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Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und
Errinnerungen über allerhand auserlesene Juristische Händel.
Halle im Magdeburgischen, 1723. Zu finden in der Rengerischen Buchhandlung.
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Vorrede.
ICh habe zwar vor drittehalb Jahren in der Dedication meiner über Melchiors von
Osse Testament publicirten Anmerckungen erwehnet, daß diese vielleicht wegen
meines zunehmenden Alters meine letzte Schrifft seyn dörffte, und habe auch seit
dem nichts in Teutscher Sprache in Druck herausgegeben, als zu Ende des 1718.
Jahrs eine Vorrede zu des Websters aus dem Englischen in das Teutsche übersetzte
Buch von Hexereyen. Weßhalben sich vielleicht viele wundern dörfften, warum ich
meinen Vorsatz geändert, und itzo die gegenwärtige Gedancken über allerhand
auserlesene Juristische Händel nicht alleine drücken lasse, sondern auch alsbald
auf den Titel mit Benennung des ersten Theils gleichsam mich erklähret, daß ich
künfftig noch ferner dergleichen zu ediren gesonnen wäre, zumahlen da die
bekante Reimen von dem Alter des Menschen
Funffzig Jahr stille stahn Sechtzig Jahr gehts Alter an Siebentzig Jahr ein Greis Achtzig Jahr nimmer weis. mich vielleicht erinnern solten, daß, da ich nunmehro schon im Anfang dieses Jahrs mein Sechs und sechtzigstes angetreten, ich mich denen Greisen und nimmer weisen Leuten immer mehr und mehr näherte. Aber wenn nichts mehr als diese Reime mir in Wege stünden, würde ich leicht zur Antwort geben können, daß ich mit meinen Schrifften es ein Jahr oder funffzehen (so GOtt Leben und Gesundheit verleihen solte) noch mit ansehen, und also etwan noch etliche zwantzig biß dreyßig Thei
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le von diesen Juristischen Händeln
publiciren könte, ehe ich mich unter die Zahl der nimmer Weisen rechnen dörffte.
Allein ich will mit dieser Antwort so bald in Anfang dieser meiner Vorrede
keinen Menschen erschrecken, sondern den deutlichen Verstand meines obigen
Vorsatzes von Unterlassung fernerer Schrifften, und meines jetzigen Vorhabens
etwas umständlicher melden.
Ich bin von Jugend auff schlecht und recht, aber dabey allezeit eines
freymüthigen und frölichen Sinnes gewesen, und vermeinete also nicht, da ich vor
dreyßig Jahren meine schertz-und ernsthaffte Gedancken monatlich in Leipzig
publicirte, daß so ein Lermen daraus entstehen und diejenigen, denen ich
darinnen die Wahrheit gesagt hatte, so erbittert wieder mich werden solten, als
es leyder geschahe. Die Ursach meiner Einfalt war, daß ich nach der gemeinen
noch itzo herrschenden doctrin feste glaubte, die scala praedicamentalis träffe
so richtig ein, als das einmahl eins, und daß Petrus, Paulus, Johannes so wenig
von einander unterschieden wäre, als unter denen Thieren, die individua von
einer Art oder specie infima. Und wie ich also meines Orts gar wohl leiden
konte, wenn mir jemand, auch in etwas beissenden Schertz die Warheit sagte, wenn
aber jemand ohne Vernunfft oder judicio mich tadeln wolte, ich mehr Mitleiden
mit ihm hatte, als daß ich mich über ihn erzürnen solte; also meinete ich auch,
es wären andre Menschen nothwendig eben so geartet. Aber meine Verfolgung und
Austreibung aus meinem Vaterlande lehrte mich ein anders, u. ich fing damals am
ersten an, wiewohl noch etwas dunckel, zu erkennen, daß die Menschen so
vielfältig von einander unterschieden wären, als die Thiere insgesamt, und
beflisse mich demnach von der Zeit an, die Natur der Menschen besser erkennen zu
lernen, und die aus dem gemeinen Irrthum herfliessende vielfältige irrige
Conclusiones nebst andern falschen Lehren zu wiederlegen. Ich erkennete aber
nicht lange darauf, daß die Satyrische Schreib-Art zwar auch ein Mittel wäre,
die tieff eingewurtzelten Irrthümer vielen Leuten zu erkennen zu geben; aber daß
sie doch bey denen, die allzusehr an die Irrthümer gewohnt, und bey denen sie
etwas feste sässen, keine Besserung leichtlich würckte, sondern sie vielmehr
wieder die War
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heit verbitterter machte, ja daß sie
denen selbst, die die Warheit Satyrischer Weise vortrügen, vielen Verdruß
erweckte, und sie an den Fortgang auff dem Weg der Wahrheit sehr hinderte, indem
sie von ihren Wiedersachern hinwiederum gereitzet würden, mit selbigen in
Streit-Schrifften sich einzulassen; und daß dannenhero auf eine andre Weise der
Vortrag der Warheit geschehen müste. Wie aber insgemein zu geschehen pflegt, daß
wenn man sich von einem erkanten Irrwege entfernen will, man gar leichte, wenn
man sich nicht wohl in acht nimmt, auff einen andern Irrweg gerathen kan; also
gieng mir es selbst eine Zeitlang, daß ich vermeinte, die Wahrheit könne nicht
anders als durch Lesung ernsthaffter und andächtiger Bücher erhalten werden, und
müste auch hin wiederum mit lauteren Ernst oder mit Seuffzen und Weinen
vorgetragen und ohne Einmischung der geringsten Fröligkeit und Schertzes andern
vorgetragen werden; wie dann hiervon meine damahls edirten Schrifften,
absonderlich aber die Ausübung der Sitten-Lehre Zeugniß geben. Jedoch gabe GOtt
nach seiner Göttlichen Barmhertzigkeit Gnade, daß ich meinen Fuß auch aus diesem
Irrthum bey Zeiten wieder zurücke zog, und deutlich begriffe, daß die Erkäntniß
der Wahrheit an und vor sich selbst von dem Vortrag derselben nicht dependirte,
so wenig als der Genuß einer gesunden Speise von derselben Zubereitung, sondern
daß ein jeder sich hüten müste, die Speise weder durch Bitterkeit noch
allzugrosse Säure oder Schärffe unannehmlich zu machen, indessen ein wenig Saltz
oder Eßig zuweilen nicht nur unschädlich wäre, sondern auch bey vielen, die
sonst einen Eckel an der Speise hätten, den appetit erweckte. Hierdurch wurde
ich vergewissert, daß so wenig der ernsthaffte und seuffzende Vortrag die
Lehrer, die sich derselben beflissen, allezeit vor Irrthümern bewahrete, (wie
davon die bekanten unschuldigen Nachrichten u. was von andern gelehrten Männern
auf den Heuchlerischen Vortrag derselben ist erinnert worden, ein deutliches
Exempel geben können) so wenig auch der muntere und lebhafte Vortrag nebst einem
ungezwungenen und sinnreichen Schertz (wenn derselbe nur nicht allzubeissend,
anzüglich, grob oder schändlich sey) der Erkäntniß und Fortpflantzung der
Warheit schädlich wäre, und daß dannenhe
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ro ein jeder
Wahrheit liebender das talent, das ihm GOtt dißfals gegeben, brauchen und bey
demselben bleiben, und des andern nicht thörichter Weise affectiren, aber auch
die andren, die sich eines andern bedienten, nicht anfeinden, noch verlästern
müste. Wenn z. e. der seelige Johann Arnd, und der gottsfürchtige D. Spener,
Lutheri oder Erasmi freudige Schreib-Art hätten affectiren wollen, würden sie
sich sehr prostituiret haben. Und in Gegentheil, wenn der Mann GOttes Lutherus,
und der andre Werckzeug GOttes Erasmus von Rotterdam ihre freudige und
sinnreiche Schreib-Art hätten verstecken, und eine traurige oder auch nur
ernsthaffte allezeit gebrauchen wollen, würden sie dem Pabstthum lange so
grossen Schaden nicht gethan haben, als so geschehen, da sie sich ihres talents
rechtschaffen bedienet.
Jedoch hat alles seine Zeit, Ziel, Maß und Gewicht. Und nachdem ich also nach
dieser Regul meine Schreib-Art etliche und zwantzig Jahr eingerichtet, habe ich
nicht alleine befunden, daß dasjenige, was ich so wohl in der Philosophie, als
auch in der Jurisprudentz (die nach der heutigen auf vielen Universitäten
hergebrachten und bißher mit grossen Nutzen der Studirenden vergesellschafften
Erkäntniß, einen viel weiteren Begriff oder Sprengkel hat, als man vor diesen
und noch heute in Pabstthum vermeinet) in öffentlichen Schrifften vorgetragen,
viel mehreren applausum erhalten als vorhero. Denn obschon sich hier und dar
nicht wenige Wiedersprecher gefunden, und noch finden; so habe ich doch nicht
bedurfft, mich in Streit-Schrifften einzulassen, oder die vorhergebrauchten,
nunmehr aber abgeschafften allzubeissenden Ausdrückungen zu entschuldigen,
sondern es ist genung gewesen, wenn ich meine etwa noch nicht deutlich genung
vorgetragene Sätze deutlicher gemacht, oder es haben sich andre gefunden, die
dieselben an meine statt vertheidiget; oder GOtt hat auf andre Weise mich und
meine Lehren beschützet, dafür der göttlichen Weißheit und Barmhertzigkeit ich
demüthig dancke. Ja diese unverdiente göttliche Gnade hat mich immer mehr und
mehr behertzter gemacht, die noch vielfältigen Reliquien des Politischen
Pabstthums in der Jurisprudentia Ecclesiastica getrost zu entdecken, wie
da
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von unterschiedene Disputationes, ingleichen
die bekanten Cautelen, und endlich die Noten über den Lancelottum vielfältig
bezeigen. Aber auch die Entdeckung der nützlichsten Warheiten hat ihre Zeit, und
die göttliche Weißheit giebt zuweilen unvermuthete Erinnerungen, daß man damit
inne halten, und die weitere Fortpflantzung derselben denen Nachkommen
überlassen solle.
Und für eine dergleichen göttliche Erinnerung habe ich auch diejenige
Reichskündige Wiederwärtigkeit aufgenommen, die mir wegen der Disputation de
Concubinatu zu W. zu der Zeit begegnet, als meine Noten über den Lancelottum
gleich unter der Presse waren, und ich mich nicht ohne Ursache befahren muste,
die hinter dieser Machine versteckte unsichtbare Feinde würden intendiren, ihr
Müthgen zum wenigsten durch Verhinderung des völligen Abdrucks derselben, an mir
zu kühlen, wiewohl die Warheit zu sagen, mich diese Sache mehr um des Verlegers
als um meinet willen, betrübte, indem jener einen grossen Schaden gelitten haben
würde, wenn er dieses etwas kostbare Werck hätte müssen unausgefertiget, und die
allbereit gedruckten Stücke zu Maculatur werden lassen. Derowegen bate ich GOtt,
der Feinde Rathschläge in diesem Stücke zu nichte zu machen, und, daferne es
seiner göttlichen Weißheit nicht gefallen möchte, daß ich in denen Entdeckungen
der gar groben Reliquien des politischen Pabstthums unter uns weiter fortfahren
solte, mir alsdann mein Hertz und Feder zu regieren, daß ich andre Warheiten zu
lehren und zu erklähren, fortführe, die so verhaßt nicht wären, noch die Feinde
derselben so hefftig in Harnisch brächten; oder daß ich mich des Schreibens gar
begäbe, und es andern jüngern überliesse. Da nun GOtt mein Gebet wegen der Noten
ad Lancelottum gnädig erhöret; habe ich auch meines Orts darauff gedacht, wie
ich mich in fernerer publicirung meiner Schrifften künfftig ein wenig mehr
einschränckte, und dannenhero habe ich in der Dedication des Oßischen Testaments
unter andern diese Worte gebraucht, daß selbiges vielleicht die letzte Schrifft
seyn dürffte, die ich durch öffentlichen Druck heraus gäbe, in dem theils mein
immer mehr u. mehr zunehmen des Alter, theils auch andre vielfältige Ursachen
mich erinnerten, dermahleins von Bücher
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schreiben
Feyerabend zu machen, und diese Arbeit jüngern und munterern ingeniis zu
überlassen.
Nachdem mich aber unterschiedene gute und vornehme Freunde erinnert, so lange mir
GOTT die Kräffte des Gemüths und des Leibes in gutem Stande liesse, meinem
Nächsten ferner mit meinen Schrifften zu dienen, habe ich ein Temperament
darinnen zu treffen gemeinet, daß ich theils eine etwas beliebtere Materie
wählete, theils aber, daß ich etliliche schon längst concipirte Schrifften
übersähe und publicirte, theils daß ich die allbereit edirten mit einigen
Anmerckungen erläuterte, oder deutlicher, die bey Erklärung derselben schon vor
geraumer Zeit darzu geschriebene Randglossen, darzu setzte; theils daß ich zu
nützlichen und die gemeine Irrthümer bestreitenden Schrifften etwa eine Vorrede
machte; theils, daß ich die von mir verfertigte Responsa und Urtheile
durchgienge, und die merckwürdigsten von denen andern absonderte, und nach und
nach heraus gäbe. Und in diesen Absichten sind seit dem die Fundamenta juris
naturae & Gentium mit neuen Anmerckungen, ingleichen die Historia juris
naturalis heraus kommen, und werden diese Ostermesse einige kurtze Noten, die
ich über die Prudentiam Consultatoriam verfertiget, der neuen Aufflage der
teutschen version derselben unter dem Titel: Politische Klugheit sich und andern
zu rathen / zu Leipzig beygefüget werden.
Wie nun in allen diesen Schrifften solche Wahrheiten vorgetragen worden, die
nicht so viele und mächtige Feinde noch unter uns haben, als diejenigen sind, so
die Kirchen-Rechts-Gelahrheit absonderlich berühren; also hätte ich mir an
wenigsten versehen, daß wegen der Vorrede über den Webster iemand, der dißfalls
andrer Meinung ist als ich, dergestalt ergrimmen solte, daß er die dißfalls
schon vor vielen Jahren wieder mich heraus gegebene einfältige Schrifft von
neuen zu vertheidigen, und darneben auff eine so grobe und plumpe Art als in der
diesen vorigen Herbst edirten Scarteque von Kobold geschehen, mich zu lästern
sich bemühen solte: indem ich ja in der Disputation von Ursprung des
Inquisitions-Processes wieder die Hexen so augenscheinlich gewiesen, daß der
Teuffel, der Bündnisse mit den Hexen macht, bey ih
|| [ID00009]
nen
schläfft und Elben mit ihnen zeuget, sie auf den Blocksberg führet, u. d. g. ein
gar sehr junger und nicht lange vor der Reformation in Pabstthum erst
ausgeheckter Teuffel sey; ich auch seit dieser gehaltenen Disputation niemand
gemercket, der derselbigen in öffentlicher Schrifft wiedersprochen, geschweige
denn dieselbe zu wiederlegen sich unterfangen; wie dann auch der neue
Kobold-Ausbrüter dieselbe nicht mit einem Buchstaben berühret. Da es aber
dennoch und zwar so miserabel und ohne dem geringsten judicio geschehen, habe
ich es halter gut seyn lassen, und mich vielmehr über die gerechten Gerichte
GOttes verwundern müssen, daß die in denen albernsten Reliquiis des finstersten
Pabstthums noch biß an Hals steckende Lehrer diese ihre Tummheit und Tollheit
selbst mit so lebendigen Farben abmahlen müssen, daß auch ihre ärgsten Feinde
sie nicht ärger als durch diese Schrifft hätten prostituiren können. Ich kan
hierbey nicht läugnen, daß als ich des dem Titel beygefügten albernen Kupffers
gewahr worden, ich anfänglich der Meinung gewesen, als wenn einer von meinen
Freunden meinen Wiedersachern durch diese Schrifft hätte satyrischer Weise wehe
thun wollen, indem er sich angestellet, als ob er mich refutiren wolte, in der
That aber durch Vorbringung solcher tummer Sachen meine Wiedersacher hätte
durchziehen wollen, und hierzu gab mir sonderlich Anlaß, daß in denen auff den
Kupfferblat sich befindenden Reimen ich nicht genennet war, auch der Inhalt
derselben sich mehr auff die Kobolds Patrone als auff mich schickte. Denn ich
habe GOtt zu dancken, daß ich Zeit meines Lebens weder mit Kopffwehtagen, noch
mit Sausen und Brausen in Ohren, noch mit andern Kopff-Kranckheiten heimgesucht
worden, sondern vielmehr dann und wann an Füssen einige Ansätze von Podagra
gelitten; da hingegen es leicht seyn können, daß die durch meine Vorrede über
den Webster sich ereyfrende Vertheydiger des Hexen-Teuffels einige Beschwerung
in ihrem Haupt gefühlet, und deßhalb einige Tage bettlägerig worden. So war es
auch etwas gezwungenes, da in denen Reimen ferner gedacht wurde, die
gegenwärtige Schrifft solte den Patienten curiren, wenn man dieses auff mich
appliciren wolte, indem vielmehr alle Zeilen der Scarteque zeigten, daß
dieselbige dem äuserlichen Ansehen
|| [ID00010]
nach mich vielmehr
ereyfern und also kranck machen wolte; und also in der That bemühet war,
diejenigen, so wieder mich geschrieben, durch diese ihre Defension zu trösten,
und sie ihres über meiner Vorrede geschöpfften Verdrusses zu befreyen. Nachdem
ich aber aus der allenthalben in der Schrifft selbst hervorscheinenden Tummheit
und Grobheit des Concipienten gewahr wurde, daß eine dergleichen ingenieuse
Satyre sein Werck nicht seyn könne, und also dieser Kobolds-Vater auch auff dem
Kupfferblat mich beschimpffen wollen: habe ich es auch nicht allein gut seyn
lassen; sondern ich bitte noch über dieses die Herren Patronos und Protectores
dieses armen Stümpers von Hertzen, daß sie zu Bezeugung ihrer schuldigen
Danckbarkeit denselben je ehe je lieber zum wenigsten mit einer austräglichen
Dorff-Pfarre, oder mit einem Schuldienste versehen, und dabey auffgeben wollen,
daß er seinen Zuhörern diesen Kobold zum wenigsten des Jahrs einmahl von Anfang
biß zu Ende erklähre, und sie für denen Thomasischen Irrthümern warne, auch sie
auff die Autorität der berühmten Leute, die er defendiren wollen, (die ich aber,
wo und wer sie seyn, zu nennen nicht verlange) more
orthodoxo blindlings verweise, und was sie sonst etwan für dienlich achten
mögen, ihr Ansehen bey unverständigen Leuten zu mainteniren, und mich zu
mortificiren. In übrigen werden mir meine Auditores Zeugniß geben, daß ich mich
so wenig bemühet, dieses Werckgen verbieten oder confisciren zu lassen, daß ich
vielmehr mich beflissen, ihnen selbiges zu recommendiren, als ein Werck, das mir
zwar nach dem Hertzeu zielte, aber zu seinem Unglück den Absatz an Schuhe
getroffen hatte; und daß ich selbst einen guten Freund vermocht, sich etliche
und funffzig Exemplaria von dem Verleger aus Jena bringen zu lassen, auch so
bald selbige angekommen, ich es ihnen notificirt, und nur eine vor etlichen
Jahren wegen eines benachbarten Kobolds zu Trota verfertigte, und noch in der
Rengerischen Buchhandlung befindliche Schrifft dabey binden zulassen
recommendiret. Ja weil ich eben über das vierdte Buch des Lancelotti lase, in
demselben aber der 5. Titul de sortilegis handelt, dahin die Materie von Hexen
gehöret, als versprach ich, wenn ich dahin käme, in etlichen lectionibus ihnen
theils die offenbah
|| [ID00011]
ren Verfälschungen meiner
Lehr-Sätze, theils die vielfältigen so gar groben wieder die Logic und ächte
disputir-Kunst auffallen Bogen begangenen Schnitzer, die man nicht einmal einen
Secundaner in den Schulen pardonirte, so augenscheinlich zu zeigen, daß es
keiner fernern Widerlegung auf meiner Seite brauchen würde. Ich habe aber auch
dieses zu thun nicht vonnöthen gehabt, indem ich mich in dem vorhergehenden
Titel de haereticis & schismaticis etliche Wochen auffhalten müssen,
indessen aber ein guter Freund sich gefunden, der sich die Mühe genommen, dieses
Werckgen zu wiederlegen (ohne daß ich solches von ihm verlanget, es ihm aber
auch nicht wehren können, noch wollen) und wo nicht alles, doch das vornehmste,
was ich in denen lectionibus sonst vorzutragen gesonnen war, ausführlich
gezeiget hatte, dem ich auch ferner die Sache völlig überlasse, wenn die grossen
Männer, denen zu gefallen dieser Kobold geschrieben worden, (sie mögen nun zu D.
oder zu J. oder an beyden Orten zugleich seyn) ferner continuiren solten, den
Hexen-Teuffel zu verfechten, zumahlen der Herr Autor denselben selbst wiederum
weitläufftig angepackt hat. Wenn ich diesen grossen Leuten auffrichtig rathen
solte, würden sir für ihre bißher lincks und rechts erworbene Autorität sehr
wohl thun, wenn sie nicht allein die ferneren Verfechter ihrer orthodoxen
Papistereyen nicht allein mit Nahmen nennen liessen, sondern auch durch eine
Vorrede oder carmina gratulatoria dero Schrifften recommendirten, denn so würde
ihr Vorhaben zum wenigsten zu J. und D. auch vielleicht zu L. W. und andern in
Correspondentz stehenden Orten bey denen jungen Leuten mehr nachdruck haben; als
wenn sie dergleichen Schmäheschrifften heimlich durch ihre Creaturen
recommendiren lassen, und hernach, wenn die Sache zur Sprache kömmt, nichts mit
dem Dinge zu thun haben wollen. Ja sie würden sich um das orthodoxe
Affter-Pabstthum noch verdienter machen, wenn sie selbst belieben wolten, die
alten Streitigkeiten über meine Disputation von dem Laster der Zauberey bey
seite zu setzen, und die andre von Ursprung des Inquisition-Processes wieder die
Hexen vorzunehmen, und selbe fein gründlich zu wiederlegen.
Aber wieder auff die oben gedachte und itzo zum erstenmahle ver
|| [ID]
suchte publicirung Juristischer Responsorum und
Urtheile zu kommen; so hat mich dazu unterschiedenes veranlasset. Denn 1. sind
die in Nahmen eines gantzen Collegii verfertigte Sachen so vielen Wiederspruch
nicht unterworffen, als was einer, der für sich in das Nest gestöhret, und die
für Bienen sich ausgebende Hummeln wieder sich erbittert, für sich und seine
privat-Meinung geschrieben. 2. Passiren die von andern JCtis publicirte Responsa
durchgehends für gute und einem Richter oder Advocato gar nützliche Schrifften.
3. Ist es gar offte geschehen, daß meine in Schaffs-Kleidern sich aufführende
Feinde gegen andre gesagt: Es ist schade um den Mann, daß er sich in Dinge
mischt, die ihn nicht angehen, oder die er nicht verstehet, sondern die er uns
(NOBIS) überlassen solte: je wenn doch der Mann sein bey seiner Juristerey
bliebe, so würde er nach den ihm von GOtt verliehenen Gaben so wohl bey der
Jugend als sonsten bey dem gemeinen Wesen viel gutes stifften können. etc.
Derowegen hoffe ich auch, es werden nunmehro die lieben Seelen, die es so gut
mit mir meinen, sich von Hertzen anfangen zu freuen, daß ich ihren so treuen
Rath gefolget, und mich wohl gar in ihren unschuldigen Schrifften, oder in
andern Nachrichten, deßwegen loben, (wiewohl ich dieses eben für keine gewisse
Wahrheit ausgebe) daß ich ihren mit vielen Seuffzen und Kopffhängen
vergesellschaffteten Erinnerungen doch noch zuletzt und auf meine alte Tage
Gehör gegeben. Oder wenn sie es auch gleich allenfalls nicht thun solten, werden
doch die Hohen und Gewaltigen dieser Welt, die man durch dergleichen Weheklagen
wohl eher wieder mich in Harnisch bringen wollen, Gelegenheit bekommen,
dergleichen Schleichern, wenn sie damit ferner continuiren solten, das Maul zu
stopffen. Denn wie kan ich näher bey meiner Juristerey bleiben, als wenn ich
lauter Juristische Händel künfftig vorstelle. 4. Ist man an allen Orten in dem
heiligen teutschen Reiche schon viele Jahre her bemühet gewesen, die sehr
gefährliche und täglich immer mehr und mehr zunehmende politische Kranckheit des
langweiligen und höchst verwirreten Justitz-Wesens zu dämpffen, und bezeuget die
tägliche Erfahrung, daß die dißfals von vielen beygetragene consilia; sie mögen
nun sonst gegründet seyn,
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wie sie wollen; doch wegen
allgemeiner Noth, nicht übel, sondern wohl auffgenommen worden, wie dann auch in
diesen Ansehen etliche von meinen seit dreyen Jahren von dieser Materie
gehaltene Disputationes, so wohl auch viele von meinen über das Oßische
Testament dahin zielende Anmerckungen hier und dar approbiret, auch mit selbigen
die sonsten darinnen vorgebrachte Erinnerungen von Besserung der
Universitäts-Mängel gleichsam in etwas überzuckert worden. Nun wird es aber bey
denen zu publicirenden Juristischen Händeln gar vielfältige Gelegenheit geben,
entweder von dieser Ausbesserung des Justiz-Wesens selbst eine und andre
Responsa und Gutachten anzubringen, oder doch die wahren und bißher noch nicht
genungsam erkante Ursachen dieses grossen und allgemeinen Elendes so wol in
bürgerlichen als peinlichen Fällen mit vielen Exempeln zu erläutern, damit man
durch diese Erkäntniß einmahl auf zulängliche Mittel bedacht sey, und nicht, wie
mehrentheils bißher geschehen, auff solche remedia verfalle, die nur das übel
ärger machen.
Es hat mich indessen nicht wenig gekränckt, wenn ich schon vor etlich und dreißig
biß viertzig Jahren gewahr worden, daß in Auctionibus die Juristischen Bücher an
aller wohlfeilesten weggegangen, und man grosse Folianten für ein sehr geringes
Geld sich anschaffen können, sonderlich aber Responsa und Consilia; biß ich
hernach selbst gewahr worden, daß diese Tröster mehrentheils mit Trebern der
Spanischen oder Italiänischen Legulejisterey und Rabulisterey angefüllet, und
sehr wenig von wahrhaffter Weißheit und Gelahrheit darinnen enthalten; ja daß
eben diese Männer, wiewohl aus keiner bösen Absicht, sondern aus guter
intention, mit diesen ihren mühsamen Schrifften die vornehmste Ursache der
verwirreten und langweiligen Justiz wären, (wie bey des in denen Noten über das
Oßische Testament mit mehrern ausgeführet worden) und dannenhero sie sonst von
keinem vernünfftigen Menschen gebraucht würden, noch gebraucht werden könten,
als von denen, so entweder von Amts wegen die Legule jisterey fortpflantzen
müssen, oder von denen, die aus Vorsatz und Muthwillen von der Rabulisterey
profession machten, und sich dieser Folianten zu diesen ihren hocus pocus auf
tausenderley wiederwärtige Weise bedieneten: was aber die consilia oder
|| [ID]
responsa insonderheit betrifft, so thut wohl auch viel zu
deren geringen Hochschätzung, daß mehrentheils in vier oder fünff Bogen
dasjenige, was vernünfftig, weise, und raisonable ist, kaum ein Blat, oder eine
Seite austräget, das übrige aber aus impertinenten Latein und allegatis legum
& Doctorum bestehet, welche zu nichts als Verwirrung der Juristischen
Händel und offenbahren Auffenthalt der Justiz, dienlich sind. Daferne aber etwa
jemanden diese Meinungen zu harte und ungezogen scheinen solten, der beliebe nur
zu derselben Beweiß das jenige zu lesen und zu erwegen, was ich in der in
vorigem Jahre gehaltenen Disputation von der praesumtion der Raserey und
Wahnsinnigkeit und in den Noten über das Oßische Testament nota 210. p. 451.
nota 214. p. 458. nota 231. p. 474. s. n. 236. in fine p. 483 nota 239. p. 485.
nota 250. p. 495. dieserwegen mit mehrern angeführet habe. Diesen Ubel nun
abzukommen werde ich zwar nicht gäntzlich unterlassen, Responsa und Rationes,
die mit allegatis ausgespickt seyn, mit beyzusetzen, (zumahlen wenn selbige von
uns ausdrücklich begehret worden, damit man uns oder mir nicht vorwerffen
können: Ars non habet osorem nisi ignorantem;) aber ich werde mich doch
befleißigen, mehrentheils die Unnützlichkeit dieser Art mit beyzufügen, und
sonsten mehr deutliche, und wo möglich, handgreifliche kurtze raisons, als
solche impertinente Dinge, dem Leser vor Augen zu legen.
Hiernächst so gehet bey denen gemeinen edirungen derer Responsorum guten Theils
diese Unannehmlichkeit mit vor, daß man eines Theils keinen sonderlichen
selectum bey denenselben gebrauchet, sondern alle decisiones oder Responsa, wie
sie nach der Reihe vorkommen, so nach einander hin drucken läßt, und also viel
verdrießliche Dinge oder an denen kein Zweiffel ist, mit einrückt, andern Theils
aber, daß man bey jedem Handel nicht bemühet ist, bey dem Leser eine Begierde zu
Lesung derselben zu erwecken, entweder durch etwas deutlichere Vorstellung der
Umstände, als insgemein in denen den Responsis praemittirten speciebus facti zu
geschehen pflegt, oder durch andere nützliche Neben-Gedancken, die da eine
Anleitung geben, weiter nach zudencken, worzu dieses oder jenes Responsum sonst
genutzet werden könte. Auch diese inconvenientz zu meiden, habe ich mich
beflissen eines Theils die Händel, worüber die Responsa oder Urtheile ertheilet
worden, etwas umständlicher entweder durch
|| [ID00015]
Beydruckung der
Urtheils-Frage oder sonst auff andre Weise, ingleichen dann und wann aus denen
ausführlichen excerptis aus denen gesamten Actis zu praemittiren, anderes theils
aber Nebenanmerckungen von allerhand Arten zu machen: und dörfften in folgenden
Theilen sonderlich in Hexensachen, dergleichen excerpta erscheinen, damit man
durch deren deutliche Vorstellung die irraisonabilität, des bißherigen an vielen
Orten wieder die armen Leute ausgeübten, und noch hin und wieder üblichen
Processes mit Händen greiffen möge. Fürnehmlich aber habe ich mich beflissen,
sonderliche Händel unter denen übrigen auszusuchen, die ich dafür gehalten, daß
sie vernünfftige und gescheide Leser nicht verdrießlich machen, sondern eher ein
Verlangen nach der continuation erwecken würden.
Ich bescheide mich zwar hierbey, daß ein vernünfftiger Wirth, wenn er gute
Freunde tractiren will, in Aufftragung der Gerichte und Zurichtung derselben
sich mehr nach dem Geschmack der Gäste, als nach seinem eigenen richten solle.
Ich kan aber nicht läugnen, daß ich mich in Auslesung der Juristischen Händel
fürnemlich nach meinem Geschmack gerichtet habe: Ich glaube aber dennoch nicht,
daß ich deßhalben unvernünfftig gehandelt habe: Denn die obgemeldete Regel gehet
nur die gebetenen, nicht aber die ungebetenen Gäste an. Nun weiß ich aber gewiß,
daß in allen drey Religionen, die in Römischen Reich geduldet werden, viel
Gelehrte, auch andre von allerhand Facultäten und Ständen seyn, die sich zwar
nicht nach meinem Geschmack richten, aber die doch von GOtt mit einem dem
meinigen gleichkommenden Geschmack begabet, und nichts destoweniger tugendhaffte
ehrliche Leute sind, für diese habe ich meine Juristische Händel geschrieben;
für die traurigen und ächtzenden sind sie nicht; und wenn sie diesen nicht
schmecken, dörffen sie mir die Schuld nicht geben; denn wer hat sie gebeten, daß
sie sie lesen sollen? Ja ich sag es ihnen hiermit zum voraus, daß sie besser
thun werden, sie lassen sie ungelesen: sie machen es, wie ich in Ansehen der
Schrifften, die nach ihrem Geschmack eingerichtet sind. Ich lese sie nicht.
Nichts destoweniger aber hasse ich diejenigen nicht, die solche verfertiget, ich
lästere sie auch nicht, sondern ich bin vielmehr so wohl ihnen und ihres
gleichen zu allen aufrichtigen, Christl. Freundschaffts- und Liebes-Diensten
bereit, als denen die meines Geschmacks sind.
In übrigen hat auch über dieses die Natur und Beschaffenheit der Sache zuweilen
erfordert, daß ich die Thorheit der vorkommenden Händel lebhafft vorzustellen,
keines allzuernsthafften Eyffers, noch weniger aber eines ächtzenden und
|| [ID]
zenden stili mich bedienen können, sondern auch secundum
regulas sapientiae mich einer munteren und frölichen Schreib-Art gebrauchen
müssen. Zum Exempel: wer solte es sich wohl einbilden können, daß es möglich
wäre, daß ein Mensch, der nur drittehalb Sinne, geschweige denn der seine fünff
Sinne complet hat, von einer Juristen Facultät ein Responsum und zwar noch darzu
cum allegatis legum & doctorum über die Frage begehren solte; wie sich
ein kluger Mensch zu verhalten hätte, der von iemand beschimpfft worden, den er
nicht kenne, auch nicht erfahren könne, wo er sich aufhielte? da es aber doch
gleichwohl geschehen, wie der siebende Handel allhier ausweiset, gebe ich
jedweden Ehr u. Tugendliebenden Menschen zu bedencken, ob ich unrecht gethan,
daß ich diese greuliche Sottise, wie daselbst geschehen, mit einem muntern u.
lebhafften stilo abgemahlet, und ob ich nicht vielmehr würde die Leute zum
lachen bewogen haben, wenn ich more des Autoris der Unschuldigen Nachrichten und
anderer seines gleichen in allen Religionen und Facultäten, mit seuffzen und
weheklagen an dessen statt etwan gesagt hätte: Ach daß doch die thörichten
Menschen anfiengen klug und gescheid zu werden! Ach daß sie doch die
verteuffelte Rachgier aus ihren Hertzen vertrieben, und vielmehr denen
Beleydigern, die ihnen bekant sind, von Hertzen vergäben; als daß sie gleichsam
schaumen und toben wieder diejenigen, die sie doch nicht kennen! Ach möchte doch
ein wahrer Christ über dergleichen ärgerliche Sünden Blut weinen! Ja wohl singet
die Christliche Kirche: Der Teuffel thut sie es lehren. u. s. w. Zuweilen hat
ein Handel unterschiedene Actus gehabt, deren der eine eine ernsthaffte, der
andere aber eine schertzhaffte Anmerckung oder Beantwortung gebraucht. Ich habe
mich auch in solchem Fall nach diesen unterschiedenen Zustand gerichtet. Wie aus
dem vier und zwantzigsten Handel an unterschiedenen Orten kan angemercket
werden.
Ich hätte zwar wegen dieser itzo publicirten und ferner zu publiciren vorhabenden
Juristischen Händel noch ein mehrers zu erinnern; aber ich will es biß auf die
Vorrede des andern Theils versparen, und dem Leser nur noch mit zwey Worten
melden, daß ich gesonnen bin, so lange GOtt will, alle Leipziger Oster und
Michaels-Messen einen Theil von dergleichen Gedancken, deren ein jeder aus
etliche und viertzig Bogen bestehen soll, zu publiciren. Indessen gebe Gott uns
allen ein fröliches Hertz, und verleihe immerdar Friede zu unsern Zeiten: auff
daß seine Gnade stets bey uns bleibe, und erlöse uns so lange wir leben. Halle
den 6. April. 1720.
CHRISTIAN THOMASIUS. D.
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Allerhand auserlesene Juristische Händel. I. Handel. Defension einer
Frauens-Person, die wegen Kindermords verdächtig war.
§. I.
ANno 1681. mense Octobr. kömmt ein Leipziger(Summarisches Geschrey wegen des Kinder-Mords.) Advocate nebst einen
frembden, den er seinen Schwager nennete, zu mir, und spricht mich in Nahmen
desselben an, Ihm in einer verdrießlichen affaire bedienet zu seyn, die in
folgenden Umbständen bestünde. Gegenwärtiger Herr Hanß Heinrich hätte etl.
Meilen von Leipzig etliche Schrifftsäßige Güter, allwo er sich bißhero mit
seiner Ehfrauen und Töchtern auffgehalten; die älteste Tochter Anna habe sich
leider von einem Knecht schwängern lassen, sie hätte aber ihre Schwangerschafft
für ihm den Vater dergestalt geheim gehalten, daß er bewogen worden, diejenigen
zu bedrohen, die diese seine Tochter dergl. beschuldigten. Indessen wäre die
Geburts-Zeit dieser Tochter angekommen, als seine Ehfrau Marie nebst der
jüngsten Tochter Marien Sophien in der Nachbarschafft auf einer Kindtauffe
gewesen wäre, welches auch die Tochter Anna nicht eben geheim gehalten hätte. Es
hätte sich aber verzogen, bis die Mutter des Abends nach Hause kommen, da habe
die Tochter ein todtes Kind gebohren, welches seine Frau in der Stille in ein
Gärtgen heimlich vergraben. Das Gesinde aber habe aus Boßheit das Kind wieder
ausgegraben, wodurch die Sache bey der Regierung zu Z. angebracht, und von dar
dem Amtmann zu P. anbefohlen worden, das Kind auffzuheben und zu inquiriren.
