu schätzen / daß sie im Evangelio mit allen Heyligen gleichen Theyl an der Seligkeit er
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langet haben / vnd dabey beständig verblieben seyn / von Anfang deß angenommenen Glaubens / biß auff die Zeit der Banden Pauli; dann sie sich durch keine Trübsal davon haben abtreiben lassen. Es ist wol mancher reich vnnd ansehnlich zu Philippis gewesen / das achtet aber Paulus nicht so hoch / daß er sich darüber frewen solte; aber Gemeinschafft haben an den Gütern / die im Evangelio ligen / das ist noch wol einer rechten Frewden werth. Es offenbaret Paulus seine Frewde 1. mit Dancksagen.(Paulus 1. agit gratias.) Ich dancke meinem Gott / so offt ich ewer gedencke / vber ewer Gemeinschafft am Evangelio.(V. 3.) Paulus richtet seine Dancksagung zu GOtt / dann er nennet seinen GOtt / dem er dienet / von welchem er auch gesandt ist / diesem gibt er auch das Lob in dem Gedeyen. Dann es darff doch niemand gedencken / daß mit seiner Geschickligkeit er es werde hinauß führen. Paulus pflantzet / Apollo begeußt / das Gedeyen aber kompt von GOtt. Mercke aber / wie das Hertz vnd die Sinne Pauli zu GOtt gerichtet seyn: Ich dancke meinem Gott / so offt ich ewer gedencke. So offt jhm nur in Sinn kompt das Gedächtnuß seiner Gemeine / ist sein Hertz bereyt GOtt Lob zu singen / vnd damit offenbaret er zu erst seine Frewd vber die Gemeinschafft deß Evangeliums. 2. Offenbaret der Apostel seines Hertzens Lust an solcher(2. Precatur.) Gemeinschafft mit seinem Wunsch vnd Begierde / daß die anfange̅de Christe̅ / bey der Gemeinschafft deß Evangeliums auch erhalten werden; wie er dann spricht: Allezeit in all meinem Gebett(V. 4.) / thue ich meine Bitte für euch allen mit Frewden. Wie Paulus stätiglich gedancket / so hat er auch stätiglich gebettet / dann es muß der Segen durchs Gebett gesuchet vnd erhalten werden. Darumb sihet er nicht auff sich / sondern auff Gott.
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(3. Optima. sperat.) Er thut aber sein Gebett mit Frewden / dann er hat gute (V. 6.) Hoffnung / daß der in vns angefangen hat das gute Werck / der wirds auch vollführen biß an den Tag. Jesu Christi. Es hätte Paulo schlechte Frewde gebracht / wann er hätte sollen gedencken / die Philipper würden bald von der Gemeinschafft deß Evangeliums abfallen. Aber er hoffet ein bessers. Der Grund der Hoffnung ist GOttes Güte vnnd Trew. Wer was gutes angefangen hat / der vollendet es gerne / so er gütig ist / so er trew ist / so er nicht verhindert wirdt. GOtt hat ein gutes Werck angefangen / wann er vns bringt zur Gemeinschafft der himlischen Güter durchs Evangelium. Es ist alles GOttes Werck / was bey vnser Seligkeit geschicht. GOTT hat müssen den Schatz erwerben / GOTT muß vns auch darzu verhelffen / GOTT muß vns auch dabey erhalten. Das will er auch gerne thun / dann er ist trew. Was jhn beweget hat / daß er sich erstlich vnser angenommen / vnnd den Himmlischen Schatz im Evangelio mitgetheylt / nemlich Güte vnnd Barmhertzigkeit / das beweget jhn auch / daß er fortfahre / vnd vns dabey erhalte. Es gibt zwar gute Hoffnung / daß GOtt vnser Schöpffer ist / dann er wirdt ja sein Werck nicht hassen; doch stärckt vns mehr / daß nach seiner grossen Güte er das Werck der Seligkeit in vns schon angefangen hat. Dann er ist ja kein Gott / den etwas gerewe. Gedenckstu: Es hat GOtt mir ja grosse Güte erzeygt / in dem er mich der Seligkeit theylhafftig gemacht / doch aber wird die Schuld deßzu grösser seyn / so ich fallen würde / daß er mich verwerffe. So wisse; du must ja / weil du ein Christ bist / Anfechtung leyden / vmb deß Glaubens willen / daß er bewehret werde. Doch ist Gott getrew / der vns nicht läßt versuchen vber Vermögen; ehe er die Versuchung vns zu Hause geschickt / hat er vor abgemessen / wie hoch vnser Vermögen vnd deß Geistes Kräffte / die er vns im Glauben mitgetheylet hat / vnd schickt nim̅er grösser Anfechtung / als er Kräffte gegeben hat.
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Vnd wann die Versuchung da ist hilfft er auch streiten / vnd vberwinden / vnd macht daß die Anfechtung ein solches Ende gewinne / daß wirs können ertragen. Wer nun muthwillig sich dem Geiste Gottes will wiedersetzen / den muß man fahren lassen; wer aber mit vns seufftzet vmb deß Geistes Regierung / vnd in allem Fall durch Christum in rechter Busse sich wider auffrichtet / den wird die Güte Gottes nimmermehr verlassen. Da dencke ich; Ach mein Gott / ich habe ja nicht angefangen mich selig zu machen / das Werck ist dein / auß Gnaden hastu es angefangen / auß Gnaden wirstu es vollführen. Wir haben nun gehöret / wie Paulus gesinnet ist gegen anderer(Piae sollicitudinis causa, amor.) Leuthe Seligkeit; Nun zeygt er auch Vrsach an / warumb er solch einen Sinn habe: Wie es dann billig ist / spricht er / daß ich also sorgfältig bin für euch allen / darumb daß(V. 7. 8.) ich euch in meinem Hertzen habe / als die jhr alle / in meinen Banden / vnd in der Verantwortung vnd Bekräfftigung deß Evangeliums / mit mir seyd der Gnaden theylhafftig geworden. Daß Paulus froh wird vber die Gemeinschafft / die andere Leuthe haben an der Seligkeit / vnnd daß er auß frölichem Hertzen nicht allein dancket / sondern auch bittet / mit guter Hoffnung / daß GOtt / als der das gute Werck der Seligkeit angefangen hat / es auch vollführen werde; das nennet er eine Sorgfältigkeit. Ists aber wol nötig / daß einer also sorge für den andern? Paulus antwortet ja / es ist billig / daß ich also sorgfältig bin für euch alle̅. So ists ja vnbillich / so ein Christ / insonderheit ein Lehrer vnd Prediger nit sorgfältig ist für anderer Leuthe Seligkeit. Warumb aber acht ers für billig? Auß Liebe. Es ist mir billich / spricht er / daß ich sorgfältig sey für euch alle / darumb / daß ich euch in
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meinem Hertzen habe. Die Liebe macht vns schuldig vnd geschickt / daß wir vns deß Nächsten annehmen / als vnsers eygnen. Dann der Liebe Art ist / daß sie vns vereinige mit vnserm Nächsten / also daß wir jhn ansehen als vns selbst; nach der Regel: Du solst deinen Nächsten lieben als dich selbst. In der Natur auch den wilden Thieren hat Gott eine Liebe gegen die Jungen eingeschaffen / damit die Jungen / die selbst sich noch nicht können auffhelffen / durch der alten Schutz vnnd Fleiß versorget werden; welches nicht geschehen wurde / wann der Schöpffer nicht die Liebe der Natur eingepflantzet / die machet / daß auch das vnvernünfftige Viehe mehr für jhre Junge sorget / als für sich selbst. Eben also ists im Christenthumb: Soll ein Christ sorgfältig seyn für den andern / so muß jhn die Liebe vor dazu bereyten vnd tüchtig machen. Es wurde vnser Erlöser Christus nimmermehr für vns das gelitten haben / daß er gelitten hat / wann nit die Liebe sein Hertz hätte (Gal. 2, 20.) eingenom̅en: Darum̅ spricht die Schrifft: Christus hat mich geliebet / vnd sich selbst für mich dahin gegeben. Darumb wo hertzliche Liebe ist / da ist auch hertzliche Sorgfältigkeit; wo aber kalte Liebe ist / da ist auch Sorge verfroren. Hierumb hat Christus sorgfältiglich verordnet / daß seine Hirten / die seine Herde versorgen sollen / mit Liebe wol außgerüstet seyn: Wie er dan̅ Petrum / (Ioh. 21, 15.) ehe er jhn zum Hirten setzet vber seine Schaafe vnnd Lämmer / zu dreyen malen fraget: Petreliebstu mich. Die aber zur Herde kommen ohne Liebesbrunst / das seynd solche Miedlinge von welchen (C. 10, 12.) geschrieben stehet: Er sihet den Wolff kommen / vnnd fliehet davon / dieweil die Schaafe nicht sein eigen seyn. Ist so viel: Er sucht bey seinem Hirtenampt nichts mehr als seinen Gewinn. Diß war es nun / daß den lieben Paulum so sorgfältig machet / er liebte seine Gemeine / vnnd hatte sie in seinem Hertzen.
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Aber was machte jhn so fewrig in der Liebe? Er spricht: Es(Amoris incentivu̅, communicatio afflictionis.) ist billig daß ich also sorgfältig bin für euch allen / darumb daß ich euch in meinem Hertzen habe / als die jhr alle / in meinen Banden / vnd in der Verantwortung vnnd Bekräfftigung deß Evangeliums / mit mir der Gnaden seyd theilhafftig geworden. Es muß ein Seelenhirte die Liebe nicht von der Herde holen / sondern mit zur Herden bringen; ist so viel geredet; er muß nicht warten / biß daß mit Geschenck vnnd Wolthaten er erst zu Liebe verbunden werde / sondern er muß ein Hertz tragen / daß in Liebe brenne / der Herde Christi wol zu thun in geistlichen Gütern / vnd reichlich zu versorgen. Dennoch aber / wo ein Seelenhirt solche eine Gemeine für sich findet / die das geistliche Gut annehmen / mit jhm einen Geist haben / vnnd der geistlichen Gaben theylhafftig werden / welches sich dann im Werck wirdt sehen lassen / so wird dadurch die Liebe sehr gestärcket vnd vermehret. Solche Leuthe fande Paulus in der Gemeine zu Philippis / von welchen er rühmet: Ihr seyd in meinen Banden / in der Verantwortung vnnd Bekräfftigung deß Evangeliums / mit mir der Gnaden theylhafftig geworden. Gnade ists Christum kennen vnd an jhn glauben / vnd jhn lieben; aber grössere Gnade ists / vmb Christi willen leyden. Dieser Gnaden seynd mit Christo theylhafftig geworden die Philipper / welchen er eben in disem 1. Cap. diß Zeugnuß gibt: Euch ist gegeben / vmb Christi(C. 1, 29. 30.) willen zu thun / daß jhr nicht allein an jhn glaubet / sondern auch vmb seinent willen leydet / vnd habt denselbigen Kampff / welchen jhr an mir gesehen habt / vnd nun von mir höret. Es hatten die frommen Philipper bey der Bekantnuß Christi nicht allein viel außgestanden vnnd gelitten / sondern auch da Paulus zu Rom gefangenlag / vn̅ solt Antwort geben
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vber dem Evangelio daß er geprediget / haben sie jhn nicht verlassen / auch nicht gesagt: Wir kennen den Menschen nicht. Sondern haben sich als seines Glaubens genossen offentlich bekandt / sich auch deß Apostels in seinen Banden angenommen / vnd jhn mit allerley Notturfft versorget. Dieses hält der Geist Gottes so hoch / als wann sie selbst mit Paulo in Banden gesessen / vnd mit jhm das Evangelium verantwortet vnd verthätiget hätten. Dadurch fand Paulus einerley Geist vnnd einerley Gnad bey den Philippern / vnnd bey sich selbst; das nimbt sein Hertz ein / daß er spricht: O jhr Philipper / ich habe euch in meinem Hertzen! Ein liebliches Exempel für Lehrern vnnd Zuhörern. Auch haben wir hierinn ein Fürbilde / wie sich in gemein die Liebe in allen Christen verhält Ein Christ muß Liebe tragen gegen alle / weil sie mit jhm alle zu einem GOTT vnd einer Seligkeit durch Christum beruffen seyn; doch wachset die Liebe gegen die jenige / die mit vns einer Gnaden theylhafftig (Gal. 6, 10.) seynd; nach diesem Wort: Thut gutes jederman / allermeist aber deß Glaubens genossen. (Sollicitudine̅ suam Paulus co̅firmat juramento.) Damit aber niemand meyne / es seyn nur blosse Worte / was Paulus redet von seinem Gemüte; so bekräfftigt ers mit GOtt; vnd spricht: GOtt ist mein Zeuge / wie mich nach euch allen verlanget von Hertzen Grunde / in Christo JEsu. Oder aber: Gott ist mein Zeuge / wie begierig ich bin / daß jhr seyd in der innerlichen brünstigen Barmhertzigkeit JEsu Christi. Diß ist die Gemeinschafft die alle Christen am Evangelio haben / daß sie sich alle halten an der innerlichen brünstigen Barmhertzigkeit Jesu Christi; daß sie alle in der hertzgründlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi eingeschlossen / getragen / vnnd verwahret werden biß auff die Erscheinung JEsu Christi zur sichtbaren ewigen Seligkeit.
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Vnd das war die Sorgfältigkeit Pauli / daß seine liebe Philipper in der hertzlichen Liebe JEsu Christi mochten eingeschlossen seyn vnd bleiben. Darumb seufftzet vnd bat er / mit guter Zuversicht / daß der solch herrlich Werck hatte in jhnen angefangen / es auch vollführen würde. Das machte jhn auch so frölich / daß er dancket vnd lobet. Merckt doch was die Liebe wünschet / vnnd worüber sich die Liebe zum meisten frewet. Paulus liebet die Gemeine Christi zu Philippis sehr / darumb frewet er sich nicht vber jhrem leiblichen Wolstand vnnd Vermögen; wünschet jhnen auch keine Ehr oder Reichthumb in diser Welt / sondern das ist sein Frewd vn̅ Wunsch / daß seine Geliebte mögen seyn vnnd bleiben bey der Gemeinschafft deß Evangeliums / in der innerlichen brünstigen Barmhertzigkeit JEsu Christi. Hastu Kinder / lieber Christ / denen du was gutes wünschen wilst / sprich nicht: O daß mein Kind möchte zu grossen Ehren kommen: Sondern das laß dein höchster Wunsch seyn: Ach daß mein Kind möchte seyn vnnd bleiben in der innigen brünstigen Barmhertzigkeit JEsu Christi. Das laß auch deine Frewde seyn. Daß nun Paulus ein solch Hertz gegen die Philipper habe / das bezeugt er mit GOtt. Die Welt macht offt grosse Wort von jhrer Affection / vnnd ist in der Warheit nichts dahinden / als lähre Wort / vnd offt ein falsch Hertz dabey. Paulus redet als für Gott. Daß du nun nicht gedenckest / es sey nicht müglich daß einer für einen Frembden solcheine hertzliche Sorge tragen solte / vnd sey auch von keinem geschehen / so stellet sich Paulus offentlich dar / vnd bekräfftiget es mit GOtt. Ich bin hertzlich sorgfältig für euch alle. Gott weiß es / wie begierig ich bin / daß jhr seyd in der innigen brünstigen Barmhertzigkeit JEsu Christi. Es hat biß daher der Apostel sein Gemüt eröffnet / vnd thewr(Precu̅ Paulinaru̅ pro Sa̅ctis pręcipua capita.) genug bezeuget / nun setzet er auch die Stücke seines Gebettes; damit er vns kundt thue / was es sey darumb er bitte / wann er für die
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Gemeine bittet. Die Hauptbitte ist schon genennet: Nemblich / daß die Glaubigen seyn vnd bleiben in der innigen hertzlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi. Dann nach dem er ([V. 8.) gesagt: GOtt ist mein Zeuge / wie begierig ich bin / daß jhr seyd in der innerlichen hertzlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi; setzet er vnmittelbar darauff: Vnd das ist darumb (V. 9. 10. 11.) ich bette / auff daß ewere Liebe / je mehr vnd mehr reich werde in allerley Erkäntnuß vn̅ Erfahrung. Daß jhr prüfen möget / was das beste sey / auff daß jhr seyd lauter vnd vnanstössig / biß auff den Tag Christi: Erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch Jesum Christum geschehen in euch zu Ehre vnd Lobe Gottes. So ist nun das die Hauptbitte / daß die Glaubigen in der Gemeinschafft deß Evangeliums bleiben / in der innigen hertzlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi. (Primum.) Darauff folgen aber noch 4. Special Stücke / deren erstes ist der Liebe Reichthumb in der Erfahrung Ich bete / daß ewer Liebe je mehr vnd mehr reich werde in allerley Erkändtnuß vnnd Erfahrung. Das Christenthumb ist eine stätige Ergreiffung vnd Empfindung der Liebe / die da ist in GOtt durch Christum vnsern Heyland. Dadurch wird vnser Hertz angezündet / daß es GOtt wieder liebe. Wann diese Liebe starck wirdt / daß wir in derselben immer mehr vnd mehr sehen / erfahren vnd fühlen / daß wir schmecken wie süß der HERR ist / das ist der Liebe Reichthumb / die vns Paulus wünschet: Ich bete / daß ewere Liebe je mehr vnd mehr reich werde in allerley Erkäntnuß vnd Erfahrung. Als wolte er sagen: Es ist euch Gott Lob erschienen die Liebe GOttes / ich wünsche aber daß jhr darinnen so viel em
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pfindet / daß ewre Liebe brenne / vnnd an würcklicher Empfindung vnd Erfahrung reich werde. Das ander Stück / darumb Paulus in seinem Gebett anhält /(Secundu̅.) ist die Prüfung deß guten. Ich bette / daß jhr prüfen möget was das beste sey. Die Welt ist blind; jhr Vrtheyl ist Finsternuß; sie verstehet nicht was geistlich oder Göttlich ist. Hingegen so ist GOttes Wort ein Liecht. Nichts kan gut seyn oder heissen / es reime sich dann mit GOttes Wolgefallen. Daher wer erwöhlen will was das beste ist / der muß sich nit nach der Welt Vrtheil / sondern nach dem Wort GOttes richten / vnnd darauß forschen / was Gott wolgefällig sey; vnnd was GOtt wolgefällt / muß er allem anderm Gut vorziehen. Vmb GOttes Wolgefallen muß er auch Trübsal vnd Vngemach lieb haben. Dieses ist gar eine grosse Weißheit. Dann das ist daß so manchen bethöret / daß sie darauff sehen / was die Welt lobet. Die Welt lobet was lustig ist / wol sauffen vnd wol bescheyden thun kan / was nichts leyden will / sich wol herumb schlagen kan / vnd niemand einen Gang versaget. Vnd in Summa / was weltlich ist / das lobet die Welt; wer nun in der Welt ist / vnd sich jhr nicht will gleich stellen / der kan gar bald in Schimpff vnd Spott gerathen. Da gedencket dann mancher: Ich kan mich gleichwol nicht gar verachten lassen; will ich nicht haben daß die Leute so vnnd so von mir sagen / so muß ich diß oder das wol thun. Aber solch ein elender Mensch ist noch nicht gekommen zu der Weißheit zu prüffen was das beste ist. Wer hie klug ist / der spricht: Ich muß der Welt jhr Vrtheil lassen / vnnd weiß wol daß sie nicht anders kan / als auß Finsternuß Liecht / vnd auß Liecht Finsternuß machen. Ich dancke GOtt der mir den Verstandt gegeben / daß ich weiß solches fürs beste zu halten / was GOTT lobet. Dieses ist die Weißheit die allen Christen Paulus wünschet; Ich bitte daß jhr prüfen möget / was das beste ist. Auff solche Weißheit folget
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(Tertium.) Das dritte; die Meidung deß bösen. Ich bitte / daß jhr seyd lauter vnd vnanstössig / biß auff den Tag Chr isti. Lauter seynd wir / wann nach GOttes Wort wir alle Vnreinigkeit vnd alles böses meiden. Vnanstössig seynd wir / wann wir vns nicht kehren an daß thun vnd reden der Welt. Der Welt Weiß vnd Vrtheil ist wie ein Stein / wo man nicht vorsichtig einher gehet / so stösset man sich daran vnd fällt / darumb bittet Paulus / daß Christen also fürsichtig wandeln / daß sie sich nicht mit Sünd vnd Boßheit beflecken / vnd daß sie können die Weise vnd das Vrtheil der Welt verachten / damit sie frey seyn von aller Ergernuß / daß sie sich an der Welt nicht ärgern / vnnd mit zu sündigen verleyten lassen / auch andern keine Ergernuß geben. In solchem Fleiß Sünde zu meiden / muß ein Christ bleiben biß an den Tag Christi: dann wie näher dieser Tag ist / wie gefährlicher die Verführung ist. Der Fürst der Welt weiß / daß er wenig Zeit hat. (Quartum.) Bey dem Fleiß böses zu meiden / muß auch seyn fleissige Vbung deß guten / das ist das vierte / darumb Paulus bittet mit solchen Worten: Ich bette / daß jhr erfüllet werdet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch JEsum Christum geschehen / zu Ehr vnd Lobe GOttes. Die Früchte der Gerechtigkeit seynd alle Christliche Tugenden vnd heylige Wercke / nach dem Exempel deß heyligen Lebens Christi. Wann wir in Christo JEsu durch den Glauben gerecht geworden seyn / so ist ein Same in vns / der bricht auß mit heyligen Früchten / das heissen Früchte der Gerechtigkeit. Wie Fewer nimmer kan ohne Wärme seyn / so kan auch die Gerechtigkeit nicht ohne heylige Vbung seyn. Dabey muß man die Gerechtigkeit mercken. Wiltu seyn vnd heissen ein Zweiglein der Gerechtigkeit / so mustu tragen Früchte der Gerechtigkeit. Diese heylige Vbungen müssen geschehen durch Chri
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stum JEsum. Dann das ist der Grund / darinnen wir als Bäume gesetzet werden / darauß muß alle Krafft gezogen seyn. Ausser Christo seynd wir dürre Bäume / vnnd wann schon das Leben einen Schein für vnsern Augen hat / so ists doch faul vnd todt Ding für GOtt. Ein böser Baum kan nicht gute Früchte bringen. So lang die Natur nicht wird wiedergeboren / bleibet sie böß. Wann wir aber zu Christo kommen / werden wir eine newe Creatur / vnd durch den Geist Christi gewinnen wir Lebens Krafft / vnd können gutes thun / daß GOtt gefalle. Alsdann haben vnsere Werck den Ruhm / daß sie geschehen zu Ehr vnnd Lobe GOttes. Was ist GOtt? Vnd was bistu dagegen O Mensch? Daß durch deine Werck GOttes Lob soll groß werden. Doch will es sich GOtt zu grossem Lob vnnd Ehren ziehen / so du durch Christum zum guten fruchtbar wirst; darumb dieweil du in Christo JEsu bist / seinem allerliebsten Sohn. Das ist GOttes Frewde / daß er einen dürren / vnnd im guten erstorbenen Baum hat können durch Christum seinen Sohn lebendig grün vnnd fruchtbar machen. Es wünschet aber Paulus nicht schlecht allein / daß wir Früchte tragen / sondern / daß mir mit Früchten erfüllet werden. Er ken̅et wie schwach wir seyn. Offt kan man kaum an vns ein grünes Blätlein der Gerechtigkeit finde̅: Vn̅ doch will der Geist Gottes / dz wir auch Blumen vnd Früchte tragen / vn̅ voll Früchte seyn. Wie es eine Lust ist anzuschawen / wann ein Zweiglein mit Aepffeln gantz voll bekleydet ist / so ists eine Frewde vnd Lust für Gott / wann seine Bäume in Christo voll werden an Früchten der Gerechtigkeit. Das seind die vier Stücke / die wol anstehen einem Christen / der sich wol halten will an der innigen hertzlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi / vnnd verbleiben an der Gemeinschafft deß Evangeliums.
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(Summa.) Damit ist nun klar vnd offenbar die Meynung deß heyligen Geistes in dieser Lection. Nach dem die Philipper kommen seyn zur Gemeinschafft deß Evangeliums / vnd daran auch in mancherley Noth fest gehalten / wird der Apostel darüber froh / vnd dancket GOtt / vnd träget hertzliche Sorgfältigkeit auß brünstiger Liebe / daß die Philipper bey solcher Gemeinschafft mögen bleiben. Darumb bittet er auch stätiglich für sie alle / daß sie in der hertzgründlichen Barmhertzigkeit Christi gegründet werden / daß jhre Liebe reich werde in aller Erkäntnuß vnd Erfahrung / daß sie mögen prüfen was dz beste sey / auff daß sie seyn lauter vnd vnanstössig biß auff den Tag Christi / erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit; vnd solche Bitte thut er mit gutem Vertrawen / daß der das gute Werck hat angefangen / es auch werde vollenführen. (Usus.) Damit ist ein Exempel gegeben / daß vns anzeygt / was für ein Gemüth wir tragen sollen gegen dem glücklichen Lauff deß Evangeliums / wie lieb vns seyn sol / wann dasselbe fruchtbar wird / vnd vns vnd auch andere zu guten Christen machet. (1. Ad redargutionem.) Es findet sich wol kein Mangel an solchen Leuten vnter Christen / denen viel ein grösser Glück wiederfahren were / wann ihnen Gott etliche Kästen voll Gelt zugewiesen / als daß sie zur Gemeinschafft deß Evangeliums kommen seyn. Das befindet sich also in der Warheit / wann Verfolgung antritt / da mancher zehenmahl ehe seinen Glauben fahren lässet / als seine Nahrung. Der grösseste Hauff vnter den Christen ist vmb Christi Reich gantz sorgloß. Sie bekümmern sich nicht darumb / wie jhr Glaube möge fruchtbar vnd beständig seyn. Sie seyn damit zu frieden / daß sie sich zur eusserlichen Gemeinschafft der Kirchen halten / vmb die Früchte der innerlichen Gemeinschafft machen sie jhnen keine grawe Haar. So groß ist die Sorge die wir für vns selbst tragen / darauß man leicht einen Vberschlag machen kan / wie sorgfältig wir für andere seyn. Wie viele seyn / die darumb sich groß bekümmern / ob auch andere Leute mit vns der Güter Christi im Evangelio theylhafftig
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werden? Wer casteyet sich hierüber? Wer bittet mit Ernst inständiglich dafür / daß wir alle mögen ruhen in der hertzlichen Barmhertzigkeit JEsu Christi? Wann ein jeglicher sich selbst erforschet / wird er zweiffels ohn Mangel spüren. Wenig werden sagen können / daß jhr Hertz so bereyt sey sich zu frewen vber ein gutes Christenthumb / wie hie an Paulo zusehen. Wenig werden ein solch Verlangen haben / wie Paulus / nach anderer Leute Seligkeit / vnd hertzlich darnach wünschen / daß vnser viele mögen hinzu kommen. Forschen wir nach dem Vrsprung / so befindet sichs / daß solche Liebe nicht in vnsern Hertzen wohnet wie in Paulo. Wer Christum hertzlich liebet / vnd vmb Christi willen den Nächsten / der kan nicht anders thun / er muß ein hertzlich Lust vnd Verlangen darnach tragen / daß viele zur Gemeinschafft Christi im Evangelio kommen / vnd darinnen reich werden. Wo solche Lust vnd Verlangen nicht ist / da ist das Hertz gewiß liebloß. Darumb ists wieder die Liebe / vnnd lauffet stracks wider das Exempel deß H. Pauli in heutiger Lection / wo man darnach nicht fraget / ob auch das Evangelium Frucht bringe. Diß Exempel schawe an / vnd lerne / was für ein Gemüth du(2. ad correctionem.) gegen dem thewren Evangelio Christi haben sollest. Du findest in demselbigen erstlich Dancksagung. Wie deß from̅en Pauli Hertz vnd Sinn zu GOtt gerichtet gewesen / haben wir gehöret. Wann jhm nur eingefallen die Frucht / die das Evangelium herfür gebracht bey den Philippern / ist Hertz vnd Sinn bereyt gewesen / GOTT zu singen vnnd zu loben. Ich dancke meinem GOtt / so offt ich ewer gedencke. Also solte vnser Hertz auch zu GOTT gerichtet seyn / daß es sungevnnd lobte / so offt vns in Sinn käme / was gutes wir von GOtt empfangen haben. Ein solch Hertz wird von vns erfordert / Eph. 5. Singet / vnd spielet dem HERRN in ewrem Hertzen / vnd saget Danck alle
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zeit (Eph. 5, 20.) für alles Gott vnd dem Vatter / in dem Namen vnsers HERRN JEsu Christi. Ein solch Hertz ließ sich finden beym König David / laut deß 34. Psalmens: Ich will den (Ps. 34, 2. 3.) HERRN loben allezeit / sein Lob soll immerdar in meinem Munde seyn / meine Seele soll sich rühmen deß HERREN / daß die Elenden hören vnnd sich frewen. Solchen Danck seyn wir GOtt schuldig allezeit / für alles / allermeist aber für das geistliche Gut daß wir haben in dem Evangelio (Col. 1, 12.) Christi, daher der Geist GOttes begehret zun Coloss. am 1. daß wir Gott mit frölichem Hertzen Dancksagen dafür / daß er vns tüchtig gemacht zu dem Erbtheyl der Heylige̅ im Liecht / vnd vns erlöset von der Obrigkeit der Finsternuß / vnd versetzet in das Reich seines lieben Sohns / in welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut / nemblich die Vergebung vnser Sünden. Die höchste Gabe die GOtt den Menschen Kindern gegeben hat / ist nicht Gold noch Silber / nicht Land noch Leuthe / sondern so groß / daß mit keinem Golde es hat können erkauffet werden / vnd doch bekommen wirs frey vmbsonst im Evangelio. Er erlöset vns vom Zorn vnd ewigen Todt. Er erfüllet vns mit Trost / Fried vnd Frewd. Ja wir werden Herren vnd Erben deß Himmels. Für diß alles mag GOtt von vns vndanckbaren Würmen nicht so viel erheben / daß wir mit danckbarem Hertzen nur daran gedencken. Vndanckbarkeit ist ein verfluchtes Laster auch für der Welt. Entspringet aber daher / daß wir vergessen in was Nöthen vnd Engsten wir gewesen / vnd nicht betrachten was für ein gutes wir empfangen. Ich führe euch nur für Augen den Schuldener im heutigen Evangelio. Wie angst war jhm / da er zur Rechnung gefordert ward / vnnd solte bezahlen? In solche Angst müssen gerathen alle die keine Gemeinschafft ha
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ben am Evangelio Christi. Bedenck es wol; solte GOtt von vns Schuldt fordern / würden wir nicht müssen in diesem Augenblick zur Höllen sincken? In was Gewissens Angst stecken noch viel Leuthe / die den rechten Trost deß Evangeliums nicht verstehen? Da wolten die armen Seelen gerne selig werden / vnnd können nicht. Sie plagen sich / vnd ängstigen die Gewissen auffs hefftigste. Soltestu solche Angst vnd Blindheit ansehen / vnd nach Gottes Wort recht betrachten / das wurde dich lehren Danck sagen. Dancket ja GOtt lieben Christen / für die Gemeinschafft die jhr habt am Evangelio. Was jhr mit Leib vnd Leben zum Lobe Gottes zu thun vermöget / das thut. Daher stehet euch zum andern nach Pauli Exempel wol an / die Fruchtbarkeit deß Evangelij / wann vnsere Liebe reich wird an allerley Erkäntnuß vnd Erfahrung; wann wir prüfen was das beste ist / vnd vns nicht richten nach dem bösen Vrtheil der Welt; wann wir leben lauter vnnd vnanstössig / erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch JEsum Christum geschehen zu Lob vnnd Ehre GOttes. Bestehet also die Fruchtbarkeit darinn / daß das Fleisch auffhöre / vnd der Geist Christi in vns lebendig werde. Diß ist der Zweck vnserer Erlösung vnd Heyligung. Dann dazu reiniget das Blut Christi vnsere Gewissen von den todten Wercken /(Heb. 9, 14.) daß wir dienen können dem lebendigen GOtt in Heyligkeit vnnd(Luc. 1. 74.) Gerechtigkeit die jhm wolgefällig ist. Diß ist das beste Danckopffer. Wie der grösseste Vndanck ist / dem Geist Christi vnnd seinen Wercken widerstehen / also ist das der beste Danck / wann wir durch Christi Geist in Christo fruchtbar werden / vnd durch Früchte der Gerechtigkeit GOtt preisen. Darumb soll das jmmerdar vnser Wunsch vnnd Fleiß seyn / daß wir prüfen mögen / was in allem das beste / auff daß wir seyn lauter vnnd vnanstössig / erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch JEsum Christum geschehen / zu Lob vnd Ehre Gottes.
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Endlich zum dritten / müssen wir nach Pauli Exempel auch gedencken an Beständigkeit / daß wir im lebendigen Glauben (Luc. 11, 28.) bleiben lauter vnd vnanstössig biß auff den Tag Jesu Christi. (Matth. 24, 13.) Nach heyliger Schrifft seynd die selig / die Gottes Wort hören (Apoc. 2, 10) vnnd bewahren. Wer beharret biß ans Ende / der wird selig. Sey getrew biß in den Todt / so will ich dir die Crone deß Lebens geben. Nun seynd wir aber noch im harten Streit / vnd leben nicht ohne Teuffel in der Welt so hanget vns auch noch viel böses an. So mögen wir ja wol sorgfältig seyn / daß wir die Crone deß Lebens nicht verschertzen. Wer einen köstlichen Schatz hat / der bewahret jhn sorgfältiglich. Wie kan ich aber wissen / daß ich beständig bleiben werde biß in den Todt? Paulus macht vns / wie gehöret / gute Hoffnung / daß derselbe / der in vns das gute Werck vnser Seligkeit angrfangen / es auch vollenführen werde biß auff den Tag JEsu Christi. Tröstlich ist es / daß die Beständigkeit der Heyligen so wol / als der Beruff selbsten auff GOttes Güte gegründet ist. Gott ist mächtig / der vns kan bey der geschenckten Seligkeit erhalten; er ist auch getrew / der vns will erhalten. Man darff nicht zweiffeln / ob Gott es mit vnser Seligkeit auch hertzlich meyne. Nein / er ist getrew. Auß Gnaden hat ers angefangen / auß Gnaden will ers vollführen. Darumb läßt er vns nicht versuchen vber Vermögen / sondern schaffet daß die Versuchung ein solches Ende gewinne / daß wirs können ertragen. Daher / was GOtt anlanget / seyn wir gewiß (2. Tim. 1. 12.) / vnd können mit Paulo sagen: Ich weiß an welchen ich glaube / vnd bin gewiß / daß er kan mir meine Beylage (Rom 8, 38. 39.) bewahren / biß an jenem Tage. Ich bin gewiß / daß weder Todt noch Leben / weder Engel noch Fürstenthumb / noch Gewalt / weder gegenwärtiges noch zukünfftiges /
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weder hohes noch tieffes / noch keine andere Creaturen vns scheyden mag von der Liebe Gottes / die in Christo JEsu ist vnserm HERRN. Aber ferne sey es / daß dieses sich zu frewen haben die Vnbußfertigen / bey jhrer Vnbußfertigkeit. Ohnerechtschaffenen auffrichtigen Gehorsamb auff GOTT hoffen ist nicht sicher; bey Vngehorsamb vnnd Gottlosigkeit hoffen ist eine Vermessenheit. David der Knecht GOttes setzet bey einander: Opffere Gerechtigkeit / vnd hoffe auff den HERREN. An GOtt darffstu nicht zweiffeln / ob er auch will fest bey dir halten / aber du must selbst nicht muthwilliger weiß von GOTT abtretten; Es kan keine Gewalt dich reissen von der Liebe GOttes in Christo JEsu; aber hüte dich / daß du dich selbst nicht abreissest. GOtt kan doch ohn dein Danck dir nichts guts thun / wann du selbsten dem guten bey dir nicht Raum geben wilst / vnnd das gute von dir stossest. Was soll GOTT da machen / vber jhn hastu nicht zu klagen. Darumb gib acht auff dich / vnnd befleissige dich bey der Hoffnung deß hertzlichen Gehorsambs gegen GOTT vnd sein Gebott; vnnd trage täglich in deinem Gebett diese Sorge GOtt auff / daß er auß Gnaden wie er das gute Werck in vns angefangen / also auch vollführe / biß auff den Tag JEsu Christi / vnnd daß er vns nicht in Sünden wegreisse / sondern Zeit zur Busse verleyhe. Bist du schwach / so ists gut / daß du deine Schwachheit erkennest / also hast du Vrsach deßzu mehr GOtt zuvertrawen. Fällstu / so hast du die Verheissung / du solst nicht weg geworffen werden / sondern GOTT richtet dich wieder auff durch hertzliche Rewe im Glauben JEsu Christi. Alleine hüte dich / daß du an deinem Fall keinen Gefallen habest / vnd im Sündenkoth liegen bleibest.
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Das ist die Art sich wol gegen dem Evangelio zu verhalten bey vns selbst / nemlich daß wir GOTT Dancksagen / fruchtbar in allem guten / vnsträfflich biß ans Ende. Das muß vnsere Sorge seyn. Doch müssen wir nicht gantz ohne Sorge seyn wegen vnsers Nächsten. Ein Christ muß nicht solch ein Vnmensch seyn / daß er gedencke; was frage ich darnach wo der ander bleibt. Findestu ein Häufflein / daß Christum lieb hat / so frewe dich dessen / vnnd dancke GOtt dafür / vnd bitte von gantzem Hertzen / daß GOTT viel zu Christo bringe / vnnd in Christo erhalte. Kanst du etwas mit guter Vermahnung außrichten / das versäume auch nicht. Insonderheit sey sorgfältig für deine Kinder vnd Haußgenossen. Dann die seyn dir vnd deiner Zucht insonderheit anvertrawet. Lehrer vnnd Prediger bedencken / wie hoch jhnen für allen andern diese Sorge soll angelegen seyn. So es bey andern Christen sträfflich / sich an anderer Leuthe Heyl nicht kehren / wie viel höher ist es sträfflich bey vns die wir dazu gesetzet seyn / daß wir für andere Sorge tragen sollen. Ach wie solten wir so fleissig seyn / mit Bitten vnnd Flehen / mit Vnterweisung / Straff vnnd Vermahnung? Welcher Prediger nicht sorgfältig ist wegen anderer Leuthe Seligkeit / der bezeuget damit daß er nur ein Miedlings Hertze habe / vnd die Herde weyde / nicht auß Liebe Christi / sondern vmb schändliches Geniesses willen. Wilstu aber rechtschaffen seyn in der Sorge für ander Leuthe / du seyst wer du wilst / Prediger / oder ein ander Mensch / Mann oder Weib / so strebe nach der Liebe / daß du Christum vnnd deine Brüder vnnd Schwestern im Hertzen tragest; wie Paulus saget: Es ist billich daß ich für euch sorge / weil ich euch in meinem Hertzen habe. Das wirdt euch auch sorgfältig machen.
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Du Ertzhirt vnserer Seelen Christe JEsu / du hast vns dein Evangelium hören lassen / vnd himlische Schätze darinn vorgetragen / auch vns derselben durch den Glauben theylhafftig gemachet. Das erkennen wir mit Danck / vnnd seyn frölich. Danck sey dir für diese heylsame Gnade. Verschaffe in vns / daß wir solches mit danckbarem Hertzen allezeit erkennen / vnd erhalte vns bey der Gemeinschafft deines heyligen Evangelij / daß wir seyn vnd bleiben in deiner hertzbrünstigen Barmhertzigkeit / auff daß vnsere Liebe reich werde je mehr vnnd mehr in allerley Erkändtnuß vnnd Erfahrung; daß wir prüfen mögen / was das beste sey / auff daß wir seyn lauter vnd vnanstössig / biß auff den Tag deiner Erscheinung; erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch dich geschehen in vns zu Ehr vnnd Lobe GOttes. Amen.
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Am XXIII. Sontage nach Trinitatis.
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Von der fürsichtigen Nachfolgung in der Wanderschafft zum ewigen Leben.
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TEXTVS Philip. 3. V. 17. usque ad fin.
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V. 17. FOlget mir / lieben Brüder / vnnd sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. V. 18. Dann viel wandeln / von welchen ich euch gesagt habe / nun aber sage ich auch mit Weinen / die Feindedeß Creutzes Christi. V. 19. Welcher Ende ist das Verdamniß / welchen der Bauch jhr GOtt ist / vnnd jhre Ehre zu Schanden wird / deren / die jrrdisch gesinnet seyn. V. 20. Vnser Wandel aber ist im Himmel / von dannen wir auch warten deß Heylands JEsu Christi deß HERRN. V. 21. Welcher vnsern nichtigen Leib verklären wird / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe / nach der Würckung / damit er kan auch alle Ding jhm vnderthänig machen.
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Geliebte in Christo JEsu.
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WAr ists / die Vollkommenheit deß Christenthumbs ist so(Exord. De imperfectione Christianâ.) vnvollkommen / daß auch für eine Vollkommenheit zu rechen ist / seine Vnvollkommenheit erkennen. Da ist kein Heyliger gewesen der nicht geklaget hat vber seine Vnvollkom̅enheit / auch der Apostel Paulus / da er viel gerühmet hatte / wie er vmb Christi willen / alles Zeitliche für Schaden vnd Dreck geachtet habe / zum Philip. 3. setzet er hinzu / nicht daß ichs schon ergriffen habe / oder schon vollkommen sey / ich jage jhm aber nach / ob ichs auch ergreiffen möchte / nach dem ich auch von Christo JEsu ergriffen bin. Den Welt Christen ist diese Vnvollkommenheit nicht verborgen / werden sie etwan gestraffet wegen jhrer Nachlässigkeit im Christenthumb / wissen sie einem wol zu begegnen mit der Vnvollkom̅enheit aller Heyligen. Wird dann in H. Schrifft / der heyligen Vnvollkom̅enheit /(Impersectio neminem debet pigru̅ efficere in studio pietatis.) darumb auffgezeichnet / daß wir vom Fleiß / im Christenthum̅ weiter zu km̅oen / abgeschrecket werden? Das sey ferne. Dann auch der Apostel wann er bekennet / daß er noch nieht alles ergriffen habe / oder vollkommen sey / dieses hinzu setzet: Ich jage jhm aber nach / ob ichs auch ergreiffen möchte. War ists / die Vnvollkommenheit fühlen / ist nicht das geringste Theyl der Vollkommenheit / ich setze aber hinzu / es mag niemand seine Vnvollkommen heit recht erkennen / er habe dann angefangen zu streben nach der Vollkommenheit. Niemand erkennet sein Vermögen zu einem Ampt / er habe dann etwas darinn versuchet: Also mag auch im Christenthumb mit Grunde niemand etwas sagen von können / oder nicht können / es sey dann er habe etwas versuchet.
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So viel mangelt daran / daß wir durch die Vnvollkommenheit solten abgezogen werden von einem Fleiß zu lauffen nach der Vollkommenheit / das auch niemand von der Vnvollkommenheit etwas gründliches erkenne / er befleissige sich dann recht wol eines guten vnsträfflichen Wandels in Christo / vnnd jage nach der Vollkommenheit. Wie aber solches geschehen soll / das zeyget vns mit seinem Exempel als ein Vorlauffer in gegenwärtiger Lection der Apostel Paulus / vnnd will daß wir jhm folgen sollen. (Applicatio.) Es hatte der Apostel auff den Rennplatz geführet die Philipper / vnnd die Kirche Christi bey jhnen wol bestellet / es war aber deß Apostels Wunsch / nicht allein / daß sie beständig blieben / sondern auch / daß sie möchten weiter kommen. Daher fanget (Philip. 1, 9. 10. 11.) er die Epistel an die Philipper an / mit einem brünstigen Gebett / daß jhre Liebe je mehr vnnd mehr reich würde / in allerley Erkändtnüß / daß sie prüffen möchten / was das beste sey / auff daß sie seyn lauter / vnnd vnanstössig biß auffden Tag Christi / erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit / die durch JEsum Christum geschehen zur Ehre vnnd Lobe GOttes. Es war aber dem lieben Apostel nicht verborgen / wie viel verführische Leuthe mit eingeschlichen waren / Irrewische / die ins Verderben führen; da war es noth / gute Auffsicht zu haben / daß nicht jemandt verführet wurde (Thema.) / darumb setzet er sich selbst zum Vorlauffer vnnd Fürbilde / daß alle Christen auff jhn sehen / als auff jhren Vorläuffer / der vns zum Exempel vorlaufft / zu dem Himmlischen Kleinodt / damit wir jhm folgen / vnd dasselbige Kleinod ergreiffen. Wie grösser die Gefahr ist der Verführung in Lehr vnnd Leben / je nothwendiger ist diese Lehr / die vns ermahnet zur für
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sichtigen Nachfolg in dem Lauffder Christlichen Vollkommenheit / daß wir wissen wem wir trawen sollen oder nicht: GOtt gebe vns erleuchtete Augen. Amen. GLeich wie ein getrewer Lehrmeister / in Mahlen vnnd(Exegesis, in genere ostendit 1. Co̅modu̅ ex praecursorib.) Schreiben / nicht allein gewisse Regeln seinen Jüngern für saget / sondern sich auch neben jhn setzet / vnnd jhm die Handtgriffe zeyget / vnnd ein Vorbilde vorleget / darnach er sein Werck richten muß: Also lässet GOTT in der Schule der Gottseligkeit es nicht dabey bleiben / daß er vns gewisse Regeln der Gottseligkeit fürgeschrieben / sondern leget vns auch Fürbilde vor Augen / vnnd spricht: Darauff sehet / vnnd folget nach. Also stellet vns GOtt hie für / zu einem Fürbilde / seinen Knecht Paulum / vnnd die mit jhm eines Geistes seyn / der muß vns zuruffen: Folget mir lieben Brüder / vnnd sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. verf. 17. Gleich wie auch auff einer Reyse nicht allein gut ist / daß man einen hat / der vns sage / wie der Weg beschaffen / da wir gehen sollen / sondern auch nutzlich ist / so man einen hat / der auff der Reyse bey vns bleibt / daß wir auff jhn sehen / vnnd jhm folgen / so seynd wir für Irrwege sicher. Also hat zwar GOTT genugsamb offenbahret seinen Weg / wie die wandeln sollen / die gedencken ins ewige Leben hinein zu gehen; läßts aber dabey nicht bleiben / sondern zu vnserm Behülff / stellet er vns Männer für / mit seinem Geist außgerüstet / die vns müssen vorgehen / vnnd zuruffen: Folget mir lieben Brüder / vnnd sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde.
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(2. Praecurfores imitandos.) Es mag aber Paulus wol ein hoffärtiger Mann seyn / daß sich der gantzen Christenheit zu einem Fürbilde vnnd Vorläuffer vorstellet. Aber doch thut er nicht mehr / als alle getrewe Lehrer (1. Pet. 5, 3.) thun sollen / die da seyn sollen Fürbilde der Herde. So wahr jhm Paulus auch bewust / daß er einen vnsträfflichen Wandel in Christo zu führen sich in seinem Ampt beflissen hatte. Es ist sonst Christus der fürnembste Vorläuffer / ja der einige auff welchen alle sehen sollen / doch hat Christus sein Leben in der heyligen Leben abgebildet / also daß eben dasselbe darinnen vns der heyligen Leben fürgestellet wird / nichts an ders ist / als das Leben Christi / darumb führet Paulus anderswo seine Rede also: Werdet meine Nachfolger (1. Cor. 11, 1.) / gleich wie ich Christi Nachfolger bin. Also bleibt Christus das Haupt Exempel / dennoch / weil er durch seinen Geist sich kräfftiglich in Pauli Wandel abgebildet / so mag Paulus auch mit Rechte sagen: Lieben Brüder folget mir. Es kan aber Paulus nicht allenthalben seyn / hat auch nicht allwege bey vns auff Erden bleiben können / darumb stellet er neben sich zu Vorlauffern auff / die mit jm eines Geistes seyn / vn̅ spricht: Lieben Brüder folgetmir / vnnd sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. Es wird vnser HErr GOtt noch allezeit auff Erden etliche Heyligen lassen / von denen wir Gottseligkeit lernen können / vnnd die wol gelernet haben / können andere wider lehren / vnnd jhnen im Leben fürleuchten / wie wir dann solche Ordnung mercken in der ersten Epistel an (1. Thess. 1. 6. 7.) die Thessal. am 1. Cap. Da Paulus die Glaubigen mit solchen Worten lobet: Ihr seyd vnsere Nachfolger worden / vnnd deß HERRN / vnd habt das Wort auffgenommen vnter vielen Trübsalen mit Frewden im Heyligen Geist / also daß jhr worden seyd ein Fürbilde aller Glaubigen.
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Wie ein Liecht vom andern angezündet wird / also wird auch Gottseligkeit gebracht von einem auff den andern. Wann vns nun das Glück widerfähret / daß wir zu frommen(3. mandatu̅ sequendi.) auffrichtigen Christen gerathen / die in der heyligen Apostel Fußstapffen getretten seyn / auff dieselbe sollen wir gute Achtung haben / als auff ein lebendiges Wort / damit vns GOtt sichtbarlich prediget / wie wir dann von Paulo dazu vermahnet werden: Lieben Brüder sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. Es können aber die Heyligen auch meisterlich irren / vnd gröblich mit David sündigen; was soll man dann da machen? Heist es da auch: Folget mir? Wir haben vorhin gehört / daß Paulus also geredet: Werdet meine Nachfolger / gleich wie ich Christi Nachfolger bin. So weit nun ein Heyliger wandelt / welcher Christum vnd Paulum hat zum Vorbilde / so weit sollen wir jhm folgen; in dem er aber abtritt von dem heyligen Wandel Christi vnd Pauli / ist er nicht heylig / in dem ist jhm auch nit zu folgen / doch alle das gut / das wir finden bey dem Fall der Heyligen / haben wir auch wol in acht zu nehmen / daß bey vnserm Fall wir vns den Heyligen gleich machen; als wann David sündiget / vnnd die Sünde öffentlich bekennt / berewet vnnd beweinet / sollen wir von jhm lernen / wie wir vns in vnserm Sündenfall verhalten sollen / daß wann wir mit David Sünder geworden / wir auch mit David ein zerbrochen vnd zerschlagenes bußfertiges Hertz annehmen. So stehet nun die Kunst vnnd Christliche Fürsichtigkeit zu(In specie Oste̅ditur modus rectè curre̅di, du̅ duo currentiu̅ genera ???ponuntur.) folgen darinn / daß wir die Fuß stapffen Pauli kennen / vnd die vnterschiedliche Art der Läuffer / daß wir wissen / was es für ein Wandel sey / darinn wir dem Apostel / vnd andern rechtschaffenen Christen folgen sollen. Darumb stellet vns der Apostel vor zweyerley Art läuffer. Dann gleich wie wir haben eine zwyfache Geburts-Linie / Fleisch vnd Geist: Gleich wie wir auch haben ein zwyfach
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Vatter land / die Erde vnd Himmel: Also haben wir auch zweyerley Liebe / die Welt Liebe zu dem Irrdischen / vnd die Geistliche Liebe zu GOtt. Daher entstehet die vnterschiedliche Arbeit der Menschen / vnterschiedliche Gemüther vnd Läuffer. (Quo simul causa datur prude̅???is sequele.) Es zeyget aber der Apostel die zwyfältige Art der Läuffer / nicht allein darzu / daß wir die vnterschiedliche Gemüther / vnd den vnterschiedlichen Wandel der Menschenerkennen / sondern auch / daß wir die Vrsach sehen einer fürsichtigen Nachfolge. Auff einem Felde seynd offt viel Wege / die einen Wandersmann verleyten kön̅en / es lassen sich auch zuweilen sehen / Gespenster / Irrwische / vnd brennende Liechter / die von rechter Bahn den Wandersmann abführen. Also gibts auch vielfältige Verleytung im Lauff deß Christenthumbs / darumb ists recht / daß man die Augen auffthue / vnd zusehe / wem man folge. Wir haben aber gesagt / es stecke die Kunst darinn / daß man Pauli Fußstapffen kenne / vnnd von der Weltpfade vnterscheyden kan / darumb wir auch beyderley Art Wandel wol betrachten sollen. (Descriptio Errantiu̅) Die erste Art ist der jrrigen vnd verführischen Läuffer: Dann (V. 18. 19.) viel wandeln / spricht der Apostel / von welchen ich euch offt gesagt habe / nun aber sage ich auch mit Weinen / daß sie seynd Feinde deß Creutzes Christi / welcher Ende ist das Verdamnuß / welchen der Bauch jhr Gott ist / vnd jhre Ehre zu Schanden wirdt / deren die jrrdisch gesinnet sind. Hie mercket vorauß die Liebe deß Apostels / er erzehlet dieses mit Weinen. Dann er betrauret so wol den Vntergang der Verführer / als die grosse Gefahr der Verführung bey vilen Einfältigen. Das heist recht auffrichtige Liebe; die frewet sich / wann die Leuthe kommen zur Gemeinschafft Christi vnnd seines Evan
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gelij; hingegen so betrübt sie sich hertzlich / wann sie Leuthe für sich findet / die nicht Christlich wandeln / dann sie bedenckt der Seelen Schaden / der darauff folget. Ferner muß man mercken / bey der Beschreibung der verführischen(1. quoad modu̅ currendi.) Läuffer. 1. die Art vnd Weise jhrer Wanderschafft. 2 den Lohn vnnd das Ende. Die Art vnnd Weise der verführischen Läuffer / sihet man auß diesem Titel: Feinde deß Creutzes Christi / die irrdisch gesinnet seyn / vnd den Bauch zum GOtt haben. Es kan seyn / daß der Apostel vornemblich sihet auff die falsche Apostel / die zwar Christum predigten / aber zwungen die Christen zur Beschneidung / vnnd andern Ceremonialischen Satzungen / vnd setzten darinn die Gerechtigkeit vnd Seligkeit / deren er im Anfang deß 3. Capitels gedacht; die werden recht genennet Feinde deß Creutzes Christi / dann sie leugneten die Krafft deß Creutzes Christi / zu dem predigten sie allermeist den Juden zu gefallen / damit sie nur das Creutze Christi nicht tragen dürfften / wie Paulus vber sie klaget zum Gal. 6. Die sich wollen angenemb mache̅(Gal. 6, 12.) nach dem Fleisch / die zwingen euch zubeschneiden / allein daß sie nicht mit dem Creutze Christi verfolget werden. Das waren Bauchdiener / hatten den Bauch zum GOtt / waren gantz jrrdisch gesinnet / dann was nicht an Christo hanget / hanget nur an der Erden / so suchten sie auch nicht Christum / sondern jhre Frewde war / daß sie nur sässen ruhsamb in jhrem Ampt / essen / trincken / vnnd hätten die Leuthe zu Freunde. Also noch / so einer predigt nur eygen Gerechtigkeit / der ist ein Feind deß Creutzes Christi / vnd je weiser vnnd frömmer ein solcher Lehrer ist / je ein bitterer Feind ist er deß Evangelij. Doch können vnd müssen hieher gezogen werden alle fleischliche vnnd irrige Menschen / die mit jhrem ärgerlichen / das ist vn-Christlichen weltlichen Wandel andere Christen verführen. Dan̅
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diese trifft recht diese Beschreibung: Sie wandeln als Feinde deß Creutzes Christi / jhr Gott ist der Bauch / dann sie seynd irrdisch gesinnet. Das heist aber jrrdisch gesinnet seyn / vmb das jrrdische mehr sorgen / dann vmb das him̅lische; mehr suchen / was hie vnten auff Erden / als was droben ist / da Christus ist / sich mehr frewen vber das leibliche wolergehen / als vber GOTt / sich Schätze auff Erden samblen / vnnd nicht im Himmel. Vnser HERR vnnd Heyland hat sonsten dise Ordnung gemacht / daß wir zu erst trachten nach dem Reiche Gottes / vnd die Verheissung darneben gegeben / daß das andere sich auch wol finden soll / vnnd vns zufallen. Wer diese Ordnung vmbkehret / vnd zu erst trachtet nach dem Irrdischen / vnnd gedenckt dabey / das Reich Gottes wird sich doch wol finden / der ist jrrdisch gefinnet. Solche irrdische Welt Christen machen den Bauch zu jhrem GOtt / wie billig der Christen Leben soll dahin gerichtet werden / daß Gott damit gedienet / vnd GOtt geehret werde; also richten die Welt Christen jhr Thun dahin / daß jhrem Bauch damit gedienet werde / arbeyten vnnd sorgen vmb zeitliches Wolergehen / als were es jhr Himmelreich. Ach was seynds doch vor elende Creaturen / die also nach dem Zeitlichen trachten? jhrer Seelen / vnd GOtt seynd sie kein nutze. Solche Welt Christen seind Feinde deß Creutzes Christi. Dann sie verderben / was Christus mit seinem Creutz erlöset hat / sich vnd viel andere. Ja Feinde deß Creutzes Christi seynd sie / dann sie verläugnen die Krafft deß Creutzes Christi. Das wollen sie wol / daß jhnen durchs Creutz Christi alle Sünde vnnd aller Muthwill vergeben werde; aber die Heyligung wollen sie vom Blut Christi nit annehmen. Feinde deß Creutzes Christiseyn sie / dieweil sie dasselbe zum Schanddeckel machen / jhres weltlichen / vn̅ nach eigener Begierde gerichteten Wandels; können sich mit dem Creutz Christi
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bey jhrem vnbekehrten weltlichen Sinn meisterlichen reinigen vnd trösten. Feinde deß Creutzes Christi seyn sie / dan̅ sie wollen mit dem armen nidrigen vn̅ verachteten Christo kein Creutz tragen. Das hören sie gern so man spricht / das ist ein löblicher Regent / ein grosser gelehrter Man̅. Spricht dan̅ ein armer Christ / dz mustu vor Koth halten / must darnach streben / daß du Christum gewinnest / must einen andern Sin̅ vnd Hertz annehmen. Da wird ein Welt Christ nit leyden / daß sein Wesen / daß doch so fein ist / von einem andern geringern vnd verächtlichen Menschen sol geta elt werden; was seind sie aber? Feinde deß Creutzes Christi. Ach wehe den elenden Welt-Kindern / die nur Gut Gemach / Reichthumb / Wollust vnd Ehre bey Christo suchen / dann sie seynd Feinde deß Creutzes Christi. Vnter disem Hauffen stehen billich oben an / die rechte Feld vn̅ Weltprediger. Ist einer der vmb Genuß willen die Warheit verschweiget / vn̅ nit allwege Gottes Wort ernstlich den Menschen offenbaret / nachlässig vn̅ nur nach gewonheit vm̅ sein salariu̅ predigt / also / daß Zuhörer mehr zu rück / als vor sich geführet werden / was ist er anders dann ein blinder Leyter / vn̅ Feind deß Creutzes Christi? Ist einer der mit seinem vngöttlichen vn̅ jrrdischen Wandel niderreisset / was durchs Evangelium auffgebawet wird / was ist er anders als ein blinder Leyter / vnnd Feind deß Creutzes Christi? So ist nun offenbar / Paulus hats zuvor verkündiget / mitte̅ vnter der Christenheit / werde̅ Verfürer mit volle̅ Hauffen seyn / so wol vnter Zuhörern / als vnter Lehrern / die irrdisch gesinnet seyn / den Bauch zum Gott machen / vn̅ Feinde werden deß Creutzes Christi. Das ist aber darumb zuvor verkündiget / daß jhr keine Entschuldigung findet / wann jhr woltet sagen: ich habe in gemein keine andere weise zu leben vnter den Christen gefunden: Aber was sagt Paulus? Es wandeln vil / von welche̅ ich euch zuvor gesagt habe / vn̅ sage nachmalen mit weinen / viel wandeln als Feinde deß Creutzes Christi / nemlich die irrdisch gesinnet seyn / vnd machen den Bauch zu jhrem GOtt.
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(2. quoad praemium.) Nun was haben sie für einen Lohn / vnnd was ist jhr Ende? Ihr Ehre wird zu Schanden / vnd jhr Ende ist das Verdamnuß. Welt Christen haben gerne Lob vnd Chr in der Welt. Aber sie suchen die Ehre in jhrer Schande. Was in der Warheit / vnd für GOtt Schande ist / das muß jhnen Ehreseyn. Das wol von (Iud. V. 13.) jhnen mag gesagt werden / was Judas in seiner Epistel schreibet: Sie seynd wilde Wellen deß Meers / die jhre eygene Schande außschreyen. Sie lassen sich treiben von jren fleischlichen Begierden / als von wilden Wellen / von einer Seiten zur andern / bald zu üppiger Lust vnd Frewde / bald zu Zorn / vnd Vnmuth. Vnd darinn suchen sie noch fur der Welt ein Lob. Bringt mans aber für GOtt / so ists Schande. Sie schäumen jhre eygene Schande auß. Das ist wol Schad für das feine Welt-Wesen / daß es GOtt auch nicht loben will. Wann doch GOtt auch wolte so wol thun / vnd das vnsinnige Wesen der Welt loben. Aber das so löblich ist für der Welt / das macht euch für GOtt zu Schanden. Weil dann das / was wahrhafftig Schande ist / von Welt-Christen für Ruhm vnd Ehr geachtet wird / so muß auch jhre Ehre zu Schanden werden. Wann nun erscheinen wird derselbe / der einem jeglichen sein Lob geben wird / so wird alle Ehr der Welt Christen Schande seyn. Schande werden sie haben für Gott / Schande für allen Heyligen / Schande im Gewissen / Schande für aller (Sap. 5, 6. 8.) Welt. Da werden sie bekennen vnd sagen: Weh vns / wir haben deß rechten Weges gefehlet / wir haben eytel vnrechte vnnd schädliche Wege gegangen. Was hilfft vns nun der Pracht? Was bringt vns nun der Reichtumb sampt dem Hochmuth? Wir haben gemeynet wir hätten
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grosse Ehr erjaget / sihe so seynd wir nu voller Schanden. Was wir für Ruhm hielten / ist vns zu lauter Schande geworden. Mancher hat der Schanden den Kopff abgebissen / daß jhm geringes Schrecken bringt / so er soll zu Schanden werden; so höre ein Weltkind noch ein ander Glück. Ihr Ende ist das Verdamnuß. Welt Christen stürtzen sich endlich ins ewige Verderben mit all jhrem Anhang. Wie die Welt vergehet / so muß auch vergehen alles was der Welt anhanget. Vnd wie kan es anders seyn / wann man das Creutz Christi fahren lässet? Von diesem Glück der Welt Christen steht mercklich geschrieben im 49. Psalm. Das ist jhr Hertz / daß jhre Häuser(Ps. 49, 12. 14, 13. 15.) wären immer dar / daß jhre Wohnunge bleiben für vnd für / vnd daß sie grosse Ehr auff Erden haben. Das loben jhre Nachkommen mit jhrem Munde; doch ists eytel Thorheit. Sie können nicht bleiben in solcher Würde / sondern müssen davon wie ein Viehe / da ligen sie dann in der Hölle wie Schafe / vn̅ der Todt naget sie. Erschröcklicher ists daß im 73. Psalm geschrieben stehet: GOtt(Ps. 73, 10???) du setzest die Gottlose Welt Christen auffs schlipfferige / vnnd stürtzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zu nichte? Sie gehen vnter / vnnd nehmen ein Ende mit Schrecken. Wann verstockte Welthertzen zum allersichersten seyn / so stehen sie auff einem schlipfferigen Boden / da es glatt ist wie auff einem Eiß. Ehe sie sichs versehen / fallen sie darnieder. Wann GOtt jhrem verkehrtem Hochmuth lang genug zugesehen / so nimpt er sie beym Kopff / vnnd stosset sie zu Boden. Da wird dann alles Weltwesen zu nicht daß sie geliebet haben / vnd sie selbsten gehen vnter / vnd nem̅en ein Ende mit Schrecken.
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Diese Beschreibung der verführischen Welt Christen soll nicht allein alle Welthertzen abschrecken von jhrem schädlichen Weltwandel; sondern auch dieselbe / die jhnen ernstlich vornehmen nach Gott zu wandeln / finden hie Vrsach / Auffsicht zu haben / daß sie nicht einem jeden folgen. (Descriptio corum qui rectè ambulant.) Wir wenden vns aber vom Pfad der Gottlosen / vnnd forschen nach den Fußstapffen derer die gen Him̅el wandeln. Seynd wir darumb bekümmert / vnd fragen nach; jhr Heyligen was führet jhr für einen Wandel? So antwortet im Namen aller Himmels-Wanderer (V. 20.) der H. Paulus: Vnser Wandel ist im Himmel / von dannen wir auch warten deß Heylands Jesu Christi deß HERRN. (1. quoad modu̅ ambulandi.) Die Heyligen leben wol in der Welt / Essen / Trincken / vnd bekleyden jhren Leib / vnd brauchen der Creaturen GOttes so wol als andere Menschen; vnd deß haben sie so gut recht als alle andere Menschen. Vnter dessen so ist jhr Vatterland / jhr rechtes Hauß vnd Erb nicht in dieser Welt / sondern im Himmel. Dann daselbst ist Christus. Wo aber Christus ist / da ist der Christen Hauß / vnd Erbgut. Dahin vertröstet vns Christus Johann. 14. Capitel: (Ioh. 14, 2.) In meines Vatters Hause sind viel Wohnungen / vnd ich gehe hin euch die Stätte zu bereyten. Weil dann der Christen Erbgut im Himmel ist / so tragen sie auch himlische Gemüther / vnd jhr Hertz ist im Himmel / vnd sprechen mit Paulo auß (2. Cor 5, 1. 2. 8.) der 2. an die Corinther am 5. Wir wissen / so vnser jrrdisch Hauß dieser Hütten zerbrochen wirdt / daß wir einen Baw haben von GOTT erbawet / ein Hauß nicht mit Händen gemacht / das ewig ist im Himmel. Vnd vber demselbigen sehnen wir vns auch / nach vnser Behausung / die vom Himmel ist / vnnd vns verlanget / daß wir
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damit vberkleydet werden. Wir haben Lust daheim zu seyn bey dem HERRN. Es seynd wol alle Christen schon selig in Christo / aber in der Hoffnung. Was man aber hoffet / das hat man noch nicht / sondern man muß sein warten. Es ist noch nicht erschienen was wir seyn / wir wissen aber / wann Christus JEsus offenbaret wirdt / so werden wir in jhm vnnd mit jhm offenbaret werden in der Herrligkeit. Vnser Erlöser stehet schon für der Thür / vnd hat sich gerüstet / daß er auffbreche. Vber solche Hoffnung verlanget den Christlichen Hertzen / daß sie Christum in seiner offenbahrlichen Herrligkeit sehen / vnd durch jhn von allem Vbel erlöset / vnd völlig selig werden. Jederman der also gesinnet ist / der kan sagen: Mein Wandel / mein Erb vnnd Vatterland ist im Himmel. Dann gleich wie von denen die jrrdisch gesinnet seyn / man mit allem recht sagen kan: Ihr Erb vnnd Gut ist auff Erden. Also hingegen / von denen die himlisch gesinnet seyn / kan man sagen: Ihr Erb vnnd Gut ist im Himmel. Die also sagen: Vnser Wandel ist im Himmel; die verläugnen damit die Erde / vnd bekennen / daß sie Pilgerleuth auff Erden seynd / darauff sie keine bleibende Stelle hoffen oder begehren / sondern daß sie ein zukünfftiges suchen. Weitläufftiger vnd außtrucklicher beschreibet Paulus diesen Wandel kurtz zuvor in diesem 3. Capit. an die Philipper also:(Phil. 3, 13.) Ich vergesse was dahinden ist / vnd strecke mich zu dem / das da fornen ist / vnd jage nach dem fürgesteckten Ziel / nach dem Kleinodt / welches fürhält die himlische Beruffung GOttes in Christo JEsu. Wann er spricht: Ich vergesse was dahinden ist; hat nicht die Meynung / als wann ein Christ an kein vergangenes Ding gedencken solte / weder an
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Sünde die er begangen / weder an Wolthat die er von GOtt empfangen; sondern er stellet sich zwischen Erd vnd Himmel / zwischen Zeit vnd Ewigkeit; vnd stellet sich also / daß er der Welt vnd allem Zeitlichen den Rucken kehret / vnnd seine Augen allein richtet auff das himlische ewige Gut. Darinnen vergleicht er sich einem Renner / der nach einem Kleinod lauffet in offentlichen Schawspielen; derselbe läßt sich 1. nicht auffhalten / durch allerley vorkommende Augenweide. Er gedenckt auch nicht 2. wie weit er schon gelauffen / sondern wendet 3. seine Augen vnd Hertz allein nach dem Ziel vnd Kleinod. Also ist der himlischen Lauffer Art 1. verachten / vnd auß dem Sinn schlagen / alles was schön vnd lieblich in der Welt ist / Fleisches Lust / Augen Lust / hoffärtiges Leben. Darinnen verlieben sie sich nicht / vnnd ziehen es nicht für GOtt vnd Göttlichen Dingen. Sie sehen sich nicht einmal vmb nach vergänglichen weltlichen Dingen; dann das achten sie für lauter Hindernuß / sich darnach vmbsehen. Darumbkehren sie sich auch nicht an die Kinder der Welt / vnd deren vnnütz Geschwätz / vnd lassen sich dadurch nicht auffhalten. Reitzet dich schon der Wiedersacher / vnd ziehet dich zurück: Wie so eiferig / guter Gesell / sihe dich was vmb / hie in der Welt ist auch noch etwas das Liebens werth ist. So spricht ein eifriger Himmelslauffer mit Christo: Hinder mich Satan: Ich (Matth. 16, 23.) bin durch Christi Blut von der Welt erkauffet / daß ich Christo anhange. Die Welt bringt mir Angst / in Christo habe ich Fried vnd Wonne. Dann nicht anders muß man das Zeitliche ansehen in der himlischen Wanderschafft / als ein Ding daß man dahinden (V. 7. 8.) lassen muß. Also hat Paulus gelehret / vergessen was dahinden ist; vnd alles was man sonsten in der Welt für Glück vnd Gewinn achten könte / hat er nicht allein verachtet / sondern auch für Schaden geachtet: Wie er spricht: Was mir Gewinn war / das habe ich vmb Christi Willen für Schaden geachtet / dan̅ ich achte alles für Schaden gegen der vberrschweng
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lichen Erkäntnuß Christi JEsu meines HERREN / vmb welches willen ich alles / alles hab für Schaden gerechnet / vnnd achte es für Dreck / auff daß ich Christum gewinne / vnd in jhm erfunden werde. Hierumb 2. vergisset eine Himme sseele nicht allein der vergänglichen weltlichen Dingen; sondern auch derselbigen / deren sie sich sonsten rühmen könte; nemblich deß guten / daß sie gethan hat. Darinnen suchet sie keine eygne Ehr vnnd Ruhm für Gott noch Menschen / sondern in Demüthigkeit spricht sie: Ich bin ein vnnützer Knecht / eine vnnütze Magd. Sie bedenckt nicht / wie weit sie schon gelauffen / sondern was für einen Weg sie noch zu lauffen hat. Endlich 3. gehöret zur Eygenschafft der Himmelsläuffer; nachjagen dem vorgesteckten Ziel / Christum zu gewinnen. Je näher zum Zweck / da das Kleinod steckt / je begieriger ein Lauffer mit gantzem Leib sich dahin neiget. Gewonnen haben wir Christum schon in Gnaden / wir begeren jhn auch in einer Seligkeit vnd voller Geniessung / Christus ist meine Gerechtigkeit / ich aber bin noch schwach; Christus ist mein Gut / ich leyde aber noch Vngemach; Christus ist mein Liecht / ich sitze aber noch in Finsternuß; Christus ist meine Frewde / ich werde aber offt betrübet; Christus ist mein Fried / ich werde aber offt vnrühig. Das muß nicht ewig so seyn. Christum völlig geniessen ist deß Christenthumbs endlicher Zweck vnnd Vollkommenheit. Wie näher zum Zweck / wie begieriger das Hertz. Das seynd die Stücke / darinn wir den Aposteln vnd andern Heyligen müssen nachfolgen. Die also lauffen / seynd nicht Feinde / sondern Freunde deß Creutzes Christi. Sie können sich nicht rühmen / daß sie vollkommen seyn / dann sie seynd noch auff dem Wege / vnnd erwarten jhres Heylandes JEsu Christi; sie streben aber nach der Vollkommenheit / vollkommen vnnd vnverhindert
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Christum zu geniessen. Daher trachten sie nach der himlischen Burgerschafft / vnnd vom Himmel erwarten sie deß Heylandes JEsu Christi vnsers HERRN / vnnd in denselbigen völlige Seligkeit. (2. quoad praemium.) Vnnd das ist dann auch der Lohn solcher Wanderschafft: Dann was werden sie daran haben / wann nun erscheinet der Heyland JEsus Christus vnser HERR? Paulus antwortet: (V. 21.) Derselbe wird vnsern nichtigen Leib verklären / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe / nach der Würckung / da er mit kan auch alle Ding jhm vnterthänig machen. Das ist ein ander Lohn / als den die Weltkinder davon tragen. Dann wie der Heyligen Wandel anders ist / als der Welt-Kinder / so müssen sie auch ein ander Ende haben. Paulus redet von der Verklärung der Leiber / vnnd lässet vns darauß schliessen / wie köstlich die Seele werde außgezieret werden / die in so einem köstlichen Leibe ewiglich wohnen soll. Vnd diß redet er von vnseren nichtigen Leiberen / die so nichtig seynd / daß sie auch die Nichtigkeit selbsten seyn: Dann es wohnet darinnen Sünd vnd Todt; vnd müssen sich von vieler Angst / Dürfftigkeit / Gebrechen vnd Schmertzen peinigen vnd plagen lassen. Gehe hin zu den Häußlein der Todten Leiber. Wie manchen grewlichen abschewlichen Leib sihet man / daß man Naß vnd Augen muß zuhalten. Aber doch / ist es ein Tempel Christi gewesen / sihe / wie thewer vnd werth wird noch dieser nichtiger Leib werden. Dann er (1. Cor. 15, 42.) soll verkläret vnnd herrlich werden. Es wird gesäet verweßlich / vnd wird aufferstehen vnverweßlich / es wird gesäet in Vnehre / vnd wird aufferstehen in Herrligkeit / es wird gesäet in Schwachheit / vnnd wird aufferstehen in Krafft. Es wirdt gesäet ein natürlicher Leib / vnnd
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wird aufferstehen ein geistlicher Leib. 1. Cor. 15. Daher welcher Christ in diesem Leben blind oder taub gewesen / wird sehent vnd wol hörent wieder auffstehen; wer lahm / kranck vnd schmertzhafftig gewesen / wirdt in der Aufferstehung gerad vnnd herrlich werden. Hätte Paulus gesagt / vnsere Leibe sollen der Sonnen gleich werden / hätte er viel gesaget. Aber sihe noch viel ein grössers: Christus JEsus wird vnsern jetzt nichtigen Leib verklären / daß er(Corpora nostra similia corpori Christi secundu̅ quale, non secundum quantum, i. e. non secundum gradus. 1. Cor. 25, 23. 41.) ähnlich werde seinem verklärten Leibe. Wer kan die Herrligkeit begreiffen? Es bleibt hie der Vnderscheyd / daß Christus den Vorzug in der Herrligkeit behalte / wie die Sonne vnter allen Sternen. Dann Christus ist der Erstling / vnnd von seiner Fülle müssen wir alle nehmen. Ein andere Klarheit hat die Sonne / ein andere Klarheit hat der Mond / ein andere Klarheit haben die Sterne. Dann ein Stern vbertrifft den andern nach der Klarheit. Also auch die Aufferstehung der Todten / wie Paulus bezeuget / im vorerwehntem 15. Cap. der ersten an die Corinther. Damit wir nicht sagen / es sey vnmüglich / oder aber es werde nur eine geringe Verklärung seyn / setzet Paulus hinzu; daß es Christus thun werde / nach der Würckung / damit er kan auch alle Ding jhm vnterthan machen. Es ist Christo(Psal, 8, 7. 1. Cor. 15, 27.) alles vnter die Füsse gethan / also auch der Staub vnserer Leiber / vnd der Todt. Bedenck aber / wo du kanst / was das für eine Verklärung vnd Herrligkeit seyn wird / welche Gottes Sohn würcken wird / vns jhm ähnlich zu machen; vnd wird solches würcken / nach der Krafft vnd Würckung / damit er allen Dingen als ein HERR gebieten kan. Vnd eben hie wird er seine herrliche Krafft vnnd sein Vermögen sehen lassen. Da haben wir nun auch die Fußstapffen / vnnd das Ende im Lauff der Heyligen. Denselbigen zu folgen / haben wir grosse Vrsach.
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(Summa.) Vnd das ist auch der gantze Einhalt dieser Epistolischen Lection. Paulus stellet sich mit allen Heyligen auff als ein Exempel Christlicher vnnd fürsichtiger Wanderschafft; dann nicht alle die Christen heissen / einen Weg lauffen / darumb kommen sie auch nicht alle zu einem Ende. (Usus 1. Hortatotius. 1. ad redargutionem.) Das macht vns die Augen offen / Fürsichtigkeit zu brauchen in vnserm Wandel / nicht einem jeglichen Geist zu folgen. Dennoch so ists offenbar / daß mitten vnter den Christen / der grösseste Hauff weltsinnisch ist / vnd seynd Feinde deß Creutzes Christi / die das Creutz Christi nirgendts anders wissen zugebrauchen / als bey jhrem Weltwesen jhnen noch süsse Hoffnung einer Seligkeit zu machen: da sie doch nie Sinnes geworden zu vergessen was dahinden ist / vnd sich zu strecken nach dem das da vorne ist. Oder da sie angefangen / seynd sie bald müde geworden. Viel wissen / daß es vnrecht ist / dem Bauch vnnd der Welt dienen / behelffen sich aber damit: Es brings die Zeit also mit sich / in der Welt gehe es nicht anders zu; damit verderbt einer den andern. Das ist so ein kläglicher Jammer vnter Christen / daß der heilige Paulus ohne Threnen nicht davon reden kan: Viel wandeln (V. 18.) / das sage ich euch mit Weinen / als Feinde deß Creutzes Christi. Das würckte in Paulo eben der Geist / der in Christo (Luc. 19, 41.) war / da er weinte vber den Jammer Jerusalems. Dann als er nahe hinzu kam / sahe er die Statt an vnnd weinte vber sie / vnnd sprach: Ach daß du es doch wisstest / was zu deinem (Ier. 9, 1. 2.) Frieden dienet! Wann Jeremias ansihet den frechen Hauffen seines Volckes / vnnd das zukünfftige Verderben / spricht er im 9. Cap. Ach daß ich Wasser genug hätte in meinem Haupte / vnd meine Augen Thränenquellen weren / daß ich Tag vnnd Nacht beweinen köndte / das künfftige Vn
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glück / die Erschlagene vnter meinem Volck. Ach daß ich eine Herberge hätte in der Wüsten / so wolte ich mein Volck verlassen / vnd von jhnen ziehen / daß ich nur den Jammer nicht sehe / dann es ist eytel Ehebrecher / vnnd ein frecher Hauffe / sie gehen von einer Boßheit zur andern / vnd achten deß HERRN nicht. Wer es auffrichtig mit Christo meynet / kan nicht anders / er muß vber das schädliche vnnd verderbliche Weltwesen der Christen zum wenigsten seufftzen. Du aber / du Welt Christ / der du weist / daß es nicht Christlich / sich der Welt gleichformig machen / vnd kanst dennoch / oder wilst nicht lassen von Weise vnnd Gewonheit der Welt. Höre / ich will dir eines sagen. Weil du nicht ablassen wilt von deiner Weise / so will GOtt auch nicht ablassen von seiner Weise: Die Weise GOttes ist diese: Die Freunde der Welt vnnd Feinde Christi zu verdammen. Dann jhr Ende ist das Verdamnuß. Was habt jhr alsdann für ein Lob? Ihr werdet euch schämen müssen in Ewigkeit. Hierumb ists Zeit / von der Welt vnd jhrer Art zu leben vmbzukehren.(2 ad correctione̅.) Dann es ist zuvor gesagt: Viele mitten vnter den Christen wandeln als Feinde deß Creutzes Christi / die nemblich jrrdisch gesinnet seyn / vnd deren GOtt jhr Bauch ist. Da hüte sich ein jeder frommer Christ / daß er nicht mit solchen Leuten ins Verderben lauffe. Dann wann der Bauch GOtt wird / was wird dieser GOtt für einen Himmel geben? Vielmehr trettet in die Fußstapffen Pauli / vn̅ wandert de̅nach also / daß jhr der Welt den hindern kehret / vnd stäts vnd in allen Dingen trachtet nach dem himlischen Vatterland. Dann wir seynd hie nur Pilgerleuth. Vnser Hauß / Vatterland / Burgerrecht / Erbgut vnd Ergetzligkeit ist im Himmel. Wir haben hie
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keine bleibende Statt / sondern die zukünfftige suchen (Heb. 13, 14) wir / Hebr. 13. Fragen wir nur die gute Vernunfft / die wirdt vns Bescheyd geben / obs besser sey / das Hertz zu stellen auff das / welches gewißlich muß dahinden bleiben / vielleicht so bald Heut als Morgen; oder obs besser sey dem nach zu trachten / das recht vnd ewig erfrewen kan. Frage nur; sihe deine eigene Vernunfft / so noch was gesundes an jhr ist / wird dir deine Thorheit zeygen. O daß nimmer auß vnserem Gedächtnuß käme / die selige Wonne / die entstehen wird auß der künfftigen Offenbarung Jesu Christi vnsers Heylandes / wann er vnseren Leib wirdt verklären / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe! Was solte vns kräfftiger bewegen können zum himlischen Wandel? Wisset aber hiebey; so wir Christo wollen ähnlich seyn künfftig in der Herrligkeit / so müssen wir hie anfangen jhm ähnlich zu werden. Dann wir seynd seines Leibes Glieder. Der Leib zwar muß seiner Zeit erwarten / aber an der Seelen wird hie der Anfang gemacht / in dem wir durch Christum ernewert werden an dem Geist vnsers Gemüthes / nach dem Ebenbild Christi JEsu.