Weilen nun verlauten wollen, als wenn der Amtmann zugleich Befehl bekommen, sich
seiner Tochter und seiner Ehefrauen zu versichern; als hätten dieselben
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mit seinen Vorwissen sich auf die Seite gemacht; ja Er selbst
wäre gewarnet worden, nicht so sicher zu seyn, zumahlen die Rede ginge, als wenn
bey der Besichtigung an dem Kinde viele Wunden gefunden worden wären, daher dann
das gemeine Geschrey entstünde, als wenn seine Ehefrau oder die Tochter das Kind
umgebracht hätten, und er Hr. Hanß Heinrich Wissenschafft davon gehabt hätte. Ob
nun wohl Er nicht allein sich selbst unschuldig zu seyn wüste, sondern ihn auch
feine Frau und Tochter ihre Unschuld versicherten, so brauchte er doch eines
klugen Raths gar sehr, wie er sich in diesen verdrießlichen Handel verhalten
solte, zumahlen da der Amtmann, dem die Commission aufgetragen worden, sein
heimlicher Feind wäre, und hätte für andern sein Vertrauen zu mir etc. Ich
fragte den Advocaten, der dieses bey mir anbrachte, warum er nicht selbst in
dieser Sache bedient seyn wolte, worauf Er mir aber zur Antwort gab, daß Er
dieserwegen bedenckliche Ursachen hätte, und seinen gegenwärtigen Schwager um
deswillen mich vorgeschlagen hätte, weil er Zeit meines bisherigen practicirens
gewahr worden, daß ich keine Person scheuete, und die Sachen nicht unnöthig
auffzuhalten gewohnet wäre,
(Praeliminar-Bedencken und
Uberlegung des defensoris.)
§. II. Nun waren wohl die Ursachen, warum derselbe Advocat nicht selbst bedienet
seyn wolte, mir leichtlich zu errathen, indem er von Jugend auf bey einem
berühmten Practico zwar ware erzogen worden, aber in theoria juris nicht gar zu
viel mochte gethan haben, auch derjenige, so Ihn aufferzogen hatte, mehr in
civilibus als criminalibus berühmt gewesen ware; Alleine ich war meines Orts
noch jung und mangelte es mir in criminalibus auch noch an der Experienz. Zudem
so schiene zwar der liebe Hr. Hanß Heinrich, nachdem ich mit selben ins
besondere geredet hatte, ein ehrlicher Mann zu seyn, der mir wohl keine Lügen
vorbrachte; aber ob dessen Ehefrau und Tochter auch so unschuldig wären, als Sie
vorgeben, hatte ich einige Ursachen zu zweiffeln, zumahlen da man gemeldet
hatte, daß bey der Besichtigung des Cörpers etliche Stiche an des Kindes Leibe
solten seyn gefunden worden; und mir bewust war, was für harte Verordnung die
Ordinatio Criminalis Carolina wider die Weibespersonen, die ihre
Schwangerschafft verleugnen, gegeben hatte. Indem drunge der Mann sehr drauf,
daß der Commissarius sein feind wäre, und es ware doch sehr schwer oder zum
wenigsten sehr langweilig, diese Feindschafft zu bescheinigen und vermittelst
dieser Bescheinigung einen andern Commissarium auszubitten. Zu geschweigen, da
der Mann etliche Nachbarn hatte, die von guten alten Adel waren und in der
Regierung, die die Commission angeordnet, gute Freunde und Verwandten hatten,
daß dadurch die Erhaltung eines andern Com
|| [ID00019]
missarii noch
schwerer gemacht werden dürffte. Denn die tägliche Erfahrung lehret es, daß die
Noblesse (und zwar nicht gantz ohne Ursache) jaloux zu seyn pfleget, wenn
Bürger, und sonderlich diejenigen, die auch unter denen Bürgern von geringer
extraction sind, Adeliche und zumahl Schrifftsäßige Ritter-Güter an sich
bringen, und der Mann erzehlte mir etliche Umstände, daraus ich nothwendig
abnehmen konte, daß die gantze Nachbarschafft Ihn dieses Unglücke wohl gönnen
müste. Ferner so ware wohl kein Zweiffel, daß in gegenwärtigen casu zu förderst
dahin zu sehen wäre, daß der Vater für sich, Sein Weib und Tochter umb salvum
Conductum anhielte; aber es ware noch zur Zeit wenig Hoffnung da, daß er solchen
wegen des Weibes und der Tochter so fort erhalten würde, sondern es ware
vielmehr zu befahren, daß man Ihnen mit Steckbrieffen nachtrachten würde. Zudem,
wenn auch gleich der salvus Conductus erhalten werden solte, sahe man doch bald
zuvor, daß deshalb eine merckliche Summe Geldes loco cautionis bestellet werden
müste; und war also quaestio praejudicialis: ob man diese summe hazardiren
solte, wenn man die Inquistitinnen nicht gewiß a tortura zu liberiren sich
getrauete, dazu noch zur Zeit wenig Ansehen war. Bey diesen Umständen bate ich
mir drey Tage Zeit aus, die Sache reiflicher zu überlegen, und alsdenn eine
positive Resolution zu geben.
§. III. Mann sagt in gemeinen Sprüchwort, daß der geringste(Auf was Weise derselbe in Actis
die Indicia zu sehen bekommen.) Umstand das
Recht verändert, und also war ich vor allen Dingen besorgt, die wieder die
Inquisiten sich hervorthuende indicia etwas genauer einzusehen; gleichwohl aber
wuste ich auch, daß man nicht gewohnet wäre, denen Inquisitis für der special
Inquisition, die bey der general Inquisition vorkommende indicia schrifftlich
mitzutheilen oder dieselben in actis lesen zu lassen. Gleichwohl fügte es sich
eben, daß ich kurtz vorhero von einem andern alten Advocato, der in besagten
Amte einen Termin hatte, war substituirt worden, und hatte ich mit des
Gegentheils Advocato compromittirt, daß wir einander von drey Tagen zu drey
Tagen die Gesetze zu schicken wolten. Ich reisete dannenhero an besagten Ort,
und erfuhr alsbald in Gasthoffe als eine neue und in der gantzen Stadt
bekante Zeitung, daß Hr. Hanß Heinrichs seine Tochter Anna ein Kind umbgebracht
und ihre Mutter Maria darzu geholffen hätte. Nachdem ich mich in das Amt
verfügt, traffe ich darinnen nur den Actuarium an, bey dem ich sagte, daß ich in
der Nachbarschafft auf einen Dorffe einen Termin gehabt, und in Durchreisen
fragen wolte, ob meines neulichen Gegentheils Advocate seinen Duplic allbereit
ad acta gebracht hätt. Weil nun dieses gleich selbigen
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Tages geschehen war, und ich dieselbe durchlase, fing ein anderer, so mit in der
Stube war, an zufragen: ob ich nicht von dem traurigen casu wüste, der zu N. mit
dem Kindermord sich zu getragen hätte. Ich thate, als wenn mir nichts davon
bewust wäre, machte auch dem referenten hier und da neue quaestiones und zum
Theil dubia, bis der Actuarius loß brach und den Referenten defendirte, auch
sich auf die auf den Tisch liegende Acten bezog, und mir eine gewisse passage
darauf zu lesen selbige in die Hände gab. Ich machte neue Objectiones, und
fragte dabey den Actuarium mit Bescheidenheit, ob Er mir meine Dubia zu heben,
erlauben wolte die Acta fugitivo oculo zu durchlesen. Er verstattete mir solches
und die Sache war in einer kleinen halben Stunde gethan, da ich dann bey
Wiedergebnng der Acten selbst die Inquisiten pro maxime gravatis hielte, und
dabey meldete, damit der Actuarius keinen Verdacht auf mich würffe, daß ich
nicht glaubte, möglich zu seyn, daß ein Advocate mit Nachdruck die Inquisitinnen
würde defendiren können, und schiede bald hernach davon.
(Starcke Indicia wieder die Inquisitin nen.)
§. IV. Und gewiß die Wahrheit zu sagen, so waren auch die Acta sehr bedencklich,
und sagten noch zur Zeit wenig favorables für die Inquisitinnen aus. Ich will
das Vornehmste drauß hieher setzen, wie ich selbige hernach suo tempore
excerpiren lassen. FOL. 1. war des Amtmans zu Z. Verordnung an den Amtman zu P.
von 8. Octobr. 1681. FOL. 2. Des Vice Cantzler Z. zu Z. Verordnung ad eundem sub
eodem dato. FOL 3. war die Denuntiation des Priefters zu Pr. an den Amtmann zu
Z. folgenden Innhalts:
P. P. Ingleichen berichte ich hiermit, daß jetzo umb 3. Uhr Nachmittage Herrn
Hanß Heinrich N seine Köchin zu mir kommen und mir offenbahret, daß Sie nebenst
den Hauß-Knecht ein Kindlein (ein Mägdlein, welches Herrn Hanß Heinrich N.
Tochter gewesen seyn soll, die bißhero in Geschrey gewesen, daß Sie schwanger
seyn soll,) in dem Würtz-Garten gefunden und ausgegraben. Das haben Sie in dem
neuen Gebäude auf den Saal ins Ofen-Loch gelegt (Nota. Der Ofen hat eine Thür,
daß nichts hineinkan) das Kind haben gesehen ein Tischer-Geselle von P. der
Praeceptor, (der wird jetzo, oder morgen fortwandern,) die Käse-Mutter, die Zofe
etc. Herr Hanß Heinrich und sein Weib aber wissen nicht, daß das Kind gefunden
worden. Weilen nun periculum in mora, und damit das Kind nicht aus dem Wege
geschafft werden möge, habe ich RATIONE OFFICII ET IUBENTE CONSCIENTIA es
hiermit eilend berichten wollen. M. H. H. wird dißfalls Anordnung zu machen
wissen. GOTT mit uns. D. 8. Oct. 1681.
FOL. 6. Registratur des Amtm. zu P. daß die Land-Gerichte hinaus geschickt worden, das todte Kind, welches Herr Hanß Heinrich N. älteste Tochter gebohren, und umgebracht haben solle, aufzusuchen. D. 8. Oct. 1681. hora 10. vespert. Ead. nocte hora 12. kömmt der Land-Richter wieder zurücke, und referirt, daß Anna schon weg sey, und hätte in weggehen gesagt: Nun wolle Sie gehen, daß niemand wissen solle, wo Sie hinkommen. Der Land-Knecht würde den Cörper schon nachbringen. FOL. 7. Registratur über des Land-Knechts, so d. 9. Octobr. hora 3. matutina wieder zurücke kommen, Aussage, welche in folgenden Umbständen bestanden. Als Sie hinaus kommen, auf Herrn N. Guth, wären Sie erst aufs alte Gebäude gegangen und überall gesucht, aber nichts gefunden. Hernach als Sie in das neue kommen, hätte die Käse-Mutter heimlich zu Ihm gesagt, Sie solten nur nirgends suchen, und nur mit ihr kommen, das Kind läge in Gewölbe; hätte auch aufgeschlossen, und das Kind in einer Schachtel darinn gelegen, so er mit sich herein gebracht. Ein kleiner schwartzer Kerl, so etwa Schreiber seyn möchte, wäre darbey gewesen, und gesagt, die Köchin hätte es gestern zu Nacht ausgegraben, und hinein gebracht, daß Sie es alle gesehen, wüste aber nicht, wo Sie es hingethan: und wäre todt von Hr. N. Tochter kommen, welches die Frau N. (mater inquisitae) auch gesagt, und begehret, es möchte besichtiget werden. Der Kerl hätte auch gesagt, Hr. N. Tochter wäre zu Mittage schon weggegangen, Hr. N. aber selbst nicht zu Hause gewesen. Das Kind wäre schon ziemlich verweset. Es wäre alle Thüren offen gewesen, als Sie hinaus kommen, und hätte das Gesinde in denen Betten gelegen, und als Sie schon überall gesucht gehabt, wäre die N. (Mater inquisitae) erst aus der Viehe-Stube kommen, und hätte die Käse-Mutter gesagt, Sie hätte gesungen, denn Sie zur Beichte gewesen, der Kerl hätte auch gesagt: das Kind hätte zuvor droben gestanden.
FOL. 8. ist des Amtmanns zu P. Bericht nach Z. ad Principem. Uff E. Hoch-Fürstl. Durchl. Vice-Cantzlers Herrn Salomon Z. des gestrigen Abends gegen 9. Uhr abgelassene Instruction, betreffende die Aufhebung des Kindes, so Herrn Hanß Heinrich N. Tochter zu G. gebohren und umgebracht haben soll, habe alsofort den Land-Richter nebst einer Folge dahin abgeschickt, mit angedeuteter Verordnung, daß, da das Kind befunden würde, man nicht alleine solches hinweg nehmen, sondern auch die Mutter desselben, da Sie fürhanden, mitbringen solle. Wann denn nun, Gnädigster Herr, der Cörper des ermordeten Kindes zwar in einem Gewölbe des neuen Gebäudes gefunden, und durch den Land-Knecht anhero gebracht worden, die Mutter aber desselben nicht anzutreffen gewesen, sondern des Schreibers Aussage nach, schon zu Mittage weggegangen gewesen; Als habe E. Hoch-Fürstl. Durchl. solches gehorsamst berichten, und Dero fernere Gnädigste Verordnung in Unterthänigkeit erwarten sollen. P. d. 9. Oct. 1681.
|| [6]
FOL. 10. Hat besagter Amtmann eod. 9. Octobr. unerwartet der Fürstl. resolution einen Steck-Brieff wieder Annen ausgefertiget, darinnen unter andern abermahls gedacht wird, daß Selbige das Kind, wie vermuthet werde, umgebracht habe. Eodem dato ist Herr D. Johann Schreyer, Stadt-Physicus zu Z. (der à Regimine mit abgeschickt gewesen) Herr D. G. W. W. Stadt-Physicus, und C. S. Amts-Barbierer allhier zu P. requiriret worden, das Kind zu besichtigen. FOL. 11. Eodem 9. Octobr. ist der Käse-Mutter summarische Aussage. Berichtet, es hätte die Köchin gestern, als Sie nicht zu Hause gewesen, das Kind in kleinen Garten bey dem Kutsch-Stall aufgegraben, und ins Ofen-Loch getragen, und solte es die innge N. (Anna) selbst aus dem Ofen-Loch gehohlet, und in das Gewölbe getragen haben, massen Sie es auch in Ofen-Loch liegen gesehen, und hätte es der Herr und die Frau auch gewust. Gestern wäre die junge N. (Anna) noch zu Hause gewesen, und mit gessen, wo Sie aber hernach hinkommen, wisse Sie nicht. Ingleichen wäre der Herr Abends zu Hause gewesen, wo er aber hinkommen, wisse sie auch nicht. Ohngefähr würde es künfftigen Dienstag 3. Wochen werden, daß die älteste Tochter sehr kranck worden, und wäre die Mutter zu N. zum Kindtauffen gewesen, und des Nachts zu Hause kommen, ob Sie aber damahls das Kind bekommen, könne sie nicht wissen: Es solte es der Hauß-Knecht, Toffel R. von Z. gethan haben, so ein garstiger Kerl, und einen Buckel hätte. Heute vor 8. Tagen wäre die junge N. (Anna) wieder in der Kirchen gewesen, und hätte sich gar galant angezogen gehabt, die Trescher hätten Sie gestern zu Mittage hinten zum Wasser-Thore hinaus gehen sehen, über die Brücke, wohin aber, wisse Sie nicht.
FOL. 12. Sind andre Zeugen-Aussagen, die den 11. Octobr. abgehöret worden. Herr Daniel H. berichtet, es hätte Georg S. von St. erzehlet, er wäre heute zu L. gewesen, da hätte der Schirrmeister von G. erwehnet, Herrn N. älteste Tochter hätte gesagt: Sie solten nur Ihr Kind nicht umbbringen, sie wolte sich gerne in einem Hirten-Hause behelffen. Herr M. Christian M. Praeceptor in Amte allhier berichtet, es wäre geredet worden, Hr. N. hätte von seiner Köchin ein Grabscheid gefordert, und als Sie Ihm eines gegeben, hätte er gesagt, es wäre schon gut, Sie solte nur hingehen.
FOL. 13. ist ein Brieff von Herrn Amtm. von Z. an den Amtm. zu P. darinnen unter andern folgendes. Sonst habe ich von Ihr (der Köchin) mit Bestürtzung vernommen, daß die Mutter von der Geburt des Kindes Wissenschafft gehabt, auch gar dabey gewesen, und da nicht selbst das Kind umbgebracht, doch dazu geholffen.
|| [7]
FOL. 16, Registratur der am 11. Octobr. 1681. übergebenen Besichtigung. 1. Ein Stich auf dem rechten Arm oben auf dem Achsel-Gelencke. 2. Zwey Stiche über dem rechten Arm unter dem Hals-Beine, davon einer gegen der Gurgel durch, der andere aber nicht durchgangen. 3. Ein Stich unter dem rechten Arme, so nicht durchgangen. 4. Vier Stiche gegen den Rücken auf der rechten Seiten, davon aber keiner durchgangen. 5. Ein Stich auf dem lincken Schulter-Blate. 6. Zwey Stiche neben einander, als einer zwischen der sechsten, der andere zwischen der siebenden Rippen unter dem lincken Arme, davon einer durch den Magen gegen der rechten Seiten in untern Theil der Leber gangen, welche beyde auch tödtlich gehalten worden. Dieses bezeigen unterzeichnete beyden Physici und Chirurgus.
FOL. 21. Befehlig von Z. von 10. Octobris. L. G. Wir begehren auf deinen wegen Hanß Heinrich N. zu G. entwichenen ältesten Tochter von 9. dieses eingeschickten unterthänigsten Bericht, du wollest derselben, wie auch dem Praeceptori, wenn derselbe ebenmäßig ausgetreten, mit Steck-Brieffen fleissig nachtrachten, auch sonsten ferner in der Sachen die Gebühr verfügen. Hieran geschicht unsere Meinung. V. L. V. S.
FOL. 23. seq. Des Praeceptoris Hr. D. summarische Aussage d. 11. Octobr. Er wäre vor 8. Wochen zu Hr. H. H. kommen, und wäre damahls schon starck davon geredet worden, daß dessen älteste Tochter schwanger sey. Alleine Herr H. H. hätte gesagt, er wolte den, der es sagte, wohl nein führen, dahero niemand etwas sagen wollen. Vor ohngefehr 8. Tagen hätte das Gesinde Heu in Schuppen, so an den kleinen Gärtgen in neuen Gebäude wäre, abgeladen, und wären gewahr worden, daß in dem Gärtgen nur gegraben gewesen, und ein Rosemarien oder dergleichen Stock und ein Bäumgen dahin gesetzt, worauf die Köchin Gedancken gemacht, und hätte verwichenen Freytag daselbst nachzugraben zu Mittage angefangen, als der Herr gespeifet gehabt. Dieweil Sie aber nicht fertig werden können, hätte Sie es wieder müssen zuscharren. Abends aber hernach hätte Sie recht gegraben, und das Kind gefunden / wäre auch auf seine Stube mit dem Knechte kommen, und gesagt, sie hätten das Kind gefunden, und als er gefragt, ob Sie es denn heraus genommen, hätten Sie geantwortet: Nein, es lieget darinnen. Darauf hätte er gesagt: Wann Ihr das Kind liegen lasset, und sie sehen morgen, daß es gegraben ist, so nehmen sie es weg. Auf dieses wäre die Köch in und der Hauß-Knecht hingegangen und es geholet und in den Camin gesteckt. Als es nun also stille worden, hätte er folgendes Tages zu der Köchin und Hauß-Knecht gesagt: Sie solten es doch nicht verschweigen. Darauf die Köchin gleich nach Pr. zum Pfarrer gangen, und hätte der Hauß-Knecht gesagt, weil er gleich heute zur Beichte gehen wolte, so wolte er es dem Herren
|| [8]
Pfarrer zu Pr.
anmelden. Als nun die Frau N. (Maria) die Köchin vermisset, so solte Sie
gefraget haben, wo Sie wäre, und als Ihr geantwortet worden, sie wäre
entlauffen, ferner gefragt, wer Ihr denn was gethan, da Ihr denn geantwortet
worden, sie hätte ein Kind gefunden, und drüber wäre die Frau erschrocken und
das Kind aus dem Camin heraus nehmen lassen, in eine Schachtel legen, und in Ihr
Gewölbe thun lassen, allwo es hernach gefunden worden. Sonsten berichtet er, daß
das Gänse-Mädgen hätte die Tochter bewachen müssen, und hätten sonst niemand in
Ihre Kammer zu Ihr gelassen. Das Schlüssel-Loch solte zugestopfft gewesen seyn.
Der Tischer hätte Ihn berichtet: die Käse-Mutter hätte der Tochter auf den Leib
fühlen müssen; welche gefragt: ob es bald besser mit Ihr werden würde, die aber
geantwortet haben solte: Sie müsse noch besser dran. Das solle damahls geschehen
seyn, als die andere Jungfer zu St-Gevatter gestanden. Denn die älteste damahls
sehr kranck worden. Die Köchin würde es am besten zu erzehlen wissen /
ingleichen der Schreiber. Er Praeceptor wäre nur jetzo draussen gewesen, und
seine Sachen heraus tragen lassen, so hätten die Leute gesagt, es wäre weder
Herr Hanß Heinrich, die Frau (Maria) noch der Schreiber da. Die Tochter wäre
nach Dessau in das Calvinische gangen: Sie wäre sonst mittelmäßiger statur,
eines bockengrübichten und blassen Angesichts. Die älteste Tochter und die
Käse-Mutter wären zuvor uneins gewesen, hernach aber solle die Tochter es
selbiger abgebeten und Sie gebraucht haben, und wenn nach der Tochter gefraget
worden, hätte die Mutter gesagt, sie hätte das Fieber. Die Köchin hätte das Kind
mit einem Brat-Spiesse gesucht. Nun aber hätte der Schencke zu O. gesagt, sie
hätten ein klein Vogel-Spießgen hingeleget, und gesaget, daß Sie es damit
gesucht. Verichtet weiter, er glaube nicht, daß Anna das Loch, worinnen das Kind
gelegt gewesen, gemacht, weil es, wie die Köchin berichtet, ziemlich tieff
gewesen. Die Käse-Mutter müste mehr Nachricht wissen, ingl. die Köchin und der
Tischer-Geselle. Frau Maria hätte zuvor der Köchin immer geflucht, daher es sie
verdrossen, und destomehr Achtung auf die Tochter geben, auch gesagt: es solten
Ihr zwey oder drey Nacht schlaffen nicht so lieb seyn, und weil Sie hernach das
neugegrabene in Gärtgen gesehen, wäre Sie über die Mauer hineingestiegen.
FOL. 26. Des Land-Richters Registratur von 8. Octobr. wegen der Aufhebung des Kindes, ins Amt geschicket den 11. Octobris: NR. er beschuldigt darinnen die Anna nicht, daß Sie das Kind ermordet, sondern braucht die bescheidene Worte, daß N. Tochter in Vermuthung gewesen, daß Sie Mutter sey. Es ist auch in dieser Registratur nichts zu befinden, daß das Kind bey dem Aufheben Stiche gehabt. FOL. 28. George E. von St. summarische Aussage vom 12. Octobr. Es wäre vorgestern den 10. dieses bey den Schützen zu Pen. und auf dem Felde geredet
|| [9]
worden, daß Herr Hanß Heinrichs Schirrmeister
erzehlet haben solte, dessen Tochter hätte gesagt, Sie solten Ihr nur das Kind
nicht nehmen, sie wolte gerne das väterliche Hauß meiden, und es in einen
Hirten-Häußlein ernehren: Die Mutter aber solte es Ihr genommen haben. Wer es
aber eigentlich geredet, wisse er nicht, denn es hätte jederman davon gesagt.
FOL. 29. Michael K. des Schirrmeisters, und Hanß Q. des Ober-Enckens Aussage von 12. Octobr. Der Schirrmeister saget: er habe freylich die Leute davon reden hören, daß die junge N. (Anna) gesagt haben solte: Sie solten Ihr nur das Kind nicht nehmen. Zu wem Sie es aber gesagt, wisse er nicht. Der Ober-Encke sagt, es wäre Herr H. H. ehe die Land-Gerichte hinaus kommen, noch da gewesen, des Abends. Wenn er aber weggeritten, wisse er nicht; denn Sie hätten in Ihren Betten gelegen. Zwey Reit-Pferde wären weg. Ob nun der Schreiber mit Ihm geritten, wisse er nicht. Der Hauß-Knecht habe das Kind mit der Köchin ausgegraben.
FOL. 30. Heinrich W. so die Obsicht über die Knechte hat, summarische Aussage d. 12. Octobr. 1681. Es hätte die Frau (Maria) Ihn auf die Knechte Achtung zu geben befohlen, weil Ihr Herr nicht da wäre, und dabey gesagt: Sie könne nicht bleiben; sie wolte gehen und sehen, wo Ihr Herr hinkommen. Wäre also fortgangen. Er seines Orts hätte es dem Herrn lange zuvor gesagt, daß seine Tochter schwanger wäre; Allein er hätte es nicht glauben wollen.
FOL. 33. seq. Der Köchin Elisabeth W. Aussage d. 12. Octobr. An des Hegereuters Kindtauffe zu St. allwo die andere Tochter wäre zu Gevatter gestanden, und die Mutter mit gewesen, und zu Nacht wieder nach Hause kommen, hätte Anna das Kind bekommen, welches sie an Ihren schreyen gehöret, und wäre etwa um Mitternacht, und niemand Ihrer Meynung nach, als Ihre Mutter bey Ihr gewesen. Zuvor aber, ehe die Mutter nach Hause kommen, hätte die Tochter Anna nach der Käse-Mutter geschickt, und Ihr, weil Sie zuvor uneins gewesen wegen des Schreibers, es abgebeten, allermassen solches die Käse-Mutter zu Ihr und der Zoffe gesagt, und erzehlet, Sie hätte der Schwangern auf den Leib gegriffen, welche gefragt, ob es bald werden würde, der Sie aber geantwortet: Sie würde noch besser dran müssen. Als Sie nun die Käse-Mutter gefragt; ob Sie nicht bey Ihr geblieben, hätte Sie geantwortet: Wie die Mutter wäre kommen, wäre sie davon gegangen. Frühe morgens hätte niemands zu Ihr der Tochter gedurfft, sondern die Mutter alleine wäre bey Ihr zu und abgegangen, ausser das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr blieben, weil der Herr und Frau gespeiset. Selbige Nacht, als das Kind gebohren worden, wäre die andere Tochter Maria Sophia herunter kommen in die Kinder Stube, allwo sie die Köchin und Zoffe geschlaffen, und für dem Bette nieder gefallen, die Hände zusammen
|| [10]
geschlagen und
gesagt; Sie könte und wüste nicht droben zu bleiben, und sie solten fleissig
beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, daß Sie nicht dürffte dabey
helffen. Sie hätten aber Sie gebeten, sie solte nur hunten bleiben, und nicht
wieder nauff zur Mutter gehen; Allein sie hätte geantwortet, Sie dörffte nicht
hunten bleiben, die liebe Mutter schlüge Sie: Sie hätten Sie aber dennoch
abgemahnet, und gesaget, sie solte sich nur eine Entschuldigung machen, und
sagen, sie, die Köchin und Zoffe hätten geschlaffen, und die Kinder trincken
wollen, worauff sie eine Weile geblieben, hernach wieder nauf gangen, und bald
wieder kommen und gebetet, sagende, Sie wäre nicht in die Kammer kommen; hernach
wäre die Mutter hin und wieder und in das kleine Gärtgen gangen, also daß die
Zoffe gesagt: Sie dächte, sie wolte das Kind wohl finden, wenn Sie es suchen
solte, nemlich in der Frauen Würtz-Garten, allwo sie und die Zoffe hernach
gesucht, denn Sie hätten den 9. Tag erwarten wollen. Am 9. Tage wäre Anna wieder
aufgestanden, und das Fieber, so Sie sonsten gehabt haben solte, wäre weg
gewesen. Darauf nun hätte die Zoffe gesagt, das Kind müste nun weg seyn, und mit
einander sich beredet, daß Sie es suchen wolten, worzu der Praeceptor gesagt,
sie solten doch warten, biß der Herr und Frau nach Leipzig zögen, wäre also
nachblieben. Da nun diese Reise nicht fortgangen, wäre Sie wohl 8. Tage hernach,
als der 9. Tag weg gewesen, und zwar an verwichenen Freytag zu Mittage unter der
Mahlzeit über die Mauer ins kleine Gärtgen gestiegen, und hätte gesucht. Weil
sie aber nicht Zeit genung gehabt, hätte Sie müssen nachlassen. Des Abends aber
zwischen 9. und 10. Uhr wäre Sie mit der Zoffe wieder dahin gegangen, und hätte
der Hauß-Knecht gesagt, sie solte einen Brat-Spieß mitnehmen, daß Sie desto
besser suchen könte, welches denn also erfolget, und hätte Sie das Kind in einem
alten Lappen oder Zwillich gewickelt alldar gefunden, (das Loch wäre wohl 1½
Elle tieff gewesen, und zweiffelte Sie, daß Anna solches machen können, indem
solche auch nicht herunter kommen, biß die 9. Tage um gewesen) also daß das Kind
in Herausziehen heraus gefallen. Sie aber hätte es in die Schürtze gefaßt, den
Praeceptor und Hauß-Knecht, welcher eine Lampe gebracht, darzu genommen, und es
auf den Saal getragen, allda angesehen, und als Sie die Köchin es wieder
hintragen, und einscharren wollen, hätte der Praeceptor und Hauß-Knecht nicht
gewolt, sondern gesagt, es könte dieses mit guten Gewissen nicht verschwiegen
werden, er wolte morgen zum Herrn Pfarrer nach P. gehen, und Ihn um Rath fragen,
und wenn er wieder käme, wolte er es ihnen sagen, ob Sie es ohne Verletzung des
Gewissens verschweigen könten. Als aber der Herr Pfarrherr gesagt, sie könten es
nicht verschweigen, das gantze Land müste Straffe drum leiden, so wäre der
Praeceptor nach Z. Sie und der Hauß-Knecht aber zum Herrn Pfarrherr nach Pr.
gangen, und es diesen angezeiget, welcher gesagt: Sie hätten recht gethan, und
es nach Z. berichtet. Nach diesen wären Sie nicht wieder ins Hauß kommen. Als
man sie nun auch befragt, auf wen Sie es dächte, der das Kind umgebracht und
ver
|| [11]
graben hätte; hat Sie geantwortet:
Sie könte es auf niemand anders dencken, als auff die Frau Maria selber, weil
sonst niemand zu Ihr, der Tochter gedurft. Zu dem hätte Ihr die Mittel-Magd
erzehlet, daß Anna, als die Zoffe das Kind abgewaschen, und in die Schachtel
geleget, solches bey den Händgen genommen, und gesagt: Du liebes Kind, ich hätte
dich gerne behalten wollen, wenn ich für den Meinigen gedurft hätte, wodurch Sie
sonder Zweiffel Ihre leibl. Mutter gemeinet. Ob nun der Vater Herr H. H. auch
Wissenschaft darvon gehabt, könte Sie nicht wissen. Daß er aber davon gegangen,
hätte er sich verdächtig gemacht. Von dem Grabescheide, (vide supra fol. 12.) so
Sie Herrn H. H. gegeben haben soll, weiß Sie nichts.
FOL. 36. & 37. Reginen M. des Gänse-Mägdgens, Andreas H. des Hauß-Knechts. Jacob D. von O. des Kutschers Außage, ingl. der Köchin nochmahlige Aussage den 12. Octobr. Das Gänse-Mägdgen von 14. Jahren sagt; sie wäre bey Annen damahls, als die Mutter zu St. gewesen, geblieben, biß die Mutter kommen, hernach aber wäre Sie zu Bette gangen. Hätte nichts schreyen gehört. Der Hauß-Knecht, so 17. Jahr alt, sagt, er habe das Kind helffen suchen, wer es aber umbracht, wüste er nicht. Anna wäre des Sonnabends weggegangen, und der Herr des Nachts mit dem Schreiber, gestern Abends wäre der Schreiber wieder kommen, und heute frühe umb 3. Uhr wieder weggeritten. Der Kutscher sagt: als die Köchin das Kind suchen wollen, hätte er Ihr einen Bratspieß zu geworffen, so etwan ein paar Ellen lang, er hätte aber das Kind nicht gesehen, wisse auch nicht, wer es umbgebracht. Herr und Frau wären des Abends noch da, Sonntages frühe aber weg gewesen. Die Köchin berichtet weiter: die Schenckin zu O. hätte zu Ihr gesagt: wenn Sie sich lang herumb drehete, so könte Sie den Staupbesen davon bekommen. Ingleichen, wenn Sie sich doch besinnen könte, ob Sie das Vogelspießgen gehabt, da Sie das Kind gesucht, so könte Sie noch ein stücke Geld davon bekommen. Allein sie hätte das Vogelspießgen nicht, sondern einen Bratspieß, so forne an der Spitze rund gewesen, gehabt, und müste Sie tieff gestochen haben, wenn Sie Löcher in den Kinde machen sollen. Zu dem so hätte Sie über dreymahl nicht gestochen, auch nicht tieff, denn das Kind hätte, als Sie die Erde weggethan, schon da gelegen.
FOL. 38. seq. Elisabeth M der Mittel-Magd und Dorothen K. der Zoffe Aussagen den 12. Octobr. 1681. samt deren confrontation mit vorigen. Die Mittel-Magd, so 19. Jahr, ist befragt worden: ob Sie hätte zur Köchin diese Worte geredet: Herrn H. H. älteste Tochter Anna hätte ihr Kind, als es die Zoffe abgewaschen gehabt, und in die Schachtel geleget, bey einem Händgen genommen, und gesagt. Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn ich für denen Mei
|| [12]
nigen gedurfft hätte, hat geantwortet:
Ja, sie hätte es zwar zur Köchin gesagt, hätte es aber selbst von der Tochter
nicht gehört, und wüste nicht eben, ob es ihr die Zoffe oder die Käse-Mutter
gesagt. Man hat weiter gefragt, wenn die Tochter, die Mutter und Vater
fortgegangen, hat berichtet, die Tochter wäre Sonnabends nach mittage gangen,
Herr H. H. des Nachts weggeritten, und die Mutter unter der Frühe-Predigt
wegkommen. Die Zoffe, so 19. biß 20. Jahr alt, ist befraget worden: ob Sie von
Annen Vogtin gehöret, daß Sie, als Sie das Kind abgewaschen, und die Käse-Mutter
helffen es in die Schachtel legen (nachdem die Frau Maria Ihr und Annen der
Tochter geheißen, sie solten das Kind aus dem Camin hohlen) zu solchen gesaget:
du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn ich vor den Meinigen
gedurfft; hat geantwortet: Die Anna hätte das Kind angesehen und gesagt: ich
will es immer behalten: Sie aber die Zoffe hätte geantwortet: was will Sie nun
mit dem todten Kinde machen, hätte Sie es erst behalten. Als Ihr nun die
Mittel-Magd unter Augen gesagt, daß es vorige Worte gewesen, hat die Zoffe
geantwortet, die Anna hätte gesagt: Ach wenn ichs dürffte behalten, und hätte
mit den Händen gezittert. Die Mittel-Magd bleibet darbey, es wären vorige Reden
zu Ihr gesagt worden, ob es aber die Zoffe oder Käse-Mutter zu ihr gesagt, das
könte Sie nicht eigentlich wissen. Denn sie hätte nicht darnach gefragt, wäre
ihr auch nichts angegangen, gleichwohl wäre es von diesen beyden geredet worden,
der Zoffe oder Käse-Mutter. Die Zoffe bleibt darbey, Anna hätte nicht mehr
gesagt, als: Ach ich wills immer behalten, oder: Ach, wenn ichs dürffte
behalten.
Die Käse-Mutter sagt, sie wäre bey dem Abwaschen nicht gewesen, sondern als die
Zoffe und Sie auff der Frau Befehl das Kind in die Schachtel gelegt, da wäre
Anna nicht mehr dabey, sondern schon hinweg gewesen. Die Zoffe berichtet weiter:
Zuvor, als das Gesinde zur Fr. Maria gesagt, daß das Kind da wäre, hätte Sie zu
Annen der Tochter und der Zoffe gesagt: gehet doch hin, es soll drüben in Ofen
liegen, und bringet es her über, darauf wäre Sie die Zoffe, weil viel Volcks in
Hause gewesen, alleine hinüber auffs neue Gebäude gangen, und es gehohlet. Ehe
sie aber herunter kommen, hätte die Tochter in Hause auffgewartet, und es von
Ihr genommen, und in Ihre Cammer hinauff getragen, sagende, sie solte Ihr eine
Kanne Wasser hohlen, sie wolte es abwaschen, welches sie auch gethan, und hätte
die Tochter Anna Ihr Kind selber abgewaschen, hätte vorige Worte: Ach wenn ichs
doch behalten dürffte / geredet, und wäre herunter ins Hauß gangen, da hätte
Frau Maria sie gefragt: ob Sie die Kammer zugemacht hätte, und Sie nein
geantwortet; hätte Sie Ihr und der Käse-Mutter befohlen, Sie solten es in eine
Schachtel, so in der Cammer gestanden, legen, so Sie auch gethan, und von dar
hätten Sie es müssen ins Gewölbe ins neue Gebäude tragen. Die Anna hätte das
Kind bey keiner Hand, sondern beym Beingen ergriffen, und mit der andern Hand
ins Wasser gelegt.
|| [13]
Die Mittel-Magd bleibt darbey, und gedächte es eydlich zu erhalten, daß die
Worte, wie Sie gegen die Köchin erzehlet, wären geredet worden. Die Zoffe
bleibet auch dabey und will darüber schweren, daß Anna mehr nicht geredet, als
was Sie gesagt, das Kind auch nicht an die Hände gegriffen.
Die Zoffe ist ferner befragt worden, Wann Anna das Kind bekommen. Resp. Es wäre
Herr H. H. seine Frau und andere Tochter 3. Tage zu St. auffn Kindtauffen
gewesen, wären zwar allezeit des Nachts zu Hause kommen, und hielte Sie dafür,
sie müste das Kind unter der Zeit bekommen haben, denn Sie wäre nach 3. Tagen
wieder runter in die Stuben kommen, da Sie sonst den ersten Tag in der Cammer
geblieben.
Die Käse-Mutter sagt: Anna wäre etwa 3. Tage in der Cammer auffn Boden gewesen,
da sie nicht wäre herunter kommen, und hielte dafür, daß Sie das Kind den ersten
Tag, da das Kindtauffen gewesen, bekommen, den selben Tag hätte Sie Ihr müssen
auf den Bauch greiffen, hätte es ihr auch abgebeten, da Sie zu vor mit ein ander
gezürnet. Sie könte nicht wissen, wer das Kind umbgebracht, oder vergraben.
FOL. 41. Nochmahlige Verhör des Praeceptoris den 13. Octobr. 1681. Der Praeceptor sagt, er erinnere sich, daß Herr H. H. etliche Tage hernach, als die Tochter das Kind bekommen, und einige Tage zuvor, als die Köchin es ausgegraben, auf dem Schlag, so haussen vor den kleinen Gärtgen wäre, gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen, und als er Ihn, wornach er sähe, gefraget, hätte er geantwortet, er hätte gedacht, seine Liebste wäre darinnen. Item: Er hätte in Hause gehöret, daß die andere Tochter Maria Sophia, aus der Cammer, wo die Schwestergelegen, herunter kommen, auff die Knie gefallen, und gesagt, sie solten doch beten, daß der liebe GOtt sie behüten wolle, daß Sie nicht Hand dürffte anlegen. Item, er hätte von andern Leuten, welche er zwarten nicht mehr wüste, sagen hören, die Anna hätte gesagt: Sie wolte das Kind gerne behalten, wenn Sie gleich in ein Hirten-Hauß ziehen sollen.
FOL. 42. Jungfer Marien Sophien Aussage d. 13. Oct. 1681. Jungfer M. S. ist über die Reden, so Sie zur Köchin gesagt haben soll: (Sie solle doch beten, daß Sie GOtt behüten wolle, daß Sie nicht dürffte dabey helffen) vernommen worden, hat geantwortet: Sie wäre damahls, als Sie von St. kommen, des Nachts umb 12. Uhr in der Herren-Stube gewesen, und allda etliche Kleider und Sachen abgeleget, von da in die Kinder Stube, und aus einer in die andere gangen, daß wohl 3. Stunden vorbey kommen, ehe Sie zur Schwester hinauf gangen, und da wäre Sie alleine und niemand bey Ihr gewesen, sich auch in solcher Cammer schlaffen gelegt, und von diesen Dingen nichts gewust. Umb 3. Uhr hätte Sie sich niedergelegt, und umb 5. Uhr wäre Sie wieder aufgestanden. In die Kinder-Stube wäre Sie zwar kommen, und gesagt: Das GOtt erbarm, ich weiß nicht, ob ich kan droben bleiben, denn ich muß fluchs frühe wieder auffstehen, die Leutgen wollen mich abhohlen. Wenn Sie
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hunten bliebe, würde die Frau
Mutter sagen, was Sie hunten bey den Mägden in dem Flöh-Neste machte, da Sie
doch Ihr Bette droben hätte. Als man nun gefragt, wer denn diese Nacht bey der
Schwester gewesen, hat Sie geantwortet: Niemand, wüste auch nicht, ob die Frau
Mutter hinauff kommen, oder droben gewesen. Die Worte so Ihr Schuld gegeben
worden, hätte Sie nicht geredet, wäre auch nicht vor dem Bette niedergefallen,
hätte gantz von nichts gewust, ausser wie gesagt worden, daß Sie das Kind
gefunden, wäre sie erschrocken, daß Sie umbgefallen.
FOL. 43. Des Amtm. zu P. Bericht nach Z. d. 13. Octobr. 1681. Ich habe in der N. Inquisition Sache nicht alleine, auch ehe die Besichtigung Fol. 16. geschehen, und Ew. Hoch F. Durchl. Gn. Rescript von 10. dieses eingelauffen, mit abgefasseten Steck-Brieffen wieder die älteste N. Tochter, nicht aber auch den Praeceptor, weil solcher nicht ausgetreten, sondern zweymahl bey mir gewesen; Sondern auch, als immittelst H. H. mit seinen Schreiber, und folgends auch dessen Ehe-Weib ausgetreten, mit angestellter Generallnquisition verfahren, allwo denn so wohl wieder Vater und Mutter, als auch die andere annoch verhandene Tochter Marien Sophien, und zwar wieder jene durch summarische Zeugen Aussage Fol. 23. 28. 30. 33. 34. 35. 36. und 41. wieder diese aber Fol. 33. b. etliche indicia sich herfür gethan. Alldieweil aber, Gn. Fürst und Herr bey dergleichen Dingen behutsam zu gehen seyn will, doch aber auch zu besorgen, es möchten die Zeugen, weil zumahl die Mittel-Magd und Zoffe Fol. 38. seq. einander zu wieder, die Köchin auch Fol. 37. b. mit Betrohung und Beschimpfung zugesetzt werden wollen, ehe rechtliche Erkäntniß eingehohlet werde, sich aus dem Staube machen. So habe E. Hoch-Fürstl. Durchl. auch dieses zusamt den actis gehorsamst hinterbringen, und wie so wohl wieder die Ausgetretenen, als auch wieder die andere annoch verhandene Tochter Marien Sophien ferner zu verfahren, und ob nicht immittelst die Zeugen eydlich zu examiniren, Gnädigste resolution Unterthänigst erwarten sollen. (Fernere Uberlegung und resolution des defensoris.) §. V. Biß hieher waren damahls die Acten kommen, als ich dieselben obgedachter Weise zu sehen bekam, und ware der Actuarius gleich mit copirung des ietzbemeldeten Berichts beschäfftiget, daß ich also, wenn ich etliche Stunden später gekommen wäre, die Acta nicht würde in Amte P. gefunden haben. Ich machte mich dannenhero bald auff und ritte wieder zurücke nach Leipzig. Mein Hertz wurde mir, nachdem ich etwas attent dasjenige, was ich gelesen, betrachtete, umb ein gutes Theil leichter, indem ich zwar sahe, daß der Amtmann sich es blut sauer werden liese, die armen Leute, wegen des von Ihm zum ersten nimis praecipitanter in actis beschuldigten Mords, auf das empfindlichste zu graviren, aber daß doch alle die dem ersten Ansehen nach starcke indicia wieder die Inquisiten, garleichtlich aus eben
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denenselben
Aussagen anderer Zeugen könten refutiret werden, indem hier und dar auch viele
indicia pro innocentia reorum darinnen anzutreffen waren. Worauf ich eben
eigentlich damahlen reflectiret, würde zu weitläufftig fallen, allhier distincte
anzuführen, auch deßwegen unnöthig, und vielleicht verdrießlich seyn, weil
dieselben unten in der ersten defension genungsam zu lesen sind; indessen können
curiöse Gemüther die bißhero excerpirten registraturen noch einmahl, da es
beliebig, für sich durchgehen, und sonderlich die mit andern littern gedruckten
Worte in Acht nehmen, massen in denenselben partim indicia contra reos, partim
indicia pro illis enthalten sind. Ich resolvirte mich dannenhero in Nahmen
GOttes die defension auf mich zu nehmen, und für allen Dingen bedacht zu seyn,
einen salvum conductum pro reis zu erhalten; hernach aber mich zu bemühen, wie
ich in der Stille und ohne großen Zanck einen andern Commissarium erlangen
möchte, der sich unpartheyischer gegen die inquisitas aufführte, als bißher der
Amtsverwalter zu P. gethan, Und zwar, so viel dieses letzte betrifft, dachte ich
um deßwillen mich nicht zu übereilen, weil die bißhero excerpirten registraturen
genungsam wiesen, daß der Mann sehr hitzig und eyffrig wäre, die armen Leute zu
verfolgen, und also künfftig noch mehr data, die Ihn verdächtig machten, geben
würde. Denn was hätte Ihn sonst für Noth dazu getrieben, ohne erwartete Antwort
von Z. per excerpta fol. 8. & 43. der Annen Steck-Brieffe
nachzuschicken? Was hätte Ihn bewogen zu erst und eher ein einiger Zeuge davon
etwas gemeldet hätte, in der Registratur fol. 6. ingleichen in den Bericht fol.
8. 10. &c. zu setzen, daß Anna das Kind umbgebracht haben solte? Was
hätte Ihn bewogen, daß er alles, was nur die armen Leute graviren können, in die
Registraturen, und zwar, sehr confus und öffters zweydeutig und unverständlich
oder obscur, zu bringen, hingegen alles, was zu Ihrer defension dienen können,
wenn er es nicht nothwendig thun müssen, auszulassen, oder doch die Zeugen
darüber nicht zu fragen? Ja was hätte Ihn endlich verleitet, daß er in dem
letzten Bericht das arme unschuldige Kind, Jungfer Marien Sophien auch in die
inquisition bringen, und gleichsam mit denen Haaren darzu ziehen wolte? Also
wäre zu vermuthen, daß er impetrato salvo conductu denen denunciatis bald neue
indicia von seiner animosität geben würde, daraus dieselben würden Gelegenheit
nehmen können, einen andern Commissarium auszubitten. Jedoch befunde ich die
gantze Sache so beschaffen, daß wann ich auch einen unpartheyischen Commissarium
würde erhalten haben, dieselbe doch nicht so gar leichte anzusehen sey, sondern
mit grosser Behutsamkeit und Gedult tractiret seyn wolte, und daß ich eine
sententiam pure absolutoniam gar
|| [16]
nicht, auch wohl
schwerlich zu hoffen hätte, daß Anna mit dem Reinigungs-Eyd loß kommen solte,
sondern daß es noch sehr viel Fleiß und Nachdencken brauchen würde, biß man die
Sache (Ehrlicher und Christlicher Weise ohne die Richter zu corrumpiren, und
ohne Rabulistischer Streiche sich zu bedienen) dahin würde bringen können, daß
Inquisita mit der territione verbali loß käme. Denn ob gleich die in denen
Amts-actis zusammen gesuchte Dinge zu elidiren eben so schwer nicht seyn würde;
so ware mir doch der rigor des 13. Artickels der P. H. O. sehr in Wege, und
würde ich alle vires ingenii darzu anwenden müssen, wenn ich denselben von
gegenwärtigen casu mit Nachdruck ableinen wolte.
(Nachricht von dem, was mit des todten Kindes Lunge probiret worden, und was daraus zu praesumiren.)
§. VI. Als ich nun diesen meinen Schluß, so bald ich in Leipzig wieder angekommen
war, der stupratae Vater und dessen Freunde entdeckte, und Ihnen dißfalls klaren
Wein einschenckte, auch Ihnen freystellete, ob Sie gedächten, einen andern
Advocaten zu bekommen, von dem Sie sich bessern success zu versichern hätten;
Sie aber mich nochmahlen ersuchten, die Sache über mich zu nehmen, meldeten Sie
mir zugleich, daß der Medicus von Z. Herr D. Schreyer, der das gefundene Kind
mit hätte besichtigen helffen, denselben Tag in Leipzig auf die Michaelis-Messe
kommen wäre, daß Sie mit Ihm gesprochen hätten, und Er ein Verlangen trüge, mit
ihren Advocato zu reden. Ich gieng alsbald hin zu Ihm, und erfuhr nicht alleine
von Ihm unterschiedene Umstände, die bey der Besichtigung wären vorgegangen,
daraus neue indicia von der Partheyligkeit des Amtmanns zu nehmen waren, die
dergestalt beschaffen, daß Sie auch denen Anwesenden Herren Medicis waren in die
Augen gefallen, sondern er erzehlte mir auch unter andern, daß er bey dieser
Besichtigung Gelegenheit gehabt hätte, etwas zu probiren, das von denen Herrn
Medicis als was besonderes und sehr merckwürdiges nur vor weniger Zeit wäre
angemercket worden; Es wäre bekant, daß die Lungen wegen der darinnen
verborgenen Lufft in dem Wasser nicht untersäncken; weil nun die Kinder in
Mutterleibe keinen Othem hohlten, sondern der Mensch erst nach der Geburth durch
das Othem hohlen Lufft in die Lunge brächte, so wären etliche von denen Neuern
Medicis auf die Gedancken kommen; Daß wenn eine Mutter, so Ihr Kind heimlich
bekommen, vorgäbe, Ihr Kind wäre todt auf die Welt kommen, und man befände doch,
daß bey der Besichtigung die Lunge dieses Kindes oben schwämme, dieses so dann
eine starcke Anzeige wäre, daß das Kind lebendig auf die Welt sey gekommen, und
hinwiederum würde das Vorgeben der Mutter, daß Sie ein todtes Kind gebohren,
warscheinlich gemacht, wenn des todten Kindes Lunge in Wasser untersäncke. Nun
hätte er bey der Besichtigung des Kindes
|| [17]
der Annen
auch eine Probe gemacht, und ein stück Lunge, in Gegenwart der anwesenden in das
Wasser geworffen, und das wäre auch untergesuncken; welches er mir hätte melden
wollen, ob ich etwa hieraus ein Argument ad defendendam Ream nehmen könte. Mir
war diese Relation überaus angenehm, in dem Ich vermeinte, vermittelst dieses
facti den wiedrigen nur gedachten Artickel der P. H. O. nicht ohne Nachdruck
zubegegnen, und sahe ich demnach für eine sonderliche Schickung GOttes an, daß
die Regierung zu Z. Herr D. Schreyern, der ohne dem auf die Leipziger Messe
gehen wollen, anbefohlen, in transitu zu P. der Besichtigung des todtgefundenen
Kindes mit beyzuwohnen, weil, da dieses nicht geschehen, auch diese Probe mit
der Lunge unstreitig würde seyn unterwegs blieben. Jedoch wunderte ich mich, daß
ich in denen Actis bey den Registraturen von der Besichtigung nicht das
geringste von diesen Umstande gemeldet gefunden, ja daß die Herren Medici selbst
in Ihren Bericht davon nichts gedacht hätten. Herr D. Schreyer antwortete, er
habe es sich nicht unterfangen wollen, in den Bericht zu setzen, weil sie zu
dieser Probe nicht wären requiriret worden, dieses auch noch eine neue Meinung
wäre, die bey wenigen einen applausum fände, und daß er nicht glaubte, daß sein
damahliger College der Sadt Physicus zu P. die Sache würde approbirt, noch den
Bericht mit unterschrieben haben, jedoch wäre er erböthig, wenn ich es vor
nöthig hielte, nicht alleine veritatem facti zu bezeugen, sondern auch seine
Meinung von dem Nutzen dieser Probe auffrichtig zu entdecken: Diese Erinnerung
minderte das Vergnügen, daß mir die Entdeckung dieses Umbstandes zuerst
verursacht hatte, in etwas, und gab mir zu erkennen, daß auch diese Sache sehr
behutsam und mit Gedult tractiret werden müste. Denn obgleich unter allen vier
Facultäten die Herren Medici am ersten aus dem, auch auff denen recht orthodoxen und Lutherischen Universitäten überall
herrschenden Regno Tenebrarum & Autoritatis humanae sich schon damahls
herausgerissen hatten, so hatten doch die von diesen klugen Leuten hie und dar
angesteckte Lichter der Wahrheit, Anno 1681. auch in der Medicinischen Facultät
zu Leipzig selbst, noch keine grosse und merckliche Approbation gefunden,
sondern sie fiengen nur an, nach und nach ein wenig mode zu werden, biß Sie
endlich zu unsern Zeiten, GOtt sey Danck! fast an allen Evangelischen Orten
durchgedrungen.
§. VII. Jedoch wolte ich auch gerne noch vorhero und ehe ich umb(Praeliminar Verhör der beyden
In-) salvum conductum anhalten liesse, der
Unschuld der zimlich gravirten beyden Weibes-Personen gerne für mich en
particulier versichert seyn. Und erbote mich also gegen den Vater, daß, weil
nicht zurathen wäre, eine gros
|| [18]
se
(quisitinnen von dem Defensore vorgenommen, und derselben
Nutzen.) Summe Geldes, die zur Caution erfordert werden würde, zu
hazardiren, wenn die Frau und Tochter die wieder Sie streitige Indicia nicht
vernünfftiger Weise zubeantworten wüsten, oder sonst so beschaffen wären, daß
man zu befahren hätte, Sie möchten mit Ihren unrichtigen Antworten, die ohnedem
nicht gute Sache noch schlimmer machen, ich für rathsam hielte, daß Er, der
Vater, mich an den Ort Ihres verborgenen Auffenthalts mit sich nähme, damit ich
vor allen Dingen noch vor rechter Unternehmung der Sache mit Ihnen wegen der
wieder Sie streitenden indiciorum umständlich reden, und was Sie darauf
antworten würden, vernünfftig betrachten und überlegen könte. Denn so viel Ihn
den Vater betraff, war ich schon aus dem mit Ihn gehabten Discurs versichert,
daß er mir die Warheit gesagt hatte, und es mit Ihm bey diesen Proceß keine
grosse Noth haben würde. Der Vater war mit diesen Vorschlag zufrieden, und wir
reiseten nebst den offtgedachten Freunde alle drey den Morgen drauff an den Ort
quaestionis, und so bald wir daselbst ankommen, setzte ich mich nieder, und
verfertigte selbst aus dem, was ich in actis gelesen, und sonst gehöret hatte,
genaue articulos inquisitionales, darüber ich selbst die Mutter und Tochter
vernehmen wolte: bate indessen der Vater, daß er Ihnen beyden zureden folte, daß
Sie ein zuversichtliches Vertrauen in mir setzen solten, daß ich Ihr bestes
suchte, und sich also kein Gewissen machten, oder für mir fürchteten, mir die
Warheit zusagen, und sich daneben versicherten, daß Sie zu mir als Ihren
Advocato ja so ein gewisses Vertrauen wegen der Verschwiegenheit haben könten,
als wenn Sie Ihren Beicht-Vater in der Beichte etwas offenbahreten. Indessen kam
die Mittags-Mahlzeit herbey, und da hatte ich über derselben Gelegenheit, so
wohl mit der Mutter und Tochter von andern Dingen zu reden, auch was sie mit
andern über Tische redeten, anzuhören, da ich denn zum Voraus so viel gewahr
wurde, daß die Tochter Anna ein blödes und einfältiges, auch dabey
offenhertziges Mensche und die wenig zu simuliren oder zu dissimuliren wüste, zu
seyn schiene. Die Mutter Frau Maria aber schiene mehr zu Intigruen und
Verstellung geneigt zu seyn, welches mir abermahls Anleitung zu einer
Betrachtung gab, wie behutsam ich mit Examinirung beyder Personen hernach mich
würde zu verhalten haben. Nach der Mahlzeit nahme ich die Tochter Annen an
ersten vor, und befand, daß Sie ohne Umbschweiffe und Zweiffelhafftigkeit mir
auf die vorgestellten Fragen mit Ja und Nein oder sonst gehörig antwortete, und
eben dieses oder dergleichen vorbrachte, was ich unten von Ihrer gerichtlichen
Antwort auf die articulos inquisitionales melden werde, dergestalt, daß ich Sie
auf keiner Lügen oder Variation ertap
|| [19]
pen konte.
Mit der Mutter aber ware es gantz anders, und muste ich mit derselben eine gute
Stunde zubringen, eher ich sie dahin disponiren kunte, daß Sie auff die
vorgelegten Fragen categorisch oder sonst gehörig und ohne Anhang geantwortet
hätte. Fragte ich Sie von Aepffeln, so antwortete Sie von Birnen; fragte ich Sie
z. E. welchen Tag Sie auff den Kindtauffen gewesen wäre; so erzehlte Sie mir,
wie des Kinds Vater und Mutter hiesse, und worumb Sie Ihre jüngste Tochter zu
Gevattern gebeten, und wer neben Ihn Gevatter gestanden; Solte Sie Ja sagen, so
sagte Sie Nein, und wenn Sie sich auff einen andern Articul bald drauff
contradicirte, und ich Ihr solches remonstrirte, wolte Sie entweder die letzte
Antwort corrigiren, oder wegen der ersten vorwenden, daß Sie mich nicht recht
verstanden, oder wohl gar vorgeben, daß ich bey der vorhergehenden Sie nicht
recht verstanden, und daß Sie das nicht gesagt, was ich nieder geschrieben
hätte. u. s. w. Ich hatte dabey grosse Gedult von Nöthen, derselben diese Ihre
Unartigkeit mit Glimpffe zuverweisen, und Sie zu rechte zu bringen, und drunge
doch endlich damit durch, da ich in Liebe und Sanfftmuth Ihr vorstellete, daß,
wenn Sie auch schon sonst gantz unschuldig, und in actis wieder Sie und Ihre
Tochter keine so schwere Indicia verhanden wären, Sie doch bloß durch solche
ungeschickte Antworten und Variationes so wohl sich als Ihre Tochter nothwendig
auff die Tortur bringen würde. Endlich brachte ich doch, nachdem ich von forne
wieder anfieng, und bey allen Fragen Ihr alle Ausschweiffungen und
Irregularitäten abschnitte, eine kurtze, deutliche, auch wohl aneinander
hängende Antwort, (des ohngefährden Inhalts, der gleichfalls unten bey der
gerichtlichen Antwort wird zu lesen seyn) aus Ihr, die mit der Tochter Ihrer
Aussage sehr wohl überein kam, daß ich also auch hierdurch bewogen wurde, zu
glauben, daß so wohl Mutter als Tochter an dem von dem Amtman zu P. und der
Köchin Ihnen imputirten Kinder-Mord unschuldig wären, und daß demnach der Vater
die zu Erhaltung des Salvi conductus loco Cautionis zu bestellende Geld-Summa
wohl wagen dürffte. Ingleichen, daß nicht das böse Gewissen und der wahre
Zustand des facti, sondern die übele Zucht und Gewohnheit, nebst dem
sonderlichen Naturel, die Mutter zu dergleichen Qvackeleyen, und impertinenten
oder lügenhafften Antworten gebracht hätten. Indessen ware es mir doch auch
lieb, daß ich der Mutter, durch glimpffliche Vorstellung der Gefahr, die Sie
durch diese angewehnte Unart sich auf den Halß ziehen würde, den Kopff im so
weit zurechte gesetzet hatte, weil sonsten gewiß wäre zu befahren gewesen, daß
Sie in responsione judiciali ad articulos mit solchen unförmlichen Antworten
|| [20]
würde seyn auffgezogen kommen, und die gantze Sache
verderbet haben.
(Fortsetzung des Processes und was dabey merckwürdig von
15. Octobris biß zu dessen Ende.)
§. IIX. Was nun, nachdem ich die Führung dieser Defension über mich genommen, bey
diesen Proceß weiter fürgegangen und anzumercken sey, wird an beqvemsten
vorgestellet werden können, wenn ich aus denen hernach, post responsionem Rearum
ad articulos, das, was ich mir communicirten Acten excerpiren lassen, nach
Ordnung der Acten und der Zeit, so kurtz als möglich, vorstellen werde. FOL. 44.
Wurde die Köchin an 15. Oct. von neuen wieder Jungfer Marien Sophien und wegen
Hanß Martins (von welchen bald in folgenden deutlicher ein mehrers) verhört.
FOL. 45. Ist ein Steck-Brieff wieder Annen ut supra fol. 10. FOL, 46. Herrn Hanß
Heinrichs Brieff an den Amtmann zu P. daß er die Köchin nicht solte lassen
wegkommen, praesent. d. 16. (wodurch der Calumnie begegnet wurde, als hätte er,
der Vater, die Köchin bedrohen lassen, daß Sie sich wegmachen solte.) FOL. 47.
Befehl von Z. von 15. Octobr. 1681. praesentirt d. 16.
Wir haben aus deinen verstatteten Bericht etc. uns gebührend vortragen, auch die
dißfals gehaltene acta durchsehen und erwegen lassen, und stehen zwar an,
wegen H. H. und seines Weibes noch zur Zeit die Captur und Steckbrieffe zu
verordnen. Weil aber theils Zeugen etlicher massen wieder einander, auch zu
besorgen, daß man deren künfftig nicht allezeit mächtig seyn dürffte; Als ist
unser Begehren, du wollest dieselben allerseit, ausgenommen die eine Tochter, so
mit weiterer Verhör itzo auch verschonet werden kan, unverzüglich wieder
vorfordern, Ihnen die gethane Aussage nochmahls vorlesen, Sie die rechte reine
Wahrheit allenthalben, und insonderheit von denen fol. 28. a. & 33. b,
registrirten Reden auszufagen, nachdrücklich ermahnen, und dasjenige, worauf Sie
alsdann und nach anderweiter nöthiger confrontation beharren, mit einem Eyde
bestärcken lassen; inzwischen nichts destoweniger beobachten, ob und wo so wohl
ermelder H. H. und dessen Eheweib, als die älteste Tochter, sich ferner
aufhalten; auch die beyden Medicos und den Balbier, so das Cörperlein
besichtiget, Ihre fol. 16. ausgestelte Registratur, nach Erlang- und Vorlegung
des Bratspiesses, womit die Köchin das Kind in der Erden gesucht, und welchen
Sie in der eydlichen Aussage zu recognosciren hat, und ob Sie dafür halten, daß
die Stiche mit denselben, oder womit sonst geschehen seyn mögen, erleutern, und
beschweren lassen, und von diesen allen deinen Bericht mit Beyfügung der Acten
zu fernerer Verordnung erstatten. V. L. V. S.
Dieser Befehl ist so nervös, processmäßig und raisonable, daß wenn dergleichen
prudente und unpartheyische Administration der Justiz von dem Amtmann zu P.
ingleichen von allen Collegiis die künfftige Urtheil und Re
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sponsa in dieser Sache verfertiget, wäre beobachtet worden,
würde der Proceß so viele Jahr nicht auffgehalten worden seyn, und denen armen
Leuten so viel Geld gekostet haben. FOL. 51. 52. 53. den 17. Octobr. 1681. der
Köchin nochmalige Aussage, die sie mit einem Eyde bestärckt. Diese kömt mit
derjenigen, so allbereit oben §. IV. excerpiret worden, mehrentheils überein;
ausser daß fol. 51. b. seq. folgendes noch merckwürdig ist,
Jedoch wäre dieses, was Sie von Frau Marien gesagt, als ob Sie hin und wieder und
ins Gärtgen gangen, nicht die erste Nacht, als die Tochter das Kind bekommen,
geschehen, sondern den ersten Tag drauff. Den ersten Abend, als Sie von St.
herein kommen, wäre Sie nur ein wenig in die Unterstube gangen und sich
ausgezogen, hernach aber bald auf den Boden, als wo Herre, Frau und Kinder neben
einander in zwo Kammern sonst geschlaffen, und nicht wieder herunter kommen. Ob
Sie aber selben Abend in der Tochter Kammer gangen, könte Sie nicht gewiß sagen.
Des folgenden Tages aber hätte Sie gesehen, daß die Frau M, in solcher Kammer
immer ab und zugegangen, ingleichen ins Gärtgen, und hätte den Schlüssel an der
Cammer-Thür allezeit abgezogen. Des Tages und Abends zu vor, als die Tochter das
Kind bekommen, wäre Sie die Köchin bey Ihr in der Kammer gewesen, und diese
hätte sich im Bette hin und her geworffen, und wäre sehr kranck gewesen, und als
Sie gefragt, was Ihr wäre, hätte Sie Wehe geschrien, und gesagt: wenn Sie nur
Ihre liebe Mutter noch einmahl sehen solte, und darauf hätte Sie die Köchin
herunter zum Hopffenflücken gehen müssen. Herr H. H. aber hätte Sie, als er aus
seiner Kammer herausgangen, ausgerichtet, und gesagt: Ist nicht ein Spiel, ein
Gelauffe? Ich ware neulich auch kranck, es ware kein solch Gelauffe. Als Anna
des Kindes loß gewesen, habe Sie ein Küssen fürgethan, das Sie alle in Hause
gesehen, auch die Wäsche hergegeben, so zwar schon gewaschen gewesen, jedoch
noch gar fleckigt. Es könte unmöglich seyn, daß es die Mutter nicht gewust haben
solte. Den Bratspieß, so Ihr der Kutschjunge zugeworffen, und eben dieser wäre,
so der Land-Knecht mit in das Amt bracht, und Ihr gezeiget worden, hätte Sie
darumb gebraucht, weil die Schwestern, Anna und Maria Sophia sich wegen einer
Schachtel gezanckt, und diese zu jener gesagt: du Rabenaaß: ich habe auch
deinetwegen die Schachtel einbüssen müssen, dahero Sie gedacht, das Kind läge in
einer Schachtel, und hätte damit über 3 mahl nicht in die Erde gestochen: wäre
solcher an der Spitze auch etwas krümmer gewesen als er itzo wäre. Die Schenckin
zu O. hätte auch gesagt: Sie die Köchin, der Praeceptor und Haußknecht, hätten
2500. Thlr. verdienen können, wenn Sie geschwiegen und es dem Pfarrer zu Pr.
nicht offenbahret hätten.
FOL. 53. b. 54. 55. 56. Eod. 17. Octobr. Fernere Aussagen und respective Confrontation der Zoffe, Käse-Mutter nnd Mittelmagd.
|| [22]
Die Zoffe ist wieder vorgefordert worden, und bleibet feste drauff, daß Anna, als
Sie das Kind abgewaschen, und Sie (die Zoffe) hernach zur Mittel-Magd mehr nicht
gesagt, als: Ich will es immer behalten: oder; Ach wenn ich es behalten dürffte.
Inmassen sie es denn auch also zuerst der Käse-Mutter, als Sie gefragt, was Anna
zum Kinde gesagt, erzehlet. Die Käse-Mutter berichtet: die Zoffe hätte zu Ihr
nicht andersgesagt, als daß Anna gesagt: Sie wolte das Kind behalten; die Zoffe
aber drauff geantwortet, was Sie nun mit dem Kinde machen wolte, da es todt
wäre: Sie hätte es zuvor mögen behalten. Die Mittel-Magd ist der Zoffe
fürgestellet worden, und saget: Sie hätte nicht anders gemeinet, als daß die
Zoffe berichtet: Anna hätte gesagt; du liebes Kind, ich hätte dich gerne
behalten wollen, wenn ich für den Meinigen gedurfft. Weil Sie aber nun hörete
daß es nicht so sey, (wäre auch damahls in lauffen geschehen, und Sie in
Erschreckniß gewesen) könte Sie nicht gewiß drauff reden. Der Mittel-Magd ist
Zeit gegeben worden, sich zubedencken. Die andern beyden aber haben Ihre Aussage
hernach beschworen. Die Zoffe sagt ferner, daß als die Frau den ersten Abend von
der Kindtauffe nach Hause kommen, wäre Sie nur ein wenig in die Unter-Stube
gangen und sich angezogen, bald aber darnach auff den Boden (wo Sie sonst der
Herr und Kinder in 2. Kammern neben einander geschlaffen) und nicht wieder
herunter kommen. Ob Sie aber noch diesen Abend in der Tochter Kammer gangen,
könte Sie nicht wissen. Als aber die Tochter das Kind bekommen haben solte, wäre
es die erste Nacht umb 1 Uhr ohngefähr geschehen. Sie hätte zwar kein Geschrey
gehört, aber das Gesinde hätte folgendes Tages davon geredet, daß Anna gewinselt
hätte, und wäre Sie damahls mit der Köchin in der Kinder-Stube gewesen. Die
Käse-Mutter hätte damahls zu Ihr und der Köchin gesagt: Anna hätte Sie zu sich
fordern lassen und es Ihr abgebeten, da Sie Ihr auff den Leib gegriffen. Frühe
Morgens hätte zwar niemand zur Tochter gedurfft. Ob aber die Mutter bey Ihr
gewesen, wisse Sie nicht. Die andere Tochter M. S. wäre die erste Nacht herunter
in die Kinder-Stube, wo Sie die Zoffe und Köchin schlieffen, kommen, für das
Bette nieder gefallen, die Hände zusammen geschlagen und gesagt: Sie könte und
wüste nicht droben zu bleiben. Hernach wäre ein Pferd in Hoff gelauffen und für
das Fenster kommen, da wäre Sie M. S. erschrocken und gesagt. Was komt? Es kommt
ein Neuter. Sehet flugs nauß. Es hätte aber niemand nachgesehen. M. S. aber
hätte die Hände zusammen geschlagen, gebetet, und Sie beyde ermahnet, sie solten
doch fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, wenn etwas vorgienge,
daß Sie ja nichts sähe, und gar nichts wüste. Denn sie hätte nicht gerne hinauff
und auch nicht gerne unten bleiben wollen, weil Sie vor der Mutter sich
gefürchtet, und gesagt: die liebe Mutter schlüge sie, wenn Sie unten bliebe. Den
Tag drauff hätte Sie die Frau auch sehen in das kleine Gärtgen gehen. Was Sie
drinnen gemacht, wisse Sie nicht. Hätte zur Köchin freylich gesagt, Sie wolte
das Kind wohl in Gar
|| [23]
ten finden, wenn Sie es
suchen solte. Etwa den 3. Tag hernach wäre Anna aus der Kammer herunter kommen,
an Michaelis-Tage mit gespeiset, und Sonntags hernach in die Kirche nacher K.
gangen. Und wäre an Michaels-Tage der Magister von E. hinkommen und gesagt:
Siehe ist doch Jungfer Ennigen wieder aufgestanden, worauf Frau Maria
geantwortet: Sie ist heute so erschrocken, weil wir mit der Kutsche umbgefallen
und ist das Fieber flugs davon vergangen. Nach dem 9. Tage hätte Sie mit der
Köchin geredet, und gesagt, das Kind muß nun weg seyn; und als die Köchin
gesagt: Sie haben es doch ins Wasser geworffen; hätte Sie geantwortet: Nein, das
Wasser wirfft es aus: wenn ich aber suchen solte, ich wolte es wohl finden in
Ihren Gärtgen, da kömt niemand hinein. Hernach hätten Sie mit einander gesucht,
und es gefunden. Wer es aber vergraben, wisse Sie nicht. Wäre zwar nicht gar
nahe zum Loche kommen, daß Sie sehen können, wie tieff es gewesen, auch bald
davon gelauffen; die Köchin aber hätte den Praeceptor und Hauß-Knecht geholet,
das Kind auf den Saal getragen, und angesehen: Sie die Zoffe hätte es erst den
andern Tag gesehen. Nachdem Anna des Kindes loß gewesen, hätte Sie Ihre Wäsche,
so zwar gewaschen, doch zimlich befleckt gewesen, hergegeben. Die Schachtel,
worinnen das Kind gelegen, wäre Annen gewesen, hätte aber Marien Sophien vorher
eine genommen, und mit Kirschen nach Leipzig geschickt, die Sie nicht wieder
bekommen, dahero Marie Sophie es Annen vor und nach dem Fall fürgeworffen.
FOL. 57. 58. 59. 60. Die Zoffe, die Käse-Mutter, der Praeceptor, die Köchin beschweren d. 17. und 18. Octobris 1681. Ihre Aussagen, worbey die Zoffe nach berichtet, daß der Spieß, so in Amte liege, derjenige sey, mit welchen Sie gesucht hätten; der Praeceptor aber sich erklähret, daß er dasjenige, was er fol. 23. ausgesagt, daß Herr H. H. gesagt, er wolle denjenigen, der Annen Schuld gäbe, daß Sie schwanger sey, wohl hinein führen &c. nicht von Herr H. H. selbst gehöret, sondern von andern, die er nicht zu nennen wüste. Die Mittel-Magd aber hat Ihre Aussage nicht beschweren wollen, sondern gesagt, es könne seyn, daß die Zoffe nicht mehr, als was Sie gestanden, geredet hätte: weßhalben man die Mittel-Magd, meineyd zu verhüten, damit verschonet. FOL. 61. George Wilhelm W. Stadt-Physici, und Christian S. Amtsbarbirers Aussage d. 18 Octobris, als Ihnen der Inhalt des Rescripts von Z. eröffnet worden. Sie hielten nicht dafür, daß die Löcher oder Stiche, so an dem todten Kinde befunden worden, mit dem Bratspiesse, so Ihnen gezeiget worden, geschehen, aus Ursach, weil die 2. grössesten, so in der lincken Seite, nicht viereckigt, wie der Bratspieß, sondern länglicht, und dünne, auch etwas länger als der Bratspieß in der Breite gewesen. Zudem, so wären die Stiche unterschiedlich, als etliche in Rücken, etliche in der Brust, und etliche in Arm gewesen, und keiner durch das gantze Cadaver gangen.
|| [24]
Jedoch, weil Herr D.
Schreyer nebst Ihnen bey solcher Besichtigung gewesen, wolten Sie zuvor mit
solchen daraus communiciren, und bäten, biß dahin mit der Vereydung in Ruhe zu
stehen.
FOL. 62. Citatio an Herr D. Schreyern. FOL. 63. 64. Herr H. H. suppliciret nach Z. umb ein special sicher Geleit, nebst angeführten Ursachen, worumb Er nebst seiner Frau ausgetreten, hierauff ergehet ein Befehl an den Amtmann zu P. seinen an 15. Oct. Ihm anbefohlnen Bericht einzuschicken. FOL. 67. biß 70. Registratur was D. Schreyer d. 20. Octobris zu P. vorgestellet. Er hätte aus dem gnädigsten Rescripto vernommen, daß er dasjenige Attestat, so über der Section des gefundenen Kindes ertheilet worden, wie auch, ob die Wunden, so an dem Kinde befunden worden, mit dem Bratspiesse, so Ihm fürgeleget worden, geschehen sey, beschweren solte; Als antworte er darauff. Was das erste betrifft, brauche es keine weitere Erleuterung, massen solches juxta leges artis medicae concipiret. Jam vero artifici in sua arte credendum, und hoffe also mit dem Eyde verschonet zu werden umb desto mehr, weil er promotus Doctor sey, und das juramentum Facultaris Medicae allbereit vor 23. Jahren auf seiner Promotion zu Jena abgeleget, zu dem habe er in seiner 22. jährigen Praxi viel Sectiones Cadaverum gehabt, und drüber Attestata ausgestellet, die jederzeit plenariam fidem gehabt, und er solche niemahls beschweren dürffen, zugeschweigen, daß er zu Z. zum Land und Stadt-Physico bestellet worden, und also auch hoc intuitu den Eyd deprecire. Ob die Wunden mit dem Ihm vorgezeigten Bratspieß geschehen, darüber könten diejenigen, so das Kind gebohren, oder die es begraben, am besten Nachricht geben, auch würde das ausgestellete Attestat vollkommener worden seyn, wenn bey Section des Cadaveris der itzo producirte Bratspieß alsbald wäre beygeleget worden. Aus der eusserlichen Form aber, deren welche Er absonderlich wohl betrachtet, und daß die meisten rund, die 2. aber, so durch die lincke Seite in dem hohlern Leib unterwertsgangen, mehr länglich als viereckig gewesen, wäre er in denen Gedancken blieben, (ob wohl propter putredinem in cadavere die forma vulnerum sich leichte änderte) daß die Wunden mit einen Dolch oder Pfriemen, so an der Spitze stumpff und rund, weiter auffwerts aber mehr breiter als gleich viereckigt gewesen, geschehen seyn möge. Und weil der producire Bratspieß von unten an fast dergleichen Gestalt habe als ein Dolch oder Pfrieme, so möchte muthmaßlich, iedoch nicht affirmative, und daß er es zu beschweren getraue, geschlossen werden, daß bey Auffsuchung des Kindes die Wunden durch den Bratspieß verursachet worden, allermassen auch die Köchin zu Ihm gesagt, daß Sie 3 mahl die Erde, worunter das Kind vergraben gewesen, durchstochen, und also die Verwundung am Halse und in der lincken Seite verursacht werden können. Die andern Wunden aber durch das viele stopffen in die Erde, sich ereignen können, wel
|| [25]
ches also seine Muthmassungen wären,
worüber zu decretiren er alles denen superioribus und Facultatibus Medicorum
anheim stellete. Dieser Declaration des D. Schreyers adhaeriren der Physicus und
Amtsbalbier zu P. u. erbieten sich Ihr Attestatum bey der Besichtigung in
eventum zu beschweren.