Bernh. serm. 6. adventus.
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Si Christi membra volumus inveniri, sequendum est nobis sine dubio caput nostrum, ut videlicet prima nobis reparandarum solicitudo sit animarum, pro quibus ipse jam venit, & quarum prius studuit mederi corruptioni. Corporis vcrò curam illi tempori magis reservemus, & differamus in illum diem, quo reformandi corporis gratia est venturus. Weil Hirten vnd Lehrer mit jhrem Exempel hie viel befördern / oder schaden können: Sollen dieselbe für allen sich befleissigen / jederman vorzugehen / mit einem feinen Fürbilde aller Gottseligkeit. Dann wie Paulus sich hie zum Fürbilde auffstellet: Folget mir: Also gebeut er auch dem jungen Bischoff Timotheo:
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Sey ein Fürbilde den Glaubigen im Wort / im Wandel(1. Tim. 4. 12.) / in der Liebe / im Geist / im Glauben / in der Keuschheit. In der 1. Ep. am 4. Cap. Vnnd Petrus in seiner 1. am 5.(1. Pet. 5, 2. 3) Gebeut allen ins gemein: Weidet die Herde Christi / so euch befohlen ist / vnd sehet wol zu; vnd werdet Fürbilde der Herde. Damit sie aber Fürbilde seyn / müssen sie sich allenthalben als Diener GOttes erzeygen / vnnd sich hüten / daß sie ja keinem Menschen Ergernuß geben / das ist / sie müssen keinem Menschen mit jhrem Exempel zur sündtlichen Nachfolge Vrsach geben; nach der Ermahnung deß Apostels / 2. Corinth. 6. Capitel:(2. Cor. 6. 3. 4.) Lasset vns niemand irrgent ein Ergernuß gebe̅ / auff daß vnser Ampt nicht verlästert werde / sondern in allen Dingen lasset vns beweisen als die Diener GOttes. Sie müssen mit demselbigen Apostel jhren Leib betäuben vn̅ zwingen / damit sie nicht andern predigen / vnnd selbst verwerfflich werden. 1. Corinth. 9 Welche Prediger diß nicht in acht nehmen / daß(1. Cor. 9, 27) seynd Feinde deß Creutzes Christi / die den Bauch zum Gott machen / arbeiten nur dazu / daß sie jhre Nahrung haben; deren Ehr wird zu Schanden werden / vnnd jhr Ende wird das Verdamnuß seyn. Ist schröcklich / doch aber wahr. Solt das kein Feind deß Creutzes Christi seyn / der verderbet was Christus mit seine̅ Creutz hat gut gemacht? Der mehr darauff gedenckt wie er seine̅ Bauch / als wie er Christo etwas gewinne? Solt nicht billig sein Lohn seyn / Schmache vnd Verdamnuß? Der Jammer der durch ärgerlich Leben der Prediger angerichtet wird / ist so groß / daß der Apostel Paulus mit Weinen es beklaget. Ein jeglicher vnter vns Lehrern soll in seinem Gewissen versichert seyn / daß er sey vnter denselben / auff welche Paulus weiset / wann er sagt: Folget mir / vnd vnd sehet auff die / welche also wandeln / wie jhr vns habt
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zum Fürbilde. Lehrer müssen mit beyden Händen bawen / nicht mit der andern niederreissen / was sie mit der ersten gebawet haben. Es ist tausentmal besser still schweigen / als reden vnnd selbst nicht achten. Dann dadurch wirdt dem Wort bey schwachen Christen die Krafft benommen; daß sie Prediger nur für eine Gewohnheit achten; vnnd werden auff solche Gedancken geführet / daß sie dafür halten / das Wort das geprediget wird / muß nicht Gottes Wort vnd Werck seyn / oder aber GOtt muß ein nichtwürdiger GOtt seyn / auff welches Wort vnnd Willen nichts zu geben. GOTT wehre doch solchem Grewel. Die nun vnter vns Christen das Glück haben / daß sie solche Führer antreffen / auff welche Paulus weiset: Sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. Die sollen fleissig acht auff jhr Fürbild haben / vnnd jhrer Gottseligkeit mit allem Ernst nachfolgen. Dann das ists / daß der Apostel fordert mit diesen Worten: Folget mir / vnnd sehet auff die / die also wandeln / wie jhr vns habt zum Fürbilde. (1. Cor. 4, 16. Phil. 4, 9.) Also sprichter 1. Corinth 4. Ich ermahne euch / seyd meine Nachfolger. Zun Philippern am 4. Ist etwa eine Tugend gut / ist etwa ein Lob / dem dencket nach; welches jhr auch gelernet vnd empfangen / vnd gehöret / vnd gesehen habt an mir / das thut / so wird der HERR deß Friedens (Heb. 13, 7.) mit euch seyn. Zun Hebreern am 13. Gedencket an ewere Lehrer / die euch das Wort GOttes gesagt haben / welcher Ende schawet an / vnd folget jhrem Glauben nach. So müssen nun fleissige Christen auff der Lehrer Wandel gute Achtung geben / vnnd derselbigen Gottseligkeit nachfolgen. Vnd das vmb so viel mehr / daß ein jeglicher Christ soll ein Liecht vnnd Fürbild seyn. Dann allen gesagt ist / was Christus sagt Matth.
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am 5. Lasset ewer Liecht leuchten für den Leuthen / daß(Matt. 5, 16.) sie ewere gute Werckesehen / vnd ewern Vatter im Himmel / mit jhrer Gottseligen Nachfolge / preisen. Ein jeglicher Christ der richtet mit seinem Wandel an / entweder Ergernuß vnd Verführung / vnd stärcket die Sicherheit; oder aber Erleuchtung vnd Erbawung / vnd befördert die Heyligung. Es muß ja Ergernuß kommen / einer wird den andern verführen; doch wehe dem Menschen durch welchen Ergernuß kompt. Wilstu ein guter Christ seyn / so lerne einen solchen Wandel führen / daß du niemand verführest / sondern viele erleuchtest. O welch eine Frewde ist das für GOTT / wann Lehrer wol vorlauffen / die Zuhörer fein hernach! Fragstu dann; wobey kenne ich / daß einer wol laufft? So ist der Vnderscheyd der Läuffer schon gezeyget. Ein Theyl trachtet nach der Erden / vnd was jrrdiseh ist; das ander Theil trachtet nach dem Himmel / vnnd was himlisch ist. Darumb habe acht auff das Fürbild Christlicher Vollkommenheit / welches der heylige Paulus in seinem Wandel zeyget: Ich jage nach dem vorgesteckten(V. 14.) Ziel / nach dem Kleinodt / welches vorhält die himlische Beruffung Gottes in Christo JEsu. Können wir dann vollkommen seyn? Das hab ich nie gesagt. Wir bekennen mit Paulo: Ich schätze mich selbst noch nicht /(V. 13.) daß ichs ergriffen habe. Wir befleissigen vns wol zu haben ein vnbeflecktes Gewissen / doch schätzen wir vns nicht / als hätten wirs all ergriffen. Sollen wir dann still stehen? Das hat ein böser Geist hinzu gethan. Der Heylige Geist in Paulo setzet diß hinzu: Ich vergesse was dahinden ist / vnnd strecke mich zu dem das da forne ist. Alle die Christum lieben / lauffen mit vns / vnnd strecken sich nach demselben Ziel.
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(II. Consolatorius.) Die jr mit allen Heiligen also wandelt / vergesset deß Trostes nit: Vnser Heyland Jesus Christus wird dermal eins vom Him̅el kom̅en / vnd diesen vnsern nichtigen Leib verklären / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe. Daß ewer Leib von Gebrechen vnd (Rom. 8, 11.) Angst erfreyet werde / ist noch nicht Zeit. So aber der Geist dessen / der JEsum von den Todten aufferwecket hat / in euch wohnet / so wird auch derselbige / der Christum von den Todten aufferwecket hat / ewere sterbliche Leibe lebendig machen / vmb deß willen / daß sein Geist in euch wohnet. Rom. 8. Auff daß aber solcher Trost vest bleibe / so hütet euch für Irrgeister. Wir fordern nicht die Vollkommenheit selbst / sondern das Verlangen vnnd die Begierde. Wer nun begehret Christo gleichformig zu seyn / der mach einen Schluß: Mein Erbtheyl darnach ich strebe / soll mir im Himmel seyn. Von nun an will ich vergessen was dahinden ist / vnd mich strecken nach dem das da forne ist; ich will nachjagen dem vorgesteckten Ziel / dem Kleinod / welches vorhält die him̅lische Beruffung GOttes in Christo JEsu; der stärcke vns dazu. Amen.
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Am XXIV. Sontage nach Trinitatis.
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Vom Wachßthumb in der geistlichen Weißheit.
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TEXTVS Coloss. 1. V. 9. usque ad 15.
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V. 9. DErhalben auch wir von dem Tage an / da wirs gehöret haben / hören wir nicht auff / für euch zu betten / vnd bitten / daß jhr erfüllet werdet mit Erkändtnuß seines Willens / in allerley geistlicher Weißheit vnd Verstand. V. 10. Daß jhr wandelt würdiglich dem HERRN zu allem Gefallen / vnnd fruchtbar seyd in allen guten Wercken / vnd wachset in der Erkäntnuß Gottes. V. 11. Vnd gestärcket werdet mit aller Krafft / nach seiner herrlichen Macht / in aller Gedult vand Langmütigkeit mit Frewden. V. 12. Vnd Dancksaget dem Vatter / der vns tüchtig gemacht hat / zu dem Erbtheyl der Heyligen im Liecht. V. 13. Welcher vns errettet hat von der Oberkeit der Finsternuß / vnd hat vns versetzt in das Reich seines lieben Sohns.
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V 14. An welchem wir haben die Erlösung / durch sein Blut / nemlich die Vergebung der Sünden.

Geliebte in Christo JEsu.
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(Exord. Licet cum Colossensib. in cursu Christianismi respicere ad praemiu̅ coeleste. Col. 1, 4. 8.) WIe die Colosser schon bey dem Anfang jhres Christenthums gesehen haben auff die Hoffnung der Him̅lischen Herrligkeit / zeyget der Apostel im Anfang der Epistel / die er an sie geschrieben / da er preiset jhren Glauben an Christum JEsum / vnd die Liebe zu allen Heyligen / vnd bezeuget / daß sie bey jhrem Glauben vnd Liebe gesehen haben auff die Hoffnung die jhnen beygeleget ist im Himmel / von welcher sie zuvor gehöret hatten durch das Wort der Warheit im Evangelio. Dieweil jhnen durch das Evangelium eine Hoffnung gemacht einer sonderlichen himlischen Herrligkeit / hat solches jhr Hertz eingenommen / vnnd sie gezogen zum Glauben / vnnd zu der Liebe. Darauß sehen wir / wie ein Christ bey dem Lauff seines Christenthumbs soll vnd kan sehen / auff die gute Hoffnung / vnnd den Lohn / der vns beygeleget ist im Himmel / nicht daß wir wolten (Causae.) knechtischer Weise nur vmb Lohns willen dem HERRN dienen / auch nicht daß es must durch Arbeit erst verdienet werden / (dann durch die Kindtschafft seynd wir schon Erben geworden) sondern erstlich darzu / daß es sey ein Anreitzung zum Glauben vnd zu der Liebe. Zum Andern / daß es sey ein Auffenhalt vnd Erlabung im Streit. Zum Dritten / dieweil es mit gehöret zur Vollkommenheit deß Christenthumbs / daß wir mit Paulo vnsern Wandel vnd Burgerrecht setzen im Himmel / vergessen was dahinden ist / (Philip. 3, 20. 13. 14.) vnd vns strecken nach dem das da vorn ist / vnnd vns davon durch keine Augen Weide lassen abhalten.
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Weil aber die Colosser solche Hoffnung auß dem Wort deß(Paulus Colossensibus gratulatur, & pro progressu precatur.) Evangelij geschöpffet / frewet sich billig der Apostel vber die fruchtbarkeit deß heyligen Evangelij / wünschet den Colossern Glück / vn̅ bittet / daß sie mögen wachsen vn̅ zunehmen in solcher geistlicher Weißheit / dadurch sie angefangen zu sehen nicht auff das jrrdisch / sondern auff die himlische Belohnung / vnnd solches thut er in gegenwärtiger Lection / darinnen wir billig nachforschen / wie auch(Thema.) wir in derrechten geistlichen Weißheit mögen zunehme̅. GOTT verleyhe darzu seine Gnade. Amen. WIe Paulus diese Epistel geschrieben / war er gefangen zu(Precatio Apostolica.) Rom / er hatte aber den Colossern gegenwärtig niemals geprediget / doch war das Wort darumb nicht gebunden / ob schon Paulus gebunden ward. Dann durch etliche seiner getrewen Mitgehülffen / ward das Evangelium von Christo auch zu den Colossern getragen. Auß derselben Bericht höret Paulus in seinen Banden mit Frewden den Gehorsamb deß Glaubens bey den Colossern / vnd wie er jhnen anders nicht dienen kan / so reitzet er sie weiter an / durch Schreiben / vnd hält an mit Bitten vnd Flehen vmb Beständigkeit vnnd Wachßthumb. Dann so spricht der liebe Apostel / nach dem jhm eröffnet ward die Liebe der Eolosser im Geist; Derhalben auch wir von dem Tage an da(V. 9.) wirs gehöret haben / hören wir nicht auff für euch zu betten / vnd bitten daß jhr erfüllet werdet mit Erkändtnuß seines Willens in allerley geistlicher Weißheit vnnd Verstand. Es bittet der Apostel vmb geistliche Weißheit vnnd Verstandt(Precationis materia spiritualis sapientia. ubi I. oste̅ditur quid sit.) / daß die Colosser vnnd alle Christen darinnen zunehmen. Die geistliche Weißheit ist höher als die Welt Weißheit. Die Welt Weißheit macht die Menschen verständig in natürlichen
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Sachen / vnnd gehet dahin / daß ein Mensch sich ehrlich vnnd wol nach der Vernunfft in der Welt verhalte / die geistliche Weißheit aber führet vns auff einen himlischen Verstandt / daß wir in das (II. Requisita explicantur.) Hertze GOttes sehen / vnd lehret wie ein geistlicher Mensch soll geschicket seyn. (1. Cognitio voluntatis divinae: Cujus ostenditur necessitas.) Zu solcher geistlicher Weißheit gehöret 1. das Erkändtnuß deß Willens GOttes. Dann auß GOtt muß man lernen / was man von GOtt soll halten / vnd wie man jhm soll dienen. Dann wie es verweißlich würde seyn einem Bürger / wann er sich nicht wolt kehren an die Gewonheit vnd Gesätze seiner Statt: Also ists eben wol ein vngereimet Ding / daß einer will ein Burger Christi seyn / vnd doch nicht fragen nach seinem Willen. Hie ist nit genug angefangen haben vn̅ etwas wissen / der Geist GOttes will daß wir voll werden der Erkäntnuß / vnnd in der Sach gewiß seyn. Darumb muß niemand gedencken / daß er alle Weißheit vnnd Erkäntnuß schon eingeschlucket habe / dann es ist doch vnser Wissenschafft nur Stuckwerck / wie Paulus zeuget / (1. Cor. 13, 9) 1. Corinth. 13. So lang es nun heist vnser Wissen ist Stuckwerck / so lang müssen wir noch zum H. Geist in die Schule gehen / vnnd vns vom Willen GOttes vnterweisen lassen. Zu dem so können wir nimmermehr genug verwahret seyn wieder die Liste deß Satans / welcher vns will allezeit einen frembden Willen Gottes einpredigen / da ists noth / daß wir erfüllet seyn mit der Erkäntnuß deß Willens GOttes / damit wir nicht betrogen werden. (2. Fructificatio.) 2. Gehöret zur geistlichen Weißheit die Fruchtbarkeit / (V. 10.) daß jhr wandelt würdiglich dem HERREN zu allem gefallen / vnnd fruchtbar seyd in allen guten Wercken. Erkäntnuß deß Willens GOttes ohne Früchte / ist keine Weißheit. Ein anders ist es erfüllet werden mit Erkäntnuß; ein anders ist es erfüllet werden mit Erkäntnuß in der Weißheit. Der Apostel will nicht allein daß wir erfüllet werden mit Erkändtnuß / son
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dern ich bitte / spricht er / daß jhr erfüllet werdet mit Erkäntnuß seines Willens / vnd allerley geistlicher Weißheit vnnd Verstandt / daß jhr wandelt würdiglich dem HERRN zu allem gefallen / vnd fruchtbar seyd in allen guten Wercken. Würdiglich wandeln dem HERRN / zu allem gefallen deß(Sapiens(a) ambulat dignus Domino.) HErrns / vnnd in allen guten Wercken fruchtbar seyn ist einerley. Ein Schuler der Weißheit soll würdiglich wandeln dem HERRN / das ist / als ein solcher Mensch der deß HErrn werth ist / dessen sich der HERR rühmen darff: Das ist mein Knecht / mein Sohn / dessen ich mich nicht schäme. Die ruchlosen Christen seyn ein Schmache GOttes / wie vber solche Leuthe klaget der HERR beym Ezech. 36. Sie hielten sich wie die Heyden /(Ezech. 36. 20.) dahin sie kamen / vnd entheyligten meinen heyligen Namen / daß man von jhnen sagte / ist daß deß HERREN Volck / daß auß seinem Lande hat müssen ziehen? Dagegen aber die dem HERRN dienen nach seinem Wolgefallen / die seyn GOttes Ruhm vnnd Ehr: Eben wie sich GOtt gegen dem Satan rühmet vber die Gottesfurcht deß frommen Hiobs.(Iob. 1, 8.) Ein Schuler der Weißheit muß wandeln nach allem((b) ad placitum Domini.) Wolgefallen deß HERRN / soll all seine Gedancken / Wort vnd Werck also anstellen / daß sie GOTT gefallen. Darumb soll er mit nicht zu gefallen seyn der Welt / seinem Fleisch vnd dem Sathan; mancher Mensch bemühet sich viel / daß er vnter Leuten möge wol gelitten seyn / vnd mercket nicht darauff / ob er dabey auch GOtt gefallen oder dem Satan. Aber elende Weißheit / wissen Leuten wol zugefallen / vnd nit dem HERRN / dem Gott Him̅els vnd der Erden.
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((c) fructificat in opere bono. Psal. 1, 3.) Ein Schuler der Weißheit soll in allen guten Wercken fruchtbar seyn. Ist eine Gleichnußrede / wie auch im 1. Psalm / die Gotts fürchtigen verglichen werden einem Baum / der gepflantzet ist an den Wasserbächen / der seine Frucht bringet zu seiner Zeit. Durch den Glauben werden wir mit Christo vereiniget / Christus aber ist wie ein fruchtbarer Acker oder Baum / welches Rieselein dahin versetzet wird / wird lebendig vnnd bringet Frucht. (Ioh. 15, 4. 5.) Johan. 15. spricht Christus: Gleich wie eine Rebe kan keine Frucht bringen / von jhm selber / er bleibe dan̅ am Weinstock / also auch jhr nicht / jhr bleibet dann an mir. Ich bin der Weinstock / jhr seyd die Reben. Wer in mir bleibet vnd ich in jhm / der bringet viel Früchte / dann ohn mich köndt jhr nichts thun. Ausserhalb Christo seyn wir dürre Bäume / in Christo bekommen wir Lebens Safft. Wir sollen nicht gedencken / daß der Glaube ist eine blosse Wissenschafft / sondern er sauget Safft vnd Krafft auß Christo / als auß dem Baum deß Lebens / dadurch grünet vnnd blühet er für GOtt / vnnd bringet viel Frucht. Dann es müssen ja die Reben arten nach dem Weinstock. Es müssen nim̅er mehr die Christen jnen einbilden / sie haben genug gethan / müssen auch damit nicht friedlich seyn / daß sie ein oder ander Tugendt erlanget haben / sondern wie ein lebendiger Baum / müssen sie jmmerdar fruchtbar seyn in allen guten Wercken. Dann wer da wolte in einem Stuck der Tugendt nachtrachten / vnd im andern beym Laster bleiben / der würde Lust haben nicht allein in Christo / sondern auch in dem Belial fruchtbar zu seyn. (3. Experie̅tia in viva cognitione Dei.) 3. Gehöret zur geistlichen Weißheit die Erfahrung / welches der Apostel andeutet mit diesen Worten: Ich bitte daß jhr wachset in der Erkäntnuß GOttes. Das Erkäntnuß (V. 11.) GOttes ist gerichtet auff die Erkändtnuß seines Wesens / seiner Eygenschafften vnnd Wercken. In diesem allem ist vnser
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Wissenschafft nur Stuckwerck. Von dem Wesen Gottes müssen wir nur lallen wie die Kinder. Die Eygenschafften GOttes seynd Gerechtigkeit / Barmhertzigkeit / Gütigkeit / Warheit / vnd in Summa lauter Liebe. Darinn wachset ein Mensch / wann er bey sich empfindet vnd erfähret / wie GOtt die Liebe ist Heyligkeit vnd Gerechtigkeit; die Wercke GOttes seyn offenbaret / nicht allein in der Erschaffung / sondern auch in der Erlösung vnd Heyligung. In derselben Erkändtnuß wachsen wir / so wir empfinden das Werck GOttes in vns / vnd was GOtt bereytet hat denen die da seyn in Christo JEsu. Darumb redet hie der Apostel von einer lebendigen Erkäntnuß GOttes / welche bestehet in der Empfindnuß vnd Erfahrung dessen / daß wir von jhm wissen vnd glauben / vnd wünschet daß wir darinn wachsen. 4. Gehöret auch zur Christlichen Weißheit Göttliche(4. Fortitado in patientia & longanimitate.) Stärcke in Gedult vnnd Langmuth. Darumb schleußt auch der Apostel diß mit in sein Gebett / daß jhr gestärcket werdet mit aller Krafft nach seiner herrlichen Macht in aller Gedult(V. 11.) vnnd Langmütigkeit mit Frewden. Ein Christ muß(Adversitatum necessitas.) Anfechtung leyden / nicht allein vmb deß bösen Feindes willen / der jhm kein gutes gönnet / sondern auch vmb GOttes willen / der keine faule Diener haben will. Dann was ists für Kunst gutes zu thun / wann man nicht in dem guten verhindert wird? Dem guten anhangen / wann man vielfältig davon gezogen wird / das mag wol eine Kunst seyn. Darumb muß ein Christ Wiederwillen vnnd(Adversitates vince̅dae per patientiam & longanimitate???.) Anfechtung haben / daß jhm viel zu Verdruß geschiehet / damit er von der Christlichen Liebe abgezogen werde. Dar wieder muß er streitten mit Langmuth vnd Gedult: Gedult üben wir / wann wir vns deß Vbels vnd deß Wiederwillen nicht erwehren können / sondern müssen es vber vns gehen lassen. Langmuth üben wir / wann wir Krafft vnnd Vermögen haben bösen Wercken vnnd Thaten vns zu wiedersetzen / vnnd vns zu rächen. Beyderley Tugend soll
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ein Christ mit Frewden verrichten / das ist / er soll Wiederwillen erdulden vnd tragen ohne Zorn vnd Rach / vnd sich noch dazu frewen. Darzu gehöret grosse Krafft / vornemblich wann darzu kompt Verzug. Dann wann der Teuffel vns nicht mag vberwinden mit Leyd vnd Plagen / so macht er das Gemüthe schwach durch Verzug / vnnd bildet jhm ein / es werde jhm zu viel oder zu lang. Dem muß ein behertzter Christ entgegen setzen; du solt es mir nicht zu lang machen / solt es auch weren biß an mein Ende / vnnd will mich noch darinn frewen. Dann ich weiß doch daß ich einen gnädigen Gott habe. Aber hiezu gehöret Göttliche Krafft / drumb wünschet (Patientia a. & lo̅ganimitas o riuntur ex virtute divina.) Paulus recht / daß ein Schuler der geistlichen Weißheit in aller Gedult vnnd Langmütigkeit gestärcket werde / mit aller Krafft nach der herrlichen Macht GOttes. Das mag wol ein rechtschaffene Stärcke heissen. Die Welt rühmet sich jhrer Künheit vnd Vermessenheit / achtet es für ein grosses wann sie jhrem Feind können begegnen / vnd nichts leyden / darinnen jhnen zu nahe geschicht. O ein thörichter Ruhm / das ist freylich lauter Schwachheit vnd keine Stärcke. Gedult vnnd Langmuth ist eine Stärcke / die nicht geschichtnach menschlichem Vermögen / sondern nach der Stärcke der Mayestät GOttes. Welcher Weltmann kan mit Gedult solches anhören / vnnd sich dessen bereden lassen / daß Gedult vnd Sanfftmuth die beste Tapfferkeit sey? Ich sage aber auch / welcher Weltmann achtet was zur geistlichen Weißheit gehöret? Was solte aber auch das für Tapfferkeit seyn; nichts ertragen: Können das auch die Schlangen nicht? Auch die vnvernünfftige Kinder? Jedoch laß es nur ein Schande seyn für den Welt Kindern viel Schaden vnd Schimpff ertragen können / in GOttes Schule heist es ein Göttliche Stärck / das ist viel herrlicher als nichts erlitten haben. Darumb müssen wir vnsern gantzen Lauff nach diesem Stück der Weißheit verrichten / mit Gedult in vielem Creutz vnd Elend / vnd mit Langmütigkeit vnnd
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Verträglichkeit in vielen Wiederwillen / auch wann wirs wol rechen können / vnnd das alles mit Frewden. Dann vnser höchstes Verlangen ist / daß wir allenthalben nur einen wolmeinenden vnd liebhabenden GOtt im Himmel behalten. Letzlich 5. gehöret auch zur geistlichen Weißheit die Dancksagung:(5. Gratiaru̅ actio.) Daß jhr Dancksaget dem Vatter der vns tüchtig gemacht hat zu dem Erbtheyl der Heyligen im(V, 12. 13. 14.) Liecht / welcher vns errettet hat vo̅ der Obrigkeit der Finsternuß / vnd hat vns versetzet in das Reich seines lieben Sohns. An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut / nemlich die Vergebung der Sünden. Wann wir viel nach der Weißheit GOttes gethan / müssen(Objectum gratiarum actionis dupliciter desctzibitur. 1. per aptitudine̅ ad haereditate̅ Sanctoru̅ in luce.) wir doch dabey erkennen daß es nur Gnade sey / vnd GOTT die Ehre gebe̅ / der vns gebracht hat von der Finsternuß zu seinem herrlichen Liecht. Es ist ja wol viele / dafür man GOtt dancken solle / Macht / Reichthumb / Geschickligkeit / Erfahrung / vnnd dergleichen / aber das ist nicht das fürnembste / dieses aber ists / welches wir jmmer mit danckbarem Hertzen rühmen sollen / daß Gott vns tüchtig gemacht hat zu dem Erbtheyl der Heyligen im Liecht: das ist / zur ewigen Seligkeit. Die ewige Seligkeit ist ein Erbe der Kinder GOttes / vnd nicht ein Verdienst der Wercke / denn auch ein kleines vnerzogenes Kind / ob es schon dem Vatter wenig Nutzen geschafft / eben so viel Theyl am Erbe hat / als die grossen / die dem Vatter nutzlich in Haußhaltung gewesen seyn. Wie solches fürgebildet in dem verlornen Sohn / der sein vätterlich Gut verschwendet / welchem der Vatter einen Zugang gab zu dem gantzen Erbtheyl / nicht weniger als dem ältesten Sohn / der seines Vattern Hause mit fleissiger Auffsicht nutzlich gewesen war. Diß himmlische Erbe / ist ein Erbe im Liecht / das ist in Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit /
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Fried vnd Frewd / Leben vnd Seligkeit. Dann es ist auch ein Erbe im Finsternuß / das ist in der Vngerechtigkeit / in ewige̅ Schrecken vnd Verderben. Das Erbe im Liecht ist ein Erbe der Heyligen; dann die Hunde haben hie keinen Theyl / sondern allein die geheyliget seyn in Christo JEsu. An diesem Erbe der Heyligen im Liecht / haben wir auch GOtt Lob ein Theyl / nicht daß wir von Natur geschickt dazu gewesen / sondern daß GOtt durch seine Gnad vns tüchtig darzu gemacht. (2. per tra̅slatione̅ ex regno tenebrarum ad regnu̅ Christi.) Daß wir aber mehr erkennen / was das für eine Wolthat sey / so beschreibets der Geist Gottes mit andern Worten / vnd spricht: Daß vns GOtt errettet habe von der Obrigkeit der Finsternuß / vnnd versetzet in das Reich seines lieben Sohns / an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut / nemlich die Vergebung der Sünden. Es seynd zwey wiederwärtige Reiche / das Reich der Finsternuß / vnd das Reich deß Liechtes / im Reich der Finsternuß regieret der Satan / Vnwissenheit vnd Sünde. Vnterthanen darinn seynd alle Gottlosen / ja alle Menschen von Natur. Der Lohn ist der Zorn Gottes vnd ewiges Verdamnuß. Im Reich deß Liechtes regieret der Sohn Gottes / vnd die Erkäntnuß der Göttlichen Warheit; Vnterthanen darinnen seynd all dieselbe die mit Christo im Glauben vereiniget seyn / der Lohn ist GOttes Gunst vnd Gnad / ewiges Leben vnd Seligkeit. Von Natur gehören wir vnter das Reich der Finsternuß / da hat vns vmbgeben nicht eine geringe Finsternuß / sondern die Krafft der Finsternuß in aller Vnwissenheit vnnd Irrthumb / darauß vns keine Creatur hat ziehen können. GOtt hat vns darauß gezogen / vnnd hingegen versetzet in das Reich seines lieben Sohns. Vnter diesem Reich haben wir in Christo die Erlösung.
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das ist / die Vergebung der Sünden / vn̅ folgends theil an dem Erbe der Heyligen im Liecht / vnnd solches durch das Blut Christi / dann wann durch das Blut Christi / durch sein Todt vnd Sterben GOtt versöhnet wird / hat der Fürst der Finsternuß alle Macht an vns verloren / dann all seine Macht kompt allein her auß den Sünden. Was ists nun / daß wir tüchtig gemacht seyn zum Erbtheyl der Heyligen im Liecht / das ists / daß vns GOtt gezogen hat auß dem Reich der Finsternuß / vnd versetzet in das Reich seines lieben Sohns / in dem wir mit seinem Sohn durch den Glauben vereiniget werden / darumb seynd wir tüchtig zu dem Erbtheyl der Heyligen nicht durch vnsere natürliche Geburt / dann daher seynd wir Kinder deß Zorns / auch nicht durch vnser Lauffen / daß wir vns tüchtig gemacht hätten / sondern durch die Versetzung / daß vns GOttes gnädige Hand gezogen auß der Finsternuß / vnd mit seinem Sohn Christo vereiniget. Dann durch dessen Blut haben wir die Vergebung der Sünden / vnd seyn Kinder Gottes / Joh. 1.(Ioh. 1, 12.) Wie viel jhn auffnahmen / denen gab er Macht GOttes Kinder zu werden die an seinen Namen glauben. Erkenne hie / daß du von Natur seyest vnter der Macht der Finsternuß / erkenne hier / daß du in Christo hast eine Erlösung / die Vergebung der Sünden / vnd ein Theyl an dem herrlichen Erbe im Liecht: Erkenne hie die Eygenschafft derselben / die auß der Gewalt der Finsternuß erlöset seyn / dann sie seyn im Liecht / sie haben nit mehr einen verfinsterten vnd blinden Verstand / in jhren Hertzen leuchtet Christus die Sonne der Gerechtigkeit / darumb tragen sie keine Lust zu Schanden vn̅ Sünden / als Wercken der Finsternuß / sondern halte̅ sich als Kinder deß Liechts. Erken̅e auch endlich / wie du Gott mit Danckbarkeit verpflichtet bist. Daß du selig bist / daß du auß der Finsternuß errettet bist / daß du zum himlischen Erbtheil tüchtig geworden bist / das hastu alles der Gnaden Gottes zu dan
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cken. Darumb dancke deinem GOtt / vnd mache den Anfang mit fleissiger Betrachtung seiner Wercke / vnnd halt offt gegen einander woher vnd wozu du gekommen bist / vorhin warestu in der Finsternuß / nun bistu im Liecht; vorhin in Sünden / nun hastu ein Erlösung / vorhin warestu vnter dem Satan / nun bistu in Christo / vorhin war dein Theyl in der Verdamnuß / nun hastu Theyl am Erbe der Heyligen im Liecht. Wann solches recht im Hertzen betrachtet wird / wird auch der Mund nicht schweigen / sondern singen vnd loben. (Summa.) Diß seynd gewiß fünff herrliche Stücke / die wol eine feine geistliche Weißheit machen / 1. Gottes Willen erkennen. 2. In solchem Erkäntnuß GOtt nach seinem Wolgefallen Frucht bringen. 3. Erfahren seyn in der lebendigen Erkändtnuß GOttes. 4. Starck seyn in Gedult / vnd langmüthig wieder allen Wiederwillen. Vnd zum 5. allezeit GOtt Dancksagen für das Reiche Christi dazu er vns gebracht hat. Diß seyn die Stück der geistlichen Weißheit / die vns der H. Geist wünschet allhie durch seinen Apostel Paulum. (Praxis ostendit) Was soll vns nun lieber seyn / als den Wunsch deß H. Geistes erfüllen? Was soll auch einem rechtschaffenen Christen anmüthiger seyn / als in solcher Weißheit wandeln? Der Wille (I. Modu̅ ambulandi in sapie̅tia spirituali.) GOttes muß für allen Dingen vns wol bekandt seyn / wie viel aber seynd / die nicht den geringsten Grund in solcher Erkändtnuß geleget haben / auch sich nicht darumb beküm̅ern? Wie wollen doch solche weiter kommen in der Weißheit? Doch ist solches nicht genug daß man den Willen GOttes wisse / dann es muß das Erkäntnuß nicht bey vns faul seyn / sondern ein lebendiger Samen / der viele Früchte bringe / dann was ist wissen ohne Gewissen. Wann sich der Mensch befleissiget nach dem Willen GOttes fruchtbar zu seyn / so folget an jhm selbsten die Erfahrung an göttlicher Weißheit / daß er GOTTES Werck in sich empfinde vnnd fühle. Es hat das Gemüth deß Menschen diese Eygenschafft / daß es
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gleich wirdt den Dingen damit es vmbgehet; gehet es viel vmb mit jrrdischen Dingen / so wirdt es auch jrrdisch: Gehet es viel vmb mit GOTT / vnnd Gottlichen Sachen / so wirdt es Göttlich. Wie wol ist doch einer solchen Seelen / die da wachset in der lebendigen Erkändtnuß GOttes! Hierauff wirdt die Seele weiter gebracht / daß sie auch Stärck auß GOtt empfanget / mit Gedult vnnd Sanfftmuth alles Wiedrige zu vertragen. Viel leben sonst wol nach jhrem Gewissen / können aber nicht viel Wiederwillen leyden / aber ein Schuler der Weißheit befleissiget sich durch GOttes Krafft auch in diesem Stuck rechtschaffen zu seyn. Endlich / daß wir an vorgesetzten Stücken nicht müde werden / müssen wir mit danckbarem Hertzen jmmer vor Augen haben / das gantze Werck GOttes / der vns versetzet hat auß der Finsternuß zum Liecht / vnnd vns tüchtig gemacht zu dem Erbtheyl der Heyligen im Liecht. So wandelt man recht nach der Weißheit. Ist nichts das vns reitzet / so ists genug / daß diß die einige(II. Argumenta 1. quia haec est sapientia.) wahre Weißheit ist / viel Menschen wollen vor weiß vnd verständig geachtet seyn / denen es doch weit mangelt an der wahren Weißheit. Nimb dir einen Menschen für / der da klug vnnd geschickt ist in allen Welt Sachen / daß er bey jederman sehr beliebet wirdt / so frag ich / ob er auch nach GOttes Willen weise ist? Ist das bey jhm verachtet / so ist all seine Weißheit ein elende Weißheit. Ferner / wer nach der geistlichen Weißheit lebet / der gefället(2. Est beneplacitu̅ & honor Dei.) GOtt wol / dann GOtt seufftzet in seinen Heyligen nach solcher Weißheit / vnnd ist seine Frewde wann ers findet. Ja GOtt rühmet sich eines solchen Menschen / als der werth ist / daß er ein Diener GOttes heisse. Hingegen wer nicht ist in der Weißheit / er gefalle der Welt wie er will / so gefällt er dem Sathan vnnd nicht GOtt. Wie nichts edeler ist / dann würdig leben dem HErrn zu
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allem Wolgefallen / so ist nichts schändlichers / als leben nach allem Wolgefallen deß Satans. (3. quinon ambulat in sapientia, Christum sterile̅ judicat.) Noch mehr / wer nicht will seyn in der geistlichen Weißheit / der ist auch nicht in Christo / wer Christo durch sein Erkändtnuß eingepflantzet ist / vnnd will nicht in Christo wachsen / vnnd Frucht bringen / der hält Christum für ein faules Erdreich / darauff kein grüner Baum wachsen könne. Wer Christo diese Schande nicht will anthun / hat Vrsach zu wandeln nach der Geistlichen Weißheit. (4. à gratititudine ob translationem ad regnum Christi.) Endlich treibet dich die Danckbarkeit / weil du von GOtt. auß der Finsternuß zum Liecht gebracht bist / was das für eine Wolthat sey / kan kein Mensch verstehen / viel weniger außsprechen. In der Höllen werdens die Gottlosen erfahren mit ewigem Schaden. Es wird jhnen ein Verdruß seyn an GOTT zu dencken / ja sie werden auch an keine Creatur mit Frewden dencken können / das alles muß jhnen schröcklich seyn / an allen Dingen müssen sie ein vnablässig betrübt Hertzeleyd haben. Im Reich Christi haben wir eytel Fried vnnd Leben / vnnd seynd auch die Creaturen vns vmb GOttes Willen gewogen / das mag vns wol zur Danckbarkeit treiben / das ist aber die Danckbarkeit daß wir bleiben in der Weißheit. (III. Mediu̅ i.e orationem.) Weil aber vnser Vermögen hierinn nichtes ist / muß die geistliche Weißheit von GOtt erbetten werden / nach dem Exempel Pauli / müssen vnabläßlich anhalten / für vns selbsten / vnnd für alle Christen. Dann weil diß GOttes Wunsch vnd Wolgefallen ist / daß Christen nach der Weißheit einher gehen / so muß es auch vnser Wunsch seyn / allermeist sollen anhalten Lehrer die dazu gesetzet seyn / daß sie die Weißheit vnter den Menschenkindern bekandt machen. (Co̅clusio.) Darumb sollen wir auch diß Apostolisch Gebett machen zu vnserm täglichen Gebett; daß wir sprechen: Wir bitten dich
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Heyliger HERR vnnd GOtt / daß du vns erfüllest mit Erkändtnuß deines Willens in allerley Geistlicher Weißheit vnnd Verstandt / daß wir wandeln würdiglich dir HERR zu allem gefallen / vnnd fruchtbar seyn in allen guten Wercken / vnnd wachsen in der Erkäntnuß GOttes / vnnd daß wir gestärrket werden mit aller Krafft nach deiner herrlichen Macht in aller Gedult vnnd Langmüthigkeit / mit Frewden / vnnd dir Vatter Dancksagen / der du vns tüchtig gemacht hast zum Erbtheylder Heyligen im Liecht / in dem du vns errettet hast von der Obrigkeit der Finsternuß / vnnd hast vns versetzet in das Reich deines lieben Sohns / an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut / nemlich die Vergebung der Sünden. Wir dancken dir GOtt Vatter in Ewigkeit. Amen.
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Am XXV. Sontagenach Trinitatis.
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Von der seligen Aufferstehung zu der Herrligkeit deß him̅lischen Lebens.
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TEXTVS 1. Thess. 4. V. 13. usque V. 19.
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V. 13. WIR wollen euch aber / lieben Brüder / nicht verhalten / von denen die da schlaffen / auff daß jhr nicht trawrig seyd / wie die andern / die keine Hoffnung haben. V. 14. Dann so wir glauben / daß JEsus gestorben / vnnd aufferstanden ist / also wird GOTT auch / die da entschlaffen seynd / durch Jesum / mit jhm führen. V. 15. Dann das sagen wir euch / als ein Wort deß HERRN / daß wir / die wir leben / vnd vberbleiben in der Zukunfft deß HERRN / werden denen nicht vorkom̅en die da schlaffen. V. 16. Dann er selbs der HERR wirdt mit einem Feldgeschrey / vnd Stimme deß Ertzengels / vnnd mit der Posaunen GOttes hernider kommen vom Him̅el / vnd die Todten in Christo werden aufferstehen zu erst. V. 17. Darnach wir / die wir leben vnd vberbleiben / werden zugleich mit denselbigen hingezuckt werden in
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den Wolcken / dem HERREN entgegen in der Lufft. Vnd werden also bey dem HERRN seyn allezeit. V. 18. So tröstet euch nun mit diesen Worten vntereinander.