FOL. 71. biß 79. Allerhand andere Registraturen von 22. bis 25. Octobris über des Schirmeisters fernern Aussage, über des Gänsemägdgens Aussage, über des Medici zu P. und consorten Entschuldigung, die wenig oder nichts zu Entscheidung der Sache thun. FOL. 76. seq. Neuer Befehl von Z. von 28. Oct. Aus den Actis haben wir verlesen, daß gleichwohl eine und die andere nachdenckliche Rede und Bezüchtigung der Schenckin zu O. in denen Actis angegeben worden: Als ist unser Begehren, du wollest solche zuförderst eydlich vernehmen, in übrigen aber, und sonderlich wegen der von Medicis verweigerten Beschwerung, auch von H. H. für sich und sein Eheweib gesuchten sichern Geleit und respective Caution, in Schöppenstuhl zu Leipzig, weil man solchen zu übergehen keine erhebliche Ursache findet; rechtliche Erkäntniß einhohlen, und das Urtheil uneröffnet zu fernerer Ordnung anhero senden. §. IX. Die in itzo erzehlten Befehl, den Schöppenstuhl zu Leipzig betreffend,(Neuer und die Sache in etwas alterirender Incident-Punct wegen allzuzeitiger Suchung eines andern Collegii zu Sprechung der Urtheil.) angeführte Raison reflectiret darauff, daß ich in der Supplique f. 64. worinnen Herr H. H. für sich und sein Weib salvum conductum gesucht hatte, unter andern mit einfliessen lassen, den Amtmann zu P. anzubefehlen, daß in dieser Sache er die Acta, wegen gewisser Ursachen, nicht nach Leipzig in Schöppenstuhl, dahin er sonst ordentlich gewiesen war, sondern nach Wittenberg zum Verspruch schicken möchte. Denn es war in Sachsen damahls (und vielleicht ist es noch itzo) so bräuchlich, daß die ju dicia an Ihre Collegia ordentlich gewiesen waren, und ohne special. Befehl der hohen Obrigkeit, wenn gleich die Partheyen wieder die ordentliche Collegia protestirten, die Acten nicht anderwärtig hinschicken durfften. Jedoch konten auch die Parheyen ohne grosse Kosten bey denen Höffen leichtlich dergleichen Befehlige erhalten; Ich würde auch damahls zu Z. dergleichen erhalten haben, wenn es nur die regulae prudentiae zulassen wollen, daß ich die mich hierzu bewegenden Ursachen hätte können in die Supplique setzen lassen. Ich hatte mich zwar damahlen über das Collegium derer Herren Scabinorum noch nicht zu befchweren, sondern Sie hatten vielmehr mich wieder die schon damahlen von der Facultät zu Leipzig sich anfahenden Wiederwärtigkeit, davon vielleicht bey Vorstellung eines andern Processes mit mehrern zu schreiben einige Gelegenheit sich finden dürffte, mit Ertheilung etlicher mich contra Facultatem schützenden
|| [26]
responsorum vertheidiget; und hatte ich contra
singulos Ihrer Personen halber keine Diffidenz wieder Sie. Alleine es triebe
mich eine andere Ursache darzu, daß ich ohne Sie einiges üblen Affects zu
beschuldigen dennoch wenig Vertrauen in dieser Affaire in Sie setzen konte,
sondern ein grösser Vertrauen zu den ICtis Wittebergensibus hatte. Denn theils
waren die damahligen Zeiten überhaupt so beschaffen, daß zu Wittenberg man
anfieng billigere und nicht so rigoröse Urtheile zu fällen, als in denen andern
Sächsischen Collegiis, davon ich mit mehrern gehandelt habe in Historia Juris
Naturalis cap. 6. §. 8. p. 78. juncto §. 5. & 6. Nun ware ich eines
solchen Collegii wegen des schon oben gedachten Articuls 131. der P. H. O. und
dessen Auslegung in diesen Proceß gar sehr benöthiget, und kame noch eine
Special-Ursache dazu, die in folgenden Umständen bestehet. Dasjenige, was mir
Herr D. Schreyer von Untersenckung der Lunge des gefundenen Kindes (davon oben
§. 6. gesagt,) lag mir zuförderst im Kopffe, und weil er mir dabey gemeldet
hatte, daß diese Meinung propter regnum autoritatis von noch wenigen approbiret
wäre, also bemühete ich mich zuförderst bey denen Herren Medicis zuvernehmen, ob
ich nicht von Medicinischen Facultäten ein Responsum für meine Clientin erhalten
könte. Der noch itzo lebende berühmte Professor und Senior in der Medicinischen
Facultät, Herr D. Rivinus nebst den seeligen Herrn D. Langen waren die ersten,
mit denen ich mich, als meinen guten Freunden von Jugend auf, besprachte; die
versprachen mir nun zwar Ihres Orts Ihren Beystand, wie auch die von Ihnen mir
dißfals ertheilte Attestata unten bey denen Defensionibus bekräfftigen werden;
Sie machten mir aber schlechte Hoffnung, daß ich von der Medicinischen Facultät
zu Leipzig dißfalls ein favorable Responsum erhalten würde, und also würden mir
Ihre Attestata als junger Leute, und die damahls entweder noch gar nicht membra
Facultatis, oder doch von den untersten waren, wenig nutzen. Nichts desto
weniger machte ich mir noch einige Hoffnung darauff, weil die schon damahls sehr
berühmten Leute Herr D. Bohne und Herr D. Ertmüller die Renommee hatten, daß Sie
sich an das praejudicium autoritatis nicht bänden, sondern viel gute und
nützliche Warheiten, die von denen neuern Medicis in und ausser Deutschland
vorgetragen worden, in Leipzig fortpflantzten, auch selbst neue Warheiten zu
erfinden sich bemüheten. Ich wagte es also, und gieng zu zweyen von denen
vornehmsten membris, deren einer hauptsächlich der alten, der andte aber in
etwas der neuen Doctrin ergeben war, und meldete Ihnen den casum, bate Sie auch
um Ihre vota in den von der Facultät zu verlangenden responso. Der erste schlug
|| [27]
mir es nicht alleine rund ab, sonder schalt auch
auff die Neulinge, die solch thöricht Zeug, als das indicium von Untersinckung
der Lunge wäre, auff die Bahne brächten, von welchen doch weder Galenus noch
Hippocrates etwas gewust hätten. Der andere redete zwar etwas glimpfflicher von
der Sache; sagte mir aber doch ohne falsch und Simulation heraus, daß er anderer
Meinung als Herr D. Schreyer wäre, und also sein votum zu der von mir verlangten
Frage nicht geben könte. Da ich nun sahe, und gewiß versichert war, daß ich a
Facultate Medica Lipsiensi solcher gestalt kein responsum favorabile bekommen
würde, wolte ich auch die Unkosten deßhalber menagiren, und blieb mit meiner
Frage zurücke. Dieses gabe nun bald Gelegenheit, daß es unter denen Herren
Scabinis bekandt wurde, indem etliche dererselben mit etlichen von denen Herren
Medicis in vertrauter Freundschafft stunden, und man hatte sich schon auch auf
Seiten der Herren Scabinorum in privat Discursen verlauten lassen, ich würde es
mit dieser Invention de pulmone auch bey ihnen nicht treffen, noch deßwegen ein
gelindes Urtheil erhalten. Hingegen hatte mir Herr D. Schreyer schon gemeldet,
daß er hoffte, ich würde von der Medicinischen Facultät zu Wittenberg eher etwas
für meine Intention erhalten, weil der gleichfalls schon damahl berühmte Herr D.
Wedel in einen Brieff an Ihn seine Meinung davon dergestalt entdecket, daß er
mehr pro nobis als contra wäre, wie hiervon unten zu seinrr Zeit §. 27. mit
mehrern wird gemeldet werden. Und hiermit dachte ich hernach auch bey der
Juristen Facultät zu Wittenberg um so vielmehr zu reussiren, je mehr mir
ohnedem, wie oben gedacht, Ihre Neigung in benigniorem sententiam bekant war.
Dieses alles schickte sich nun nicht, daß ich es in der Supplique nach Z.
umbständlich fürgetragen hätte, und also muste ich mich auch nicht verdriessen
lassen, daß mir damahls noch zur Zeit das petitum abgeschlagen würde; Ich kante
mir aber auch dabey leichtlich einbilden, daß wenn die Herrn Scabini meine
Supplique nebst dem Rescript lesen würden, auch dieses bey Ihnen keine grosse
Bewegung ad mitiorem sententiam machen, sondern vielleicht einen und andern
wieder mich irritiren, und also meine Mühe und Behutsamkeit umb so viel mehr
vergrössern würde, je bekanter sonst das gemeine Sprichwort wäre, plus valere
favorem in judice, quam legem in Codice; wie dieses alles auch die Folge von
diesen Proceß künfftig ferner zeigen wird; wiewohl ich dißfalls denen ehrlichen
Leuten keine Boßheit oder Fürsatz imputiren will, indem folgende Erzehlung
zeigen wird, daß Sie nach Ihrer Erkäntniß gesprochen, und ausser der Materie von
der Untersinckung der Lunge wenig oder gar keine In
|| [28]
dicia einer praeoccupirten Meinung in Ihren Urtheilen anzutreffen
sind.
(Neuer Umstand wegen angegebener intimidirung und Corrumpirung der Zeugen.)
§. X. Damit wir aber nun wieder in der Historia des Processes fortfahren, war der
Amtmann zu P. bemühet, den in fine §. 8. gemeldeten Befehl zur Execution
zubringen, und vernahm FOL. 78. seq. den 4. Novemb. die Schenckin von O. über
die Reden, die Sie zu der Köchin, nach dieser Ihrer obigen Aussage fol. 37.
& 53. d. 12. und 17. Octobr. circa finem, solte geredet haben.
Diese berichtet: Sie hätte die Köchin befragt, was Sie für einen Spieß gehabt,
damit Sie das Kind gesucht: und als diese geantwortet, es wäre ein Bratspieß
gewesen, hätte Sie die Schenckin gesagt; Sie hätte gedacht, es wäre ein
Vogelspieß gewesen, und wenn es also wäre, so solte Sie es nur sagen, und keine
Weitläufftigkeit machen: Item: wenn Sie es denen Leuten könte zu gute thun, so
möchte Sie es immer thun; so könten die Leute Ihre Köpffe behalten: Item: wenn
ihr Anna Elisabeth (die Köchin) kaum auch etwas köntet darvon bekommen! wenn Ihr
den Staupbesen köntet darvon kriegen! wenn Ihr das Kind mit dem Vogelspießgen
gestochen hättet, und wollek es nicht sagen, und käme doch heraus. Item, wenn
Ihr den kleinen Vogelspieß gehabt, so sagts doch immer, so könnt Ihr ehe noch
ein Stücke Geld darvon kriegen, als wenn Ihr es leugnet. Daß Sie aber diese
Worte geredet haben solle: die Köchin, der Praeceptor und Haußknecht hätten
2500. Thlr. verdienen können, wenn Sie es verschwiegen, und es dem Pfarrer zu
Pr. nicht offenbahret, davon wüste Sie nichts, könte sich auch nicht besinnen,
wenn Ihr auch der Kopff abgeschlagen werden solte, und wären 2500. Thlr. Ihr
sein tage nicht ins Maul kommen. Die Köchin sagt, es wäre bey K. zwischen Michel
H. und Vrban M. Häusern geschehen: das die Schenckin zu Ihr gesagt: Ach wenn Ihr
nur hättet stille geschwiegen. Ihr hättet können 2500. Thlr. von Herrn bekommen,
und hätte die Köchin darauff gesagt, wenn ich gleich stille geschwiegen, so
hätten doch der Praeceptor und Haußknecht nicht geschwiegen: die Schenckin aber
geantwortet: Ihr hättet doch alle können genung haben. Die Schenckin bleibet
dabey, es wären 2500. Thlr. in Ihr Maul nicht kommen, und hätte obiges nicht
geredet, hat solches auch mediante juramento bestärcket.
(Erstes Urtheil in dieser Sache Mense
Nov. 1681.)
§. XI. Nachhero sind die Acten zum ersten mahl in den Schöppenstuhl nach L. zum
Verspruch geschickt worden, und lautet das erste in dieser Sache gesprochene und
mitten in Novemb. eingelauffene Urtheil folgender Massen.
Ist jüngsthin auff H. H. Gute zu Gr. in dem Kretzgarten ein todtes Kind, und an
demselben der Medicorum und Balbirers Berichte nach viel Stiche, derer Sie
etliche vor tödtlich gehalten, gefunden worden, und es will H. H. ältesten
Toch
|| [29]
ter Annen, daß Sie das Kind in
Unehren erzeugt, auch nebst der Mutter, daß Sie beyderseits an dasselbe Hand
angelegt, es umbgebracht, und ermordet, und dem Vater, daß er hierumb
allenthalben gute Wissenschafft gehabt, Schuld gegeben werden; inmassen Sie alle
drey die Flucht ergriffen; so wohl sonst wieder Sie dißfalls sich zimlicher
Verdacht ereignet, der Vater vor sich und sein Eheweib umb ein sicher Geleit
unterthänigst angesucht, nach mehrern Innhalt der Inquisition-Acten und Eurer
Frage; So wird solches gegen Bestellung eines Vorstandes, und zwar Ihme H. H.
auff 100. Thlr. seiner Frauen aber, wenn Sie über allen angewandten Fleiß durch
Steck-Briefe und sonsten nicht zuerlangen, auff 400. Thlr. hoch mitgetheilet,
und wieder Ihre Tochter Annen auff ebenmäßigen Fall der in diesen Landen übliche
Achts-Proceß angestellet. In übrigen will von nöthen seyn, Annen Elisabeth (die
Köchin) hierüber, auff was Art und Weise sie das Kind ausgegraben, und wie viel
Stiche Sie mit dem Bratspieß in die Erde gethan, auch damit dasselbe getroffen
haben möchte, Artickulsweise eydlich zu vernehmen. Es werden auch die Medici und
Barbierer, so bey der Section gewesen, ob Sie in dem todten Cörper Blut
gefunden, und dafür achten, und gewiß glauben, daß die Stiche dem Kinde erst
nach dem Tode zugefüget; alle solche Stiche auch mit dem vorgezeigten
Bratspiesse geschehen, Ihres Einwendens ungeachtet, vermittelst Eydes zu
berichten, billig angestrenget. V. R. W.
Es weiset der Innhalt dieses Urtheils, daß selbiges cum summa prudentia
gesprochen und nichts rigoröses drinnen anzutreffen sey. Die Caution wegen des
salvi conductus für Vater und Mutter ist nach Gelegenheit des Vermögens wegen
beyder Personen, ingleichen des verdachten criminis nicht zu hoch gesetzt. Daß
aber vorher wegen der Mutter und Tochter auff Steck-Brieffe reflectiret worden,
hat gleichfalls wegen der Capitalität des gedachten criminis nicht wohl anders
seyn können. So ist auch der zugleich wegen der Tochter erkandte Achts-Proceß
nicht zu harte, weil der Vater damahlen noch nicht umb salvum conductum wegen
der Tochter angehalten hatte. Mit dem denen Medicis zuerkandten Jurament konte
es obigen Umbständen nach auch nicht wohl anders seyn; vielmehr waren die
Inquisitae denen Herren Scabinis deßhalb höchlich verbunden, daß Sie in dem
Urtheil durch das vorgeschlagene Juramentum credulitatis denen Medicis Ihre
Gewissens-Scrupel benommen hatten, die freylich gestalten Sachen nach de
scientia & veritate nicht, wohl aber de verosimilitudine &
credulitate schweren kunten: Ja Sie, die Herrn Scabini, waren die ersten, die
wegen des Indicii mit denen Stichen, auff die ächte quaestionem praejudicialem;
ob in dem Cörper Blut gefunden worden, gefallen waren, weil, wenn das Kind bey
seinen Leben die Stiche bekommen hätte, sich nothwendig in denen Wunden oder
auch sonsten in Cörper hätte
|| [30]
Blut finden müssen. Und
ware vielmehr zu verwundern, daß der so berühmte und unvergleichliche Herr von
S. der die Z. Befehlige unterschrieben, oder auch vielmehr der Herr D. Schreyer
selbst, als so ein alter Practicus und sehr gescheider Mann nicht von selbst auf
diesen Umstand gefallen war, und bald von Anfang bey der Besichtigung darauf
reflectiret hatte. Denn von denen beyden Adiunctis zu P. konte man dergleichen
prudenz nicht praesupponiren, indem so wohl die bißherigen als folgenden
excerpta weisen werden, daß Sie blosse Ja-Herren gewesen, und erst von nöthen
hatten, propter curtam ingenii suppellectilem, sich mit Herr D. Schreyern erst
zu bereden, ehe Sie positive antworteten: Den bißherigen Commissario aber, den
Amtmann zu P. liesse sein einmahl gefastes praejudicium und odium contra reos
nicht zu, daß er auf einen zur Defension derer inquisiten dienenden Umbstand von
sich selbst gefallen wäre. Mir und denen Reis aber konte auch dißfalls nichts
imputiret werden; weil wir damals nicht wusten, was post 14. Octobris in denen
Acten ferner fürgangen war, auch die ersten Registraturen bis auf den 14. Octob.
von mir nur fugitivo oculo waren angesehen worden.
(Vernehmung der Köchin nach Anleitung des Urtheils.)
§. XII. FOL. 90. seq. wurde den 19. Novembr. 1681. die Köchin nach Anleitung
obigen Urtheils über folgende drey Articul eydlich vernommen.
Art. 1. Auf was Art und Weise Sie das Kind ausgegraben? Resp. Sie hätte
anfänglich die Erde mit der Hand heraus geworffen, hernacher aber, als Sie nicht
mehr langen können, hätte Sie den Spaten genommen, und etwan 3. mahl die Erde
damit weggethan auf der Seite, darauff wieder die Hände gebraucht, und als Sie
das Kind mit der Hand gefühlet, hätte Sie es bey dem Lappen genommen und heraus
gezerret. Art. 2. Wie viel Stiche Sie mit dem Bratspieß in die Erde gethan?
Resp. das könne Sie nicht eben wissen, möchte zu viel oder zu wenig sagen. Den
Bratspieß hätte Sie 2. oder 3. mahl genommen, und damit in die Erde gestopfft,
weil Sie gedacht, das Kind läge in einer Schachtel. Wie viel Stiche Sie aber
gethan, könte Sie nicht gewiß sagen, und was Sie zuvor von 3. mahlen erwehnet,
wäre von Nehmung des Bratspiesses zu verstehen, welchen Sie so offt genommen,
und nicht von Stichen, so Sie nicht gezehlet. Art. 3. Ob Sie das Kind darmit
getroffen? Resp. das könte Sie auch nicht gewiß wissen. Dieses erinnerte Sie
sich aber, daß Sie einmahl gefühlt, daß Sie auf etwas getroffen, so geknirschet,
als wenn Sie in einen zwillchenen Lappen gestopffet, inmassen auch das Kind in
einen alten garstigen Lappen gelegen, und hätte gedacht, es lege in einen
Küssen. Ob sie nun aber solches getroffen, wisse Sie nicht, hätte auch hernach
weiter mit dem Bratspiesse nicht gestochen, sondern
|| [31]
solchen weggeworffen. Nach dieser Beantwortung hat Zeugin ferner vorbracht: weil
in Eyde stünde, das Sie nichts verschweigen solle, so müste Sie dieses auch noch
sagen. Als Herrn B. in Leipzig Praeceptor vor etlichen Wochen den 13. Oct.
heraussen gewesen, und J. (Hanß Martin) hieße, hätte er Sie, da Sie aus dem Amte
nach O. gegangen, durch den Haußknecht holen lassen, und als er aus Hn. H. H. zu
Gr. Gute heraus kommen, hätte Er Sie gefraget, wie es den haussen so wunderlich
zu gangen. Und als sie geantwortet, Er würde es wohl selbst wissen, weil er in
H. H. Hoffe gewesen, hätte er ferner gefragt: Ob Sie sich nicht besinnen könnte,
daß Sie das kleine Vogelspießgen gehabt. Und als Sie geantwortet: Nein, hätte Er
gesagt, er wäre des wegen herausser gekommen, es würde Ihr mit einer Hand voll
Blut nicht viel gedienet seyn. Sie solte sagen, Sie wäre 2. mahl gelauffen, und
das erstemahl das kleine Vogelspießgen gehabt, und als Sie das Kind nicht finden
können, den Bratspieß geholt. Als Sie aber geantwortet, Sie könne das nicht
thun, denn Sie müste es beschweren, hätte er fortgefahren, es brächte Ihr keine
Gefahr, wenn Sie also spräche. Es würde hernach der Hr. D. von Z. auch kommen,
und also sagen, daß es mit dem spießgen gestochen worden, denn Er hätte es schon
so befunden, daß es mit keinem Messer gestochen worden. Und da Sie noch nicht
gewolt, sondern gesagt: Ihr Vater wäre M. Gn. Herrns Unterthaner, und man könte
Sie wohl finden, hätte er gesagt, er wolte Ihr ihr Lohn flugs schaffen, und Ihr
einen Brieff schreiben, als wenn Ihr Ihr Vater geschrieben, Sie aus dem Amte in
ein ander Hauß in der Stadt hohlen lassen, auf ein Pferd setzen, und mit
wegnehmen, auch über das Lohn Ihr noch zu einen stück Geld verhelffen. Allein
sie hätte es nicht thun wollen: Worauff er gesagt, er wolle wieder nach Leipzig
reiten, diese Post hinein bringen und wieder heraus kommen, wäre aber nicht
wieder kommen. Und wenn gleich die Schenckin zu O. was Sie zu Ihr wegen der
2500. Thlr. geredet, nicht gestehen wollen, so wäre es doch wahr, daß Sie es zu
Ihr gesagt.
§. XIII. Ferner sind auch dem Urtheil zu Folge FOL. 93. seq. die(Item der 2. Medicorum und des Barbierers.) 2. Medici und der Barbierer
über die daselbst determinirte 3. Articul eydlich vernommen worden, nemlich
Test. 1. D. Schreyer. Testis 2. der Physicus zu P. Testis 3. der Barbierer.
Art. 1. Ob Sie in den todten Cörper Blut gefunden? Resp. Test. 1. Es wäre kein
Blut in dem Cörper gewesen. Test. 2. Sie hätten keines gesehen. Test. 3. Er habe
kein Blut gefunden. Art. 2. Ob Sie dafür achten und gewiß glauben, daß die
Stiche dem Kinde erst nach dem Tode zu gefügt? Resp. Test. 1. Weil kein Blut
weder ausser dem Cörper noch in dem Cörper, da doch die Viscera noch zimlich
frisch waren, anzutreffen gewesen, so ist gewiß zu schliessen, daß die Stiche
oder Wunden nach dem Tode in den Cörper gebracht worden. Test. 2. Weil kein Blut
gesunden worden, und doch solche Gliedmassen, so nothwendig Blut von sich geben
müssen, laedirt gewesen,
|| [23]
so ist daraus zuschliessen,
daß die Stiche nach dem Tode geschehen seyn. Test. 3. Das hielte er gäntzlich
dafür, daß die Stiche nach dem Tode geschehen, weil die Leber, so als das
edelste Theil durch seine Würckung die andern Gliedmassen mit Blut versehen
müste, laediret gewesen und doch kein Blut zusehen gewesen. Art. 3. Ob alle
solche Stiche auch mit dem vorgezeigten Bratspieß gestochen? Resp. Test. 1.
Denen Umständen nach, und da die Köchin selbst gestanden, daß Sie den Cörper mit
dem producirten Bratspieß auffgesucht, und unterschiedliche mahl in die Erde
gestochen, und nicht in Abrede seyn können, wie Sie gegen G. zu Pr. in der O.
Schencke gedacht, daß Sie den Cörper mit dem Bratspieß gestochen, so kan
muthmaßlich geschlossen werden, daß die in dem Cörper gefundenen Stiche wohl von
dem Bratspiesse haben herrühren können, massen dann nicht zu muthmassen, daferne
das Kind hätte sollen umbgebracht werden, so viel Stiche von nöthen gewesen
wären. Test. 2. Das könte man nicht gewiß sagen, man muthmassete es doch. Test.
3. das könte er nicht gewiß sagen, der Wunden Beschaffenheit nach könne es wohl
seyn, jedoch könte er es nicht gewiß sagen.
Wenn man diesen 3. Articul mit den oben §. 11. angeführten Urtheil conferiret,
befindet sich, daß der Amtsverwalter nicht, wie er leider gethan, solchen de
veritate, sondern nur de credulitate hätte formiren sollen: Ob die Zeugen dafür
hielten, und gewiß glaubten, daß alle solche Stiche mit dem vorgezeigten
Bratspiesse geschehen. Ob er aber diese Veränderung aus Einfalt und Tummheit,
oder aber aus Muthwillen und mit Vorsatz gethan, stellet man dahin.
(Zeugen Verhör wegen der vorgegebenen Bestechung der
Köchin.)
§. XIV. Dieweil auch die Köchin in Ihrer bey dem §. 12. angeführten Aussage ein
neues gravamen oder indicium wieder die Inquisiten vorgebracht hatte, als wenn
man Sie durch Hn. Hanß Martin hätte wollen bestechen lassen, als ist derselbe
FOL. 108. seq. über folgende Articul eydlich vernommen worden:
Art. 1. Ob er neulich zu Gr. gewesen? T. Ja. Art. 2. Ob er H. H. daselbst und die
Seinen kenne? T. Er kenne sie allerseits wohl. Art. 3. Wo dessen Eheweib und
älteste Tochter sich itzo auffhalten? T. den Ort könne er so genau nicht wissen.
Auf einen Dorffe wären Sie, Zeuge aber wisse nicht, wie es hiesse. Ohnlängst
wären Sie zu Linckel gewesen, von dar Sie H. H, auf M. schaffen wollen. Art. 4.
Ob er nicht auch für etlichen Wochen als den 13. oder 15. Oct. zu Gr. gewesen?
T. vor 4. biß 5. Wochen ohngefähr wäre er da gewesen. Den Tag aber könne er so
genau nicht wissen. Art. 5. Wer Ihn dahin geschickt? Test. Herr B. zu L. mit
Einwilligung Herrn H. H. dieser hätte Ihn auch mit gebeten. Art. 6. Wahr, daß er
die Köchin durch den Haußknecht zu sich fordern lassen? Test. Er hätte Sie nicht
lassen fordern, sondern sie wäre vorbey gangen, da Ihm H. H. Leute solches
referiret, auf welches er zu Ihr
|| [33]
herausgegangen. Art.
7. Wahr, daß er Sie gefragt, wie es haussen so wunderlich zu gienge? Test. Er
hätte Sie gefragt, ob Sie die Magd wäre, die haussen gedienet. Art. 8. Wahr, daß
er weiter gefragt; ob Sie sich nicht besinnen könne, daß Sie das kleine
Vogelspießgen gehabt? Test. Ja. Art. 9. Wahr, daß Sie geantwortet: Nein? Test.
Ja. Art. 10. Wahr, daß er ferner gesagt: er wäre deswegen haussen, es würde Ihr
mit einer Hand voll Bluts nicht viel gedienet seyn? Test. Ja. Art. 11. Item: Sie
solte sagen, sie wäre 2. mahl gelauffen, und das erstemahl das kleine
Vogelspießgen geholet, und als Sie das Kind nicht finden können, den Bratspieß
geholet? Test. Das hätte er nicht gesagt, sondern hätte nur gegen Ihr gedacht:
Vielleicht hätte Sie erst den kleinen Spieß gebraucht, und als Sie es damit
nicht finden können, hernachmals den grossen mit zu Hülffe genommen. Art. 12.
Wahr, daß Sie sich dessen geweigert, wenn Sie es beschweren müste? Test. Er
hätte es nicht von Ihr begehret. Art. 13. Wahr, daß er weiter gesagt: es brächte
ihr keine Gefahr, wenn sie also spräche? Test. So hätte er nicht gegen Sie
geredet, sondern weil Sie in den Gedancken gestanden, es brächte ihr Gefahr,
wann Sie sagte; daß Sie das Kind gestochen hätte, hätte er angefangen, es
brächte Ihr keine Gefahr, wenn Sie gleich das Kind mit dem Spieß gestochen
hätte. Art. 14. Item: Es würde der Herr D. von Z. hernach auch kommen, und also
sagen, daß es mit dem Spießgen gestochen worden? Test. Nein, hätte auch von des
Doctoris Attestato nichts gewust, dieses aber hätte er referiret, daß der Doctor
gesagt, das Kind wäre todt von Ihr kommen. Art. 15. Wahr, daß Sie nicht gewolt,
sondern gesagt: Ihr Vater wäre M. Gn. Herrn Unterthan, und könte Sie wohl
finden? Test. Es wäre hiervon kein Wort erwehnet worden. Art. 16. Wahr, daß er
gesagt, er wolle Ihr einen Brieff schreiben, als wenn Ihr Vater an Sie
geschrieben. Test. Er hätte gesagt: Wenn Sie nicht aus dem Amte hätte kommen
können, hätte er einen solchen Brieff an Sie schreiben wollen, daß Sie zu Ihm
hätte heraus kommen sollen, weil er hätte wegen des Spiesses mit Ihr reden
wollen. Art. 17. Wolte Sie auch aus dem Amthause zu P. in ein ander Hauß in die
Stadt holen lassen, auf ein Pferd setzen und mit wegnehmen. Test. Nein. Art. 18.
Item. Sie solle nacher Leipzig ziehen, Sie wolten Ihr schon zu einen Herrn
verhelffen? Test. Wenn Sie Ihre Aussage gethan hätte, so könte Sie wohl herein
ziehen, würde wohl einen Herren kriegen, und hätte Sie zuvor selbst gedacht, sie
möchte gerne nach Leipzig ziehen. Art. 19. Oder wenn Sie dahin nicht wolte,
solte Sie sich doch in die Berg-Städte hinauff wenden? Test. Nein. Art. 20.
Wahr, daß er auch gesagt, er wolte Ihr ihr Lohn flugs schaffen, und noch darüber
zu einem stücke Geld verhelffen? Test. Das Lohn hätte er Ihr zu geben
versprochen, hätte auch dabey gedacht: wenn Sie Ihre Aussage würde gethan, und
die lautere Wahrheit gesagt haben, daß Sie mit dem Spiesse das Kind gestochen
hätte, würden sich wohl H. H. Leute danckbar gegen Sie erzeigen, es wäre Ihr
|| [34]
aber von Zeugen nichts versprochen worden. Art. 21.
Wahr, daß die Köchin dennoch nicht gewolt, sondern geantwortet, sie wolle sich
allda auffhalten bis zu Austrag der Sache? Test. Sie hätte gedacht, sie wolte es
sagen, weil Sie es ohne dem schon dem Amtsverwalter gesagt, daß Sie das Kind
gesucht, und 3. mahl mit dem Spiesse in die Erde gestochen hätte, weil Sie es in
hinein stossen selbst vermerckt hätte. Reliqua negat. Art. 22. Wer Ihm befohlen,
solche Vorschläge und Versprechungen zu thun? Test. Er hätte Ihr keine Verehrung
versprochen, auch keine Vorschläge gethan, wäre dessen auch von niemand
befehliget gewesen; was er laut seiner vorigen Aussage geredet, hätte er von
sich selbst gethan. Art. 23. Wie viel er der Köchin an Gelde versprochen? Test.
Gar nichts. Art. 24. Wahr, daß er gesagt, er wolle wieder nach Leipzig reiten,
diese Post hinein bringen, und wieder heraus kommen? Test. Er hätte gesagt: Er
wolle den Spieß mit hineinnehmen, und nachmahls ins Amt schicken. Art. 25. Wahr,
daß der Schenckin zu O. dergleichen Versprechungen zu thun, auch befohlen
worden? Test. Nescir. Art. 26. Wer Ihme solches befohlen? Test. Cessat. Art. 27.
Was Ihm sonst von dieser Sache wissend? Test. Wüste ein mehrers nicht, als, was
Er und jederman ex fama gehöret. Wer aber schuld hätte, wisse Zeuge nicht.
(Summarischer Innhalt der übrigen Acten
Voluminis primi.)
§. XV. Das übrige, was in dem Volumine primo der Acten enthalten, ist eben von
keiner sonderbaren Wichtigkeit. FOL. 19. ist ein Befehl von Z. von 20. Dec.
1681. die Acta nebst Bericht einzuschicken. FOL. 120. H. H. Ansuchung wegen
salvi Conductus für sein Weib. FOL. 121. Des Amtmanns Bericht. FOL. 122. seq.
Befehl, daß dem Weibe (Marien) ein salvus Conductus ertheilet werden solle, von
29. Dec. 1681. FOL. 124. Notification an H. H. wegen seines Weibes salvi
Conductus von 2. Jan. 1681. FOL. 127. Copia des salvi Conductus. FOL. 129.
Citatio an H. H. daß er erscheinen und auff Articulos antworten solle, von 20.
Martii 1682. FOL. 131. seq. Auffsatz der Articul, über welche H. H. vernommen
werden sollen. FOL. 134. H. H. entschuldigungs schreiben. Nemlich es hatte der
Amtsverwalter in der Citation an H. H. diesen nicht mit denen formalibus: Krafft
habender Commission, sondern: Kraffe habenden Amts
citiret, da doch die bißherigen excerpta durchgehends weisen, daß die gantze
Sache dißhero von ihm per commissionem von der Regierung zu Z. ware tractiret
worden, auch das Gut Gr. wo das Kind gefunden worden, ein Schrifftsäßig Gut
ware, welches zwar besagter Amtsverwalter dem Herrn H. H. bißher
unterschiedliche mahl controvers machen wollen, aber nicht reussiren können. Und
also nahm Herr H. H. dadurch Gelegenheit, sich zu entschuldigen, daß er auf eine
Ihm so praeiudicirliche Citation, durch wel
|| [35]
che
der Amtsverwalter Ihn aus der Possess der Schrifftsäßigkeit mitbringen wolte,
nicht erscheinen könte.
§. XVI. Ja dieses gabe auch nunmehro Herrn H. H. eine schon(Gelegenheit, durch welche man den gehäßigen Commissarium loß worden.) etliche Monathe
gewünschte Gelegenheit, diese des Amtsverwalters allzu augenscheinliche und
handgreifliche Gefährlichkeit höheres Ortes zu allegiren, und um Bestellung
eines andern nicht so sehr zu befürchtenden, sondern ohnpartheyischen
Commissarii, gebührende Ansuchung zu thun. Wozu noch ferner kame, daß der
Hertzog zu Z. am 4. Decembr. 1681. gestorben, und der Herr Successor abwesend,
und noch nicht maiorennis war, weshalb S. Churfl. Durchl. zu Sachsen, als
proximus Agnatus auch wegen anderer Ursachen sich der Administration dieser
Lande annahm, und also wurden von H. H. zu Dr. diese Umstände und querelen über
den bißherigen Commissarium bescheiden vorgestellet, auch zugleich mit
allegiret, daß es viel kosten würde, wenn ich als Advocatus die Acta zu
durchsehen und zu excerpiren offte nach P. verreisen müste, und wurde also
unterthänigst gebeten, S. Churfl. Durchl. möchte ohnmaßgeblich dem Creyß-Amtmann
zu Leipzig die Fortsetzung dieser Commission aufftragen, und Ihm zugleich
anbefehlen, daß er die Acta zuförderst von dem Amtsverwalter zu P. abfordern
solte, welches beydes auch allergnädigst gewilliget wurde. Dieser versahe sich
dieses Streichs am allerwenigsten, und strampelte gleichsam mit Händen und
Füssen (wie die in folgenden §. zu lesende excerpta ex Volum. 2. gnungsam zeigen
werden) es halff aber alles nichts, er muste nur dran, und die Acta heraus
geben. Jedoch wurde der Haupt-Process durch diesen incident Punct etliche
Monathe auffgehalten, welches aber denen Inquisitis nicht imputiret werden
konte.
§. XVII. Die Excerpta aus dem Volumine Il. Auctorum. darauff(Die dazu gehörige Excerpta ex
Actis.) man sich in vorigen §. beruffen, sind folgende. FOL. 1.
Churfürstl. Befehl von 10. May 1682. daß die Acten von dem Amtsverwalter zu P.
abzufordern. FOL. 2. 3. H. H. Supplicat. FOL. 4. Notification an den
Amtsverwalter. FOL. 5. Dieser bittet umb Communication der Supplique. FOL. 6.
Fernere Supplication H. H. umb neue Verordnung an den Amtsverwalter. FOL. 7. Die
gebetene Verordnung. FOL. 8. Des Amtsverwalters Entschuldigung. FOL. 10. Befehl
von 23. Junii 1682. die Sache zu untersuchen. FOL. 11. biß 14. Des
Amtsverwalters Supplique nach Dr. daß man die Acta doch bey Ihm, und Ihn die
Commission continuiren lassen möge, worinnen er viele Dinge vorbringet, H. H.