Geliebte in Christo JEsu.
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DAß ein Gericht vorhanden sey / ist vnlaugbar; vnnd kan(Exord. Est aliquod judiciu̅ expectandum, vel in vita vel in morte. Ioh. 5, 22. Act. 10, 42.) auch nicht seyn / daß ein Mensch solte ein Sünder seyn / vnnd nicht solte für Gericht gezogen werden. Dann so würde GOtt nicht GOtt seyn / vnnd ein Richter der Welt. Es stehet aber geschrieben / daß der Vatter alles Gericht dem Sohn habe vbergeben / welcher von GOTT gesetzet ist zu einem Richter der Lebendigen vnd der Todten. Wie nun Christus ein Richter ist der Lebendigen vnd der Todten / so verübet er auch das Gericht beydes in dieser Welt bey Leibs Leben / vnnd hernach in jener Weltnach dem Todt. Nun were zu wünschen / daß wir alle in diesem Leben vns richten liessen / welches geschicht / wann wir mit zerbrochenem vnd zerknirschtem Hertzen für GOttes Gericht tretten / vns schuldig erkennen aller Vnehr vnd Verdamnuß / vnd in Christi Todt vnud leyden Versöhnung suchen. Da finden wir ein gnädiges Gericht / vnnd werden loß gesprochen von allen vnsern Sünden / dörffen vns ferner für keim andern Gericht fürchten / nach der Verheissung Christi / Johan. am 5. Warlich / warlich ich sage(Ioh. 5, 24.) euch / wer mein Wort höret / vnnd glaubet dem der mich gesandt hat / der hat das ewige Leben / vnnd kompt nicht in das Gerichte / sondern er ist vom Todte zum Lebe̅ hindurch getrungen. So spricht auch Paulus in der ersten an
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(??? Cor. 11. 31.) die Corinth. am 11. So wir vns selbst richteten / so würden wir nicht gerichtet. Weil aber das nicht geschicht / sondern der meiste Hauff in Sicherheit dahin gehet / ohn rechtes Erkandtnuß der Sünden / so hat Gott dem Menschen ein anders Gericht angesetzet / da er muß erscheinen. Vnd das geschicht in deß Menschen todt. Es erzeyget GOtt zuweilen sein Gericht auch wol auff dieser Erden an den Gottlosen / doch ist das nur ein Vorbereytung / vnd wirdt darinn noch nicht das rechte Vrtheyl der Verdamnuß gesprochen / welches mit Ach vnd Weh allererst nach dem Todt die Gottlosen anhören werden / vnnd das zu zweymalen / erst alsbald im Augenblick deß Todtes / wann die Seele vom Leib scheydet / da das Special-Gericht vber ein jegliche Seele absonderlich gehet / vnnd jhr das Vrtheyl der Verdamnuß angekündiget wirdt. Hernach in der Aufferstehung gehet an ein General Gericht / dafür der gantzen Welt / vnd allen Engeln / vber alle Menschen das Vrtheyl gesprochen wird. (Iudicium impiis terribile piis laetifetum. Ioh. 5, 24.) Die Christo JEsu hie im Geist vnnd Glauben anhangen / entsetzen sich für keines / dann sie haben die Verheissung / daß sie nicht sollen kommen ins Gericht / verstehe wegen jhrer Sünde vnd Vbertrettung / welche jhnen bereyt in diesem Leben durch Christi Verdienst vergeben seyn; darumb haben sie nicht Vrsach sich für dem künfftigen Gericht zu entsetzen / sondern viel mehr zu frewen / vnnd sich darnach mit gantzem Hertzen zu sehnen / dieweil sie doch in diesem Jammerthal nur wenig Ruhe vnnd Friede haben / dort aber jhre Erlösung angehet. Wehe aber den Gottlosen! Wo wollen sie bleiben für dem künfftigen Zorn? Die solten billich dafür erschrecken. Aber der Teuffel kehrets vmb; den Frommen setzet er zu mit trawrigen Gedancken / daß sie in Leyd wehmütig werden / für dem Todt sich offt entsetzen / vnnd für GOttes Gericht fürchten. Die Gottlosen erschrecken kaum ein Augenblick für der Hölle. So
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lässet sie der Teuffel auch wol vnerschreckt / dann sie seynd doch sein eygen / dencken / reden vnd thun was er will / darumb dienets nicht / daß er seine getrewe Diener mit dem Gericht erschrecke; vilmehr läßt er sie in gutem Friede vnnd Ruhe sitzen / daß jhnen nicht anders zu Sinn ist / als solten sie allweg hie bleiben. Darumb sie auch nur trachten / daß sie Ehr / Reichthumb / vnnd gute Tage hie vberkommen mögen. Wie wirds jhnen aber ergehen / wann sie für den Richterstul werden gezogen werden. Damit aber dieselbe / die GOtt fürchten / deßzu mehr Trost vnnd Frewdigkeit gegen das künfftige Gericht erlangen / sollen sie mit Hertzens Lust anhören / was der Apostel Christi Paulus / zu jhrer Seelen Trost / jhnen offenbaret / von jhrer seligen Aufferstehung(Thema.) zu der Herrligkeit deß ewigen himlischen Leben. GOtt gebe daß wirs also anhören / daß wir den Trost in vnsern Hertzen durch die Krafft Christi fühlen mögen. Amen. WOvon vnd zu was Ende Paulus auff dißmal reden will /(Textus proponit I. materia̅ & scopus V. 13.) zeyget er selbst an: Wir wollen euch / lieben Brüder / nicht verhalten / von denen die da schlaffen / auff daß jhr nicht trawrig seyd / wie die andern / die keine Hoffnung haben. Ohn die Gewißheit eines seligen Zustandes der Seelen nach diesem Leben / kan kein vernünfftiger Mensch recht froh seyn / allermeist wann er anfangt / den Sachen nach zudencken. Damit aber Christen beständigen Trost haben / will jhnen Paulus etwas vorhalten / daß sie wissen / vnd wol in acht nehmen sollen; vnd das soll seyn / von denen die da schlaffen / vnd im Glauben Christi selig gestorben seyn / wie es jhnen am jüngsten Tage ergehen werde: Nemblich sie werden auß dem Staub zu der Herrligkeit deß ewigen himlischen Lebens wieder aufferwecket werden. Will der
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wegen nicht predigen von der Aufferstehung der Todten in gemein / sondern von der Aufferstehung der Gerechten zum ewigen Leben. (II. Ipsam doctrinam quae exponit) Bey solchem Bericht von der künfftigen seligen Aufferstehung / haben wir auff zwey Stücke zusehen. 1. Auff das gründliche Zeugnuß / vnnd Bekräfftigung. 2. Auff die Art der Aufferstehung / vnd dessen ordentliche Beschreibung. (1. Fundamentalem de resurrectione glo riosa assertionem. V. 14. Ubi) Vom ersten lauten die Wort deß Apostels also: So wir glauben / daß JEsus gestorben / vnd aufferstanden ist / also wird Gott auch / die da entschlaffen sind durch JEsum / mit jhm führen. Es redet Paulus sehr glimpfflich von dem Todt der Glaubigen (1. Assertio nis subjectum.) / vnnd sagt / daß sie entschlaffen seyn durch JEsum. Es seynd leyder viel Menschen Kinder die nicht in vnnd durch Christum sterben / sondern wieder JEsum / nemblich alle die nicht sterben in der Bußfertigkeit / vnd im Glauben auff das Verdienst vnd die Versöhnung JEsu Christi; were es auch / daß sie es sich liessen saur werden / vnnd viel vnnd grosse Werck gethan hätten. Vor allen ist diß wahr / von den wilden rohen Leuthen / die keiner Sünde achten wollen; dann wie sie im Satan leben vnnd nicht in Christo / also müssen sie auch im Satan sterben / vnd nicht in Christo. Die aber mit gekrencktem Hertzen in dem Leyden Christi deß Sohns GOttes jhre Versönung suchen / die sterben in vnnd durch Christum. Die also sterben / derer Todt ist kein Todt / sondern ein Schlaff / wie dan̅ Paulus also von ihnen redet / daß sie entschlaffen seyn durch JEsum. Dann wie ein Schlaffender / kommen sie nach getragner Last zur Ruhe / ligen in einem tieffen Schlaff / darinnen jhnen auch kein böser Traum schrecket; nebenst diesem werden sie nicht ewig also ligen / sondern an einem frölichen Mor
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gen / da die Sonne Christus sich wird sehen lassen / wieder aufferstehen / vnnd newe Krafft bekom̅en. Also redet auch Christus von seinem lieben Freunde. Johan. am 11. Lazarus vnser Freund(Ioh. 11, 11.) schläfft. Die also durch Christum entschlaffen seyn / denen läßt Gott(2. Assertionis praedicatum.) durch den Mund seines Dieners dieses verkündigen; er will sie mit seinem Sohn JEsu heimbziehen vnd führen. Die da entschlaffen seynd durch JEsum / die wird er mit jhm führen. Gleich wie ein starcker Wind eine Feder oder Rauch mit sich führet / also wird auch ein lebendiger Geist auß gehen auß dem Munde JEsus / vnd bewegen die Todtengebeine / deren die durch jhn entschlaffen seyn / vnnd wirdt sie auß jhrem Staube ziehen / vnd mit sich führen vnd treiben / wohin er auch ziehet / daß wir also bey vnserm JEsu seyn allezeit. Der Grund dieser Verheissung ist der Todt vnnd die Aufferstehung(3. Assertionis fundamentum.) vnsers JEsus. Dann so wir glauben daß Jesus gestorben vnnd aufferstanden ist / also wirdt GOTT auch / die da entschlaffen seynd durch JEsum / mit jhm führen. Mercke / wie genaw Paulus seine Worte in acht nimpt. Anders redet er von Christo / anders von den Glaubigen. Von der Glaubigen Todt spricht er; sie seyn entschlaffen. Vom Todt Christi sagt er nicht / er sey entschlaffen / sondern / er ist gestorben. Dann hie ist ein vnmäßlicher grosser Vnderscheyd. Christi Todt ist ein rechter Todt / dann er hat die rechte Bitterkeit deß Todtes geschmeckt / vnser Todt wird solche Bitterkeit nicht haben / drumb ist es mehr ein Schlaff dann ein Todt. Doch hat der bittere Todt Christi diese Macht / daß durch(Mortis & resurrectionis Christi quoad) jhn vnser Todt ein Schlaff ist geworden. Dann der Todt vnd die
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(mottem & resutrectione̅ sidelium ef ficacia. 1. mortem transmutat in somnum. Ioh. 8, 51.) Aufferstehung Christi ist der Grundt aller seligen Hoffnung. Auß dem Todt vnnd der Aufferstehung Christi haben wir erstlich / daß wir keine Bitterkeit deß Todtes schmecken werden; weil er in seinem Leyden die Bitterkeit an vnser statt auff sich genommen / vnd in seiner Aufferstehung den Todt vberwunden / vnd alle Bitterkeit jhm genommen. Daher hat er er seinen Glaubigen diese Verheissung gegeben / Johan. am 8. Warlich / warlich ich sage euch / so jemand mein Wort wirdt halten / der wird den Todt nicht sehen ewiglich. Die Vnchristen werden den Todtsehen / vnnd nicht allein jhn sehen / sondern auch schmecken / vnd nicht allein schmecken / sondern ewig darinnen bleiben. Die Christglaubige Seele wirdt den Todt nicht einmal sehen / viel weniger schmecken / oder in der Bitterkeit deß Todtes bleiben. Dann sie seynd vom Todt zum Leben hindurch gedrungen. (Ioh. 5, 24 C. 11, 25. 26.) Johan. am 5. vnd am 11. spricht vnser Heyland: Ich bin die Aufferstehung vnd das Leben / wer an mich glaubet / der wirdt leben / ob er gleich stürbe / vnnd wer da lebet vnnd glaubet an mich / der wirdt nimmermehr sterben. (2. nos certificat de resurrectione.) Auß dem Todtvnnd der Aufferstehung Christi / haben wir die Hoffnung der Aufferstehung / wann vns der leibliche Todt hat weg genommen. Es werden ja auch wol die Gottlosen müssen aufferstehen. Doch stehen sie nicht auff durch Krafft deß Verdienstes Christi / dessen sie sich vnwürdig gemacht / durch jren Vnglauben. Die Glaubigen aber muß die Krafft der Aufferstehung Christi auß dem Grabe ziehen / dann weil Christus lebet als das Haupt seiner Glaubigen / so können auch seine Glieder nicht im Todt bleiben / sonst must er ein Haupt ohne Glieder seyn. Zu deme / so hat Christi Verdienst alle Straffen der Sünden auffgehoben / darunter gehöret auch der leibliche Todt. Dann wo die Sünde
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vergeben / vnd auffgehoben / da muß auch der Todt als der Sünden Sold auffhören. In dieser Welt müssen wir zwar leyden Angst vnd Trübsal / vnd den Todt vber vns gehen lassen / doch haben wir ein verborgnes Leben vnd Seligkeit in Christo / welches zu(Col. 3, 3.) seiner Zeit mit Christo wird offenbaret werden; darumb mag vns der Teuffel wol würgen / vnd der Todt verschlingen; sie werden aber vns so wenig als Christum in jhrer Macht behalten. Eben diß wird auch gelehret in der 1. Ep. an die Corinther am(1. Cor. 15. 16. 20. 21. 22. 23.) 15. Cap. So die Todten nicht aufferstehen / so ist Christus auch nicht aufferstanden; nun aber ist Christus aufferstanden von den Todten / vnd der Erstling worden vnter denen die da schlaffen; sintemal durch einen Menschen der Todt / vnnd durch einen Menschen die Aufferstehung der Todten kompt. Dann gleich wie sie in Adam alle sterben / also werden sie in Christo / alle lebendig gemacht werden; Ein jeglicher aber in seiner Ordnung / der Erstling Christus / darnach die Christum angehören / wann er kommen wird. Auß dem Todt vnd der Aufferstehung Christi / kompt auch(3. Causatur resurrectionem gloriosa̅.) endlich zu vns die Aufferstehung zum ewigen vnd herrlichen Leben. Nicht allein werden die Christglaubigen durch jhres Christi Todt vnd Aufferstehen / auch aufferstehen; sondern sie werden zu einem herrlichen / himlischen vnnd ewigen Leben aufferstehen / daß sie(1. propter satisfactionem. Rom. 4, 7. ult.) mit Christo geführet werden. Dann nach dem Christus vmb vnser Sünde willen gestorben / vnd vmb vnser Gerechtigkeit willen wieder von den Todten aufferwecket / ist die Verhindernuß deß seligen vnd ewigen Lebens beyseit gethan / vnnd die Gerechtigkeit die vnsern HERREN JEsum auß dem Todt zur Herrligkeit deß himlischen Lebens gezogen / wirdt auch vns dahin ziehen / die wir jhm im Glauben anhangen / dann dieselbe Gerechtigkeit / ist vnsere Gerechtigkeit.
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(2. per asce̅sionem.) Zu solchem Ende ist auch Christus nach seiner Aufferstehung gen Himmel gefahren / vnnd hat sich gesetzet zur Rechten GOttes / ja freylich nicht / daß er mit den Engeln spiele / vnnd für seine Person allein lustig vnd selig sey / sondern er ist vorhin gegangen (Ioh. 14, 2. V. 18. 3, 19.) vns die Stätte zu bereyten / vnd zugesaget: Ich will euch nicht Wäisen lassen / ich will wider zu euch kommen / vnd euch zu mir nehmen / auff daß jhr seyd / wo ich bin; dann ich lebe / vnd jhr solt auch leben. In einem Gebett zu seinem (Ioh 17, 24. 22. 23.) himlischen Vatter / hat er sich verlauten lassen: Vatter ich will / daß wo ich bin / auch die bey mir seyn / die du mir gegeben hast / daß sie meine Herrligkeit sehen / die du mir gegeben hast; Ja ich habe jhnen gegeben die Herrligkeit / die du mir gegeben hast / daß sie eins seyn / gleich wie wir eins seyn / ich in jhnen / vnd du in mir / auff daß sie vollkommen seyn in eines: Ist mehr gesag / dann ein Mensch begreiffen kan. (3. per nnionem.) Doch mags anders nicht seyn / wir müssen Theyl haben an Christi Herrligk it. Dann ich vnnd Christus seynd eins. Seynd wir dann eins / so müssen wir jhm auch dermal eins gleichförmig (Ioh. 6, 54.) werden an Seel vnnd Leib / nach der Verheissung Johan. am 6. Wer mein Fleisch isset / vnd trincket mein Blut / der hat das ewige Leben / vnnd ich werde jhn am jüngsten Tage aufferwecken / nemlich zum ewigen vnd himlischen Leben. (De fundame̅ro beatae resutrectionis testimonia.) Hierumb muß ein Christ mehr von sich glauben vnd hoffen als er sihet. Wir seynd zwar an vns selbst arme Würmlein / doch seynd wir Christi Tempel / vn̅ haben in Christo wegen seines Todes vnd seiner Aufferstehung / ein verborgenes Leben / vnd ein verborgene Herrligkeit. Wie freundlich redet der liebe Johannes:
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Meine Lieben / wir sind nun GOttes Kinder / es ist aber(1. Ioh. 3, 2.) noch nicht erschienen / was wir seyn werden; wir wissen aber / wann er erscheinen wird / daß wir jhm gleich seyn werden / dann wir werden jhn sehen / wie er ist. Eben also auch Paulus: Ewer Leben ist verborgen mit Christo in(Col. 3, 3. 4.) GOtt / wann aber Christus ewer Leben sich offenbaren wird / dann werdet jhr auch offenbar werden mit jhm in der Herrligkeit. Wann wir nun in Christo / vnnd in Christi Herrligkeit erscheinen werden / werden wir zugleich mit Christo geführet werden / seyn vnnd bleiben wo er ist. Das wird seyn das vberauß schöne Spectacul / darnach / nach Pauli Aussage / sich alle(Rom. 8, 19. 22.) Creatur mit vns sehr ängstiglich sehnet. Dieses alles will andeuten der Geist GOttes in vnserem Text / damit das gesagt ist: So wir glauben / daß JEsus gestorben / vnd aufferstanden ist / also wird GOtt auch / die da entschlaffen sind durch JEsum / mit jhm führen. Ist so viel: Wo jhr glaubet / daß Christus der für ewre Sünde gestorben / vmb ewerer Gerechtigkeit willen wieder aufferweckt ist / müsset jhr auch glauben / daß die / so im Glauben JEsu Christi entschlaffen / Krafft deß Todtes vnd der Aufferstehung Christi / in jhrem Christo haben Leben vnd Herrligkeit / dann darumb ist Christus gestorben vnd aufferstanden; wann dann Christus erscheinen wird / alsdan̅ werden auch / die so in jhm entschlaffen seyn / mit jm in der him̅lischen Herrligkeit erscheinen / vnnd mit jhm geführet werden / bey jhm zu bleiben in seiner Herrligkeit ewiglich. In dem nun weiter der Apostel will tretten zur Offenbarung(II. Modum resurrectionis & ordinem.) deß Processus vnd der Ordnung / die bey vnserer seligen Aufferstehung wird in acht genommen werden / macht er zuvor seiner Erzehlung ein würdiges Ansehen / damit daß er spricht: Das sagen(V. 15.)
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wir euch als ein Wort deß HERREN. Es soll niemand meynen / daß es süsse Fabeln seyn / oder ein eitler Traum / was er erzehlen will / sondern es ist ein gewisses Wort / welches Paulus im Namen vnnd von wegen deß HERRN vns fürträgt. GOTT im Himmel weiß wol was er thun will / vnd thun werde / der hat vns hie etwas von zukünfftigen Dingen offenbaret. (1. per .) Was wird dann für Ordnung gehalten werden in der Aufferstehung der Gerechten? Vor erst offenbaret Paulus in gemein (V. 15.) was nicht werde geschehen. Das sagen wir euch als ein Wort deß HERRN / daß wir / die wir leben vnnd vberbleiben in der Zukunfft deß HERREN / werden denen nicht vorkommen / die da schlaffen. Es wird die Welt nimmer gantz außsterben / biß an den jüngsten Tag; Es wirdt Christus in seiner Zukunfft noch Leuthe auff Erden finden. Von diesem spricht Paulus 1. Corinth. 15. Cap. (1. Cor. 15, 51. 52.) Sihe ich sage euch ein Geheimnuß. Wir werden nicht alle entschlaffen / wir werden aber alle verwandelt werden / vnnd dasselbige plötzlich in einem Augenblick / zur Zeit der letzten Posaunen. Es wird ja wol gesagt: Alle Menschen müssen sterben: Vnd ist recht gesagt; dann wann Christus mit seiner letzten Zukunfft würde länger verziehen als er beschlossen hat / würden auch die Menschen / die nun vberbleiben / endlich sterben / wie andere gestorben seyn. Darzu wirdt die plötzliche Verwandelung derselbigen gleichsamb ein Todt seyn / dann sie den alten Leib ablegen / vnnd einen gantz newen anziehen. Also bleibt noch wahr / wir müssen alle sterben / aber nicht auff einerley Weise. Sonsten wan̅ ich ansehe die Art vnd Weise deß Sterbens / wie andere durch Scheydung Leibs vnd Seelen gestorben seyn / hat Paulus gesagt: Wir werden nicht alle sterben.
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An diesem Orth redet Paulus von denselben Leuthen also / als wann er sich / vnnd die mit jhm zu einer Zeit gelebet mit eingeschlossen: Wir die wir leben vnd vberbleiben in der Zukunfft deß HERRN. Deutet damit an / daß ein jeder Christ zu seiner Zeit soll gedencken / es könte jhn vnd seine Zeit treffen; daß er mit sey vnter dem Hauffen / der mit der plötzlichen Erscheinung deß Sohns GOttes werde vberfallen werden. Von vns oder vnseren Nachkommenen / die da leben vnd vberbleiben in der Zukunfft deß HERRN / gibt Paulus diesen Bericht: Wir werden nicht vorkommen denen / die da schlaffen. Es scheinet die Lebendigen solten die ersten seyn / die Christum in seiner Zukunfft sehen. Aber da wirdt kein Vorzug seyn. Die Lebendigen werden jhn nicht ehe sehen / als die Todten. Dann eben in dem Augenblick der Zukunfft werden die Todten in einem nu herauß gerucket werden auß dem Pulver vnnd Wasser / daß sie da stehen lauter vnd rein / vnd mit hellen Augen gleich alsbald mit vns den HERRN anschawen können. Davon stehet also geschrieben in vorgedachtem 18. Capitel der ersten an die Corinther. Wer werden alle verwandelt werden / alle sprichter / so wol(1. Cor. 15, 52.) die Lebendigen als die Todten / vnd dasselbige plötzlich in einem Augenblick / zur Zeit der letzten Posaunen. Dann es wird die Posaune schallen / vnd die Todten werden aufferstehen vnverweßlich / vnd wir werden verwandelt werden. Solches wirdt geschehen so wol bey Todten vnnd bey Lebendigen plötzlich / wie vor gesagt / in einem Augenblick. So lasset vns nun weiter auffmercken / was dann für Ordnung(2. per . 1. Christus gloriosè ascendet. V. 16.) werde gehalten werden. Zu erst wird Christus offenbarlich kommen vnd erscheinen. Dann er selbst der HERR / wirdt mit einem Feldgeschrey / vnd Stimme deß Ertz Engels /
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vnd mit der Posaunen GOttes / hernieder kom̅en vom Himmel. Es ist zwar Christus auch jetzt bey vns / vnd regiert alles allenthalben / vnd trägts mit seinem kräfftigen Worte; nach seiner Verheissung: Sihe ich bin bey euch alle Tag / biß ans Ende (Matth 28, 20.) der Welt. Doch gehets heimlich vnd verborgen zu. Am jüngsten Gericht wird er vom Himmel sichtbarlich herunter kommen / vnd sich aller Welt offenbarlich darstellen / als ein Richter der Lebendigen vnd der Todten. Das wird ein prächtiger Auffbruch seyn. Dann er selbst der HERR wird kommen / nicht alleine / sondern mit einem Feldgeschrey vnd Stimme deß Ertz Engels / vnnd mit der Posaunen GOttes: Am andern Orth redet die Schrifft (Matth. 25. 31.) hievon also: Deß Menschen Sohn wird kommen in seiner Herrligkeit / vnd alle Heylige Engel mit jhm / vnd er (C. 24, 31.) wird sitzen auff dem Stul seiner Herrligkeit / vnd wird seine Engel aussenden mit hellen Posaunen / die werden (1. Cor. 15, 52.) samblen seine Außerwöhlten von den vier Winden / von einem Ende deß Himmels zu dem andern / vnd die Posaunen (Ioh 5. 28.) werden schallen. Vnd die in den Gräbern seynd / werden die Stimme deß Sohns GOttes hören / vnd werden aufferstehen. (Luth. tom. 2. & 5. Ien. Gorman. in h. l.) Hierüber haben Gottselige Hertzen diese Gedancken / daß diese Stim̅e: Steht auff jhr Todten / kompt für Gericht; werde außgeruffen werden durch einen Ertz Engel; vnnd heisse vnd bleibe dennoch eine Posaune GOttes. Dann die Krafft ist von GOtt. Eben wie das Wort / daß wir predigen / vnd die Seelen der Menschen bekehret / ist vnd bleibet ein Wort Gottes. Dem
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ey wie jhm will; dann es ist doch Christi Stimm vnnd Krafft / es ruffe Christus auß eygnem Munde / oder durch einen Ertz Engel; so ist doch dieses hie gewiß angedeutet / daß die Zukunfft Christi werde vber alle maß prächtig seyn. Wann ein Herr zu Felde ziehet / läßt er sich sehen vnd hören / mit Trabanten / Trompeten vnnd Büchsen: Also auch Christus. Dreyerley wirdt genennet: Feldgeschrey / Stim̅e deß Ertzengels / Posaune Gottes. Die Menge der Engel / alle Himmlische Heerscharen werden die Vortraber seyn / vnd werden ein Feldgeschrey anheben / ein starck Geschrey / wie man etwa zu Felde Lärmen blaset. Dann es wirdt doch der HERR auff dißmal den letzten Angriffe aller seiner Feinden thun. Wir dörffen es nicht errathen / was diß für ein Stimm wird seyn / es ist schon offenbahret dem heyligen Johanni / derselbe hatte es vns wieder offenbaret / vnnd schreibt am 19. Capitel also: Ich höret eine Stimme einer grossen Schaar / vnd als(Apoc. 19, 6. 7. 1.) eine Stimm grosser Wasser / vnd als eine Stimm starcker Donner / die sprachen: Halleluja / Halleluja; dann der Allmächtige GOTThat das Reich eingenommen. Halleluja. Lasset vns frewen vnd frölich seyn / vnd jhm die Ehre geben. Halleluja. Dann die Hochzeit deß Lambs ist kommen / vnnd sein Weib hat sich bereytet. Halleluja. Heyl vnd Preiß / Ehr vnd Krafft / sey GOtt vnserm HERRN. Halleluja. Halleluja. Es wirdt vnter den lieben Engeln ein vberauß grosses Frolocken seyn / wann sie nun sehen / wie die Boßheit soll gedämpffet / vertilget / vnnd die Kinder GOttes erfreyet werden: Da wirdt seyn Jubiliren vnnd Glückwünschen: Hawe an / Hawe an / es ist reiff zur Erndte. Es ist ja hohe Zeit: Heyl / Preiß / Ehr vnnd Krafft sey GOtt vnserm HERRN.
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Ob nun durch die Stim̅ deß Ertz Engels / vnnd durch die Posaune Gottes Paulus nichts mehr verstehet; als diß Geschrey der Engel; oder ob vnter diesem Geschrey aller Engel / vnnd vnter der Menge der Posaunen / insonderheit eine Stimme eines Ertz-Engels / vnd eine sonderbare starcke mächtige Posaune werde gehöret werden / weiß ich nicht; wiewol ichs halte mit dem letzten. Dann ja nicht allein die Ertzengel schreyen werden. So will auch durch den Ertz Engel Christus allhie nicht verstanden seyn: Dann in dem gesagt wirdt: Er selbst der HERR wirdt kommen mit der Stimm deß Ertzengels: Wird ein Vnterscheyd gemacht / vnter dem Ertzengel vnd vnter dem HERRN. Was Christus durch diesen Ertzengel wird außruffen vnd außblasen / weiß ich auch nicht. Obs wird zugehen wie bey der ersten Zukunfft deß HErrn / dann (Luc. 2, 10. 13.) ein Ertzengel den Hirten die Bottschafftbracht: Sihe ich verkündige euch grosse Frewde. Vnnd alsbald war da bey dem Engel die Menge der himlischen Heerscharen / die lobten GOtt vnd sprachen: Ehre sey GOtt in der Höhe / Friede auff Erden / vnd den Menschen ein Wolgefallen. Wer weiß / was geschicht? Ein Fürbild dieses Feldgeschreyes finden wir bey der Außruffung deß Gesetzes auff dem Berg Sinai. Dann da erhub (Exod. 19, 16. 19.) sich ein Donnern vnd Blitzen / vnnd ein Thon einer sehr starcken Posaunen. Vnd der Posaunen Thon wardt jmmer stärcker; vnd der HErr redet auß dem Rauch vnd Fewr. An jenem Tage aber wird die Posaune GOttes stärcker klingen / vnd durch die gantze Welterschallen / daß es auch die Todten hören werden. (2. mortui resurgent.) Dann auff den Schall dieser letzten Posaune werden die Todten aufferstehen: das ist das ander in der Ordnung deß Processes. Die Todten werden aufferstehen zu erst. Zu erst / nemblich ehe einer von den Lebendigen Christo zugeführet wird /
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werden die Todten aufferstehen. Vnd das wird geschehen alsbald auff die Stim̅ deß Sohns GOttes. Wie er durch sein Wort Himmel vnd Erden gemacht / vnd noch alles außrichtet; also wird er auch durch seine allmächtige durchdringende Stim̅e die Todten aufferwecken. Wie er dann auch solche Macht geübet zur Zeit seiner Erniedrigung; nicht allein an Krancken; denen er zugeruffen; sey sehendt / sey gereiniget; sondern auch in Todten: Lazare /(Ioh. 11.) komb herfür. Jüngling stehe auff. Mägdlein ich sage dir / stehe(Matt. 9.) auff. Also wird er ruffen: Steht auff jhr Todten. Vnd die in den Gräbern sind / werden seine Stimme hören / vnnd werden herfür(Luc. 7.) gehen / die da gutes gethan haben / zur Aufferstehung deß Lebens / die aber vbels gethan haben / zur Aufferstehung deß Gerichts. Das wird auch geschehen plötzlich in einem Augenblick. Wie Christus im Grab in einem Augenblick war todt vnd lebendig / vnd herauß fuhr wie ein Blitz; Also werden alle Todten in einem Augenblick allesampt herfür tretten; aller Staub eines jeglichen Leibes wird in einem Augenblick zusammen gesamlet seyn. In einem Augenblick wird die Welt voller hell glantzenden Leiber stehen / wie der Himmel voller Sternen. Darnach folget das dritte: Wir / die wir leben vnd vberbleiben(3. glorificati oe̅s simul rapientur in occursum Domini. V. 17.) / werden zugleich mit denselbigen hingeruckt werden in den Wolcken / dem HERREN entgegen in der Lufft. Nun / GOtt Lob / so werden gleichwol noch Christen auff Erden seyn / vnnd wird der HERR in seiner Zukunfft noch etliche finden / die da würdig seyn werden zu stehen für deß Menschen Sohn. Wann wir gedencken an die Worte / die Christus vnnd seine Apostel von den letzten Zeiten gesagt haben / solt man fast erschrecken. Christus spricht Luc. 18. Meinstu / wann deß Menschen(Luc. 18, 8.) Sohn kompt / daß er werde Glauben finden: So bezeugen auch die Apostel / daß vor dem jüngsten Tage die Welt
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voll Spötter vnd Epicurer seyn wird. Hält man das jetzige Wesen der Welt hingege̅ / so sicht mans für Augen / daß es so gehet / wie es verkündiget ist. Die GOttes Warheit nicht erkennen / verfolgen sie; die die Warheit haben / seynd derselben vberdrüssig. So nimbt von Tag zu Tag vberhandt / Fressen / Sauffen / Bauchsorge / vnd der verfluchte Geitz vnd Wucher / dadurch alle Lieb vnd Glaub außgelöschet wird. Kompt dan̅ hierzu / daß ein solcher Lehrer die Cantzel einnimpt / wie jhn die Welt gerne haben will / so wird (Luth. tom. 2. Germ. I???n. pag. 523. a.) die Maß der Sünden erfüllet. Lutherus hat diese Gedancken: Der letzte Zorn den GOtt am jüngsten Tage an den Gottlosen üben wird / der wirdt der grösseste seyn / solchen muß die Welt vor wol verdienen / darumb wird sie auch alsdann ärger seyn / als sie zur Zeit Noah vnd Loth gewesen ist. Diß sind die Gedancken Lutheri. Vnd nicht vnbillig schliesset man / daß vor einemgrossen Zorn muß eine grosse Sicherkeit kommen. Ob nun wol Christus in seiner Zukunfft die Welt gar böß vnnd Gottloß finden wirdt / ist doch das noch ein Trost / daß vnter dem bösen Hauffen noch rechtschaffne Christen seyn werden / von welchen hie gesagt wird: Wir / die wir leben vnnd vberbleiben / werden zugleich mit denselben / die vom Todt aufferstanden seyn / hingeruckt werden in den Wolcken / dem HERRN entgegen in der Lufft. Wann nun diese seynd verwandelt worden / dann das Sterbliche muß anziehen die Vnsterbligkeit / vnnd das Verweßliche muß anziehen die Vnverweßligkeit; alsdann werden sie zugleich mit denen die von Todten aufferweckt seyn / gen Himmel gezuckt werden / auff den Wolcken wie auff Wagen / vnnd werden in der Lufft schweben vmb Christi Ehrenstul her / wie die Vögel / leichter als der Wind / heller als die Sonne. O ein lieblich Spectacul. Christus mit allen Engeln; allen Heyligen vnnd außerwöhlten
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Menschen kommen in der Lufft zusammen; als lauter Sonnen. Davon wirdt die Sonne am Himmel müssen dunckel werden. Dann wie es zugehet mit Mond vnnd Sternen / die den Schein verlieren / wann die Sonne herfür bricht: Also wirds gehen mit der Sonnen / wann Christus mit allen Engeln / vnd allen Heyligen die Lufft erfüllen wirdt. Wann einer solches vorhin nicht gehöret hätte / würde es jhm fürkommen wie ein süsser Gedanck im Traume. Aber der Apostel Christi hat es vns hie verkündiget als ein Wort deß HERRN. Wo werden aber die Gottlosen bleiben? Sie werden nicht mit hingerucket werden / sondern hie vnden auff Erden bleiben; vnd das strenge Vrtheyl anhören: Weicht von mir / jhr Verfluchte.(Matth. 25.) Wehe dem elenden vnd verlassenen Hauffen! Das letzte in der Ordnung bey der Aufferstehung der Heyligen(4. Erimus cum Domino indesine̅ter. V. 17.) ist: Wir werden also bey dem HERRN seyn allezeit: Also spricht er; nemlich mit Leib vnd Seele. O die fröliche Endschafft vnserer Wanderschafft! Wir werden mit Leib vnnd Seel bey dem HErrn seyn allezeit. Der HErr ist auch nun bey vns / wird aber nicht gesehen; nach dem Todt werden wir jhn auch sehen. Dann woher kam anders das hertzliche Verlangen Pauli: Ich begehre auffgelöset zu seyn. Woher kam es als da her /(Phil. 1, 23.) er wolte gerne bey Christo seyn? Aber doch nach dem Todt ist allein die Seele bey Christo. In der Aufferstehung aber werden wir mit Leib vnd Seele bey dem HErrn seyn allezeit. Was kan mehr gesagt werden: Mit Leib vnd Seel werden wir bey dem HErren seyn allezeit. Wie es schröcklich ist / wann man sagt; der Teuffel besitzet diesen Menschen an Leib vnnd Seele / so ists hingegen lieblich / wann hie gesaget wirdt: Die Glaubigen werden mit Leib vnnd Seele bey jhrem HERREN seyn vnnd bleiben allezeit.
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(III. Usum repetit.) Den Nutz dieser Betrachtung zeyget Paulus selbst / beydes zu Ende vnd Anfang gegenwärtiger Lection. Dann wie er zu Anfang (V. 12.) gesagt: Ich will nicht lieben Brüder / daß euch vnbewuße sey / von denen die da schlaffen / auff daß jhr nicht trawrig (V. 18.) seyd / wie die andere die keine Hoffnung haben: Also schliesseter auch: So tröstet euch mit diesen Worten vntereinander. Ein Christ kan vnd soll sich anders auffrichten im Todt vnd leyden als ein Heyd. Die Heyden haben keine Hoffnung der Aufferstehung zum leben. Wann sie jhren Zustandt recht bedencken / vnnd nicht durch Sicherheit auß dem Sinne schlagen / werden sie singen müssen: Ich lebe / vnd weiß nicht wie lang / ich sterbe / vnd weiß nicht wann / ich fahre / vnd weiß nicht wohin; mich wundert daß ich frölich bin. Ja so nicht were (1. Cor. 15.) die Aufferstehung / weren wir Christen die allerelendesten vnter den Creaturen. Nun wir aber wissen / was wir in der Aufferstehung der Todten zuerwarten haben / dörffen wir nicht viel vnser Elend beklagen / als wanns nun zu einem andern vnd seligen Standt kommen würde. Hie haben wir Trost in Todt / Trost in mancherley Beschwerung. (Incitame̅tum ad usum 1. Consolatorium.) So tröstet euch nun mit diesen Worten vntereinander. Wer Trost für sich bedarff / oder andere kräfftig trösten will / der gedencke an diese Rede Pauli. Ja weil Paulus saget: Tröstet euch mit diesen Worten vnter einander: So muß in diesen Worten ein kräfftiger Trost seyn. Diß seynd aber die Wort / die er meynet; daß JEsus gestorben / vnd wieder aufferstanden ist / vnnd daß GOtt vns die wir in Christo entschlaffen / oder am jüngsten Tage im Leben JEsu Christierfunden werden / mit JEsu werde heimführen / daß wir mit Leib vnd Seel beym HErrn seyn allezeit. Ein lebendiger Trost. Hiemit gedenck ich andere zu trösten in jhren
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Todtes nöthen / vnnd wünsche von Hertzen / daß es auch in meiner Todtes noth mein Trost sey. Du O werther heyliger Geist wollest mich dieses Trostes erinnern. Wann einer hätte aller Welt Ehr vnnd Reichthumb / kan er auch Trost davon empfahen in seinem Todtbethe? Ja kräncken vnd betrüben mag es ihn / weil ers verlassen muß. Hie haben wir beständigen Trost / denselben soll ein jeglicher für sich fassen / vnd auch andern fürhalten. Tröstet euch mit diesen Worten vntereinander. Findet sich Sünde / vnd fallen dir diese Gedancken ein: Nun mustu für Gericht / was wilstu GOtt antworten? Wie hastu deine Kinder aufferzogen? Wie bistu deinem Gesinde mit einem heyligen Exempel fürgegangen? Wie manchen habe ich geärgert / vnd mit vnvorsichtigen Worten vnd Wercken in Sünden gestärcket? Wie mancher ist durch meine Versaumnuß zur Höllen gefahren / den ich durch fleissige Vermahnung hätte können zum Himmel bringen? O wo will man da bleiben! Nun wolan / bleib fest auff diß Bekäntnuß; daß Christus für dich gestorben vnnd aufferstanden. Das ist ein grosses Meer / vnnd verschlinget die Menge der Sünden als ein Füncklein Fewer.
Meine Sünde mich werden kräncken sehr / Mein Gewissen wird mich nagen. Dann jhr seynd mehr dann Sand am Meer / Doch will ich nicht verzagen. Gedencken will ich an deinen Todt / HErr JEsu deine Wunden roth / Die werden mich erhalten. Seynd vnsere Sündescheußlich / wollen wir wol so einen schönen Schmuck darüber ziehen / daß der Teuffel keine Sünde sehen soll. Wir wollen vns in den Todt deß Sohns GOttes windeln vnnd verwickeln / vnd mit Christi Vnschuld vns decken. Damit werden
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wir so schön gezieret seyn / daß vns die liebe Engel nicht genugsamb werden ansehen können. Durch diese Kunst / hoffe ich / wann ich nun sterbe einen armen Sünder gen Himmel zu bringen. (Luth. tom. 5. Ien. pag. 114. b.) Den Glauben hält Lutherus / der in dergleichen Art der Versuchung auch wol geübet / begeret dem Versucher so zu antworten: Teuffel fahre hin / beyde mit meiner Gerechtigkeit vn̅ Sünde / habe ich etwas gesündiget / so friß du den Mist davon / der sey dein: Es ligt mir mehr an dem / was JEsus Christus gethan hat / als an dem was ich gethan habe. Das ist eine rechte feine Kunst / die wir diesem Helden billig sollen ablernen. Auff Christi thun müssen wir sehen / vnd vnser thun gantz fahren lassen / es sey gut oder böß. Vnd also einschlaffen; das heist dann in JEsum entschlaffen: Solche Leute kommen nicht ins Gericht / sie seynd durch den Todt zum Leben hindurch gedrungen. Dann so wir glauben daß JEsus gestorben / vnnd wieder aufferstanden ist / also wird Gott auch / die da entschlaffen sind durch Jesum / mit jhm heimbführen. Tröstet euch mit diesen Worten vntereinander. Wann dann die Sünde nicht mehr kan schrecken / soll vns auch kein Todt schrecken / alldieweil wir in Christo Jesu eine solche selige Hoffnung haben. Ach meine Liebe̅ / was für Trost haben vnsere Vorfahren gehabt / die Heyden gewesen! Ihnen schien das Wort Gottes nicht; sie wusten nicht daß Christus were ein Sohn Gottes / der Welt Heyland / der für vns gestorben vnd aufferstanden ist / auff daß er dermal eins seine Glaubigen aufferwecke / vnd mit jm führn zum ewigen Lebe̅. Hierum̅ haben sie müssen leben entweder in rauher blinder Sicherheit / oder in Schrecken / Sorgen / vnd Zagen. Ihr Todtengesang hat mögen seyn: Mit Ach vnd Wehe fahr ich dahin / betrübet ist mein Hertz vnd Sinn; das Leben ist ein Todt geworden. Wir durch Gottes Gnade
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glauben nun anders: Dann so wir glauben daß JEsus gestorben vnd aufferstanden ist / so glauben wir auch / daß Gott vns / wan̅ wir entschlaffen seyn in Jesum / auch mit vnserm Jesu werde heimführen. Wie wir nun anders glauben / können wir auch anders singen: Mit Fried vnnd Frewd fahr ich dahin / getrost ist mir mein Hertz vnd Sin̅ / der Todt ist mein Schlaff worden. Darumb lieber Christ / kompt dein Stündlein / vnnd du solt nun davon; schlaff jmmer frölich ein / es kompt die Zeit / es wird Jesus erscheinen / vnd dich herfür ruffen / da wirstu mit Augen sehen / was du jetzt glaubest. Eben damit tröstet euch auch in dem Todt der ewrigen. Was in Christo JEsu entschlaffen ist / ist nicht verloren. Wann du einen Toden für dir ligen sihest; so gedenck, sihe welch eine Gestalt! Dennoch daß einer / der in Christo entschlaffen ist / einmal werde wieder herfür kommen auß seinem Gstanck / viel schöner dann die Sonne / das ist gewisser / als daß er jetzt für vnsern Augen liget als ein Gestanck. Darumb laß seyn / hie werden wir gesetzet in Vnehr vnnd Schande / dann es ist ja ein todter Leichnam / eine jämmerliche Gestalt / vnd ist kaum ein vnleidlicher Aaß auff Erden / als deß Menschen; doch werden wir aufferstehen in Ehren / vn̅ in einer herrlichen Gestalt. Vnd so wir glauben / daß Jesus gestorben vnd aufferstanden ist / werden wir auch mit JEsu heimbgeführet werden: tröstet euch mit diesen Worten vntereinander. Vnnd was solte wol für ein Vnglück seyn / darinn vns diß nicht trösten solte / daß noch so ein herrlicher Wechsel folgen werde. Wann man lange im Vnfall bestricken bleibt / so wird man wehmütig. Kompt man aber auff solche Gedancken; sihe es wird ja einmal eine andere Zeit kom̅en / da ich mit meinem liebste̅ Jesu in mein recht Vatterland werde gefüret werden. Da werde ich bey meinem Herren in dem Reich seiner Herrligkeit bleiben allezeit; wird die Wehmütigkeit sich verlieren / dan̅ wann wir beym HErrn Christo seyn
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werden allezeit / so werden wir keine Anfechtung mehr haben. Der Todt ist vberwunden / keine Sünde kan vns mehr plagen / Trawren vnd Schmertzen wird müssen von vns weichen. Dargegen werden wir in Christo empfangen Frewd vnd Wonne / Reichthum̅ vnnd Herrligkeit / viel mehr als wir in Adam verloren haben. Wann ein Christ gedenckt an den herrlichen Auffbruch vnsers Liebhabers Christi / an die Majestät seiner Zukunfft / möchte er dadurch wider lustig werden / wann er schon halber todt ist. Wie den Hirten bey der Geburt Christi der Ertzengel erschienen ist mit der Menge deß him̅lischen Heers / also wirdt aller Welt sich öffnen der Himmel / mit aller him̅lischen Pracht / bey der andern Zukunfft deß Sohns GOttes. Der Ertz Engel mit der Trompeten Gottes vornher / viel tausentmal tausent heyliger Engel hernach / mit einem Feldgeschrey. Christus der Fürst mitten vnter jhnen. Wir Glaubigen werden die Lufft erfüllen mit himlischer Klarheit / daß die Sonne dafür wird dunckel werden. Da werden wir den Einzug halten / vnd von Christo geführet werden in seine Herrligkeit: Mit grossem Jubiliren aller außerwöhlten Engeln vn̅ Menschen. Halleluja. Halleluja. Ehr vn̅ Preiß sey vnserm Gott. Halleluja. Halleluja. Vnd in solchem Jubiliren werden wir verbleiben bey GOTT allezeit. O wie selig ist der Mensch / der mit seyn wird vnter diesem Hauffen: Faß diß Bilde in die Augen: O liebe Seele / alle gegenwärtige Plage / Leyden vnnd Kranckheit wird balde gering werden. Diß ist ein Augenblick / aber bey meinem Heyland bleibe ich allezeit. Wann ich diß Bilde verliere / so sincke ich. (2. Adhortatorium.) Eins muß ich hiebey auch melden / wer mit den Heyligen diese Hoffnung haben will / der halte sich auch mit allen Heyligen bereyt / daß er würdig werde zu stehen für deß Menschen Sohn; dann jhr wisset nicht zu welcher Zeit er kommen werde. Christus will Diener haben die stäts auff jhren HErrn warten / darumb
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hat er auch die Stundt vnnd Zeit seiner Zukunfft verborgen. Würde er das Jahr vnnd die Stunde zuvor genennet haben / wurde jedermann noch sicherer leben als jetzo / vnd gedencken; es hat noch Zeit / daß ich auch zu Christo komme. Aber weg mit solchen Christen / Christus will Diener haben / die jhm stäts auffwarten / wir schlaffen ein / vnnd wachen auff mit Bauchsorge. Solten wir aber Morgens vnnd Abends also gedencken: Sihe wer weiß / ob nicht dieses der Tag / oder dieses die Nacht sey / darinnen Christus wird herunter fahren / vnnd mich zu jhm holen? Solten wir bey Tag vnd Nacht vns dessen offt erinnern / wie würde mancher Sünden gestewret werden? Wie würde Andacht vnd Gottseligkeit bey vns wachsen? Wer auff Christum wartet / der kan sich auch seiner Erscheinung erfrewen. Dann so wir glauben daß JEsus gestorben vnnd aufferstanden ist / so wirdt GOtt auch alle die in Christo JEsu seyn / mit JEsu heimführen / daß sie bey jhrem liebsten Jesu in seiner Herrligkeit seyen allezeit. GOtt bekräfftige diesen Trost in vnserm Hertzen / vnd er wecke jhn in vnserer Todtes noth. Amen.
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Am XXVI. Sontage nach Trinitatis.
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Von künfftiger Vergeltung / als einem Trost gegenwärtiger Arbeit in Christo.
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TEXTVS 2. Thess. 1. V. 3. usque V. 11.
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V. 3. WIR sollen GOtt dancken allezeit / vmb euch / Lieben Brüder / wie es billich ist. Dann ewer Glaub wächset sehr / vnnd die Liebe eines jeglichen vnder euch allen nimmet zu gegen einander. V. 4. Also daß wir vns ewer rühmen vnder den Gemeinen Gottes / von ewer Gedult vnd Glauben / in allen ewern Verfolgungen vnd Trübsaln / die jhr duldet. V. 5. Welches anzeyget / daß GOtt recht richten wird / vnd jhr würdig werdet zum Reich Gottes / vber welchem jhr auch leydet. V. 6. Nach dem es recht ist bey GOtt zuvergelten / Trübsal / denen / die euch Trübsal anlegen. V. 7. Euch aber die jhr Trübsal leydet / ruhe mit vns / wann nun der HERR JEsus wird offenbar werden vom Him̅el / sampt den Engeln seiner Krafft.
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V. 8. Vnd mit Fewerflammen / Rache zu geben vber die / so GOtt nicht erkennen / vnd vber die / so nicht gehorsamb sind dem Evangelio vnsers HERRN JEsu Christi. V. 9. Welche werden Pein leyden / das ewige Verderben / von dem Angesicht deß HERRN / vnd von seiner herrlichen Macht. V. 10. Wann er kommen wirdt / daß er herrlich erscheine mit seinen Heyligen / vnd wunderbar mit allen Glaubigen. Dann vnser Zeugnuß an euch / von demselbigen Tage / habt jhr geglaubet.