Schrifftsäßigkeit zweiffelhafft zumachen, so aber zu unsern Zweck nichts
|| [36]
dienet. FOL. 15. 16. Hierzu gehörige Beylagen. FOL,
18. Abschrifft von H. H. Schrifftsäßigkeit Schein. FOL. 19. 20. Bericht des
Creyß-Amtm. zu Leipzig. FOL. 21. Gnädigster Befehl von 18. Julii 82. Die Acta
abzufordern. FOL. 22. 23. H. H. Wiederlegung der Supplication des
Amtsverwalters. FOL. 24. Aufflage an den Amtsverw. FOL. 25. Dieser bittet acht
Tage Auffschub. &c.
(Was für dem neuen Commissario
ferner biß zur Responsion ad articulos fürgegangen.)
§. XIIX. Als nun die Acta von dem Amtsverwalter eingeschickt waren, sucht FOL.
26. H. H. salvum conductum für sich und sein Weib. FOL. 27. Derneue Commissarius
berichtet deßhalb nach Dreßden. FOL. 28. Registratur wegen bestellter Caution.
FOL. 29. 30. Salvus Conductus für H. H. und sein Weib. FOL. 31. Citatio an H. H.
und sein Weib, daß Sie sich auff Articulos sollen verhören lassen. FOL. 32. H.
H. begehrt Defension pro avertenda inquisitione für sich und sein Weib, und
salvum Conductum für die Tochter. FOL. 35. Urtheil ni fallor Scabinorum Lips.
wegen des salvi Conductus und der gesuchten defension pro avertenda. Dieses
gienge, wo es mir recht ist, dahin, daß die gebetene Defensio pro avertenda
nicht statt habe, der Tochter aber, wenn man dieselbe mit Steck-Brieffen ja
nicht erlangen solte, gleichfalls ein salvus Conductus gegen 500. Thlr. Caution
ertheilet werden solte. FOL. 36. seqq. Steck-Brieff contra Annam. FOL. 39. biß
46. Befehl und Beylagen, die von dem Amtsverwalter zu P. vorgeschossene Expensen
betreffend. FOL. 46. 47. H. H. Schreiben contra den Amtsverwalter. FOL. 48. biß
54. betreffen den salvum Conductum wegen der Tochter Annen, und wie derselbe
endlich gleichfalls zu Stande gebracht worden. FOL. 55. Citatio an Inquisitos,
sich über Artickel abhören zulassen. FOL. 56. H. H. schreibt den Termin ab. FOL.
57. anderwärtige Citation.
(Anzahl der Articulorum, und
Anmerckung darüber. Summarische Aussage der Inquisiten.)
§. XIX. FOL. 58. biß 70. Sind die Articuli Inquisitionales zu befinden, worauff
alle drey Inquisiten, Vater, Mutter und Tochter vernommen worden. Wegen des
Vaters waren 35. Wegen der Mutter 41. und wegen der Tochter 45. Articuli formirt
worden, alle vernünfftig, unpartheyisch, und legal, da sonsten die ungeschickten
und partheyischen Richter absque judicio, die Artickel confus einzurichten, ohne
Noth zuvervielfältigen und impertinente Dinge und Fragen mit ein zumischen
pflegen, wie leider! die tägliche Erfahrung weiset, und kein Monath hingehet, da
nicht dergleichen Exempla mehr als zuviel in die Collegia juridica geschickt
werden solten. Ja man wurde damahls aus dem von Amtsverwalter eingeschickten
Acten und dessen fol. 131. seq. erst gewahr, daß wenn die Commission bey
demselben geblieben wäre, die armen Inquisiten einen
|| [37]
schweren Stand gehabt haben würden, massen denn die von ihm formirten Articuli,
darüber Herr H. H. abgehöret werden sollen, alle die itzo gemeldete Defectus
hatten, und z. E. in Anfange etliche Articuli formirt waren: Wer Herrn H. H.
Eltern gewesen? Wie er zu Besitzung seiner Güter kommen? Ob dieselben Amt- oder
Schriftsäßig wären? und solche schöne Sachen mehr. Was nun die Inquisiten drauff
geantwortet, will ich zu Vermeidung aller Weitläufftigkeit, ohne Beyfügung der
Artickel, jedoch treulich referiren.
§. XX. Des Vaters H. H. Antwort ware diese folgende.(In
specie des Vaters.)
Er fey von Zwencke und 51. Jahr: die Tochter sey freylich, und zwar wie Sie Ihn
berichtet, von Toffel R. geschwängert worden, und wie Ihm wäre berichtet worden,
gegen Michaelis zu Nacht eines Kindes genesen, als das Kindtauffen zu St.
gewesen. Er habe gehöret, daß die erste Nacht, als sein Eheweib von dem
Kindtauffen nach Hause kommen, ein grosses Gelauffe im Hause hin und wieder
gewesen, er sey damahls gleich unpaß gewesen. Er könne sich eigentlich nicht
mehr besinnen, daß er damahls zur Köchin gesagt haben solle: Ist nicht ein Spiel
und Gelauffe, ich war neulich kranck, und war nicht so ein Gelauffe. Er könne es
endlich wohl gesagt und gescholten haben. Davon wisse er nichts, daß Anna und
sein Eheweib Maria das Kind solle umb das Leben gebracht haben, und das wolle er
nicht hoffen: Er wisse auch nicht, wo Sie es hingethan. Ihm sey gesagt worden,
seine Ehefrau hätte solches in Garten begraben, und sey es lange hernacher
geschehen, da er es erfahren hätte. Er wisse aber nicht, wer dabey geholffen
hätte, viel weniger habe er selbst geholffen: damahls habe er keine
Wissenschafft davon gehabt: Er habe zwar davon gehöret, daß lange vorher davon
geredet worden, daß die Tochter Anna schwanger wäre, habe Ihr auch dieser wegen
zugeredet, aber von Ihr keine Gewißheit erfahren können: der Rebhüner-Fänger zu
O. habe Ihm davon gesagt (von dem Müller zu Gr. aber könne er sich nichts
besinnen.) Weil er nun von Ihr der Tochter nichts vernehmen können, habe er
freylich gedrohet, er wolte den, der dieses sagte schon hinein führen. Aber den
Müller zu Gr. habe er deßhalben nicht abgeschafft, sondern es wäre derselbe biß
Dato noch da. Es sey zwar auch Andreas S. von Z. bey Ihm gewesen, und Ihm
erzehlet, wie sich der gewesene Hauß-Knecht Toffel R. damit gerühmet, daß er mit
seiner Tochter fleischlich zu thun gehabt, er wisse aber die Zeit nicht
eigentlich mehr, ob es des Tages zuvor gewesen, als die Tochter das Kind
bekommen: Er habe S. geantwortet, daß er die Tochter schon vorgehabt, aber
nichts von Ihr vernehmen können. Daß er aber den Hauß-Knecht bey der Tochter in
der Kammer angetroffen haben solle, negiret er, mit dem Zusatz; wenn er solche
angetroffen hätte, würde es übel abgelauffen seyn. Daß die Tochter 3. Tage nach
der Ge
|| [38]
burth in Ihrer Kammer geblieben, und als
Sie wieder zu Tische kommen ein Küssen auff dem Leibe gehabt; daß er vorgegeben
haben solle, sie habe ein Fieber, und sein Eheweib dem Pfarrer geantwortet, das
Fieber wäre vergangen, weil Sie die Tochter erschrocken, davon wisse er nichts,
denn er wäre weggeritten gewesen und sey selten zu Hause. Ingleichen wisse er
nichts davon, daß er etliche Tage vorher, als das Kind gefunden worden, auf dem
Schlag vor dem Gärtgen gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen haben solle,
geschweige denn, daß er solches darumb gethan, umb zu sehen, ob man den Ort, wo
es läge, auch mercken möchte. Er wäre zwar des Abends als die P. Landgerichte
auff sein Gut gekommen, zu Hause gewesen, er habe sich aber schon desselben
Tages vorhero vorgenommen gehabt, nach M. zureiten: wäre aber die Nacht noch da
geblieben, des folgenden Tages hätte er sich mit dem frühesten dahin gemacht,
und sey also nicht deßwegen flüchtig worden, weil die Gerichte das Kind
gefunden. Negat, daß er die Tochter Annen von den Schreiber Emanueln auff das
Pferd setzen und wegführen lassen. Negat, daß er zur Köchin geschickt, und Ihr
sagen lassen, Sie solte sprechen, sie hätte das Kind mit dem Vogelspießgen
gesucht: viel weniger daß er solcher, daß Sie sich wegmachen solte, zureden und
Ihr ein Stücke Geld deßhalb bieten lassen. Auff die Frage: Ob er nicht die
Mordthat verhüten können, wenn er Seiner Tochter scharff zugeredet, oder Sie
allenfalls durch verständige Weiber besichtigen lassen? hat er geantwortet: Er
wisse von keinen Mord: Er habe der Tochter scharff genung zugeredet, habe aber
von derselben wegen der Schwängerung nichts heraußbringen können. Die
Besichtigung wäre zwar nicht vorgenommen worden, er habe aber doch deren Urin
Herrn D. L. zu Weissenfelß gebracht, und denselben dißfalls consulirt, welcher
Ihn denn gesagt, es wäre eine blosse Verstopffung und keine Frucht verhanden,
habe Ihm auch darbey unterschiedene dergleichen Exempla erzehlet. Er habe auch
einen Doctor in Altenburg zu Rathe genommen, der habe ebenfals gesagt, daß man
aus dem Urin nicht sehen könne, daß eine Schwängerung geschehen.
(Der Mutter.)
§. XXI. Gleichwie nun ein jeder verständiger Leser, aus dieser des Vaters Antwort
gar leichtlich abnehmen kan, daß gar geringe Indicia wieder Ihn verhanden
gewesen, und also dessen Defension keiner grossen Mühe gebraucht habe; Also wäre
es zu wünschen gewesen, daß man von dessen Eheweibe und der Tochter Anna
dergleichen hätte sagen können. Der Mutter Frau Marien Ihre Aussage ad Articulos
gienge dahin.
Sie sey von Annaberg 43. Jahr. Die Tochter Anna hätte Ihre Schwängerung Ihr nicht
bey Zeiten eröffnet. Sie hätte zwar freylich gesehen, daß die Tochter einen
hohen Leib gehabt: Sie habe aber nicht gemeinet, daß es so beschaffen wäre, die
Tochter habe es auch nicht gestanden. Sie habe gewust, das die Tochter sonst
eine Beschwerung gehabt, und habe gemeinet, der hohe Leib komme davon her, und
sey frey
|| [39]
lich auff diejenigen, so von der
Schwangerschafft geredet, böse und ungehalten gewesen: Aber sie habe Ihrer
Tochter nicht den Einschlag gegeben, daß Sie Ihre Schwängerung heimlich halten
solte. Da nun Ihre Tochter Anna den Tag, als Sie nebst der andern Tochter auff
den Kindtauffen gewesen, zur Kindes-Noth kranck worden, hätte Sie nicht eher als
biß Sie nach Hause kommen, davon Nachrichterhalten; habe auch zu diesem Ende,
daß Sie bey Ihrer Tochter Geburt-Zeit seyn möchte, sich nicht nach Hause
begeben: Sey auch erst umb 1. Uhr, da schon alles zu Bette gewesen, nach Hause
kommen. Sie habe auch mit der Tochter keine Abrede genommen, daß wenn die
Geburts-Zeit herbey käme, man Sie die Mutter darzu hohlen lassen solte; indem
die Tochter die Schwängerung niemahls gestanden. Inzwischen habe Ihre Tochter
bald nach Ihrer Ankunfft ein Kind zur Welt gebohren weibliches Geschlechts, das
aber nicht lebendig gewesen, sondern todt auff die Welt kommen, und wäre kein
bißgen Leben an Ihm zu verspüren gewesen, die Tochter habe in Bette gelegen, und
sey das Kind also liegend von Ihr kommen. Sie die Mutter hätte der Tochter dabey
keine hülffliche Hand geleistet, sondern als Sie zu der Tochter kommen und sich
ausgezogen, wäre das Kind gleich von Ihr der Tochter kommen. Sie habe das Kind
in ein weiß Tüchlein eingebunden und in eine Lade gelegt. Sie habe das Kind
nicht umbgebracht, und hätten weder Sie noch die Tochter Hand an das Kind
geleget, viel weniger hätte Sie Ihre Tochter dazu verleitet, das Kind zu
ermorden; noch die Tochter Sie die Mutter gebeten, das Kind nicht umbzubringen,
sondern es Ihr zu lassen. Sie habe Ihr lebetage daran nicht gedacht, weniger sey
davon zwischen Ihnen geredet worden; obwohl das letzte eine fliegende Rede unter
dem Bauer-Volcke gewesen. Die Nabelschnur hätte Sie dem Kinde nicht verbunden,
indem das Kind schon todt gewesen, und gantz grünlicht wie verweset, ausgesehen.
Mit Fleiß und zu dem Ende wäre solches nicht geschehen, daß sich das Kind
verbluten sollen. Wenn es lebendig gewesen, und geblutet hätte, hätte Sie es
wohl verbinden wollen; so aber hätte Sie kein bißgen Blut gesehen, gantz und gar
nicht. Sie wisse nicht, wer dem Kinde die daran befundenen Stiche zugefüget; Da
solle Sie GOtt für behüten, daß Sie solches solte gethan haben. Was hätte Sie
einem todten Kinde abstechen sollen. Daß Kind habe Sie in ein weiß Tüchlein
eingewickelt, und in das Gärtgen begraben: Es habe Ihr hierzu niemand hülffliche
Hand geleistet: das Löchelgen, worein Sie es gelegt, wäre schon vorher gewesen,
indem Merrettich alda ausgegraben worden: Sie habe gemeinet, die Erde wäre alle
des Herrn; Was hätte Sie mit dem todten Kinde machen sollen. Negat: daß Sie der
Köchin, die das Kind ausgegraben, zuentbieten lassen, Sie solte sagen, daß Sie
das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: ingleichen: daß Sie Ihr
ein Stück Geldes bieten lassen, damit sie sich weg machen solte: Sie habe nichts
davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten.
|| [40]
Es
könne seyn, daß Ihre Tochter den 3. oder 4. Tag nach der Geburth wieder
auffgestanden und herumb gegangen: Sie habe Ihr aber solches nicht geheissen:
Sie hätte zwar vorher, wenn nach Annen gefragt worden, vorgegeben; Sie hätte das
Fieber; Sie hätte aber auch nicht anders gewust, als daß das Fieber mit darzu
kommen wäre. Es könne auch wohl seyn, könne sich aber nicht besinnen, daß Sie zu
dem Pfarrer zu E. gesagt; die Anna sey wegen Umbfallung der Kutsche so
erschrocken, daß Sie das Fieber verlassen: Die Tochter wäre wieder in die Kirche
gangen, wisse aber nicht, wie lange solches nach der Geburth geschehen. Es wäre
selbige damahls nicht eben galant, sondern in Ihrer Haube gegangen, wie zuvor:
Sie habe freylich alles gethan, daß von Ihrer Tochter nicht offenbahr werden
solle, daß Sie schwanger gewesen, und ein Kind gehabt hätte. Daß Sie aber
flüchtig worden, sey darumb geschehen, indem Ihr die Leute so leide gemacht
hätten; Sie werde mit Ketten und Banden gehohlet werden, und Sie dahero
furchtsam gewesen wäre.
(Endlich der Tochter Annen.)
§. XXII. Es zeiget zwar diese Aussage an, daß meine oben §. 7. gedachte
Praecaution bey Frau Marien nicht umsonst gewesen, und daß Sie auff die
Articulos fein gerade zu geantwortet habe, und keine impertinentia oder zu der
vorgelegten Frage nicht gehörige Dinge mit eingemischt habe. Aber es ist doch so
gar leer damit nicht abgangen, indem Sie bey denen Fragen wegen Subornirung und
vorgehabter Bestechung der Köchin, Ihrer kurtz vorher angeführten Verneinung die
Worte: Sie habe nichts davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten, mit
beygefügt, die sich zu diesen Artickeln gar nicht schicken. Was endlich der
Tochter Annen Antwort ad Articulos betrifft, lautet dieselbe also;
Sie wäre 16. Jahr, hätte sich von Toffel R. schwängern lassen: und zweymahl in
der Kinder-Stuben Unzucht mit Ihn getrieben: sey von Weihnachten biß Michaelis
mit schweren Leibe gangen, hätte aber die Schwängerung die gantze Zeit über
heimlich gehalten, weil sie nichts in Ihren Leibe gefühlet; sey auch auff
diejenigen, so davon geredet, ungehalten gewesen; und eben deßhalben habe Sie
auch solches Ihren Vater und Mutter nicht eröffnet; noch mit Ihrer Mutter Abrede
genommen, wie es bey Ihrer Niederkunfft gehalten werden solte. Sie sey aber 3.
Tage vor Michaelis 81. als Ihre Mutter auff der Gevatterschafft gewesen, zur
Kindes-Noth kranck worden; habe sehr nach Ihrer Mutter verlanget, und das
Gänse-Mägdgen, so bey Ihr gewesen, öffters hinaus sehen lassen, ob die Mutter
bald käme: Sie habe deßwegen in der Kindes-Noth sonst niemand zu sich geruffen,
weil niemand zu Hause gewesen, und Sie in der angst nicht gewust, wo Sie alle
wären: Da nun die Mutter kommen, hätte Sie aus Angst nicht behalten, ob das
Gänse-Mädgen droben blieben oder herunter gegangen wäre. Bald nach Ankunft der
Mutter, wäre Sie ei
|| [41]
nes zwar vollkommenen, aber
todten Kindes genesen, welches ein Mägdlein gewesen: das Kind hätte Sie in Ihrer
Schlaff-Kammer in Bette liegend gebohren: Sie habe auch in Schwangergehen Ihr
selbst, das die Leibes-Frucht umbkommen möchte, keine Gewalt gethan: Ihre Mutter
hätte das Kind nach der Geburth in die Lade gelegt: Sie habe das Kind nicht
vorsetzlich ermordet noch umbs Leben gebracht; es habe Ihr auch niemand hierzu
Rath und That gegeben: gleichfalls habe Ihre Mutter solches auch nicht gethan.
Dem Kinde habe Sie die Nabelschnur nicht verbunden, aber nicht aus dem Vorsatz,
daß sich das Kind verbluten und sterben solte: Sie habe nicht gewust, daß man
ein Kind verbinden müsse, es wäre das Kind todt gewesen: Sie wisse nicht, was
Ihre Mutter gethan hätte, dieselbe wäre alsbald bey Ihr gewesen, als das Kind
von Ihr kommen, und hätte es von Ihr genommen. Sie habe das Kind nicht selbst in
einen garstigen alten Lappen gewickelt; Ihre Mutter hätte es eingewickelt, und
in die Lade gelegt. Das könne sie nicht wissen, wer dem Kinde die daran
befundene Stiche zugefüget, selbst habe Sie es nicht gethan: Sie habe auch das
Kind nicht vergraben noch vergraben helffen, wisse auch nicht, wer solches
gethan habe: Sie habe der Köchin nicht zuentbieten lassen, sie solte sagen, daß
Sie das kleine Vogelspießgen bey dem ausgraben gebraucht: Sie sey aber des
dritten Tages nach der Geburt von Bette auffgestanden, und herumb gegangen, habe
auch das Küssen vor den Leib gebunden; es sey aber solches nicht deßwegen
geschehen, daß das Gesinde die Veränderung des Leibes nicht mercken solle,
sondern Sie habe dergleichen Küssen sonst stets für dem Leibe zutragen pflegen:
Sie habe ferner nicht vorgegeben, daß Sie ein Fieber habe: Sie könne auch nicht
wissen, ob Ihre Mutter zu dem Pfarrer zu E. gesagt, daß Ihr das Fieber von
Schrecken vergangen sey: Indessen wäre Sie zwar 8. Tage nach der Geburt wieder
in die Kirche gangen, habe sich aber nicht galant angezogen, sondern in einer
Haube und in einen Habit, wie Sie itzo noch gehe: Solches aber habe Sie nicht
eben zu dem Ende gethan, daß Ihre Schande und That nicht offenbahr werden solte,
sondern weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht
viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind
da gewesen wäre. Als die Köchin das Kind ausgegraben und in Ofen gesetzt, hätte
Inquisitin solches aus Ihrer Mutter Befehl nicht auff den Saal geholet und
abgewaschen, sondern als die Zoffe das Kind in Ihre Schlaff-Kammer bracht und
abgewaschen, hätte Sie Inquisitin gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne
behalten wollen, wenn du wärest lebendig gewesen, (nicht aber: wenn ich vor den
Meinigen gedurfft hätte). Sie hätte auch vorhero nicht gesagt: Sie solten das
Kind nicht umbbringen, Sie wolte sich gerne in einen Hirten-Häußgen behelffen.
Sie sey endlich freylich flüchtig worden, es wäre aber solches geschehen, weil
Ihr die Leute so leide gemacht hätten.
|| [42]
(Praeparatoria zur Defension und Einhohlung der hierzu nöthigen Mittel.)
§. XXIII. Nunmehro war es Zeit an der Defension zu arbeiten. Ich hatte auch damit
nicht gewartet, biß die Abhörung der Inquisiten geschehen war, welches sich
freylich eine zimliche Zeit verzog (die ich aber nicht genau determiniren kan,
weil ich solche nicht accurat in meinem excerptis auffgezeichnet finde) sondern
ich ließ so fort, als ich Hoffnung hatte, einen andern Commissarium zuerlangen,
den 14. May 82. die Käse-Mutter und Zoffe per Notarium und testes eydlich über
den Umbstand abhören, daß die Anna kurtz vor Ihrer Geburt einen schweren Fall
gethan, und ob bey Abwaschung des Kindes einige Wunden an demselben gefunden
worden. Diese Aussage ist unten nach der ersten Defension §. 26. zu finden. Den
4. Februarii Anno 1683. erhielte ich von Herrn D. Schreyern ein privat responsum
über die Frage: ob das untersincken der Lunge eine genungsame Anzeigung sey, daß
das Kind todt zur Welt gekommen? (Siehe solche gleichfalls unten §. 27.) Den 12.
Junii 83. bat ich den Herrn Commissarium, Herrn D. Schreyern so wohl ratione
facti, ob die Lunge untergesuncken, als doctrinae, was diese Untersinckung
bedeute, per requisitoriales an S. Obrigkeit über 6. Artickel abhören zulassen.
Nun hatte Ihn zwar dieselbe den 11. Julii 83. darüber abgehört, wie sie Vol. 2.
fol. 73. seq. zu befinden, aber er hatte solche abermahl nicht eydlich thun
wollen, biß er endlich diese Aussage eydlich zu bekräfftigen, nach einer
geraumen Zeit durch Urtheil und Recht genöthiget wurde, welches aber erst
geschahe, als die erste Defension schon fertig war. (Vide infra §. 33. den
Anhang der ersten Defension.) Den 10. Novembr. 83. bekam ich von Herrn D. Rivino
und den seeligen D. Langen Ihr attestatum de pulmonibus submersis in aqua (infra
§. 29.) und so wohl diese, als Herr D. Schreyer und andre gute Freunde
suppeditirten mir die unten §. 30. gleichfalls befindliche Attestata ex libris
aliorum Medicorum.
(D. Schreyers eydliche Aussage über Zeugen Artickel.)
§. XXIV. Ich machte mich auch an 13. September 83. an die Defension selbst, und
verfertigte dieselbe in kurtzer Zeit, weil mir aber gar zu viel daran gelegen
war, daß D. Schreyer seine Aussage eydlich bestärckte, dieser aber, wie gedacht,
sich mit dieser eydlichen Bestärckung aus einer kleinen caprice auffhielte,
konte ich dieselbe nicht erst übergeben, als biß die eydliche Bestärckung
eingelauffen, wie Sie Volum. 2. Act. fol. 93. seq. zu befinden ist. Die Antwort
selbsten lautet also: ART. 1. Wahr, daß Zeuge Anno 1681. mense Oct. zu P. nebst
Herrn George Wilhelm W. Stadt Physico, und Christian S. Amts-Barbierer daselbst,
ein todtes, und in H. H. zu Gr. Garten auffgegrabenes Kind besichtiget? TEST.
Ja. ART. 2. Wahr, daß Herr Zeuge bey der Besichtigung und Section die
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Lunge des todten Kindes von denen andern partibus
corporis abgelöset, und in kalt Wasser geworffen. TEST. Der Barbierer hätte in
seinen Beyseyn die Section verrichtet, und die Lunge in das Wasser geworffen.
ART. 3. Auch wahr, daß die Lunge in Wasser untergesuncken? TEST. Ja, solches
hätte der Herr Amtsverwalter, und alle anwesende mit angesehen. ART. 4. Ob nicht
Herr Zeuge gewiß glaube, daß, weil die Lunge untergesuncken, das Kind todt auff
die Welt kommen seyn müsse? TEST. Was diesen Artickul belangete, hätte er die
Meinung vorlängst in einer langen Deduction Herrn H. H. schrifftlich
ausgestellet, worauff er sich nochmahls beziehen thäte: (vid. modo dicta §.
praeced.) und wolte hierüber das Decretum Facultatis Medicae leiden. ART. 5. Ob
nicht dieser Meynung noch andre Medici beyfallen und wie selbige heissen? TEST.
Ja D. Carl Reyger (Siehe unten §. 28.) sey eben der Meynung. Und Prof. Wedel,
Prof. Publ. Jenensis in literis ad me datis. Subsidentia pulmonum in aqua
quoddam praebet signum de infante in utero denato, non autem universale
argumentum est. ART. 6 Ob dieses, was Herr Zeuge damahls mit der Lunge
vorgenommen, iemand anders mehr gesehen und beobachtet? TESTIS refert se ad
dicta ad Art. 3.
§. XXV. Die den 25. Februarii 1684 übergebene Defension selbst(Die Defension selbst.)
belangende, welche Volum. 2. fol. 100. biß 121. zu befinden, ist selbige
folgenden Innhalts.
Species facti bestehet kürtzlich darinnen. Anno 1681. d. 8. Octobris rüget der
Pfarrer zu Pr. bey dem Amtmann zu Z. daß Herr Hauß Henrichs Köchin Ihm
offenbahret, wie Sie nebst dem Hauß-Knecht in des Herren Krätzgarten ein
Kindlein Weibliches Geschlechts, welches Herrn H. H. ältester Tochter Annen,
(als die in Geschrey gewesen, daß Sie schwanger sey) zugehöret, gefunden,
ausgegraben und in ein Ofenloch gelegethabe.
Vid. Act. Vol. 1. fol. 3. Worauff der Amtmann zu Z. auff gut befinden des damahligen Herrn Vice. Cantzlers alsbald noch selbigen Tages an den Amtmann zu P. Verordnung gethan, der Sachen Beschaffenheit zu untersuchen.
D. Vol. 1. fol. 1. & 2. Dieser auch eod. dato hora nocturna 10. den Amts-Landrichter nebst dem Land-Knechte nach G. verschickt, besagtes Kind aufzusuchen
Vol. 1. fol. 6. und als es eingebracht worden,
Vol. 1. fol. 6. b. 7. durch die beyden Stadt-Physicos zu Z. und P. wie auch den Amts-Balbier daselbst besichtigen und hernach begraben lassen.
|| [44]
Vol. 1. fol, 10. b. 11) b. Item f. 26. seq. Hierbey nun will ANNEN, daß Sie dieses Kind in Unehren gezeugt auch nebenst der MUTTER, daß Sie beyderfeits an dasselbe Hand angelegt, es umbgebracht und ermordet, und den VATER, daß er hierumb allenthalben gute Wissenschafft gehabt, schuld gegeben werden,
Vide der Herren Schöppen zu Leipzig Urtheil Vol. 1. fol 85. und bestehet also das fundament gegenwärtiger deduction nach Anleitung besagten Urtheils in 3. Statibus Controversiae. 1. Ob Anna das todt gefundene Kind in Unehren erzeuget? 2. Ob Anna und Dero Mutter Frau Maria an das Kind Hand angelegt, es umbgebracht und ermordet? 3. Ob der Vater Herr Hanß Heinrich so wohl umb die Schwängerung der Tochter, als auch der Ermordung des Kindes gute Wissenschafft gehabt? Ehe aber die Antwort auf diese drey Fragen und zwar auf iede absonderlich, erfolget, wird fürnemlich in antecessum ratione Processus erinnert, daß selbiger dann und wann, wie suis locis gemeldet werden soll, ehe diese Sache ins Amt Leipzig gediehen, nicht gar zu förmlich geführet worden; absonderlich ist dieses wohl zu mercken, daß der Amtsverwalter zu P. in inquisitione speciali keine Zeugen über articulos (exceptis paucissimis) vernommen, sondern Sie einig und allein Ihre summarische Aussagen beschweren lassen.
vid. Act. Vol. 1. fol. 51. seqq. cum tamen etiam testi, quando crimen probandum est, non sit summarie causa proponenda, sed certis articulis includenda & postea testes super his distinctis articulis examinati debeant.
Brunnem. Proc. inquis. cap. 8. Membr. 2. n. 50. Carpz. qu. 114. n. 8. wannenhero, und da über Verhoffen durch gegenwärtige Defension derer Inquisiten völlige Unschuld nicht sufficienter dargethan werden solte, für allen Dingen die bey dieser Sache verhöreten Zeugen, nochmahlen auf articulos gebührend vernommen werden müsten. Was nun die Antwort auf die erste (1) Frage betrifft, und ob Anna das todt gefundene Kind in Unehren erzeugt: so ist hiervon nicht nöthig, viel Worte zu machen, in Ansehen Anna Vogtin selbsten nebst Vater und Mutter
in responsione ad articulos Actor. Vol. 2. fol. 58. a. ad art. 2. fol. 62. a. ad art. 2. & fol. 66. b. ad art. 2. allbereit dieses einhellig gestanden und nicht in Abrede seyn können, und also hierbey nichts mehr zu thun ist, als daß die Herren Judices gebührend ersuchet werden, die dißfalls verwürckte Straffe in Ansehen der Inquisitin Jugend, als welche tempore der Schwängerung kaum 15. Jahr alt gewesen
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besage beykommenden Extracts, aus dem Kirchen-Buch zu Pr. sub . so wohl auch, daß Sie von Ihres Vaters Knecht Toffel R. verführet und hierzu betrüglicher Weise beredet worden.
d. fol. 58. 62. 66. Vol. 2. leidlichern zu moderiren. Auf die andere (2) Frage, und ob Anna nebst Ihrer Mutter an das Kind Hand angeleget, es umgebracht und ermordet: wird mit Nein geantwortet, massen dann auch so wohl Anna
In act. Vol. 2. fol. 68. a. ad artic. 20. als die Mutter
d. Vol. 2. fol. 63. b. ad artic. 18. solches beständig verneinet: Gleichwie aber in dergleichen quaestionibus capitalibus mit derer Inquisitorum blossen Verneinung es nicht ausgemacht seyn will, sondern andere medii termini hierzu gebrauchet werden müssen; Also hoffen doch Inquisiti, man werde Sie bey Ihrer Verneinung nicht darzu anhalten, daß Sie Ihre negativam beweisen solten;
cum per rerum naturam factum negantis probatio nulla sit. l. 23. C. de probat. l. 10. C. de nonnumer. pecun. sondern es werde genung seyn, wenn Sie die indicia, so dißfalls ex actis wieder Sie genommen werden könten, durch stattliche und rechtsgegründete responsiones elidiren, inmassen bekanten Rechtens, quod deficientibus indiciis claris & legitimis kein judex einigen reum torquiren kan, sondern selbigen absolviren muß.
per l. 1. §. 1. l. 20. 21. ff. de quaest. Farinac, Prax. Crim. lib. 1. tit. 5. qu. 37. n. 1. Belangende nun die wieder Annen und deren Mutter lauffende indicia, so sind selbige theils generalia & communia, theils specialia & particularia. Zu jenen wird nicht unbillig (l) Fuga referiret.
per art. 25. Const. Crim. verbis: So iemand einer Missethat halber flüchtig wird. Denn da ist aus denen Acten zu sehen, daß Anna sich den Mittag, als auf den Abend drauff das todte Kind aufgehoben worden, weggemacht
Vide Vol. 1. fol. 6. b. ubi der Land-Richter referiret: Die Mutter des Kindes wäre zu Mittage schon weggangen / sagende; Nun wolle Sie gehen, daß niemand wissen solle, wo Sie hingekommen.
Item die Käse-Mutter fol 11. a. Act. Vol. 1. Die junge Anna wäre noch zu Hause gewesen und mit gessen & ibidem facie b. Die Trescher hätten Sie zu Mittage hinten zum Wasser-Thore hinaus gehen sehen.
Item der Hauß-Knecht fol. 37. a. Anna wäre des Sonnabends weggegangen. Und die Mittel-Magd fol. 38. a. Die Tochter wäre Sonnabends nach Mittage gangen. sondern auch die Mutter den Morgen drauf fortgegangen
reste Land-Knecht fol. 7. b. Als Sie schon überall gesuchet gehabt, wäre die N. (Maria) erst aus der Viehe-Stube kommen.
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Henrich Winter fol. 30. a. Es hätte die Frau Ihn auf die Knechte achtung zu geben befohlen, weil Ihr Herr nicht da wäre / und darbey gesagt / Sie könte nicht bleiben / Sie wolte gehen und sehen, wo Ihr Herr hingekommen, wäre also fortgegangen. Die Mittel-Magd fol. 38. a. Die Mutter wäre unter der Frühe-Predigt weggekommen. Gleichwie aber von diesen indicio gar deutlich
in art. 28. Constit. Crimin. constituiret ist, daß selbiges für sich alleine pro indicio ad torturam nicht zu halten sey; Also sind auch die Umbstände bey gegenwärtigen casu so beschaffen, daß selbiges allhier in keine consideration gezogen werden kan. Denn da sind die Doctores der beständigen Meinung, quod fuga non faciat indicium, quando quis fugit post formatam inquisitionem, vel ex probabili timore futurae inquisitionis
Farinac. quaest. 48. n. 27. 28. Vigel. ad const. crimin. cap. 4. quaest. 1. indic. 7. p. m. 125. welches sich ad casum nostrum gar wohl appliciren lässet, indem Anna (welche derer Reden, so Sie von dem Land-Richter modo ex act. fol. 6. b. beschuldiget worden, sich nicht zu entsinnen weiß, Er der Land-Richter auch dißfalls testis injuratus & quidem de visu & auditu alieno ist) den 8. Octobris nach Mittage, als die Köchin schon die Sache bey dem Pfarrer zu Pr. gerüget,
Vid. Vol. 1. fol. 3. und Sie sich dannenhero der inquisition billig befahren müssen; massen Ihr denn auch, wie Sie selbst berichtet,
Vol. 2. fol. 70. a. ad art. 44. die Leute sehr leide gemacht, die Mutter aber
besage der ietzt angeführten Aussagen jam coepta inquisitione und nachdem allbereit Haußsuchung geschehen den Morgen darauff, als Ihr ebenmäßig die Leute leide gemacht, Sie würde mit Ketten und Banden gehohlet werden,
Vid. Vol. 2. fol. 66. a. ad art. 40. ausgetreten ist. Ferner so sind die Doctores auch darinnen einig, quod fuga tum nullum indicium faciat & ne quidem leve, si reus reversus fuerit, absque distinctione sive aufugerit in libertate, sive aufugerit ex manibus familiae, sive sponte revertatur sive post citationem emissam, sive cito revertatur sive ex intervallo
vide quos citat Farinacius d. quaest. 48. n. 48. 49. 50. Nun haben aber so wohl Anna als Ihre Mutter sich sponte & ante citationem wiedergestellet, auch selbst umb salvum conductum durch Ihren respective Vater und Ehemann ansuchen lassen,
vid. Act. Vol. 1. fol. 64. & 120. & Vol. 2. fol. 26. & 32. woraus zugleich erhellet, daß bemeldte beyde Inquisitinnen nicht aus Furcht eines bösen Gewissens, sondern bloß ex metu carceris, utpote ex quo male respondetur,
|| [47]
die Flucht ergriffen, Ja posito, daß auch derer
Rearum intentio, welche Sie bey der Flucht gehabt, ex circumstantiis modo
allatis nicht erhellete, so könten doch Selbige dißfals nicht mit der tortur,
sondern nur bloß mit dem juramento purgatorio beleget werden.
per tradita Carpz. Prax. Crim. P. III. qv. 120. n. 69. 70. ubi & de Observantia Dominorum Scabinorum Lipsiensum. Das andere (II) indicium commune, welches so wohl wieder Mutter und Tochter suspicion zu erwecken scheinet, könte daher genommen werden, daß gleichwohl die Köchin
act. V. 1. fol. 33. b. & 34. a. ausgesaget:
Selbige Nacht, als das Kind gebohren worden, wäre die andere Tochter Maria Sophia herunter gekommen in die Kinder-Stube - - und für dem Bette niedergefallen, die Hände zusammen geschlagen und gesagt, Sie könte und wüste nicht droben zu bleiben und Sie solten fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, daß Sie nicht dürffte NB. dabey helffen. aus welchen Worten dabey helffen man leicht schließen könte, daß Jungfer Maria Sophia hiermit die Ermordung des Kindes gemeinet, und daß Sie bey selbiger nicht helffen könte, massen dann auch der Praeceptor diese Auslegung gemacht
Vol. 1. fol. 41. a. verbis: er hätte in Hause gehöret, daß die andere Tochter Maria Sophia aus der Kammer, wo die Schwester gelegen, herunter kommen, auff die Knie gefallen und gesagt, Sie solten doch beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolle, daß Sie NB. nicht Hand dürffte anlegen. Alleine gleichwie (1) so viel des Praeceptoris Aussage betrifft, selbige tanquam de visu & auditu alieno hier gantz nicht zu attendiren, auch alle Umbstände (2) gar deutlich geben, daß er der Praeceptor dieses von der Köchin müsse gehöret haben; hiernechst (3) dieses pro praesumtione hominis non juris zu achten, daß durch die phrasin dabey helffen item Hand anlegen eben auff den Kinder-Mord müste Reflexion seyn gemacht worden, weil diese Worte ja so wohl auff das adjumentum in partu könten gezogen werden; Also ist auch (4) dieser Aussage der Köchin in geringsten kein Glaube beyzumessen, indem Jungfer Maria Sophia Vogtin in Ihrer Aussage
Vol. 1. fol. 42. a. b. verbis: Sie wäre zwar in die Kinder-Stube kommen und gesagt: das GOtt erbarm! ich weiß nicht, ob ich kan droben bleiben, denn ich muß flugs frühe wieder auffstehen, die Leutgen wollen mich (nach St. aufs Kindtauffen) abholen &c. Item: die Worte, so Ihr Schuld gegeben worden, hätte Sie nicht geredet, wäre auch vor den Bette nicht niedergefallen, hätte gantz von nichts gewust &c. ubi & reliquae circumstantiae considerari merentur.