Geliebte in Christo JEsu.
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ES haben vnsere Christliche Vorfahren zu ablauffendes(Exord. Dies extremi judicii est dies desiderabilis.) Kirchen Jahrs fürsichtig solche Text erlesen / die da vom Ende der Welt / vnnd jüngsten Gericht handeln. Dann wie im Jahr ein Tag nach dem andern dahin laufft biß auff den letzten / darinn sich das Jahr endet; also laufft auch in der gantzen Zeit der Welt / ein Jahr nach dem andern dahin / biß einmal das letzte komme / darinnen das Wesen der Welt wird ein Ende nehmen. Zwar nicht zu dem Ende wird zu dieser Zeit hievon gehandelt / als wann es allein nun solt betrachtet werden; sondern einmal wird es geprediget / daß es nimmer soll vergessen werden. Daher hat auch der Geist GOttes in der Offenbahrung Johan. 22. die(Apoc. 22, 20.) Bibel geschlossen mit solch einem Wunsch: Es spricht der da zeuget / ja ich komme bald / Amen / ja komb HErr JEsu / Amen. Als wolt der Geist andeuten / daß zu solchem Ende GOttes Wort geoffenbahret sey / daß wir jmmer himlische Ge
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müther haben / vnd warten auff die Offen bahrung vnnd Erscheinung vnsers HErrn JEsu Christi. Also gar soll nimmer auß vnserm Gedächtnuß kommen die Zukunfft deß Sohns Gottes zum Gerichte. (Ratio. quia tunc aperitur janua gloriae.) Wo vnser Schatz ist / da soll auch vnser Hertz seyn. Vnser Schatzkammer aber soll eröffnet werden nicht ehe als in der Offenbahrung deß Sohns GOttes. Daß wir im Schawen haben / was wir nun haben hie in Verheissung vnd Glauben / da wird die Thür geöffnet werden zu der himlischen vnd ewigen Wohnung / da wird vns außgetheylet der Lohn vnser Arbeit. Zu diesem Leben seyn wir nicht erkaufft / vnnd was auff dieser Erden ist / were es noch so köstlich / ists doch viel zu gering / daß GOttes Sohn darumb viel leyden solte / was im Himmel soll offenbaret werden / das ist das Gut / daß GOttes Sohn mit schwer er Arbeit / vnd bitterm Leyden vns erkauffet hat. Dabey mercken wir / wie thewr vnnd köstlich die him̅lische Seligkeit sey. Sie kan aber der allgemeinen Christenheit nicht ehe / als in der Zukunfft vnsers Heylandes geoffenbaret werden. Daher liget der Tag dieser Offenbahrung der Braut Christi im Sinn / vnd jhr verlanget darnach. (Occupatio.) Es ist zwar die Meynung deß Geistes nicht / wann er vns einen Wunsch für schreibet / darinnen wir ein Verlangen tragen nach dem Gericht Christi / als solten wir auch den Nachkommen die Gemeinschafft deß Reiches Christi miß gönnen; es gehöret mit zur Langmuth GOttes / daß er verzeucht / dadurch manche Seele erhalten wird. Dazu die Christum lieb haben / sehen auch gern / daß Christi Reich groß werde darumb seynd wir nicht vngedultig / ob schon die Verheissung auffgeschobe̅ wird / es muß doch die Zahl der Außerwöhlten voll werden / dises aber will der Geist mit dem Verlangen nach der Zukunfft Christi / daß die Seele von der Welt frey sey / vnd begierig auß zugehen von der schändlichen Sodoma / vnd daß wir in dem Außzug nit einmal vns vmbsehen / wie Loths Weib / welche zur Saltzsäulen wardt.
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Zu diesem Ende hat vnser Heyland verordnet / daß wir vns(Signa futurae liberationis sunt etiam tribu lationes.) frewen sollen / wann wir sehen die Zeichen seiner Zukunfft. Es wird den Menschen auff Erden bang werden / aber eben die Vngestümmigkeit der Welt / vnnd die vielfältige Angst muß vnser Haupt auffrichten / dieweil sie predigen daß vnser Erlösung nahe sey / sie seynd die Knotten / die / wann sie außbrechen / den Frühling verkündigen; dann für GOtt es auch nicht billig ist / daß seine Kinder jmmerdar in der Angst dieser Welt bleiben sollen. Auff solche Weise gibet vns auch Paulus in gegenwärtigem Text zu bedencken die vielfältige Trübseligkeit der Glaubigen / daß wir sie erkennen als ein gewisse Anzeygung deß gerechten Gerichtes GOttes / so wol vber die / die da leyden / als die vns Leyd thun / daß wir nicht müde werden / sondern vns stärcken mit der Hoffnung der zukünfftigen Vergeltung / in der Offenbahrung deß Sohns GOttes vom Himmel. Es mag die Welt jmmerhin lachen / vber die Arbeit der Christen / wir seynd dennoch nicht Narren / daß wir vmb Christi willen Vngemach leyden: den Außschlag wird vns Paulus lehren vnd fürlegen. Dann es wird zukünfftig gewisse folgen eine Wiedervergeltung. Dieselbe(Thema.) müssen wir hie betrachten / als einen Trost bey aller Mühe / die wir erdulden in Christo JEsu. GOTT gebe Gnade. Amen. EHe der Apostel Paulus die mühseligen Kinder Gottes auffrichtet(Pars I. Laus fidei & tolerantię, tanqua̅ primu̅ incitamentu̅ ad tolerantia̅ in fide.) mit dem Trost der zukünfftigen Vergeltung / rühmet er zuvor jhren Fleiß: Wir sollen GOtt dancken allezeit vmb euch / lieben Brüder / wie es billich ist / dann ewer Glaube wächset sehr / vnd die Liebe eines jeglichen vnter euch allen nimpt zu gegen einander / also daß wir(V. 3. 4.) vns ewer rühmen vnter den Gemeinen GOttes / von
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ewer Gedult vnd Glauben in allen ewern Verfolgungen vnd Trübsal / die jhr duldet. Es rühmet der Mann GOttes der Thessalonicher Glauben / Lieb vnd Gedult in allen Verfolgungen vnnd Trübsalen die sie er duldet hatten / vnnd nicht allein die Beständigkeit deß Glaubens / vnd der Lieb bey Erduldung vieler Trübsalen / sondern auch den Wachßthumb / Ewer Glaube wächset sehr / spricht er / es wächset der Glaube nicht durch die Vermehrung der Erkändtnuß / vnd käme man auch in derselben so weit / daß man möchte Doctor werden. Es bestehet der Wachßthumb deß Glaubens in der hefftigen Zuversicht auff GOtt / welche insonderheit muß zunehmen in schweren Trübsalen. Wie höher die Noth / je kräfftiger muß die Seel an GOtt kleben vnnd sprechen; ich sehe wol mein GOtt was du suchest / dann du wilst mir nicht etwas lassen süsse werden / daß du nicht selber bist / so fahre nun hin / du Glück der Welt / fahre hin Gesundtheit vnd Reichthumb / fahre hin Ehr vnd Gewalt / weils GOtt so haben will / es ist dennoch Gott mein Hilff vnd mein Heyl. Deßgleichen nimpt die Liebe auch zu / vnd wird reich zur Zeit grosser Trübsal. Welthertzen pflegen alsdann zu gedencken / es ist jetzt ein kümmerliche Zeit / ich muß die Hand was inne halten vnd sparen / hab ich was / so thuts mir selbs wol noth; das ist keine Art geistlich reich zu werden / die Liebe nimpt die kümmerliche Zeit wol in acht / daß sie viel gutes thue / dardurch wirdt sie reich. Wann man also wächset im Glauben / vnd in der Liebe durch grosse Gedult / das ist dann wol ein Stuck / daß lobens werth ist / darumb spricht der Apostel: Wir rühmen vns ewrer vnter den Gemeinen GOttes. Sihe wie der Geist sich frewet in seinen Heyligen / wanns wol zugehet in der Christenheit; wie er seufftzet in den Heyligen vnd ruffet / vnnd flehet: Lasset euch mit
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GOtt versöhnen; so frewt er sich auch / so er ein Häufflein findet / daß die Versöhnung annimpt / vnnd rühmts hoch / so einer durch viel Gedult im Glauben vnd in der Liebe zunimpt. So das aber geschicht in den Glaubigen / was wird geschehen am jüngsten Gericht / wir müssen doch ein Lob vnnd Preiß seyn in Christo vnserm HERRN. Es rühmt sich Paulus vber die rechtschaffene Glaubigen vnter den Gemeinen GOttes. Ohn allen Zweiffel dieselbe durch solch Exempel eiffrig zu machen / vnd bezeugt damit / daß die Exempel der wahren Gottseligkeit bey vns viel gelten sollen / was wir in Vbung der Gottseligkeit / guts vnd löblichs bey andern finden / dem sollen wir auch nachstreben / dann die herrligen Exempel / seyn GOttes lebendige Predigten / dadurch er die Vbung wahrer Gottseligkeit vns für Augen stellet. Paulus rühmet nicht allein dises Gut / sondern dancket auch GOtt da für / vnd erkennet solches für ein Schuldigkeit / wir sollen GOtt dancken / spricht er / vmb euch wie es billig ist. Dann für was gehöret was / es ist keine geringe Gnad / wann Gott auff Erden noch GOttes Furcht erhält / womit können wirs bezahlen / können wir nichts mehr / sollen wir jhm dancken / vnnd das allezeit / wie Paulus. Dann wir werden diese Schuld nim̅er völlig bezahlen: so lange GOtt nicht auffhöret eine Seele zu suchen vnd zu erhalten / die rechtschaffen sey vnd bleibe in dem Gehorsamb vnnd rechtschaffener Gottseligkeit / so lang müssen wir auch nicht auffhören jhm dafür zu dancken. Wir haben gesehen den Apostolischen Ruhm eines Gottseligen Wandels / welcher dahin gerichtet ist / daß er die Christliche Gemein brünstiger mach in dem Fleiß der Gottseligkeit / dann ein Christliches Lob / welches ohn Heucheley geschicht / andere auffzumuntern / hat grosse Krafft / fleissiger zu machen / auch dieselbe die einen guten Ruhm der Gottseligkeit schon haben.
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(Pars II. Remuneratio futura: tanqua̅ secundum incitame̅tum.) Es bringet aber der Apostel eine bewegliche Vrsach herfür der Beständigkeit / bey der vielfältigen Müh deß Christenthumbs / nemlich die zukünfftige Vergeltung am jüngsten Tag. Dann nach dem er gerühmet die Gedult vnd den Glauben in allen Verfolgungen vnd Trübsalen / setzt er hinzu: Welches anzeigt / daß (Cujus 1. consideratur signum.) GOTT recht richten wirdt / auff daß jhr würdig werdet zum Reich GOttes / vber welchem jhr auch (V. 5.) leydet. Wie gar anders vrtheylet der Geist GOttes von der Mühseligkeit der Christen als wir. Mercke I. wie dieselben zum Reich GOttes würdig werden / die darüber leyden. Wer vber dem Reich GOttes nichtes leyden will / der ist dessen nicht würdig / als wann einer vmb den Willen GOttes seinem Willen soll ein Abbruch thun / das bringt jhm Leyden / thut ers / so leydet er vber dem Reich GOttes / vnd ist dessen würdig; thut ers nicht / so ist er ein Weichling / der vber dem Reich GOttes nichts leyden kan / darumb ist ers auch nicht würdig. Ich habe offt gesagt / vnnd sage noch mal / daß GOtt die Christen betrübe / kompt nicht her auß einem tyrannischen Gemüth / daß seine Lust sihet an Angst vnnd Trübsal / wurde Gott nicht eine Seligkeit darinn finden / wurde ers vber sein Hertz nicht bringen können sein Kind zu plagen. Wir erkennen hie / daß wir deß Reichs Gottes so viel würdiger sollen geschätzet werden / so mehr wir darüber gelitten. Merck II. daß eben zu solchem Ende ein rechtes Gericht muß angestellet werden / auff daß wir deß Reiches GOttes würdig erfun den werden. Es wird zwar eine jegliche Seele / alsfort nach dem Abschied jhr Gericht empfangen: Dann wie der Baum fället / so liget er. Doch wirdts damit nicht geendet seyn. Es hat GOtt einen Tag bestimmet / auff welchen er richten wirdt / den gantzen Kreyß der Erden / auff daß alle Welt / Engeln vnnd Menschen erkennen / wie die der Seligkeit würdig seyn / die selig werden; vnd wie die der Verdamnuß würdig seyn /
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die verdam̅et werden. Mercke III. wie die wahre Anzeygung dieses gerechten Gerichtes seyn muß eben diß gegenwärtige Leyden der Christen. Es sey daß sie selbsten jhr Fleisch ereutzigen / oder von andern gecreutziget werden. Daher daß wir vmb deß Reiches GOttes willen hie viel leyden vnd gedulden / können wir gewiß abnehmen / daß folgen muß ein gerechtes Gericht / darinnen einem jeglichen die Wiedervergeltung zuerkandt werde. Die Vrsach wird angedeutet: Nach dem es recht ist(V. 6. 7.) bey GOtt / zu vergelten Trübsal / denen die euch Trübsal anlegen / euch aber die jhr Trübsal leydet / ruhe mit vns. Was anlanget die Gottlosen / die vns Trübsal anlegen / es seyn Teuffel oder Menschen / so erforderts Gottes Gerechtigkeit / daß dieselbe Trübsal leyden / vndwer es ein Vngerechtigkeit / wan̅ die Gottlosen allhie solten gute Tage haben / vnd die Frommen wol plagen / vnnd frey hindurch gehen / dann was solt nur daß für ein Richter seyn / der wol erdulden köndt / daß die vnschuldige Frömmigkeit also frey vom Teuffel vnnd Menschen solte geplaget werden. Was anlanget die From̅en / ist jhnen zwar GOTT nichts schuldig / dann es heist doch: Wann jhr alles gethan habt so sprecht: Wir seyn vnnütze Knecht / vnd haben nicht mehr gethan / als was wir schuldig seyn; dennoch so machts Gottes gnädige Verheissung / die er vns in seinem lieben Sohne Christo JEsu gegeben hat / daß wann wir vmb Christi willen im Glauben viel dulden vnd ertragen / Hoffnung haben / einer herrlichen Vergeltung / vnd wurde auch vnrecht für GOtt seyn / wann wir auff GOttes Wort vnd Verheissung vns zur Furcht GOttes wendeten / vnnd allerley Vngemach vnd Creutz darüber erduldeten / so wir nit die verheissene Vergeltung von seiner Hand empfahen solten.
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Also muß die Gerechtigkeit GOttes vns versichern deß zukünfftigen gerechten Gerichtes / welches auch den Heyden nicht hat können verborgen seyn. Dann ob sie wol vngewiß seynd gewesen jhrer Seelen halben / wo sie bleiben nach dem Todt / doch aber wann sie angesehen / wie mancher vnnützer Bube vnd grawsamer Tyrann / hie offt das beste Glück habe / vnd vber seine Boßheit im geringsten nicht gestrafft wirdt / haben sie schliessen sollen / es muß gewiß ein gerechtes Gericht allererst nach dem Todte seyn / oder es muß kein gerechter GOtt im Himmel seyn. So dann die Heyden in Betrachtung Göttlicher Gerechtigkeit haben können kommen auff ein Göttliches Gericht / was wollen wir zweiffeln die wir auch mit dem Wort erleuchtet seyn / wann wir hie leyden vber dem. Reiche Christi / vnd andere vns nur frey jmmer hin plagen? Merck hiebey / wie Paulus sich vnnd alle Glaubigen in eine Gesellschafft bringet / dieweil er spricht: Es ist recht bey GOtt / zu vergelten euch die jhr Trübsal leydet / ruhe mit vns. Paulus will keinen andern Christum / vnd keinen andern Himmel haben / als er andern fürgetragen / die mit Paulo Trübsal leyden / müssen auch mit Paulo Ruhe empfahen. Das ist recht für GOtt. (2. Te̅pus.) Es gedencket aber auch Paulus der Zeit / wann die Vergeltung (V. 7.) werde angehen / nemblich / wann nun der HERR JEsus wird offenbahret werden vom Himmel. Der Jesus / der auffgefahren ist gen Himmel / vnnd sich gesetzet in die allgewaltige Majestät GOttes / der wird auch einmal wiederumb offenbahret werden / vnd erscheinen in seinem verklärten Leibe / das wirdt dann seyn die Zeit der Wiedervergeltung. Dann es hat Christus ein zweyfache Zeit in dieser Welt. Zu erst regieret er im verborgen / da er seine Güte / sein Gericht vnd Majestät im verborgen hält / als ein verborgner GOtt. Zuletzt aber wirdt er sich offenbahren. Diesen Vnderscheyd macht die Schrifft klärlich wann sie spricht: (2. Cor. 5, 7.) Wir wandeln im Glauben vnnd nicht im Schawen.
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Also wird die Zeit der Offenbarung der Majestät JEsu Christi / zugleich seyn eine Zeit der Wiedervergeltung / beydes für gute vnd für böse. Bey dieser Offenbahrungs Zeit gibt vns hie noch weiter der(Circa manifestatione̅ Christi de coelo tria consideranda.) heylige Geist zubedencken / auff was Weise / vnd zu was ende Christus sich offenbaren werde. Die Art der Offenbarung zeyget an die Majestät der Zukunfft Christi. Die Endursach ist das Gericht / beydes vber Gottlose vnd Fromme. Haben also in Summa noch dreyerley zu bedencken / die Majestät deß Richters / das Gericht der Gottlosen / vnnd dann die Herrligkeit der Frommen. Von der Majestät deß Richters zeuget hie der H. Geist:(1. Majestas; Judicis.) Der HERR JEsus wird offenbaret werden vom Himmel(V. 7. 8.) / sampt den Engeln seiner Krafft / vnnd mit Fewerflammen. Wann ein gewaltiger König zu Felde ziehet / bringet er seine Macht zusam̅en / je stärcker sein Kriegsheer / je erschröcklicher sein Einzug ist. Vnser JEsus kompt auffgezogen nicht mit einer Legion vnvermögener armen Menschen / sondern mit allen außerwöhlten Engeln deß Himmels / die seyn vnsers JEsus Diener. Schröcklich vnnd herrlich ist das Heer vnsers GOttes. Der König wird sitzen auff dem Stul seiner Herrligkeit / vnd alle Völcker werden für jhm versamblet werden. Dann er wird seine Engel senden mit einem grossen Hall der Posaunen / vnnd sie werden samblen seine Außerwöhlten von den vier Winden von einem Ende deß Himmels biß ans ander. Matth. 24. Die werden wie die(Matth. 25, 32.) Schaafe / von den Gottlosen als stinckenden Böcken gescheyden werden.(C. 24, 31.) Ein Kriegsheer paustet mit Fewer vmb sich / wann es auff den Feind gehet. Vnser Him̅lischer König bringet auch Fewer mit. Diß Fewer wirdt er außspeyen auß seinem allmächtigen Munde / vnd damit die Welt anzünden. Fewer wird er außspeyen zu verzehren die Gottlosen.
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(2. Impioru̅ judicium.) Da findet sich nun das ander / daß bey der Offenbahrung Christi zu bedencken / das Gericht der Gottlosen. Dann so spricht der Geist: Der HERR JEsus wird kommen mit Fewrflammen Rach zu geben vber die / so GOtt nicht erkennen / vnnd vber die so nicht geborsamb sind dem Evangelio vnsers HERRN JEsu Christi. Welche werden Pein leyden / das ewige Verderben / von dem Angesicht deß HERRN / vnd von seiner herrlichen Macht. Hie sihestu / wan̅ du es vorhin nicht weist / vber wem die Verdamnuß beschlossen: Nemblich / die GOtt nicht erkennen / vnnd die nicht gehorsamb seyn dem Evangelio vnsers HERRN JEsus. Die Heyden haben GOtt auß der Natur erkennen können / vnd daß er zu ehren vnnd zu fürchten sey. GOtt hats jhnen ins Hertz geschrieben. Aber sie haben sich nicht drumb bemühet / daß sie jhn möchten ehren als einen GOtt / haben jhn auch nicht gefürchtet / sondern die Gerechtigkeit GOttes auffgehalten in der Vngerechtigkeit. Darumb werden sie keine Entschuldigung finden darinn / daß sie GOTT nicht erkandt haben / sondern viel mehr wird eben dasselbe jhr Verdamnuß seyn. Andere haben mehr als die Heyden / das warhafftige Wort GOttes / einer in grösser Klarheit / als der ander. Aber jhrer viel seynd dem nicht gehorsamb / vnnd leben nicht nach dem Evangelio Christi. Dieser Sünde ist so viel grösser / so viel grösser das Liecht ist / daß jhnen für jenen gegeben ist. Es wirfft zwar Paulus sie allesampt vber einen Hauffen in einen Ofen / dennoch spricht Christus: Der Knechte der deß HERRN Willen weiß / vnd thut jhn nicht / wird doppelt geschlagen werden. Die jhr euch nun böses bewust seyd / merckt auff / was euch begegnen werde: Der HERR JEsus wirdt vber euch Rache
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geben mit Fewrflammen / jhr werdet Pein leyden / das ewige Verderben / von dem Angesicht deß HERREN / vnd von seiner herrlichen Macht. Leydet das / die jhr hie vmb Christi willen kein Vngemach leyden möget. Gott der Vatter hat seinen Sohn Jesum eingesetzet zu einem Richter der Lebendigen vnd der Todten. Er ist der da spricht / die Rache ist mein / ich will vergelten. Hie ists noch nicht recht Zeit alles zu rächen. Aber in seiner Zukunfft wirdt er Rache üben / daß die Gottlosen werden leyden müssen Pein vn̅ Verderben. Auff solche Weise wirdt hie im Text der ewige Todt beschrieben. Der wird ein Vntergang vnd Verderben genennet / nicht als wann von euch Gottlosen nichts mehr würde vberbleiben / das leyden könte / weder Leib noch Seel. Deß möchtet jhr frohe seyn. Aber nicht so. Es wird ja bleiben müssen Leib vnd Seel / aber Todtes-Angst müssen sie leyden / jmmer vnd ewiglich. Sie werden in einem Schlam versincken / vnnd nimmermehr zum Grunde kom̅en. Es ist Verderbens genug / daß jhr als ein Gstanck vnd Aaß da ligen müsset in der Höllen / von Gott abgeschieden / ohne Hoffnung / in Ewigkeit mit jhm vereiniget zu werden. Damit seyd jhr ewres Lebens beraubt. Das wird nicht ohne Peine seyn. Die heylige Schrifft braucht mancherley Art / die Höllische Pein zubeschreiben / insonderheit setzet sie zweyerley / Wurm vnnd Fewr. Der Wurm bedeutet inwendig das Nagen deß Gewissens. Das Fewer wird äusserlich peinigen / welches durch Leib vnd Seel / Marck vnd Beyn dringen wirdt. Alle Pein aber vbertrifft die Ewigkeit / daß kein Auffhören da ist / ja keine Linderung. Solte es sechs oder mehr tausent Jahr weren / könte man noch Trost vnnd Hoffnung haben. Aber Ewigkeit / Ewigkeit wie lang werestu? Wann Gott vns mit harter Leibes Schwachheit zusetzet / daß wir grosse Pein empfinden / gedencken wir offt / es wird bald vbergehen. Aber was will ein Verdampter gedencken?
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Wer solte aber wol der Peiniger seyn? Deß Satans wirdt (Heb. 2, 14.) hie nicht gedacht. Ob er zwar in Heyliger Schrifft beschrieben wirdt / als der deß Todtes Gewalt hat; so erstrecket sich doch diese Gewalt meistentheyls auff diese Zeit. Wann man sich sonsten einbilden wolte / als muste der Satan das höllische Fewr auffblasen / vnd der Peiniger seyn in der höllischen Qual / könte man billig fragen / wer deß Satans Peiniger seyn werde / dann er selbsten der Satanas als ein Meister der Boßheit Pein leyden wird. Es wird zwar viel zur höllischen Angst helffen die erschröckliche Gesellschafft so vieler hundert tausent Teuffel / die vmb euch Verdanwte herumb schweben / vnd gewiß nicht viel Trost geben werden / doch werden sie die rechte Peiniger nicht seyn. Hie stehet: Sie werden Pein leyden von dem Angesichte deß HERRN / vnd von seiner herrlichen Macht. Deß Satans Krafft muß noch zu gering seyn zu dieser Pein. O jhr verdampte Sünder / erkennet ewer Elend. Die Macht die Gott hat wollen anwenden / euch selig zu machen / die muß er nun brauchen euch zu verderben. Wie er seine herrliche Macht beweisen wird in der Seligkeit / so wirdt er auch seine Macht beweisen in der Verdamnuß. O Jammer! Barmhertzig vnnd gnädig ist der HERR / vnendlich ist seine Gütigkeit. Aber jhr Verdampte / ach Jammer! Könnet nicht ein Tröpfflein derselben geniessen / nicht in alle Ewigkeit. Nicht allein müsset jhr von der vnendlichen Gütigkeit nichts geniessen / sondern (Psal. 68, 3.) noch seines Zornes Macht an Leib vnd Seel fühlen. Wie das Wachs zerschmeltzet vom Fewer / so müssen vmbkom̅en die Gottlosen für GOTT. Ihr müsset vber euch fahren lassen den fewrbrennenden Eiffer / vnnd leyden / daß GOtt mit Blitz (Apoc. 14, 10. 11.) vnnd Donner vnauffhörlich auff euch zuschlage. Ihr werdet gequelet werden mit Fewer vnd Schwefel für den hey
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ligen Engeln / vnd für dem Lamb / vnd der Rauch ewerer Qual wird auffsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit / vnnd jhr werdet keine Ruhe haben Tag vnnd Nacht. Noch wirdts GOTT nicht jammern / sondern er wird ewer noch(Prov. 1, 26.) spotten in ewrem Verderben. Ach wehe deß Jammers vnd Elends? Eines fället in vnserm Text noch für / welches in der Betrachtung der künfftigen Verdamnuß nicht für über zugehen / nemlich / die Zeit. Denn diese schwere Rache wird an den vnseligen Menschen geübet werden eben zur selben Zeit / wann der HERR JEsus kommen wird / daß er herrlich erscheine in seinen Heyligen / vnnd wunderbar in allen Glaubigen. Das wird ein blödes jämmerliches Nachsehen bey den Verfluchten erwecken / wie dann auch vnser HERR andeutet beym Luca am 13.(Luc. 13, 28.) Es wird seyn Heulen vnnd Zähnklappen / wann jhr sehen werdet Abraham vnd Isaac / vnd Jacob / vnnd alle Propheten im Reiche GOttes / euch aber hinauß gestossen. Sie werden die Herrligkeit der Kinder GOttes anschawen / das wird sie schmertzen. Dann diese Ordnung wird der HERR JEsus halten / wann er wird mit den Engeln seiner Herrligkeit erscheinen. Für erst werden alle Menschen hervor gezogen / vnd alsbald im Augenblick ein Scheyden vorgenommen werden. Die Schaafe werden gestellet werden zur Rechten / vnd dem HErren entgegen fahren in der Lufft. Die Böcke zur Lincken / werden als eine schwere Erdlast vnden auff Erden bleiben. Wunder were es nicht / wann jhnen möchte das Hertz brechen / sie werden den Todt suchen vnd nicht finden. Nach solchem Scheyden werden die elende verfluchte Leute in die ewige Pein gehen / aber die Gerechten in das ewige Leben.
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(3. Piorum glorificatio.) Lasset vns nun auch mit wenigem besehen die Herrligkeit der Frommen / welches das dritte Stuck war / so vns bey der letzten Offenbarung (V. 10.) deß Sohns GOttes hie zu betrachten für kompt. Dann der HERR JEsus / wie schon angedeutet / wird kommen / daß er herrlich erscheine in seinen Heyligen / vnd wunderbar in allen Glaubigen (sintemal man vnserem Zeugnuß an euch hat Glauben gegeben /) eben an demselbigen Tage. Wer wird sich doch wol der zukünfftigen Herrligkeit zu frewen haben? Es werden hie genennet Glaubige vnnd Heylige. Die dem Zeugnuß der Apostel Glauben geben. Der HERR JEsus wirdt herrlich vnnd wunderbarlich erscheinen in seinen Heyligen vnd in allen Glaubigen. Sintemal man vnserm Zeugnuß an euch hat Glauben gegeben. Dann die Glaubigen haben die Verheissung deß ewigen Lebens / nicht aber die nichts mehr als einen Mundglauben haben / sondern die sich in jhrem Glauben geheyliget haben. Dann der Glaube muß nach den Zeugnussen vnd Beschreibungen der Aposteln gerichtet werden. Daher die alleine für Rechtglaubige zu halten seyn / die in der Erkändtnuß JEsu Christi in täglicher Busse durch Christi Todt sich mit GOtt versöhnen / vnd durchs Blut JEsu Christi jhr Gewissen reinigen von den todten Wercken / zu dienen dem lebendigen GOtt. Es muß beym Glauben ein Vorsatz seyn wieder das böse zu streiten / vnd dem guten nachzujagen. Darauß folget / daß in dem Augenblick / darinnen ein Sünder sich in Sünden mit Wissen vnnd Willen ergetzet / er sich der Seligkeit verlustig mache. Es kompt ja wol / daß die Heylige in jhnen empfinden vnreine weltliche Gedancken / aber mit Vnwillen / vnd wann sie derselben inne werden / wiederstreben sie. Diese Eygenschafft deß heyligmachenden Glaubens muß nicht ausser acht gelassen werden /
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damit sich nicht jemandt die zukünfftige Seligkeit verheisse / deme sie doch nicht kan zukommen. Die jhr nun habt das Zeugnuß eines guten Gewissen / mercket auff / was jr zu erwarten habt: Der HERR JEsus wirdt kommen / vnd herrlich erscheinen in seinen Heyligen / vnd wunderbarlich in allen Glaubigen. Vnser HErr JEsus wirdt zwey mal verkläret / erstlich in jhm selbst / wann jhme Göttliche Majestät vnd Herrligkeit in seiner Aufferstehung geschencket ist / davon er redet Johan. 17. Verkläre mich Vatter bey dir(Ioh. 17, 5.) selbst / mit der Klarheit / die ich bey dir hatte / ehe die Welt war. Zum andern / wird er verkläret in seinen Glaubigen / als seinen Gliedern / wann er wie gesagt wird / in denselben herrlich vnd wunderbarlich erscheinen wird. Was das sey / acht ich / sey auß geleget von dem lieben Apostel Johanne in der ersten Epistel am 3. Cap. Meine Lieben / wir seynd nun GOttes Kinder / aber(1. Ioh. 3, 2.) es ist noch nicht erschienen / was wir seyn werden / wir wissen aber / wann es erscheinen wird / daß wir jm gleich seyn werden / dann wir werden jhn sehen wie er ist. Kürtzlich wir werden voll GOttes seyn. Vnser sonst nichtiger Leib wird da verkläret werden / daß er ähnlich werde dem verklärten Leibe JEsu Christi. So aber der Leib also herrlich wird verkläret werden / wie groß wird die Herrligkeit der Seelen seyn? Ach HERR / wer ist hie zu würdig! Wir seynd nun schonselig / aber in der Hoffnung. Christus wohnet in vns / aber durch den Glauben. Nun sihet mans vns nicht an / daß Christus in vns sein Himmelreich auffgerichtet habe. Dort aber wirt er sich in vns sehen lassen herrlich vnnd wunderbarlich / so herrlich / daß alle die es sehen werden / sich höchlich drob verwundern werden. Wir werden GOtt vnd vnsern lieben Heyland JEsum sehen / nicht ausser vns / sondern
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in vns; Dann GOTT wirdt alles in allem seyn. O selige Frewd! Daß aber Paulus auch hie noch mals der Zeit gedenckt / vnd spricht: Der HERR JEsus wird herrlich vnd wunderbarlich erscheinen in allen seinen Heyligen vnd Glaubigen / eben an demselbigen Tage; damit wird nochmal angedeutet / daß den Verdampten keine geringe Peine bringen werden / wann sie anschawen müssen die wunderbarliche Herrligkeit Christi in den Heyligen: vnd hinwiederumb / daß es mit zur Herrligkeit der Kinder GOttes gehöre / daß sie anschawen das Gericht derer die jhnen vnd Christo feind gewesen seyn. Sie werden hinauß gehen / vnnd schawen die Leichnam der Leute / die an mir miß handelt haben. Dan̅ jhr Wurm wird nicht sterben / vnd jhr Fewer wird nicht verlöschen / vnd werden (Es. ult. V. ult.) allem Fleisch ein Grewel seyn / spricht der HERR / Esaiae am letzten. Was hat vns nun Paulus in dieser Lection lehren wollen? Er will so viel sagen. So jhr lieben Christen so starck im Glauben geworden / daß jhr vmb Christi willen viel Vngemach gedultig leyden könnet / das ist lobens werth / dafür hat man GOtt zu dancken. O wie selig seyt jhr! Wie werdet jhr so herrlich erquickt werden nach ewrer Mühe? Hingegen wie vnselig seynd die böses thun / vnd vmb Christi willen kein Vngemach leyden wollen! Angst vnd Trübsal wirdt sie vberfallen vnnd drucken ewiglich. Darumb werdet nicht müde / sondern vielmehr nehmet jmmer zu im Wercke deß HERRN. (Usus 1. Consolatorius.) Das fasse zu deinem Trost du glaubige Seele / wann du Vngemach bey deinem Christenthumb leyden müssest. Dieser Zeit leyden ist nicht werth der Herrligkeit / die an vns wirdt offenbaret (Rom. 8, 18.) werden. Es ist gar eine feine Gewonheit / wann man bey aller Wiederwärtigkeit vnnd Leyden das Gemüth zu dem künfftigen wendet. Vnd gedenckt: Laß es nur so gehen / hie muß es so gehen /
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das Wesen dieser Welt vergehet / was darauff folget wirdt nicht vergehen. Der mich nun bey meinem Glauben wol läßt plagen / wird hernach mich auch recht wol erquicken. Es ist eine schwere Anfechtung / wann einer / der wol weiß was deß HErrn Wille ist / entweder sich muß der Welt gleichförmig machen / oder Schimpff leyden. Da fällt manche fromme Seele dahin. Als wann einer nach dem Exempel Christi soll vnverschuldete Schläge leyden / vnnd nicht wieder schlagen. Da gedenckt ein ehrliebender Mensch; was soll ich thun? Leyde ich diß / so hab ich Spott vnnd Schimpff; reche ich mich / so erzürne ich GOTT: Nun so ists dennoch kein Thor / der GOtt bey jhm lässet viel gelten. Mustu darüber Verachtung leyden / so gedenck: Das ist ein gewiß Zeichen / daß GOtt recht richten werde. Wann dich die Menschen beschimpffen / wirdt dich GOtt deß zu höher ehren. So der heylige Geist hie hoch durch Paulum rühmet / wann die Christen in vielfältiger Trübsal / Gedult vnd Glauben üben / so gedenck / wie viel herrlicher das Lob lauten wirdt / wann Christus auß seinem Göttlichen Munde vnmittelbar wird vnsern Ruhm hören lassen: Ich bin veracht gewesen / du hast mich nicht verworffen. Derwegen seyd auch ermahnet / jhr Christen Hertzen / daß jhr(2. Hortatorius.) Vngemach bey ewrem Glauben nicht schewet / vnd vmb Spott vnd Schadens willen die Gottesfurcht nicht fahren lasset. Werdet jhr mit Gedult bey ewrer Gottesfurcht beständig bleiben / deß werdet jhr Ehr vnd Ruhm bey Gott haben. So jhr aber die Furcht Gottes verlasset;
O weh demselben welcher hat / deß HErrn Wort verachtet / Vnd nur auff Erden frühe vnd spat nach Ehr vnd Gut getrachtet.
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Der wird fürwar gar kahl bestehen / Vnd mit dem Satan müssen gehen Von Christo in die Hölle. Es muß Christus hie bey der Welt nichts gelten. Hie verkaufft man jhn vmb dreyssig Silberling / das ist / vmb eine Handvoll Ehre / vmb den eygnen Sinn / vnversöhnlichen Zorn / vmb ein Stück Brodes. Dort aber / wann er erscheinen wird mit den Engeln seiner Krafft / wirdt er so gering nicht gelten. O welch ein herrlicher Ruhm wirdts seyn / wann Christus sprechen wirdt: Diß hast du mir zu lieb gethan / das hastu mir zu Liebe erduldet. Was aber wirdts für ein Ruhm seyn / wann der König sagen wirdt: Sihe ich habe mich dir zu erkennen gegeben / du aber hast mich verworffen vmb deines Zorns willen / vmb ein Bißlein Brodt / vmb ein Handtvoll Ehr. Weiche von mir / du Verfluchter. O der schweren Pein / die auff Vngehorsamb folgen wirdt! O der seligen Herrligkeit / welche die Gedult der Glaubigen krönen wirdt! An Statt deß Fewres / darinnen die Gottlosen werden braten vnnd brennen / werden die Gottseligen mit Göttlichem Glantz bekleydet werden. Es muß doch erfüllet werden der Wunsch deß Heyligen (Ps. 68, 3. 4.) Geistes im acht vn̅ sechtzigsten Psalm: Wie das Wachs zerschmeltzt vom Fewer / so müssen vmbkommen die Gottlosen für GOTT. Die Gerechten aber müssen sich frewen vnd frölich seyn für GOtt / vnnd von Hertzen sich frewen. Wo wirdt da bleiben das Ansehen der Gottlosen? Wo wirdt bleiben das Elend deß Gerechten? Wie wirdt vns da schmecken der süsse Wein den wir getruncken haben? Wo wird bleiben die Bitterkeit / die GOtt vns hie eingeschenckt hat? Wo wird da Lachen seyn? Wo wird Weynen seyn?
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Darumb / meine Lieben / seyd veste / vnbeweglich / vnd(1. Cor. 15, V. ult.) nehmet jmmer zu in dem Werck deß HERRN / sintemal jhr wisset / daß ewer Arbeit nicht vergeblich ist in dem HERREN; wie euch der Geist GOttes ermahnet 1. Corinth. 15. Capitel. Welche hie eine kleine Zeit geduldet / werden ewig erquickt; welche aber Christo nichts zu gefallen haben leyden wollen / müssen ewig Leyden vber sich gehen lassen auff einmal. Sie werden Pein leyden das ewige Verderben / von dem Angesicht GOttes / vnnd seiner herrlichen Krafft; dafür behüte vns GOTT durch das Blut vnnd die Wunden JEsu Christi. Amen.
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Am XXVII. Sontagenach Trinitatis.
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Vom Ende der Welt.
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TEXTVS 2. Pet. 3. V. 3. usque V. 15. achtet für ewer Seligkeit.
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V. 3. WIsset das auffs erst / daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter / die nach jhren eygenen Lüsten wandeln. V. 4. Vnd sagen / wo ist die Verheissung seiner Zukunfft. Dann nach dem die Vätter entschlaffen sind / bleibets alles / wie es von Anfang der Creaturen gewesen ist. V. 5. Aber Muthwillens wöllen sie nicht wissen / daß der Himmel vor Zeiten auch war / darzu die Erd auß Wasser vnd im Wasser bestanden durch GOttes Wort. V. 6. Dennoch ward zu der Zeit / die Welt durch dieselbigen mit der Sündflut verderbet. V. 7. Also auch der Himmel jetzundt vnnd die Erde / werden durch sein Wort gesparet / daß sie zum Fewer behalten werden / am Tage deß Gerichtes vnd Verdamnuß der Gottlosen Menschen.
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V. 8. Eines aber sey euch vnverhalten / jhr Lieben / daß ein Tag für dem HERRN ist / wie tausent Jahr / vnnd tausent Jahr / wie ein Tag. V. 9. Der HERR verzeuhet nicht die Verheissung / wie es etliche für einen Verzug achten / sondern er hat Gedult mit vns / vnnd will nicht daß jemand verlohren werde / sondern daß sich jedermann zur Buß bekehre. V. 10. Es wird aber deß HERRN Tag kommen / als ein Dieb in der Nacht / in welchem die Himmel zergehen werden mit grossem Krachen: Die Element aber werden für Hitze schmeltzen / vnnd die Erde / vnnd die Werck die darinnen seynd / werden verbrennen. V. 11. So nun das alles soll zergehen / wie solt jhr dann geschickt seyn mit heyligem Wandel / vnd Gottseligem Wesen? V. 12. Daß jhr wartet vnnd eylet zu der Zukunfft deß Tages deß HERRN / in welchem der Himmel vom Fewer zergehen / vnnd die Element für Hitze zerschmeltzen werden. V. 13. Wir warten aber eines newen Himmels / vnd einer newen Erden / nach seiner Verheissung / in welchen Gerechtigkeit wohnet.
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Geliebte in Christo JEsu.
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(Exord. à fine Concionu̅, qui est, expergefacere sinceram mentem.) WIE Petrus / sampt allen andern Aposteln jhre Heylige Schrifften zu dem Ende der Christenheit haben hinterlassen / daß sie darinnen durch gute vnnd heylige Erinnerung erwecken vnsern lautern Sinn; Also seynd auch alle Predigten durchs gantze Jahr dahin gerichtet / daß in vns (2. Pet. 3, 1.) erweckt vnd er muntert werde ein lauter er Sinn. Es heist aber ein lauterer Sinn / der nach GOttes Worternewert ist // eben wie ein vnreiner vnd verkehrter Sinn ist / der auff GOtt nicht will sehen / sondern der Welt Weise / vnd seinem eygenen Dunckel folget / da dann der Sinn so viel vnreiner wird / so viel der Mensch dem eygnen Sinn folget. Wann aber der eygner Weltsinn erstirbet / vnd der Verstandt vnnd Will deß Menschen von GOttes Wort erleuchtet / von allen Dingen / gegenwärtigen vnd zukünfftigen / jrrdischen vnd him̅lischen / zeitlichen vnnd ewigen so viel hält / als GOttes Wort zeyget / so ist der verkehrte Sinn geläutert. Ein solcher Mensch kan die Welt richten / nach (7. Cor. 65 2.) dem Wort Pauli 1. Corinth. 6. Werden wir nicht die Welt / ja die Engel richten? Nun haben alle die Christen heissen / nicht gleich lautern Sinn; Ein groß Theyl führet einen verunreinigten Sinn / welche noch etwas gutes zulassen; der grösseste Theil hat einen verlöschten Sinn / bey welchen das rechte selige Erkäntnuß verlöschet vnd verloren; wenig wenig bleiben vber / mit eine̅ lautern Sin̅. Daher muß der H. Geist in der Gemeine Christi jmmerdar arbeyten durch stätige Erinnerung zu erwecken vnd zu ermuntern einen guten lautern Sinn. Dahin gehen alle Predigten die ein Jahr nach dem andern in GOttes Gemein gehalten werden / darinnen bearbeytet sich der H. Geist durch stätige Erinnerung bey denen / die noch verkehrtes
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Sinnes seyn / einen lautern Sinn zu erschaffen; bey andern deren Sinn durch GOttes Gnaden erläutert ist / die Lauterkeit zu ermuntern vnd zu stärcken. Solche heylige Erinnerung seynd so viel nöthiger / so viel grösser die Gefahr ist von Verführung der Verkehrten. Dann wie Christus nicht auffhöret seine Kirche zu bawen / so feyret auch der Satan nicht seine Cappel groß zu machen / vnd zuerfüllen mit einem Hauffen verkehrter Menschen / die grosse Krafft haben mit Wort vnnd Wandel zu verkehren einen lautern Sinn. Daher dann Petrus da er will anzeygen / wie nötig es gewesen sey / daß er durch heylige Erinnerung der Christgläubigen lautern Sinn erwecke / setzet er diese Wort: Daß solt jhr zu erst vnd für allen Dingen wissen / daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter / die nach jhren eygenen Lüsten wandeln / vnd sagen: Wo ist die Verheissung seiner Zukunfft? Damit werden wir geführet auff den Vrsprung deß verkehrten Sinns vnter den Christen. Fragt man / woher kompts / daß so viel Predigten / vnnd so viel guter Erinnerungen deß heyligen Geistes nichts schaffen bey der verkehrten Welt / also daß sie bey so viel eyfrigen Predigten offt ärger als besser werden? So findet sich hie die Antwort: Sie sagen: Wo bleibt die Verheissung seiner Zukunfft. Das ist; Sie setzen das künfftige Gericht auß den Augen. Das macht die Bahn zur Vnachtsamkeit / vnd endlich gar zur Sicherheit. Daher ist wol verordnet / daß zu Nachdruck aller Predigten / so durchs gantze Jahr gehalten werden / das Kirchen Jahr mit Erinnerungen deß Endes der Welt / vnnd deß jüngsten Gerichts geschlossen werde. Damit die Hertzen ermuntert werden / nicht auß dem Sinn zu schlagen / was sie das Jahr vber auß GOttes Wort gehöret haben. Dan̅ das solt jhr wissen / daß gewiß eine Zeit kom̅en
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wird / da jhr werdet Rechenschafft geben müssen von ewrem gantzen Wandel / vnd wie jhr das Wort / so euch fürgetragen / auffgenommen habet / vnd das Wort daß euch richten wird / ist eben das Wort daß im Namen JEsu Christi wir euch verkündiget haben / (Ioh. 12, 48.) nach Christi Aussage: Johan. 12. Das Wort / welches ich geredt habe / das wirdt die Gottlosen richten am jüngsten Tage. So beschliessen wir auch auff diß mal das Kirchen Jahr / vnd vnsere Apostolische Erinnerunge / mit einer Betrachtung vom Ende der Welt / nach den Worten deß heyligen Petri in vorgenom̅ener (Thema.) Lection. Darinnen wir nicht allein deß vorstehenden Endes vergewissert / sondern auch zum heyligen Gebrauch solcher Betrachtung angeführet werden. GOtt wolle diesem seinem Worte Krafft geben / daß es zu Hertzen dringe / vnnd Frucht bringe. Amen. (Pars I. exponit Doctrinam de fine mu̅di, in qua 1. Securoru̅ de fine mundi judicium.) SChröcklich ists in den Ohren frommer Christen / so einer offenbarlich läugnet ein künfftiges Gericht / die Aufferstehung der Todten / vnnd der Seelen Vnsterbligkeit. Ein frommes Hertz entsetzet sich darüber / allermeist / wann es gehöret wird von solchen Leuthen die vnter Christen leben. Solche Lehr / vnd Reden sollen geführet haben zur Zeit Christi vnter dem Jüdischen Volck die Sadduceer. Solten aber vnter Christen dergleichen (V. 3. 4.) Leute nicht gefunden werden? Petrus bezeuget es: Das wisset auffs erst vnnd für gewiß / daß in den letzten Tagen kom̅en werden Spötter / die nach jhren eygnen Lüsten wandeln / vnd sagen: Wo ist die Verheissung seiner Zukunfft? Dann nach dem die Vätter entschlaffen sind / bleibt es alles / wie es von Anfang der Creaturen ge
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wesen ist. Der Apostel redet hie von Spöttern / die es für ein Gespöttachten / in stätiger Furcht GOttes zu leben; vnnd halten dargegen für herrlich Leben / so sie nach jhren eygnen Lüsten leben. Den Grund solches vnheyligen Wandels setzet Petrus in der vnbesonnenen Verläugnung deß jüngsten Gerichtes / wann die Leute nicht ans Ende gedencken / sondern in jhren Hertzen sprechen: Es hat schon so lange geweret / es wirt auch noch wol länger were̅. Solcher Leute wirdts gar viel geben zur letzten Zeit. Es finden sich wol allezeit sichere Menschen / aber zur letzten Zeit nahe für dem Ende wird insonderheit grosse Sicherheit seyn. Daß auch Christus sagt: Meynstu / daß ich Glauben finden werde auff Erden(Matth. 24, 12.) in meiner Zukunfft? Weil die Vngerechtigkeit wirdt vberhandt nehmen / wird die Liebe verkalten in den Hertzen der Menschen. Man solte meynen / wie länger die Welt stünde / wie mehr sich die Leute für dem Ende fürchten solten / aber der Geist zeuget das Wiederspiel. Dann so nun schon vielen solche Gedancken auffs Hertze fallen: Ein Mensch nach dem andern ist dahin gefahren / es bleibt gleichwol alles / wie es von Anfang der Creaturen gewesen ist; was wird geschehen / so noch etliche hundert Jahr die Welt stehen würde? So würde man noch vielmehr solche Gedancken fühlen. Was meynen wir dann? Solten nicht vnter Christen Sadduceer gefunden werden; die da sprechen / wo bleibt die Zukunfft? Man hat lang vom jüngsten Tag gepredigt / da ist noch kein jüngster Tag gekommen. Seynd nicht vnter vns / die nach jhrem eygnen Sinn leben / die Furcht GOttes nicht achten? Das müssen wir ja gestehen. Das seynd aber in jren Hertzen rechte Sadduceer / vnd da sie mit jhrem Munde das künfftige Ende nicht verlaugnen können / verstopffen sie doch in jhren Hertzen solch Erkändtnuß / durch die fleischliche Lüst / vnd setzen das Ende weit auß den Augen
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vnnd dem Hertzen / sie gedencken nicht daran / daß diß Wesen einmal ein Ende nehmen / vnnd ein Gericht folgen werde. (2. Finis mu̅di certitudo.) Solchen Sadduceischen sichern Gedancken entgegen / versichert vns Petrus deß gewissen Endes; vnd spricht: Muthwillens (V. 5. 6. 7.) wollen sie nicht wissen / daß die Himmel vor Zeiten geschaffen würden durch GOttes Wort / darzu auch die Erde / welche ist bestanden auß dem Wasser vnnd vber dem Wasser. Darumb auch die Welt / die damals war / durchs Wasser vberschwämmet vnnd verderbet ist; die Himmel aber die jetzt seyn / vnd die Erde werden durch sein Wort gesparet / daß sie zum Fewr behalten werden am Tage deß Gerichts / vnnd Verdamnuß der Gottlosen Menschen. Es hält Petrus gegeneinander den ersten vnd letzten Vntergang der Welt; vnd redet als wann vorher eine andere Welt gewesen were / als nun ist. Welches dann nicht dem Wesen nach / sondern der Zeit nach zuverstehen ist. Er gibt vns zubedencken / wie die Welt nicht ewig gewesen / auch nicht so geblieben / wie sie von Anfang der Creaturen gewesen / auch nicht in gegenwärtigem Stande ewig bleiben werde. (Mundi creatio.) Bey solchem Bericht ist zubedencken Erstlich die Erschaffung vnd Bereytung der Welt / daß die Himmel vor Zeiten geschaffen seyn durchs Wort GOttes / darzu auch die Erde / welche ist bestanden auß dem Wasser vnd durch daß Wasser. Wir werden gewiesen auff den Anfang der Welt / den Moses beschreibet: Im Anfang schuff GOtt Himmel vnd Erden / vnd die Erde war wüst / vnd leer / vnnd es war finster auff der Tieffe / vnnd der Geist
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GOttes schwebet auff dem Wasser. Vnnd GOTT machte eine Veste zwischen den Wassern / vnnd nennte die Veste Himmel; Vnd GOtt sprach: Es samble sich das Wasser vnter dem Himmel an sondere Oerter / daß man das Trocken sehe. Vnnd es geschahe also / vnnd GOtt nennet das Trocken Erde / vnd die Samblung der Wasser nennet er Meer. Damit wirdt vns eine solche Ordnung der Schöpffung gezeyget. Im Anfang war nichts dann GOtt / vnnd derselbige Ewiger GOtt hat auß nichts gemacht alles sichtbare vnd vnsichtbare. Vnd zwar was anlanget das Wesen der leiblichen Welt / hat er zu erst auß nichts heissen hervor gehen / einen vngeheuren Klumpen / den Moses nennet eine wüste vnnd leere Erden / ein finsteren Abgrund vnnd Wasser. Man möcht es heissen einen auß Erd vnnd Wasser durchauß vermischten Brey / der nicht bloß Wasser noch Erde gewesen: Auß diesem Klumpen hat GOtt hernach die Welt formiret / vnd abgetheylet in drey Theyl / Himmel / Erd / vnd Wasser. Dann erstlich hat er die Veste bereytet / vnnd eine Außdenung / welche man sonst heißt Lufft vnnd Himmel. Hernach hat er die Erde von dem Wasser gescheydet / vnnd / wie im 24. Psalm geschrieben steht / den Erdboden an die Meere gegründet / vnnd an den Wassern bereytet. Darauß dann kan verstanden werden / was Petrus will / wann er spricht; die Himmel seyn vor Zeiten geschaffen / dazu auch die Erde / welche ist bestanden auß dem Wasser vnnd durch Wasser. Das ist; der Erdbodem ist auß dem Wasser herfür gangen / vnd an die Wasser gegründet. Solches alles ist geschehen von Anfang vor langen Zeiten / vnnd zwar durchs Wort / durch den gütigen Willen vnd Befehl GOttes.
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(Mundi diluvium) Hieher ist abzunehmen / wie leicht es GOtt sey / die Welt durchs Wort wieder auffzulösen / die er durchs Wort gebawet hat; wie er dann auch bereyts bey der ersten Welt es gezeyget hat / die mit dem Wasser der Sündflut verderbet / vnnd das ist das ander / dar auff wir hie geführet werden. Dann wie die Erde auß dem Wasser vnnd durch das Wasser bestanden ist / also ist auch die damals war / durchs Wasser vberschwämmet vnnd verderbet. Das Wort daß GOtt gesprochen: Es samble sich das Wasser an absonderliche Orthe; bleibet vnnd hat noch seine Krafft; dadurch das Meer in seinen Vfern vn̅ Grentzen verschlossen wird. So bald aber GOtt sein Wort vnd Willen ändert / vnnd dem Wasser ruffet; so muß es wieder kehren. Also ist auffs Wort deß HErrn das Wasser auß dem Lufft Himmel herab gestürtzet / vnd auß dem Meer herauß gestiegen / vnd auß der Erden allenthalben herauß gedrungen / vnnd mit einer grossen Fluth die Erde vberschwämmet / also daß es wie eine Mawr viel Elen hoch vber die höchste Berge gestanden / vnd damit ist die erste Welt verderbet. Dann in dem die Erde von Menschen / Gevögel vnnd andern Thieren entblöset / vnd mit Wasser vberschwämmet; hat sie jhre Zierde / vnd die Natur jhre Ordnung verloren. Hier mit werden wir fürs dritte erinnert deß letzten Vntergangs. Dann die Himmel die jetzt seyn / vnd die Erde werden durch sein Wort gesparet / daß sie zum Fewer behalten werden / am Tage deß Gerichtes / vnd Verdamnuß (Mundi Incendium.) der Gottlosen Menschen. Die Welt die vormahls war / ist vergangen nach jhrer eusserlichen Gestalt. Die Himmel die nun seyn / vnd die wir jetzt ansehen / vnd die Erde werden einmal so vergehen daß sie nicht mehr seyn. Solches aber wirdt geschehen durchs Fewer. Dann nach dem GOtt einmal die Welt verderbet durch Wasser / hat er ver
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heissen / vnd den Regenbogen zum Zeichen gesetzet / daß er die Welt nicht mehr mit Wasser verderben wolle: Darumb wird er sie nun nicht durch Wasser / sondern durchs Fewer vergehen lassen. Wie in der Sündflut lauter Wasser war / vnd alles im Wasser stundt; also wird am Ende der Welt alles lauter Fewer seyn / was man sihet / vnd alles im Fewer stehen / vnd durchs Fewer zergehen. Das Wasser bedeckte nur vnnd verdarb / die eusserliche Gestalt der Erden / das Fewer dringet durch auff das innerliche Wesen der gantzen Welt / vnnd verzehrt alles / daß es zergehe. Was das aber für ein Fewr seyn wirdt / ist GOtt bekandt; sintemal es auch das Fewer selbst fressen wird. Die Krafft kompt abermal auß dem Wort Gottes: Dann die Himmel die jetzt seyn / vnd die Erde werden durch sein Wort gesparet / daß sie zum Fewer behalten werden. Wann GOtt sein allmächtiges vnd allerhaltenes Wort einhält / so muß alle Ding von jhm selbsten zergehen / vnd in sein nicht zerfliessen. So bedarff nun GOtt keines Fewres / damit die Welt verzehret werde. Er darff nur sein Wort / dadurch er die Welt erhält / inhalten / so würde die Welt kein Bestandtnuß mehr haben / sondern im Augenblick verschwinden vnd zergehen. Daß aber die Welt noch stehet / das hat sie von der erhaltenden Krafft deß Worts. Doch aber so wird sie dadurch nur gesparet / nicht daß sie ewig bleibe / sondern daß sie dermal eins vom Fewer gefressen werde / auch auffs Wort deß HERRN: Vnd dasselbe zum Schrecken der Gottlosen. Dann es wird diß schröckliche Fewer angezündet werden / am Tage deß Gerichtes / vnd Verdamnuß der Gottlosen Menschen. Es wird ein Tage seyn / darinn zugleich beydes die Welt wird verbrennen / vnnd die Gottlosen gerichtet vnnd verdammet werden. Das gereycht zum Schrecken der Spötter / die nach jhren eygnen Lüsten leben / vnnd sprechen / wo bleibt die Verheissung seiner Zukunfft? Er wird ja kommen / aber erschröcklich
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wird seine Zukunfft seyn. Dann die Welt wird verbrennen / vnd alle Welt Kinder werden verdammet werden. Also folget nun eins auffs ander. Die Welt die vormals nicht war / ist im Anfang auß nichts durchs Wort erschaffen vnd bereytet. Durch dasselbe Worthat Gott sie können zur Zeit Noe / mit der Sündflut verderben; durch dasselbe Wort wird er sie auch mit Fewer verbrennen. Aber darauff mercken die Spötter nicht / Muthwillens wollen sie es nicht wissen. Sie wollens nicht bedencken / wie GOTT der Schöpffer die Erde im Wasser erhalten; sie wollen nicht erkennen / daß diß alles in GOttes Hand stehe; wie Gott sein Wort einmal wahr gemacht durchs Wasser / vnd wie ers auch ebner massen durchs Fewr thun könne. Sie wissens / vnnd können es nicht läugnen; Muthwillens aber wollen sie es nicht bedencken / vnd achten. (3. Dubii sublatio.) Fragt man dann; es ist gleichwol lang daß es zuvor verkündiget ist; wie kompt daß es so lange außbleibet? So antwortet Petrus (V. 8.) erstlich: Eins sey euch vnverhalten / jhr Lieben / daß ein Tag für dem HERRN ist wie tausent Jahr / vnnd tausent Jahr wie ein Tag. Ist eben das geschrieben stehet im (Psal. 90, 4.) 90. Psalm. Tausent Jahr seynd für dir / wie der Tag der gestern vergangen ist / vnnd wie eine Nachtwache / von dreyen Stunden. Die Meynung ist: Bey GOtt ist kein Vnterscheyd der Zeit. Menschen können die Zeit nicht anders ansehen als durch Rechnung / vn̅ müssen anheben zu zehlen von einer Stunden biß zur andern / von einem Jahr biß zum andern: Für Gott ist keine Rechnung der Zeit / sondern es stehet jhm alles gegenwärtig für Augen auff einem Hauffen / also daß jhm der erste vnnd letzte Mensch gleich nahe ist. Das bildet man für in solcher Gleichnuß. Wann du einen hohen Baum von ferne ansihest / so sihestu
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jhn gantz von vnden biß oben auff einmal: Ja auch viel Bäume die fern von einander stehen / kan das Auge zugleich fassen / vnd zusammen bringen / gantz mit Stam̅ vnd Zweigen. Stehestu aber nahe beym Baum / kanstu es nicht thun. Wer weiß / was den Ausserwöhlten widerfahren wirdt / wann sie zur Göttlichen Geniessung kommen? Ob nicht bey jhnen alles ein Tag / eine Stunde / ein Augenblick seyn wird. Gewißlich wird solche Zeit Rechnung auffhören / als wir nun haben; vnd wird bey dem seligen Anschawen Gottes jhnen keine Zeit lang werden. Gedencke ja nicht / daß den Seelen der Menschen / die für tausent Jahren gestorben / oder deiner eygnen Seelen / wann auch noch viel tausent Jahre nach deinem Todte die Welt stehen würde / die Zeit bey Gott lang werden werde. Ich achte / vnnd haben es andere heylige Leute vor mir geachtet / daß der Mensch nach seinem seligen Todte in seiner Aufferstehung keine Zeit wird mercken können / also daß der Mensch für tausent Jahren gestorben in seiner Aufferstehung gedencken möchte: Wie gehet das zu? Bin ich doch nun allererst gestorben? Ist eben wie mit einem schlaffenden Menschen. Hat es nun für Menschen Augen das Ansehen / als were es lange biß zum Jüngsten Tage / so ists doch für GOtt nicht lange. Die Menschen Kinder achten wenig Jahr für lange Zeit. Vor GOtt seynd tausent Jahr / eine gar geringe Zeit. Vnnd solte die Welt noch stehen etliche tausent Jahr / würde es doch eine geringe Zeit für GOtt seyn. Fragt man dann weiter / warumb will dann GOtt nun nicht mit der Welt ein Ende machen / weil es für jhm eben so viel ist / als wann ers vber tausent Jahr thue? So antwortet Petrus fürs ander: Der HERR verzeucht nicht die Verheissung / wie(V. 9.) es etliche für einen Verzug achten / sondern er hat Gedult mit vns / vnnd will nicht daß jemand verlohren werde / sondern daß sich jedermann zur Busse kehre.
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Daß nun GOTT so lange / nach vnserer Rechnung / mit dem jüngsten Tage außbleibt / kompt nicht her auß einer Nachlässigkeit / oder daß GOtt seiner Verheissung vergessen; wie dann viele seynd die es für einen Verzug halten. Den Frommen wird die Zeit lang vnterm Creutz. Die Gottlosen schlagen die Verheissung gar auß dem Sinn. Aber sihe / vnd erkenne warumb GOtt verzeucht; Er ist barmhertzig / vnd will nicht daß jemand verloren werde / sondern daß sich jederman zur Busse kehre: Wie auch Paulus bezeuget (??? Tim. 2, 4) / 1. Timoth. 2. GOTT will daß allen Menschen geholffen werde / vnd zur Erkäntnuß der Warheit kommen. Ja mit einem Eyde hat GOtt selbsten solchen seinen geneygten (Ezech. 33, 11. C. 18, 31.) Willen bezeuget / durch den Propheten Ezechiel am 33. So wahr als ich lebe / spricht der HERR HERR; ich habe keinen Gefallen am Todte deß Gottlosen / sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen / vn̅ lebe. Sehet an ein Vatter vnnd Mutter Hertz / was solten sie wol thun / wann sie klug weren / vnnd köndten jhr Kind auß ewiger Verdamnuß erretten? Was ist vnsere Liebe gegen GOttes Liebe / vnser Vatter oder Mutter Hertz / gegen GOttes Vatters Hertz / der der rechte Vatter ist / vber alles was Kinder heist / im Himmel vnd auff Erden? Daher ist er viel mehr begierig zu vnser Seligkeit / als ein Mensch seyn kan. Vmb solcher Begierde willen ist er langmütig / vnd hat Gedult mit vns / ob wir vielleicht vmbkehren vom bösen (Rom. 2, 4.) Wesen vnnd leben. Dann weistu nicht O Mensch / daß dich Gottes Güte vnnd Langmuth zur Busse leytet? Sihe daß ist die Vrsach daß GOtt verzeucht mit dem jüngsten Tage: Er sihet wie mannich tausent Mensch vnbereyt ist / das jammert jhn / vnnd wolte gern daß sie zur Seligkeit kommen möchten / darumb hat er Gedult. O wie manchem Menschen ist diese Gedult heylsam gewesen! Wie aber / wie wirdts gehen / wann keine Besserung mehr
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zuerwarten wird seyn? Da wirdt die Welt vom Grimm Gottes angezündet werden vnd vntergehen. Wann die Welt auffs allersicherst wird leben / vnd GOttes Wort in Wind schlagen / vnd leben wie sie nur wollen nach allen Lüsten / vnd kein heylen mehr ist; das ist ein gewiß Zeichen / daß der jüngste Tag nicht ferne ist. Darumb spricht der HERR: Meynstu daß ich Glauben finden werde? Dieses ist geantwortet auff die Frage / warumb der jüngste(4. Interitus forma.) Tag so lange außbleibt: Nun wird weiter auch die Art beschrieben / auff was Weise die Welt werde vntergehen: Es wird deß(V. 10.) HERREN Tag kommen als ein Dieb in der Nacht / in welchem die Himmel zergehen werden mit grossem Krachen / die Element aber werden für Hitze schmeltzen / vnd die Erde vnnd die Werck die drinnen sind werden verbrennen. Erstlich wird der Tag deß HERRN kommen vnversehens / wie ein Dieb in der Nacht; Eben das wirdt auch gesagt 1. Thess. 5. Ihr wisset gewiß / der Tag deß HERRN wird kommen /(1. Thes. 5, 2.) wie ein Dieb in der Nacht. Warumb kompt ein Dieb in der Nacht / vnd nicht bey Tage? Er will die Leuthe beschleichen. O HERR JEsu / hastu die Menschen so lieb / vnnd suchest von Hertzen jhre Seligkeit / vnd laurest doch wie ein Dieb / daß du die Leuth vberfallest / da sie zum wenigsten bereyt seyn! Suchstu dann vnser Verderben! So gehts / wann man den Reichthumb Göttlicher Güte / Gedult vnnd Langmuth verachtet / da häuffet der Gottloser(Rom. 2, 4.) nach seinem verstockten vn̅ vnbußfertigen Hertzen jhm selbst den Zorn auff den Tag deß Zorns / vnd der Offenbahrung deß gerechten Gerichts GOttes. Vergebens warnet vns vnser lieber Heyland nicht / Matth. 24. Das solt jhr wissen / wann ein(Matt. 24. 43, 44.) Haußvatter wüste / welche Stunde der Dieb kommen
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wolte / so würde er ja wachen / vnnd nicht in sein Hauß brechen lassen: Darumb seyd jhr auch bereyt / dann deß Menschen Sohn wirdt kommen zu einer Stunde da jhr nicht meynet. Wachtestu nun gerne / da du eines Diebs vermuthen bist / vmb deiner Güter willen; wisse vnnd bedencke / die Seele ist mehr dann alle Güter. In der Offenbarung (Apoc. 3, 3.) Johannis am 3. Cap. ist abgangen eine solche Warnung an einen Maulchristen: Gedenck daran was du empfangen vnd gehöret hast / vnd halts / vnnd thue Busse. So du nicht wirst wachen / werd ich vber dich kommen / wie ein Dieb / vnd wirst nicht wissen / welche Stunde ich vber dich kommen werde. Ach JEsu / gib ja daß ich nicht vnbereyt erfunden werde. Sihe ich komme wie ein Dieb / (Apoc. 16, 15.) spricht der HErr im 16. Cap. der Offenbahrung / Selig ist der da wachet / vnd hält seine Kleyder / daß er nit bloß wandele / vnnd man nicht seine Schande sehe. Weiter fürs ander / wirdt der Tag deß HErrn schröcklich seyn / dann alles wird stehen vnd vergehen im Fewer. 1. Die Himmel werden zergehen mit grossem Krachen. Wie ein grosses Gebäw daß einfällt; oder wie vieltausent Tonne Pulver / die vom Fewer angehen vnd zerspringen. 2. Die Element werden für Hitze schmeltzen. Dann sie werden brennen / vnd durch den Brand gelöset werden / vnnd wie Bley zerschmeltzen / vnnd in dem sie schmeltzen verschwinden. 3. Also absonderlich wirdt verbrennen die Erde / wie auch alle Werck die drin̅en sind / es seynd natürliche Werck / als Thier vnnd Bäume; oder Menschen Werck / als Häuser / Kleinodien / vnd andere Kunststücken.
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Das alles wirdt auff einmal durchs Fewer verzehret werden. Schröcklich wird seyn dieser schleuniger Vntergang deß Himmels / der Elementen / vnd aller jrrdischen Wercken / das alles vom Fewer wirdt verzehrt werden. Schröcklich ists zu hören / noch schröcklicher wirdts seyn zu sehen. Wozu dienet solche Betrachtung? Petrus lässet den Nutz(Pars II. Proponit hortationem.) vnd Gebrauch nicht dahinden. So nun das alles soll zergehen / spricht er / wie solt jhr dann geschickt seyn / mit heyligem(V. 11. 12. 13. 14.) Wandel vnd Gottseligem Wesen? Daß jhr wartet vnd eylet zu der Zukunfft deß Tages deß HERRN / in welchem die Himmel vom Fewer zergehen / vnd die Element für Hitze zerschmeltzen werden. Wir warten aber eines newen Himmels / vnnd einer newen Erden / nach seiner Verheissung / in welchen Gerechtigkeit wohnet. Darumb meine Lieben / dieweil jhr darauff warten sollet / so thut Fleiß / daß jhr für jhm vnbefleckt vnd vnsträfflich im Friede erfunden werdet. Was er kurtz zuvor von dem Vntergang der Welt gesagt /(Fundame̅tu̅; interitus veteris, & creatio novi.) das wiederholet er hie zum Grunde seiner Vermahnung / damit die eiserne Hertzen deß zu mehr beweget / vnd durch Schrecken zur bußfertigen Bereytschafft gezogen werden. An dem Tag / da der HErr kommen wird / werden die Himmel vom Fewr zergehen / vnd die Element für Hitz zerschmeltzen. Vorhin hat zwar Petrus gemeldet / daß die Himmel werden zergehen mit grossem Krachen / aber daß sie auch sollen verbrennen / vnnd von Hitz zerschmeltzen / ist nit dabey gesagt; das bezeuget er aber hie / daß also offenbar sey / wie nicht allein die Erde / sondern auch die Himmel / vnd alle Element / vnnd in Summa die gantze Welt im Fewr wie ein Metall im grossen Schmeltzofen zergehen soll.
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Was ist aber das für Lust / daß wir darauff mit Verlangen warten solten? Freylich / wann nichts mehr dabey were / hätten wir schlechte Vrsach auff diß Ende zu warten. Aber merckt was noch (V. 13.) dahinden ist. Wir warten eines newen Himmels / vnnd einer newen Erden / nach seiner Verheissung / in welchen Gerechtigkeit wohnet. Er berufft sich auff GOttes (Esa. 65, 17.) Verheissung; die wird gelesen beym Esaia am 65. Sihe / spricht der HERR / Ich will einen newen Himmel vnd newe Erde schaffen / daß man der vorigen nicht mehr gedencken wird / noch zu Hertzen nehmen / sondern sie werden sich ewiglich frewen vnnd frölich seyn / vber dem daß ich schaffe. Hie fällt eine Frage für: Ob GOtt am Ende der Welt diesen leiblichen Himmel vnd leibliche Erde dem Wesen nach werde erhalten / vnd nur durch Fewer dieselbigen durchläutern / wie man Bley oder Zinn läutert / vnd also einen newen Himmel / vnnd eine newe Erde schaffen werde. Es haben Gottselige Männer diese Gedancken; es werde Himmel vnnd Erden im Fewer zergehen / vnnd zu Aschen verbrennen / doch aber werde GOtt auß derselben Aschen den versprochnen newen Himmel / vnd newe Erde erschaffen. Daß Himmel vnd Erden im Fewer müssen zergehen / bezeuget die Schrifft; daß GOtt einen newen Himmel vnnd eine newe Erden schaffen werde / bezeuget die Schrifft auch; daß aber der newer Himmel vnd newe Erde / auß der Aschen der vorigen Welt soll erschaffen vnd gebawet werden / sagt die Schrifft nicht / drumb ists nicht noth zu glauben. Vielmehr achten wir / daß wie anderswo offt / die künfftige him̅lische Herrligkeit mit leiblichen Farben wird fürgemahlet / als ein new Land / daß vnter den zwölff Stämmen Israels außgetheylt wirdt / vnd als ein newes Jerusalem / vnd köstliche Statt in einem lustigen Lande; also werde auch hie auff
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leibliche Art von der him̅lischen Wohnung geredet. Dann ein einfältiger Verstandt kan sich eine Wohnung nicht besser einbilden / als auff Erden vnd vnter dem Himmel; daher beschreibt Gott den Orth der Seligkeit in seiner Verheissung also / als wann es auch eine Erd vnter dem Himmel were; aber eine newe Erden vnnd newer Himmel / gantz anders als diese Erde / vnd dieser Himmel. Es bekräfftiget vns / daß in der Offenbahrung Johannis am 21. im(Apoc. 21, 1.) Gesicht gezeyget ist / wie der erste Himmel vnd die erste Erde vergehen / darzu auch das Meer / also daß es nicht mehr sey. Also zeuget GOTT durch Esaiam am 51. Cap. Daß der Himmel(Esai. 51, 6. Apoc. 21. 22. 23.) werde wie ein Rauch vergehen. Es bekräfftiget vns / daß in dem newen Jerusalem nicht werde ein leiblicher Tempel seyn / auch kein Sonn oder Mond / der die Statt erleuchte. Es bekräfftiget vns auch / daß die Wohnung der Heyligen schon von Anbegin der Welt sey nicht allein verordnet / sondern auch bereytet gewesen ist: Wie dann Christus sprechen wird: Kompt her jhr Gesegneten / ererbet(Matth. 15, 33.) das Reich / welches euch von Anfang der Welt bereytet ist. Dahin ist auch vorhin Paulus entzucket; dahin ist Enoch vnd Elias lebendig geführet. Daß aber GOtt verheißt / er wolle einen newen Himmel vnnd newe Erde schaffen / ist zuverstehen von der Einführung aller Außerwöhlten / dann damit wird GOtt gleichsamb eine newe Welt machen. Christus hat schon hie angefangen die Welt zu ernewren; der Himmel / so durch die Sünde verschlossen / ist eröffnet; die Erde / die durch Sünde verfinstert war / ist mit Christi Liecht erleuchtet. Künfftig aber / wird die Welt vollkommen ernewert werden / da nicht allein von allem Jammer die Gottseligen werden erfreyet / sondern auch mit allem jrrdischen Wesen wird ein Ende gemachet werden. Das heist dann eine newe Welt machen. Vnnd gesetzet / daß GOtt eine Wohnung für die Außerwöhlten gantz von newem schaffen werde / so ist doch das nicht gesaget / daß solche newe Wohnung auß der Aschen / der
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vom Fewer verzehrten alten Welt soll erbawet werden. Fraget man aber was dann diß für eine newe Welt seyn werde / so antwortet die Schrifft: Es hat kein Auge gesehen / vnd vnnd kein Ohr gehöret / ist auch nicht auff eines Menschen Hertze gefallen / was GOtt bereytet hat / denen (Apoc. 21.) die jhn lieben. Dem frommen Johanni ist diese newe Welt im Gesicht gezeyget / vnnd sahe die Heylige Statt / das new Jerusalem von GOtt auß dem Himmel fahren; ein gar grosse Statt. Der Baw jhrer Mawren war von dem alleredelsten Stein / einem hellen Jaspis. Die Gründe der Mawren vnd der Statt waren geschmückt mit allerley Edelgesteine. Vnnd die zwölff Thor waren zwölff Perlen; vnd die Statt vnd die Gassen der Statt waren lauter Golde / gleich dem reinen durchscheinenden Glaß. Vnd die Herrligkeit GOttes erleuchtet sie. Ach der nur der were / daß mans sehen konte / was das were. Dann diß / was gesagt wird / ist nur ein Bildnuß genommen von den Sachen / die vnter allen jrrdischen die köstlichste seyn. Eygentlicher aber kan sie nicht beschrieben werden / als geschehen ist von der grossen Stimme / die Johannes gehöret hat / die sprach: Sihe da / eine Hütte GOttes bey den Menschen. Die Erklärung steht dabey: Gott wird bey jhnen wohnen / vnd sie werden sein Volck seyn / vnnd er selbst GOtt mit jhnen / wirdt jhr GOtt seyn. Kürtzlich / es wird eine sichtbarliche Beywohnung GOttes seyn / GOtt in vns / vnnd wir in GOtt. GOtt selbst mit vns vnd in vns / wirdt (Matth. 13, 14. Es. 65, 27. 18.) Hütten / Statt vnd Tempel seyn. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in jhres Vatters Reich. Esaias redet so davon: Sihe ich will einen newen Himmel vnnd newe Erde schaffen / daß man der vorigen nicht mehr gedencken wird / noch zu Hertzen nehmen / sondern sie werden
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sich ewiglich frewen vnd frölich seyn vber dem / daß ich schaffe. Hätte einer allhie in dieser alten Welt alle Herrligkeit gehabt / würde er doch in d’ newen Welt dessen so wenig achten / daß er nicht einmal daran gedencken möchte. Sonsten wann einer lange von Hauß ist / gedenckt man noch offt zu rück. Aber hie nicht also. Vrsach / man wird in der newen Welt so viel finden / daß Gott schaffet / daß man darüber ewiglich / ewiglich sich frewen / vnd frölich seyn wirdt. O wie tausentfältig wirstu ersättigt werden für all dein Leyden! Esaias sagt. In Jerusalem soll nicht mehr(Es. 65, 19.) gehöret werden die Stimme deß Weynens / noch die Stimme deß Klagens. Johannes sagt: GOtt wirdt abwischen(Apoc. 21, 4) alle Thränen von jhren Augen / vnd der Todt wird nicht mehr seyn / noch Leyd / noch Geschrey / noch Schmertzen wirdt mehr seyn / dann das erste ist vergangen. Petrus setzet zur Beschreibung der newen Welt auch diß hinzu: Es wird Gerechtigkeit darinnen wohnen. Ist eine Erklärung dessen / daß Esaias saget: Es sollen nicht mehr da(Esa. 65, 19. 20.) seyn Kinder die jhre Tage nicht erreychen / oder Alten / die jhre Jahr nicht erfüllen / sondern die Knaben von hundert Jahren sollen sterben / vnnd die Sünder von hundert Jahren sollen verflucht seyn. Vnd ich will frölich seyn vber Jerusalem / vnnd mich frewen vber mein Volck. Wer nicht weiß vnd fromb wird / der hat seine Jahr / nach Art der Heyligen Schrifft noch nicht erreycht / wie alt er auch ist. Alle seine Tage taugen nicht / vnnd seynd vergebens dahin gegangen. Solche Thoren / die jhre Zeit in der Eitelkeit zubringen / vnd nicht klug werden / sollen in dem heyligen Jerusalem nicht seyn /
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sondern lauter solch Volck / an welchem GOtt Wolgefallen hat. (Apoc. 21, 26.) Johannes sagt: Es wirdt nichts gemeines in Jerusalem hinein gehen / vnd daß da Grewel thut vnd Lügen / sondern die geschrieben sind in dem lebendigen Buch deß (C. 22, 15.) Lambs. Haussen sind die Hunde / vnd alle die lieb haben vnd thun die Lügen. Diß ist die newe Welt darauff wir hoffen. Wir hoffen eines newen Him̅els vnd einer newen Erden. Wir haben das Recht dazu / aber noch nicht die völlige Besitzung. Darumb hoffen wir / nach vnsers Gottes Verheissung. (Adhortationis forma.) Auff diesen wolgelegten doppelten Grund / vom Vntergang der gegenwärtigen Welt / vnd Hoffnung einer newen / bawet der H. Geist solche Vermahnung. Ach! Wie solt jhr doch geschickt (V. 11. 12. 14.) seyn mit heiligem Wandel vnd Gottseligem Wesen? Daß jhr wartet vnnd eylet zu der Zukunfft deß Tags deß HERRN; darumb meine Lieben / dieweil jhr darauff warten sollet / so thut Fleiß / daß jhr für jhm vnbefleckt vnnd vnsträfflich im Friede erfunden werdet. Damit wird erfordert vor erst ein Gottselig Verlangen nach dem Tage deß HERRN / an welchem alle Verheissung erfüllet werden / vnd vnsere Hoffnung gäntzlich wird ersättiget werden. Wer aber auffs künfftig will schawen / der muß das gegenwärtige verachten. Die jhr Hertz erfreyen von dieser Welt / vnd mit demselben vber sich gehn Himmel steigen / die lauffen diesem Tag deß HERRN entgegen. Zum andern wird erfordert ein heyliger Wandel. Wir müssen Fleiß anwenden / daß wir mit heyligem Wandel / vnd Gottseligem Wesen vnsträfflich vnnd vnbefleckt für GOtt im Frieden
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erfunden werden. Ohne Verunreinigung / vntadelhafftig müssen wir vns halten in allem Thun vnnd Fürhaben / also daß wir allenthalben vnnd alle zeit haben den Frieden eines guten Gewissen / fertig vnd bereyt mit Frewden für GOTT in seiner Zukunfft zuerscheinen. Wie ist aber solches müglich / in allem Wandel solchen Fleiß zubehalten? Gar wol ists müglich / aber nach der Regel Pauli / zun(Rom. 8, 1.) Römern am 8. Es ist nichts verdamliches an denen die in Christo JEsu seyn / die nicht leben nach dem Fleisch / sondern nach dem Geiste. Wann der Mensch durch Busse im Glauben von Sünden auffgestanden / vnd befleissiget sich GOtt zu dienen / vnnd für Sünden zu hüten / so ist er vnbefleckt vnnd vnsträfflich / dann was noch böses wieder Willen in vns sich reget / wirdt gereiniget / vnnd nicht zugerechnet / durch das Blut JEsu Christi deß Sohns GOttes. Solcher heyliger Wandel in heyligem Verlangen / entstehet / vnnd soll entstehen auß hertzlicher Betrachtung der künfftigen Veränderung: Dann so die gantze Welt mit solchem Vngestüm̅ wird verbrennen / wirdts ja nicht sicher seyn / der Welt dienen. So ein newe Welt folgen wird / darinnen Gerechtigkeit wohnet / müssen wir ja allen Fleiß anwenden / daß wir selbst durch fleischliche Befleckung vns von dieser Wohnung der Gerechtigkeit nicht außschliessen. Es beschliesset Petrus diese Vermahnung mit solchem Spruch: Die Gedult vnsers HERREN achtet für ewer(V. 15.) Seligkeit. Damit will er zum Beschluß so viel sagen: Werdet ja nicht sicher vber dem Verzug seiner Zukunfft / sondern viel mehr achtet diese Gedult vnd Langmuth deß HERRN für ewre vnd vieler Menschen Seligkeit / dardurch euch Zeit gegönnet wirdt zur wahren Bekehrung: Nehmet die Zeit solcher Langmut in acht / vnd gebraucht deren zu ewrer Seligkeit.
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Vnd das ist eben der Zweck vnnd die Summa dieser Vermahnung; Nemblich; weil alles so schröcklich wirdt vergehen müssen / vnnd GOTT dargegen einen newen Himmel / vnd eine newe Erde vns wird eingeben / sollen wir in allem Wandel vnd guten Wercken Fleiß anwenden / vnbefleckt vnnd vnsträfflich für GOTT zu erscheinen im Friede / mit Frewdigkeit eines guten Gewissens; vnnd sollen mit heyligem Verlangen warten auff die Erscheinung seiner Zukunfft. Vnd so vns die Zeit darüber lang wird / sollen wir gedencken an die Langmuth Gottes / dadurch Gott vnser noch wartet zur Seligkeit. (Usus I. Didacticus.) Dieses alles verwahr nun die glaubige Seele zu jhrem besten / vnd lerue vor erst für wahr seyn / daß das Wesen dieser Welt einmahl zergehen werde. Wie GOtt mit eim Wort die Welt auß nichts erschaffen / also wird er sie auch mit eim Worte wider zu nichte machen. Wie er die erste Welt durch Wasser verderbet / so wird er diese jetzige Welt mit Fewer verbrennen. Die Erde vnnd alle Werck die darinnen sind / werden mit Fewr verzehret werden. Darumb gewehne dich all jrrdisch Gut also anzusehen / als daß einmal verbrennen muß. Du bawest oder pflantzest; so gedenck dabey; sihe diß thue ich / oder habs gethan zu meinem vnd der Nachkommenden Nutzen / ist aber ein Werck / das muß vergehen. Die Erde vnd die Werck die drinnen sind verbrennen / wir erwarten aber einer newen Erde. (II Hortatorius.) So wir nun solches für wahr achten / sollen wir hernach vns auch stäts bereyt halten gegen dem Tag deß HERREN. Darzu gehöret erstlich / die newe Welt also ins Hertze fassen / daß man der alten vergesse. Ich sage nicht / daß man Reichthumb / Ehr / vnnd weltlich Gewalt verwerffen soll. Es seynd Gaben GOttes. Ein Kauffmann gedencke in seiner Kauffmanschafft / daß er damit auch dem Nächsten diene; daß der Nächster solches Gewerbes / vnd der jrrdischen Güter von nöthen habe; vnd daß er von GOtt dazu beruffen / mit solchem Gewerbe vmbzugehen. Ein Regent gedencke
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auch / wie er in seiner Regierung nach Gottes Willen dem Nächsten diene. Vnter dessen trage er in seinem Hertzen ein Verlangen nach dem ewigen Gut / vnnd achte das für seine höchste Ehr vnnd Reichthumb. Also darff einer seinen Beruff nicht verlassen. Das aber sage ich: der der Welt braucht / der mißbrauch derselben nicht / wer Ehr vnnd Reichthumb hat / der habe es als hätte ers nicht; fällt dir Reichthumb zu / so hang das Hertz nicht daran. Dann so du das Hertz daran hängest / vnd zwar also / daß deß Him̅lischen darüber vergessen wird / das ist vom bösen Ingleichem / so einer Mangel hat an zeitlichen Gütern / vnd will sein Hertz nicht befriedigen mit dem Him̅lischen / sondern trachtet nur jm̅er nach dem Irrdischen / das ist wieder vom bösen. So fasset nun also das Ewige / daß darüber die Liebe deß Zeitlichen sich verliere. Dann die Welt vnnd alles was darinnen ist / wird verbrennen. Es arbeytet niemand gern vergebens. Die Schwalb will nicht gerne / daß jhr Nest zerstöret werde; vnnd die Spinne will nicht gerne / daß jhr gewebtes zerrissen werde. Die jhr der Welt anhanget / jhr bawet euch auff der Erden Häuser von Koth / vnnd würcket Spinnewebe. Die Welt vergehet mit allem was darinnen ist / als dann wird auch ewre Arbeit vergehen. Wann eine Spinne jhr Werck gespunnen von einer Wand zur andern / vnd beyde werden fallen ein / muß auch die Spinnewebe mit fallen. Also wann die Erde wirdt in einen Hauffen fallen / wirdt zugleich mit fallen / alles was der Erden anhanget. Wann nun diß alles zergehet / was nutzet euch alle ewre Sorg vnd Arbeit? Das werden die Verdampten berewen / wie jhre Klage auffgezeichnet ist im Büchlein der Weißheit: Was hilfft vns nun der Pracht?(Sap. 5, 8. 9. 15.) Was bringt vns der Reichthumb sampt dem Hochmuth? Es ist alles dahin gefahren wie ein Schatten. Deß Gottlosen Hoffnung ist wie ein Staub vom Winde verstrewet. O weise weren sie / da sie solches vor bedacht hätten!
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Es were aber noch ein gerings / vergebens gearbeytet haben / wann nicht ein ander Vnglück dabey wer. Die dieser Welt nachlauffen / die fliehen von jener newen vnd him̅lischen Welt. Dann so lang das Hertz der Erden anhangt / kan es nicht vber sich gen Himmel erhoben werden. Da muß es dann deß him̅lischen Gutes in Ewigkeit entperen. Darumb liebe Seele / ergreiff das Him̅lische / also / daß du auch alles Weltliche dargegen geringschätzig achtest / dann auch die Natur lehret / das grösseste vnd beste Gut / dem geringern vorzuziehen. Wann die Sonne mit jhrem Glantz herfür bricht / so verleurt sich der Schein der Sternen. Wann ein Mensch recht zu Hertzen fasset die Schönheit deß newen Himmels vnnd der newen Erden / wird er sich gar nicht bewegen lassen durch die Schönheit der gegenwärtigen Erden. Alle Herrligkeit der Welt wirdt dargegen verschwinden / vnnd zu nicht werden. Der Sathan hat (Luc. 4, 5.) dem HERRN Christo in einem kleinen Augenblick gezeyget alle Herrligkeit der Welt / so gering ist sie: Die Herrligkeit aber / deren wir erwarten / ist so groß / daß die Schrifft saget: Es hat kein Aug gesehen / kein Ohr gehöret / vnd ist in keines Menschen Hertz kommen / was GOtt bereytet hat / denen die jhn lieben. Daß du aber solche Himmelsliebende Hertzen gewinnest / ists nützlich / daß du in all deinen leiblichen Händeln vnnd Wercken gedenckest; sihe; das muß auch auffhören vnnd zergehen; wir erwarten aber eines newen Himmels vnd einer newen Erden. Wann das Hertz also geschickt / folget an jhm selbst das ander / daß zur Bereytung gegen den Tag deß HErrn gehöret; nemblich / sich vnbefleckt halten in einem heyligen Wandel. Die Statt GOttes ist heylig / darinnen Gerechtigkeit wohnet. Nichts vnreins wirdt hinein gehen. Hüte dich ja / daß du durch sündtliche Verunreinigung in jrrgent einem Handel dich nicht vntüchtig
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machest zu dem Erbe der Heyligen. Sihe / dein HERR kompt vnverhofft / wie ein Dicb in der Nacht. Sihe zu / daß du bereyt seyest / mit jhm hinein zu gehen. Gedencke wann du auff stehest / wann du dich niederlegest: Wie wann der HErr nun käme. Vnnd das wieder hole offt / damit du ja nieht vnbereyt seyst. Wann du nun also die Verheissung der zukünfftigen Welt in dein Hertze fassest / daß du dardurch löschest die vnordentliche Weltliebe / auch dich enthältest von aller sündtlichen Befleckung / vnd bleibest allezeit im heyligen Wandel vnd Gottseligen Wesen / so gehestu nicht der Zukunfft deß HErrn entgegen. Bey solcher heyligen Bereytung kan ein Christ auß der Betrachtung(III. Consolatorius.) deß künfftigen Endes auch wahren vnnd beständigen Trost schöpffen. Hastu Trübsal? Wielang wirds weren? Die Welt vergehet mit allem was darinn ist. Wann dein Erlöser kompt / wird er die Mörder / alles was dich ängstiget vnnd beleydiget / sampt jhrer Mordgruben verderben. Wann die Kindlein genug gezüchtiget / wird vnser hertzlieber Vatter die Ruthe ins Fewer werffen. Wie das gut / welches nicht lang wäret / nicht für ein wahres Gut zu achten; also das Leyden dieser Zeit / weil es bald geendiget wirdt / ist für kein Leyden zu achten. Das ewige Leyden in der Höllenglut / das mag Leyden heissen. Aber doch ist das noch ein geringes / völligen Trost zu schaffen / so man weiß / daß die Trübsal geendiget werden. Dann auch der Pferde vnd Ochsen Last ein Ende gewinnet. Es ist noch etwas besser / deß wir warten / eine newe Erde / vnd ein newer Himmel; da alles new seyn wirdt; eine Hütten GOttes vnter den Menschen. Verstehstu vnd bedenckst / was du da finden wirst / das wird Trübsal lindern / vnd deiner Seele Frewde bringen. Laß dir vnter deß die Zeit nicht lang seyn; vergönne das der Langmuth GOttes / die dir zur Seligkeit gedienet / auch andern / die noch im Irrthumb seyn / möge zur Seligkeit dienlich seyn. Bleib aberfest bey deiner Hoffnung / vnd wache.
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O HErr JEsu / laß vns deiner Erscheinung / vnd deß künfftigen grossen Tages mit Gedult vnnd Frewd erwarten / daß wir in heyligem Wandel vnd Gottseligem Wesen / vnsträfflich vnd vnbefleckt für dir erfunden werden / vnd mit Frewden für deinem Angesicht erscheinen / damit wir deine Güte vnd Barmhertzigkeit / ewiglich preisen vnd loben. Amen.