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diesen Umbstand gantz und gar verneinet. Nec obstat (5) daß die Köchin gleichwohl
Ihre Aussage mit einem Eyde bestärcket.
Vol. 1. fol. 59. b. Denn hierauff ist zu wissen, daß Ihre der Köchin eydliche Aussage (6) in genere nichts taugt, so ferne Sie die Inquisiten graviret, weil die Köchin alles, was Sie bey dieser Sache vorgenommen, nicht ex amore veritatis sed ex inimicitia & studio vindictae verrichtet
per restimonium des Praeceptoris Vol. 1. fol. 25. a. Die Frau Maria hätte zuvor Ihr der Köchin immer geflucht, dahero es Sie verdrossen und desto mehr Achtung auff die Tochter gegeben, auch gesagt, es solten Ihr 2. oder 3. Nacht-Schlaffen nicht so lieb seyn &c. Testi inimico autem non creditur, sive sit Masculus sive foemina, etiam in criminibus atrocissimis, etiamsi confirmaverit dicta per torturam, aut SS. Eucharistiam sumserit.
Farinac. de restibus qu. 53. n. 3. usque ad 11. Carpz. Prax. Crim. qu. 114. n. 29 Zudem, so wird auch (7) Ihre der Köchin Aussage in hoc puncto, durch die Zoffe (welche doch Besage der Köchin selbst damahls soll darbey gewesen seyn, als Jungfer Maria Sophia herunter in die Stube kommen
(Vid. Vol. 1. d. f. 33. b. verbis: allwo Sie die Köchin und die Zoffe geschlaffen) verdächtig gemacht, welche die Worte, so Jungfer Maria Sophia damahls soll gesagt haben, gantz anders fürbringt,
Vol. 1. fol. 55. b. verbis: Maria Sophia aber hätte die Hände in einander geschlagen, gebetet und Sie beyde ermahnet, Sie solten doch fleißig beten, daß der liebe GOtt Sie behüten wolte, wenn NB. etwas vorgienge, daß Sie ja nichts sähe und auch nichts wüste. und also mit der Köchin Aussage nicht übereinstimmt. Jam vero testes discordantes in verbis, ubi agitur de formalitate verborum, minime probant, etiamsi in sensu conveniant, praeprimis, quando quaestio est de facto recenti, in quo oblivio non est verisimilis.
Farinac. de test. quaest. 64. n. 67. & 71. Und was brauchts viel disputirens? hat doch (8) die Hochlöbl. Z. Regierung
Vol. 1. fol. 47. verbis: ausgenommen die eine Tochter, so mit weiterer Verhör itzo auch verschonet werden kan. nachdrücklich anbefohlen, ermeldte Jungfer Maria Sophia mit weiterer Verhör zu verschonen, welches nicht würde geschehen seyn, wenn dieses Indicium in einige Consideration käme, zugeschweigen, daß wenn gleich (9) auch Jungfer Maria Sophia ausdrücklich von Entleibung des Kindes geredet hätte, dennoch Ihre Aussage als non jurata, weder die Schwester Annen noch die Mutter graviren könte etc. Das dritte (III) Indicium commune bestehet darinnen, daß es gleichwohl das Ansehen gewinnen will, als hätten die Inquisitinnen oder der Vater selber die Kö
|| [49]
chin durch die Schenckin zu O. und
Herrn J. (Hanß Martinen) Notarium aus Leipzig wollen bestechen lassen.
Vide der Köchin Aufsage Vol. 1. fol. 37. b. Item fol. 53. & fol. 91. b. seq. Woraus zu muthmassen wäre, daß Sie dißfalls kein gar zu gut Gewissen bey dieser Sache haben müsten. Aber auch dieses indicium ist weder vor sich der Bewandniß, daß es ad torturam sufficient seyn solte, (massen bekandten Rechtens, daß derjenige, der auch mit dem accusatore selbst de crimine capitali transigirt, nicht infamis noch davor gehalten wird, daß er des delicti geständig gewesen, sed potius eidem ignoscitur tanquam qui qualiter qualiter sanguinem suum redimere voluerit
per l. 1. C. de bonis eorum qui ant. sent.) noch in praesenti casu erwiesen und dargethan. Den die Köchin hat (1) niemahls an denen angeführten Oertern mit den geringsten Worte Meldung gethan, daß die Schenckin von O. oder Herr J. in Nahmen und auf Geheiß derer Inquisiten dieses, was Sie Ihnen schuld gegeben, mit Ihr geredet. Zum andern (2) so verneinen auch Inquisiti diese Inculpation unanimiter & conformiter
Vid. Vol. 2. fol 61. a. ad art. 32. 33. fol. 65. a. ad art. 31. 32. & fol 69. a. ad art. 33. Drittens (3) so hat die Schenckin zu O.
Vol. 1. fol 78. & seqq. sich von der Köchin Ihrer Inculpation, daß Sie Ihr der Köchin 2500. Thlr. geboten, wenn Sie sagen würde, Sie habe das Kind mit dem Vogelspiesse gesucht, per juramentum testimoniale liberirt
Vol. 1. fol. 79. b. so wohl auch Herr J. als er für der Löbl. Universität dieser wegen als Zeuge auff unterschiedene Artickel eydlich geantwortet, gantz ein anders ausgesaget,
Vol. 1. fol. 108. seqq. absonderlich aber
ad art. 22. fol. 111. b. & 112. a. ausdrücklich gemeldet: Er hätte Ihr der Köchin keine Verehrung versprochen, auch keine Vorschläge gethan, NB. wäre dessen auch von niemand befehliget gewesen? was er laut seiner vorigen Aussage geredet, hätte er vor sich selbst gethan etc. Wodurch zugleich (3) abermahls zu sehen, wie viel der Köchin Ihrer übrigen Aussage, so ferne selbige contra inquisitas zu seyn scheinet, zu trauen sey, massen man Sie ietzo allbereit auf der andern mendacio ertappet hat. Das vierdte (IV) und gröste indicium commune, welches so wohl die Tochter als Mutter zu graviren scheinet, ist, daß die Medici und Chirurgus bey der Besichtigung
Vol. 1. fol. 16.
|| [50]
eilff Stiche an den todten Kinde gefunden, unter welchen unterschiedene für
tödtlich gehalten und angegeben worden. Woraus man leicht auf die praesumtion
gerathen könte, daß diese Stiche von niemand anders als von Annen oder deren
Mutter hergerühret, weil sonst niemand in partu bey Ihr gewesen, und also das
Kind durch diese Stiche sey umbgebracht worden.
Aber GOtt sey Danck, daß zu Rettung derer Inquisitinnen Unschuld auch dieses
indicium zu elidiren in denen actis vielfältige subsidia vorhanden. Denn da ist
bald Anfangs (1) billig zu verwundern, wie es komme, daß weder der Land-Richter
in seinen Bericht, noch der Land-Knecht in seiner relation (welche doch beyde
das Kind aufgehoben) nicht mit dem geringsten Worte gedencken, daß Sie an dem
Kinde einen einigen Stich befunden
vide Vol. 1. Act, fol. 6 b. & fol. 7. a. b. item fol. 26. seqq. (2) So deponiren auch
in beykommenden Instrumento sub die Käse-Mutter und die Zoffe ausdrücklich, daß Sie bey Abwaschung des todten ausgegrabenen Kindes keine Wunden gespüret.
vide deposit. ad art. 14. & 15. ubi notabilia sunt verba Testis 2. der Zoffe: Sie hätte es abgewaschen, und so gerieben, daß die Haut sich gantz abgerieben von dem laulichten Wasser, aber nicht die geringste Verwundung gesehen. Wannenhero man fast auf wunderliche Gedancken gerathen solte, ob nicht die Stiche gar in Amte zu P. ehe man das todte Kind besichtiget, in das Cörperlein gemacht worden, denn es sonst fast nicht müglich wäre, daß die Zoffe, die das Kind abgewaschen, oder der Land-Knecht, der es aufgehoben, und von Gr. nach P. ins Amt gebracht, von eilff Stichen nicht einen einigen solten gewahr worden seyn, und müsten allen Falls, daferne ja über Verhoffen ea, quae mox scquentur, dieses indicium nicht elidiren solten, der Land-Knecht hierüber, so wohl auch der Amtsverwalter zu P. wo und wie er nach Uberbringung des Kindes selbiges biß zur Besichtigung verwahret habe, auf articulos eydlich vernommen werden. Man hoffet aber, es werde dieser Weitläufftigkeit nicht bedürffen, indem (3) daß durch diese Stiche das Kind weder von Annen noch Ihrer Mutter umbgebracht worden, daraus firmissime bewiesen wird, weil diese Wunden in das Cörperlein erst nach dessen Todte gemacht worden, wie solches die beyden Stadt-Physici nebst dem Chirurgo eydlich ausgesaget
vid. Vol. 1. fol. 92. b. & 93. a. art. 1. ubi omnes tres deponunt: Sie haben bey der Section kein Blut in den todten Cörper gefunden. & art. 2. ubi Testis 1. Herr D. Schreyer: Weil kein Blut weder ausser dem Cörper noch in dem Cörper, da doch die viscera noch ziemlich frisch waren, anzutreffen gewesen: So ist NB gewiß zu schliessen, daß die Stiche oder Wunden nach dem Tode in den Cörper gebracht worden, item Testis 2. Weil kein Blut gefunden worden, und doch solche Gliedmassen, so nothwendig Blut von sich geben müsten, laediret gewesen, so ist daraus zu schliessen, daß die Stiche nach dem Tode geschehen seyn, & denique Test. 3. Das hielte er gäntzlich dafür, daß es nach dem Tode
|| [51]
geschehen, weil NB. die Leber, so, als das edelste
Theil durch seine Würckung die andern Gliedmassen mit Blut versehen müste,
laediret gewesen, und doch kein Blut zu sehen gewesen.
Diese Aussagen, so wohl auch den Schluß: Cadaver vulnera post morten accepit.
Ergo per ea infans non fuit interemtus, hält Defensor für sufficient und
richtig, und will dannenhero denen Herren Urtheilsfassern mit unnöthigen
allegatis Doctorum und weitläufftiger deducirung der Regul, quod artifici in sua
arte credendum sit, nicht verdrießlich fallen. Uber dieses und zum (4) so weisen
die acta mit mehrern, daß, da ja die Stiche schon bey der Abwaschung des Kindes
in den Cörperlein gewesen seyn solten, Selbige die Köchin durch Unvorsichtigkeit
darein gestochen habe. Denn da ist hin und wieder in Selbigen zu befinden, daß
Sie die Köchin nach dem Kinde in den Garten gegraben, mit einem Bratspiesse
dreymahl in das Erdreich gestopffet, und zwar solcher Gestalt, daß Sie uno actu
mehr als einmahl damit in die Erde gestochen, hernach als Sie gefühlet, daß Sie
auf was angetroffen, das Kind herausgegraben, und also die in den Cörperlein
befundenen Stiche Ihme mit den Bratspiesse zugefüget.
vid, Vol. 1. fol. 11. a. ubi die Käse-Mutter: Es hätte die Köchin gestern, als Sie nicht zu Hause gewesen, das Kind in kleinen Garten ausgegraben etc.
Item der Praeceptor d. Vol. 1. fol. 23. a. Die Köchin hätte verwichenen Freytag in Garten nachzugraben zu Mittage angefangen, als der Herr gespeiset gehabt, dieweil Sie aber nicht fertig werden können, hätte Sie es wieder müssen zu scharren; Abends aber hernach hätte Sie recht gegraben und das Kind gefunden etc. & fol. 25. a. Die Köchin hätte das Kind mit einem Bratspiesse gesucht.
Item der Ober-Encke d. vol. 1. fol. 29. b. Der Hauß-Knecht habe das Kind mit der Köchin ausgegraben.
Item die Köchin selbst d. Vol. 1. fol. 34. b. & 35. a. Sie hätte Sich mit der Zoffe beredet, daß Sie das Kind suchen wolten etc. Item: Sie wäre an verwichenen Freytage zu Mittage unter der Mahlzeit über die Mauer ins kleine Gärtgen gestiegen und hätte gesucht, weil Sie aber nicht Zeit genung gehabt, hätte Sie müssen nachlassen, des Abends aber zwischen 9. und 10. Uhr wäre Sie mit der Zoffe wieder dahin gangen, und hätte der Hauß-Knecht gesagt: Sie solten einen Bratspieß mit nehmen, daß Sie desto besser suchen könten, welches denn also erfolget, und hätten Sie das Kind in einen alten Lappen oder Zwillich gewickelt alldort gefunden etc. also, daß das Kind in Herausziehen raus gefallen, Sie aber hätte es in die Schürtze gestecket etc. Item f. 90. b. ad art. 1. Sie hätte anfänglich die Erde mit der Hand heraus geworffen, hernach aber als Sie nicht mehr langen können, hätte Sie den Spaten genommen, und etwan 3. mahl die Erde damit weggethan auf die Seite, darauff wieder die Hände gebrauchet, und als Sie das Kind mit der Hand gefühlet, hätte Sie es beym Lappen genommen und heraus gezerret. Ibidem ad art. 2. Sie könne nicht wissen, wie viel Stiche Sie mit dem Brat-Spiesse in die Erde gethan, möchte zu viel oder zu wenig sagen. Den Brat-Spieß hätte Sie zwey oder dreymahl genommen und damit in die Erde gestopffet, weil Sie gedacht, das Kind läge in einer Schachtel, wie viel Stiche Sie aber gethan, könne Sie nicht gewiß sagen, was Sie von 3. mahlen erwehnet, wäre von Nehmung des Brat-Spiesses zu verstehen, welchen sie so offt genommen, und nicht von Stichen, so Sie nicht gezehlet.
Item der Kutscher fol. 37. a. Als die Köchin das Kind suchen wollen, hätte er Ihr einen Brat-Spieß zugeworffen, so etwan ein paar Ellen lang.
Item die Zoffe fol. 57. a. b. Der Spieß, so in Amte zu P. sey derjenige, mit welchen Sie gesucht hätten, welches auch die Köchin fol. 52. b. gestanden. Ob nun gleich (5) die Köchin anfangs geleugnet, daß Sie das Kind mit den Bratspieß gestochen
Vol. 1. fol. 37. b. Sie hätte einen Bratspieß gehabt, so forne an der Spitze rund gewesen', und müste Sie tief gestochen haben, wenn Sie Löcher an den Kinde machen sollen, zudem so hätte Sie über dreymahl nicht gestochen, auch nicht tieff, denn das Kind hätte, als Sie die Erde weggethan, schon dargelegen. welche Worte verbis negantibus ziemlich nahe kommen; So giebt doch (6) Sie die Köchin selbsten es viel näher, wenn Sie die verba negantia in dubitantia verwandelt
Vol. 1. fol. 91. a. ad artic. 3. Das könte Sie auch nicht gewiß wissen. Dieses erinnerte Sie sich aber, daß Sie einmahl gefühlet, daß Sie auff etwas getroffen, so geknirschet, als wenn Sie in einen zwilchenen Lappen gestopffet, massen auch das Kind in einen alten garstigen Lappen gelegen, und hätte gedacht, es lege in einen Küffen. Ob Sie nun aber solches getroffen, wisse Sie nicht, hätte auch hernach weiter mit dem Bratspiesse nicht gestochen, sondern solchen weggeworffen. und schadet dannenhero nichts, obgleich Sie die Köchin mit der Sprache nicht recht heraus will, ja es wird vielmehr dadurch Ihre Aussage nur mehr und mehr verdächtig gemacht. Denn zugeschweigen, daß Sie (7) dasjenige, was Sie von dreymahligen stechen.
d. fol. 37. b. gesaget, in der andern Aussage
d. fol. 90. b. ad art. 2. selbsten deutlich genung, wie es zuverstehen sey, erkläret, man Sie auch (8) gar deutlich auff dem dritten mendacio ertapt, wenn man Ihre Antwort ad art. 3. mit der ad art. 2. conferirt,
ad art. 2. sagt Sie, Sie habe deswegen in die Erde gestopffet, weil Sie gedacht, das Kind läge in einer Schachtel, stracks aber ad articulum 3. referirt Sie, Sie habe gedacht, es läge in einen Küssen So ist doch über dieses (9) aus anderer Zeugen Aussage zu sehen, wie Sie dißfalls und da Sie verneinet, oder gezweiffelt, daß Sie dem Kinde die Stiche zu gefüget, wieder Ihr besseres wissen und Gewissen geredet, massen Sie denn allbereit zu denen andern Zeugen extra judicium eines andern geständig gewesen
Vid. Vol. 1. fol. 111. b. ubi Herr J. (Hanß Martin) ad art. 21. Sie (die Köchin) hätte gedacht, Sie wolte es sagen (daß Sie mit dem Spiesse das Kind gestochen vid. ad art. 20.) weil Sie ohne dem schon dem Amtsverwalter gesagt, daß Sie das Kind gesucht und dreymahl mit dem Spiesse in die Erde gestochen hätte, es könte auch seyn, daß
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Sie das Kind gestochen hätte, weil Sie
es in hinein stopfen selbst vermerckt hätte. Item die Zoffe in beykommenden
Instrumento sub. ad art. 16. von der Köchin hätte
Sie vernommen, daß Sie das Kind wohl könte gestochen haben mit den Bratspiesse,
indem sich dieselbe öffters auff den Lappen, darein gedachtes Cörperlein
gewickelt gewesen, beruffen, daß man es an solchen sehen könte; Als hätte Sie
(die Zoffe) selben Lappen damahls sehr löchericht befunden &c.
in judicio aber die Wahrheit aus einer unzeitigen Furcht, als ob, wenn Sie die
Wahrheit sagete, es ihr Gefahr bringen könte, verschwiegen
Vide iterum J. (Hanß Martius) Auffage ad art. 13. fol. 110. a. Vol. 1. Weil Sie (die Köchin) in denen Gedancken gestanden, es brächte Ihr Gefahr, wenn Sie sagte, daß Sie das Kind gestochen hätte &c. Nec obstat (10) daß Herr Wilhelm W. Stadt-Physicus und Herr Christian S. Amtsbarbierer d. 18. Octobr. 1681. in Amte ausgesaget: Sie hielten nicht dafür, daß diese Löcher oder Stiche, so an den todten Kinde befunden worden, mit den Bratspiesse, so Ihnen gezeiget worden, geschehen.
Vid Vol. 1. fol. 61. a. auch Herr D. Schreyer das Gegenspiel sich nicht zu beschweren getrauet
Vol. 1. fol. 68. b. &. 69. verbis: Aus der eusserlichen Form aber derer Wunden, welche ich absonderlich wohl betrachtet, und daß die meisten rund, die zwey aber, so durch die lincke Seite in dem hohlen Leib unterwerts gegangen, mehr länglicht als viereckicht gewesen, bin ich in denen Gedancken blieben, daß die Wunden mit einen Dolch oder Pfriemen, so an der Spitze stumpff und rund, weiter auffwerts aber mehr breiter als gleich viereckicht gewesen, geschehen seyn mögen. Und weil der producirte Bratspieß von unten an fast dergleichen Gestalt als ein Dolch oder Pfriemen, wie ich gemuthmasset, so möchte muthmaßlich, jedoch nicht affirmative, und daß ichs zu beschweren getraue, geschlossen werden, daß bey Auffsuchung des Kindes die wunden durch den Bratspieß verursachet worden seyn, allermassen auch die Köchin zu mir gesagt, daß Sie dreymal die Erde, worunter das Kind vergraben gewesen, durchstochen, und also die Verwundung am Halse und in der lincken Seite verursachet werden können, die andern Wunden aber durch das viele stopffen in die Erde, wie es die Köchin genennet, sich ereignen können &c. so haben sich doch (11) jene bald eines besseren besonnen
d. fol. 69. b. Nachdem Sie mit Herr D. Schreyern conferiret hätten, hätten Sie sich besser erinnert, und beruffen sich gleicher gestalt auff dessen Aufsage so wohl auch Herr D. Schreyer hernachmahls nebst jenen diese Ihre Aussage juramento bekräfftiget:
Vol. 1. fol. 93. ad b. art. 3. Ob alle solche Stiche auch mit den vorgezeigten Bratspiesse geschehen? Vbi Teftis 1. Herr D. Schreyer. Denen Umständen nach und da die Vogtische Köchin selbst gestanden, daß Sie den Cörper mit den producirten Bratspieß auffgesuchet und unterschiedliche mahl in die Erde gestochen, und nicht in Abrede seyn können, wie Sie gegen Götzen zu Pr. in der Otterwitzer Schencke gedacht, daß Sie den Cörper mit dem Bratspiesse gestochen, so kan muthmaßlich geschlossen werden, daß die in den Cörper gefundene Stiche wohl von den Bratspiesse haben herrühren können, massen denn nicht zu muthmassen, daferne das Kind hätte sollen umbbracht werden, daß so
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viel
Stiche von nöthen gewesen wären. Testis 2. Herr W. Das könne man nicht gewiß
sagen, man muthmasse drauff.
Testis 3. Herr S. Das könne er nicht gewiß sagen, der Wunden Beschaffenheit nach könte es wohl seyn, iedoch könte er es nicht gewiß sagen. Zu mehrerer Erleuterung aber dieser Aussage können Inquisitae unerinnert nicht lassen, daß der Amtsverwalter zu P. (13) den art. 3. nicht recht nach Anleitung des
Vol. 1. fol. 85. befindlichen Urtheils eingerichtet. Denn da selbiges gewolt, daß dieser articulus de credulitate und: Ob Zeugen dafür achten und gewiß glauben, daß alle solche Stiche mit den vorgezeigten Bratspieße geschehen? formiret werden solte
per verba: Es werden auch die Medici und Barbierer, so bey der Section gewesen: ob Sie in den todten Cörper Blut gefunden, und dafür achten, und gewiß glauben, daß die Stiche dem Kinde erst nach dem Tode zugefüget, alle solche Stiche auch mit dem vorgezeigten Bratspiesse geschehen, Ihres Einwendens ungeacht, vermittelst Eydes zuberichten. hat der Amtsverwalter ex satis crassa ignorantia selbigen de veritate: Ob alle solche Stiche mit dem vorgezeigten Bratspiesse geschehen? eingerichtet. Wannenhero nicht zu verwundern ist, daß (14) die Zeugen auff den articulum nicht assertive sondern nur mit den Wort muthmassen antworten müssen, weil Sie freylich von einen facto alieno nicht pure affirmative respondiren können. Deniquę nec obstat (15) daß gleichwohl iidem testes in depositione ad artic. 2.
d. f. 93. a Vol. 1. welcher articulus doch auch nur auff credulitatem gehet, so confident geantwortet
Test. 1. verbis: So ist gewiß zuschliessen &c. Test. 2. verbis: So ist daraus zuschliessen &c. Test. 3. verb. das hielte er gäntzlich dafür &c. bey diesem articulo tertio aber durchgehends verba dubitantia: Sie könten es nicht gewiß sagen, Sie muthmasseten es nur &c. gebrauchet. Denn gleichwie (16) die quaestiones articuli 2. & 3. gantz unterschiedener Natur sind und dannenhero ad diversa nicht einerley Antwort fallen kan; Also giebt auch (17) Herr D. Schreyer
Vol. 1. fol. 68. b. verbis: auch würde das ausgestellte Attestat vollkommener worden seyn, wenn bey Section des Cadaveris der itzt producirte Bratspieß alsobald wäre beygelegt worden. die Ursache hiervon gar deutlich zu verstehen, daß nemlich, wenn Sie Ihre credulitatem, und daß Sie gewiß glaubeten, daß die Wunden mit dem Bratspiesse geschehen wären, hätten aussagen sollen, sie alsbald den Bratspieß bey der Section, daß Sie selbigen mit denen Wunden als gewöhnlichen conferiren können, hätten
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haben müssen. Sufficit ergo, daß Sie alle drey
ausgesagt, se credere, vulnera per hoc instrumentum POTVISSE infligi.
Die Indicia particularia & specialia graviren theils die Mutter, Frauen
Marien, theils die Tochter, Annen, so das Kind gebohren.
Contra die Mutter könte ein Indicium daher genommen werden, daß die Köchin Ihr
der Frau diese Ermordung Schuld giebet.
Vol. 1. fol. 35. b. verb. Als man Sie nun auch befraget, auff wen Sie es dächte, der das Kind umbgebracht und vergraben hätte; hat Sie geantwortet, Sie könte es auff niemand dencken, als auff die Frau selber inmassen auch der Herr Amtmann zu Z. dergleichen an den Amtsverwalter zu P. berichtet.
Vol. 1. fol. 13. a. Sonst habe ich von Ihr der Köchin mit Bestürtzung vernommen, daß die Mutter von der Geburth des Kindes Wissenschafft gehabt, auch gar dabey gewesen, und da nicht selbst das Kind umbbracht, doch darzu geholffen, Alleine der Köchin Aussagen sind (1) suspect de mendacio
per ea, quae supra ad indicium commune secundum jam notata sunt (2) factum homicidium infantis praesupponentia, welches dannenhero aliunde erwiesen werden muß (3) non asserentia, sed de credulitate, iam vero testis de credulitate nihil probat, nec etiam proprie dicitur testis
Justus Reuberus de testibus Part. 3. n. 130. seqq. Johannes Campegius de testibus reg. 209. Prosp. Farinacius quaest. 69. n. 62. seqq. & imo ne quidem indicium efficacissimum facit, sed saltem quale quale
Campegius d. l. fallent. 5. Farinacius d. l. n. 106. Zum (II.) scheinet Frau Maria graviret zu werden, durch Daniel H. summarische Aussage
Vol. 1. fol. 12. a. b. berichtet Herr Daniel H. es hätte George S. von St. erzehlet, er wäre heute zu L. auf der Jagd gewesen, da hätte der Schirrmeister von Gr. erwehnet, Herrn H. H. älteste Tochter hätte gesagt: Sie solten nur Ihr Kind nicht umbbringen, sie wolte Sich gerne in einen Hirten-Hause behelffen. Aber diese Aussage ist gar nichts nütze, quia (1) est de auditu & quidem multipliciter alieno (2) weil Sie auch mit George S. und des Schirrmeisters depositionibus, die doch ebenmäßig de auditu alieno sind, gantz nicht übereinkommet, auch diese von umbbringen gantz nichts vermelden
Vol. 1. fol. 28. a. George S. von St. berichtet, — es wäre geredet worden, daß Herrn Hanß Henrichs Schirrmeister erzehlet haben solte, dessen Tochter hätte gesagt, sie solten Ihr nur das Kind nicht nehmen, Sie wolte gerne das väterliche Hauß meiden, und es in einen Hirten-Häußlein ernehren, die Mutter aber solle es ihr genommen haben (quamvis & haec depositio nihil probet. Praeterquam enim quod non jurata sit, est irerum de auditu alieno & quidem incerto. Sequitur enim) wer es aber eigentlich geredet, wisse er nicht, denn es hätte iederman davon gesagt.
Item der Schirrmeister fol. 29. a. Er habe freylich die Leute davon reden hören, daß die junge
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Anna gesagt haben solle, Sie solten Ihr
nur das Kind nicht nehmen, zu wem Sie es aber gesagt, wisse er nicht.
Zudem so ist (3) aus allen Umbständen zu mercken, daß diese fliegende Rede
entweder von der Köchin, oder von der Mittel-Magd ihren Ursprung müsse genommen
haben.
Vol. 1. fol. 35. b. Ubi die Köchin: Zudem hätte Ihr die Mittelmagd erzehlt, daß Anna, als die Zoffe das Kind abgewaschen und in die Schachtel geleget, solches bey einen Händgen genommen und gesaget: Du liebes Kind / ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn ich für denen Meinigen gedurfft hätte, wodurch Sie sonder Zweiffel NB. Ihre leibliche Mutter gemeinet.
Et fol. 38. a. Elisabeth M. die Mittel-Magd. Sie hätte zwar diese Wort zur Köchin gesagt, hätte es aber selbst nicht von der Tochter gehört, und wüste nicht eben, ob es Ihr die Zoffe oder die Käse-Mutter gesaget. welche beyde, oder doch zum wenigsten die Köchin, es zweiffels ohne die Frau Mariam in Unglück zu bringen, und sich zum Theil an Selbiger wegen scharffer Hauß-Zucht zu rechnen
per relata supra ex Vol. 1. f. 25. a. unter die Leute spargiret haben, worzu sonderlich das von der Köchin in ietztgesetzter Aussage beygefügtes unzeitige judicium ziemliche Muthmassung giebet. Daß aber auch diese Reden, so die Köchin und Mittel-Magd ausgesaget (4) inter mendacia referiret werden müssen, weiset die deposition der Käse-Mutter und Zoffe, wie auch dieser letztern confrontation mit der Mittel-Magd gar deutlich.
Vid. fol. 38. b. Vol. 1. Ubi die Zoffe. Anna hätte gesagt (als das todte Kind abgewaschen worden) Ich will es immer behalten. Sie aber die Zoffe hätte geantwortet: Was will Sie nun mit dem todten Kinde machen etc. Als Ihr (der Zoffe) nun die Mittel-Magd unter Augen gesagt, daß es vorige Worte gewesen, hat die Zoffe geantwortet, die Anna hätte gesagt: Ach wenn ichs dürffte behalten etc. ist auch nochmahlen beständig darbey geblieben, fol. 39. a. & fol. 40. a. & fol. 53. b. ubi etiam die Käse-Mutter berichtet: Die Zoffe hätte zu Ihr (der Käse-Mutter) nicht anders gesagt, als daß Anna gesaget: Sie wolte das Kind behalten etc.
Item fol. 54. a. Die Mittel-Magd saget, Sie hätte nicht anders gemeinet, als daß Sie die Zoffe berichtet, Anna hätte gesagt: Du liebes Kind, ich hätte dich gerne behalten wollen, wenn ich für denen Meinigen gedurfft hätte: weil Sie aber nun hörete, daß es nicht so sey, wäre auch damahls in Lauff geschehen, und Sie in Erschreckniß gewesen, könte Sie nicht drauff reden etc. Wannenhero auch die Käse-Mutter und Zoffe hernach Ihre Aufsage beschworen, der Mittel-Magd aber Zeit gegeben worden sich zu bedencken.
Denique fol. 60. a. ubi Registr. Die Mittel-Magd hat Ihre Aufsage nicht beschweren wollen, sondern gesagt, es könte seyn, daß die Zoffe nicht mehr, als was Sie gestanden, zu Ihr geredet. Weßhalben man die Mittel-Magd, meineyd zu verhüten, dißmahl damit verschonet. daß man dißfalls sich länger aufzuhalten vor unnöthig erachtet, sondern vielmehr zu denen Indiciis specialibus contra Annen schreitet. Diese nun können verhoffentlich nicht besser proponiret und elidiret werden, als
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wenn man die Indicia infanticidii, die der
glorwürdigste Kayser Carl der V. in seiner Peinlichen Halß-Gerichts-Ordnung
denen Judicibus inferioribus pro norma in tortura decernenda vel minus,
vorgeschrieben, kürtzlich durchgehet. Es sind aber dieselben zweyerley Arten,
etliche, wenn die Inquisita weder, daß das Kind Ihre sey, noch daß Sie selbiges
ermordet habe, gestehen will, andere, wenn die Inquisita editionem partus
gestehet, und bloß die Ermordung verneinet. Zu jenen wird nicht unbillig
intumescentia & subitanea decrescentia uteri, item praesentia lactis in
mammis inquifitae
De quibus est artic. 35. & 36. Ord. Carolinae. referiret, massen solches nicht nur der contextus weiset, sondern auch die Doctores mehrentheils dahin zielen;
Stephani ad dict. art. 35. & 36. Carpz. Prax. Crim. quaest. 122. n. 19. seqq. Crusius de Indiciis delictorum Part. 2. Cap. 34. n. 8. seqq. und dannenhero der Käyser nicht immediate schliessen will, Titiae uterus antea tumidus subito decrevit, aut lac in mamillis habet, ergo cadaver interfecit, sondern vielmehr mediate: Titia cadaver occisum se peperisse negans, positis istis circumstantiis de mendacio, & propter mendacium de infanticidio simul suspecta est. Weil aber dergleichen mendacium bey Annen nicht verhanden, sondern Sie alsbald, wie oben erwehnet, gestanden, daß Sie das todt gefundene Kind gebohren habe, so würde vergebens seyn, Sich über demjenigen, was in actis etwan von dem Umstande, daß Sie Anna vor der Geburt einen dicken Leib gehabt, welcher Sich hernach wieder verlohren, hin und wieder anzutreffen ist, ohne Noth aufzuhalten. So saget demnach Anna, Sie habe das Kind gebohren, es sey aber todt auf die Welt gekommen.
in deposit. ad artic. 15. fol. 67. b. Vol. 2. und gehöret also das andere indicium hieher, welches der Käyser im 131. Articul gesetzt hat mit solgenden Worten. So aber ein Weibs-Bild, als obstehet, ein lebendig gliedmäßig Kindlein, das nachmahls todt gefunden, heimlich gebohren und verborgen hätte, und so dieselbe erkündigte Mutter deßhalb bespracht würde, entschuldigungsweise fürgäbe, wie das Kindlein ohne Ihre Schuld todt von Ihr gebohren seyn solte: Wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen, damit sol es gehalten und gehandelt werden, wie in 74. Artickel anfahend, Item so ein Beklagter Kundschafft etc. funden wird, auch deßhalb zu weiterer Suchung Anzeigung geschicht, wann ohne bestimmte gnugsame Beweisung ist der angeregten vermeinten Entschuldigung nicht zu glauben, sonst möchte sich eine iede Thäterin mit einen solchen gedichten Fürgeben ledigen. Doch so ein Weibsbild ein lebendig gliedmäßig Kindlein also heimlich trägt, auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, welche ohne hülffliche Geburt mit tödtlicher Ver
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dächtigkeit geschehen muß; So ist deßhalb keine
glaublichere Ursach, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafftigen Fürsatz
vermeint, mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins, daran Sie vor, in oder nach
der Geburth schuldig wird, ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten.