GLORIA IN EXCELSIS DEO.
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Folgen etliche Festags Texte / die an ein gewisses Orth nicht können gesetzet werden.
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Am Tage der Reinigung Mariae.
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Der Lobgesang Simeonis.
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Von der Muthigkeit deß Glaubens im Todt / vnnd allem Vnglück.
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TEXTVS Luc. 2. V. 29. usque V. 33.
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V. 29. HERR / nun lässestu deinen Diener im Friede fahren / wie du gesagt hast. V. 30. Dann meine Augen haben deinen Heyland gesehen. V. 31. Welchen du bereytet hast / für allen Völckern.
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V. 32. Ein Liecht zuerleuchten die Heyden / vnd zum Preiß deines Volcks Israel.

Geliebte in Christo JEsu.
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WAS Christus von Abraham gesagt: Abraham ward(Exord. à desiderio Simeonis. Ioh. 8, 56.) froh / daß er meinen Tag sehen solte / vnd er sahe jhn / vnd frewte sich. Eben das kan man auch von dem alten Simeon sagen: Simeon ward froh / daß er den Tag deß HErrn schen solte / vnd er sahe jhn / vnd frewte sich. Simeon hat / was er gewünschet zu sehen / nicht allein geistlich im Glauben / sondern auch gegenwärtig im Schawen gesehen. Simeon war seines Standes nach / nicht ein Hoherpriester / sondern ein privat Mann; doch ein recht glaubiger Christ / der da wartet auff den Trost Israels / das ist / auff den Mann / dardurch gantz Israel getröstet wird. Er tröstete sich durch den Glauben in dem Verdienst deß versprochnen Heylands. Dann ebenmässig wie wir zu dieser Zeit wieder Sünd vnd Todt vns trösten mit den Wunden Christi / der schon vnsere Sünde getragen hat; also haben die Glaubigen vor Christi Geburt wieder die Angst der Sünden sich auffrichten können / mit dem Verdienst deß versprochenen Christi / der jhre Sünde tragen würde. Nicht aber allein hat Simeon im Glauben sich deß künfftigen Christi getröstet / sondern hat auch ein hertzlich Verlangen gehabt / diß versprochne Heyl zu sehen. Es hat die glaubige Seele nichts in diesem Leben auffgehalten / als nur diese heylige Begierd / den Christ deß HErrn zu sehen. Darnach dann auch der alte Simeon so viel hefftiger verlanget / so länger dise Verheissung auffgeschoben / vnd je mehr das Erkäntnuß dieses Heyls verlöschet war. Wie nun vnter viel tausent Israeliten / dieser einiger Simeon für allen ein sonderlich Verlangen getragen nach der Offen
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bahrung deß HErrn im Fleisch / so ist jhm auch die Verheissung vom H. Geist geschehen / er solte nicht sterben / er hätte dan̅ vor den Christ deß HERRN gesehen / das ist den Gesalbten deß HERRN / nemblich das Kind / welches GOtt erhebe vber alles / zu seyn ein ewiger Hoherpriester / der jmmer versöhnen könne; vnd ein ewiger König / der jmmer regieren würde. Simeon hat zwar wol gesehen / daß nunmehr die Zeit nicht weit were / alldieweil das Scepter in Juda sich schon geneiget hatte / vnnd die Juden vnter frembder Herrschafft waren / ohne einige Vertröstung der Wiederbringung voriger eigner Herrschafft. In Babylonischer Gefängnuß hatten die Juden Verheissung / sie solten wieder nach Jerusalem gebracht werden. Aber nun mehr war nichts versprochen / auch nichts zuerwarten. Daher man leicht hat schliessen können / daß die Zukunfft Christi nicht ferne were / insonderheit / wann man dargegen gehalten / die Weissagung deß Propheten Daniels / von den siebentzig Jahr-Wochen. Doch hat keiner gewiß wissen kön̅en Zeit noch Stunde. Simeon aber wird vom H. Geist vnderwiesen / vnnd gewiß versichert / es sey der Trost Israels nahe / Simeon soll nicht sterben / er habe dann den Gesalbten deß HERREN mit Augen gesehen. Da nun das Kindlein JEsus zu Bethlehem geboren / nach Jerusalem in den Tempel gebracht vnnd geopffert ward / sihe da kompt auch diser alter Simeon / durch Trieb deß H. Geistes in den Tempel / sihet das Kind / erkennt es / nimpt es auff seine Arm / vnnd lobet GOtt. Gewißlich wirdt sein Hertz so voller Frewd geworden seyn / daß nicht Wunder were / wann er für Frewden gestorben were. Er sihet / erkennet vnd preiset in diesem Kind ein Heyl GOttes für die gantze Welt / ein Liecht für die Heyden / ein Ruhm vnnd Preiß für Israel. Diß Erkäntnuß macht jhn so freymütig / daß er vergisset alles was in der Welt ist / vnd bittet nun im Friede auffgetöset zu seyn / dann er fürchtet weder Höll noch Todt. Dieses Lobgebett / heißt man den Lobgesang Simeonis. Darinnen können
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wir lernen Freymütigkeit deß Glaubens wieder den Todt /(Thema.) vnd wider Teuffel vnnd Höll dazu: Daß wirs aber lernen / so gebe GOTT seinem Wort Krafft durch seinen Geist in Christo Jesu. Amen. DER kurtze Einhalt deß Simeonischen Lobgesanges bestehet in diesen Worten; ich begehre auff gelöset zu seyn / dann ich hab das Heyl deß HERRN gesehen. Also findet sich zweyerley zu erwegen / erstlich die Scharffsichtigkeit deß Glaubens in der Erkäntnuß deß Göttlichen Heyls; hernach die Freymütigkeit wider Todt vnd alles Vnglück / welches auß dieser Erkäntnuß entspriesset. Nach dem eusserlichen Ansehen / fand Simeon nichts dann(Perspicacitas fidei.) ein vnvermögnes Kind / kaum sechs Wochen alt / daß noch nicht den Kopff kondte auffheben; doch predigt er von Wundergrossen Dingen / vnd sihet in der Schwachheit vnd Armut dieses Kindes; eine grosse Krafft GOttes / vnnd den Schatz auff welchen so viel tausent Heyligen gehoffet haben. Caiphas vnd Hannas / Pilatus vnnd Herodes sahen den Menschen Christum wol / aber den Heyland erkandten sie nicht. Simeon sihet hie in einem vnansehnlichen armen schwachen Kinde / Liecht vnd Heyl / Preiß vnd Herrligkeit. Was macht doch den guten Alten so scharffsichtig? Wer sagts der alten Elisabeth / daß Maria schwanger / vnd eine Mutter deß Herrn were? Eben der gab auch dem alten Simeon diß Erkäntnuß ins Hertz. Nemlich der H. Geist schaffet solche Augen / die tieff ins Verborgen sehen. Ach wie vberauß froh muß dieser Alter bey solcher Erkäntnuß geworden seyn? Dem eusserlichen Ansehen nach muß er gedencken; Sihe welch ein schwaches / armes / vnvermögenes Kindlein! der H. Geist aber schaffet jm solche Augen / daß er muß sagen: Ach sihe das ist dein Heyland! Ach wie muß sein Hertz gewesen seyn!
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Da kan man lernen eine feine Art deß Glaubens / wie der auff (Hebr. 11, 1.) das Verborgen hindurch dringet. Zun Hebreer am 11. Capitel. Es ist der Glaube eine gewisse Zuversicht / deß das man hoffet / also daß wir nicht zweiffeln an dem daß man nicht sihet. Darumb muß man in solchen Sachen den fünff Sinnen nicht krawen. Zwar in natürlichen Sachen muß man den Sinnen trawen. Wann alle Ding richtig ist; da irren sie nicht / dann Gott zu solchem Ende die Sinne erschaffen / daß Menschen vnnd Thiere dadurch die natürliche Dinge erkennen sollen. Zu Prüfung aber vnd zur Erkäntnuß der him̅lischen Dingen / die der Seelen Seligkeit betreffen / seyn die Sinne nicht erschaffen / sondern da gehören Simeonis Glaubens Augen zu. So nun einer von Sachen die man beym Christenthumb erfähret / nach seinen Sinnen vrtheilen will / der thut als ein Mensch der durch ein blawes Glaß sihet / vnd meynet / alles was er sihet / sey blaw. Wer klug ist / der folget mehr seiner Vernunfft als den Augen / so er eine blawe Brüllen auff der Nasen hat, dann ob die Augen sagen: Es ist alles blaw, so spricht doch die Vernunfft / das ist ein Irrthumb / es ist nicht alles blaw. Also / wo du klug bist / wirstu nicht alsbald loben in deinem Leben / was nach deiner Vernunfft / vnnd der Welt Sinn löblich ist; sondern beschawe dich vnd dein gantzes Christenthumb / nach dem Sinn den der Geist GOttes gibt. Thustu das nicht / handelstu gar thöricht bey deiner Seelen. Ein glaubiger Mensch muß von sich ein solch Retzel machen: Was ich sehe / das sehe ich nicht; vnd was ich nicht sehe / das sehe ich. Den Pracht der in der Welt jederman für Augen ist / sihet ein glaubiger Mensch nicht an / sondern bedenckt vor nach dem Sinn deß H. Geistes / was er davon halten soll / vnd ob nicht eine Bitterkeit darinn stecke. Hingegen die Bitterkeit beym Creutz Christi / die er dem Fleisch nach fühlet / achtet er nicht / sondern sihet auff die Süssigkeit die darunter verborgen ist. Also in allen Dingen muß ein geistlicher Mensch alles geiselich ansehen vnd vrtheylen.
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Wir müssen aber dem Simeon zuhören. Was hat er für(Perspicacitatis objectum.) grosse Dinge in diesem Kinde gesehen? Er preiset diß Kindlein für erst als einen Heyland GOttes. Meine Augen haben deinen Heyland gesehen / welchen du bereytet hast für allen Völckern. Diß Kind heysset ein Heyland oder ein Heyl GOttes / ein grosses wahrhafftiges Heyl / welches allein von GOtt kompt / wie Simeon sagt: Welches du HERR bereytet hast. Dann in diesem kleinen Kind stecket ein so grosses Heyl / daß durch jhn die Welt erlöset / Sünd / Todt vnd Teuffel vertilget werden. Dieses ist ein allgemeines Heyl; du HErr hast es bereytet für allen Völckern / für dem Angesicht aller Völcker. GOtt hat es allen Menschen bereytet / daß es allen gepredigt werde / vnd von allen erkandt werde; wie auch Esaias von diesem Heyl geweissaget(Esai, 40, 5.) am 40. Cap. Die Herrligkeit deß HERRN soll offenbaret werden / vnnd alles Fleisch miteinander wirdt sehen / daß deß HERRN Mund redet. Welches Lucae am 3.(Luo. 3, 6.) also außgelegt wird: Alles Fleisch wird den Heyland Gottes sehen. Am 52. Cap. spricht Esaias. Lasset frölich seyn /(Esai. 52, 9. 10.) vnnd miteinander rühmen / das Wüste zu Jerusalem / dann der HERR hat sein Volck getröstet / vnnd Jerusalem erlöset. Der HERR hat offenbahret seinen heyligen Arm / für den Augen aller Heyden / daß alle Welt sihet das Heyl vnsers GOttes. Also auch David im 98. Ps.(Psal. 98, 3.) Der HERR lässet sein Heyl verkündigen / vor den Völckern läßt er seine Gerechtigkeit offenbaren. Von diesem Heyl soll man singen vnd sagen / daß es alle Welt höre. Dann dazu ists von GOtt bereytet / daß alle Welt es erkenne vnd annehme.
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Das falsche Heyl ist allen nicht bereytet. Dann alles was die Menschen in der Welt heylsam preisen / ist der Würden nicht / daß alle können ein Theyl daran haben. Wir können nicht alle reich / prächtig vnd Vermögen in der Welt seyn. Eben das ist ein Zeugnuß / daß das Heyl der Welt nur ein falsch Heyl ist. Dann was sich allen anbeut / vnd sich doch nicht kan allen mittheilen / ist nur Falschheit vnnd Betriegerey. Darumb ists gar ein eytels Ding auff zeitlich Gut hoffen / dann wir es doch nicht alle erreychen können. Das Heyl aber in Christo ist vnendlich vnnd ewig; wer will kan in jhm ein rechtes Heyl finden / vnd warhafftig selig werden. Zum andern preiset Simeon das Kind Jesum als ein Liecht der Heyden / daß die Heyden durch seine Offenbahrung soll erleuchten. Es sitzen alle Menschen von Natur in Finsternuß / vnnd erkennen nicht was jhnen nutz vnnd selig ist: wir gehen alle in der Irre / ein jeglicher hat seine eigne Wege. Wann aber Christus in den Seelen offenbaret wirdt / so gehet ein Liecht auff / ein Liecht der Erkäntnuß / ein Liecht der Frewden. Die Altvätter im alten Testament haben dieses Liecht gesehen / in Fürbilden vnnd Verheissungen (Ioh. 8, 56.) / wie dann Christus von Abraham gesagt: Abraham ward froh / daß er meinen Tag sehen solt / vnnd er sahe jhn / vnd frewet sich. Diß Erkantnuß war Abrahams Liecht. So lang nun der versprochne Messias im Volck Israel allein geprediget / vnd in vielfältigen Ceremonien fürgebildet ward / schien dieses Liecht allein in Juda / wie geschrieben stehet: GOtt ist in Juda bekandt / in Israel ist sein Nahme herrlich. Simeon aber prediget von diesem Kinde / daß er sey ein Liecht zu (Esai. 42, 6. 7.) erleuchten die Heyden; nach der Weissagung Esaiae am 42. Cap. Ich habe dich zum Bund vnter das Volck gegeben / zum Liecht der Heyden / daß du solt öffnen die Au
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gen der Blinden / vnnd die Gefangene auß dem Gefängnuß führen / vnnd die da sitzen im Finsternuß auß(V. 16.) dem Kercker. Die Blinden will ich auff dem Wege leyten / den sie nicht wissen / ich will sie führen auff den Steigen / die sie nicht kennen / ich will die Finsternuß für jhnen her zum Liecht machen / vnnd das höckericht zum eben. Solches will ich jhnen thun / vnd sie nicht verlassen. Nach solcher Weissagung ist Christus auch vnser Liecht geworden. Er ist wie die Sonne / die auffgehet außder Höhe / vnd erscheinet denen die dasitzen im Finsternuß vnd Schatten(Luc. 1, 79.) deß Todes. Da Simeon dieses von dem Kinde JEsu verkündigte / steckete er noch im finstern / war gar wenigen bekandt / aber Simeon hat gesehen / wie die Stralen seines Liechts einmal alle Welt erfüllen würde. Zum dritten preiset Simeon das kleine Kind als ein Preiß Israels. Israel ist zweyerley / ein leibliches vnnd ein geistliches. Das leibliche Israel / nemblich die von dem Ertzvatter Jacob dem Geblüte nach entsprossen / hatten sich freylich dieses Kindes hoch zu rühmen. Es war ein Preiß für das Jüdisch Volck / wann Christus zu dem Samaritanischen Weiblem saget: Johan am 4. Cap.(Ioh. 4, 22.) Das Heyl kommet von den Juden; Es ist ein Ruhm für Israel / wann Paulus sagt zun Römern am 9. Denen die da(Ro̅. 9, 4. 5.) sind von Israel gehöret die Kindschafft / vnd die Herrligkeit / vnd der Bundt / vnd das Gesätz / vnnd der Gottesdienst / vnnd die Verheissung / welcher auch sind die Vätter / auß welchen Christus herkompt nach dem Fleisch / der da ist GOtt vber alles / gelobet in Ewigkeit. Christus ist den Juden verheissen / bey jhnen geboren vnd erzogen /
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auß jhrem Fleisch vnd Geblüt entsprungen / vnd von jhnen zu den Heyden kommen; wie auch der beste Kern der Christenheit / nemblich die Apostel von jhnen seynd. Das ist nicht ein geringes. So ist das auch eine Ehre für das Jüdische Volck / daß nun endlich / da Christus auch die Heyden erleuchtet / alle Welt erkennen muß / das Volck / das vorhin verachtet gewesen / sey ein heyliges Erbtheil deß HERRN gewesen. Das geistliche Israel seynd alle Glaubige / beydes auß Juden vnnd Heyden / alle rechtschaffene Streiter JEsu Christi / die GOttes Verheissunge von dem Heyland der Welt ergreiffen / damit den Zorn GOttes vnnd Schrecken deß Satans vberwinden / als die versöhnet seyn durch das Blut deß Sohns GOttes JEsu Christi. Diese haben jhren Ruhm vnd Preiß in dem Kinde JEsu / finden in demselben so viel / daß sie sich keines andern rühmen wollen / dann daß sie Christum JEsum kennen vnnd haben; (Ierem. 9. 23, 24.) nach dem Spruch Jeremiae: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weißheit / ein Starcker rühme sich nicht seiner Stärcke / ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthumbs; wer sich aber rühmen will / der rühme sich dessen / daß er mich kenne / spricht der HERR. Ausser Christo mangelt vns allen der Ruhm der für Gott gilt / für der Welt mag man sich jmmerhin rühmen / das ist aber ein eytler vnsinniger Ruhm / ohne Grund. Wer aber in Christo ist / der kan sich für GOtt frewen vnd rühmen / dann in Christo findet er Vergebung der Sünden / Gerechtigkeit / ewiges Leben / ewige Wonne / ewigen Reichthumb / ewige Ehr / ewige Seligkeit. Der Ruhm ist viel höher / als wann man sich allein der leiblichen Verwandtnuß mit Christo rühmet. Deß Jüdischen Volcks Ruhm ware nicht groß / wann sie rüffen: Wir seynd Abrahams Same / wir haben Abraham zum Vatter / hie ist der Tempel deß HERRN / wir haben Mosen vnd die Propheten. Der Ruhm aber deß geistlichen Is
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raels ist recht vnd groß: Wir haben JEsum den Sohn GOttes zum Versöhner vnd Heyland / zum Liecht vnd ewigen Leben. Wer einen andern Ruhm suchet / der bezeuget daß er nicht ist ein geistlicher Israelit. Das seynd vberauß herrliche Titel / die Simeon dem Kinde JEsu gibt. Nach solchen Titeln muß er auch von vns erkandt vnd angenommen werden / als das Heyl GOttes / vnser Liecht vnd ewiger Preiß. Dann was Simeon hie redet / das redet er voll deß H. Geistes. Darumb müssen wir diß Zeugnuß als ein Zeugnuß deß H. Geistes annehmen. Wann wir nun gesehen / was für ein Erkandtnuß Simeon(Fructus, qui fidei perspicacitatem sequitur, magnanimitas.) gehabt / so müssen wir auch betrachten / was auff solches Erkandtnuß folget. Der fromme alte wird frewdig / verachtet Hölle vnd Todt; vnd spricht: HERR / nun laß deinen Diener im Friede fahren / wie du gesagt hast. Wann wir einen längstgewünschten hertzlieben Freund finden / pflegen wir zu sagen: Nun will ich gerne sterben. Der Altvatter Jacob / da er seinen verlornen Joseph wieder sihet / spricht er: Nun will ich gerne sterben / weil ich dein Angesicht gesehen habe. Also auch der alte Stmeon / da er sihet den langgewünscheten Trost Israels / das Kind JEsum spricht er auch voll Frewden / Nun will ich gerne sterben / HERR laß deinen Diener im Friede fahren. Das zeitliche Leben ist gleichsam ein schwer Joch / darunter wir eingespannet seyn. Wann wir aber sterben / werden wir außgespannet. Es ist aber eine vnglückselige Außspannung / wann ein Ochß vom Joch zur Schlachtbanck geführet wird; also ists ein vnglückseliger Todt / wann wir auß dises Lebens Mühseligkeit in deß ewigen Todtes höllische Pein gestürtzet werden. Aber Simeon hat bessere Hoffnung / er weiß daß er könne im Frieden auffgelöset werden. Das macht das Erkantnuß deß Heyls in dem Kinde JEsu. Da der H. Geist dem Simeon ins Hertz gegeben: Sihe
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das ist dein Heyland; das macht jhn hertzhafft / daß er nicht fürchtet Sünde / Todt noch Hölle. Wer das Heyl in Christo nicht sihet / dem wird dieses Leben lieblich / vnd der Todt bitter: dann er kan keinen beständigen Trost im Todte finden / vnd wie mehr jm das Gewissen auffwachet / je schröcklicher jhm der Todt wirdt. Aber ein glaubiger Simeon / der seine Lust an Christo sihet / der ist gewiß / daß die Sünde durch diesen Heyland vertilget werde / daß GOtt vnser gnädiger Vatter ist; darumb kan er auch getrost auß diesem Elende fahren / vnnd weiß er ziehe auß einem gefangenen Stock vnd Nothstall in den ewigen Frieden; das macht jhn nicht allein getrost / sondern auch begierig / daß er sich sehnet nach der Erfreyung vnd völligen Geniesses dieses him̅lischen Heyls. (Circa magnanimitatem fidei circu̅stantiae notandae duae 1. Fundame̅???um.) Bey diesem Simeonischen Wunsch ist noch zweyerley zu mercken. Erstlich / worauff Simeon in diesem Wunsch sich beruffet; nemlich auff das Wort deß HERRN: Laß deinen Diener im Friede fahren / wie du gesagt hast. Er sihet auff die Göttliche Antwort; er solte nicht sterben / er hätte dann zuvor den Christ deß HERRN gesehen. In solcher Betrachtung will Simeon gleichsam sagen: HERR was du deinem Knecht gesagt hast / das ist geschehen / dann ich habe nun deinen Heyland gesehen; nun habe ich genug / nun will ich gerne sterben. HERR laß mich nun im Friede fahren. Wann einer schon hundert Jahr alt wird / vnd hat sich nicht können in dem Heyl Christi erfrewen / so stirbt er viel zu zeitlich; wer aber so viel gelernet hat / daß er sich kan in Christo frewen / der ist alt genug / hat auch genug in seinem Leben erreychet. Da muß ich aber auch ein Worthaben / darauff ich bawen kan. Vnnd das ist das Wort der Verheissung von Christo: (Ioh. 3, 14. 15. 16. C. 5, 24.) Wer an jhn glaubt / der kompt nicht ins Gericht / sondern er ist vom Todt zum Leben hindurch gedrungen / er soll nicht verloren werden / sondern das ewige Leben
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haben. Solches Wortfaß / vnd bawe darauff deinen Glauben. So hastu auch Christum / vnd kanst frölich sterben. Hernach ist bey Simeonis Wunsch auch zu mercken; was(2. Subjectu̅.) es für Leuthe seyn müssen / die solchen Wunsch mit Simeone führen wollen; nemlich / die zu Gott sagen können / ich bin dein Knecht / ich bin deine Magd; wie Simeon saget: HErr laß deinen Diener im Friede fahren. Wir müssen das Zeugnuß eines guten Gewissen haben. Wie David im 116. Psalm saget: Der Todt seiner(Psal. 116, 15. 16.) Heyligen ist werth gehalten für dem HERRN; spricht er stracks darauff: OHERR ich bin dein Knecht / ich bin dein Knecht / deiner Magd Sohn / du hast meine Bande zurissen. Wie aber wann vns vnser Gewissen verklaget / vnd vberzeuget / wir haben GOtt nicht gedienet? Dann es seynd viele / die wol GOtt wollen zum HErrn haben / aber GOttes Diener wollen sie nicht seyn; sie wollen wol ruffen: HERR / HERR / aber den Willen GOttes begeren sie nicht zu thun. Sie leyden nicht / was GOtt will gelitten haben; sie lassen nicht / was GOTT will gelassen haben. Sie thun nicht was GOtt will gethan haben. Vnd so sie noch was gutes thun / thun sie es nur vmb Lobes vnd Geniesses willen / nicht vmb GOttes Wolgefallen. Wann nun dein Gewissen dich vberzeuget / daß du deren auch einer seyest / wie ist dir zu rathen vnd zu helffen? Sihe noch ists Zeit; gedencke an den / der deine Bande zerrissen hat / vnnd dich erlöset nicht mit Gold noch Silber / sondern mit seinem vnschuldigen Leyden vnnd Sterben / auff daß du sein eygen seyst. Deß tröste dich / vnd spricht darauff: Nun so bin ich dennoch dein Knecht / thewer erkauffet / dir will ich leben vnd sterben. Das ist nun das Simeonisch Hertz / daß Christum erkennet vnd ansihet nicht mit fleischlichen Augen / sondern mit geistlichen Augen / vnd findet so viel in jhm / daß es den Todt vnnd alles Vnglück verachten kan.
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(Adhorta ???tio ad???usu̅.) Darumb befleissige dich vor allem / liebe Seele / daß du deinen Christum recht erkennest. Wann ich in die Welt hinein sehe / finde ich lauter Finsternuß vnnd Lügen. Wann ich meine Augen auff Christum richte / finde ich Liecht vnnd Warheit; da finde ich / was mir warhafftig heylsam ist; was mir warhafftig Frewde bringet. Alsdann wird Christus mein Liecht / mein Heyl / mein Ruhm vnd Preiß. Auff solche Weise hat GOtt vns sein Kind vorgesetzet: GOTT hat jhn also bereytet für allen Völckern. Selig ist / der Mensch / welcher dieses Heyl also annimpt / wie es jhm von GOtt wird vorgetragen. Aber es gehet vns wie Adam im Paradiß / der hätte vnzehlig viel Bäume / die jhm GOtt fürgesetzet hatte / daß er davon essen möchte; einen Baum setzet jhm der Satan für; von welchem GOtt gesagt hatte: Ihr solt nicht davon essen. Noch ließ der Mensch alle andere Bäume fahren / vnnd suchte seine Lust an dem einigen von GOtt verbottenen / vnd vom Satan gelobten Baum. Glaubet mir / lieben Christen / nicht anders gehets vns. Fried vnd Ruhe / Heyl vnd Ergetzligkeit / Gut vnd Reichthumb / Frewd vnd Wonne / Preiß vnd Ehre ist in Christo / warhafftig vnd in so grosser Menge / daß es weder Maß noch Ziel hat. An dieses Paradiß werden wir von GOTT gewiesen; noch gefällts der Seelen nicht. Der einige Weltbaum / von Gott verbotten / vom Satan gelobet / scheint vns in die Augen / vnd nim̅t das Hertze ein / dieweil seine Früchte lieblich scheinen / vnd träget doch nur Lügen vnd Triegerey / falsche verdorbene früchte; vnnd wer davon isset / isset den Todt vnnd das Verdamnuß. O Menschen Kinder! daß jhr ewer Blindheit vnnd Thorheit möchtet erkennen! Trutz daß ein Weltkind auffstehe vnd sich rühme / er habe solche Frewde an dem Weltbaum gefunden / als der liebe Simeon / an das Kindlein JEsum da ers mit Glaubens augen gesehen vnd erkandt / als den Heyland der Welt / das Liecht der Heyden / den Preiß deß Volcks Israel. Das Gut daß die Glaubi
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gen in Christo finden ist ein verborgenes Gut / an Würden so groß / daß es mit GOttes Blut hat müssen erworben werden. Christus trägt selbst ein Verlangen darnach / daß es nur offenbaret werde / darumb bittet er Johan. am 17. Vatter ich will daß sie seyn /(Ioh. 17, 2???) wo ich bin / auff daß sie meine Herrligkeit sehen. Wann du nun auch / lieber Christ / dein Liecht / Heyl vnnd Preiß in Christo sihest vnd ergreiffest / sihe / so kanstu muthig seyn wieder Todt vnd alles Vnglück. Dann eben damit du dich gewehnest auff Christum zu sehen / scheinet dir ein Liecht / vnnd findest einen vnendlichen Reichthumb alles guten in Christo. Wer aber etwas gutes findet / der frewet sich. Gut macht Muth. Hingegen was ausser Christo ist / das wirstu nicht achten. Dann du hast Simeonis Augen / die sehen auff das / nicht was offenbar ist / sondern was verborgen ist. Alles Vnglück sihet den Glauben an / als einen vnsauberen Bundt / voller köstlichen Schätzen; als einen dornichten Weg / zu dem aller liebsten. Lieg ich schon dem Teuffel im Rachen / muß ich doch glauben daß ich in GOttes Hertze verwahretlige. Fühle ich Todt vnd Sünde / muß ich doch glauben / daß Sünd vnnd Todt mir nichts anhaben können / dann kein Teuffel oder Gewalt mich scheyden kan von der Liebe GOttes / die da ist in Christo vnserm HERRN. Von Natur ist vnser Hertz viel zu finster darzu / daß es also durch dicke Nebel sehe / vnd erkenne das rechte Liecht vnnd Heyl: Aber die Krafft / die Simeon ins Hertz geleuchtet / muß auch vns erleuchten / dann können wir hindurch sehen. Damit aber daß der Glaube hindurch dringet / macht er Hertz vnd Muth. Wann David gedenckt an GOttes Beystandt / vnnd das Gnadenzeichen / daß er an seinem Leibe trug / nemblich die Beschneidung / wird er so muthig / daß er sich nicht grawen lässet / für der grewlichen Gestalt deß grossen gewapneten Goliath / sondern sprach: Wer ist der Philister / dieser vnbesch nittner? Der(1. Sam. 17, 36. 37. 45.)
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HERR / der mich von dem Löwen vnnd Bären erreitet hat / der wirdt mich auch erretten von diesem Philister. Sihe du Philister / du kombst zu mir / mit Schwerdt / Spieß vnd Schild / ich aber komme zu dir im Nahmen deß HERRN Zebaoth. Wann also auch bey dir der Glaube dringet durch die dicke Nebel deß Vnglücks / die sonst jedermann schrecken / vnnd ergreifft die grosse Krafft / vnnd das herrliche Heyl in Christo / wie solte es dich nicht muthig machen? Insonderheit machet vns der Glaube muthig zum Todt; vnnd macht vns den Todt lieblich. Dann im Glauben erkennen wir / daß wir hie im Stock vnnd Joch gedruckt vnnd gefangen ligen / vnnd erwarten im Todt ein seliges Aufflösen / vnd einen Eintritt in die ewige Ruhe. Alle Natur erschrickt für dem Todt / auch die Thier vnnd Würme krümmen sich vnnd schreyen; der Glaub aber hälts für einen süssen Schlaff / vnnd für eine Aufflösung auß Ketten vnnd Banden. So die Heyden zuweilen vnerschrocken für dem Todt sich gestellet / ists doch ohne Grund gewesen. Es ist jhnen zwar anmuthig für gekommen / wann sie gehöret von der lustigen Versamblung der Seelen an einem lustigen Orth voller Frewden. Wie aber / wann das Gewissen jhnen solte fürhalten / wie sie die ewige Gerechtigkeit verletzet / vnnd wolte nicht ablassen / wo wolten sie Versöhnung finden? Wir achten den Todt so viel als den Teuffel / vnnd den Teuffel so viel als nichts. Dann wir kennen Christum / der vns geliebet / vnnd sich selbst für vns in den Todt gegeben hat. Wie nun Simeon in Betrachtung deß Heyls in Christo / begierig gewesen ist auffgelöset zu seyn / also auch wir / wann wir zu Hertzen fassen das grosse Gut daß vns verborgen ist in Christo / werden wir auch muthig alles zu ertragen / vnnd warten mit Frewden auff die Offenbahrung vnsers Heyls / daß ver
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borgen ist in Christo. Seynd wir in Armuth vnd Vnglück / in Schmach vnnd Schande / achten wir solches für lauter Frewde. Seynd wir in Reichthumb / Hoheit vnnd Ehre / achten wir es für Koth / alles gegen die vberschwenckliche Herrligkeit / die wir sehen in Christo JEsu. Ein Simeonisch Hertz wirdt nicht beweget von den Dingen dieser Welt. Dann wann der Glantz deß heylsamen Liechts vnser Hertz hat eingenommen / hat kein Raum etwas anders. Ist eben als wann die Sonne am Firmament deß Himmels ist auffgegangen / da verschwindet das Liecht der Sternen. Seynd wir voller Trübseligkeit / ist der Glaub doch muthig. Dann der vberschwenckliche Glantz deß Heyls Christi / hat das Hertz eingenommen. Hat GOtt vns Ehr vnd Reichthumb gegeben / das hält die Welt hoch / wir aber für nicht. Dann das Liecht deß him̅lischen Heyls leuchtet so in vnseren Hertzen / daß keine andere Frewde kan hin zu kommen. Also frewdig seynd wir mit Simeon / weil wir Christum JEsum kennen / als vnser Liecht / Heyl vnd Preiß / vnd wünschen mit demselben: HERR / laß nur deinen Knecht im Friede fahren / denn ich erkenne mein Heyl in Christo deinem geliebten Sohn / ich sehe das Liecht der Frewden / ich sehe den Preiß Israels: Meinen Preiß vnd meine Ehre / daran ich haben werde Frewd vnd Wonne; meinen Preiß / vnd mein Lob / welches ich anbeten vnnd preisen werde in Ewigkeit. O du mein Preiß / meine Wonne! Ewig soll mein Hertz dich loben. Amen.
|| [594]

Am Tage der Verkündigung Mariae.
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Vom Immanuel als eim Zeichen der gewissen Hülffe GOttes.
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TEXTVS Esai. 7. à V. 10. usque V. 17.
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V. 10. VNd der HERR redet abermal zu Achas vnd sprach: V. 11. Fordere dir ein Zeichen vom HERRN deinem GOtt / es sey vnden in der Hölle / oder droben in der Höhe. V. 12. Aber Achas sprach: Ich wills nicht fordern / daß ich den HERRN nicht versuche. V. 13. Da sprach er: Wolan so höret jhr vom Hause David. Ists euch zu wenig / daß jhr die Leuthe beleydiget? Ihr müßt auch meinen Gott beleydigen? V. 14. Darumb so wirdt euch der HERR selbs ein Zeichen geben / Sihe ein Jungfraw ist schwanger / vnd wird einen Sohn gebären / den wirdt sie heissen Immanuel. V. 15. Butter vnd Honig wird er essen / daß er wisse böses zuverwerffen / vnd gutes zuerwöhlen.
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V. 16. Dann ehe der Knab lernet böses verwerffen / vnnd gutes erwöhlen / wirdt das Land / darfür dir grawet / verlassen von seinen zween Königen.

Geliebte in Christo JEsu.
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WAs heute im Evangelio verkündiget wirdt als eine Geschicht(Exord. ??? Scopo.) die vnlängst geschehen / eben das wird hie durch den Propheten Esaiam viel Jahr zuvor verkündiget / als eine Sache die künfftig geschehen solte / nemblich / wie eine Jungfraw schwanger wird / vnd gebieret den Immanuel. Vnd zwar ist solches dem Jüdischen Volck fürgehalten als ein Gnadenzeichen / daß GOtt vber das Volck halten wolte / daß es nicht vmbkäme / biß daß Immanuel geboren were. Es stund damals gefährlich in Juda / wie dieses geprediger ward / welches geschahe zur Zeit Achas deß Königs Juda. Da zog herauff Rezin der König zu Syria / dazu Peka der Sohn Remalia der König Israel. Diese hatten einen bösen Rathschlag gemacht / Jerusalem zu schlagen / vnnd insonderheit das Hauß David auß zurotten / vnd einen newen König einzusetzen. Dann es war jhnen nicht erträglich / daß so viel von einem newen König geprediget ward / der auß dem Hause David solte herkommen / vnd gar groß seyn / vnd ein groß vnnd mächtig Reich anrichten / auff welchen das Jüdische Volck hoffte. So möchten auch viel in Israel vnd Syrien seyn / die diesen versprochnen König kandten / vnd vmb solcher Hoffnung willen dem Königreich Juda hold waren. Diesen Ruhm gedachten diese beyde Könige dem Hause Davids zu legen. Wann man hingegen hält / was von dieser Zeit auffgezeichnet ist im andern Buch der Chronica am 28. Cap. Kan man mercken(2. Chron. 28.) / welch ein sorglicher Zustandt damals in Juda gewesen. Pekah der König Israel schlägt auff einen Tag hundert vnnd 20.
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tausent auß Juda; nicht allmans Gesindlein / sondern / wie der Text lautet / alles redliche ansehnliche Leuthe. Vber das führte er gefangen zur Dienstbarkeit zu verkauffen zweymal hundert tausend an Weiber / Söhne vn̅ Töchter. Diser Verlust hat sich dem Ansehen nach zugetragen vor der Verbündtnuß der beyden Könige wieder Jerusalem. Dann es scheinet / daß der König Israel / wie auch der zu Syrien / zu erst absonderlich mit Juda Krieg geführet / hernach sich zusammen geschlagen / vnnd wieder das Hauß David verbunden. Da nun solche Zeitung nach Jerusalem kompt / der König Israel vnd der König in Syrien haben sich zusammen gethan / vnd wieder Jerusalem ein Verbündtnuß gemacht / da erschrickt jederman / also daß Esaias saget / es bebte dem König Achas das Hertz / wie auch das Hertz seines Volckes wie die Bäume im Walde beben vom Winde. Dann das war so eine schröckliche Zeitung / als wann der Papst mit seinem Anhang in einer Schlacht schon viel tausent von vnserer Religionverwanthen geschlagen / vnnd gefangen hätte / hernach auch mit dem Türcken einen Bundt machte wider vnsere kleine Gemeine / mit solchem Anschlag / vns gantz zuvertilgen. Da wurde freylich manchem das Hertze beben. Der König in Syrien war ein Heydnischer König; der König in Israel wolte zwar den Namen haben / daß er diente dem GOtt Abraham; Isaac vnd Jacob / doch war er ein abgöttischer König / vnnd hatte zwey Kälber zum Gottesdienst in seinem Reich auffgerichtet / vnd stifftet vnnd duldet viel Opffer vnd Weise wieder das Gesetz. Achas / der König Juda war zwar für sich ein Gottloser Mann / doch blieb in seinem Reiche der Tempel deß HERREN / vnnd der von Gott angeordnete Gottesdienst. Also galt es jhm Gut vnd Blut / Gottesdienst vnd Seligkeit. In solcher Bestürtzung vergißt das Volck seiner Stärcke die es in GOTT hatte / vnd suchet dargegen frembde Hülffe / bey frembden Königen. Esaias aber der Prophet von Gott gesandt /
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heißt sie stille seyn / vnnd nicht auff frembde Hülffe / sondern auff GOtt trawen / weil der Anschlag der beyden Königen wieder Jerusalem nicht solte fortgehen. Zur Versicherung setzet er jhnen zum Zeichen ein Ding daß wunder bar ist / nemlich eine Jungfräwliche Frucht / die da heisset Immanuel. In solcher Betrachtung wollen wir auch verbleiben / vnd erwegen(Thema.) / wie die Menschwerdung deß Sohns GOttes der beängstigten Kirchen sey ein Zeichen der gewissen Hülffe GOttes. Darzu vns GOTT seine Gnade gebe. Amen. ES wirdt in vnserm Prophetischen Text eine Handlung beschrieben(In textu pponitur transactio inter Deu̅ & populu̅ ejus, Esaiâ internuncio. Ubi 1. Divinum postulatum.) / die da angestellet ist zwischen Gott vnd das Jüdische Volck / vnd war der Prophet Esaias Vnterhändler. Das Anerbieten GOttes war. Sein Volck soll nicht einen Bund mit Heydnischen Völckern machen; er GOtt wölle selbst Erlösung schaffen. Es waren noch etliche Hertzen in Juda / die auff den Trost Israelis warteten. Diese musten einen Trost haben / daß sie nicht versuncken / wann sie sahen / wie das Volck Gottes vnnd der Stamm / auß welchem der Trost jhrer Seelen solte herfür kommen / nun müste außgerottet werden. Dieser wenig frommen Vnterthanen genießt der Gottlose König Achas / vnnd das gantze Königreich. Weil aber schwer vnnd vnmüglich schiene / ohne frembden Beystandt auß dieser Gefahr zu entgehen / gefällts GOtt wol die Gewißheit seiner Verheissung mit einem Wunderzeichen zu bekräfftigen / daß die Glaubigen gewiß erkenneten / GOtt würde vber seine Verheissung dem David vnd seinem Saamen gegeben / veste halten / vnd daß das Vorhaben den mächtigen Feinden nicht würde fortgehen. Hierumb läßt er durch seinen Vnterhändler dem König ein solches anbringen: Fordere dir ein Zeichen(V. 10. 11.)
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vom HERRN deinem GOtt / es sey vnten in der Hölle / oder droben in der Höhe. Solch einen mächtigen GOTT haben wir / er kan Zeichen thun / vnten in der Hölle / vnd oben im Himmel wie er will. Wie (Ps. 135, 5. 6.) auch geschrieben stehet im 135. Psalm. Ich weiß daß der HErr groß ist / vnnd vnser HERR für allen Göttern: Alles was er will / das thut er / im Himmel / auff Erden / im (Dan. 4, 31. 32.) Meer / vnd in allen Tieffen. Nebucadnezar war ein gewaltiger König / noch muste er erfahren / der König in der Höhe were noch grösser / vnd nach dem er gedemüthiget war / fieng er an zu loben den Höchsten / vnd zu preisen vnd ehren den / so ewiglich lebet / deß Gewalt ewig ist / vnnd dessen Reich für vnnd für wäret / gegen welchem alle so auff Erden wohnen als nichts zu rechnen sind / dann er machts wie er will / beyde mit den Kräfften im Himmel / vnd mit denen so auff Erden wohnen / vnd niemand kan seiner Hand wehren / noch zu jhm sagen / was machstu? Wie solches Bekandtnuß auffgezeichnet ist beym Daniel am 4. Cap. Also will GOtt nach seiner Macht erkandt seyn / nicht allein von Gottlosen / daß sie wissen / sie haben nicht einen Karten König für sich / mit dem sie mögen spielen wie sie wollen / sondern auch von den Frommen / daß sie erkennen / es sey kein Rohrstab / darauff sie sich lehnen / wann sie auff GOtt bawen. Wann wir erkennen die allmächtige Krafft vnsers GOttes / können wir in aller Anfechtung deß zu mehr vnser Hertz vnd Vertrawen auff seine Hülffe setzen. Darumb läßt er dem Achas freyen Willen / zu fordern ein Wunderzeichen woher er wolle; daß er jhm selbst die Rechnung mache: Sihe / kan dein GOtt Zeichen thun im Himmel / vnd in der Hölle / im Wasser vnnd vnter der Erden; ist jhm nichts zu hoch / nichts zu tieff / daß ers mit seiner Hand nicht solte erreychen / wie solte er dann einen Hauffen böser Buben nicht zwingen können? Diß ist das Göttliche anerbieten.
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Was folget für eine Erklärung darauff? Achas sprach:(2. Regis importuna resolutio. V. 12.) Ich wills nicht fordern / daß ich den HErrn nit versuche. Achas will fromb seyn / vnd GOtt nicht versuchen. Er war sonst ein Gottloser Mann / der diß Lob in H. Schrifft hat: Er thät nicht was für Gottes Auge̅wolgefällig war; er ließ seinen Sohn durchs Fewr opffern / vnd opfferte auff den Höhen / auff den Hügeln / vnd vnter allen grünen Bäumen; er zubrach den Altar deß HERRN im Tempel zu Jerusalem / vnd an dessen Stätt ließ er einen andern bawen / nach der Art deß Altars den er zu Damasco im abgöttischen Tempel gesehen hatte. Vber solche grewliche Abgötterey / vnd andere Sünden / macht sich dieser Mann kein Gewissen; hie aber will er mit Macht fromb seyn / vnd ist so heylig / daß er GOtt nicht versuchen will. War dann das vbel gethan? Es steht ja geschrieben im 5.(Deut. 6, 16.) Buch Mosis am 6. Cap. Ihr solt den HErrn ewern Gott nicht versuchen. Das heist aber GOtt versuchen / wann man ausserhalb dem Beruff ohn Wort vnd Verheissung GOttes sich etwas gefährliches vnternimbt / wieder die Ordnung Gottes vnd der Natur. Als wann der Satan Christo ansinnen ist / daß er sich(Matt. 4, 72.) von der Tennen oder Spitzen deß Tempels herab lasse / wegert sich Christus zu folgen / vnd heisst es eine Versuchung GOttes. Also däuchte Achab ein gefährliches vnd vnmügliches Ding zu seyn / vom mächtigen Feind ohn menschlichen Widerstand erlöset werden. So man hie die Mittel zu wiederstehen wolte verwerffen / deren man konte habhafft werden / das däucht jhn eine Versuchung GOttes zu seyn / so wol als wann einer wolte seinen Hunger stillen / vnd kein Brodt esseu; darumb erkläret er sich also; ich will kein Zeichen fordern / daß ich den HERRN nicht versuche; als wolt er sagen: Ich will GOtt hierin keine Mühe machen / ich weiß doch wol daß es nicht geschehen kan.
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Aber heißt das Gott versuchen / wan̅ man dem Worte Gottes folget? Die Israeliten versuchten Gott nicht / wann sie durchs rote Meer giengen / dann sie hatten GOttes Wort; eben so hätte Achas können hindansetzen allen frembden Beystandt / vnd mit seinem eygnen Volck seine Mauren verwahren / ohne Versuchung GOttes; dann da stundt jhm das Wort vnd Befehl GOttes vor Augen. Dar zu hätte er können / vnd auff GOttes Befehl sollen ein Zeichen fordern: dieweil auch der Held Gideon ein Zeichen vom HERRN fordert / da er mit wenig Volck solte angreiffen eine sehr grosse Macht der Feinden; nicht daß er GOtt versuchte / sondern daß er seinen Glauben stärckte. Dann weil er wunderbarer Weise zum Kriegs Obersten von GOtt vnmittelbar gesetzt ward / wolte er auch ein gewiß Gnadenzeichen haben / daß er deß Beystandes GOttes gewiß were. Nun zu dieser Zeit stehts vns nicht an Wunderzeichen von GOtt fordern / da wir vns an Gottes Wort sollen begnügen lassen. Aber Achas hatte den Befehl / er solts fordern. Wann ers nun nicht forderte / das war sein Vngehorsamb. Es mangelte dem guten Herren am Glauben. Er wolte Hülffe bey Menschen suchen / vnd so er die verlassen solte / däuchte jhn vnmüglich seyn / daß jhm solte geholffen werden / sagte man da: trawe auff GOTT / vnnd wilstu diesem Worte nicht glauben / so will ich dir ein Zeichen dazu verschaffen / so spricht Achas: Nein ich will Gott nicht versuchen. Es war jhm nicht zuverdencken / daß er nicht könte glauben satt zu werden da kein Brodt ist / er war solches Glaubens nicht gewohnet / so ists auch der Natur schwer / allein an GOttes Verheissung sich begnügen lassen. (3. Decretoria Dei Co̅clusio. 4. 13. 14. 15. 16.) Auff deß Königes Erklärung folget ein Göttliches Decret / das lautet also: Wolan / so höret jhr vom Hause David / ists euch zu wenig / daß jhr die Leute beleydiget / jhr müst auch meinen GOTT beleydigen? Darumb so wirdt euch der HErr selbst ein Zeichen geben: Sihe eine Jung
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fraw ist schwanger / vnd wird einen Sohn gebären / den wird sie heissen Immanuel / Butter vnd Honig wird er essen / daß er wisse böses zu verwerffen / vnnd gutes zu erwöhlen; dann ehe der Knabe lernet böses verwerffen / vnd gutes erwöhlen / wird das Land / dafür dir grawet / verlassen seyn von seinen zween Königen. Hie findet sich 1. eine Straffe: Ists zu wenig daß jhr(In qua I. Redargutio incredulitatis.) die Leuthe beleydiget / jhr müßt auch meinen GOtt beleydigen? Oder: Ists euch zu wenig / daß jhr die armselige Leuthe müde vnnd matt macht / jhr müsset auch meinen GOtt müd vnnd matt machen. Der König sampt seinem gantzen Hoff hatte mit seiner Furcht vnnd Zagen eine Furcht vnter das gantze Volck gebracht / vnd damit die arme Leuthe also matt vnd müde gemachet / das / wie vorhin angedeutet / jhr Hertz bebete / wie die Bäwme im Walde beben von dem Winde. Das war schon schlimm genug; dann der König hätte sollen dem Volck getrost zusprechen / vnd sie heissen auff die Hülffe deß HERRN hoffen / darengegen macht er sie verzaget / vnnd gantz matt / daß kein Safft noch Krafft mehr in jhnen ist. Doch muste diß Vbel nicht allein bleiben / der König mit seinem Hoff vnterstehet sich auch durch seinen Vnglauben Gott matt vnd müde zu machen / als wann sich GOtt auch für grosser Macht der Menschen fürchten müste / vnd bey Gott kein Vermögen were zu stewren vnd zu wehren. GOtt hatte dem Hauß David / vnd dem Volck Juda Verheissung gegeben / sie solten nur still seyn / er der HERR würde die Feinde wol finden / aber das wolten sie nicht glauben: GOtt befahl / sie solten nur ein Zeichen fordern / aber das wolten sie nicht thun. Dann es dauchte jhnen vnmüglich / daß ohn Menschen Beystand jhnen solte geholffen werden. Diese Wiederspenstigkeit vnd Vnglauben straffet der Prophet am König vnd seinem Hoff.
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(II. Signum liberationis miraculosum; par tus sc. virgineus.) Hernach 2. findet sich in dem Göttlichen Decret das Wunderzeichen einer Jungfräwlichen Frucht: Der HERR wird euch selbst ein Zeichen geben: Sihe eine Jungfraw ist schwanger / vnd wird einen Sohn gebären / den wirdt sie heissen Immanuel / Butter vnd Honig wird er essen / daß er wisse böses zuverwerffen / vnd gutes zuerwöhlen. Dieses wirdt außtrucklich auff die Geburt Christi gezogen beym (Matt. 1, 23.) Evangelisten Matthaeo am 1. Cap. (Ubi 1. Mater, virgo.) Die Mutter in dieser Wundergeburt ist eine Jungfraw: Sihe eine Jungfraw ist schwanger / vnnd wirdt einen Sohn gebähren. So verstehts vnnd erklärts der Evangelist (Matth. 20. 21, 22. 23.) selbst: Dann da Maria die Mutter vnsers HERRN JEsus dem Joseph vertrawet war / erfand sichs / daß sie schwanger war / ehe Joseph sie heimholte / darumb gedachte Joseph sie heimlich zuverlassen. Da erschien jhm ein Engel deß HERRN im Traum / vnd sprach: Joseph / du Sohn David fürchte dich nicht Mariam dein Gemahl zu dir zu nehmen / dann das in jhr geboren ist / das ist von dem heyligen Geist / vnd sie wird einen Sohn gebähren / deß Namen soltu JEsus heissen / dann er wirdt sein Volck selig machen von jhren Sünden. Da setzet der Evangelist hinzu: Das ist alles geschehen / auff daß erfüllet wurde / daß der HErr durch den Propheten gesagt hat / der da spricht: Sihe eine Jungfraw wird schwanger seyn / vnnd einen Sohn gebären / vnd sie werden seinen Namen Emanuel heissen. Ist so viel gesagt: Daß eine Jungfraw solte schwanger seyn / ist von GOtt schon zuvor verkündiget. Solte es anders verstanden werden / als nemblich / daß deß Achas oder Esaiae / oder eines an
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dern Weib solte schwanger werden vnd gebähren / was wäre das für ein Wunderzeichen gewesen / hätte dadurch der vnglaubige Achas wol können bewogen werden zu glauben / daß er ohn menschliche Krafft vor seinen Feinden würde geschützet werden? So muste nun Messias der da solt seyn der Welt Heyland / nach Esaiae Weissagung / eine vnbefleckte Jungfraw zur Mutter haben. Das wuste Esaias auch auß dem ersten Evangelio: Deß Weibes Samen soll der Schlangen den Kopff zertretten. Sonsten pflegen die Kinder dem Vatter zugerechnet werden / vnd heissen deß Mannes Samen. Aber Christus muste ein Sohn ohn Vatter seyn / darumb heißt er deß Weibes Samen. So erforderts sein Ampt. Daß er solte der Schlangen Kopff zertretten / vnd den Segen vber die Heyden bringen. Wie zu Abraham gesagt ist: In deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechte der Erden. Ein jeglicher Mensch aber der nach natürlicher Art in leiblichen Lüsten von Mann vnd Fraw gezeuget wirdt / ist in Adam gestorben / vnd ist der Sünden vnnd dem Fluch vnterworffen. Darumb kan ein solcher Mensch weder auff sich / oder auff andere Menschen den Segen bringen. Deß Kindes Nahme ist Immanuel / das ist GOtt mit vns /(2. Filii nomen, Immanuel.) das ist aber nicht sein gewöhnlicher Name / der jhm in der Beschneidung solte gegeben werden / damit jhn der gemeine Mann nennen wurde; sondern es ist ein Name / d’sein Person vn̅ Ampt beschreibet / wie Christus sonsten in H. Schrifft mit vnderschiedenen Nahmen getitulirt wirdt. Als im neundten Capitel nennet jhn Esaias Rath / Krafft / Held / ewiger Vatter / Friede Fürst. Vnd Jeremias am 23. Cap. nennet jhn / den HERREN / der vnser Gerechtigkeit ist. Also ist auch der Name Immanuel ein Ehrentitel vnsers HERRN JEsus / der vns in dieser Person zeyget zugleich einen GOTT vnd einen Menschen. Eben der
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Sohn GOttes / der von Anfang war im Schoß deß Him̅lischen (Luc. 1, 35.) Vatters / der ist nun auch Marien Sohn. O Wunder! Gleichwol redet der Engel deß HERRN also zu Marien: Das Heylige daß von dir geboren wirdt / wirdt GOttes Sohn genennet werden. Es weiset vns auch der Name Immanuel auff sein Ampt vnnd Wolthat. Dann durch jhn will GOtt sich wieder zu den abtrünnigen Menschen thun / vnd jhnen gutes thun. Durch jhn ist GOtt den Menschen außgesönet. Ist Gott mit (Rom. 8, 31.) vns / vnd für vns / wer kan wieder vns seyn? Rom. 8. Ist GOtt in vns vnnd bey vns / so haben wir im Todt das Leben / in Kranckheit Gesundtheit / in Sünden Gerechtigkeit / in Schwachheit stärcke / in Schande Ehre / vnnd was solte vns mangeln wann wir GOtt haben? (3. filii educatio.) Diß Wunderkind soll doch aufferzogen werden nur gleich einem andern Kinde / dann Butter vnd Honig wird er essen / daß er wisse böses zuverwerffen / vnd gutes zuerwöhlen. Butter vnd Honig seynd gemeine Speise vnd Nahrung deß Landes Canaan / wie es dann auch heisst in heyliger Schrifft / ein Land darinn Milch vnd Honig fliesset. Wird derwegen hie angedeutet / daß diß Wunder Kind / wiewol es ist selbst GOtt der mit vns vnd bey vns im Fleische wohnet / dennoch gleich einem andern Kinde werde aufferzogen werden / nicht mit delicat Bißlein / sondern mit gemeiner Speise / nach Gewohnheit deß Landes; vnnd daß er wie ein anders vnmündiges Kindlein solte wachsen vnd zunehmen an Verstandt biß es zu verständigen Jahren komme / darin es kan das gute von dem bösen vnterscheyden. Da merck die tieffe Erniedrigung deß Sohns GOttes / wie er sich seiner Herrligkeit / im Fleische geäussert; in jhm wohnete die vnendliche ewige Weißheit selbst leibhafftig; gleichwol ist er da gelegen in seiner Mutter Schoß / wie ein vnmündiges vnverstän
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diges Kindlein / das nicht weiß was gut oder böse ist; wie wir an vnsern Kindern sehen / daß sie so bald zum Messer greiffen als zum Apffel / so balo zu einem brennenden Liecht / als zu einem Goldgulden. Eben also wird vns auch die Kindheit Christi beschrieben vom Evangelisten Lucas am 2. Cap. Das Kind wuchß vnd ward(Luc. 2, 40. 52.) starck im Geist / voller Weißheit / vnd GOttes Gnade war bey jhm. Vnnd abermal: JEsus nahm zu an Weißheit / Alter vnd Gnade / bey GOtt vnd den Menschen. Weil dann von Christo gesagt wird / daß er gewachsen vnnd zugenommen an Weißheit / in der That vnd Warheit für GOtt vnd Menschen / so wirdt damit klärlich angedeutet / daß sein menschlicher Verstand nicht allezeit gleicher Schärff gewesen / sondern daß er vorhin am Verstandt schwach / ja vnmündig wie ein anderes Kind gewesen. Dieses ist eine Wundergeburt auff viele Weise. 1. Ist hie(4. Signa̅dic officium.) eine Mutter die doch ist eine reine Jungfraw. 2. Ein Mensch der da ist der wahre GOtt. 3. Die ewige Weißheit / die doch vnmündig ist. 4. Der Schöpffer / der doch ernehret wird. Diese Wundergeburt wird dem Jüdischen Volck in jhrem Schrecken fürgesetzet als ein Wunderzeichen einer wunderbahren Errettung. Der HERR wirdt euch selbst ein Zeichen geben; spricht Esaias. Wie kan aber diß ein Zeichen seyn / da bey nahe noch 800. Jahre dahin waren / biß auff die Geburt Christi? Dennoch ists ein Zeichen / vnd bezeuget 1. Daß Gott kan Wunder thun vber alle Natur / vnd daß jhm keine Mühe sey / etwas außzurichten daß er versprochen hat / obs vns auch vnmüglich scheine. 2. So zeyget diß Zeichen auch die gewisse Hülffe. Dann weil Immanuel nach GOttes Verheissung vom Hause Davids solte hervor kommen / muste der Rathschlag der beyden Königen widen das Hauß Davids gewiß zu nichte werden. Das Hauß David vnd das Volck Juda müßte vnvertilget bleiben / biß daß die ge
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boren hätte / die da solte gebären. Also stehet geschrieben beym (Mich 5. 2. 3) Propheten Micha am 5. Vnd du Bethlehem Ephrata / die du klein bist vnder den tausenden in Juda / auß dir soll mir der kommen / der in Israel HERR sey / welches Außgang / von Anfang vnnd von Ewigkeit her gewest ist. In deß läßt er sie plagen / biß auff die Zeit / daß die / so gebären soll / geboren habe. Damit verspricht GOtt / daß er zwar das Volck Juda will plagen lassen / aber außgerottet soll es nicht werden / biß daß Immanuel geboren sey. (III. Ipsa decreti co̅clusio.) Endlich findet sich im Göttlichen Decret / der Schluß selbsten: Ehe der Knabe lernet böses verwerffen / vnd gutes erwöhlen / wird das Land dar für dir grawet / verlassen seyn von seinen zween Königen. Gleich wie die Syrer vnnd Israeliter dem Hause David sehr auffsetzig gewesen / also haben sie sich auch gehässig vnnd stinckendt gemacht / also daß dem Königlichen Hause David für den Syrern vnd Israelitern gegrawet / vnnd das gantze Volck Juda sich für jhnen geschewet. Daher nennet Esaias das Land der Syrer vnnd der Israeliten / ein Land dafür der König Juda sich fürchtet / vnnd ein Abschew trägt. Es war ein Furcht / Schewel vnnd Grewel in dem Hertzen deß Jüdischen Volcks. Aber diß grawsame Land / soll von seinen eygnen Königen verlassen seyn. GOTT wird diese beyde Könige heimsuchen / daß da sie wollen / ein frembdes Königreich vnterdrucken vnd verderben / sie jhr eygnes nicht werden behalten können. Das verkündiget Esaias / vnd setzet ein Ziel / es soll geschehen / ehe der Wunder Knabe wirdt können böses verwerffen / vnd gutes erwöhlen. Es war noch lang dahin / biß diese Wunder geburt deß Jungfräwlichen Samen solte auff die Welt kommen. Doch wars genug / daß die Glaubigen wusten / es solten diese grawsame Könige diese heylsame Geburt /
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die auß dem Stamm Davids erwartet ward / nicht verhindern. Doch will auch der Prophet hiemit andeuten / daß wann diese Wunder-Empfängnuß damals schon ins Werck gerichtet were / die feindselige Könige bey jhrem eygnen Lande nicht so lange bleiben wurden / biß daß der Knabe hätte können recht mündig werden. So ists auch ergangen. Dann ehe Achas das vierdte Jahr seines Königreichs vollendet hatte / seynd die beyde Könige vmbgebracht worden. Dann es seynd doch nur alle Feinde GOttes vnd(2. Reg. 15. 29. 30. C. 16, 9. Esa. 7, 4.) seiner Kirchen rauchende Löschbrände / wie sie der HERR nennet / die zwar zischen / vnd einen dicken Rauch von sich geben / der einen ängstige vnd in die Augen beisse / aber verbrennen vnnd verzehren können sie nicht. Wie nun dem Volck Juda die künfftige Menschwerdung(Doctrinni.) vnd Geburt dessen / der da heißt GOtt mit vns / zum Zeichen fürgesetzet der Errettung / so bleibt noch allezeit dieselbe Menschwerdung deß Sohns GOttes das Gnadenzeichen bey seiner Gemeine / vnd allen Glaubigen / daß GOtt sie in keiner Trübsal wird stecken vnd vmbkommen lassen. Hie haben wir vns vorauß zuerinnern / wie die Gemeine(Propos. 1. Ecclesia inprimis afflictioni est subjecta. 1. Pet. 4. 17) Christi für allen andern Menschen der Trübsal vnterworffen sey. Dann GOtt lässet seinem Volck nicht freyen Willen zu sündigen / sondern züchtiget sie bey Zeit / vnnd straffet sie viel ehe als die Heyden / damit sie nicht gantz wild werden. 1. Petr. 4. Capitel. Das Gericht muß anfahen am Hause GOttes. Solches ist für gebildet im Ezechiel am 9. Da die Verderber außgeschicket(Ezech, 9, 66) werden / mit solchem Befehl: Erwürget beyde / Alte / Jünglinge / Jungfrawen / Kinder vnnd Weiber / alles todt. Fahet aber an an meinem Heyligthumb. Da geschichts daß in gemeinen Landtplagen die Frommen mit Noth leyden.
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Doch ist noch eine andere Vrsach / warumb Christi Glieder müssen viel Trübsahl leyden; die Feindschafft deß Sathans. Das ist schon vorlängst zuvor gesagt / da GOtt zur Schlangen spricht: Deß Weibes Samen wird dir den Kopff zutretten / aber du wirst jhm in die Fersen stechen. Weil der Satan weiß / daß seine Macht durch Christum zerbrochen wirdt / so wütet er / vnnd mit grosser Bitterkeit verfolget er alle Menschen darinnen er Christum findet / vnnd suchet stäts derselben Schaden vnd Verderben. Was haben die lieben Ertzvätter / insonderheit Jacob müssen leyden? Weil der Teuffel vermercket / daß GOtt sie vnd jhren Samen zum Eygenthumb erwöhlet hatte. Wie die Kinder Israels in Egypten sich begunten zu vermehren / gedacht er sie durch den König Pharao zu tilgen / auff mancherley Art. In der Wüsten setzet er jhnen gewaltig zu mit geistlicher vnd leiblicher Art / vnnd hätte es gern dahin gespielet / daß sie allesampt auff einmal in der Wüsten erwürget / vnd von der Erden weren vertilget worden. Wie sie ins Land Canaan gebracht waren / übet er dieselbe Tücke. Was der Satau fürnimpt wieder die gantze Gemeine GOttes offentlich / das treibt er auch gegen ein jegliches Glied Christi. Leyden wir schon keine offenbare Verfolgung / so werden doch andere Beschwerung nicht außbleiben. Da nimpt dann der Feind sein Vortheyl wol in acht / wann er nun sihet ein Vnglück / macht er dasselbe vns so sawer / setzet vns zu mit betrübten trawrigen Gedancken / vnnd ängstiget damit das Hertz grewlicher Weise; wie der HERR zu Petro sagte: Sihe der Satan hat ewer begeret / daß er euch möchte sichten / rüttlen vnnd schütteln wie den Weitzen. Solch ein Gemüth behält er noch. (2. Ecclesia est sub tutela Dei. Esai. 54, 7. 8, 10.) Gegen alle diese Noth haben wir GOttes Verheissung: Ich habe dich ein klein Augenblick verlassen / aber mit grosser Barmhertzigkeit will ich dich samblen; Ich habe
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mein Angesicht im Augenblick deß Zorns ein wenig vondir verborgen / aber mit ewiger Gnade will ich mich dein erbarmen. Dann es sollen wol Berge weichen / vnd Hügel hinfallen / aber meine Gnade soll nicht von dir weichen / vnnd der Bundr meines Friedes soll nicht hinfallen. Also spricht der HERR dein Erbarmer / dein Erlöser(V. 11) / beym Esaia 54 / zu dir du Elende / vber die alle Wetter gehen / vnd du Trostlose. Gedenckt man aber / wie manche Gemeine / wie manche Christliche Statt vnd Land ist gleichwol vndergangen? Da ists ja dem Satan gelungen / vnd die Gnadeweggenommen. Aber gleich wie zur Zeit der Aposteln viele auß dem verblendten Judenthumb zur Kirchen Christigezogen würden / da die gantze Jüdische Synagoga oder Kirch von Gott verworffen ward / also geschichts noch wol / daß eine gewisse Gemeine GOttes Wort vnnd Gnade verlieret / da hingegen GOtt hie vnd dort allenthalben jhm fromme Christen erhält / pflantzet vnd außbreytet. Sie wirdt nimmer gantz müssen vntergehen. Wie es ist mit der gantzen Kirchen Christi / so ists auch mit einem jeglichen glaubigen Gliede / sie seynd in GOttes Schutz / laut der Verheissunge: Ich bin bey dir in der Noth / ich will(Psal. 91, 15.) dich herauß reissen. Wann du durchs Wasser gehest(Esa. 43, 2.) bin ich bey dir / daß die Ströme dich nicht ersäuffen; daß dich die Flamme nicht verzehre / wann du durchs Fewr gehest. HERR Zebaoth wol dem Menschen / der(Psal. 84, 12. 13.) sich auff dich verläßt / du wirst kein gutes mangeln lassen den Frommen. Die Noth ist offt groß für Menschen Augen / vnd haben mancherley Angst vnnd Sorge: Aber da ist Gott
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zum nächsten. Jehärter Nothstandt / je mehr wird GOttes Hülff bekandt. In dieser Zuversicht werden wir gewaltig gestärcket / durch die beyde Glaubens Säule; GOttes Warheit vnnd Allmacht. Vnserm GOtt ist nichts vnmüglich; aber das ist vnmüglich daß GOtt lügen kan. Errettung vnd Hülffe hat vns Gott zugesagt. Kompt dann eine verzweiffelte Noth / so bedencke / wie weit die Macht gehe / dessen / der da ruffet dem daß nichtes ist / daß es etwas sey. Was solte ich an GOttes Macht verzagen? Es ist jhm so leicht grosse Dinge zu thun / als kleine. Er kan so leicht Todte aufferwecken / als lebendige Menschen von newem schaffen. Ists auß mit mir / kan mich GOtt auffs newe lebendig machen. Es muß mir doch endlich GOtt außhelffen. (3. Signu̅ divinae assistentiae est incarnatio filii Dei.) Ob nun zwar diese Säule vnserer Zuversicht vest stehen: Gottes Warheit vnd Allmacht / so gibt vns dennoch Gott ein offenbarliches Zeichen seines Beystandts / nemlich die Menschwerdung seines Sohns der vns geliebet / vnd sich selbst für vns in den Todt gegeben hat. Das ist ein Zeichen / daß Gott etwas kan. So es jhm nicht zu schwer gewesen / eine Jungfraw fruchtbar zu machen; so es jhm nicht vnmüglich gewesen / zu machen / daß ein Mensch GOtt sey / daß der Schöpffer vnmündig worden; so ists jhm auch nicht zu schwer / viel weniger vnmüglich / mich vnd seine Gemeine zu schützen / die er so thewr durch seinen Sohn erkaufft hat. Aber noch mehr ist die Menschwerdung Christi ein Zeichen / daß Gott warhafftig außhelffen will. Dann was die allgemeine Kirche Christi anlanget / kan dieselbe nicht vergehen / so lange der lebt / der da heißt Immanuel GOtt mit vns. Dann was were das für ein Gott mit vns / der seine Gemeine nicht könte schützen? Es wer ja Gott zu vns vergebens ins Fleische kommen. Die Liebe hat Gottes Sohn ins Fleisch gebracht / vns zu erlösen vnd zu schü
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den; die Liebe erhält jhn vnter vns / nicht daß er müssig sey / sondern daß er vns schütze / vns in allen Nöthen helffe / vnnd vns allesampt endlich selig mache. Gleich wie vor der Menschwerdung Christi die Israeliten vmb der zukünfftigen Menschwerdung deß Immanuels willen / vielerley Wolthaten leibliche vnd geistliche von Gott empfangen: Vmb seinet willen seind sie erhalten vnter der Egyptischen Trangsal; vmb seinet willen seynd sie nicht verzehret vom Zorn GOttes in der Wüsten; vmb seinet willen seynd sie mit grosser Gedult getragen im Lande Canaan; vmb seinet willen seynd sie von diesen beyden Königen / vnd allen andern Tyrannen erfreyet; vmb seinet willen seynd sie wider auß der Babylonischen Gefängnuß geführet / dann obwol aller Königliche Samen hinweg geführet war / hat doch nicht müssen das gantze Hauß Davids vertilget werden / obs der Satan wol gern gesehen hätte: Eben also will GOtt vmb seines Christi willen noch schonen / schützen vnnd erretten / nach dem er vns schon seinen lieben Sohn Immanuel gegeben hat. Alle Reiche auff Erden erhält er vmb Christi vnnd seiner Kirchen willen / vnd würde gewißlich die Welt nicht länger auff ein Augenblicke stehen / wann nicht auch auß dem menschlichen Geschlecht / Christo solte eine Kirche gesamblet werden. Was ein jegliches Glied Christi anlanget / hat es an der Menschwerdung deß Sohns Gottes / der mit vns ist / ein gewisses Zeichen deß Gnadenschatzes. GOtt ist mit vns als vnser Blut-Freund. Die Liebe die Gott gezogen hat / vnser Fleisch zu werden / höret nicht auff / nun er vnser Fleisch geworden ist. Niemand hat jemals sein eygen Fleisch gehasset. Gott ist mit vns als vnser(Eph. 5, 29.) Versöhner. GOtt war in Christo / vnnd versöhnte die(2. Cor. 5, 19) Welt mit jhm selbst. Vnnd auch nun wann wir betten / stehen wir nicht allein / sondern GOtt ist mit vns im Gebett / der Geist Christi seufftzet in vns / vnd er selbst sitzet zur Rechten Gottes
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vnd vertritt vns / bittet für vns. GOTT ist mit vns als ein starcker Nothhelffer / nicht müssig / sondern daß er sein Ampt thue / wie er mit seinem Namen heisst Immanuel / der starcker Gott mit vns. Fasset die Seele das recht / so findet sie Ehre in Schande / Reichthumb in Armuth / Trost in Angst / Leben in Todt. In Immanuel finde ich mehr Trost / als alle Welt betrüben kan. Es ist vns dieser Name Immanuel nicht allein ein Zeichen der Errettung auß Nöthen / sondern auch deß Segens. Dann wo Gott ist da muß auch Segen seyn. Was vorhin verflucht gewesen vmb vnser Sünde willen / das ist durch Immanuel wieder (1. Tim 4, 4.) zum Segen worden / daher Paulus saget: Alle Speise Gottes seynd gut / dann sie werden geheyliget durchs Wort vnnd Gebett. Wann du ein Bissen Brodes in den Mund steckest / kanstu daran gedencken: Sihe das ist vmb der Sünde willen mir ein Fluch; aber vmb Chr isti willen ists ein Segen. (Conclusio, adhortatoria.) So lasset vns nun in aller Anfechtung ein Hertz fassen. Wir müssen nicht mit Achas auff äusserliche Mittel alleine sehen. Das ist nur vnsere verkehrte Art / wann die Noth da ist / daß wir alsbald nach leiblichen Mitteln vmbsehen. Vnd so lang wir die ersehen / haben wir noch Hoffnung / wann aber die gar verschwunden ist / da ists auß mit vns. Aber nicht so mit einem Christen. Je weniger Hülffe du auff Erden sihest / je stärcker deine Zuversichtseyn soll. Da gilts erstlich GOtt trawen. Das mercke wol / vnnd brauchs zu seiner Zeit / zu deinem besten. Gedenck an deinen Immanuel. Ist die Nothgroß / ist der GOtt noch grösser der mit dir ist / dem nichts zu schwer ist / vnd hie sagen darff: Foder dir ein Zeichen / entweder darunten in der Hölle / oder droben im Him̅el. Vnd damit du an seinem Willen nicht zweiffelst / so gedenck / daß es sein Ampt ist / bey dir zu seyn als ein starcker GOtt vnnd Nothhelffer. Darumb heist er Immanuel der starcke GOTT mit vns.
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Er spricht selbst: Ich bin bey dir in der Noth / ich will dich herauß reissen. Das ist so viel gesagt: Ich bin Immanuel. Das halt jhm für / vnd laß nicht ab; vnd wie grösser Noth / wie hefftiger du jhm das fürhalten solst. Sihe mein GOtt; hie ist keine Hülffe / nun ists Zeit daß du dich beweisest als mein Immanuel. Ich halt dir für dein Ampt vnd Wort: Ich bin bey dir in der Noth / ich will dich herauß reissen. Wer in Noth vnd Gefahr nicht hieran gedencken / vnd sich hiemit auffrichten kan / dem muß wiederfahren was von dem Jüdischen Volck hie geschrieben stehet: Ihnen bebete das Hertz /(V. 2.) wie die Bäume im Walde beben vom Winde. Die aber jhr Hertz gestärcket haben in der gewissen Gnade Christi / vnd seines Beystandes als eines starcken GOttes / die können Muth haben. Wir wollen den Teuffel nicht anbeten / vnd jhm zu lieb vns todt grämen. Wir können jhm noch wol den Kopff bieten / dann hie ist der starcke GOtt mit vns / eine Stärcke in der Schwachheit / lebendiger Trost in Trawrigkeit / das Leben im Todt / allezeit wahre Seligkeit. Darumb schliessen wir mit David auß dem 118. Psalm. Der HERR ist mit mir / darumb förchte(Ps. 118, 6. 7.) ich mich nicht / was können mir Menschen thun? Der HERR ist mit mir / mir zu helffen / vnnd ich will meine Lust sehen an meinen Feinden. Vnd auß dem andern Psalm. Wol allen die auff jhn trawen.(Ps. 2. V. ule.) Amen.
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Am Tage Johannis deß Tauffers.
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Vber den Lobgesang Zachariae.
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Von der gnadenreichen Erlösung von den geistlichen Feinden.
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TEXT VS Luc. 1, à V. 68. usque ad finem.
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V. 68. WElobet sey der HERR der Gott Israel / dann er hat besucht vnnd erlöset sein Volck. V. 69. Vnd hat vns auffgericht ein Horn deß Heyls / in dem Hause seines Dieners Davids. V. 70. Als er vor Zeiten geredt hat / durch den Mund seiner heyligen Propheten. V. 71. Daß er vns errettet von vnsern Feinden / vnd von der Hand aller die vns hassen. V. 72. Vnnd die Barmhertzigkeit erzeygete vnsern Vättern / vnd gedächte an seinen heyligen Bund. V. 73. Vnd an den Eyde den er geschworen hat vnserm Vatter Abraham / vns zu geben. V. 74. Daß wir erlöset auß der Hand vnserer Feinde / jhm dieneten ohn Forcht vnser Lebenlang.
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V. 75. In Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit / die jhm gefällig ist. V. 76. Vnnd du Kindlein wirst ein Prophet deß Höchsten heissen / Du wirst vor dem HERRN hergehen / daß du seinen Weg bereytest. V. 77. Vnnd Erkändtnuß deß Heyls gebest seinem Volck / die da ist in Vergebung jhrer Sünden. 78. Durch die hertzliche Barmhertzigkeit vnsers GOttes / durch welche vns besuchet hat der Auffgang auß der Höhe. V. 79. Auff daß er erscheine denen / die da sitzen in Finsternuß vnd Schatten deß Todtes / vnd richte vnsere Füsse auff den Weg deß Friedens. V. 80. Vnd das Kind wuchs / vnnd ward starck im Geist / vnnd war in der Wüsten / biß daß er solte herfür tretten für das Volck Israel.

Geliebte in Christo JEsu.
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ES mag ein Mensch gedemütiget seyn / wie er kan vnd mag /(Exord. à gratiâ Dei, quatenus soiidum Christianis solatiu̅ praebet in afflictione. Rom. 5. 1. 2. 3.) wann er Gottes Gnade hat vnd empfindet / hat er noch darüber er sich frewen kan. Dann die Güte GOttes ist der Brunnquell alles guten / vnd eine gewisse Hülff in allen Nöthen. Paulus zun Römern am 5. spricht: Wann wir seynd gerecht worden durch den Glauben; das ist: Wann wir GOttes Gnade erlanget / vnd dessen gewiß seyn / daß Gott vnsere Sünde vergeben / vnnd gnädig geworden ist; So haben wir Friede
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mit GOtt / vnd rühmenvns der Hoffnung der zukünfftigen Herrligkeit / die GOtt geben soll / ja wir rühmen vns auch der Trübsal. Derselbe Apostel wann er durch ein schweres Creutz geängstiget / vnd sehr hart beschwäret wirdt / muß allein in der Gnade GOttes sich trösten lassen / da jhm eine solche Antwort vom HERRN ward: Laß dir an meiner Gnade genügen. (2. Cor. 12, 9) Du seyest beängstiget vnd beschwäret / wie du wollest / so hastu doch an der Gnade GOttes so viel / daß du dich zu frewen hast. Daher fliessen dann Hertzen-süsse Tröstungen / als beym (Esa. 41, 10. 11. 13. 16.) Esaia am 41. Fürchte dich nicht / ich bin mit dir / weiche nicht / dann ich bin dein GOtt / ich stärcke dich / ich helffe dir auch / ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. Sihe sie sollen zu Spott vnd zu Schanden werden / alle die dir gram̅ seyn / sie sollen werden als nichts. Ich bin der HERR dein GOtt; der deine rechte Hand stärcket / vnd zu dir spricht: Fürchte dich nicht / ich helffe dir. So fürchte dich nicht du Würmlein Jacob / jhr armer Hauffe Israel. Ich helffe dir / spricht der HERR vnd dein Erlöser / der Heylige in Israel. Also im (Esai. 43. 1. 2.) 43. Cap. Fürchte dich nicht / dann ich habe dich erlöset / ich habe dich bey deinem Namen geruffen / du bist mein / so du durchs Wasser gehest / will ich bey dir seyn / daß dich die Ströme nicht sollen ersäuffen Vnnd so du ins Fewr gehest / soltu nicht brennen / vnnd die Flamme soll dich nicht anzünden. Dann ich bin der HERR dein GOtt / der Heylige in Israel / dein Heyland. Werden wir dann durch Fewr vnd Wasser gezogen / vnnd seynd versichert
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der Gnaden Gottes / können wir haben Muth vnd Trost. Wann jemand verwundet ist / vnd hat ein heylsambs Pflaster / mag er zu frieden seyn. Wann jemand in Ohnmacht fällt / vnnd findet ein köstliche Hertzstärckung / so bekompter wieder Lufft zum Hertzen. GOttes Gnade ist vber alle Pflaster vnd Hertzstärckung / wer dieselbe hat / vnd empfindet / der kan frölich seyn in allen Trübsalen. Hingegen aber / so mit dem zeitlichen Glück GOttes Gnad vnnd Gunst sich verlieret / da ists vergebens daß man sich frewe. Wann die Mutter Christi Maria so veracht auch were für Gott gewesen / als für der Welt / were sie eine recht elendes Mägdlein gewesen. Wann Zacharias hätte sollen wissen / daß mit seiner Sprach zugleich GOttes Gnad vnd Gunst auffgehoben were / hätte er mögen vber Vnglück klagen. Aber diese beyde können frölich seyn in jhrer Niedrigkeit vnnd Trübsal / dann sie erkennen GOttes heylsame Gnade. Wie Maria in jhrem Lobgesang preiset die Göttliche Gnade / die die Niedrigkeit einer elenden Magd angeschen hat / vnd das Niedrige erhöhet: Also frolocket auch Zacharias in seinem Lobgesang vber die heylsame Gnade die Gott zubereytet hat in dem Heyland Christo. Diß seynd die beyde erste Psalmen deß newen Testaments / voller geistlichen Frewden / geflossen auß dem Geiste GOttes. Dann die Historia meldet / damit wir absonderlich auff den Lobgesang deß alten Zachariae kommen / daß Zacharias voll deß heyligen(Luc. 1, 67.) Geistes geworden / vnnd geweissaget / da er seinen Lobgesang außgesprochen. Man saget: Dieser Lobgesang muß von wichtigen Dingen handeln / weil Zacharias so lange Zeit demselben nachgedacht / nemblich von der Zeit an / da er stumm geworden. Zwar er ist ohn allen Zweiffel zu solcher Zeit mit heyligen Betrachtungen vmbgangen / doch soll man nicht sagen / daß er diesen Gesang auß eygner Erfindung lang zuvor / ehe er jhn außgesprochen zusammen gesetzet / sondern es ist dieser Gesang auß Einge
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geben deß H. Geistes außgeredet. Dann Zacharias ward deß Heyligen Geistes voll vnd weissagte. Wie nun der Heylige Geist der Meister ist / also werden auch hohe vnnd heylige Sachen darinnen außgedruckt. Es hat zwar die Geburt Johannis Gelegenheit zu diesem Frewdengesang gegeben / aber der Vatter Zacharias sihet diß Kind nicht an als ein gemeines Kind / sondern als einen Vorlauffer deß HERREN Messias. Daher singet er durch den heyligen Geist von der heylsamen Gnade Gottes / die Gott bereytet durch seinen Sohn / vnsern Heyland Christum. Weil wir dann schuldig seyn allezeit mit danckbarem Hertzen (Thema.) zu betrachten / die heylsame Gnade vnsers Gottes / dadurch wir von der Seelen Gefängnuß erlöset seyn / wollen wir dieselbe / wie vns der Geist GOttes in diesem Lobpsalm leyten wird / in Gottseligkeit betrachten; GOtt gebe Gnad vnnd Krafft durch seinen Geist in Christo JEsu / Amen. (Laudatur Deus ob regnum Christi.) NAch dem die fromme Seele von GOtt gerühret wird / erhebet sie sich zu GOTT. Der fromme Zacharias getrieben von dem Geist GOttes / richtet sein Hertz zu (V. 63.) GOtt / vnd preiset jhn: Gelobet sey der HERR / der GOtt Israel. Den GOtt / den Zacharias preiset / nennet er den GOTT Israel / welcher sich in Israel offenbahret hat / durch grosse Zeichen vnd Wunder / vnd durch sein kräfftiges Wort: Welcher auch dem Israel Heyl vnd Segen versprochen hat. Das ist eine Beschreibung deß wahren GOttes / deß HERRN / der Himmel vnd Erd gemacht hat. Diesen GOtt preiset Zacharias: Gelobet / gesegnet vnnd hoch erhaben sey der HERR / der GOTT Israel. Warumb? Dann er hat besucht / vnd erlöset sein Volck.
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Er redet von einer heylsamen Heimbsuchung. Es suchet(Doscriptio regni.) GOtt offt sein Volck heimb im Zorn / wann er auffstchet / Rechnung mit vns zu halten wegen alles Gottloses Wesen. Hie aber wird gepredigt von lauter Gnad vnd Güte. Dann er hat besucht vnd erlöset sein Volck / eygentlich; er hat eine Erlösung zubereytet seinem Volck. Wie dann? Er hat vns(V. 69. 70. 71.) auffgerichtet ein Horn deß Heyls / in dem Hauß seines Dieners Davids / als er vor Zeiten geredet hat / durch den Mund seiner heyligen Propheten) nemblich eine heylsame Errettung von vnsern Feinden / vnnd von der Hand aller die vns hassen. Hie ist alles geistlich zuverstehen. Geistlich seynd die Feinde; die Erlösung / das Heyl / der König / das Reich seynd auch geistlich. Die Feinde seyn das Reich der Sünden vnnd der Höllen / Sünde / Todt vnnd Teuffel; da seynd die ärgste Feinde / vnser eygne Haußgenossen / das seynd die innerliche Begierde / eygner Will vnnd eygne Natur. Diese Feinde ziehen vns erstlich vnter jhren Zwang vnd Gehorsamb; vnd nach dem sie vns bezwungen / stürtzen sie vns in Gottes Zorn / ängstigen / schrecken vnd verdammen vns. Wann dann der Mensch vnter den Zorn Gottes gebracht wirdt / kan jhm nichts ärgers wiederfahren / dann hat er sein grössestes Vnglück. Von der Hand vnd Gewalt dieser Feinde hat Gott vns erlöset / vnd wie Zacharias eygentlich redet; Er hat bereytet eine Erlösung seinem Volck / eine heylsame Erlösung von vnsern Feinden / in dem er vns auffgerichtet hat das Horn deß Heyls / in dem Hause seines Dieners Davids. Wann gesagt wirdt: GOtt hat bereytet eine Erlösung / eine heylsame Erlösung; er hat vns auff gerichtet ein Horn deß Heyls /
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ist fast einerley. Dann ein Horn heisset in H. Schrifft ein starckes Reich / oder einen gewaltigen König mit seinem Reich: In solcher (Psal. 18, 3.) Meynung redet David im 18. Psalm seinen Gott an mit diesem Titel: HERR meine Stärcke / HERR mein Felß / meine Burg / mein Erretter / mein GOTT / mein Hort auff den ich trawe / mein Schild vnnd Horn meines Heyls / vnd mein Schutz. In solcher Meynung nennet auch Christum Zacharias ein Horn deß Heyls; anzudeuten / daß er ein gewaltiger König seyn werde / der nicht allein die seinigen erretten vnnd Heyl schaffen / sondern auch bey dem erworbenen Heyl kräfftiglich schützen kan. Daß also das Reich Christi hie abgebildet wirdt er stlich als ein heylsam Reich / hernach auch als ein kräfftiges Reich. Erstlich ists ein heylsam Reich. Das Heyl aber bestehet darin / daß er eine Erlösung bereytet hat von vnsern Geistlichen Feinden. Diß ist nicht für ein geringes Heyl zu achten / es kostet gar viel eine Seele auß der Höllen zu erlösen. Gelt vnnd Gold thut es nicht. So ist auch aller Engel vnd aller Menschen Krafft viel zu gering. Diese Erlösung muste mit GOttes Blut erworben werden. Es ist das Reich Christi auch ein starckes Reich. Daß auch die Pforten der Höllen nichts dawieder vermögen / wie der (Matth. 16, 18.) HERR selbst spricht Matth. 16. Diß Reich kan nicht geschwächet werden. Das Horn ist zu starck / es stosset die Feinde zu Boden. Starck ist dieser König / in dem er seine Gemeine nicht läßt zergehen. Der Wiedersacher brauchet allerley List vnnd Gewalt / die Gemeine Christi zu zerstören / daß Christus keine Kirche auff Erden behalte. Er greifft sie an mit geistlichen vnnd fleischlichen Waffen: Vnd hetzet insonderheit die Gewaltigen in der Welt wieder das Häufflein Christi. Dann die sonst allerley Buberey
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leyden können / können doch offt keine Christen leyden. Aber getrost getrost. Wir singen mit Assaph auß dem 76. Psalm: Du(Ps. 76. 5. 11.) vnser König / du bist herrlicher vnd mächtiger dann die Raubeberge. Wann Menschen wieder dich wüten / so legstu Ehre ein / vn̅ wan̅ sie noch mehr wüten / bistu auch noch gerüst. Die grossen Königreich vnd Fürstenthumb / die Land vnd Leuth mit Schwerdt vnter sich bringen / vnd zu sich rauben / werden vom heyligen Geist Raubeberge genennet. Derselben Hülff braucht der Fürst dieser Welt / wieder Christi Gemein. Aber vnser König ist herrlicher vnd viel mächtiger dann die Raubeberge. Wie mehr Menschen wieder jhn wüten / wie grösser Ehre er einleget. Also weiß vnser König sein Volck zu schützen! Starck ist er auch bey einer jeglichen glaubigen Seelen / in welchen er sein Reich auffgerichtet hat. Meine Lieben / wann das Christenthumb durch vnsere Krafft solte geführet werden / weren wir vom Wiedersacher lang verschlungen. Seine listige Anfechtung seynd gar zu mannigfaltig. Aber gelobet sey GOTT vnd vnser König / der vns nicht gibt in seinen Willen. Er ist das Horn vnsers Heyls / eine Macht zu schützen / daß vns kein Vnfall stürtzen kan. Nun können wir mit frewdiger Zuversicht sagen / wie Paulus: Ach / wer will(Rom 8, 35. 38. 39.) vns doch scheyden von der Liebe GOttes? Trübsal oder Angst? Ich bin gewiß / daß weder Todt noch Leben / weder Engel noch Fürstenthumb / noch Gewalt / weder Gegenwärtiges noch Zukünfftiges / weder Hohes noch Tieffes / noch keine andere Creatur / vns scheyden mag von der Liebe GOttes / die in Christo JEsu ist / vnserm HERRN. Ich bin gewiß / daß mein GOtt der mich beruffen hat getrew ist / vnnd wirdt mich nicht versuchen lassen vber Vermögen. Ich bin gewiß / daß mein König starck genug ist / mich bey
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meinem Heyl zu schützen. Werde ich selbsten von jhm nicht muthwillig abfallen / wird keine Macht so starck seyn / sie sey gegenwärtig oder zukünfftig / die mich von meinem Heyl stossen könne. Hie ist aber nicht zu gedencken / daß es im ersten Augenblick mit vnsern Feinden gantz auß sey. Der Sathan ist nicht gantz todt. Der alte Adam will auch nicht sterben. So lang wir diesen stinckenden Sack am Halse tragen / haben wir zu arbeyten. Darumb stehet das Reich Christi nicht darinn / daß man keinen Feind / (Matth. 16. 28.) vnnd keine Sünde fühle. Wann Christus saget: Ich habe meine Gemeine auff einen Felsen gebawet / vnd die Pforten der Höllen sollen sie nicht vberwältigen; damit ist nicht gesagt / daß die Pforten der Höllen vns nicht werde angreiffen / daß wir keine Sünde fühlen werden; sondern daß sie vns nicht vberwältigen sollen. Derselbe Paulus / der sehr bekümmert ist wegen deß vnauffhörlichen Anlauffs der Geistlichen Feinden: (Rom. 7. 19 21. 24. 25.) Ach ich elender Mensch / wann ich noch will gutes thun / hanget mir doch das böse an / vnd das böse daß ich nicht will das thue ich; Ach ich elender Mensch / wer will mich erlösen; derselbe Paulus kan doch stracks auff diese Klage ein (cap. 8, 1.) Frewdenlied singen: Ich dancke GOTT durch JEsum Christ vnsern HERRN. Es ist nichts verdamliches an denen / die in Christo JEsu sind. So bestehet nun das Reich Christi nicht darinn / daß man keinen Anlauff deß Teuffels; oder keine Sünde fühle; sondern viel mehr / daß wir sie fühlen / vnnd wieder dieselbe seufftzen vnd schreyen. Dann wann das geschicht / da macht sich auff das Horn deß Heyls / stosset das Sündenreich zu Boden / vnnd macht daß in dem Sünder keine Sünde ist. Also ein Wunderreich ist Christi Reich: Die Welt heißt ein gut vnnd heylsam Reich / wann es still ist / glücklich vnd wol zugehet; hie aber
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ist ein Reich deß Heyls / darinn man manchen harten Anstoß leydet / vnnd doch stehen kan. Da stecken wir mitten vnter die Gewalt deß Teuffels vnd deß Todes / vnd müssen vns mit allen Sünden blewen vnd plagen; vnd bleiben doch in Christo gerecht / heylig vnd selig. Das heisset / wie im 110. Psalm von vnserm König geweissaget:(Psal. 110, 23.) Herrsche vnter deinen Feinden. Vnnd nach dem 45. Psalm: Scharff sind deine Pfeile / daß die Völcker vor(Psal. 45, 5.) dir niederfallen / mitten vnter den Feinden deß Königes. Diß ist das heylsame Gnadenreich / darüber Zacharias GOtt preiset; dabey noch drey Vmbstände zu erwegen / die dabey stehen. 1. Wo dieses Heyl auffgerichtet. 2. Wem zu gut es bereytet. 3. Wie diß eben das heylsame Reich sey / welches von Anfang den Vättern versprochen. Anlangent den Orth / wo das heylsame Reich anzutreffen / spricht Zacharias; GOtt hat auff gerichtet ein Horn deß Heyls / in dem Hause seines Dieners Davids. Das Heyl kompt von GOtt / doch auch von Menschen. GOtt bereytet den König / aber auß den Menschen nimpt er jhn / nicht von den Engeln / sondern von Menschen / auß dem Hause Davids. Dadurch wird der Königliche Stul Davids erst recht groß gemacht. David herrschete vber das leibliche Israel / der Sohn Davids vber das gantze geistliche Israel. Wer genießt aber dieses Reichs? Zacharias spricht: Er hat eine Erlösung zubereytet seinem Volck / vns hat er das Horn auffgerichtet im Hause seines Dieners Davids. Haben dann die Heyden kein Theyl daran? Freylich nein. Es kan niemand dieser Erlösung geniessen / er gehöre dann mit zum Volck Gottes. Wer zu diesem König im rechten Glauben sagen kan: Mein König vnd mein Gott / der gehöret mit zu seinem Volck / vnd dem ist das Heyl bereytet.
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Diß ist dann eben das Reich / darauff alle Heyligen zu aller Zeit gehoffet von Anbegin. Da GOtt seinen Sohn gesandt / geboren auß dem Samen Abrahams / in dem Hause Davids / da hat er nicht mehr gethan / als wie er vor Zeiten geredet hat / durch den Mund seiner heyligen Propheten. Durch dieselbe hat er allen betrübten Sündern einen Erlöser vnnd Heyland versprochen / vnnd zwar daß selbiger kommen solte / auß dem Hause Davids. Dann so stehet vnter andern geschrieben im 132. (Ps. 132, 11. 13. 17. 18.) Psalm: Der HERR hat David einen wahren Eyd geschworen / davon wird er sich nicht wenden: Ich will dir auff deinen Stul setzen die Frucht deines Leibes. Der HERR hat Zion erwöhlet / vnd hat Lust daselbs zu wohnen. Daselbst soll auffgehen das Horn Davids / ich habe meinem Gesalbten eine Leuchte zugerichtet / seine Feinde will ich mit Schanden kleyden / aber vber jhm soll blühen seine Krone. Das faß zu Stärckung deines Glaubens / wann du dich auch bekennest zu JEsu dem Sohne David. (Causae regui.) Zacharias fähret fort / vnnd kompt auff die Vrsachen / die GOtt bewegen auffzurichten das heylsame Reich vnserer Erlösung; dann daß er eine heylsame Erlösung zubereytet hat / ist erstlich (V. 72. 73.) darumb geschehen: Daß er die Barmhertzigkeit erzeygte vnsern Vättern / vnd gedächte an seinen heyligen Bund / vnd an den Eyd / den er geschworen hat vnserm Vatter Abraham vns zu geben. Das ist geredet von dem Bund mit einem Eyd bekräfftiget / den Gott Abraham geschworen / als dem Vatter aller Glaubigen. Alsbald da Abraham auß Chaldea beruffen ward / empfieng (Ge̅. 12, 2 3.) er die Verheissung: Ich will dich zum grossen Volck ma
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chen / vnnd solt ein Segen seyn; dann in dir sollen gesegnet werden alle Geschlecht auff Erden. Diese Verheissung ist nach mals offt wieder holet / vnnd bestättiget / davon insonderheit zu lesen das 15. Capitel im ersten Buch Mosis / allda mit(Gen. 15, 2.) Verwunderung erzehlet wirdt / wie der grosse GOTT sich herunter gelassen / vnnd mit einem sterblichen Menschen einen Bund auffgerichtet. Dann Abraham muste auff Gottes Befehl herzu führen etliche Stuck Viehes / vnd solche zertheylen mitten voneinander / vnnd ein Theyl gegen das ander vberlegen. Vnd sihe / als die Sonne vnter gangen / vnnd finster worden war / da rauchte ein Ofen / vnnd ein Fewr flamm fuhr zwischen den Stucken hin. Diß zuverstehen / ist zu wissen / auff was Art man vor Alters einen Bund hat pflegen auffrichten: Nemblich man zertheylte ein oder mehr Stücke Viehes / zwischen dieselbige Stück giengen durch entweder Partheyen die in einen Bundt traten / oder allein der selbe der sich verbündtlich machte. Vnd war die Bedeutung / daß wo derselbe der etwas zugesaget / sein Wort nicht halten würde / er durch GOttes Rache möchte zerrissen vnnd vertilget werden / gleich wie das Viehe zerstückt were / durch welches Stuck er gangen ist. Sihe nun was GOTT gethan hat? Der nicht liegen kan / bestättiget doch seine Verheissung nach Menschen Art mit einem Bunde / dann die Flamme die zwischen den Stucken hin fuhr / bedeutete GOtt selbsten / welcher hiemit gleichfals so viel gesprochen: Ich will nicht mehr ein lebendiger GOtt seyn / wo ich Abraham nicht halte was ich zugesagt habe. Darumb spricht die Schrifft stracks darauff gleichsamb mit Verwunderung: An dem Tage macht der HERR einen Bundt mit Abram. Auch ist mercklich / daß bey diesem Bunde sich zugetragen; dann das Gevögel fiel auff das Aaß / aber Abram scheucht sie davon. Diß war ein Fürbilde / wie der höllische Raub vogel nur darnach trachte / wie er den Bunde GOttes bey vns möge auff
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heben / aber der Glaube treibt jhn zurück. Dieser Bunde ist nachmals wiederumb durch einen Eyd bekräfftiget; nach dem Abraham auff GOttes Befehl seinen Sohn Isaac hat opffern wollen: (Gen. 22, 6. 17. 18.) Dann da sprach der HERR zu jhm: Ich habe bey mir selbs geschworen / dieweil du solches gethan hast / vnnd hast deines einigen Sohns nicht verschonet / daß ich deinen Samen segenen vnnd mehren will / wie die Stern am Himmel / vnd wie den Sand am Vfer deß Meeres / vnd dein Same soll besitzen die Thor seiner Feinde. Vnnd durch deinen Samen sollen alle Völcker auff Erden gesegnet werden. Dieser eydlicher Bund ist darauff gerichtet / daß vns GOtt durch einen Sohn Abrahams den him̅lischen Segen / vnd die Erlösung wolte bereyten. Es begriff zwar derselbe auch leibliche Verheissungen / als die Besitzung deß Landes Canaan; aber auch dadurch ward als in einem Fürbilde angezeyget / daß GOTT den (Rom. 4, 16.) rechten Samen Abrahae / das ist / wie es Paulus außleget / die Glaubigen ins him̅lische Reich einführen wolle. Dann es wirde in diesem Bund allermeist gesehen auff den Samen / dadurch alle Völcker sollen gesegnet werden. Diß ist der eydlicher Bund / darauff Zacharias sihet / da GOtt geschworen hat / vns zu geben / was er Abraham verheissen hatte. Abraham hatte zwar die Verheissung von dem Gesegneten König empfangen / aber die Zeit der Erscheinung hat er nicht erlebet / doch solte der versprochner König gewiß auß seinem Samen erweckt werden. Diesen Bund nennet Zacharias einen Heyligen Bundt / dann er muß vnnd kan nicht gebrochen werden / dazu gehet er an Seel vnd Seligkeit / vnnd ist auch deß wegen heylig zu achten.
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Wann nun GOtt seinen Sohn ins Fleisch gesandt / hat er gedacht an den Bund vnd Eyd den er Abraham geschworen hat / vnnd damit hat er die versprochne Barmhertzigkeit erzeyget den Vättern. Barmhertzigkeit war es / wann GOtt diese heylsame Erlösung versprochen; Barmhertzigkeit war es auch / wann er seinem Bunde nach / die heylsame Erlösung hat ins Werck gerichtet. Das ist nun eine Vrsach / die GOtt getrieben hat / vns auffzurichten das Horn deß Heyls / GOtt hat sich der elenden Menschen erbarmet / vnd auß lauter Erbarmung eine heylsame Erlösung versprochen / einen Bund auffgerichtet / vnd mit einem Eyd bekräfftiget: Darauff ist gestorben Abraham; alle andere Glaubigen seynd auch darauff gestorben / darumb kundts nicht anders seyn / der Sohn GOttes muste endlich ins Fleisch kommen / vnnd die heylsame Erlösung vns bereyten. Die andere Vrsach / die Gott bewogen / ist der freye Dienst GOttes; auff daß wir / wann wir erlöset seyn auß der(V. 74. 75.) Hand vnser Feinde / jhm dieneten ohne Furcht vnser Lebelang / in Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit die jhm gefällig ist. Der Gottesdienst soll geschehen auffs erst ohne Furcht / daß wir für GOttes Zorn nicht erschrecken / sondern in gewisser Hoffnung leben eines gnädigen wolgewognen Herren. Zum andern muß man GOtt dienen in Heyligkeit vnd Gerechtigkeit / die jhm gefällig ist. Das ist der Grund / daher es kompt / daß wir vns nicht fürchten / dann da keine Heyligkeit ist / da muß man sich für GOttes Zorn fürchten. Es ist aber die Heyligkeit zweyerley: Eine die in vns ist / die andere die in Christo ist. Daß einer heylig vnnd gerecht Leben führet / ist zwar gut / aber es reichet nicht zu / daß es für sich allein konte GOtt gefallen. Ich setze /
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ein Mensch habe aller Menschen Heyligkeit / vnd habe keinen Zutritt zur Versöhnung Christi; so wurde doch diese Heyligkeit für GOtt nicht bestehen / dann es wurde doch Gott noch viel Vnreinigkeit vnnd Sünde darinn finden. Darumb muß hie eine höhere Heyligkeit seyn / die für dem gestrengen Gericht Gottes Statt halten kan / das ist die Gerechtigkeit Christi / die vns durch den Glauben zugerechnet wird. Darumb gehts so zu: Wan̅ vns durch Christum JEsum die Sünde vergeben seyn / fangen wir an heyliglich zu leben durch den Geist Christi / der in vns wohnet; vnd ob zwar bey dieser Heyligkeit viel Gebrechen fürlauffen / darüber wir seufftzen vnnd klagen; so werden wir doch versönet durch den Todt vnsers Heylands. Dann wan wir anfahen nach dem Geist zu wandeln / macht die Gerechtigkeit JEsu Christi / daß nichts verdamliches in vns ist / die wir durch den Glauben Christo JEsu anhangen. Das heist dann ein gerechter heyliger Wandel / der Gott wolgefällig ist. Zum dritten / soll ein Christ in diesem Dienst beständig verbleiben / also daß wir GOtt in angenehmer Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit dienen ohne Furcht vnser Lebelang. Diß were wegen der grossen Schwachheit vnnd stätigen Wiederstand deß Fleisches nicht müglich / wann wir nicht in dem Blut vnsers Erlösers JEsu Christi funden eine ewige Versöhnung vnnd Erlösung. Diß ist nun auch eine Vrsach die GOtt angesehen. Er hat gedacht an seine Barmhertzigkeit vnd an seinen Eyd / vnd hat das heylsame Horn auffgericht / vns diese Gnade zu geben / daß wir erlöset auß der Hand vnser Feinde / jhm dieneten ohne Furcht vnser Lebelang / in Heyligkeit vnnd Gerechtigkeit die jhm gefällig ist. Wann in Christo das heylsame Gnadenreich nicht auffgerichtet were / könten wir GOTT diesen Dienst nicht leysten. Dann so lang wir noch vnter Sünd vnnd Teuffel seyn / können wir GOtt nicht dienen; sondern seyn Diener deß Sathans vnnd der Vngerechtigkeit: Wann wir aber vom Teuffel vnnd Sünd erfreyet /
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seyn wir GOttes Diener. So lang die Kinder Israel mit dem harten Dienst Pharaonis bedruckt waren / köndten sie GOtt keinen offentlichen Dienst leysten. Da sie Pharao muste loß lassen / opfferten sie dem HERREN. So lang wir seynd in der Gewalt deß Satans / läßt er vns nicht zu / Gott zu dienen; wann wir aber von seinen Banden erfreyet werden / so fahen wir an GOtt zu dienen. Wie wir nun GOTT nicht dienen können / es sey dann daß wir vor loß seyn vom Dienst der Sünden vnnd deß Sathans; so könten wir viel weniger Gott ohn Furcht in stätiger angenehmer Heyligkeit dienen / wann nicht diß Gnadenreich auff gerichtet were. Zwo Vrsachen haben wir erzehlet / auff welche GOtt gesehen hat / in Auffrichtung eines heylsamen Gnadenreichs; erstlich Gottes gnädige Verheissung; Zum andern / den heyligen freyen Gottes dienst. Den heyligen Dienst sucht er mit seinem Gnadendienst daß ers aber suche / beweget jhn seine grundlose Barmhertzigkeit / vnd gnädige Verheissung. Nun ist noch eins vbrig. Dann was für Diener braucht vnser(Ministerium, quo mediante Christi regnu̅ administratur.) König in seinem heylsamen Gnadenreich? Da sihet der alte Zacharias sein Kind an / vnnd gedenckt wozu er geboren: Vnd du Kindlein wirst ein Prophet deß Höchsten heissen / du wirst vor dem HERRN hergehen / daß du seinen Weg(V. 76. 77.) bereytest / vnd Erkäntnuß deß Heyls gebest seine̅ Volck. Er will sagen; du mein Sohn wirst nicht der HERR seyn in diesem heylsamen Reich / sondern nur ein Diener. Du wirst ein Prophet deß Höchsten heissen. Was soll er aber thun in seinem prophetischen Ampt? Er soll vor dem HERREN hergehen / seinen Weg bereyten / vn̅ seinem Volck geben das Erkäntnuß deß Heyls. Dieses haben zuvor von diesem Kinde geweissaget / Esaias vnnd Malachias. Dann durch Malachia spricht der HErr im 3. Cap.(Mal. 3. 1.) Sihe ich will meinen Engel senden / der für mir her den
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Weg bereyten soll / vnnd bald wirdt kommen zu seinem Tempel der HERR / den jhr sucht / vnnd der Engel deß (Esai. 40, 3. 4.) Bunds / deß jhr begehrt. Beym Esaia aber am 40. stehet: Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüsten / bereytet dem HERRN den Weg / macht auff dem Gefilde eine ebne Bahn vnserm GOtt / alle Thal sollen erhöhet werden / vnnd alle Berge vnd Hügel sollen geniedriget werden / vnd was vngleich ist / soll eben / vnd was höckericht ist / soll schlecht werden. Da findet sich etwas / daß Johanni allein zukompt / etwas das gemeine ist / vnnd auch andere mit Johanne thun sollen. Der Johannes muste das Ampt zwar anfangen aber nicht enden. Das gemein Werck / daß auch andere müssen treiben / ist. Heyl predigen / vnd dem HERRN einen Weg bereyten. Der Weg wird bereytet durch die Predigt der Buß. Da wird der Mensch geführet zur Erkantnuß der Sünden durchs Gesätz / durchs Evangelium aber wird er auff Christum geführet / als das Lamb GOttes / in demselben findet er Vergebung der Sünden. Da werden die Berge geniedriget / vnnd die Thal erhöhet. Wann ein Mensch sich für einen elenden Sünder erkennet / vnnd wie er gar nichts sey / da fällt der Muth / vnnd ist dem Heyland der Weg bereytet / welcher mit seinem Heyl den Muth wieder auffrichtet. Diß ist ein Werck aller Prediger / das aber kompt Johanni für allen absonderlich zu / daß er vor dem HERRN hergehet als sein Herhold / vnd ankündiget / daß nun einmal vorhanden sey der HERR der Messias / vnnd darinnen ist er mehr als ein Prophet; dann da alle andere Propheten vor Johanne Christum nur von ferne gesehen vnd verkündiget: Sihe es wird einer kommen; da hat Johannes das Glück / daß er vnmittelbar vor dem HERREN Messia hergehet / vnnd jhn mit Fingern zeyget. Damit hat Johannes den Anfang gemacht / in dem Predigampt deß newen Testaments.
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Das ist nun kein geringschätzig Werck / sondern ein nothwendiges Ampt. Am Wort ist so viel gelegen / als an Christi Blut. Dann was Christus für Wolthat mit seinem Blut erworben hat / das wird alles durchs Wort außgetheylet. Wie soll jemand glauben(Ro̅. 10. 14.) / von dem er nichts gehört hat? Wie soll er aber hören ohne Predigen? Rom. 10. Solche Wichtigkeit solte ja Predigern Fleiß einjagen / daß sie mit aller Sorgfältigkeit darnach trachten / wie sie Christo die Thüre weit machten / vnnd Christo eine Stätte in den menschlichen Hertzen bereyteten. In Beschreibung dieses Predigampts / gewinnet Zacharias Gelegenheit einen kurtzen Begriff deß gantzen Evangelij vns fürzulegen daß da soll gepredigt werden. Dann weil das Ampt der Prediger ist / Heyl predigen / muß man wissen / was die Predigte deß Heyls in sich begreiffe. Wann nun Zacharias von seinem Sohn gesagt: Du wirst dem Volck GOttes geben das Erkäntnuß deß Heyls / erkläret er nachfolgends das Heyl; nemlich es sey ein solches Heyl / daß da bestehe in Vergebung jhrer Sünde /(V. 77. 78. 79.) durch die hertzliche Barmhertzigkeit vnsers GOttes / durch welche vns besucht hat der Auffgang auß der Höhe / auff daß er erscheine denen / die da sitzen im Finsternuß vnd Schatten deß Todtes / vnd richte vnsere Füsse auff den Weg deß Friedes. In diesen Worten wirdt vns erstlich angezeyget vnser Zustandt im Gefängnuß. Wir fassen im Finsternuß vnnd Schatten deß Todes. Der fleischlicher Sinn ist eine Finsternuß / darinn viel hundert tausent seyn vntergangen. In derselben seynd wir alle gesessen. Wann in diser Finsternuß die todte Werck / vnnd das fleischliche Wesen auffwachen / gehet auff der Schatten deß Todtes / das ist ein tödtliches Schrecken / dann da scheint kein Liecht der Gnaden. Gleich wie ein Schatten etlicher massen den
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Leib abbildet / also ist der Schrecken deß Gewissens ohne Trost deß Evangelij eine Figur vnd Abbildung deß Todtes. Darauff auch endlich folget der ewige Todt / der ewig naget vnnd würget. In diesen Ketten der Finsternuß seynd wir alle gebunden gelegen. Ist dann kein Trost noch Heyl vorhanden? GOtt Lob ein grosses Heyl. Worinnen dasselbe bestehe ist das ander daß in diesem Stuck Zacharias zeiget / nemblich in Vergebung vnser Sünde. Nach deinem Vrtheil ist selig zu schätzen / der sein Außkunfft hat / der gesundes Leibes ist / der Gunst der Leuthe hat / vnd in hohen Ehren sitzet. Aber nach deß heiligen Geistes Vrtheil ist selig / dem die Sünde vergeben seyn. Wol dem / dem (Psal. 32, 1.) die Vbertrettung vergeben sind / dem die Sünde bedeckt ist / wol dem Menschen / dem der HERR die Missethat nicht zurechnet. Im 32. Psalm. O Mensch / wüstestu was Sünde für ein schröcklich Vnheil were / wie würdestu dich so selig schätzen / daß du kanst Vergebung der Sünden haben. Fragstdu aber: Bestehet dann in der Vergebung der Sünden alle Seligkeit? Hat ein Christ nichts mehr als das im Reich Christi zu erwarten? So wisse / wann du nach Vergebung der Sünden nichts anders zu erwarten hättest / als nur daß du entfreyet werest / von der ewigen Höllenpein / hättestu dich hoch zu frewen. Aber es kan vnnd mag nicht dabey bleiben. Dann der Mensch ist zur Ewigkeit verordnet. Dieselbe ist zweyerley / entweder ewige Seligkeit / oder ewiges Elend. Die Sünde stürtzet vns in ewige Verdamnuß. Wann aber die Sünde vergeben ist / so ist auch nichts mehr verdamliches an vns / sondern Gerechtigkeit. Dann wo keine Sünde ist / da ist Gerechtigkeit / vnd folgendes Leben vnd Seligkeit.
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Das ist noch wol ein rechtschaffenes Heyl / wie kompt man aber dazu? Diß ist das dritte / daß vns Zacharias in seinem Sum̅arischen Evangelio zeyget / in dem er offenbaret alle Mittel / die vns zur Seligkeit helffen müssen. Vnter denen ist das erste / die hertzliche Barmhertzigkeit GOttes. Wann GOtt eine sündliche Creatur straffet / heißt es Zorn; wann er aber durchs Elend seiner Creatur zur Hülffe bewogen wirdt / heißts Barmhertzigkeit. Wann dann der Mensch durch die Sünde / recht elend geworden / hat GOTT auß hertzlicher Barmhertzigkeit solch Elend angesehen. Das ist der Anfang zu vnser Seligkeit. Dann die verlorne vnd verdorbne Creatur / könte jhr selbst gar nicht helffen / auch von keiner andern Creatur Hülff erwarten. Die reine Creaturen wollen den Verbanneten nicht erfreyen: Dann wann der Schöpffer zürnet / zürnet sein Geschöpff mit: Sie können auch nicht / dann sie begehren wieder jhren Schöpffer nicht zu kriegen. Darumb ist nichts vbrig das helffen kan / als GOttes hertzliche Barmhertzigkeit. Was thut dann die Barmhertzigkeit? Sie sendet vns den Heyland. Durch die hertzliche Barmhertzigkeit vnsers GOttes besucht vns der Auffgang auß der Höhe Das ist das ander Mittel zur Seligkeit: Nemblich JEsus Christus mit seinem Verdienst im Glauben ergriffen. Vergebung der Sünden geschicht nicht ohne Verdienst. GOTT will sein Ehr vnd Recht bezahlt haben / das erfordert die ewige Gerechtigkeit. Wir könten nicht zahlen / darumb muste ein Mittler dazwischen kommen. Daher ist vns auß der hertzlichen Barmhertzigkeit deß Vatters gesandt der Auffgang auß der Höhe. Hie ist noth / daß man den Heyland kenne / beydes nach seiner Person / vnnd nach seinem Ampt. Seiner Person nach / ist er nicht ein blosser Mensch / wie ich vnd ein anderer / sondern der Auffgang auß der Höhe. In der Höhe / vber alle Creaturen / da nichts
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dann Höhe ist / auch nichts höhers ist vnd seyn kan / da höret dieser Heyland zu Hause / vnnd gehet auff vom Vatter wie der Glantz von der Sonnen. Dieser Glantz besucht vns / in dem er sich hat sehen lassen durch die Menschwerdung in dem heyligen Leibe Christi. (Ioh. 1, 14.) Dann wir sahen seine Herrligkeit / als die Herrligkeit / deß eingebornen Sohns vom Vatter. So haben wir nun hie einen vermenschten GOtt. Dessen Ampt wirdt beschrieben / daß er vns besucht habe / auff daß er erscheine denen die da sitzen im Finsternuß vnd Schatten deß Todtes / vnnd richte vnsere Füsse auff den Weg deß Friedes. Das geschicht erstlich durch den Glauben. Wann Christus gepredigt / vnnd durch den Glauben erkandt wirdt / da scheinet den armen Sündern die Sonne. Hernach geschichts durch den Geist Christi. Dann Christus gibt seinen Glaubigen den heyligen Geist / durch denselben richtet er jhre Füsse auff den Weg deß Friedes / das ist / er macht vns tüchtig / GOtt zu dienen ohne Furcht in Heyligkeit vnd Gerechtigkeit / die GOtt gefällig ist. Der Füsse Ampt ist / nicht allein daß sie deß Leibes Stützen seyn / sondern auch daß durch dieselbe der Mensch fortgehe vnd wandele. Der Weg dardurch wir wandeln ist zweyerley / der Weg deß Friedens / vnnd der Weg deß Zorns. Vorhin haben wir gewandelt auff dem Weg deß Zorns / der voller Finsternuß vnnd Verdamnuß ist / darauff man GOtt nicht gefallen kan. Da wurden wir getragen durch den bösen Geist / durch desselben Behülff lieffen wir auff diesem vnheilsamen finsteren Wege. Nach dem aber dieser Geist abgetrieben / hat Gott vns gegeben den Geist seines Sohns / der vns führet auff den Weg deß Friedes / da das Gewissen sicher / vnd sich für dem Teuffel nicht fürchten darff. Wann die Person durch Christi Verdienst mit GOtt versönet ist / so befleissiget sie sich / nach GOttes Wolgefallen zu leben / welches dann auch Gott angenehme ist durch seinen Sohn / in welchem wir eine ewige Versöhnung haben.
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Auff solche Weise hat Zacharias kürtzlich die gantze Art vnserer Seligkeit entdeckt / in dem er hat wollen beschreiben das Ampt seines Sohns. Da gehet alles in solcher Ordnung auff einander: Johannes vnd alle getrewe Lehrer seynd Propheten deß Allerhöchsten. Was ist jhr Verrichtung? Sie müssen dem HErrn den Weg bereyten. Wie bereyten sie den Weg? Wann sie dem Volck Gottes geben das Erkäntnuß deß Heyls. Worinn bestehet das Heyl? In Vergebung der Sünde. Wodurch erlangt man Vergebung der Sünde? Durch die hertzliche Barmhertzigkeit vnsers Gottes. Was thut die Barmhertzigkeit Gottes? Sie sendet vns den Auffgang auß der Höhe. Wozu besucht vns der Auffgang auß der Höhe? Daß er vns von dem Wege der Finsternuß führe auff den Weg deß Friedes. Damit wird der Lobgesang geschlossen. Sehen wir nun zurück. Finden wir drey Hauptstück / davon in diesem Lobgesang gehandelt. Erstlich wird beschrieben das heilsame Gnadenreich vnsers Christi. Zum andern / werden die Vrsachen angedeutet / warumb diß Gnadenreich auff gerichtet. Zum dritten; ist das Lehr-Ampt beschrieben / dadurch diß Reich verwaltet wird. Dabey zugleich ein kurtzer Begriff der Lehre auff gesetzet ist / die im Reich Christi soll getrieben werden. Darauß lerne eine Gottfürchtige Seele / was das fürnembste(Usus 1. Didacticus, ut bonu̅, quod in regno Christi habemus, agnoscam 9. Ioh. 6, 26. 27.) Gut sey / dafür GOtt zu dancken; nemblich daß GOTT ein Gnadenreich angerichtet / vnd wir mit dazu gehören. Weltkinder weren zu frieden / wann jhnen die Taschen mit Gelde gefüllet würde / vnd jhnen dazu ein schön reiches Weib / schöne Kinder / grosse Häuser geschenckt würden / vnd was die Welt mehr begeret. Aber sie wissen nicht / was jhnen heylsam ist. Da Christo auff eine Zeit eine grosse Menge folgte / nicht darumb daß sie könten Vergebung der Sünden haben vnnd selig werden / sondern daß sie gesehen / wie er wunderlicher Weise viel tausendt Menschen mit wenig Brodt speisen vnnd sättigen köndte: Da sprach der HERR:
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Würckt Speise nicht die vergänglich ist / sondern die (Iohan. 6, 26, 27.) da bleibt in das ewige Leben. Johan. 6. Was vns führet zum ewigen Leben / ist viel höher zu achten dann alle Schätze der Welt. Das Heyl in Christo ist ein thewr erkaufftes Gut. Eine oder zehen Welt schaffen / oder einen reich machen / ist Gott nicht schwer; aber den verlornen Sündern eine Erlösung zu bereiten / hat jhn gar viel gekostet. Das Heyl in Christo ist das nützlichste Gut. In dem Reich Christi finden wir / Gnad / Vergebung / Liecht / Friede / Frewde / Sicherheit / Seligkeit / vnnd alles gutes. Da haben wir den heyligen Geist der vns wiedergebirt / trewlich regieret / vnd von aller Versuchung erfreyet. Ach lasset vns GOtt ja Danck sagen / für solch groß Heyl. Jener danckte / daß er nicht zur Kröten erschaffen. Wie viel mehr seynd wir Gott Danck schuldig / daß wir nicht zur ewigen Verdamnuß erschaffen? Wie wurde einer frommen Mutter zu muthe seyn / wann sie wuste / daß das Kind welches noch vnter jhrem Hertzen lieget / solte ein Höllebrand seyn! Seynd wir davon erfreyet / vnnd haben vber das noch die him̅lische Frewd vnnd Seligkeit zu erwarten / solte das nicht Dancks werth seyn? (2. Consolatorius; ut contenti hoc bono vivamus.) Wann dann diß das fürnembste Gut ist / so befriedige sich auch eine jegliche fromme Seele mit diesem Gute. Wer in dem Reich Christi ein trewer Vntersaß ist / der sihet nicht viel darauff / ob er habe Friede / gut Gemach / vnnd gutes Außkommen in der Welt. Sein höchster Trost ist daß er ruhsamb / reich vnnd selig in Christo ist. Gut Gemach in der Welt haben / mag einen wol ärger machen / selig machts nicht. Es solle zwar niemand jhm die Hoffnung machen / als wann er kein Leyd fühlen würde im Reich Christi: Armut / Hunger / Kranckheit vnd Verachtung fühlen wir; doch können wir dabey gutes Muthes seyn / vnd Gott ohne Furcht dienen vnser Lebelang. Wan̅ kein Geldt im Beutel / kein Brod im Hause / damit du dich vnd deine Kinder sättigest / so achten wir vns verlassen. Aber wie kan der verlassen seyn / dessen König vn̅ Schutz
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herr Christus ist? O wie kan ein Christ so sicherlich sich der Regierung Christi er geben! Versaumet aber die Gnadenzeit nicht / sondern strebet darnach(3. Hortatorius, ut Deo serviamus.) / daß jhr in dem Heyl Christi ohne Furcht Gott dienen möget in angenehmer Heyligkeit vnd Gerechtigkeit. Wo Sünde / Teuffel / vnnd böses Gewissen regieren / da kan man GOtt vbel dienen. Darumb erkennet die hertzgründliche Barmhertzigkeit GOttes / damit jhr euch wieder alle Anfechtung der Sünden / deß Teuffels / vnd deß bösen Gewissens trösten vnd erfrewen könnet / vnnd durch Krafft deß Geistes Christi leistet Gott einen angenehmen Dienst / wieder das böse streitet / was jhr aber gutes thut / das thut GOtt zu Dienst. Was man aber thut Gott zu Dienst / das thut man erstlich nach Gottes Willen vnd Wolgefallen; hernach auß einem Willen GOtt zu dienen; nicht Menschen zu gefallen / sondern als Diener Gottes / für den Augen Gottes. Dieser Gottesdienst wirdt seyn ein angenehmes Danckopffer für Gott. Besser können wir Gott für sein Heyl hie auff Erden nicht preisen / als so wir jhm dienen ohne Furcht in Heyligkeit vnd Gerechtigkeit / die jhm gefällig ist. Hingegen kan man dieses Heyl nicht ärger verachten / als wann wir von der heilsamen Erlösung wider vmbkehren zur sündlichen Dienstbarkeit deß Satans. Welcher Knecht von dem Herrn / der jhn gekauffet hat / fliehet zu seinem vorigen Herrn / der bezeuget damit / daß er sich bey dem ersten besser befinde. Das ist gewißlich wahr bey den vnbußfertigen Christen / sie befinden sich besser bey dem Dienst deß Satans / als bey Gott. Für solchem Sinn behüte vns Gott gnädiglich. Verschaff vielmehr / heiliger Vatter / daß wir deine hertzgründliche Barmhertzigkeit mit danckbarem Hertzen recht erkennen / laß dieselbe vns führen auß der Finsternuß / auff den Weg deß Friedes; daß wir in aller Anfechtung durch dein hertzlich Erbarmung getröstet vnnd erfrewet / dir durch Krafft deß H. Geistes gehorsamlich dienen / ohne Furcht vnser Lebelang / in Heyligkeit vnd Gerechtigkeit die dir gefällig ist in Christo JEsu deinem Sohn Amen.
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Am Tage der Heimsuchung Mariae
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Vber das Magnisicat.
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Wie die Göttliche Wolthaten in Demuth von der Hand GOttes zu empfahen.
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TEXT VS Luc. 1, 46.
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V. 46. VNd Maria sprach: Mein Seel erhebt den HERRN. V. 47. Vnnd mein Geist frewet sich Gottes meines Heylands. V. 48. Dann er hat seine elende Magd angesehen / sihe / von nun anwerden mich selig preisen alle Kinds-Kind. 49. Dann er hat grosse Ding an mir gethan / der da mächtig / vnd deß Namen Heylig ist. V. 50. Vnd seine Barmhertzigkeit wäret jmmer für vnd für / bey denen die jhn förchten. V. 51. Er übet Gewalt mit seinem Arm / vnnd zerstrewet die hoffärtig sind in jhres Hertzen Sinn. V. 52. Er stösset die Gewaltigen vom Stul / vnd erhebt die Elenden. V. 53. Die Hungerigen füllet er mit Gütern / vnnd lässet die Reichen lähr.
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V. 54. Er dencket der Barmhertzigkeit / vnnd hilfft seinem Diener Israel auff. V. 55. Wie er geredt hat vnsern Vättern / Abraham vnd seinem Samen ewiglich.