Darumb wenn eine solche Mörderin auf gedachten ihren angemasten, freventlichen
Entschuldigung bestehen bleiben wolte, so soll man Sie auf obbemeldte gnugsame
Anzeigung bestimpts Unchristlichen und Unmenschlichen erfundenen Ubels und Mords
halber, mit peinlicher, ernstlicher Frage zur Bekäntniß der Warheit zwingen,
auch auff Bekäntniß desselbigen Mords zu endlicher Tod-Straff, als obstehet,
urtheilen. Doch wo an eins solchen Weibs Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt
wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den
Rechts-Verständigen oder sonst wie hernach gemeldt wird, Raths pflegen. Diese
oberzehlte Worte, gleichwie Sie an und für sich selbst sehr harte contra
inquisitam zu streiten scheinen, auch fast insgemein in quaestionibus
infanticidii ratione torturae an meisten in consideration zukommen pflegen, und
dannenhero fast das gantze Fundament gegenwärtiger defension auf dieses indicium
und dessen elision, beruhet; Also möchte Inquisita wohl wünschen, daß die
Commentatores über die Ordinationem Criminalem diesen Articul nicht so überhin,
& quasi de titivillitio aut stillicidio ageretur, tractiret hätten, wie
es leider geschehen, sondern den genuinum intellectum obbesagten Articuls cum
ampliationibus & limitationibus fein exponiret hätten; weil aber
geschehene Sachen nicht geändert werden können; Als werden die Herren
Urtheilsfassere nicht übel vermercken; wenn man bey dieser schweren Sache, ehe
und bevor ad elisionem dieses indicii geschritten wird, den sensum dicti
articuli 131. ein wenig ponderiret und erweget, zumahlen da dieses nicht ea
intentione geschiehet, dieselben, als hochverständige und hochgelahrte Männer in
jure zu informiren, sondern einig und alleine, Sie in collectione &
meditatione regularum aequitatis; als worauff zuförderst in criminalibus zu
sehen ist, auch Sie die Herren Urtheilsfassere hierauf zu sprechen gewohnet
seyn, einer wenigen Mühe zu ersparen. Bey dieser Bewandnüß nun wird anfänglich
praesupponiret, daß das infanticidium ein delictum occultum sey, zu welchen man
nicht leichtlich testes zu nehmen pflege, hiernechst aber bey denen delictis
occultis insgemein, nisi aperte contrarium sit praescriptum, diese regula
aequitatis observiret werden müsse, de occultis non judicare Ecclesiam
cap. 17. X. de Accusat. cap. un. X. ut Eccles. benef. fine dimin. confer. cum occulta solius Dei cognitioni refervari dicantur, qui solus novit corda filiorum hominum tanquam cordium scrutator & secretorum cognitor atque judex
can. erubescant II. distinct. 32. can. fin. 7. distinct. 33. can. 20. C. 2. q. 5. c. 7. C. 6. q. 1. c. 23. C. 32. q. 5. c. 34. X. de Simon. wannenhero vi dictae regulae bey dem infanticidio und wenn ein Kind occulte
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zur Welt gebracht worden, auch gantz keine necessaria
consequentia ist; Haec partum clam edidit, ergo eundem interfecit, die
dijudicatio veritatis in hoc casu, wenn keine andere indicia verhanden, GOttes
gerechten Gerichte billig anheim gestellet werden solte, zumahlen da viele
Doctores, und zwar nicht ohne Ursach, in denen Gedancken stehen, quod partus
meretricius praesumi debeat, quod mortuus sit editus
Anton. Tessaurus Decis. 13. ohne Zweiffel darum, weil eine solche schwangere Weibes-Person stets in Furcht wegen der bevorstehenden Schande schwebet, und sich dannenhero die Zeit Ihrer Schwangerschafft durch sehr ängstet und also der Frucht, wie wohl absque intentione, zugleich Schaden zufüget, welche Ursache viel wahrscheinlicher ist, als diejenige, welche Tessaurus
d. l. anführet. Dieweilen aber der eventus gewiesen, daß viele lose Vetteln dieser in aequitate gegründeten praesumtion und regul gemißbrauchet, und vorgegeben, Sie hätten die Kinder todt auff die Welt gebracht, da doch andere indicia oder wohl gar die Zeugen und Ihre propria confessio Sie hernach eines andern überwiesen; Als hat Käyser Carl, ne delicta maneant impunita, in angeführten Articul die praesumtion gantz umgekehrt, und das Gesetz gegeben, daß in dubio, so eine inquisita, daß Sie das Kind gebohren, geständig sey, die Geburt aber heimlich geschehen, dafür zu halten sey, Sie habe das Kind umbgebracht, sie erhalte dann durch gnugsame Zeugniß oder scharffe tortur ein anders. Welche praesumtion nicht nur, wie allbereit erwehnet, contra praefatam aequitatis regulam, quod occulta dijudicationi divinae sint relinquenda, zu lauffen scheinet, sondern auch einer andern regulae, die sonsten in decernenda tortura fast pro principali gehalten wird, zu wieder ist, nemlich, quod indicia ad torturam debeant esse certa, clara, imo luce meridiana clariora, ut judex non solum sit quasi certus de delinquente, sed etiam nihil aliud sibi deesse videatur, quam rei confessio
l. 1. in princ. ff. de quaest. l. milites §, oportet l. cum cognitionaliter C. eod. Tessaur. decis. 24. n. 6. Matthesilanus sing. 35. in medio addition. Menreh. arbitr. jud. quaest. l. 2. cas. 270. n. 5. & 6. & de praesumt. l. 1. q. 89. n. 3. Mascard. de probat. lib. 3. conclus. 385. n. 20. Farinac. Prax. Crim. quaest. 37. n. 3. sintemahl an diesen indicio billig dergleichen perspicuitas und evidentia desideriret wird. Denn es ist keine nothwendige Folgerung, daß wenn eine geschwängerte Weibes-Person das Kind heimlich getragen und heimlich gebohren hat, Selbige auch das Kind umbracht, oder doch zum wenigsten die incention, das Kind umzubringen,
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gehabt haben müsse, sondern es wäre
vielmehr zu praesumiren, daß, weil es zuweilen geschiehet, quod partus edatur
mortuus, solcher Gestalt aber die geschehene Schwängerung durch heimliche
Begrabung des Kindes vertuschet werden kan, die geschwängerte Dirne deßhalb bis
zur Geburth die impraegnation heimlich gehalten, damit Sie den eventum und ob
Sie ein lebendig oder todtes Kind zur Welt bringen würde, erwarten, und auff
diesen Fall zwar Ihre Schande mit Wegschaffung des todtgebohrnen Kindes
bedecken, auff jenen aber, die Schwängerung gestehen und kund machen möge. Ich
will geschweigen, daß gleich wie es bißweilen unter Eheweibern Exempel giebet,
die biß zu Ihrer Geburts-Stunde nicht wissen, daß Sie schwanger seyen, also auch
viel eher ein einfältig Mensche, daß dolo malo alterius zum stupro beredet
worden, von Ihrer Schwängerung keine Wissenschafft habe, und mit der
Geburts-Stunde übereilet werde, daß Sie niemand zur Geburt zu sich ruffen kan,
welcher Gestalt dann abermahls die praesumtio Imperatoris falliret. Ob nun
gleich dieses alles nicht ea intentione angeführet wird, als wolle man den
allegirten articulum 131. Ord. Crimin. gantz übern Hauffen stossen, massen man
wohl weiß, quod quidem de intellectu legum, non vero contra Leges latas
disputari debeat, & quod etiam lex quamvis dura, scripta tamen, pro
norma Judicibus sit observanda
l. 12. §. 1. qui & a quibus manum. zumahlen, da der Imperator in Verfertigung dieses Artickuls zum Endzweck den Nutzen des gemeinen Wesens sich vorgesetzet, & ne delicta atrocia occultentur eorumque poenae ab improbis infanticidis eludantur, und also die justitia dieses articuli, wenn gleich in einen und andern casu singulari, denen privatis zu viel geschehen solte, dennoch per dictum Cassii
apud Tacirum Ann. 14. cap, 44. n. 7. könte salviret werden. Habet aliquid ex iniquo omne magnum exemplum, quod contra singulos utilitate publica rependitur; So wird doch verhoffentlich aus dem, was hactenus deduciret worden, dieses inferiret werden können, daß gegenwärtiger articulus keine interpretationem extensivam, sondern nur restrictivam annehme, in Ansehen bekandten Rechten, quod in eo, quod contra tenorem rationis, & contra rationem juris receptum, aut propter aliquam utilitatem auctoritate constituentium introductum est, non sit procedendum ad consequentias
l. 14. & 16. ff. de LL. massen auch dieserwegen der sonst tyrannische Nero das Gesetz, welches der Familie, in der ein Hauß-Herr umbgebracht worden, den Tod andreuet, und als an sich selbst sehr harte, dennoch an des Pedanii Secundi seinen Knechten, deren über vierhundert gewesen, wieder des Römischen Pöbels Willen war exequiret worden, auff dessen im Hause mitwohnende Freygelassene, die der Cingonius Varro zur deportation ver
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dammet hatte, nicht wollen
extendiren lassen, ne videlicet mos antiquus, quem misericordia non minuerat,
PER SAEVITIAM INTENDERETUR.
Tacit. d. l. cap. 45. n. 4. Ja, wenn auch gleich dieser articulus nicht contra tenorem rationis erfunden wäre, so ist doch gewiß, daß er inter leges poenales gehöre, welche leges poenales auch keine interpretationem extensivam, sondern nur restrictivam admittiren
per l. 32. in fin. l. 42. ff. de poenis l. 155. §. fin. de R. I. c. 15. & c. 49. de R. l. in 6. massen die Leges poenales ad odiosas referiret werden, in odiosis vero etiam sermo figuratus aliquantulum admitti solet ut onus evitetur
Hugo Grotius optimus interpretationis Doctor Lib. 2. de I. B. & P. Cap. 16. §. 10. & 12. sect. 3. welches alles auch menti Gloriosissimi Imperatoris gantz gemäß ist, indem er die Clausul
in d. art 31. verb. Doch wo eines solchen Weibes Schuld oder Unschuld halb gezweiffelt wird. &c. nicht ohne Ursach beygefüget, sondern damit angezeiget, daß die von Ihm darinnen vorgeschriebene Regul allerdings limitationes zu lassen, und nicht so generaliter zu verstehen sey. His praesuppositis und wenn nun in d. artic. 131. gesagt wird; daß so ein Weibsbild, die ein lebendig gliedmäßig Kind heimlich trägt, solches mit Willen alleine und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, keine glaublichere Ursach sey, denn daß dieselbige Mutter durch boßhafften Fürsatz vermeint mit Ertödtung des Kindes Ihre Leichtfertigkeit verborgen zu halten, und Sie dannenhero mit der peinlichen Frage angegriffen werden solle, wann Sie nicht Ihre Unschuld gebührend ausführen könne etc. so ist bald anfänglich (1) kein Zweiffel, daß dieser Artickul nur auf diejenigen, die NB. mit Willen das Kind heimlich zur Welt bringen,
per expressa verba: auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber &c. zu restringiren sey, wird dannenhero dieser articulus diejenigen Weibes-Personen nicht graviren können, welche entweder nicht gewust, daß Sie schwanger seyn, und plötzlich von der Geburts-Stunde überfallen worden, daß Sie andere Weibes-Personen nicht dazu beruffen können, quia voluntas sine electione non est, electio vero praesupponit scientiam, & si haec non adsit, actio per ignorantiam invita dici solet
per prima principia Philosophiae moralis (2), So viel das Wort heimlich betrifft, welches in offterwehnten articulo als
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ein nöthiges requisitum dieses indicii erfordert
wird, so wird selbiges zwar insgemein praeprimis in civilibus in significatu
laxiori dafür gebraucht, quod fit coram duobus vel tribus saltem testibus
Boer. cons. 40. n. 5. Cephal. consil. 42 1. n. 57. lib. 3. Socin. Jun. lib. 2. cons. 88. n. 47. 52. Flamin. de Rubeis Vol. 1. cons. 21. n. 58. & ita multo magis quod sit coram uno teste; alleine, es hat neben diesen Gebrauch und sonderlich in materia delictorum auch significatum strictiorem, pro eo, quod fit in obscuro, aliis hominibus plane insciis, quodque adeo prorsus ignoratur & ne per unicum testem quidem probari potest
ut in l. 23. pr. §. 1. & 2. C. Mandat. l. 2. §. 23. ff. Vi bon. rapt. cap. unic X. ut benefic. Eccles. sin. dimin. confer. can. Erubescant. 11. dist. 32. can. 23. caus. 32. qv. 5. welcher significatus strictior dann auch billig propter deducta hier verstanden werden muß, daß dieser articulus nur von denenjenigen Weibes-Bildern rede, die ohne Beyseyn einiger Weibes-Person gebähren, nicht aber auff diejenige Person gezogen werden könne, welche in Gegenwart auch nur einer Weibes-Person Ihrer Frucht genesen, und kommen dieser Assertion die Worte des Kaysers zimlich zu statten, oder sind doch zum wenigsten derselbigen nicht zu wieder, wann er sagt
allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret, welche ohne hülffliche Geburth &c. Denn das Wort Allein ist eine particula exclusiva, und kan nicht gesaget werden, daß, wenn nur ein einig Weib zugegen gewesen, eine solche Weibes-Person das Kind alleine und ohne Hülffe anderer Weiber gebohren habe, Solus enim omnes alios excludit
Card. Seraph. decis. 820. n. 6. Rota Romana ap. Farinac. decis. 426. n. 5. tom. 1. p. 2. Bartol. in l. omnibus n. 1. & 3 si quis jus dicenti non obtemp. (3) Uber dieses so weisen die Worte dicti articuli:
mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret &c. Item: durch boßhafftigen Fürsatz vermeint mit Ertödtung des unschuldigen Kindleins &c. Ihre geübte Leichtfertigkeit verborgen zu halten daß der Imperator hierbey nicht so wohl auf den modum pariendi, an palam an clam factus fuerit, sondern vielmehr, wie allbereit bey der ersten Conclusion an
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notiret worden, auff die Intention der
gebährenden gesehen haben, & scilicet, an illa occultandi animo partum
seorsim ediderit an minus. Occultare vero est, se vel rem ab alterius conspectu
celare
I. 1. & 2. C. de his qui latron. vel al. crim. reos occultav. Calvin. voce occultare. und gehöret also zum requisitis dieses Indicii, daß eine Weibes-Person tempore partus sich an einen solchen Orte auffgehalten, wo leichtlich niemand zu Ihr kommen können, oder daß Sie sich verschlossen und niemand zu sich gelassen, und solcher gestalt nicht alleine die Geburt, sondern auch zugleich sich selbsten verborgen gehalten. Wann (4) der Imperator bey Beschreibung dieses indicii folgende Worte setzet,
So ein Weibs-Bild ein lebendig gliedmäßig Kindlein also heimlich trägt, auch mit Willen allein und ohne Hülffe anderer Weiber gebieret &c. so will er zweiffels ohne andeuten, daß duplex occultatio verhanden seyn müsse, wenn dieses indicium statt finden solle (1) impraegnationis, (2) partus und daß eines ohne das andere nicht genung sey, denn das weiset das Wort auch, welches hier nichts anders als die Lateinische particula ET bedeutet, quae regulariter est conjunctiva & copulativa
Strauch. de partic. juris voce ET. n. 2. seqq. Non obstant verba antecedentia:
So aber ein Weibs-Bild als obstehet, ein lebendig gliedmäßig Kindlein, das nochmahls todt gefunden, heimlich gebohren &c. aus welchen scheinet, daß auch sola occultatio partus, & ex pari ratione sola occultatio impraegnationis zu diesen Indicio genung sey. Denn es weiset der gantze context, daß diese anfängliche Worte nicht dispositiva, sondern nur prooemialia seyen, bey denen pro nostra sententia aber angeführten Worten sich decisio imperatoria anfange, und demnach auff diese, nicht aber auff jene in decisione hujus conclusionis zu sehen sey. Es hat auch (5) Kayser Carl wohl selbst gemerckt, daß dieses indicium an und für sich selbst nicht allemahl stricte observiret werden könte, dannenhero er in favorem rearum diese Clausul:
Doch wo eines solchen Weibes-Schuld oder Unschuld halber gezweiffelt wird, sollen die Richter und Urtheiler mit Anzeigung aller Umbstände bey den Rechtsverständigen oder sonst, wie hernach gemeldet wird, Raths pflegen, mit angefüget, in welcher er nicht nur die Richter gewarnet, daß sie auf den Fall, da eine Inquisita das todtgefundene Kind heimlich zur Welt gebohren, nicht stracks ohne rechtliche Erkäntnüß zur Tortur zuplumpen sollen, sondern auch denen Rechtsverständigen seu Collegiis Juris Consultorum selbst freygestellet, das Sie hier
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bey andere circumstantias ex bono
& aequo mit consideriren, und auff befinden dererselben Wichtigkeit die
inquisitam a tortura liberiren sollen, und solcher gestalt selbst tacite
erinnern wollen, daß dieses indicium, etiamsi per testes probari nequeat, daß
das Kind todt auff die Welt kommen sey, partu quippe clam edito, dennoch per
alias conjecturas & argumenta artificialia potissimum ex Medicorum
schola petenda elidiret werden könte.
quo faciunt etiam verba: wolte Sie dann solche Ihre Unschuld durch redliche gute Ursachen und Umbstände durch Kundschafft ausführen &c. Wann nun dieses, was bißhero deduciret worden, ad casum praesentem appliciret wird, so wird sich befinden: daß nicht nur (1) die requisita indicii, so in d. art. 131. erfordert werden, bey Annen garnicht verhanden seyn, sondern auch (II) daß Selbige durch gnugsame praesumtiones, partum nunquam extra uterum vixisse, dieses indicium elidiren könne. So viel jenes betrifft, so ist zwar an dem, daß Anna Ihre Schwängerung nie gestehen wollen, sondern selbige biß zur Zeit Ihrer Geburth heimlich gehalten, dannenhero scheinen könte, als ob die verba d. articuli
also heimlich trägt &c. Sie nicht wenig gravirten. Wenn man aber betrachtet, daß Sie diese Heimliche haltung nicht aus Vorsatz gethan, sondern ex ignorantia, und zwar aus einer solchen ignorantia, die ihre gewissen und wahrscheinlichen Ursachen hat, indem Sie (a) nichts im Leibe gefühlet,
vid. respons. Inquisitae ad art. 6. Vol. 2. fol. 67. a. Weil Sie nichts in Ihren Leibe gefühlet (b) Sie auch sonsten mit der obstructione mensium behafftet gewesen, welcher Sie die accidentia, die sonsten bey Schwangern sich ereignen, leichtlich ex errore zuschreiben können, massen nicht nur Ihre Mutter selbst dieses von Ihr ausgesagt
in resp. ad art. 4. fol. 62. a. Sie (die Mutter) habe solches zwar gesehen. Sie habe aber gewust, daß die Tochter NB. sonst eine Beschwerung gehabt und habe gemeinet, der hohe Leib wäre davon her sondern auch allenfalls Tit. Herrn G. B. berühmten Practici allhier zu Leipzig Eheliebste, bey welcher als Ihrer nahen Freundin Sie sich vor Ihrer Schwängerung eine Zeitlang auffgehalten, eben selbiges und daß Anna zur selbigen Zeit vielfältig über diese obstructionem geklagt, wird bezeugen müssen; So siehet man bald, daß obangezogene Worte von der Heimlichhaltung sich hieher nicht appliciren lassen, dieweil
per modo dicta conclus. 1. der articulus nur von denenjenigen, die dolo m̅alo und mit willen Ihre Schwangerschafft und Geburts-Zeit heimlich halten, zu verstehen ist. Zu geschweigen, daß
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auch diese Heimlichhaltung der
Schwangerschafft an und für sich selbst ohne Heimlichhaltung der Geburt
per dicta conclus. 4. kein Indicium machet. Ob auch ferner, so viel die Geburs-Zeit betrifft, bey herannahenden Geburts-Schmertzen und Entledigung von denselbigen niemand, als Ihre Mutter beständig bey Ihr gewesen, und dannenhero auch ex hoc capite offtberührter articulus hieher wieder Annen angeführet werden könte; so kan doch aus vielfältigen Ursachen behauptet werden, daß diese Anführung nur schlechterdinges ex captatione verborum, nicht aber ex intentione Legislatoris geschehe. Denn, da ist abermahls (1) kein dolus malus verhanden gewesen, weil Anna per modo dicta nicht gewust, daß Sie Schwanger wäre, und also die zugestossenen Schmertzen für Geburts-Schmertzen nicht achten können, (2) kan nicht gesaget werden, daß Sie das Kind heimlich zur Welt gebracht, weil Sie tempore partus sich nicht versteckt, und für denen Leuten verborgen gehalten, sondern in Ihre gewöhnliche Kammer gelegen, und jedermann der Sie nur besuchen wollen, für sich gelassen,
per deducta conclus. 2. Denn es ist nicht alleine die Köchin bey ihr gewesen, und sponte, nicht aber auff zumuthen der Inquisitae wieder von Ihr gangen.
Vid. fol. 52. a. Vol. 1. Des Tages und Abends zuvor, (id est eben vor derselbigen Nacht, als die Rea das Kind bekommen, welches die andern Umbstände weisen) als die Tochter das Kind bekommen, wäre Sie die Köchin bey solcher in der Kammer gewesen, und diese hätte sich in Bette hin und her geworffen, und wäre sehr kranck gewesen, und als Sie gefragt, was ihr wäre, hätte Sie Wehe geschrien und gesaget; wenn Sie nur Ihre liebe Mutter noch einmahl sehen solte: und darauff hätte Sie die Köchin herunter zum Hopffenpflücken gehen müssen. sondern es ist auch die Käse-Mutter zur selben Zeit zu Ihr kommen, Ihr auf den Leib gefühlt und ebenmäßig von freyen Stücken und nicht auf Bitte oder Geheiß der Inquisitin wieder davon gangen
Vol. 1. fol. 24. a. ubi der Praeceptor: der Tischer hätte Ihn berichtet, die Käse-Mutter hätte der Tochter auff den Leib fühlen müssen, welche gefragt, ob es bald besser mit Ihr werden würde, die aber geantwortet haben solte: Sie müste noch besser dran. Idem. d. fol. 24. b. Die älteste Tochter und die Käse-Mutter wären zuvor uneins gewesen, hernach aber solle die Tochter es selbiger abgebeten, und sie gebraucht haben.
Item die Köchin fol. 33. 2. zuvor ehe die Mutter nach Hause kommen, hätte die Tochter Anna, nach der Käse-Mutter geschickt, (quod notet. Ergo hat Sie es nicht heimlich gehalten) und Ihr, weil Sie zuvor uneins gewesen, wegen des Schreibers, es Ihr abgebeten, allermassen solches die Käse-Mutter zu Ihr und der Zoffe gesagt, und erzehlet, Sie hätte der Schwangern auf den Leib gegriffen, welche gefragt, ob es bald werden würde, der Sie aber geantwortet, Sie würde noch besser dran müssen. Als Sie nun die Käse-Mutter gefraget, ob Sie nicht bey Ihr blieben, hat Sie geantwortet, wie die Mutter wäre kommen, wäre Sie davon gangen.
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Die Käse-Mutter selbst d. Vol. 1. fol. 40. b. Sie hielte dafür, daß Anna das Kind den ersten Tag, als das Kindtauffen gewesen, bekommen. Denselben Tag hätte Sie Ihr müssen auff dem Bauch greiffen, hätte es Ihr auch abgebeten, da Sie zuvor mit einander gezürnet
Eadem hat Ihre vorige Aussage absonderlich, daß Anna Sie die Käse-Mutter hätte zu sich holen lassen, und Sie Ihr auff den Leib gegriffen, mit einem Eyde bestärcket d. Vol. 1. fol. 58. a. ja das Gänse-Mägdgen ist so lange, biß die Mutter nach Hause kommen, bey Ihr Annen continue blieben
Vol. 1. fol. 36. b. ubi das Gänse-Mägdgen: Sie wäre bey Annen damahls, als die Mutter zu St. gewesen, geblieben, biß die Mutter kommen, hernach aber wäre Sie zu Bette gangen Aus welchen allen gar deutlich zu schliessen, daß wenn Anna gewust, daß Sie Schwanger wäre und in Willens gehabt hätte Ihre Geburth zu verbergen, Sie weder das Gänse-Mägdgen würde haben so lange bey sich bleiben, noch die Käse-Mutter, Ihr auff den Leib zufühlen holen lassen, massen Sie ja nicht mächtig gewesen die Geburths-Wehen nach Ihren Gefallen zu verhalten, sondern Sie ja so leicht das Kind in praesentz der Köchin, des Gänse-Mägdgens oder der Käse-Mutter gebähren können, als Sie solches hernach in Gegenwart Ihrer Mutter gebohren, cum certissimum sit, facultates animae vegetativae & sensitivae, a quarum una certe, si non ab utraque, dependet generatio partus hominis, in hominis arbitrio non esse. So wäre es auch die gröste Thorheit von der Welt gewesen, wenn Sie Anna Vogtin in Willens gehabt hätte partum zu verbergen und zu ertödten, daß Sie die Käse-Mutter zu sich holen, und Sich den Bauch befühlen lassen auch fragen sollen, ob es bald gut werden werde. Und warum hat Sie die Käse-Mutter, da Sie Ihr auf den Bauch gefühlet, und also wohl gemerckt, daß Anna Vogtin ein Kind gebähren wolte, dieses nicht zum wenigsten in Abwesenheit der Mutter, Herrn Hanß Heinrichen den Vater gesagt, oder begehret, daß eine verständige Frau darzu geholet werden möchte. Die gebährende ist leicht zu entschuldigen, als welche biß auf die letzte Stunde nicht wissend, daß Sie Schwanger sey, in ipso partu für überhäufften Schmertzen, wie leicht zu erachten, nicht gewust, was Sie gethan oder thun sollen, welches Sie auch nicht ohne Wahrscheinlichkeit ad articulos offt wiederhohlet,
Vid. Vol. 2. fol. 67. b. ad art. 13. Sie habe in der Angst nicht gewust, wo Sie alle wären, & ad att. 19. Sie hätte aus Angst nicht behalten, ob das Gänse-Mägdgen droben blieben oder hinunter gangen wäre. Non obstat, daß der Praeceptor fürwendet, als habe niemand zu Ihr Annen gedurfft
Vid. Vol. 1. fol. 24. a. Das Gäuse-Mägdgen hätte die Tochter bewachen müssen, und hätten sonst niemand in Ihre Kammer zu Ihr gelassen, das Schlüssel-Loch solte zugestopfft gewesen seyn,
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Denn daß dieses von denen drauff folgenden Tagen und nicht von dem tempore partus
zu verstehen sey, weiset nicht alleine der contextus, da der Praeceptor selbst
sagt, und es wiederhohlet, daß Anna die Käse-Mutter zu sich hohlen lassen,
sondern es bezeugen es auch der Köchin und Zoffe Ihre Aussage.
Vol. 1. fol. 33. b. ubi die Köchin: Frühe Morgens hätte niemand zu Ihr der Tochter gedurfft, sondern die Mutter alleine wäre bey Ihr zu und abgegangen, auffer das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr blieben, weil der Herr und Frau gespeiset.
Item die Zoffe fol. 55. a. Frühe Morgens hätte zwar niemand zur Tochter gedurfft, ob aber die Mutter bey ihr gewesen, wisse Sie nicht, das Gänse-Mägdgen wäre bey Ihr blieben, wenn Herr und Frau gespeiset. Ob es nun gleich an dem, daß Anna nebst Ihrer Mutter POST PARTVM Ihre Schwangerschafft und Geburth heimlich gehalten, so kan doch hieraus kein indicium genommen werden, weil der Imperator bloß de celatione impraegnationis ante partum & partus ipsius redet, und dessen Verordnung tanquam poenalis odiosa auff diesen casum nicht extendiret werden kan, zumahlen auch hierbey keine ratio connexionis mit unterläufft, daß man schliessen könte: Inquisita hat nach der Geburt solche heimlich gehalten, Ergo hat Sie das Kind umbgebracht. Vielmehr ist daraus zuschliessen, daß dieses deßhalben geschehen, damit die Schande, die durch das todtgebohrne Kind nicht public worden, ferner verborgen bliebe, welches auch die Inquisitae selbst gar wahrscheinlich suppeditiren
Anna ad art. 40. Vol. 2. fol. 69. b. Weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre.
Frau Maria ad artic. 39. d. Vol. 2. fol. 66. a. Ja freylich sey es darumb geschehen, daß Ihrer Tochter Schande verschwiegen bliebe (3) So kan auch daher nicht gesagt werden, daß Anna Ihr Kind heimlich zur Welt gebracht, weil Ihre Mutter Frau Maria bey ihr gewesen
per conclus. 2. supra p. 62. denn wolte man gleich sagen, daß der in Gegenwart der Mutter geschehener partus ebenfalls pro clandestino zu halten sey, weil die Mutter solchergestalt, und weil Sie niemand zur Geburth beruffen, selbst des infanticidii verdächtig, so könte doch dieser Einwurff gar leichte beantwortet werden, daß nirgend in Constitutione Criminali versehen, daß pro infanticidii indicio respectu aviae gehalten werden solte, wenn selbige alleine bey der Tochter Ihren partu wäre, und ist über dieses schon oben ausgeführet worden, daß in actis sonsten nicht das geringste indicium verhanden, welches mit Bestand auff die Mutter appliciret werden und Sie graviren könte: man müste denn anführen wollen, daß die Mutter deßhalben verdächtig sey, weil die Tochter verdächtig wäre, und Sie bey derselben alleine gewesen: Allein dieses ist eben itzo in quaestione, ob die Tochter verdächtig sey, und wenn demnach die Mutter nicht eher verdächtig ist, als wenn ein indicium grave auff die Tochter ge
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bracht worden wäre, so kan ja dieses nicht pro indicio wieder die
Tochter gehalten werden, weil Sie in partu mit der Mutter alleine gewesen, denn
sonsten würde eine formalis argumentatio per circulum herauskommen, (Filia ideo
est suspecta, quia mater talis est, & mater ideo est suspecta, quia
filia talis est) worvon aber verständige sehr wenig zu halten pflegen; ja es
würden auff diese masse zwey propositiones conditionatae formiret werden müssen,
die zusammen conditiones perplexas machten, welche auch in jure pro ineptis
& omnes actus morales vitiantibus gehalten werden
per expressum textum in l. 16. de condit. instit. Denn, gleich wie daselbst die ineptitudo in folgenden formalibus bestehet, si Titius heres erit, Sejus heres esto, si Sejus heres erit, Titius heres esto; also würde dergleichen ineptitudo entstehen, wenn man sagen wolte: si mater suspecta est, filia quoque erit suspecta, & si filia est suspecta, mater quoque suspecta erit. Hierzu kömt noch, daß alle die andern Umbstände weisen, daß weder die Mutter noch die Tochter ea intentione was böses zu begehen beysammen gewesen. Denn da ist nirgend in denen Acten zu befinden, daß Anna die Mutter von der Kindtauffe nach Hause zu sich hohlen lassen, sondern die Mutter ist in später Nacht, und da Feyer-Abend gewesen, wie es auff dem Lande gebräuchlich, nach Hause gefahren kommen
vide insuper depositionem Inquisitarum & Matris quidem ad art. 9. 10. 11. fol. 62. b. & 63. a. & filiae ad art. 9. fol. 67. a. welches sie nicht würde gethan haben, sondern wohl eher nach Hause kommen, ja nicht einmahl über Land auff das Kindtauffen gefahren seyn, oder doch zum wenigsten mit der Tochter Verlaß genommen haben, daß man Sie, wenn es Noth hätte, hohlen lassen solte, wenn sie von der Tochter Schwangerschafft Wissenschafft gehabt hätte und mit Ihr der Tochter etwas böses vornehmen wollen. Als auch die Mutter nach Hause kommen, hat man Ihr gantz nicht gesagt, daß die Tochter kranck wäre (denn dieses ist nirgends in actis zu befinden) sondern Sie hat sich erstlich ausgezogen, und ist hernacher auff den Boden gangen, wo Sie zuschlaffen pflegen, in Willens sich nieder zu legen, als Sie aber die Tochter ächtzen und winseln hören, ist Sie in Ihre der Tochter Kammer hinein gangen.
Vide depositionem der Zoffe Vol. 1. fol. 54. b. als die Frau den ersten Abend von der Kindtauffe nach Hause kommen, wäre Sie nur ein wenig in die unter Stube gangen und sich ausgezogen, bald aber darnach auff den Boden, wo sonst der Herr und Kinder in 2. Kammern neben einander geschlaffen, gegangen und nicht wieder herunter kommen, Ob Sie aber noch diesen Abend in der Tochter Kammer gangen, könne Sie nicht wissen.
Item die Köchin d. Vol. 1. fol. 51. b. Den ersten Abend, als Sie von St. herein kommen, wäre die Frau Maria ein wenig in die Unter-Stube gangen, und sich ausgezogen, hernach aber auff den Boden, allwo Herr, Frau und Kinder neben einander in zwey Kammern sonst geschlaffen, gangen und nicht wieder herunter kommen. Ob Sie aber selben Abend in der Tochter Kammer gangen, könte Sie nicht gewiß sagen.
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welches alles auf solche Art nicht würde zugegangen seyn, wenn sie Frau Maria mit
der Tochter de malo facinore perpetrando sich beredet gehabt, und mit Ihr
colludiret hätte. Hier ist nun leicht zu erachten, wie der guten Frau Marien zu
Muthe gewesen, und Sie müsse erschrocken seyn, als Sie, welches Sie bißher nicht
geglaubet, befunden, daß Ihre Tochter schwanger und Ihre Geburts-Stunde so nahe
sey, ja als gar das Kind, ehe Sie Frau Maria sich vollend ausziehen, und Ihr der
Tochter zu helffen sich praepariren können, alsbald in continenti da gewesen.
vid. respons. Fr. Marien Vogtin ad art. 12. & 16. Vol. 2. fol. 63. jedoch ist auch bey der Geburth des Kindes nichts vorgangen, wordurch das Kind hätte verwarloset werden können. Denn Anna hat das Kind also liegend in Bette bekommen
Ita respond. Fr. Maria ad art. 15. Vol. 2. fol. 63. b. & Anna ad artic. 17. fol. 67. b. da es also an nichts hartes angestossen, wodurch es etwa verletzet worden, die Frau Maria aber hätte die Nabel-Schnure an den Kinde gerne verbinden wollen, wenn es lebendig gewesen wäre, und geblutet hätte
ad art. 25. fol 64. b. aber so ist das Kind alsbald todt auff die Welt kommen, und hat gantz grünlicht als verweset ausgesehen
Fr. Maria ad art 18. & 24. fol. 63. b. & 64 a. Anna ad art. 15. & 25. fol. 67. b. & 68. b. Verhoffentlich ist per hactenus allata sufficienter ausgeführet, daß das Indicium, welches ex art. 131. Constitutionis Carolinae in causis infanticidii fürnemlich attendiret wird, auf Annen nicht appliciret werden könte. Solte aber über verhoffen denen Herrn Urtheilsfassern noch einig dubium residiren, so wird doch selbiges durch folgende probationes, daß das Kind todt auf die Welt gekommen, gäntzlich gehoben werden, und Inquisitae Unschuld hervor blicken. Der Beweiß und Bescheinigung einer Sache bestehet entweder ex argumentis artificialibus aut inartificialibus, scilicet testibus & Instrumentis. Durch Instrumenta kan zwar Inculpata nicht erweisen, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, so scheinet es auch, daß durch testes dißfalls nichts erwiesen werden könne, weil niemand bey dem partu ausser die Frau Mutter gewesen; Alleine warum Frauen Marien Ihre itzt referirte Aussage
ad art. 18. & 24. fol. 63, b. & 64. a. bey dreser Sache gantz und gar nicht attendiret werden solle, kan man nicht absehen. Denn ob Sie gleich testis unica, correa adeo suspecta, & non jurata ist; So ist doch bekant, quod testis unicus etiam ad rei defensionem & probandam eius innocentiam sufficiat
Farrinac. de test. quaest. 63. n. 42. etiam si sit ex parentibus rei
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Farinac. qv. 54. n. 208. seq. Nec obstat, daß Frau Maria bey diesen delicto selbst correa ist. Denn zu geschweigen, quod ad defensionem rei admittantur testes alias plane inhabiles
Idem Farinac. qv. 62. n. 90. seqq. & qv. 56. n. 73. & de crimine accusati
Idem Farinacius d. qv. 56. n. 179. ubi notanter: si enim ille, qui vere apparet criminosus, admittitur, multo magis debet admitti ille, qui solum est de erimine accusatus & hoc non habet difficultatem. so ist bey gegenwärtigen casu dieses wohl zu beobachten, daß wieder Frau Marien Vogtin gar kein beständig indicium verhanden, sondern Sie nothwendig vel simpliciter vel certe cum conditione absolviret werden muß. Wann nun dieses geschehen, so fällt alle suspicio von Ihr weg, und kan Sie alsdenn hernach, cum desierit esse inquisita, gar wohl dieses Puncts halber, als testis eydlich vernommen werden. So mangelt es auch der Inquisitae an probationibus artificialibus nicht. Denn (1) weiset beykommender rotulus sub . daß Anna kurtz zuvor, ehe Sie das Kind bekommen, aus dem Backhause über die Schwelle gar harte auff den Leib gefallen, und darüber sehr erschrocken
vide deposit. test. 2. ad art. 2. 3. 4. 5. 6. & 7. (2) daß in partu Catharina R. (die Käse-Mutter) die Ihr Annen auff den Leib gefühlet, nicht das geringste empfunden, daß Sich in den Leibe gereget habe,
vid. deposit. ejus ad art. 11. & 12. welches doch sonst nicht wohl möglich gewesen wäre, wenn das Kind in utero noch gelebet hätte, auch gar leicht geschehen können, daß durch diesen harten Fall das Kind erschlagen worden. (3) So setzet Inquisita zu Beweisung, daß Ihr Kind todt auff die Welt kommen, diesen Schluß: Pulmones infantis exacti in aqua sub mersi sunt, Ergo infans extra uterum nunquam vixit. Jenes ist facti, und wird durch Herr D. Schreyers Aussage erwiesen
Vol. 2. fol. 73. ubi ad art. 2. Der Barbierer hätte in seinen Beyseyn die Section verrichtet, und die Lunge in das Wasser geworffen & ad art. 3. ja (die Lunge sey untergesuncken,) und solches hätte der Herr Amtsverwalter und alle anwesende mit angesehen dieses ist eine wohl gegründete Meinung und principium Dominorum Medicorum, welche nicht nur mit herrlichen rationibus, sondern auch mit guten unverwerflichen experimentis behauptet wird Denn da hat nicht nur offterwehnter Herr D. Schreyer diese Meinung sufficienter deduciret,
in beykommender deduction sub A. auff welche er sich in der Aussage ad articulum 4. fol. 73. Vol. 2. beziehet, verbis: Was diesen Articul belangete, hätte er die Meinung vorlängst in einer langen deduction Herrn Hanß Heinrichen schrifftlich ausgestellet, worauff er Sich nochmabls beziehen thäte.