Geliebte in Christo JEsu.
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GLeich wie ein Eisen das ander wetzet / also da das eingezogene(Exord. à Cantici occasione.) keusche Jungfrawenhertz / die Mutter Gottes Maria / mit jhrer alten Befreundin Elisabeth eine Zusammenkunfft hält / vnd ein Gespräch anstellet von der Barmhertzigkeit / die er verheissen hat Abraham vnd seinem Saamen / von dem gesegneten Saamen / vnd nun erfüllet / in dem Maria diese gesegnete Frucht vnter jrem Hertzen schon getragen; wird dadurch das fromme Gemüth der Jungfrawen Mariae zur demütigen Erkantnuß der grossen Barmhertzigkeit GOttes also beweget / daß sie herauß bricht mit jhrem Lob / vnd singet von der Güte Gottes mit einem Außbund eines Meister gesanges: Meine Seele erhebet den HERRN. Dann wie es nicht wol müglich ist / daß ein köstlicher frischer Balsam / wann er gereget vnnd vmbgerühret wirdt / nicht solte einen schönen Geruch von sich geben; also ist nicht wol müglich / daß die Gottselige Weißheit der Frommen / welche einem verschlossenen Balsam gleich ist / nicht solte einen anmutigen Geruch von sich geben / in Andacht singen / vnd loben; wann sie durch Gottselig Gespräch gerühret / vnnd durch die Gnad deß H. Geistes erwärmet wird. Es scheinet anfänglich / als wann Maria alleine auff jhre(A materiâ.) Person sehe / vnd die grosse Barmhertzigkeit Gottes / so jhrer Person erzeiget ist / in de̅ sie für allen Weibern zur Mutter deß Sohns GOttes erkoren; aber der Außgang zeiget es / daß sie weiter gesehen / vnd erwogen die Barmhertzigkeit GOttes die er dem gantzen
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menschlichen Geschlecht erzey get durch die gesegnete Frucht jhres Leibes; wie deß Sathans Reich vnd Macht zerbrochen; vnnd der Saamen Abrahams / das geistliche Israel / die Glaubigen / durch Christum errettet vnd erhöhet werden. Der Satan mit seinem Anhang ist gewaltig spitzfündig vnd hochmütig / aber er wird nieder gestossen vnnd muß zu Schanden werden. Er ist im Anfang erschaffen in höchster Krafft vnnd Weißheit / so viel eine blosse Creatur derselben fähig ist / doch hat er auch eine Freyheit gehabt / seine Weißheit woloder vbel anzuwenden. Wie er nun in seiner Weißheit wol erkandt das allerhöchste schönste Wesen der Gottheit / ist er begierig geworden GOtt gleich zu seyn. Er hat aber auch wol erkandt / dann er war klug / daß allein für sich selbst zu dieser aller höchsten Hoheit er nicht gelangen köndte / darumb hat er geschlossen / das muste seyn durch eine Vereinigung / auff solche Weise / wie nachmals GOtt mit dem Menschen in Christo vereiniget ist / darauff gefolget / daß ein Mensch wahrhafftig GOTT ist. Diß ist der Weg / dardurch er ohn Zweiffel gedacht hat ein GOtt zu werden. Wie jhm aber solche Hoheit abgeschlagen / wird er voll Vnmuths vnnd Grimmes. GOtt an jhm selbst kaner keinen Schaden thun / der ist jhm zu hoch / darumb nimbt er jhm für die besten Wercke Gottes anzugreiffen. Die heilige Engel / ausser denen / die mit jhm waren abgefallen / waren durch das Exempel jhrer abtrünnigen Gesellen schon gewarnet / vnnd durch Göttliche Güte im guten bestättiget. Darumb findet er bey denselben nichts zugewinnen / vnd kehret sich zu den Menschen / vnd nöthiget denselben mit List zum Abfall. Das geräth jhm / stosset den Sitz Gottes im Menschen vmb / vnd setzet sich hinein an Gottes Statt / vn̅ waren die elenden Menschen vnter deß Teuffels Macht vnd Tyranney gebracht vnd gewonnen. Durch solche Boßheit hat der Bösewicht gar wol verdient ewiglich verworffen zu seyn.
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Was thut aber GOttes Barmhertzigkeit bey dem armen Menschen? Er erhöhet jhn sehr / in dem GOtt selbst ein Mensch geworden; vnd das muß dem Teuffel zum ewigen Schimpff vnnd Spott gerathen. Dann der Mensch / den er vnter sein Gewalt gebracht hat / wird nicht allein erfreyet / vnnd zu Gnaden wieder auffgenommen; sondern auch die Herrligkeit / die der Satan begehret / nemblich ein GOtt seyn / wirdt dem Menschen gegeben. Das kräncket jhn vnd wird jhn kräncken / so lang der Mensch ein GOtt bleibt: Allermeist dieweil nicht allein der einige Christus von Gott erhöhet / sondern so viel hundert tausent Menschen / in vnnd durch denselben zu Göttlicher Himmlischer Herrligkeit geführet werden / daß man mit Frewden singen mag: Gott vbet Gewalt mit seinem Arme; den hoffärtigen spitzfindigen Gewaltigen stosset er zu Boden / vnd erhöhet die niedrigen Seelen. Auff diß Gnaden Gericht GOttes hat Maria Zweiffels ohn gesehen; vnnd wir sollen auch daran gedencken; wann wir mit der Maria singen wollen jhren Lobgesang: Meine Seele erhebe den HERRN. Es ist dieser Lobgesang so werth in der Christlichen Kirchen gehalten / daß sie jhn in Christlicher Versamblung jmmerdar gar offt abgesungen haben; vnd auch vnter den fürnembsten Vrsachen ist / warumb der Historien von der Heimsuchung Mariae ein eignes Fest zu gut angestellet / vnd anzustellen bey behalten wird / auff daß diser Lobgesang der Gemeine zu gewisser Zeit erkläret wurde. Darumb wollen auch wir auff dißmal eine kleine Zeit anwenden zu Erwegung dieses Lobgesanges. Welches wie es in der Wahrheit(Thema.) ist deß Menschen eigene Vnterdruckung / vnd GOttes hohe Erhöhung / als wollen wir es in Christlicher Einfalt nicht allein betrachten / als ein frewdenreich Preiß GOttes / für die Menschwerdung vnd das Reich Christi; sondern auch dahin zielen / daß wir darauß lernen die Gnaden Geschencke Gottes
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in Demuth von GOttes Barmhertzigkeit recht anzunehmen; GOtt gebe dazu seinen Geist vnd Gnade in Christo JEsu / Amen. (Eropositio de exultatione in Domino.) NAch dem das hochgesegnete / vnnd vber alle Welt hocherhabene Mägdlein / von der frommen alten Elisabeth höret hoch rühmen jre Glückseligkeit / vnd Heroischen Glauben: Gebenedeyet bistu vnter den Weibern / vnnd gebenedeyet ist die Frucht deines Leibes. Oselig bistu / die du glaubet hast! Deß solt sich wol manches Jungfräwlein erhoben haben. Aber Maria schlägt sich nieder / vnd erhebet Gott / macht jhn groß in jhrer Seelen / vnd singet jhm im Geist ein Frewden Lied. Ihr gantzes Vorhaben spricht sie auß mit diesen Worten: Meine Seele erhebt den HERRN / vnnd mein Geist frewet sich GOttes meines Heylandes. Zweyerley setzet Maria: Ich erhebe den HERRN; Ich frewe mich deß HERRN. Redet also von einem frew den reichen Preiß / damit sie den HErrn / GOtt jhren Heyland preisen will. (Terminus ad quem.) Hie müssen wir acht haben / wohin diß Frewdenreich Preiß gehet / vnnd woher es kommen. Wohin gehet doch jhr frewdenreiches Preiß? Was gedenckt sie zu erheben? Vnnd was ists darüber sie sich frewet? Weil sie war die Gebenedeyete vnter allen Weibern / hatte sie wol bey jhr selbst eine solche Glückseligkeit für allen andern / dessen sie sich frewen könte. Aber sie frewet sich nicht vber jhre Gaben / so begehret sie sich auch nicht selbst zu erheben. Der HERR ists / GOtt jhr Heyland / welchen sie erkennet als den Vrsprung jhres Heyls vnnd jhrer Seligkeit; vber den frewet sie sich / den begehrt sie auch auffs höchst zu erheben / vnnd groß zu machen. Es kan ja wol keine Creatur GOtt grösser machen als er
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ist; doch wann wir jhm in vnserm Glück die Ehre geben / seine Macht vnnd Gütigkeit / die er an vns beweiset / erkennen / vnd rühmen / so heists bey GOTT / daß wir jhn groß machen vnd erheben. Wie hingegen wir GOtt vnnd seine Ehre verringern vnnd klein machen / wann wir vns etwas zuschreiben / oder vns rühmen. Dan̅ so viel hie das eine Theil erhoben wird / so viel wird das ander niedergedruckt. Maria wie sie allein will den HERRN erheben; so begehret sie sich nirgends höher vber zu frewen als vber den HERREN / jhren Heyland. Dann es ist die Frewde zweyerley. Die eine ist fleischlich / vnnd gehet vber die Creaturen; die andere ist geistlich / vnd gehet auff GOtt. Alle Gottliebende Hertzen hüten sich / daß sie mit jhrer Lust vnnd Frewde nicht an den Creaturen kleben bleiben; lassen dieselbe nur Handleyter seyn / die vns weiter weisen / nemblich auff GOtt. Als wann man eine lustige Wiesen voller Blumen ansihet / das ergetzet den Menschen / aber das Hertz soll nicht bleiben bey der Wiesen vnd bey den Blumen / sondern soll sich zu dem Schöpffer erheben / als dem Vrsprung aller Schönheit. Hierumb auch / wann ein Christ GOtt will loben vnnd dancken für etwas gutes / daß jhm wiederfahren / muß er sich hüten / daß er sich nicht mehr frewe vber die Gabe als vber den Geber. Mancher wann er ein sonderlich Glück in seiner Nahrung bekommen / so er eine sonderliche Ehr vnnd sonst was liebes erlanget / spricht wol: GOtt lob; wenig aber seynd die sich vber GOTT frewen / sie lassen das GOtt lob im Munde bleiben / aber die Frewd deß Hertzens hanget an den Creaturen. Die Probe ists / daß man nicht leyden kan / daß das empfangene Glück sich wieder verliere; vnd wan̅ man mit dem einigen GOTT nicht kan zu frieden seyn. Aber die Marien Sinn haben / frewen sich vber GOtt viel mehr als vber seine Gaben dann die Gaben zu solchem ende gegeben werden / daß der HErr vns möge lieb werden. Hierumb ruffet auch die Schrifft: Frewet euch im HErrn allewege.
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(Terminus à quo.) Woher muß aber das frewdenreiche Lob GOttes fliessen? Der Maria Preiß steiget auß dem Geist vnd auß der Seelen. Sie spricht nicht schlecht: Ich lobe / ich frewe mich; sondern: Meine Seele lobet; mein Geist frewet sich. Sie erweckt den gantzen innerlichen Menschen mit allem Vermögen Leibs vnnd der (Psal. 103, 1.) Seelen; eben wie auch jhr Großvatter David im 103. Psalm: Lobe den HERRN meine Seele / vnd was in mir ist / seinen heyligen Namen. GOTT ist ein Geist / darumb können vnd sollen wir nicht so mit jhm reden wie mit einem Menschen / den wir für vns sehen / vnnd der nur auff den Mund achtung gibt; sondern er will im Geist geehret seyn. Wann wir aber GOtt auß dem Grund der Seelen preisen wolle̅ / ist nötig / daß wir Gottes Werck vnd Gnad wol verstehen vnd wol erwegen. Dann was nicht vor im Hertzen wol erwogen wird / das kan auch nicht von Hertzen gehen. Daher kompts / daß das Dancksagen der Christen / so kalt ist; dann es ist im Hertzen nicht warm gemacht / das ist / es werden Gottes Gnadenwerck im Hertzen nicht recht erwogen. Das Vorhaben der Jungfrawen Mariae haben wir gehöret / wie sie sich von Hertzen vber GOttes Güte vnnd Barmhertzigkeit frewet / als will sie auch von Hertzen den HERRN / GOtt jhren Heyland erheben; nun müssen wir auch auff die Vrsach sehen / dadurch Maria zu diesem frewdenreichen Preiß bewogen ist / wie dieselbe den gantzen Lobgesang hindurch angezeyget wird. (Exultationis causa, concèptio filij Dei.) Die Gaben GOttes müssen zwar so hoch nicht von vns gehalten werden / daß wir in denselben mit vnserer Hertzens frewde beruhen bleiben / dennoch haben sie die Krafft / daß sie Frewde in vns erwecken. Die Gabe die Mariam frölich macht / ist vorhin von der alten Elisabeth gerühmet mit diesen Worten: Gebenedeyet bist du vnter den Weibern / vnnd gebenedeyet ist die Frucht deines Leibes; O selig bist du / die du geglaubet hast.
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Maria war die gebenedeyte vnnd selige Mutter deß gebenedeyten Samen / dadurch solten gesegnet werden alle Geschlechte der Erden. Eva hat den Todt vber die Menschen gebracht; Maria trägt vnd gebiret das Leben vnd den Segen. Das war ein Glück / nicht allein für Maria / sondern für der gantzen Welt. Darumb betrachtet sie solch Werck / zu erst als eine grosse(Quae consideratur 1. ut magna felicitas.) Glückseligkeit: Er hat seine elende Magd angesehen / sihe von nun an werden mich seelig preisen alle Kindes Kind.(V. 48.) Maria nennet sich deß HERRN Magd. Es ist sonst eine Ehre / wann einer sich rühmen kan / er sey GOttes Knecht oder Magd. Hie aber ists ein Zeichen der Demuth. Da sie GOtt gemacht hatte zur Mutter seines ewigen eingebornen Sohns / will sie sagen; HERR wer bin ich? Ich bin nicht werth daß ich soll deine Magd heissen / vnnd du hast mich erkoren / daß ich soll seyn die Mutter deines Sohns. Diese Magd deß HERREN betrachtet sich in zweyerley Standt; im Stande der Niedrigkeit / vnnd im Stande der Erhöhung / in dem sie sagt: GOTT hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Die Niedrigkeit ist zweyerley / die eine im im Glück / die andere im Gemüthe. Dann mancher ist niedrig im Glück / vnnd mag bey seiner Betteley noch einen stoltzen Muth führen: Hingegen ist mancher an Glück reich vnd hoch / vnd darff doch wol recht niedrig vnnd demüthig im Hertzen seyn. Bey Maria hat sich gefunden Niedrigkeit beydes am Glück vnnd im Hertzen. Wann sie heute solte in der Welt leben / müste sie bey anderen prächtigen Damen vnd Courtisannen wenig gelten; eben wie Christus / wann er leiblich vnter vns wohnen solte / bey den Herren Chevaliers in der Welt wenig würde geachtet werden. Doch ist Maria glückselig / dann GOtt hat jhre Niedrigkeit angesehen. So lang wir in Noth vnnd Elend stecken / scheints als wann Gott
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vnser nicht achte / so bald aber GOTT vns in vnserm Elend beyspringet / daß wir bekennen müssen / GOtt hab sonderlich für vns gesorget / soheißt es: Er hat einmal vns in vnserm Elend angesehen. Darumb will Maria so viel sagen: Wiewol ich ein niedriges vnnd bey jederman verachtes Mägdlein bin / daß es schein / als achtete meiner Gott nit / so hat er doch mein in meiner Niedrigkeit nicht vergessen / sondern sein gnädiges Angesicht zu mir gewendt / vnnd mich sehr erhaben. Vnd zwar ist Maria so sehr erhaben / daß sie billich für glückselig zu schätzen / wie sie dann in Demuth bekennet: Sihe von nun an werden mich seelig preisen alle Kindes Kind. Das demütige Marienhertz begehret hie nicht von vns angebeten seyn / daß wir sie als eine Fürsprecherin bey GOtt sollen anruffen; die Ehre gehöret allein zu Christo jhrem Sohn / der ist der einiger Mitler zwischen GOtt vnnd Menschen. Maria will hie groß machen die Wolthat Gottes die er jhr gethan hat / welche so groß ist / daß alle Welt dieselbe hoch preisen werde. Kurtz vorhin hatte die fromme Elisabeth sie selig gepriesen: Gebenedeyet bistu; O wie selig bistu Maria! darauff sihet das demütige Jungfräwlein / vnd spricht: Ja freylich muß ich gestehen / daß für allen andern ich in Gnaden angesehen bin; vnd du meine liebe Elisabeth / wirsts nicht alleine seyn / die mich glückselig preiset; sihe von nun an werden mich selig preisen alle Kindes Kind. Dann es wirdt allenthalben biß zum Ende der Welt geprediget vnd erkandt werden das Heyl vnsers Gottes / vnd der Segen der da wird fliessen auß der Gebenedeyten Frucht meines Leibes. Also erkennet Maria / vnnd preiset nicht allein die Wolthat Gottes / sondern weissaget auch von dem Reich jres Kindes / wie dasselbe würde ewiges Heyl herfür bringen vnd predigen lassen. (2. Ut opus Dei mirabile.) Es fahret Maria fort / vnnd preiset die Barmhertzigkeit die GOTT an jhr gethan / als ein sonderbar groß Gnadenwerck
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GOttes: Er hat grosse Ding an mir gethan / der da mächtig ist / vnnd deß Nahmen heylig ist / vnnd dessen Barmhertzigkeit wäret jmmer für vnnd für / bey denen die jhn fürchten. Das ist freylich ein wunderbar groß Ding / darüber sich alle Vernunfft verwundern muß / daß sie eine Jungfraw Mutter ist; noch wunderbarer vn̅ grösser ists / daß der Allmächtige Gott ist die Frucht jhres Leibes / vnd der ewige Schöpffer jhr natürlicher leiblicher Sohn / auß jhrem Geblüt vnd Samen wahrer Mensch geworden. Darumb preiset sie in diesem grossen Werck GOttes Macht / Heyligkeit / vnd Barmhertzigkeit. GOTT ist mächtig / vnd ist kein Ding bey jhm vnmüglich.(Luc. 1, 37.) GOtt ist heylig / daß auch alle Heyligen die Heyligkeit GOttes ewiglich nicht genug preisen können / da sie ohn auff hören singen mit allen Cherubin vnd Seraphin: Heylig / Heylig / Heylig(Es. 6, 3.) ist GOTT der HERRE Zebaoth / alle Land seynd seiner Ehren voll. GOtt ist barmhertzig / vnnd seine Barmhertzigkeit wäret jmmer für vnd für / bey denen die jhn fürchten. Hie merck die Läng vnd Breytder Barmhertzigkeit GOttes; sie wäret jmmer für vnd für. Wann das nicht were / könten wir leichtlich verzagen; dann wie bald ists geschehen / daß wir durch Schwachheit fallen? Wann dann Gott wolte seine Barmhertzigkeit entziehen / so were es geschehen. Aber merckt auch / was das für Leuthe leyn / die der ewigen Barmhertzigkeit sollen geniessen; nemblich die jhn fürchten. Seine Barmhertzigkeit wäret jmmer für vnnd für bey denen die jhn fürchten. Hie müssen solche Hertzen seyn / die nicht allein vber jhre Sünde betrübet seyn / weil sie wieder GOtt seyn sondern auch in allem jhrem Thun Gott für Augen haben / ob es jhm auch gefalle was sie anfangen vnd machen / vnnd die sich hüten / daß sie nicht etwas begehen daß wider Gott ist. So lange
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der Mensch ruchloß ist / vnnd fraget nicht nach GOTT vnd seinem Willen / verhinderter die Barmhertzigkeit / die sonst bereyt ist allen Menschen zu helffen: So bald aber ein Sünder sein Vnrecht erkennt / vnnd sich zu GOtt kehret mit demüthigem zerbrochnen Hertzen / so ist die Barmhertzigkeit bereyt / vnd höret nicht auff / die Sünder anzunehmen / gutes zu thun / allermeist an der Seelen; nur daß wir in kindlicher Furcht für jhm wandeln. Es geschicht (Prov. 1, 28.) wol zu weilen / wann GOtt lange geruffen / vnnd die Menschen nicht hören wollen / daß GOtt seinen Grimm außschüttet / vnnd will wiederumb nicht hören / wann schon die Menschen ruffen ängstiglich. Dannoch wo jemand mitten in der Straff sich zu GOtt kehret ängstiglich / ob er schon muß bleiben vnter der zeitlichen Straff / wird doch GOtt der Seelen schonen; dann in dem Stück bleibt seine Barmhertzigkeit ewiglich. Dieser Göttlichen Tugenden gedenckt Maria in jhrem Gesang / nicht allein / daß sie in diesem sonderbaren grossen Werck GOttes / da GOTT Mensch geworden / insonderheit herfür scheinen / sondern auch daß dadurch das Werck Gottes recht groß gemacht werde. Wo erscheinet die Macht Gottes mehr als in der Menschwerdung deß Sohns Gottes / vnd deß Menschen Erlösung? Wo leuchtet die Heyligkeit Gottes mehr / als da er seinen Sohn bereytet zu einer Heyligung der vnreinen verfluchten sündlichen Seelen? Wobey wird Gottes Barnthertzigkeit mehr erkandt / als da er seines Sohns nicht verschonet / sondern für vns alle dahin gegeben? Dadurch wird nun das Werck daß Gott an Maria gethan groß gemachet / wie sie dann singet: GOTT hat grosse Dinge an mir gethan. Sie hat sich vorhin genennet eine niedrige elende Magd. Damit bekennet sie erstlich jhre Vnwürdigkeit / welche wann sie schon alles gethan hat / was sie kan vnnd soll /
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dennoch sagen muß: Ich bin eine vnnütze Magd / ich hab nicht mehr gethan / als was ich schuldig bin. Hernach bekennet sie jre Niedrigkeit / nicht allein darumb / daß sie neben andern Menschen für Gott eine schwache / ohnmächtige / vnnd gantz nichtige Creatur ist; sondern vornemblich / daß sie für andern Menschen insonderheit eine arme verachte elende Magd gewesen / welche manches stoltzes Weib nicht würdig geachtet / daß es sie solte ansehen. Dieser jhrer Vnwürdigkeit vnd Niedrigkeit setzet sie entgegen Gottes Macht vnd Heyligkeit / vnnd machet damit klar vnndoffenbar / wie groß diß Gnadenwerck Gottes sey / daß GOtt hie gethan. Darumb will Maria so viel sagen: Wiewol Gott mächtig ist / heylig vnd hochgelobet in Ewigkeit / verachtet er doch das Niedrige nicht / sondern hat mich arme / vnnd für jedermann verachte Magd gnädiglich angesehen / vnnd mir vnwürdigen vnnd nichtigen Geschöpff so eine vnaußsprechliche Wolthat wiederfahr en lassen / daß ich seyn muß eine Mutter Gottes. Woher kompt aber das? Es ist nicht mein Verdienst noch Würdigkeit / sondern Barmhertzigkeit Dan̅ seine Barmhertzigkeit wäret jmmer für vnd für / bey denen die jhn fürchten. Das gehet vns alle mit an / wie vnwürdiger vnnd elender wir seyn / wie höher die Erlösung ist / die Gott vns in seinem Sohn bereytet; vnnd wie mehr wir GOttes Macht / Heyligkeit vnnd Barmhertzigkeit zu preisen haben. Insonderheit preiset die liebe Jungfraw allhie die sonderbare(Imprimis, ut opus videntiae mirabilis. V. 51. 52. 53.) vnnd wunderbahre Regierung GOttes; gegen Hohe vnd Niedrige. Er übet Gewalt mit seinem Arme / vnnd zerstrewet die hoffärtig seynd in jhres Hertzen Sinn; er stosset die Gewaltigen vom Stule / vnd erhebt die Elenden; die Hungerigen füllet er mit Gütern / vnd lässet die Reichen lähr.
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Hie muß man zween Hauffen machen / vnnd auff eine Seiten stellen was stoltz vnnd hoch ist / auff der andern Seiten was niedrig ist vnnd arm. In der mitten muß man GOtt stellen / als einen gewaltigen grossen Riesen / der Gewalt übet mit seinem Arm. Gottes Arm ist seine Macht. Diesen Arm hat er außgestreckt vber Egypten / vnnd Israel auß geführet mit einem starcken Arm. Denselben Arm streckt er noch auß / vnd übet Gewalt / daß jhm niemand wieder streben kan; den einen stosset er vom Stul herunter zu Bodem; den andern der im Staub ligt / erhält er. Zu dem ersten Hauffen zehlet Maria erstlich die hoffärtig seyn in jhres Hertzen Sinn / die mit hohen Gedancken vnnd stoltzen Anschlägen vmbgehen / entweder da sie sich gegen Gott vnd seine Warheit zu setzen gedencken; oder da sie eygen Nutz vnd Auffnehmen suchen. Viel ligen auff jhren Lägern vnd trachten / wie sie mögen hoch vnd in der Welt erhaben werden / oder wie sie mögen groß Macht vnnd Reichthumb zusammen bringen / solt es auch geschehen mit deß Nächsten Schaden. Das seynd allesampt Leuthe / die hoffärtig seyn in jhres Hertzen Sinn. Wie gehets jhnen? GOtt zerstrewet sie; wie Sprew für dem Winde / so werden sie mit all jhren Anschlägen für Gott stehen. Gott verruckt jhnen das Gehirn vnd verwirret sie / daß sie nicht wissen / wo sie mit jhrer Weißheit vnd Anschlägen hinauß sollen / daß sie auch jhr eygen Vnglück nicht sehen. Gott sihet jhnen wol ein wenig zu / vnd läßt sie fein kühn einher gehen / in jhrem stoltzen Sinn vnd Vornehmen; aber er gedenckt vnter dessen: Man her / Man her / du wirst recht anlauffen / vnd ehe sie es wissen / so ligen sie im Koth mit all jhren Anschlägen. Also vermeynte Pharao / er hätte das Volck Israel schon im Sack / vnnd gedachte nicht anders / nun müssen sie herhalten / aber es ward jhm sein stoltzer Sinn also verwirret / daß er sein Vnglück nicht sahe / lieff grad ins Meer hinein / vnnd ersoff mit seiner gantzen Macht. Also verruckten auch die
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stoltzen Anschläge dem Haman seinen Kopff an den Galgen / den er einem andern hätte auff richten lassen. Ein Griechischer Eisenfresser Ajax war auch stoltz in seines Hertzen Sinn / da er von seinem Vatter vermahnet ward / daß er sehe / wie er den Feind mit Gottes Hülffe vberwinde / fuhr er herauß: Die Faulen mögen mit GOttes Hülffe gewinnen. Das war ein wenig zu viel vermessen in seinem stoltzen Muth / darumb griff jhm GOtt ins Gehirn / vnd macht jhn rasend / daß er sich selbst ertödtet. Zum andern / zehlet Maria zu dem ersten Hauffen die Gewaltigen. GOTT verwirfft nicht schlechter Dings die Gewaltigen. Dann GOTT ist auch gewaltig / vnnd gibt Gewalt den Menschen Kindern / als eine Gabe zum gemeinen Nutzen. Hie wird aber geredet von den Gewaltigen / die jhren Gewalt brauchen wieder GOTT / vnd jhren niedrigen Nächsten. Die grossen Herren in der Welt verlassen sich gern auff Macht vnnd Gewalt / wollen jederman pochen vnd vnterdrucken. Was sagt Maria von jhnen? Er stosst sie vom Stul / er nimpt jhnen jhr Gewalt / vnd machts ein Ende mit jhrem Regiment. Erlässt sie zwar ein Zeitlang sitzen bey jhrer Gewalt; daß er seine demütige gedultige Christen ein wenig übe / vnd die Gottlosen straffe; vnd wie wolte sie Gott vom Stul stossen / wann sie nicht vor auff den Stul gesetzet weren? Darumb müssen sie so ein wenig sitzen vnnd Gewalt üben. Wanns dann GOTT gefällt / schlägt er zu: Herab vom Stul jhr Herren; jhr habt lang genug Gewalt gebraucht / laßt mich nun auch ein wenig Gewalt brauchen. Der allerschwerste Fall ist / wann die Gewaltigen Herren gestürtzet werden von jhrem Pracht vnd Macht in Abgrund der Höllen hinein. Zum dritten / zehlet Maria zu dem ersten Hauffen die Reiche̅ / Gleich wie GOTT nicht bloß vnd schlechter Ding die Mächtigen verwirfft / also ist er auch nicht bloß vnd schlechter Ding dem Reichthumb feind; dann es ist ja seine Gabe. Hie wirdt aber ge
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redet von solchen Reichen / die sich mit jhrem Reichthumb lassen sättigen / vnnd haben keinen Durst nach dem Him̅lischen. Deßgleichen seynd auch geistlich für reich zu achten / die keine Sünde bey jhnen fühlen / sondern so voller Weißheit vnnd Heyligkeit seyn / daß sie keiner andern bedörffen. Was sagt doch vnsere Meisterin von solchen Reichen? Er läßt sie lähr / er läßt sie lähr hinziehen; lähr so wol an zeitlichen Gütern als an geistlichen Gütern. An zeitlichem Gute macht GOtt sie lähr / wann er entweder bey Lebenszeit jhre Güter jhnen entziehet / oder durch den Todt sie von den Gütern ziehet / da sie allererst lähr müssen hinziehen / vnnd wie sie nichts mit sich gebracht / also auch nichts mit sich hinweg nehmen. Erlässet sie auch hinziehen lähr an geistlichen gütern. Dann gleich wie der Mensch keinen appetit hat zum Brod / wann der Leib mit Speiß vberfüllet ist / also wann der Mensch sich mit zeitlichen Gütern vberladet / vnd damit seine Begier de sättiget / vnnd dagegen den Seelenmangel nicht erkennet / so hat er kein Verlangen nach den Him̅lischen Gütern / vnd weil er kein Verlangen darnach hat / so strebt er auch nicht darnach / vnd erlanget sie auch nicht. Es ist bey jhm aller Evangelischer Trost vergebens / vnd wann er auch tausend Trostpredigten höret / schmecket er dennoch den Trost nicht. Vnd wann dann ein solcher Liebhaber der Welt stirbet / da muß er das zeitliche Gut verlassen / vnd das Ewige kan jhm nicht werden / da muß er dann recht lähr hinziehen / lähr von allen Gütern / lähr an Leib vnd Seel in Ewigkeit. Das heißt: GOTT läßt die Reichen lähr. Zu dem andern Hauffen zehlet die Mutter GOTTES die Elenden vnnd die Hungerigen. Hiedurch verstehen wir nicht einen jeden armen Bettler. Nichts haben ist an jhm selber kein Lob. Hieher gehören solche Leuthe / die Jammer vnd Dürfftigkeit bey jhnen finden / vnd in der Welt weder Trost noch Reichthumb haben / damit sie sich befriedigen können. Wann ich ein Christ bin / vnnd habe die gantze Welt voll Silber vnnd Gold / so
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laß ich mich damit nicht begnügen; ich will jmmer noch mehr haben / so geitzig bin ich / wann ich ein Christ bin. Vrsach ist: Dann ein Christ erkennet seine Dürfftigkeit / vnnd weiß daß dieselbe mit keinem Gelde kan gehoben werden: Hie muß ein ander Gut seyn. Die nun jhre Niedrigkeit erkennen / jhr Vnvermögen fühlen / vnd von sich selbst nichts halten / vnnd weil sie in sich selbst / vnnd in der Welt für jhre Seele keine Sättigung finden können / zu GOTT seufftzen / vnd von GOtt begehren gesättiget zu werden / das sind die rechten Elenden vnd Armen / die in heyliger Schrifft geistlich arm genennet werden. Was wird von diesen gesagt? GOTT erhebet die Elenden / vnnd die Hungerigen füllet er mit Gütern. Er erhebt sie zeitlich vnnd ewiglich: Zeitlich / da er auch zuweilen die Elenden herfür ziehet vnd zu Ehren bringet / ewig / da mancher schlechter Gesell / mancher armer Bawr / in der ewigen Seligkeit vber seinen stoltzen Edelmann / Fürsten vnd Herren wird erhaben seyn. GOTT füllet sie mit Gütern / so wol Zeitlichen / daß er sie nicht wolle Hunger sterben lassen / solten jhnen auch die Raben das Brodt zuführen / als Him̅lischen / welchs die rechten Güter seyn. Deß Zeitlichen wirdt hie nicht groß geachtet / als welches auch bey den Gottlosen zu finden. Wann aber den Gottseligen ein zeitliches Glück wiederfähret / erheben sie jhr Hertz zu dem rechten ewigen Seelen Gut / vnnd gedencken / sihe diß ist nur Spielwerck: Daß ich in GOtt reich bin / vnd in GOTT geehret werde / ach was muß das für eine Seligkeit seyn? Daher die Heyligen wann sie GOtt dancken für einen zeitlichen Segen / mehr auff das geistliche Gut / als auff das zeitliche sehen / wie die fromme Hanna / nach dem sie den Samuel geboren / vnnd der alte Zacharias / wie er den Johannem empfangen. Es soll aber niemand zu dieser Gnad kommen / er sey dann bey jhm selbst niedrig vnnd arm. Wer nicht niedrig ist / den will GOTT nichterheben. Er leydet nichts vber sich / nichts neben
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sich. Darumb auch wann er was grosses machen will / sihet er nicht vber sich / auch nicht neben sich / sondern vnder sich / vnd seine Lust ist in dem nicht zu arbeiten / vnnd auß nichts etwas zu machen. So will er auch niemand sättigen mit seinen him̅lischen Gütern / er sey dann hungerig. Der den Jammer seiner Seelen nicht will erkennen / dem wird auch kein Seelentrost nutz. Damit preiset nun Maria GOttes Leuthseligkeit vnnd Freundligkeit / daß er sich deß Niedrigen annimpt. Sie köndte gedencken auff das Wüten Herodis / welcher allerley Anschläge vornahm wieder den Messiam / seine Geburt zu wehren / vnd wuste nit daß die arme Magd Maria den König der Jude̅ solte zur Welt tragen / also ward er zu nicht mit all seinen Anschlägen. Maria könte gedencken an die stoltze Anschläge deß Sathans / wie derselbe darnach getrachtet / die arme Menschen ewiglich vnter sein Joch zu bringen. Sie köndte gedencken / wie der reiche vnnd mächtige Hauff in der Welt dem Reich GOttes feind ist / vnd hingegen das arme Israel sehr bedrengt / vnd insonderheit das Hauß David sehr geniedrigt war. Sie gedachte auch auff jhre eygne Person. Wann dann Gott das stoltze vnd hohe niederstoßt / vnd das niedrige vnnd demütige erhebt / deß frewet sich Maria / vnnd preiset GOttes Leutseligkeit. Bey solcher Weise bleibt Gott auch wol / so lang die Welt stehet. Dann was Maria hie singet / hat jhr Großvatter David (Psal. 113, 5.) viel Jahr zuvor gesungen im 113. Psalm: Wer ist wie der HERR vnser GOtt / der sich so hoch gesetzet hat / vnnd auff das Niedrige sihet im Himmel vnnd Erden? Der den Geringen auffrichtet auß dem Staub / vnnd erhöhet den Armen auß dem Koth / daß er jhn setze neben die Fürsten / neben die Fürsten seines Volcks. Diß erkennet (Iudith. 9, 16.) auch die hertzhaffte Judith in jhrer Historia am 9. Capitel.
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Es haben dir die Hoffärtigen noch nie gefallen / aber allezeit hat dir gefallen der Elenden vnnd Demüthigen Gebett. Vnser Heyland selbst spricht Lucae am 16. Was hoch(Luc. 16, 138.) ist vnter den Menschen / das ist ein Grewel für GOtt. Seynd hefftige Wort / dergleichen auch Petrus braucht in seiner(1. Pet. 5, 5.) ersten Epistel am 5. Capitel. GOtt wiederstehet den Hoffärtigen / aber den Demütigen gibt er Gnade. Was sich will zu hoch erheben / stoßt den Kopff / was hoch ferab fällt / fällt schwer / was sich zu sehr auff blaset / muß bersten. Gott spielet offt also mit den Hoffärtigen / daß er sie läßt jmmer höher vnnd höher steigen / hernach läßt er sie mit eins fallen. Tolluntur in altum, ut lapsu graviore ruant. Hingegen läßt er die Niedrigen ein Zeitlang in jhrer Niedrigkeit je länger je tieffer sincken / daß er sie deßzu mehr erfrewe / wann er sie erhöhet zu seiner Zeit. Wir sehen wie der Donner vnnd starcke Winde hohe Thürne / vnd starcke Eychbäume niederschlagen / aber das schwache Rohr bleibt für jhnen stehen. Also nimpt Gott der HERR offt einen grossen König / als den Saul / beym Kopff / vnd schmeist jhn zu Boden; vnnd nimpt einen elenden Hirten / als den David / vnd setzet jhn ein zum Könige. Diesem geben Zeugnuß mit jhrem Exempel Joseph / Esther / Mardachai / Haman / Nebucadnezar / vnd alle Historien / geistliche vnd weltliche / seynd voll derselben Exempel. Es ist noch eins vbrig in vorhabendem Lobgesang / dann daß(3. Utauxiliu̅ Israelis.) Maria eine Mutter GOttes geworden / betrachtet sie auch endlich / als eine Erhöhung deß gantzen Israels: Er hilfft seinem Diener Israel auff / auff daß er gedencke der Barmhertzigkeit ewiglich / wie er geredt hat vnsern Vättern / Abraham / vnd seinem Saamen. Damit erkläret sich Maria /
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vnd zeyget an / warumb es jhr zum meisten zu thun / nemblich sie sihet nicht allein auff jhre Person / sondern auff das gantze Israel. Das Volck GOttes war dazumal in betrübtem Stande. Sie waren kaume auß der Babylonischen Gefängnuß entfreyet / da wurden sie hart gedruckt vnter mancherley Tyranney außländischer Könige / biß endlich die Römer sie gar vnter sich gebracht / vnd bey diesem vnglückseligen Zustandt war der grösseste Jammer die geistliche Finsternuß / daß fast das Erkandtnuß deß Messias verlöscht war. Diesem Volck wird nun auffgeholffen. Wie aber? Nicht leiblich sondern geistlich / in dem Gott seinen Sohn zum Heyland sendet / auff welchen alle Heyligen von Anfang gehoffet haben. Wann Christus kompt / so wirdt dem gantzen Israel / das ist allen Glaubigen auffgeholffen. Dann darumb wirdt Christus in die Welt gesandt / daß Gott eine ewige Barmhertzigkeit auffrichte. Were kein Christus / so were auch keine Barmhertzigkeit für den armen Sünder: Nun aber Christus in die Welt kommen ist / so vergisset Gott der Barmhertzigkeit nicht / sondern gedenckt derselben ewiglich. Durch solche Barmhertzigkeit seynd die Völcker selig geworden / durch solche Barmhertzigkeit werden auch selig werden alle Glaubige biß ans Ende der Welt. Beydes geschicht nach Gottes Verheissung / wie er geredet hat. Nemblich daß GOTT seinen Sohn sendet / vnd daß er durch denselben eine ewige Barmhertzigkeit anrichte. Dahin gehören alle Verheissungen von Christo. Mercke aber wie Maria saget: Daß die Verheissungen / die Gott den Patriarchen vnd Altvättern gegeben / Abraham vnnd seinen Saamen angehen / das ist / die Glaubigen / wie Paulus es erkläret zun Römern am 4. Also finden wir alle Stücke der Seligkeit / Glaub vnd Verheissung / den Versöhner / vnd Barmhertzigkeit.
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Hiemit endiget sich der Lobgesang Mariae / der soll auch nun vnser seyn. Wir haben Vrsach mit Frewden GOtt zu loben / dann er hat nicht allein an der Jungfrawen Marla groß Ding gethan / sondern dem gantzen armen Israel / einer jeglichen demütigen Seelen; denen hilfft er auff durch Christum / vnnd erfüllet sie mit reichen him̅lischen Gütern. Heylig / Heylig ist vnser Gott / der so grosse Dinge an vns gethan hat. Es beschawe sich aber ein Christ in diesem Lobgesang / als in(Doctrina. Quid faciendum Chistiano videnti vel audie̅tisua dona.) einem Spiegel hertzlicher Demuth / vnnd lerne auß dem Exempel eines demütigen Mägdleins / wie wir vns gegen GOttes Gaben verhalten sollen / wann wir entweder dieselbe an vns sehen / oder durch andere rühmen hören. GOTT hat das arme Marien Mägdlein weit vber alle(Ubi 1. Mariae in humilitate exemplu̅.) Welt geehret / damit daß sie solte seyn / die Mutter seines Sohns; sie war auch in dem Englischen Gruß deß wegen schon selig gepriesen / als welcher für allen Menschen GOtt eine sonderliche grosse Gnade bewiesen: Du hast Gnade bey GOtt funden / spricht der Engel / dein Sohn / den du gebären wirst / wirdt nicht seyn ein weltlicher Fürst vnnd Monarch / er wirdt vnendlich viel grösser seyn / vnnd ein Sohn deß Allerhöchsten genennt werden. Der heylige Geist wird vber dich kommen / vnnd die Krafft deß Höchsten wird dich vberschatten / darumb auch das Heylige daß von dir geboren wirdt / wird GOttes Sohn genennt werden. GOTT der HERR wird jhm den Stul seines Vatters David geben / vnd er wird ein König seyn vber das Hauß Jacob ewiglich / vnnd seines Königreichs wirdt kein Ende seyn. Er wirdt JEsus heissen / vnnd du wirst sehen / wie in seinem Namen / in dem Namen JEsu / in dem Namen deines Sohns sich beugen werden alle Knie / derer die im Himmel / auff Erden vnd vnter der Erden seyn. Das seynd warlich nicht geringe Sachen. Wie es eine betrübte Mutter tröstet / wann sie gedenckt / wie sie jhr liebes Kindlein / als ein junges Paradiß pfläntzlein dermal eins im Himmel bey GOTT finden
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werde; Also hat es weit mehr die liebe Jungfraw Mariam erfrewen können / wann sie im Geist gesehen / wie der Mensch Christus / welcher erhaben ist zur Rechten Gottes / alles nach seinem Willen regieret / alles in seinen Händen hat / von aller Welt gefürchtet / geehret / vnnd angebeten wirdt; daß dieser Christus / der ewiger Sohn Gottes / der Allmächtiger Gott jhr Sohn sey / eine Frucht jhres Leibes. Vmb solche Hoheit wird Maria von der alten Elisabeth billig selig vnd gebenedeyet gepriesen. Hie were nicht Wunder; wann Maria were in Hochmuth gefallen / tieffer als der Lueifer / wie dann insonderheit daß weibliche Geschlecht zum Hochmuth sehr geneiget. Manches Mägdlein solte für Hochmuth sich selbst weiter nicht kennen. Was thut aber diß Jungfräwlein? Sie kützelt sich nicht darüber / rühmet sich nicht hoch / sondern gibt Gott die Ehre / vnnd demüthiget sich mit Worten vnd Wercken; da sie wol die alte Elisabeth hätte können zu sich fordern / vnd jhr entbieten lassen; die Mutter deß HERREN läßt dir sagen / du solst zu jhr kommen / so gehet sie durch einen rauhen Weg zu jhr / vnnd da jhr billig die gantze Welt hätte sollen auffwarten / dienet sie andern. Dann daß sie bey der Elisabeth geblieben bey drey Monden / geschahe nicht auß Wollust / sondern daß sie jhr dienete vnnd Handtreychung thäte / wie eine andere Haußmagd. Wie sie von dem Engel gegrüsset wird: Du Gebenedeyte vnter den Weibern: Erniedriget sie sich mit Demuth: Siehe ich bin deß HERRN Magd. Ebenmässig / da sie von der frommen Priesterlichen Matronen also angeredet wirdt: Gebenedeyet bistu vnter den Weibern: O selig bistu / die du glaubet hast! Erkennet sie Gottes Gnade vnd jhre Vnwürdigkeit / gibt Gott die Ehr in Demuth vnd spricht: Der HERR hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Es ist jhr nicht so lieb / daß sie die gebenedeyte Mutter ist / als daß durch jhren Samen dem armen Israel solte auffgeholffen werden.
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O wie ist vnser Hertz so gantz anders / als der keuschen Marien!(2. Co̅traria in elatione pravitas.) Jederman will daß man groß von jhm halte; jederman will vmb Frommigkeit vnnd Heyligkeit willen gerühmet seyn; jederman / wann er nur was sonders hat / will stracks auch was sonders seyn / wird stoltz vnd frech. Haben wir nur einen Pfenning mehr als ein anderer / kan niemand für Frechheit mit vns außkommen / da wollen wir jedermans Meister seyn. Wer ist der da hat Schönheit / Gewalt / Adel / Reichthumb / Kunst oder Geschickligkeit / der sich dessen nicht erhebe; vnnd so er darüber gelobet wird / sich nicht darüber kützele? Ja wir mögen auch wol dazu frech werden / vnd können nicht leyden / daß einer höher sey als wir; oder daß mehr von einem andern gehalten werde als von vns. Vnnd wann wir einen andern erhebt sehen vber jrrgent einem Ding / mögen wirs schwerlich leyden. Kein Knecht oder Magd ist so gering / hat sie nur einen newen Rock / oder bunte Borten / so will sie damit angesehen seyn. So thöricht seynd wir in vnserm Hochmuth. Was ist aber all das vnserige / was wir auch haben / gegen der Hochheit der Jungfrawen Mariae? Vnnd sihe / wie demüthig gehet sie herein? So lerne nun von jhr / was du thun solt / wann du sihest daß(3. Pravitatis Correctio.) du vor andern begabet bist / oder du von andern deßwegen gelobet wirst. Erstlich vnnd vor allen Dingen müssen wir vns hüten für(2.) Hochmuth / daß wir vns nicht erheben. Wir dörffen zwar das Gut / daß wir haben / nicht verläugnen. Das ist eine falsche Demuth. Maria bekennet GOttes Gnade an jhr; Also sollen auch wir nicht verläugnen / wann vns GOTT etwas sonderliches gegeben / sondern bekennen vnd sagen: Ja / ich kans nicht laugnen / das habe ich / damit hat mich GOtt begabet / GOtt hab ichs zu dancken. Das Brod läugnet nicht / daß es vns ernehren kan / sondern es gibt sich darfür auß / das Fewer läugnet nicht / daß es wärmen kan / sondern gibt sich dafür auß. Also wann wir gelehrt seyn / vnd
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tüchtig andere zu vnterweisen / sollen wir nicht sagen; ich kan nichts; wann wir reich seyn / sollen wir nicht sagen: Ich habe nichts; sondern sollen die Gaben / die GOtt verliehen / erkennen / vnd zu Gottes Ehre anwenden. Recht Königlich war es geredet von Alphonso / einem König vber Aragonien / Neapolis vnd Sicilien / da er hörete in einer schönen Oration seine Tugenden erzehlen: So das wahr ist / mein lieber Luca / was du von mir gerühmet hast / so sage ich dem höchsten GOtt Danck; ists aber anders / so wünsch vnd bitte ich / daß auch dieses wahr werde. Also mögen wir GOttes Gaben erkennen vnnd bekennen / aber stoltz werden müssen wir nicht. Dir mustu im geringsten keinen Ruhm zueygnen / noch Ruhm von jemand begehren; du must deiner Gaben halben vber andere dich nicht erheben / sondern demütig vnnd fre undlich erzeygen gegen jederman / auch andern gerne dienen; nur jmmer herunder / vnnd wie höher du bist / wie mehr Gaben du hast / wie tieffer du dich demütigen sollest. Von allen deinen Gaben gebühret dir nicht der geringste Ruhm. Vnd wann du es recht bedenckest / hast du gantz keine Vrsach dich zu erheben. Dann er stlich / hastu schon etwas / so mangelt dir doch noch viel; hernach / was du hast ist nicht dein / kompt auch nicht von dir / sondern von GOtt; vnnd endlich / wie es GOtt gegeben hat / so kan ers auch wieder nehmen stündlich vnnd augenblicklich / wanns jhm gefällt hinweg nehmen. Vnd wann er es dir entweder hie noch bey deinem Leben / oder durch den Todt genommen hat / wo ist dann dein Hochmuth? Dazu bedencke wol / daß durch Hochmuth / die aller schönsten Gaben befleckt werden. Dann wie Demuth ist eine sonderliche Zier der hohen Gaben; also ist Hochmuth derselben Verderb.
Inquinat egregios adjuncta superbia mores. Claud.
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Wann du zum aller geschickten werest / vnd alle Tugenden hättest / vnnd werest dabey hochmütig / das verdürb den gantzen Quacke. Dazu kompt noch dieses / welches das grösseste / daß GOTT den Hochmütigen Spinnenfeind ist. Ich möchte wol wissen / was ein Hochmüthiger für Gedancken hätte / wann er diesen Lobgesang Mariae höret. Dann da höret er sein Verderben. GOtt stosset die Gewaltigen vom Stule / vnnd erhält die Niedrigen. Ach du hochmüthiges Hertz / wo du Vernunfft hast / kanst du nicht anders schliessen / als so: Lieber GOTT / du hast je vnnd allewege die Hochmütigen gestürtzet / vnd dich der Demütigen erbarmet. Nun habe ich keine Lust zur Demuth. Darumb achte ich du wirst mich stürtzen. Vnd das ist recht geschlossen / das fehlet nicht? Ist das nicht genug / so setze ich hinzu / was der HERR saget beym Evangelisten Luca am 16. Cap. Was hoch ist vnter den Menschen(Luc. 16, 15.) / das ist ein Grewel für Gott. Dargegen solstu allwege deine Vnwürdigkeit erkennen / vnd mit dem Patriarchen Jacob sagen: HERR ich bin zu gering(Gen. 32, 10.) aller Barmhertzigkeit die du mir thust. Wann die demütige Maria von dem Engel solche Rede höret: Gegrüsset seystu Holdselige / der HERR ist mit dir: O du Gebenedeyte vnd Hochgelobte vnter den Weibern; erschrickt sie vber solche Rede / vnnd gedenckt / welch ein Gruß ist das! Also wann du sihest vnnd hörest / daß dir GOtt sonderliche Gaben gegeben hat / werde nicht stoltz / sondern sprich: Welch ein Gruß ist das? Wie komme ich hiezu? Ach HERR ich bin doch gantz vnwürdig aller deiner Barmhertzigkeit. Also müssen wir vns in den Gaben demüthigen vnnd nicht erheben / welches dann eins ist / daß hie zu thun. Hernach zum andern / sollen wir die Gaben GOttes annehmen als Handt-Leyter / die vns vber sich zu Gott führen. Die gemeine Gewonheit ists / an der Gabe bekleben bleiben. Ein Gülden kan vns mehr
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erfrewen als Gott; mehr erfrewen wir vns vber die Gabe / als vber (2.) GOttes Gnade daher vns die Gabe kommen ist. Diese Vnart muß man ändern. Es ist wol vergönnt / daß wir vns frewen vber Gottes Wolthat / vnd vber die Gabe / die vns Gott gibt / nur allein daß es geschehe im HERRN / vnd wir vns nicht mehr frewen vber die Gabe / als vber den Geber. Maria stundt recht zwischen dem Geber vnd der Gabe / vnnd wandte jhr Angesicht zu dem HERREN: Meine Seele erhebt den HERRN / vnd mein Geist frewet sich GOttes meines Heylandes. So frewe du dich auch vber die Liebe vnd Gnade Gottes / der dir gutes thut / vnd sprich: Ach lieber Gott / diß hastu mir gegeben / mancher hats nicht / ich bin vnwürdig / heyliger Vatter / gleichwol frewe ich mich vber deine Güte / (Psal. 103.) dann du krönest mich mit Gnad vnd Barmhertzigkeit. Wirstu von andern deiner Gaben halben geehret oder gerühmet / laß ja die Ehre nicht bey dir kleben / sondern mit den vier vnd zwantzig Eltesten (Apoc. 6, 10) auß der Offenbarung Johannis am 6. Cap. Nimb die Krone von deinem Haupte / vnnd stelle sie zu den Füssen deines Gottes: HERR du bist würdig zu nehmen Preiß vnd Ehr / vnd Krafft / dann du hast alle Ding geschaffen / vnd durch deinen Willen haben sie das Wesen / vnnd seynd geschaffen. (3.) Zum dritten / sollen wir vnter allen Gaben vnnd Wolthaten dieses lassen das fürnembste seyn / daß wir Christum im Hertzen tragen. Dann das ist das Hauptgut / dadurch wirdt dem armen Israel auff geholffen. Daß Maria jetzt selig gepriesen wirdt von Kindes Kind / geschicht darumb / daß sie einen solchen Menschen an die Welt getragen / der die rechte Seligkeit in vnser Hertz bringen kan. Gegen dieser Seligkeit ist gering zu achten / daß Maria Christum leiblich vnter jhrem Hertzen getragen / dann darinn hat sie vns zu dieser Seligkeit nur dienen müssen: So ist auch dargegen gering zu schätzen / mit leiblicher Blutfreundschafft Christo
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verwandt seyn / wie dann der HERR spricht: Wer ist meine(Matth. 12??? 48.) Mutter? Vnd wer sind meine Brüder? Wer den Willen thut meines Vatters im Himmel / derselbige ist mein Bruder / Schwester vnnd Mutter. Darumb frewet euch nicht vber vergängliche Gaben / frewet euch nicht / so jhr könt Wunder thun / Krancke heylen / Teuffel vertreiben; sondern dessen(Luc. 10, 20.) frewet euch / daß ewere Nahmen im Himmel angeschrieben stehen. Dahin gehöret auch das beym Jeremia am 9. Capitel geschrieben stehet: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weißheit /(Ierem. 9, 23. 24.) ein Starcker rühme sich nicht seiner Stärcke / ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthumbs: Sondern / wer sich rühmen will / der rühme sich deß / daß er mich wisse vnnd kenne: Spricht der HERR. Was nutzet Weißheit / Stärck oder Reichthumb / wo Christus nicht ist? Kans auch wol helffen am Tage deß Zorns? Wann dann diß die fürtreffligste Gabe ist / die wirvon Gott bekommen / nemblich Christum haben: So soll auch vnser Hertz vnd Sinn dahin stehen / daß wir diese Gabe behalten / vnnd nicht verlieren. Behalte ich nur diß Gut / bin ich wol zu frieden. Was Gesundheit? Was Reichthumb? Was Hoheit? Das alles kan ich wol entberen. Alles was ist auff dieser Welt / es sey Silber / Gold oder Geldt / Reichthumb vnnd zeitlich Gut / das wäret nur eine kleine Zeit / vnnd hilfft doch nicht zur Seligkeit. Das bringet voll genüge / wann Christus in mir wohnet / vnd ich in Christo. Es kan aber keinem besser gerathen werden / der Lust zu solcher Seligkeit hat / als daß er bleib bey der Demuth / vnnd sey im Geist niedrig vnnd arm. Dann den Demütigen erzeyget GOtt Gnade / wer seine Seele ersättiget mit vergänglichen Lüsten / dem kan das Ewige nicht schmecken. Der Welt Freundtschafft ist GOttes Feindtschafft. Deßgleichen die keiner Sünde achten /
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oder keiner Sünde empfinden / die seufftzen auch nicht hertzlich nach Christo. Denen gilt was Christus saget Lucae am 16. Cap. (Luc. 16, 15.) Ihr seyds / die jhr euch selbst rechtfertiget vor den Menschen / aber GOtt kennet ewere Hertzen / dann was hoch ist vnter den Menschen das ist ein Grewel für GOTT. Aber ein zerbrochen vnnd zerschlagens Hertz / das wirstu GOtt nicht verachten. Dann die schreyen Christo jmmer nach / können auch nicht anders als in Christo getröstet werden / die wollen auch mit keinem andern Gute als mit Christo gesättiget werden. Das (Matth. 5, 3.) seynd die geistliche Arme / die GOtt nach seiner Verheissung will reich machen / erheben / vnnd mit seinen Gütern sättigen. Die Gewaltigen stosset er vom Stule / vnnd erhöhet die Niedrigen / die Hungrigen füllet er mit Gütern / vnd läßt die Reichen lähr. So fasse nun ein jeglicher Christ / die recht Christliche Art vnter GOttes Gaben sich recht zu verhalten. Erhebe dich nicht in deinen Gaben; doch frewe dich vber deinem GOtt / der dir gutes thut / vnd laß das allwege dein bestes seyn / daß du Theyl an Christo hast / darumb trachte auch darnach / daß du solches Theyl nicht verschertzest. Mit dem andern gehe es / wie GOtt will / behalten wir diß Theyl / können wir vns ohn vnterlaß frewen in dem HERREN / auch in Trübsal; vnd werden vns frewen ewiglich. Hilff GOTT allezeit. Amen.
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Am Tage Michaelis.
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Vom Streit im Himmel.
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TEXT VS Apoc. 12, 7.
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V. 7. VNd es erhub sich ein Streit im Himmel / Michael vnd seine Engel stritten mit dem Drachen. V. 8. Vnd der Drach stritt vnd seine Engel / vnnd siegeten nicht / auch ward jhr Stätte nicht mehr funden im Himmel. V. 9. Vnd es ward außgeworffen der grosse Drach / die alte Schlange / die da heißt der Teuffel vnd Satanas / der die gantze Welt verführet / vnd ward geworffen auff die Erde / vnnd seine Engel wurden auch dahin geworffen. V. 10. Vnnd ich hörete eine grosse Stimme / die sprach im Himmel / nun ist das Heyl vnnd die Krafft / vnd das Reich / vnnd die Macht vnsers Gottes / seines Christus worden / weil der verworffen ist / der sie verklaget Tag vnd Nacht für Gott. V. 11. Vnnd sie haben jhn vberwunden durch deß Lambs Blut / vnnd durch das Wort jhrer Zeugnuß /
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vnnd haben jhr Leben nicht geliebet / biß an den Todt. V. 12. Darumb frewet euch jhr Himmel / vnnd die darinnen wohnen.

Geliebte in Christo JEsu.
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(Exordium ostendit I. Visionis Apocalypticae scopum.) EIn wunderlich vnnd schröcklich Gesicht / wirdt in der heimlichen Offenbahrung Johannis am 12. 13. vnnd 14. Capitel fürgestellet / von einem schwangern vnnd gebärenden Weibe / welches von einem vngehewren grewlichen Drachen verfolget wird. Solches gehet / wie dieselbe gantze Offenbarung / dahin / daß sie zeyge vielfältige Art vnnd Angst / so die Gemeine Christi vberfallen werde / darunter sie doch allezeit Errettung findet. Mitten in der Verfolgung ist sie fruchtbar / vnd hoffet auff die Erscheinung deß grossen GOttes jhres Heylands Jesu Christo / da sie völligen Sieg wieder den Satan vnnd seinen Anhang erlangen wird. Das Lamb auff dem Berge Zion schlichtet zuletzt alle Sachen / vnd schaffet ab alle Wercke der Finsternuß. Ich laß seyn / daß in dem Gesicht / welches auff dieses Fest erkläret wird / auff eine absonderliche Zeit gesehen werde / da insonderheit die Kirche Christi fruchtbar gemacht / darüber der Satan ergrimmet / der Kirchen hart zugesetzet / wobey aber Christus nicht still gesessen / sondern sein Häufflein dennoch geschützet vnd erhalten. Wie ein solches Glück die Kirchen zur Zeit Constantini Magni getroffen / da nach eusserlicher Verfolgung / vnnd vielen Blutvergiessen / die Kirche endlich Lufft bekommen. Also daß das Erkantnuß Christi weit vnter alle Heyden außgebrochen / vnd die Finsternuß vertrieben / dagegen aber der Sathan einen innerlichen Streit erweckt / durch Verkehrung der Erkändtnuß Christi / dadurch die Kirche Christi in grosse Noth vnnd Angst gerathen / als
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sie vorhin gewesen. Doch ist jhr Hülffe vnd Errettung wieder sahren / daß sie dennoch gesieget. Wir wollen aber bey Erklärung deß Streits so sich im Himmel erhoben / nur bleiben bey dem gemeinen Glück der Christenheit / daß sie muß streiten vnd dennoch siegen. Da wir fürauß(2. Duas figuras in coelo visas.) zu schen haben auff die Figur deß Weibes / vnnd deß Drachens / zuvernehmen wann der Streit angehe / vnnd woher er entstanden. Erstlich wird eingeführet ein Weib / welches alles Vnglück vber sich muß gehen lassen. Das Weib ist die Kirche / welche bequemlich vnter dem Bilde eines Weibes fürgestellet wird. Dann sie ist eine Braut Christi / dennoch schwacher vnnd blöder Natur / die nicht grossen Beystandt von der Welt zu warten hat. Diß Weib ist mit der Sonnen bekleydet. Daher hat sie Liecht vnnd Wärme. Sie leuchtet für GOTT vnnd Menschen. In der Welt stehet sie nicht im verborgen / sondern scheinet wie ein Liecht auff dem Berge. Für GOTT leuchtet sie in der Gerechtigkeit Christi. Vnd wann sie brünstig wird in der Liebe Gottes / so wird sie angezündet von der Hitze Christi. Der Mond ligt vnter jhren Füssen. Will man durch den Mond die heylige Schrifft verstehen / als welche jhren Schein von der Sonnen Christo empfähet; so muß man sagen / daß die Kirche auff die heilige Schrifft gegründet ist; will man aber durch den Mond verstehen / das wandelbare Wesen dieser Welt / so muß man sagen / daß der Mond von diesem Weibe zutretten werde. Sie ist gekrönet / dann sie ist herrlich gemacht in Christo. Sie hat zwölff Stern vmb jhrem Haupt. Das seynd die trewe Lehrer / die in der zwölff Apostel Fußstapffen tretten. Diß Weib ist schwanger vnnd gebiret. Die Geburt ist Christus mit seiner Erkantnuß vnnd heyligem Leben. Christus ist hie Vatter vnd Kind. Er besamet vns durch sein Wort vnd Geist / vnd wohnet in vns als im Tempel / er seufftzet in vns / vnnd dringet mit vns durch den Todt zum Leben. Die Angst dieser Geburt ist
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das Verlangen nach Christo / denselben zu gebären beydes in vns selbsten / vnd in andern. Hierauff erscheinet ein anders vnd schröckliches Bild / nemblich eines Drachen / vnnd bedeutet den Satan. Der ist ein grosser Drach / dann er hat grosse List / groß Gewalt / groß Anhang. Ein roter Drach / dann er ist blutgierig. Er hat sieben Köpffe / anzudeuten / wie listig vnd verschlagen er sey / vnnd wie jhm die Klugen vnd Verschlagne in der Welt zu Dienst seyn. Auff seinen Häuptern hat er zehen Hörner. Rath ohn Nachdruck ist nicht groß zu achten; hie ist Witz vnnd Stärcke beysammen. Seine Häupter seyn auch gekrönet / anzudeuten / wie seine Anschläge groß Ansehen haben / alldieweil die grosse ansehnliche Leute mit jhme im Rath sitzen. Diß ist die Gestalt deß Drachens. Sein Arbeit ist / daß er mit seinem Schwantz die Stern vom Himmel ziehe. Wie mancher / der an Gaben / Hoheit vnnd Ansehen in der Kirchen wie ein Stern geleuchtet / ist vom Anhang deß Satans gefället / vnd gantz jrrdisch geworden? Daran hat er nicht genug. Er begehret das schwanger Weib gantz zu verschlingen. Darumb stellet er sich für das Weib / suchet Gelegenheit die Kirche mit jhrem Samen vnnd Nachkommen zu vnterdrucken / vnnd verdecket listig seine Anschläge. Die Gestalt der beyden him̅lischen Zeichen / die dem Johanni im Himmel erschienen haben wir gesehen / darauß wir erkennen / daß das elende Weib in keiner kleinen Noth stehe. Darumb wir weiter zuvernehmen haben / was sich mit dem schwangern Weibe in dieser Noth begeben. Sie gebäretein Knäblein für dem Angesicht deß Drachens. Die Kirche lehret offentlich / vnd ziehet auff Gottesfürchtige Lehrer. Das geboren wird ist ein Knäblein. Der Glaub an Christum bey den Bekennern vnnd Lehrern Christi / ist muthig männlicher Art zu stehen vnd zu streiten für Gottes Nam vnd Ehre. Deß Knäbleins Beruff ist / daß er alle Heyden soll weiden mit der eisernen Ruthe. Was Christi eygenthumliches Werck
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ist / wirdt auch den trewen Bekennern Christi zugeeygnet / dann Christus führet sein Reich durch Menschen. Sein Wort ist die Ruthe / das läßt er predigen durch Menschen / vnd ist selbst dabey / vnd gibt dem Wort Krafft vnnd Nachdruck. Das Kind kompt in Gefahr / aber es hat guten Schutz / dann es wird entruckt zu GOtt vnnd seinem Stul. Die glaubigen Christi wohnen vnter dem Schutz vnd Schirm jhres Gottes. Das Weib fliehet in die Wüsten / zwar in einen vngelegen Orth / vnter das Wild. Doch sorget GOTT für sie / vnd bereytet jhr daselbst einen Orth / vnd hat den Verfolgungen ein gewiß Ziel gesetzet. Dieses wie es zu erst dem Johanni im Gesicht erschienen / ehe er den Krieg im Himmel gesehen / also haben wirs auch zur Vorbereytung betrachten wollen / vnd sehen darauff nun ferner auff den Streit selbst / der sich erhebt im Himmel zwischen Michael(Thema.) vnd dem Drachen / wie es damit abgelauffen. GOtt gebe Weißheit vnd Verstand in der Gnade Christi JEsu. Amen. IN allen Kriegen fraget man zu erst nach den Fürsten vnnd(Ex textu describuntur 1. Circumsta̅tiae praelii.) Herren / die vnter sich den Krieg führen / vnnd dann auff die Vrsach deß Krieges / vnnd den Orth. Die Vrsach deß Streits ist schon erwehnet. Der Satan sihet das schwanger Weib mit der newen Geburt / ja mit Christo selbsten / der mit dem Geist der Kindschafft in jhr vnnd allen jhren Gliedmassen wohnet. Diß wolte der Sathan gerne gantz verschlingen. Der Sohn GOttes kam zu vns Menschen auff Erden / vns in das Reich zu bringen / darauß der Sathan verstossen war / das wolte dem Drachen wol weh thun. Hierüber erhebt sich nun ein Streit im Himmel. In dem Himmel darinn Gottes Herrligkeit sich offenbaret / darff der Satan nicht kommen. Aber hie auff Erden hat er noch Raum genug. So muß man wissen / daß hie auff Erden auch ein Him̅el sey / vnnd
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das ist das Reich Christi. Da lässet sich der arge Gast noch mitten vnter die Kinder Gottes finden. Wann dann gesagt wird / daß der Streit gehalten im Himmel / wirdt nicht allein der Orth / sondern zugleich die Vrsach mit angedeutet / daß es nicht ein leiblicher sondern geistlicher Streit sey / darinn man nicht streit vmb Geldt / oder jrrdische Güter / sondern vmb ein him̅lisch Gut. Eben wie zum Ephesern am 6. dem Feinde zugeeygnet wird eine geistliche Geschwindigkeit / die er verübet in him̅lischen vnd Göttlichen Sachen. Nun / was haben wir hie für streitende Partheyen? Michael (Eph. 6, 12.) vnnd seine Engel stritten mit dem Drachen / vnnd der Drache stritte vnd seine Engel. Der Drache ist vns schon abgemahlet. Seine Engel seyn nicht allein viel andere tausent Teuffel die jhrem Obristen folgen; sondern auch alles was vnter den Menschen Kindern dem Satan anhanget / vnd wieder Christum vnd Christi Glieder dienet. Der Satan streitet heimlich vnd offentlich. Groß Gewalt vnnd viel List / sein grawsam Rüstung ist. Er ficht vns an mit List vnd Practicken / mit Liegen vnd Triegen. Das hat er rechtschaffen bewiesen an der Eva. Eben so stellet er vns noch nach / der rechtglaubigen Sinn zuverrucken / in Lehr vnd Leben. Er ficht vns (1. Pet. 5.) an mit Mord vnd Verfolgung / vnd gehet herumb wie ein brüllender Löwe. Wie viel tausent seyn vmb der Bekäntnuß Christi willen ersäuffet / geköpffet / gehenckt / verbrandt / vnd auff andere grawsame Wege hingerichtet? Er nimpt alle Zeit genaw in acht. Ist Frewde da / führt er vns zur Sicherheit: Ist Trübsal da / plagt er vns mit Angst vnd Schrecken. Allenthalben versucht er vns mit verschlagnen Mordgriffen / vnd findet noch dazu einen guten Vortheil. Der alte Adam in vns ist sein Freund / dem ist Gottesfurcht eine Beschwerde. Dazu kompt das Vrtheil der Welt / die sündliche Gewonheit / Fähler frommer Leute / vnd die Verachtung deß
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Wortes / das bringet alles dem Sathan guten Vortheil die Christen zu vberwältigen. Das eine streitende Theyl haben wir gesehen / das ander führet der grosse Fürst Michael. Es kan seyn / daß einer vnter den erschaffenen Engeln ist / der den Nahmen Michael führet. Hie aber in diesem himmlischen Streit muß Michael seyn / der grosse Gott vnnd vnser Heyland Christus JEsus. Dann dieser allein ist der rechte Fürst seines Volcks / der für sein Volck streitet. Michael heisset; wer ist wie GOTT? Der Name schickt sich fein bey Christo: Der ist das wesentliche Bild GOttes / ein Glantz der ewigen Herrligkeit / vnd ist niemand jhm gleich an Krafft vnd Herrligkeit. Ein tröstlich Bild ists / daß Christus selbst in diesem Streit zugegen / vnd der Hertzog ist / biß zur Welt Ende. Er ist zwar von jhm selbst starck genug / dann wer ist wie Gott? Dennoch führet er seine Engel mit in den Streit / vnd kompt auffgezogen mit vnsichtbaren vn̅ sichtbaren Engeln. Wie die vnsichtbare heylige Engel vmb die Kinder GOttes Wacht halten / kan man sehen auß der Historia Elisae / welchem ein Berg voll fewriger Reuter erschienen. Propheten / Lehrer vnd Prediger seyn die sichtbare Engel von GOtt gesandt / vnnd mit Göttlicher Krafft angethan. Mit denselben ziehen auff viel hundert tausent Christen. Dann ein jeglicher Christ muß hie mit in den Krieg. Doch stehen Lehrer vnnd Prediger forn an in den Spitzen / dann die führen das Ampt / welches vnmittelbar auff den Sathan stosset / vnnd welchem der Sathan zum meisten widerstehet. Wann wir nun die Vmbstände in dem himmlischen Streit(II. Eventus praelii.) betrachtet / was für Fürsten den Krieg führen / wo vnd warumb der Krieg geführet wirdt / seynd wir begierig zu vernehmen den Außgang. Vom Drachen vnnd seinem Anhang sagt der Text: Sie(V. 8. 9.) siegten nicht / auch ward jhre Stätte nicht mehr funden im Himmel / vnnd es ward außgeworffen der grosse
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Drach / die alte Schlange / die da heisset der Teuffel vnd Satanas / der die gantze Welt verführet / vnd ward geworffen auff die Erden / vnnd seine Engel wurden auch dahin geworffen. Zu erst sagt der Text: Sie siegten nicht / oder / sie haben nichts vermöcht. Daher soll er von einem Christen nur für ein ohnmächtiger Geist gehalten werden / wie sauer er sich auch stellt. Zum andern: Ihr Stätte ward nicht mehr funden im Himmel. Gleich wie der Satan außgestossen auß dem Himmel / darinnen GOttes Herrligkeit sampt den außerwöhlten Engeln wohnet / also hat er auch kein Regiment im Reich Christi / nach seinem Willen darinnen zu regieren. An den him̅lischen Gemüthern / so lang sie himmlisch seyn / hat der Satan kein Antheyl. Zum dritten / Er ist außgeworffen / daß er nichts gilt mit seiner Anklag / vnd was er wieder Christum / vnnd seine Gemeine beginnet. Er heist Satauas / ein Wiedersacher / der sich Christo vnd der Kirchen Christi als ein abgesagter Feinde wiedersetzet; doch ist er verworffen. Er heist die alte Schlange / der die gantze Welt verführet. Wie er zu Anfang mit seiner List durch die Schlange die Eva betrogen / so verstellet er sich noch listiglich gegen aller Welt / sie zu verführen. Aber er ist verworffen. Er heist Diabolus, ein lästerhafftiger Teuffel / der vns verlästert vnd verklagt bey GOtt Tag vnd Nacht; aber er ist verworffen. Er heißt der grosse Drach / der nur jmmer will vergifften vnnd tödten / aber er ist verworffen. Seine Macht ist zubrochen / in seiner List ist er zu Schanden worden. Letzlich: Er ward geworffen auff die Erden / vnd seine Engel wurden auch dahin geworffen. So lang vnser Wandel im Him̅el ist / seyn wir für deß Satans Wüten wol verwahret; dann seine Stätte ward nicht mehr gefunden im Himmel;
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so bald wir aber jrrdisch gesinnet werden / fallen wir in die Strick vnd Gewalt deß Satans / dann auff Erden hat er sein Reich / vnd bey denen ist er mächtig die jrrdisch gesinnet seyn. Darumb stehet geschrieben: Wehe denen die auff Erden wohnen / dann der(V. 12.) Satan kompt zu euch herab / vnnd hat einen grossen Zorn gefasset. Aber jhr die jhr mit ewren Hertzen im Himmel wohnet / seyd getrost. Ewer Wiedersacher vermag nichts wieder euch / so jhr euch nur selbst nicht jhm vnterwerffet; seine Stätte wird nicht mehr gefunden im Himmel / er ist außgestossen / vnnd ist geworffen auff die Erden. Hingegen hat gesieget ewer Fürst Michael. Er hat gesieget / da er muste leyden vnnd sterben / wie geschrieben stehet: Es kompt der Fürst dieser Welt / aber er findet nichts an(Ioh, 14, 30. C. 12, 31.) mir. Vnd abermal: Jetzt gehet das Gericht vber die Welt / nun wirdt der Fürst dieser Welt auß gestossen werden. Vnd nochmal: Todt ich will dir ein Gifft seyn / Höll ich(Ose. 13. 14.) will dir ein Pestilentz seyn. Vnser Fürst Michael sieget noch täglich in seinen Glaubigen / vnnd tritt den Satan vnter vnsere Füsse. Ist Gott für vns / wer mag wieder vns seyn? Wer(Rom. 8, 31.) will die Ausserwöhlten Gottes beschuldigen? Gott ist hie der da gerecht machet. Wer will verdammen? Christus ist hie der gestorben ist / ja viel mehr der auch aufferweckt ist / welcher ist zur Rechten Gottes vnnd vertritt vns. Wer will vns scheyden von der Liebe GOttes / die da ist in Christo JEsu vnserm HERRN? Auff einen guten Sieg / gehöret ein gut Triumph Liedlein(III. Epiniciu̅. V. 10. 11.) Vnd ich höret eine grosse Stim̅e / die sprach im Him̅el: Nu ist das Heyl / vnd die Krafft / vnd das Reich / vnd die
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Macht vnsers Gottes / seines Christus worden / weil der verworffen ist / der sie verklaget Tag vnnd Nacht bey Gott. Vn̅ sie haben jhn vberwunden / durch deß Lambs Blut / vnd durch das Wort jhrer Zeugnuß / vnd haben jhr Leben nicht geliebet biß an den Todt. Darumb frewet euch jhr Himmel / vnd die darinnen wohnen. Diß Triumph Liedlein zeyget an das Frolocken der Himmel vber den Sieg Christi / vnd Niederlag deß Drachens. Der Sieg muß auff zweyerley Art betrachtet werden. Erstlich in Ansehung Christi / hernach in Ansehung der Außerwöhlten. Auff beyden Seiten wird hie was merckliches gesagt. Von dem Sieg Christi ists geredet / wann der Him̅el singet: Nun ist das Heyl vnd die Krafft / vnd das Reich vnsers Gottes / vnnd die Macht seines Christus worden / weil der verworffen ist / der sie verklaget Tag vnd Nacht bey GOtt. Diese Wort schreiben einen Sieg zu vnserm Gott vnd seinem Christo. Vnser Heyland Christus / wird hie vnsers Gottes Christus genandt / weil jhn Gott zum Heyland beruffen vnnd gesalbet hat. Wann nun gesagt wird: Nun ist das Heyl / vnd die Krafft / vnd das Reich vnsers Gottes / vnnd die Macht seines Christus geworden; Ist die Meynung / daß vnser Gott vnd sein Gesalbter / vnser Heyland haben das Reich eingenom̅en / vnd bekommen Heyl / Krafft vnd Macht. Von Anfang war das alles Gottes / der hätte sein Reich so wol im Hertzen der Menschen als in aller Welt. Der Satan aber hat zu erst angefangen seinem eygnen Kopff nachzuleben / vnnd hat den armen Menschen mit zu seinem Sinne gezogen / damit war das Reich GOttes bey den Menschen zerstöret / da war kein Heyl mehr für den Menschen / vnnd vnmüglich / daß der Mensch in solchem Standt köndte selig
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werden. Nun aber zeuget das him̅lische Heer / daß Gott durch seinen Gesalbten wieder das Reich bey den Menschen ernewert / vnd Heyl für dieselbe gefunden. Nun ist offenbar daß Gott Krafft vnd Macht habe vber das Reich deß Sathans / damit der Mensch selig werde. Der Grund ist: Weil der verworffen ist / der die Menschen Kinder für GOTT verklaget Tag vnnd Nacht. Merck hie zu erst deß Satans Ampt: Er ist ein Ankläger / der für GOtt die Menschen anklaget. Es ist keine Sünde so bald begangen / sie wird alsbald für Gottes Thron gebracht. Gott bedarff keiner Anklage / er sihet selbst alles / vnd kennet vns außwendig vnd inwendig. Doch bringts der Satan für Gott / was vbels von Menschen gethan ist / erzehlts nicht allein / sondern klagts an / fordert die Gerechtigkeit zur Straff / beruffet sich auff Gottes gerechtes vnd vnwandelbares Gesätz: Du Allerhöchster vnd gerechter Gott / sihe diß vnd das geschihet / bistu nun gerecht / so übe Gericht / gleich wie du an mir Gericht geübet hast. Diß Anklagen treibt er Tag vnd Nacht. Darauß man schliessen kan / daß er nicht allein die sündliche̅ Werck für Gott bringe; sondern auch das was gutes geschicht verlästere / weil er weiß daß wir solche Leute / denen das böse anhanget / auch wann sie gutes thun / nach der Bekantnuß Pauli. Sihe Menschen Kind / was du an dem Satan für einen Feind hast. Er selbst lockt vnnd treibet dich zu allen Sünden / wann du gewilliget hast / so verklagt er dich für Gott / vnd ruffet Gottes Gerechtigkeit an zu deiner Verdamnuß. Merck zum andern / wie viel diese Anklage bey GOtt gilt: Kürtzlich / sie ist verworffen. Er ist verworffen der die Heyligen für Gott verklaget Tag vnd Nacht. Wann das Gesätz solte in seinen Würden bleiben / also daß der Mensch nach deß Gesätzes Gestrengigkeit gerichtet würde / so were die Anklag deß Sathans nicht vergebens / dann er beruffet sich auff den Fluch deß Gesätzes.
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(Gal. 4, 4. 5.) Weil aber Gott seinen Sohn in die Welt gesandt / geboren von einem Weibe / vnd vnter das Gesatz gethan / hat er die / die vnter dem Gesatz waren erlöset / daß wir die Kindschafft empfiengen. Daher ist der Satan mit seiner Anklage verworffen. Merck das du Sünder / wann du in deinem Gewissen diese Stimme hörest: Diß hastu gethan / das hastu gethan. Das gehöret mit zur Anklage deß Satans / da hält er an daß in deinem Gewissen Gericht gehalten werde. Wann du wilt / darffestu deßwegen nicht verzweifflen / dann der Satan ist verworffen mit seiner Anklage. Diese Verwerffung deß Satans ist der Grund deß Reiches Christi. Solte das Gericht vber den Menschen nach dem Gesätze gehen / wo wolte dann Christus mit dem Glauben bleiben? Wanns aber Christus dahin gebracht / daß der Mensch nicht darff nach dem Gesätz für Gott gerichtet werden / vnnd die Anklage deß Sathans die nach dem Gesätz geschicht / verworffen ist / hat er jm einen Weg bereytet zu seinem Reich. Da bekleydet er den armen Sünder mit seiner eygnen Gerechtigkeit / gibt jhm seinen Geist / vnd macht jhn zu einer newen Creatur. Da ist das Heyl / vnd die Krafft / vnnd das Reich vnsers GOttes / vnnd die Macht seines Christus worden / das ist gesungen von dem Sieg Christi. Vom Sieg der Außerwöhlten Glaubigen singet das him̅lische Heer: Sie haben jhn vberwunden durch deß Lambs Blut / vnd durch das Wort jhrer Zeugnuß / vnd haben jhr Leben nicht geliebet biß in den Todt. Diese Wort zeygen drey geistliche Rüstung / damit wir siegen / das Blut deß Lambs / das Wort vnserer Zeugnuß / vnnd die Gedult. In dem Blut deß Lambs bestehet vnsere Versöhnung / vnnd die Reinigung vnserer (1. Iohan. 2, 1. 2.) Sünde So jhr gesündiget habt / lieben Brüder / so wisset / daß jhr einen Fürsprecher bey Gott habet / JEsum Christum den Gerechten / derselbe ist die Versönung für
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der gantzen Welt Sünde. So wir die Sünde bekennen(C. 1, 9. 7.) / so ist Gott getrew / vnnd will vns die Sünde gerne vergeben. Dann das Blut JEsu Christi deß Sohns Gottes reiniget vns von allen Sünden. 1. Johan. 1. vnd 2. Wo aber die Sünde außgesönet / da verlieret sich die Macht vnnd Stärcke deß Satans. Durch das Wort empfangen wir ein gewisses Gezeugnuß / daß vnser Zuversicht zu GOtt durch Christum nicht vergebens / sondern vntrieglich vnd gewiß ist / dann es ist Gottes Zeugnuß. Das ist ein Schild damit wir vns decken; es ist ein Schwerdt damit wir den Feind niederstossen. Hiebey ist vns Gedult von nöthen / auff daß wir den Willen GOttes thun / vnnd die Verheissung empfahen. Hebr. 10. Dann wie zun Römern am 8.(Heb. 10. 36 Rom. 8, 17.) geschrieben stehet / wir seynd Kinder vnd Erben / nemblich Gottes Erben / vnd Miterben Christi / so wir anders mit leyden / auff daß wir auch mit zur Herrligkeit erhaben werden. Wir bedörffen zum Sieg nicht grosse Meisterstreiche / da hilfft nit streiche vnnd springen / sondern leyden / vnnd mit Gedult sich vnters Creutz legen / vnd das Creutz arbeiten lassen biß es ermüdet / gleich wie auch vnser Fürst Christus mit gedultigem Leyden gesieget hat. Wir müssen vns nicht wegern / alles nach Gottes Willen vber vns gehen zu lassen biß auff den Todt / wie hie stehet: Siehaben jhr Leben nicht geliebet biß in den Todt. Leben / Leib / Ehr vnnd Gut / ja alles was in der Welt ist / muß man hindan setzen / vn̅ Christo nicht vorziehen. Dann wer sein Leben liebet / der wirdts verlieren; wers aber hasset / der wirdts finden. Wer hierinn beständig ist biß ans Ende / der soll gekrönet werden. Diß seyn die Waffen vnserer Ritter schafft / nicht fleischlich sondern geistlich. Wer diese Waffen niederleget / wird vberwunden. So lang aber diese Waffen in vnsern Händen / so lange siegen wir.
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Das ists daß grosse Frewd im Himmel erwecket. Nun frewet euch jhr Himmel / vnd die darinnen wohnen. Alles was Antheyl am Himmel hat muß sich frewen. Wie die H. Engel (Luc. 15, 10.) sich frewen / zeyget Christus / wann er spricht: Ich sage euch / es wird Frewde seyn vor den Engeln GOttes / vber einen Sünder der Busse thut. Solten sich aber auch die Christen nicht frewen / die Reichsgenossen Christi / deren Wandel im Himmel ist? Was ist doch das Reich GOttes in vns anders als Fried vnd Frewd im H. Geiste? Wiewol wir jetzt nur ein klein Tröpfflein davon empfinden. Es wird aber die Frewd groß werden / wan̅ Engel vnd Menschen einen Hauffen machen / vnd zusam̅en stimmen: Nun ist das Reich vnsers Gottes / vnd seines Christus geworden. Nun frewet euch jhr Himmel vnd die darinnen wohnen. Das ist die Erklärung deß Streits / der sich im Himmel erhaben / vnnd deß frewdenreichen Sieges / darauß ein Christ leicht verstehen kan / daß er mit seinem Kriegsfürsten Christo JEsu jm̅er muß zu Felde ligen / vnd manchen harten Puff erwarten / vnd dennoch die Hoffnung eines frölichen Sieges dabey haben könne. (Usus 1. Didacticus.) So ists euch nun kundt gethan / liebe Christen; jhr müsset im Streite seyn / vnd ist kein Feind zu hoffen in diesem Leben. Es plaget zwar der Satan auch die seinige / als Türcken vnd Heyden / erreget vnter jhnen selbst Krieg vnd Mord / gehet mit jhnen vmb wie ein Tyrann mit seinen Vnderthanen; aber den Krieg führet er eygentlich mit niemand als mit Christen / die er auch noch gedenckt auß dem Himmel herauß zu ziehen. Wir seynd zwar im Himmel / vnd selige Leute / aber noch im Streite / der Wiedersacher ist zwar auß dem Himmel verstossen / doch menget er sich vnter die Kinder GOttes / eben wie vorhin / da er im Paradiß noch herumb schlich / als er schon von Gott war abtrünnig worden. Es ist nicht zu glauben / was für ein Treffen täglich in aller Welt vnter den Christen vorgehe. Wann mit Augen könte angesehen werden der Kampff /
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den die Christen täglich mit dem Drachen halten müssen / wurden wir erstarren. Vor allem fanget der Satan einen Krieg an wieder das Wort / vnd wieder alles was Christus ist / vnd Christo zugehöret. Eben wie im Anfang / da er zu erst mit den Menschen in den Kampff tratt / da greifft er das Wort an / vn̅ sprach: Solt das Gott gesagt haben. Er wehret daß das Wort entweder nicht gepredigt / oder nicht geglaubet werde. Er widerficht bald durch Verführung vnd Ketzereyen / bald durch Verfolgung / Grawsamkeit vnd Mord. Er schonet so wenig deß gantzen Hauffen der Christenheit / als einer eintzlichen Seelen. Da muß keine Seele / die Christo anhanget / vnangefochten bleiben. Die Bekümmernuß / Angst / vnd Wiederwärtigkeit / die man täglich für Augen sihet / vnd am Fleische fühlet / erkennet man leicht / daß jederman bekennen vnd sagen kan: Muß nicht der Mensch jm̅er im Streite seyn? Aber was man mit dem Satan inwendig zu thun habe / erkennet niemand / als allein dem die Augen recht wol erleuchtet seyn. Christus der zum schärffsten sihet / hats seinen Jüngern offenbaret / was er gesehen: Sihe der Satanas hat ewer begeret / daß er euch möchte(Luc. 22, 31.) sichten / vnd herumb schütteln wie den Weitzen. Der Apostel Petrus / der solches auß dem Munde seines Meisters gehöret / hats nachmal durch deß H. Geistes Erleuchtung noch besser erkandt vnd bezeuget / daß der Wiedersacher der Teuffel herumb(1. Petr. 5, 8.) gehe wie ein brüllender Löwe / vnd suche wie er vns verschlinge. Das Exempel Hiobs ist vns bekandt / an demselben hat er bewiesen / wie er ein Freund from̅er Christen sey. Auß Pauli(2. Cor. 12, 7. 8.) Bekandnuß ist vns auch bewust / wie er hat müssen leyden / daß jhn deß Satans Engel mit Fäusten geschlagen hat / ob er wol ängstiglich für Gott geflehet / daß er möchte von jhm genommen werden. Solches muß ein jeglicher Christ gewärtig seyn / absonderlich Propheten / Lehrer vnd Prediger / die andere durchs Wort lehren vnnd vnterrichten / die stehen vorn in der Spitzen. Der Sathan weiß
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was er außrichte / wann er Prediger hinweg bringe / oder nur in Ergernuß stürtze. (2. Hortatorius.) Darumb seyd nun gewarnet / einer so wol als der ander / daß wir nicht sicher vnnd vnvorsichtig herein gehen / als sey der Satan ferne von vns. Gedencke nicht der Satan sey in der Hölle / oder wohne bey den Mohren / weit genug von der Kirchen Christi. Nein er ist mitten vnter vns / den Streit hält er im Him̅el / vnd nit vnter den Vnglaubigen / als welche er schon bezwungen hat. So lang wir noch Glaubens Engel seyn / vnd nicht Schawens Engel / müssen wir noch manchen Anstoß erwarten. Darumb laßt vns wacker seyn. Es ist nicht vmb ein Handtvoll Erde zu thun / sondern vmb vnsern aller besten Schatz; nemblich daß Christus nicht in vns empfangen werde / nicht in vns lebe / nicht mit vnserer Seelen außfahren / vnnd ewiglich vereiniget bleibe. Diß ist das Kind / dem der böse Feind nach dem Leben stehet. Lässestu dir diß Kind auß dem Hertzen nehmen / so bistu vberwunden. Wirstu aber vberwunden / so gehörstu nicht mehr vnter Christi Fahn / sondern must seyn ein Engel deß Satans. Darumb nimb dich wol in acht. Vergessts nicht / sondern bedenckts wol / was es für ein Feind ist mit welchem jhr zu streiten habet. Er ist listig vnd verschlagen. Erstlich macht er vns die geistliche Widergeburt verdrießlich vnd schwer / als ein pfaffisch Ding / daß nur vnlustige Gedancken macht / er verschaffet / daß wir vns wahrer Gottesfurcht schämen. Hingegen führet er vns auff einen Berg / davon er vns zeyget die Reiche vnd Herrligkeit der Welt; vnd spricht: Wo du mich anbettest / so will ich dir das geben. Das ist / teutsch davon zu reden / er schmeißt dir den Weltdreck in die Augen / vnd befärbet den mit den allerschönsten Farben. Wann du dann das lieb gewonnen hast / so bistu all verblendet / setzest GOtt vnd sein Wort hindan / vnd thust dazu dich der Teuffel vn̅ dein Fleisch treiben / das heist dann nie derfallen vnd den Teuffel anbeten. Der arge Gast / gibt nicht fort / was er zeiget. Er verschaffet dem Menschen nit fort die Herrligkeit der
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Welt / sondern er zeygt sie jhnen / vnd macht jhnen Hoffnung / vnd nimpt jhr Hertz damit ein. Damit er solches deß zu bequemer erlange / nimpt er wol in acht / wozu der Mensch von Natur geneygt ist / wozu er Lust habe / inwendig vnnd auß wendig / es sey an Leib oder Seel. Das führt er jhm ins Hertz / vnnd brauchts zu seinem Vortheil / vnd nimpt den armen Menschen also ein / daß er jhn geistlich ertaubet / daß er nicht höre / oder zu Hertzen fasse / was GOtt durch das Wort vnd H. Geist zu jhmredet. Also ertaubt er die Evam / da er jr die Lieb deß verbottenen Baums einjagte / daß sie de̅ Baum ansahe / wie er lieblich were davon zu essen / vnd wie er köndte weise machen. Damit ward zurück getrieben das Nach dencken vnd Auffmercken Göttliches Befehls. Also ertaubt er noch alle Menschen. Merckt er daß das Gemüth zu Vollerey / Vnzucht / Hochmuth / Geitz / vn̅ andern Wercken der Finsternuß geneiget / so hilfft er jmmer / daß der Mensch die Welt vnd jhre Lust lieb gewinnet; damit ist der Mensch ertaubet / daß er nit achtet was man auch predige von Vollerey / Vnzucht / Hochmut / Geitz vnd andern Lastern / sondern er bleibt bey seinem Sinn. Wann solches geschicht / bildet der Bösewicht dem armen Menschen noch dabey ein / er kön̅e gleichwol ein Christ seyn. Also gehet dann der blinde Welt Mensch einher / vnd meynet er diene GOtt / vnd betet doch den Teuffel an. Dann das verhütet der Bösewicht / daß man nicht mercke / daß es böse vmb vns stehe. Auch ist der böse Feind ein vnverschämter Geist / er schämt sich nit / so er ein oder mehrmal abgewiesen ist / sondern thut wie die Fliegen / die jmmer wiederumb kehren zur Süssigkeit die sie schmecken / ob sie schon vielmal abgetrieben werden. Er ist so vnverschämpt / daß er sich auch nit schewet / Gott zu verlästern für den Menschen / vnd die Menschen für Gott. Christi Reich vnd Ehre macht er gering für den Menschen / vnd der Christen Ruhm vnnd Leben vernichtet er für Gott; eben wie er gantz vnverschämter weise zu der Eva lästerlich von Gottes Willen geredet / als meinet es Gott nit so /
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wie er rede; vnd nachmalen auch vnverschämter Weise für GOtt hönisch vnd verächtlich redet von dem guten Wandel Hiobs / welchen doch Gott selbst lobet. In disem allem ist der Satan vber die massen fleissig. Er verklaget die Heyligen für Gott Tag vnd Nacht. Vnd in der Historia Hiobs rühmet er sich / wie er das gantze Land durchstreiche / wie (Iob. 1, 8. 10.) er dan̅ auch artig Bescheid wuste zu geben von deß Hiobs Zustand. Wann dem argen Feinde die listige Anschläge nicht angehen wollen / läßt er seine grawsame Klawen sehen / als ein brüllen der Löwe. Kan er mit Güte nichts erlangen / so er weckt er alle Welt wieder vns / nimpt daneben fewrige Pfeile zur Hand / vnd ängstig et vn̅ plaget das Hertz mit bösen lästerlichen vnruhigen Gedancken / daß es nie kan froh werden. Diese Gedancken seynd so geschwind vnd gifftig / daß der arme Mensch nimmer dafür kan Friede haben. Da thut er wie ein Feind / kan er nicht kommen in die Statt / so ängstiget er sie von aussen mit Fewr einwerffen. Kürtzlich / er ist grawsam listig vnd mächtig. Kan er vns nicht besitzen / so will er vns tödten / kan er vns nicht tödten / so will er vns doch ängsten. Ich habe eine angefochtene fromme Seele gesprochen / welcher der Wiederwärtige die Seligkeit zweiffelhafft gemacht / dawieder sie sich hefftig gewehret mit dem Namen vnd Verdienst JEsus. Da hat sie müssen leyden / daß der Satan jhr solche Gedancken ins Hertz geschossen / als wann er der Satan derselbe were der JEsus heisse. Darauff dan̅ weiter sie hat müssen diese Angst fühlen / als hätte sie sich vnd die jhrige dem Satan befohlen / in dem sie sich vnd die jhrige dem befohlen der JEsus heisse. Das waren rechte fewrige Pfeile deß Bösewichtes. Dergleichen Pfeile hat er viel tausent in seinem Kocher. Da mag man den Schlaff auß den Augen wischen / daß wir nicht sicher werden / oder in Versuchung dahin fallen. Wie sollen wirs dann anfahen? Die Engel singen: Sie haben jhn vberwunden durch deß Lambes Blut / vn̅ durch
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das Wort jhrer Zeugnuß / vnnd haben jhr Leben nicht geliebet biß in den todt. Mit Büchsen vnd Spiessen / vnd andern leiblichen Waffen kanstu den Satan nicht vertreiben. Der Feind ist ein Geist / der Streit ist geistlich / Wehr vn̅ Waffen müssen auch geistlich seyn. Das Wort Gottes vnd Gedult thun das beste bey der Sache. Darumb wan̅ du ein Christ geworden bist / so sage ab allem was du bist vnd hast / vnd auffopffere dich Gott gantz vnd gar zu eygen / alles nach seinem Willen willig zu thun vnd gedultig zu leyden. Wan̅ du solches dir fürgenom̅en / als dann mustu versuchet werden auff vilfältige Weise. Der Satan wird zu mancherley fleischlichen jrrdischen Lüsten vnd Sünden Vrsach geben vnd dich reitzen / da bleib beym Wort / daß von Gottes Wolgefallen zeuget / das laß dir lieber seyn als dein eigner Will. Wan̅ du deß Wortes vergissest / vnd nit daran gedenckest / ob du auch nach Gottes Willen lauffest / bistu leicht zu Fall gebracht. Viel Noth vnd Wider willen wirstu auch müssen dulden / das dulde / vnd laß es dir lieb seyn vmbs HErrn Willen. Gedencke / ich bin ein Kriegsmann / vnd muß zu Felde ligen. Wan̅ ein Krieg auff höret / gehet ein anderer an. Laß dir das nit befremb den / dein Beruff bringts mit. Wer wol streitet vnd viel leydet / der wird auch herrlich gekrönet werden. Hastus einmal versehen / daß dich dein Gewissen anklaget / so greiff zum Blut deß Lambs / vn̅ wisse daß du einen Fürsprecher bey Gott hast / JEsum Christum / der ist die Versönung für deine Sünde. Wird der Satan mit fewrigen Pfeilen dich angreiffen / vnnd das Hertz ängstigen / da wird dir der Streit zu schwer / da lauff nur bloß zu deinem Hauptmann / vnd schrey den vmb Hülff an: Hilff nun mein Jesu. Vnd zum Feind sprich nit mehr als: Ich bin ein Christ / ich bin meines JEsus. Der Feind hat Gott lob offt erfahren müssen / was für mordliche Spieß vnd Waffen es sey / wann der Glaube jhm mit dem Namen JEsus begegnet. Darumb vergesset deß schönen Trostbildes nicht / welches das(3. Consolatorius.) fürnemste in diesem Text ist / daß ewer lieber Heyland Jesus mit in
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diesem Streit ist / vnd mit euch vnd für euch fechtet / vnnd in vnserer Schwachheit durch vns schwache Würmlein seine Krafft beweisen will. Achte nicht / daß dich Gott allein lassen wolle. Wan̅s scheinet / du bist gar von GOtt verlassen / ist er dir zum nächsten. Dein Heyland selbst hat müssen fühlen als were er verlassen / war aber drumb nit verlassen. Eben so lasset er vns zuweilen fühlen als seyn wir verlassen / aber er ist vns gar nahe. Auß Christi Gegenwart hastu einen drey fachen Trost. 1. Daß er den Anfechtungen Ziel vnd Maß stecket / also daß wieder seinen Willen vns nichts wiederfahren kan. Er lässet vns nit versuchen (1. Cor. 10, 13.) vber Vermögen. 1. Cor. 10. Deß Versuchers Lust vnd Begehren ists / einen Pfeil nach dem andern vns ins Hertz zu schiessen / vnnd von einer Anfechtung in die andere zu stossen / ohne alle maß. Was er dem Hiob gethan ist euch bekandt. Deß Pauli hat er auch nicht verschonet / der mit harten Fäusten ist geschlagen worden. Das alles was er thut / lässet jhm Gott zu / doch nit vergebens. Er will vns in der lieben Demuth halten. Ein demütig Hertz aber ist der Sitz Gottes. Er begehret vns herrlich zu machen am Tage der Wiedervergeltung. Wer nicht kämpffet / der wird auch nicht gekrönet. Darumb nicht vergebens ists / so dein Christus dem Satan schon schwere Anfechtung zuläßt. Er ist doch mit im Spiel / ein getrewer Gott / der vns nicht läßt versuchen vber Vermögen. 2. Trägt Christus Mitleyden mit vns / vn̅ vertritt vns in vnser Schwachheit / vnd sein Geist hilffet vnser Schwachheit auff / vnnd vertritt vns auffs beste mit vnaußsprechlichen Seufftzen. (Rom. 8, 26) Rom. 8. Solte eine Mutter nit Mitley den tragen mit jhrem Kinde / daß in schwerer Angst liget. Ja sie vergisset der neun vnd neuntzig / vnd gehet vmb das schwache. Also ist Christus nahe bey den angsthafften vnd zerbrochnen Hertzen / da ist seine Werckstatt / da erquickt vnd tröstet er. 3. Verschafft Christus das Entrinnen vnd den Sieg. Er
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machts daß die Versuchung ein solches Ende gewinne / daß wirs können ertragen. 1. Cor. 10. In den Tagen seines(1. Cor. 10, 13,) Fleisches hat er für vns gebetten: Vatter / ich bitte / daß du sie für dem argen bewahrest. Joh. 17. Ach liebster Heyland / dir(Ioh. 17, 15.) war vnser Leyden nicht vnbekandt / drumb batestu: Bewahr sie für dem argen. Diß Gebett ist noch heute kräfftig / vnd hilfft vns auß mancher Versuchung. Wie den Jüngern Christi außgeholffen / daß Christus für sie gebetten hat / jhr Glaube möchte nicht auffhören / also kompt vns noch heute zu Hülff / daß Gebett daß er für vns gethan / daß wir für dem Vbel bewahret werden; dasselbe klinget noch in den Ohren deß him̅lischen Vatters. Dazu gibt vns vnser König auch stärck zu widerstehen / vnd in seiner Krafft siegen wir. Tröstet euch damit jhr Angefochtene vnnd Betrübte / der Großfürst Michael / ewer Heyland Christus ist selbst mit euch im Streit / vnd setzet allen Versuchungen Maß vnd Ziel / vnd da jhrs jrrgent versehet / trägt er Mitleyden mit euch / vnd versöhnet euch / gibt euch auch daß jhr könnet entrinnen vnnd siegen. Daran gedencket / wann jhr singet:
Ich lig im Streit vnd wiederstreb / Hilff O HERR Christ dem Schwachen / An deiner Gnad allein ich kleb / Du kanst mich stärcker machen: Kompt nun Anfechtung her / so wehr / Daß sie mich nicht vmbstosse / Du kanst massen / Daß mirs nicht bringt Gefähr / Ich weiß du wirsts nicht lassen. Ich bekenne für mich / was andere fühlen werden sie wissen / wann Christus nicht bey mir were in meinen Anfechtungen / vnnd Maß hielte / were ich offt dem Teuffel in Rachen gefallen.
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Ob schon die Anfechtung schwer / vnd der Teuffel mächtig vnd grewlich / so ist vnser Beystandt doch noch grösser. Der in vns (??? Ioh. 4, 4.) ist / ist grösser als der in der Welt ist. 1. Joh. 4. Die Welt denckt vns böses zu thun / dazu rathet vnd hilfft der Satan gewaltiglich. Aber Gott ist vnser Zuversicht vnd Stärcke / darumb fürchten wir vns nicht / wan̅ schon die Berge mitten ins Meer (Psal. 46, 1.) fielen. Psal. 46. Weil wir solchen Beystand haben / halten wir den mächtigen Geist / nur für einen ohnmächtigen Hund / der zwar rasend ist / aber krafftloß; wie er dann hie die Schmache tragen muß / daß man von jhm vnnd allem seinem Anhang singe im Himmel: Sie vermöchten nicht. Die Krafft ist jhm durch Christum Jesum (Ioh. 14, 36.) genom̅en / der spricht Joh. 14. Es kompt der Fürst dieser Welt / vnd hat nichts an mir. Das Wort gilt noch / dann wir vnd Christus gehören zusam̅en / vnd machen ein Leib. Der Satan wie ein rasen der Hund hats gewaget / vnnd einen Sprung gethan nach vnserm Haupt / aber er hat nichts gewonnen? Nun laufft er die Glieder an / aber so lang wir in Christo seyn / mag er nichts gewinnen. Daß ein Christ dem Teuffel gewonnen gibt / ist als wann ein gerüsteter sich wolte für eine Bremse werffen / vnd sich lassen zu todt stechen. Darüber muß ja der Teuffel lachen. Es gelinget jhm zwar zuweilen / daß vnter den Jüngern Christi einer zum Verräther wird / der im Kampff nit bestehet / sondern abfällig wird von seinem Herrn; aber das geschicht durch deß Menschen eygen Schuld. An Stärck vnd Krafft in Christo mangelts nicht. Der fleischlichen Gebrechen können wir vns nit erwehren / so mögen wir auch nicht sagen / daß vns kein Fehl vbereilen könne. Dennoch hat der Gerechte diese Verheissung: Fällt er / wird er nit weggeworffen / sondern der HERR hilfft jhm wider auff. So aber jemand muthwillig in Sünden verharret / der kompt billich vmb durch seine eygne Schuld. Der Teuffel kan nicht mehr an vns haben als wir jhm selbst einraumen. Sonsten seyn wir so verwahret
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mit Christi Gnad vnd Schutz / daß wir sagen können: Wer will(Rom. 8, 35. 38.) vns scheyden von der Liebe Gottes / Trübsal oder Angst / ich bin gewiß daß weder Todt noch Leben / weder Engel noch Fürstenthumb / noch Gewalt / weder Gegenwärtiges noch Zukünfftiges / weder Hohes noch Tieffes / noch keine andere Creatur vns scheiden mag von der Liebe Gottes / die in Christo JEsu ist / vnferm HERRN. Wolan jhr Engel vnd Streiter Christi / Anstoß müßt jhr haben / zum Streit seyd jhr beruffen. Ewer Wiedersacher der Sathan ruhet nicht. Ihr aber / wieder stehet vest im Glauben vnnd in der Gedult / durch die Krafft deß HERRN ewers Gottes / vnd wisset daß ewer JEsus mit euch vnnd für euch streitet / daß jhr nun in guter Hoffnung schon triumphiren könnet: Nun ist schon das Heyl / vnd die Krafft / vnd das Reich vnsers Gottes / vnd die Macht seines Christus geworden. Darumb frewet euch jhr Him̅el vnd die darinnen wohnen. Amen. ENDE.
|| [ID00704]
|| [ID00705]

TABVLAE super EXPLICATIONES EPISTOLICAS:
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Non tàm ut memoriae inserviant consignatae, quàm ut connexionis rationem, qui desiderat, videat.
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|| [ID00706]
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EP IS TOLA I. ADVENTUS.
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Rom. 13. V. 11. usque ad fin.
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De Vsu Lucis.
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THEMA: Luce qui gaudet, utatur luce.
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II. ADVENTVS.
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Rom. 15. V. 1. usque ad 13.
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De infirmis in humilitate tolerandis.
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EXORDIVM: à scopo & occasione. THEMA: Infirmos in humilitate esse tolerandos.
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III. ADVENTVS.
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1. Cor. 4. V. 1. usque ad 6.
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De temerariis judiciis fugiendis, & non curandis.
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EXORDIVM: Vt in patientia ferendi imbecilles, ita temerarium de proximo judicium est contra dilectionem & conjunctionem Christianam. THEMA. Exemplo pastorum patet judicium hominis esse vanum.
|| [7]

IV. ADVENTVS.
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Phil. 4. V. 4.
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De nonnullis ad pacem internam facientibus.
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EXORDIVM: Non securis, sed sanctis scripta est haec Epistola. THEMA: Quaenam pacem internam promoveant. Epilogus ad obser vantiam huius ordinis in sectanda pace interna hortatur.
|| [8]

I. FERIA NATIVITATIS DOMINI.
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Esai. 9. 2.
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De puerulo Iesu, tanquam gaudio in tristitia.
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THEMA: In tribulationibus nostra consolatio Iesus.
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II. FERIA NATIVITATIS DOMINI.
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Act. 6. & 7.
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De puerulo Iesu, tanquam Salvatore isto, cui nos nostramque salutem committere debemus.
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THEMA: Iesus Christus is est, cui salutem omnem committere debemus.
|| [10]

III. FERIA NATIVITATIS DOMINI.
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Tit. 2. 10.
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De salutarigratia, Christianorum Magistra.
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THEMA: Salutaris Dei gratia nos trahit ad Sanctam vitam.
|| [11]

DOMINICA POST NATALEM DOMINI.
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Gal. 4. 1.
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De incarnatione Domini ceu termino minorennitatis in Ecclesia Dei.
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THEMA: Terminus in quo finitur servile iugum Ecclesiae, & in quo incipit libertas & adventus ftlie Dei in carnem.
|| [12]

IN FESTO CIRCVMCISIONIS, quod est initium anni.
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Gal. 3. 23.
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Prognosticon desumptum ex filiatione Dei in Christo.
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THEMA: Confideranda est strena in Iesu nobis oblata, filiatio Dei.
|| [13]

DOMINICA POST CIRCVMCISIONEM.
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Tit. 3. 4.
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De Dei in Peccatore Sal vando revelata.
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THEMA: Salus hominis peccatoris est demonstratio divinae benignitatis.
|| [14]

IN FESTO EPIPHANIAE.
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Esai. 60. 1.
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De amplitudine luminis in Ecclesia Christi.
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THEMA: Lumen in Sione ortum illustrabit omnes gentes.
|| [15]

I. POST EPIPH.
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Rom. 12. V. 1. & 2.
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De Spirituali sacrificio tanquam cultu rationali Sacerdotum Novi Testamenti.
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EXORD. à dignitate sacerdotali, ad quam omnes pervenire possumus. Hinc etiam omnibus observanda sacerdotalis functio. THEMA: Corpora fiant Sacrificium.
|| [16]

II. POST EPIPH.
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Rom. 12. V. 3.
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De usu donorum.
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THEMA: Dona sobriè sunt usurpanda. Epilogus ad praxin breviter excitat.
|| [17]

III. POST EPIPH.
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Rom. 12. V. 9.
[arrow up]

De variarum virtutum exercitio.
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THEMA. Vocatio nostra variarum virtutum exercitio est exornanda. Epilogus ad praxin breviter incitat.
|| [18]

IV. POST EPIPH.
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Rom. 13. 8.
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De amoris debito.
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THEMA. Dilectio erga proximum, est debitum propter Deum.
|| [19]

V. POST EPIPH.
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Coloss. 3. 12.
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De Dominio pacis.
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THEMA. Per beneficentiam & fidei laetitiam pax dominatur in corde.
|| [20]

VI. POST EPIPH.
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2. Pet. 1. 16.
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De certo Religionis fundamento.
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THEMA. Fundamentum Religionis Christianae est firmum.
|| [21]

SEPTVAGESIMA.
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1. Cor. 9. 24.
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De prudenti in Christianismo certamine.
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THEMA: Christiani est prudenter certare in Christianismi certamine.
|| [22]

SEXAGESIMA.
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2. Cor. 11. 19. usque ad vers. 11. c. 12.
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De gloriatione Christiana.
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EXORD. docet famae quoque rationem habendam esse Christiano. THEMA: Christianus gloriatur in gratia Dei & imbecillitatibus variis.
|| [23]
|| [24]

ESTO MIHI.
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1. Cor. 13.
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De charitate, donorum perfectione.
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THEMA. Charitas est donorum perfectio.
|| [25]

ALIVS TEXTVS.
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Esai. 5. 11.
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Contra Ebrietatem.
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THEMA. Vae Ebriosis.
|| [26]

INVOCAVIT.
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2. Cor. 6. 1.
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De vero usu gratiae.
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THEMA. Gratia data non sit otiosa.
|| [27]

REMINISCERE.
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1. Thess. 4. 1.
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Adhortatio ad sanctam conversationem.
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THEMA. Credentes debent proficere in sanctificatione.
|| [28]

OCVLI.
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Eph. 5. 1.
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De Sanctificatione in dilectione & castitate.
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EXORD. ostendit fundamentum Christianismi esse unionem cum Christo. Eph. 4. 15. 16. THEMA. Simus Sancti in dilectione & castitate, tam in sermone, quàm opere.
|| [29]

LAETARE.
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Gal 4. 21.
[arrow up]

De duplici Abrahami prole, ut typo duplicis testamenti.
[arrow up]

THEMA: Servilis proles eijcitur, libera fit haeres.
|| [30]

IVDICA.
[arrow up]

Hebr. 9. 11.
[arrow up]

De preciositate Sacerdotii Christi.
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THEMA. Sacerdos novi Testamenti, est Sacerdos perfectissimus.
|| [31]

PALMARVM.
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Phil. 2. 5.
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De humili subiectione Christi.
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THEMA. Humilis subiectio Christi nos invitat ad similem humilitatem.
|| [32]

FERIA VI. HEBDOMADIS MAIORIS.
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De sepultura Christi, juxta 4. Evangelistas.
[arrow up]

EXORD. à vita habitante adhuc in mortuo Iesu. THEMA. Crucifixus Iesus honorificè est sepeliendus.
|| [33]

FERIA I. PASCHATOS.
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1. Cor. 5. 6.
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De expurgando fermento.
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THEMA: Festivitas paschalis non est contaminanda fermento.
|| [34]

FERIA II. PASCH.
[arrow up]

Act. 10. 34. usque ad 44.
[arrow up]

De salute quae in Concione de Christo crucifixo & resuscitato proponitur.
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THEMA. Iesus crucifixus est verus Messias, in quo vera salus.
|| [35]

FERIA III. PASCH.
[arrow up]

Act. 13. 26. usque ad 39.
[arrow up]

De verbo salutis in Christo Iesu.
[arrow up]

THEMA. Verbum crucis & resurrectionis Iesu Christi est verbum salutis.
|| [36]

I. POST PASCHA.
[arrow up]

1. Ioh. 5. 4.
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De certitudine fidei.
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THEMA. Fides habet testimonium infallibile.
|| [37]

II. POST PASCHA.
[arrow up]

1. Pet. 2. 19.
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De patientìa in iniuriis.
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THEMA. Christiani iniurias patienter ferre tenentur.
|| [38]

III. POST PASCHA.
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1. Pet. 2. 11.
[arrow up]

De convenientißima peregrinis in hoc mundo conversatione.
[arrow up]

THEMA. Peregrini in hoc mundo & internè animam intemeratam conser vent, & externam honestatem observent. Epilogus excitat ad praxin.
|| [39]

IV. POST PASCHA.
[arrow up]

Iac. 1. 17.
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De donis Dei, ceu signis di vinae benevolentiae.
[arrow up]

EXORD. à scopo & connexione epistolae Iacobaeae. THEMA: Deus est Fons omnis boni.
|| [40]

V. POST PASCHA.
[arrow up]

1. Cor. 15. 51.
[arrow up]

De mutatione corporum ultima & gloriosa.
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THEMA. Corpora Electorum fidelium aliquando sunt immutanda.
|| [41]

FESTO ASCENSIONIS.
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Act. 1. 1.
[arrow up]

De gloriosa curriculi Christi clausula.
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THEMA. Ascensio in coelum est felix curriculi Christi clausula.
|| [42]

POST ASCENSIONIS FESTVM.
[arrow up]

1. Pet. 4. 8.
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De orationis & charitatis praxi.
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THEMA. Orationis & charitatis praxis Christianum praeparat ad extremum diem. Epilogus ad praxin incitas.
|| [43]

I. PENTECOSTES.
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Act. 2. 1.
[arrow up]

De praestantißimo Spiritus Sancti dono.
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EXORDIVM à collatione Veteris atque novae Pentecastes. THEMA. Spiritum Sanctum accipiens Ecclesia Christi, accepit donum praestantissimum.
|| [44]

II. PENTECOST.
[arrow up]

Act. 10. 44.
[arrow up]

De bonis Spiritus S. Discipulis.
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THEMA. Receptrin communionem Spiritus S. studeant esse boni distipuli Sp. S.

III. PENTECOST.
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Act. 8. 14.
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De medtis, per quae Spiritus Sanctus venit & retinetur.
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|| [45]
THEMA. Per verbum & preces venit Spiritus Sanctus.

DOMINICA TRINITATIS.
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Rom. 11. 33.
[arrow up]

De viis iudiciorum divinorum incomprehensibilibus.
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THEMA. Viae Dei in iudiciis sunt incomprehensibiles.
|| [46]
|| [47]

I. POST TRINITATIS.
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1. Ioh. 4. 16.
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De Dilectianis Eminentia & Objecto.
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THEMA. Qui diligit Deum & in Deo proximum, is manet in Deo, & habet fiduciam in die judicti.
|| [47]

II. POST TRINIT.
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1. Ioh. 3. 13.
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De neceßitate realis dilectionis ergaproximum, quatenus est regenerationis probatio.
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THEMA. Dilectio operosaerga proximum necessaria est Christiano tanquam regenerationio probatio.
|| [49]

III. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Petr. 5. 6.
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De tribus partibus miseriam vitae suble vantibus, humilitate, tranquillitate & prudentia.
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THEMA. Christiani ad sublevandam miseriam vitae studeant humilitati, quieti, & prudentia.
|| [50]

IV. POST TRINIT.
[arrow up]

Rom. 8. 18.
[arrow up]

De expectandae liberationis exemplo in Creaturis omnibusque Sanctis.
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THEMA: liberatio in futura gloria, exemplo Creaturarum omniumque Sanctorum patienter est expectanda.
|| [51]

V. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Petr. 3. 8.
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De modo Christianè conversandi cum hominibus.
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THEMA. Amicè & pacificè vivendum cum omnibus.
|| [52]

VI. POST TRINIT.
[arrow up]

Rom. 6. 3.
[arrow up]

De Morte & resurrectione peccatoris in Christo.
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THEMA: Iustificatus per Christum, in Christo moritur & resurgis.
|| [53]

VII. POST TRINIT.
[arrow up]

Rom. 6. 19.
[arrow up]

De duplici servitio.
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EXORD. à duobus semper durantibus in hoc mundo regnis. THEMA. Serviendum non peccato, sed iustitiae.
|| [54]

VIII. POST TRINIT.
[arrow up]

Rom. 18. 12.
[arrow up]

De necessitate ambulandi iuxta Spiritum.
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THEMA. Ambulare iuxta Spiritum, Christiano est necessarium.
|| [55]

IX. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Cor. 10. 6.
[arrow up]

De Christiana prudentia in cavendo lapsu.
[arrow up]

THEMA. Exempla irae nos trahunt à servitute ad prudentiam, ne labamur.
|| [56]

X. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Cor. 12. 1.
[arrow up]

De Donorum spiritualium origine.
[arrow up]

THEMA: Dona spiritualia omnia, utut varia, sunt ab uns Spiritu.
|| [57]

XI. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Cor. 15. 1.
[arrow up]

De fundamento & fidei & conversationis Christianae.
[arrow up]

THEMA. Verbum de Christo est fundamentum & fidei & conversationis Christianae, quo confugiendum in omnibus rebus dubiis.
|| [58]

XII. POST TRINIT.
[arrow up]

De gloria Evangelii.
[arrow up]

THEMA. Ministerium Evangelicum operatur in cordibus hominum inaestimabilem gloriam.
|| [59]

XIII. POST TRINIT.
[arrow up]

Gal. 3. 15.
[arrow up]

De firmitate Testamenti divini quoad benedictionem maledicti hominis.
[arrow up]

THEMA. Testamentum de semine benedicto firmum est, nec mutatur per legem.
|| [60]

XIV. POST TRINIT.
[arrow up]

Gal. 5. 16.
[arrow up]

De moderatore libertatis Christianae, Spiritu.
[arrow up]

THEMA. Spiritu gubernanda est Christiana libertas.
|| [61]

XV. POST TRINIT.
[arrow up]

Gal. 5. & 6. V. 25.
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De modo ambulandi in spiritu, inprimis quoad mansuetudinem & beneficentiam.
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EXORD. à temporepoenitendi non negligendo. THEMA: Christianus ambulet Spiritu, tum quoad mansuetudinem, tum quoad beneficentiam. Epilogus ad praxus previter nortatur.
|| [62]

XVI. POST TRINIT.
[arrow up]

Ephes. 3. 13.
[arrow up]

De Incremento interni hominis.
[arrow up]

THEMA. Internus homo non deficiat, sed novum semper robur acquirat.
|| [63]

XVII. POST TRINIT.
[arrow up]

Eph. 4. V. 1. usque ad 7.
[arrow up]

De unitate Spiritus.
[arrow up]

THEMA. de servanda unitate Spirituas.
|| [64]
|| [65]

XVIII. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Cor. 1. V. 4. usque ad 10.
[arrow up]

De divitiis Christianae doctrinae.
[arrow up]

THEMA. de diviti is doctrinae Christianae tanquam thesauro gratioso.
|| [66]

XIX. POST TRINIT.
[arrow up]

Eph. 4. V. 22. usque ad 29.
[arrow up]

De quotidiana Christiani reno vatione.
[arrow up]

THEMA. Quotidièrenovandus est Christianus.
|| [67]

XX. POST TRINIT.
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Eph. 5. V. 15. usque ad 22.
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De via ambulanda illuminato.
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THEMA. Regulae ostendentes viam ambulandam illuminato. Repetitio & Epilogus.
|| [68]

XXI. POST TRINIT.
[arrow up]

Eph. 6. 10.
[arrow up]

De Armatura Spirituali contra Sathanam.
[arrow up]

THEMA. Christiani debent se armare contra Sathanam.
|| [69]

XXII. POST TRINIT.
[arrow up]

Phil. 1. V. 3.
[arrow up]

De animo piorum erga felicem Evangelii progreßum.
[arrow up]

THEMA: Qualis piorum mens debeat esse erga felicem Evangelii progressum.
|| [70]

XXIII. POST TRINIT.
[arrow up]

Phil. 3. V. 17. usque ad fin.
[arrow up]

De prudenti sequela in itinere ad vitam aeternam.
[arrow up]

THEMA. In cursu Christianismi prudenter sequi debemus exemplum & vestigia Pauli.
|| [71]

XXIV. POST TRINIT.
[arrow up]

Col. 1. V. 9. usque ad 15.
[arrow up]

De progressu in spirituali Sapientia.
[arrow up]

THEMA: Progressus in spirituali sapientia optandus est Christianis.
|| [72]
|| [73]

XXV. POST TRINIT.
[arrow up]

1. Thess. 4. 13.
[arrow up]

De gloriosa resurrectione ad beatitudinem coelestem.
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THEMA. Pij resurgent ad gloriam.
|| [74]

XXVI. POST TRINIT.
[arrow up]

2. Thess. 1. 3.
[arrow up]

De futura remuneratione tanquam solatio in Christianorum laboribus.
[arrow up]

THEMA. In laboribus Christianismi erigimur futura remuneratione.
|| [75]

XXVII. POST TRINIT.
[arrow up]

2. Pet. 3. 3.
[arrow up]

De fine mundi.
[arrow up]

THEMA. Finis mundi certò veniet.
|| [76]

TABULAE IN TEXTVS EPISTOLICOS QVORVND AM FESTORVM.
[arrow up]

IN FESTO PVRIFICATIONIS.
[arrow up]

Luc. 2. 29.
[arrow up]

De fidei magnanimitate in morte omnique tribulatione.
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THEMA. Perspicacitas fidei facit magnanimos.
|| [77]

IN FESTO ANNVNCIATIONIS.
[arrow up]

Esa. 7. 10.
[arrow up]

De Immanuelis partu, ut signo liberationis di vinae.
[arrow up]

EXORD. à scopo. THEMA. Immanuelis partus est signum divinae assistentiae & liberationis certae.
|| [78]

IN FESTO IOHANNIS BAPTISTAE.
[arrow up]

Luc. 1, 68.
[arrow up]

De gratiosa ab hostibus spiritualibus liberatione.
[arrow up]

THEMA: Acaptivitate spirituali liberavit nos salutaris gratia.
|| [79]

IN FESTO VISITATIONIS MARIAE.
[arrow up]

Super Magnificat. Luc. 1. 46.
[arrow up]

De exultatione in Deo.
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THEMA. Non in donis sed in Deo exultandum.
|| [80]

IN FESTO MICHAELIS.
[arrow up]

Apoc. 12, 7.
[arrow up]

De pugna in coelo.
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THEMA. Praelio facto in coelo, victoriam obtinet Michael. FINIS.


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