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sondern es hat auch schon längst ein berühmtes Mitglied Societatis Curiosorum
Germaniae Carolus Raygerus
in Anno 6. Curiosorum p. 299. worvon Herr D. Schreyer selbst einen extract ad art. 5. d. fol. 73. vol. 2. gegeben, auch einer dergleichen sub B. hier beygefüget wird. dieses als ein argumentum indubitatum ad convincendas (ergo & ad defenden. das) infanticidas & indagandam veritatem, an infans in utero mortuus vel demum post partum quocunque modo strangulatus vel occisus fuerit, angegeben. Ja es bekräfftigen Selbige noch ferner zwey berühmte Medici Lipsienses
in responso sub C. anderer vortrefflichen Medicorum, die dieser Meynung, erwehnen, und selbige als rem notoriam praesupponiren, anietzo zu geschweigen
Vide inter plures Malachiam Thruston de respiratione Sect. 22. p. m. 85. versic: Primo itaque constat &c. Joh. Svammerdam de vespiratione cap. 5. §. 2. & 3. p. m. 38. Thomam Bartolinum Tract. de pulmonibus sect. 2. p. m. 29. versic. ingens dubium oritur, quorum loca exhibentur sub D. Non obstat, daß vielleicht diese Meinung nicht eben von allen Herren Medicis für so universal will gehalten, und behauptet werden, sintemahl nicht nur Herr D. Wedel dieses argumentum pro universali nicht ausgeben will,
Herr D. Schreyer ad art. 5. d. fol. 73. Vol. 2. und Herr D. Wedel Prof. Publ. Jenensis in literis ad me datis. Subsidentia pulmonum in aqua quoddam praebet signum de infante in utero denato, non autem universale argumentum est. sondern auch vielleicht noch mehr Scriptores verhanden seyn können, die Herrn D. Wedels Meinung behaupten, ja wohl diese praesumtion gar nicht gelten lassen wollen, denn es ist männiglich bekandt, daß unter denen Herren Medicis propter diversitates hypotheseon nicht leichtlich eine Meinung durchgehends wird approbiret werden, sondern man ja so leicht opiniones communes contra communes bey Ihnen antreffen könte, als in Jure von dergleichen communibus contra communes gantze tractat verfertiget worden. Zum wenigsten, und wann auch gleich in eventum diese Meinung de pulmonibus nicht von einer gantzen Facultät approbiret werden solte, würde doch daraus nicht geschlossen werden können, daß selbige falsch sey, in Ansehen es denenjenigen, die pro inquisita angeführet werden, nicht ermangeln wird, auff die rationes Dominorum dissentientium gründlich zu antworten, sondern es würde Hn. D. Caroli Raygeri sententia auff solche Masse nur dubia werden, und derowegen wird es noch pro favore Inquisitae genung seyn, wenn die oben specificirte opinio inter conjecturas zu rechnen wäre. Massen dann ja die Criminalistae darinnen einig sind, quod praesumtiones delicti confutari possint contrariis conjecturis & praesumtionibus
Mechon. l. 5. praesumt. 48. n. 9. Jam vero in dubio semper in mitiorem partem est praesumendum
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Zangerus de quaestion. c. 2. n. 177. Bald. in l. 2. vers. secundo quaeritur C. de furtis. Menoch. de arbitr. cent. 5. cas. 472. n. 7. Et in dubio potius praesumitur possibile honestum, quam possibile inhonestum
Menochius de arbitr. Judic. lib. 2. cent. 1. casu 89. n. 22. 23. ubi hanc regulam applicat assertioni, quod silius natus ex conjugio pro legitimo haberi debeat, etiamsi probatum fuisset, matrem cum adultero eo tempore consuetudinem habuisse. Praeterea illa conjectura potentior dicitur, quae est pro reo
Menoch. d. cas. 472. n. 25. & ubi pares sunt probationes, ex latere Rei una semper adest juris praesumtio, sive in criminali judicio, sive in civili versemur, ne scilicet deliquisse credatur sed potius sit absolvendus.
l. merito ff. pro socio. l. item apud Labeonem §. servum communem ff. de injur. Menoch. cas. 98. cent. 1. n. 3. & de praesumt. lib. 5. praes. 2. n. 1. 2. Boerius decis. 165. n. 9 Ulterius praesumtio est, quod parentes non minus diligant liberos quam se ipsos, & ideo quemadmodum quis seipsum offendere nolit, ita etiam nolit filium laedere,
Menoch. Lib. 5. praesumt. 14. n. 1. & Lib. 6. praesumt. 56. Und gelten angeführte praesumtiones nicht allein in delictis levioribus, sondern Sie werden auch ad crimen infanticidii von dem berühmten JCto Francisco Hottomanno
Consil. Crimin. 96. appliciret, und zwar auff einen solchen casum, da viel stärckere praesumtiones wieder die ream stritten, auch diejenigen, so Hottomannus entgegen gesetzt, lange so sufficient und gültig nicht waren, als die, welche inquisita anietzo zu deducirung Ihrer Unschuld angeführet.
Quaedam enim Laurentia accusabatur infanticidii & quaerebatur, an possit torqueri? Deposuerat obstetrix, videri sibi partum a Laurentia necatum. Opponit Hottomannus: esse testimonium de credulitate: adfuisse tenebrarum & noctis obscuritatem, quae impedire potuerint, quominus illa obstetrix satis commode suis oculis uti potuisset. Denique & ipsam obstetricem deposuisse: partum sibi visum esse immaturum neque ullam sanguinis maculam apparuisse, sed potius se ejusmodi tumores & lividos colores in aliis immaturis partubus animadvertisse. Unde concludit: etiamsi quaedam essent praesumtiones adversus ream: tamen in dubio praevalere praesumtionem quae facit pro ipsa -- quippe cum judices faciliores esse debeant ad absolvendum quam condemnandam -- & doctrina illa communis recepta est, quod praesumtiones in bonam partem potius accipiendae sunt, quam in malam, hoc est, ut potius aliquis dicatur non deliquisse quam deliquisse, quam doctrinam refert & sequitur Abbas -- Ludovicus Romanus -- Baldus -- Oldradus -- Alexander -- & ideo debilior praesumtio, quae facit pro reo, elidit fortiorem, quae facit contra reum, ut copiosissime tum ex antiquis bonis autoribus, tum ex nostris Doctotibus demonstravit Benedictus &c.
|| [73]
welcher Locus Hottomanni gleichwie er hauptsächlich pro innocentia Annen Vogtin
zu consideriren ist; Also zweiffelt auch Selbige gantz nicht, es werden die
Herren Urtheilsfassere bey diesem schweren casu alle Umbstände wohl und genau
ponderiren, und Sie ab Inculpatione infanticidii bey so gestalten Sachen
absolviren.
Dannenhero auch Herr Hanß Heinrich der Vater seines Orts auff die 3. Frage: Ob Er
nehmlich so wohl umb die Schwängerung seiner Tochter, als auch um die Ermordung
des todten Kindes gute Wissenschafft gehabt: kürtzlich mit nein antwortet, und
in deducirung seiner Unschuld sich ferner auffzuhalten nicht nöthig erachtet,
dieweil, so viel die Ermordung betrifft, praesupposito, daß das Kind nicht
ermordet worden, auch seine Wissenschafft darvon von sich selbst wegfället,
quippe cum non entis nulla sit scientia, was aber die Schwängerung anlanget,
nicht das gerinste indicium wieder Ihn in actis vorhanden, auch was etwan von
seiner Beyseitmachung und Austretung für Argwohn geschöpffet werden möchte,
durch eben die responsiones, die oben bey der andern Frage wegen Annen und Frau
Marien Ihrer Flucht angeführet worden, elidiret werden kan, zu geschweigen, daß
nirgend in Rechten gegründet zu seyn scheinet, quod notitia parentum de
defloratione jam facta filiae für ein straffbares Delictum gehalten werden
solle; weßhalben er vielmehr in Nahmen GOttes nebst seinem Weibe und Tochter in
Rechten zu erkennen bittet, daß Sie insgesamt von der angestelleten Inquisition
zu entbürden.
Concludendo.
§. XXVI. In der defension werden sechs Beylagen citirt, eine(Beylagen der Defension I.
Zeugen Aussage pro Rea.) sub . Extract aus
dem Kirchen-Buche zu Pr. von der Annen Ihren Alter, die andere sub Aussage
der Käse-Mutter und der Zoffe, die dritte sub A. D. Schreyers deduction, die
vierdte sub B. Caroli Raygeri locus, die fünffte sub C. Responsum Doctorum
Rivini & Langii, die sechste sub D. Testimonia aliorum Medicorum. Die
erste Beylage ist nicht tanti, daß Sie weiter angeführet werde, die andere aber
sub nemlich die allbereit §. 23. erwehnte eydliche Aussage der Käse-Mutter
und Zoffe, die in actis Vol. 2. fol. 122. seq. befindlich, ist solgende.
Praem. Praemitt. ART. 1. Wie Zeuginnen heissen und wie alt sie seyn? TEST 1. Sie
die Käse-Mutter heisse Catharina R. und sey 32. Jahr alt. TEST. 2. Sie (die
Zoffe) heisse Dorothea K. und sey 20. Jahr alt. ART. 2. Ob nicht Zeugin bewust,
daß Anna aus dem Back-Hause zu Gr. über die Schwelle gefallen? TEST. 2. Das habe
Sie alleine gesehen, sonst wäre niemand mitgegangen. ARTIC. 3. Ob nicht dieses
zu der Zeit geschehen, da Anna mit schwangern Leibe gegangen? TEST. 2. Ja.
ARTIC. 4. Ob nicht damahls Anna gar hart auf den Leib gefallen? TEST. 2. Sie
wäre hart darnieder geschlagen. ARTIC. 5. Ob Zeugin nicht wisse, wann und zu
welcher Zeit es geschehen? TEST. 2. Es wäre noch vor den Melsener Marckt
geschehen, die Pflaumen wären schon reiff gewesen. ART. 6. Und also wahr, daß
dieser
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Fall kurtz vor der Zeit geschehen, ehe Sie des
Kindes genesen? TEST. 2. Ja. ARTIC. 7. Ob Anna ihnen nicht geklagt, daß Sie so
hefftig aus den Backhause auf den Leib gefallen, davon ihr sehr wehe worden?
Resp. TEST. 1. Anna hätte es ihr nicht geklaget, davon gehört hätte Sie. TEST.
2. Anna hätte vor Schrecken nichts gesagt. ART. 8. Ob Anna etliche Tage nach den
Fall nicht zu ihnen gesaget, vor den Fall hätte Sie gefühlet, daß Sich etwas in
ihrem Leibe gereget, nach den Fall aber nichts mehr? TEST. 1. Nein, Anna hätte
zu ihr nichts gesagt. TEST. 2. Anna hätte zu ihr nichts gesagt, indem Sie es vor
ihr stets gar verborgen gehalten. ART. 9. Ob Zeugin zu der Annen, als selbe in
der Kindes-Noth gearbeitet, in die Kammer kommen sey? TEST. 1. Ja, Anna hätte
Sie lassen hohlen. ART. 10. Ob Zeugin der Annen nicht auf den Leib gefühlet?
TEST. 1. Ja, Sie hätte es gethan. ART. 11. Ob Sie damaln gefühlet, daß sich die
Frucht im Mutter-Leibe gereget? TEST. 1. Nein, Sie hätte nichts gefühlet. ART.
12. Ob nicht Zeugin gäntzl. dafür halte, daß das Kind bereits damaln im
Mutter-Leibe todt gewesen? TEST. 1. Daß könne Sie nicht wissen, was GOtt gethan,
auf der Annen Leibe hätte sie nichts sich darinnen regende gefühlet. ART. 13. Ob
Zeuginnen nicht das todtgefundene Kind, welches von der Köchin nochmals
ausgegraben worden, abgewaschen, oder doch bey der Abwaschung gewesen? TEST. 1.
Abgewaschen gesehen hätte Sie das todte Kind, aber sie wäre nicht bey dessen
Abwaschung gewesen, sondern Dorothea die junge Magd und Anna hätten es selbst
abgewaschen. TEST. 2. Sie hätte es abgewaschen. ART. 14. Ob Zeuginnen an dem
todten Kinde einige Verwundung verspühret? TEST. 1. Nein, Sie hätte nichts
gesehen. TEST. 2. Sie hätte nichts gesehen. ART. 15. Ob Zeuginnen gewiß sagen
können, daß zur Zeit der Abwaschung keine Verwundung an den todten Kinde zu
sehen gewesen? TEST. 1. Sie hätte nichts daran gesehen, Sie könte es nicht
sagen. TEST. 2. Sie hätte es abgewaschen und so gerieben, daß die Haut sich
gantz abgerieben von dem laulichten Wasser, aber nicht die geringste Verwundung
gesehen. ART. 16. Ob Zeuginnen nicht wissend, wer die Wunden, so hernach bey der
Besichtigung gefunden worden, in das todte Cörperlein gemacht. TEST. 1. Daß
wisse sie nicht. TEST. 2. Das wisse Sie nicht, von der Köchin aber hätte Sie
vernommen, daß Sie es wohl könte gestochen haben mit dem Brat-Spiese, indem sich
dieselbe öffters auf den Lappen, darein gedachtes Cörperlein gewickelt gewesen,
beruffen, daß man es an solchen sehen könte, als hätte Sie selben Lappen damals
sehr löcherich befunden, zur selben Zeit aber der Sachen so weit nicht
nachgesonnen, nunmehro aber wäre der Lappen gantz vermodert.
(2. D. Schreyers deduction.)
§. XXVII. Herrn D. Schreyers deduction, daß die untersinckende Lunge im Wasser
Anzeigungen geben, daß ein Kind oder Thier ausser Mutter-Leibe nicht gelebet
habe, ist Vol. 2. fol. 129. seq. befindlich.
|| [75]
Quaestio est: An pulmones aquae impositi, si submergantur, Indicium praebeant,
animal, cujus pulmones sint, extra uterum vitam nunquam habuisse?
pro affirmativa sunt positiones seqq.
1. Embryo tum demum vere vivere creditur, quando in Iucem editus respirat, in
utero autem respiratione caret. GALENVS de L. Ast. l. 6. c.
5. In confesso est, & spirationem a vitu & vitam a
spiratione separari non posse, adeo, ut viventem non spirare &
spirantem non vivere, sit impossibile. DEVSING in microcosmo: non vivere dicitur foetus in utero,
quia actus naturales corporis non exercet, seu operationes habet
organorum. KYPERVS l. 1. med. contr. cap. 23. §. 53,
Ordinarie respiratio in foetu non est.
LAMSVERDE & SVAMMERDAM: non respirat Embryo, quia
aquae innatat, aer desicit, & musculi ad respirationem necessarii
debiliores sunt.
2. Per respirationem aer in pulmones ingreditur, vocisque modulationem regressu
efficit; ejulatus enim & vagitus in utero extra ordinem sunt, NYMAN. de
vita foet. in utero testatur, & BARTHOLINVS refert: Tempore partus aërem accipit infans.
3. Aer in pulmones receptus non totus exsufflatur, sed in vesiculas receptus,
istos alias in se subsidentes coarctat, & graviores qui sunt, dilatat,
leviores reddit, ut aquae, quod lanionibus notum, supernatent. SVAM. MERDAM: Propter aeris praesentiam aquis impositi pulmones nunquam
fundum petunt, postquam semel tantum animal
inspiraverit. DEVSING. sect. 6. de mot. cord. Pulmones in foetu rare-fiunt quando in lucem editus,
compactior pulmo in utero est. HARVEJVS: Per pulmones foetus sanguis non circulatur in utero, quia
subsident. LAMSVERDE: In foetu pulmones semper sunt
contracti, assumto aëre expanduntur & dilatantur; in lucem vero
editus infans cito respirat. quia in utero semper est spirandi conatus.
4. Contrariorum eadem est ratio, si propteer aëris ingressum pulmo allevatur ut
aquae innatet, sequitur, quod in defectu aëris etiam pulmonem, qui in utero
compactior & gravior, in aqua subsidere oporteat. Proinde
5. posita respiratione in foetu extra uterum ponitur vita & contra:
respiratio enim & vita pari passu ambulant. ARISTOT. de resp. cap. 2. Inspiratio & exspimtio principatum vitae &
necis habent, & GALENVS l. 6. Loc. aff. cap.
5.
6. data respiratione, datur pulmonum levitas, negata hac, negatur aëris ingressus
& respiratio, manetque pulmonum gravitas.
adeoque positis his sequitur
7. Quod pulmonum cadaveris cujuscunque gravitas, coarctatio & sub
|| [76]
mersio excludat respirationem & vitam
extra uterum, praebeatque indicium, animal tale extra uterum nunquam vixisse,
Cizae 4. Februarii, 1683. JOHANN SCHREYER D. Physicus Cizensium Juratus. ( 3. Locus Caroli Raygeri. ) §. XXIIX. Der locus ex Caroli Raygeri Med, Doct. & Physici Posoniensis Anno 6. Curiosor. p. 299. de infante mortuo excluso dissecto, Actorum fol. 131. lautet also: Pulmones parvi, exigui, non admodum rubicundi, instar parenchymatis hepatis vel portiunculae carnis ex utroque latere cordis jacebant, in aquam mersi subito fundum petebant, inde constitit, infantem in utero non respirare: (alias aëre distenti fuissent) illumque fuisse ante exclusionem mortuum; nam si semel tantum extra uterum respirasset, aër in pulmonibus detentus submersionem impedivisset. Ut autem de experimento certi essemus, immisimus pulmones agninos in aquam, qui supernatarunt, etiamsi incisi sint, & aër omni vi expressus fuerit; foetus vero pulmones fundum petierunt. Deinde cum foetus post mortem exclusus & pulmones toties, quoties immersi fuissent, fundum petiissent, unum sumsimus perque afperam arteriam inflavimus, inde loci statim distenti sunt. mox omni conamine expresso iterum flatu, natarunt, nihilominus nec mergi potuerunt. Argumentum credo indubitatum ad convincendas infanticidas & indagandam veritatem, an infans in utero mortuus vel demum post partum, quocunque modo strangulatus vel occisus? (4. Responsum Herrn D. Rivini und D. Langens.) §. XXIX. Folget das Responsum derer beyden Herren Medi. corum zu Leipzig D. Rivini und D. Langens, davon das Original in Actis Vol. 2. fol. 132. P. P. Es begehret derselbe unser Bedencken über dieser Frage: Ob man gewiß seyn könne, daß foetus nicht gelebet habe extra uterum, wenn desselben Lungen ins Wasser geworffen, untersincken? Nun ist zu Beantwortung dieser Frage 1) unstreitig, und jederzeit zu erweisen, daß insgemein alle Lungen, so wohl von Menschen, als auch anderer Thiere, so bald sie Athem geschöpfft, im Wasser nicht untersincken, sondern allezeit schwimmen, man werffe sie gantz oder stückweise hinein. 2) Ist auch dieses gewiß, und durch vielfältige Experimenta erwiesen, daß so man eines Thieres, so entweder todt gebohren, oder auch aus Mutter-Leibe geschnitten, und in seinen Membranis gestorben; Wie denn hiervon D. Carl Raygeri Observation, so er in 2. unterschiedenen todt gebohrnen Kindern gehabt, und in Miscell. Nat. Curioso
|| [77]
rum
in German. Anno VI. Observat. CCII. pag. 299. zufinden,
deßhalben unter andern zulesen würdig, daß man des Spigelii und anderer
Autorität anzuführen nicht nöthig hat. Damit aber iedermann sehe, worauf sich
diese Experimenta gründen, und aus was Ursachen sie iederzeit unfehlbar
erfolgen, wollen wir unsere wohlgegründete, und der Natur gemässe Rationes mit
anführen. Was den 1) anlanget pulmones viventium extra uterum, so darff es
keines grossen Beweises, warum selbe auff den Wasser schwimmen, sintemahl die
durch die Respiration geschöpffte Lufft, welche sich gutes theils auch post
exspirationem in denen cellulis pulmonum verhält, so wenig dieselben in Wasser
sincken läst, als etwa sonst eine mit Lufft angefüllte Blase, nun respiriret
aber 2) die Frucht, so lange sie in Mutter-Leibe liegt, gantz in geringsten
nicht. Denn (1) kan man ad oculum demonstriren, wenn die Frucht aus Mutter-Leibe
geschnitten wird, daß in geringsten keine Lufft in dem Amnio oder Häutlein, so
immediate die Frucht umschliest, sondern dergleicheu Liquor zufinden sey,
welcher, so er inter inspirandum (wie es denn nicht wohl anders seyn könte) in
die Lungen eingezogen würde, ungereimt, und der Natur allerdings zuwieder wäre.
(2) Kan auch dieses alle Tage demonstriret werden, daß so lange der Foetus in
seinen involucris verschlossen lieget, selber entweder sich gar in geringsten
nicht bewegt, oder doch, wenn er sich gleich in übrigen rege, dennoch Thoracem
nicht movire, ohne welchen doch die Respiration keines weges geschehen kan. (3)
Hätte sich die Natur nicht vergeblich bemühet, und so wohl das foramen ovale,
als nuch anastomosin arteriosam in Embryone formirt, damit das Geblüte die
Lungen vorbey gehen könne, und durch selbe nicht dürffte circuliret werden, wenn
die Lungen durch die Respiration expandirt, die ordentliche Circulationem
sanguinis zuliesse. Wenn demnach eintzig und allein wegen Mangel der Lufft, die
Lungen foetus in utero extincti, denen andern zuwieder, welche ausser
Mutter-Leibe gelebet, in Wasser untersincken; ein Kind aber den Augenblick, da
es zur Welt gebohren wird, alsobald zu respiriren anfängt, so muß auch diß
unstreitig erfolgen, daß welche Lungen in Wasser sincken, von keinem animali
seyn können, so ausser Mutter-Leibe gelebet habe. Diese unsere Resolution der
zugeschickten Frage, welche wir niemand zu Liebe oder Leyd, sondern nach unsern
guten Wissen und Gewissen aus eigener Observation und Grunde der Wahrheit
auffgesetzt, haben wir auff Begehren schrifftlich ausfertigen, und eigenhändig
unterschreiben wollen. Geschehen in Leipzig d. 10. Novembr. 1683.
D. Aug. Quirin. Rivinus.
D. Christian Joh. Lange.
§. XXX. Endlich die excerpta ex scriptis variorum Medicorum,(
4. Excerpta varia ex Medicorum scriptis.
) pulmones embryonum & extra uterum viventium concernentia. A
ctorum fol. 134.
|| [78]
MALACHIAS TRVSTON de Respirat. Sect. 22. p. m. 85. Primo
itaque constat, pulmones in foetu nondum respirante compressiores esse, vasa
pneumatica multum connivere, atque ob fluiditatem parenchymatis non nunquam
quasi incurvari & complicari, denique totam pulmonum molem densam
& quodammodo compactam cerni. Constat etiam, eosdem pulmones hoc tempore
faturatae pene rubedinis esse, quin & graves, ponderisque fere paris cum
reliquis carnibus, unde & in aquam conjecti submerguntur. Quorum ratio
haec impraesentiarum esse videtur, quod aëre nondum hausto membranaceae illae
vesiculae (ex quibus potissimum pulmonum moles constare, cum Malpighio mihi
etiam verisimile fit) nondum impleantur, attollantur & in conspectum se
prodant, nempe latera earum, nondum submerso aëre, coeunt, & se mutuo
tangunt, unde fit, ut sola fere vasa sanguifera, & sanguis circumfusus
obversentur oculis; hinc tanta densitas & rubedo, pondus etiam
gravitasque. JOHANNES SVAMMERDAM de respirat. cap. 5. §. 2.
& 3. p. m. 38. Hinc in ipsis pulmonibus (quod praecipue notatu
dignissimum est) cum nunquam in vehementissima etiam respiratione, plenarie
contrahantur (ut inferius paulo clarius adhuc explicabimus) magna satis aëris
copia necessario & semper invenitur, etiamsi in inspiratione sive etiam
in exspiratione animal extingui contingat. Vnde etiam fit propter aëris
praesentiam, ut aquis impositi pulmones nunquam fundum petant, postquam semel
tantum animal inspiraverit. THOMAS BARTHOLINVS de Pulmonibus
Sect. 2. p. m. 29. Ingens dubium oritur ex pulmonibus embryonum, qui
omnium Anatomicorum consensu rubent in foetu & merguntur, in adultis
pallent & natant. Galenum l. 15. Us. part. c. 6.
hic sequuntur longo agmine Zerbus, Laurentius, Picolomineus, Bauhinus,
Spigelius, Hofmannus, Harvegius, Highmorus. Plerique sanguini materno
adscribunt, quo nutriuntur. Alii imperfectioni, alii aëris ventilationi, qua
extra uterum pulmones moti albent, quod etiam indicium matribus suggerit
Harvegius, vivum an mortuum foetum pepererit. In hoc luto adhuc haereremus, nisi
Cl. Charletoni manu erigeremur, qui Exerc. 8. Oecon. de Resp.
§. 21. in foetibus humanis in utero emortuis, quos complures hujus rei
gratia dissecuit, nullum discrimen invenit in colore ad albedinem inclinante ab
adultis, adeoque pignore certare paratus est, ex colore solo discerni non posse
foetus vitalitatem. Causa veteris erroris penes Galenum est, qui ab Hippocrate,
more suo, secessum fecit. Hujus vero doctrinae est vel de narura pueri,
genituram in utero respirare, quam si sequamur, pro pulmone nullus supererit
scrupulus.
(Erinnerung we-)
§. XXXI. Ich bescheide mich, daß viele, die meine §. 25. vorgebrachte Defension
lesen werden, sich wundern dürfften, daß so wenig
|| [79]
Latein und loca ex ICtis darinnen anzutreffen, und daß hingegen die
Aussagen(gen derer Defensionen insgemein.) der Zeugen durchgehends so weitläufftig
repetiret worden, da doch sonst insgemein in anderer, auch berühmter, Juristen
Schrifften und Defensionen die Zeugen-Aussagen nur pflegen generaliter cum
numero foliorum aut etiam articulorum, ohne Einrückung der Special-Worte
allegiret zu werden, hingegen aber das Latein, und die loca ex ICtis werden
weitläufftig angeführet. Und dieses zwar nicht ohne plausible Ursachen. Denn die
Richter, so die Urtheile machen sollen, haben die Acta für sich, und können die
in denen Defensionibus allegirten Zeugen-Aussagen in denen benenneten foliis
leichte finden; hingegen haben Sie gar offte die allegirten und excerpirten
ICtos nicht alle, ja, wenn Sie Sie auch gleich haben, so würde es Ihnen doch
viel Mühe geben, wenn Sie dieselben alle auffsuchen sollten, zumahl wenn Sie
(wie noch zu Zeiten Jacobi Schultes und Berlichii &c. grand mode
gewesen) Legionenweise in denen Juristischen Schrifften angeführet werden. Ich
gestehe dieses alles, und habe nichts darwieder einzuwenden. Daß ich es aber
selbst nicht so gemacht, auch, die Wahrheit zu gestehen, ich für mich an solchen
schönen halb lateinischen Schrifften, und die sich die Mühe nicht nehmen, die
verba der Zeugen selbst anzuführen, keinen Geschmack habe, hat auch seine
sonderlichen Ursachen. Die Haupt-Ursache ist: De gustibus non est disputandum.
Alleine die Geschmacke variiren nach Unterscheid der Temperamenten. Es kan seyn,
daß ein vornehmer Mann, der mit dem Podagra behafftet ist, auch der grösten
Schmertzen vergißt, wenn er die schönen Ioca aus dem Bartolo, Baldo, oder auch
nach Gelegenheit der Liebhaber, aus dem Cujacio, Hotomanno, oder wohl gar aus
dem Molina, Durando de S. Porciano &c. lieset, und dieselben
wiederkanend, in succum & sanguinem convertiret. Ich bin hierinnen
unglücklich, denn wenn ich noch so gesund bin, so kriege ich das podagra davon,
oder wohl gar eine reissende Gicht. Und ich habe leider noch viel Brüder von
meinem Geschmack. Derhalben warne ich den Leser, daß, wenn er von der ersten
Classe ist, er ja mit Lesung meiner Juristischen Händel sich nicht besacke,
damit Ihn nicht etwan was ärgers wiederfahre. Was aber die Leute von meinen
(nemlich zwar frölichen, aber doch dabey ehrlichen und vernünfftigen)
Temperament betrifst, die werden sehon von sich selbst finden, daß es auch Ihnen
und mir, wenn es Noth wäre, zur Vertheidigung unsers Geschmacks und Schreib-Art
an vernünfftigen Ursachen nicht mangele. Was die allegata Autorum betrifft, so
handeln dieselben mehrentheils de jure in genere, nicht aber de applicatione
juris ad
|| [80]
factum; ist nun das jus ohne dem certum, so
ist es thöricht, daß ich dem Richter, der ohne dem das Recht wissen soll, mit
Hinschmierung gemeiniglich bekanter Dinge, und die niemand leugnet, auffhalte,
und denselben verdrießlich mache: ist aber das jus non ita vulgare, &
indubium, oder wohl gar incertum und dem von vielen contradicirt wird, so weiß
ein gescheider Advocat schon, daß sein Gegentheil (oder auch der Richter) durch
Ausschreibung gantzer Plätze sich nicht werde bekehren lassen, sondern nur
dadurch Gelegenheit nehmen, eine olla putrida aus denen Dissentientibus Ihme
wieder anzurichten und zu verschlingen zu geben, oder doch seinen Caevallos
auffzusuchen, und nach zuschlagen, wer es etwa mit seiner Meinung halte. Bey der
applicatione juris ad factum aber ist es vernünfftigen Richtern nicht
unangenehm, daß man in Disputir-Gesetzen oder Defensionen die Worte der Zeugen,
durch die man was probiren will, der Defension einverleibet. Denn entweder der
Richter ist so faul und nachläßig, daß er die gantzen Acten und praeparatoria
processus Inquisitorii, oder in civilibus den Beweiß und Gegen-Beweiß nicht
debite gelesen, sondern nur fugitivo oculo dieselben obenhin durchblättert, oder
aber er hat Sie mit Attention durchgelesen. Ist das erste geschehen, so wird der
faule referente noch vielweniger die schlechten allegationes der Zeugen Aussagen
auffsuchen, sondern er wird ohne Auffsuchen das glauben, was der Defension
Führer affirmiret, und zu dessen Bekräfftigung er sich auf die Zeugen berufft.
Ist aber das letzte geschehen, so hat der Richter gemeiniglich allbereit in
Durchlesung der Acten schon selbst eine Meinung gefast, nach der er das Urtheil
einzurichten gedenckt, ehe er noch die Defensiones oder Disputir Gesetze lieset.
Bey dieser Bewandnüß aber ist es ihm vielmehr angenehm, wenn er in Anführung der
Special-Worte der Zeugen diejenigen loca wieder antrifft, die bey Ihm eine
gleiche Meinung allbereit erwecket, oder auch solche Oerter findet, die Ihm in
seiner Meinung bestärcken, ob er schon vielleicht auff selbige vorher bey eigner
Durchlesung nicht reflectiret hatte; oder auch, wenn er die in denen Actis hier
und dar zerstreueten Aussagen der Zeugen, die doch ad eandem circumstantiam
gehören, in der Vereinigung beysammen lieset. Findet er aber etwas, das in der
That der von Ihm gefaßten Meinung zu wieder ist, und doch dieselbe beweiset, so
kriegt er alsdann Gelegenheit, die Acta nach zusuchen, und den Defension-Führer
zu ertappen, wenn er die Worte verdrehet, oder aber die antecedentia &
consequentia zu betrachten, und also nach beschaffenen Umbständen entweder das
Ihm gemachte dubium zu heben, oder auch wohl eine vorherige Meinung, wenn er das
|| [81]
dubium nicht heben kan, zu ändern &c. Aber
wie gedacht, ich will hiemit niemand gewisse Regeln vorschreiben, wie Sie Ihre
Disputir-Gesätze oder defensiones Inquisitorum machen sollen.
§. XXXII. Ich wende mich vielmehr wieder zur Continuation gegenwärtiger(Veranlassung des Anhangs zur ersten Defension.) Acten. Es dörffte sich mancher Unpartheyischer
gleichfalls wundern, warum ich per dicta §. 25. meine Defension erst den 25.
Febr. 1684. übergeben, da doch Herr D. Schreyers eydliche Aussage schon fol. 93.
Actorum zu befinden, und also vermuthlich noch zu Ende des 1683. Jahres ad acta
kommen. Aber damit hat es diese Beschaffenheit. Ich hielte bey den Herrn
Commissario zu Leipzig an, mir die eydliche Bestärckung der geschehenen Aussage
von Herr D. Schreyern zu verschaffen. Dieser konte Ihn aber hierzu nicht für
sich zwingen, sondern holte erstlich über dieses mein petitum bey denen Herren
Scabinis zu Leipzig ein Urtheil ein. In demselben wurde zwar dieses mein
Begehren approbiret, aber zugleich ohnbegehret hinzu gesetzt, daß so bald ich
die Defension übergeben würde, zuvorhero, und ehe die Acta wieder ad Collegia
Juridica gesendet würden, diese meine Defension in eine Medicinische Facultät
geschickt werden solte. Nun war zwar die Facultas Medica Lipsiensis nicht
deutlich genennet, aber es ware doch wohl nach der gewöhnlichen Mode des Orts so
viel, als wenn Sie genennet worden wäre. Ja der Herr Commissarius verhelte mir
nach seiner Aufrichtigkeit nicht, daß wenn ich ihme nicht einen special Befehl
brächte, daß er die Acta in eine andre Medicinische Facultät schicken solte, so
würde er solche ohnfehlbar in die Medicinische Facultät zu Leipzig schicken.
Dieses aber war dem Interesse meiner Parthey gantz zuwider, indem dieses thema
de pulmonibus infantum recens natorum in aqua submersis durch Gelegenheit meiner
dißfalls bey Anfang dieses Processes (per dicta superius §. 6. & 9.)
geschehenen Anfrage so öffters in lectionibus publicis & privatis ware
erwehnet worden, daß jedermann wuste, quod Medica Facultas Lipsiensis (illius
temporis) die mir wiedrige Meinung defendirte, ja wenn mir recht ist, so hatte
ein berühmtes membrum derselbigen in einer öffentlichen Disputation sich
bemühet, zu beweisen, daß das Untersincken der Lungen in Wasser gar kein tüchtig
Zeichen wäre, daß ein Kind todt sey auff die Welt kommen: Und daß ich in diesen
Umstand eben so sehr nicht irre, wird aus demjenigen, was unten §. 34. wird zu
lesen seyn, genugsam erscheinen. Nun hatte ich indessen schon mit einem damahls
berühmten Medico zu Franckfurt an der Oder, Herrn D. Vehren, durch correspondenz
erfahren, daß Ihre Facultät, wenn Sie gebührend ersucht
|| [82]
würde, wohl ein favorable responsum für meine Clienten ausfertigen würde. Da
aber der Herr Commissarius nicht zu bewegen war, daß er selbst die Acta dahin
geschickt hätte, vergönnete er mir doch zu Einbringung meiner Defension eine
längere Frist, zudem da ich in petito erwehnet hatte, daß ich selbst meine
Defension vorhero in eine Medicinische Facultät schicken wolte. Dieses nun
erforderte so viel Zeit, und weil ich das Franckfurtische responsum erst mense
Januario zu Ende dessen erhielte, konte ich meine erste Defension nicht eher als
mense Februario, jedoch nebst dem itzo zu meldenden Anhang übergeben.
(Der Anhang selbst.)
§. XXXIII. Der Anhang Actorum fol. 135. seq. hält nicht viel mehr in sich, als
die Application des Franckfurtischen responsi, welches besser gefallen war, als
ich erwartet hatte.
Denen Herren Urtheils-Verfassern zu dienstlicher Nachricht wird kürtzlich
erinnert, daß obstehende, und fol. 100. seq. his actis befindliche Deductio
innocentiae damahlen verfertiget worden, als Herrn D. Schreyers Summarische
Aussage nur bey denen actis war, dessen eydliche Deposition aber (fol. 93. seq.)
noch nicht da gewesen. Wenn dann das momentum totius defensionis potissimum
darinnen beruhet: ob Anna genungsam beygebracht, daß Ihr Kind todt auff die Welt
kommen sey, hierbey auch die quaestio praejudicialis: an pulmones in aqua
submersi indicium faciant, foetus ante partum extincti? zuförderst zu beobachten
ist, massen denn auch Zweiffels ohne die Herren Schöppen, in sententionando fol. 87. horum. act. Volum. 1. darauff reflectiret; Als
hoffet Inquisita nunmehro dieses, was ihr zu deduciren obgelegen, gnugsam
verrichtet zu haben. Denn da weiset beykommendes Responsum Facul. Med. in Acad. Viad. sub E. daß nicht allein dieses ein
unverwerflicher Beweiß sey, daß ein Kind in Mutter-Leibe gestorben, wenn seine
Lungen auf einer guten Quantität Wasser untersincken, sondern auch, daß in
gegenwärtigen Fall fürnemlich, wegen derer mit anhangenden Umbstände, daß
nemlich Anna wenig Tage vor Ihrer Geburt über die Schwelle des Backhauses hart
darnieder gefallen, so wohl auch die Käse-Mutter, als sie partus tempore bey der
Inquisita gewesen, nicht gefühlet, daß sich etwas in ihrem Leibe gereget habe
&c. zu praesumiren sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen.
Und wird dannenhero nicht nöthig seyn, daß noch ein dergleichen Responsum ex
alia Facult. Med. eingeholet werde, weil die Unkosten dißfalls gantz unnöthig
seyn würden. Denn entweder dasselbe Responsum fiele abermahls der Inquisitae
bey, so wäre solches alsdenn nur superfluum, oder aber es dissentirte von den
Franckfurtischen Responso, so wäre doch die regula nebst dem, was sonsten in der
Defension angeführet worden. vid. fol. 120. hor. act.
quod nempe in dubio praesumendum sit in partem mitiorem, & pro
inquisitis, noch für Annen zu attendiren, ja es würde auch de
|| [83]
nen Herrn Medicis Viadrinis und denen andern, welche
Inquisita fol. 129. & 132. für sich angeführet,
nicht schwer fallen, denen dissentientibus, so deren welche fürhanden, auf ihre
rationes zu antworten. Wolte man auch gleich fürgeben, daß die Facultas Med.
Viad. so geantwortet habe, wie sie von dem Interrogante berichtet worden sey,
dieser aber etliche zur Sache dienliche Umbstände in seiner Frage leichtlich
ausgelassen haben können, dannenhero von nöthen, daß die Defensio nochmahlen in
ein Collegium Medicum gesendet werde; so ist aus der Beylage sub F. zusehen, daß
der Defensor in propositis quaestionibus den geringsten Umbstand, so ad
informationem derer Herrn Medicorum dienlich seyn könte, nicht ausgelassen, noch
selbigen anders, als er aus denen Actis zu verificiren, gesetzt, massen denn
dieses Vorgeben gnugsam durch das von obwohlgedachter Medicinischen Facultät
unter den Casum gedruckte Insiegel beglaubiget wird; Ferner, gleichwie die
Responsa Dnn. Medicorum alle insgesamt die veritatam facti und daß des todten
Kindes Lunge in Wasser untergesuncken sey, praesupponiren; also hoffet Inquisita
auch diesen Punct durch Herrn D. Schreyers jüngst erfolgte eydliche Aussage d. f. 93. seqq, hor. Act. die mit dessen summarischen
Antwort f. 74. seqq. gäntzlich übereinstimmet, erwiesen
zu haben. Denn obwohl Christian S. der Barbierer zu P. in seiner f. 99. befindlichen Deposition, wie man wohl gehoffet
hätte, Herrn D. Schreyers Aussage nicht beypflichtet, so ist doch pro Inquisita
sufficient, daß selbiger Herrn D. Schreyern nicht contradicirt, sondern seine
Herrn D. Schreyers Aussage omni exceptione major bleibet, und also Inquisitae
die bekante Rechts-Regul zu statten kömmt, daß auch durch einen Zeugen, wenn
selbiger omni exceptione major ist, innocentia rei probiret werden könne,
zumahlen da aus S. Zeugniß doch zum wenigsten dieses zu sehen ist, daß er die
Lunge ausgeschnitten, und Herrn D. Schreyern gegeben. Will demnach Inquisita in
Gottes Nahmen zum Urtheil beschlossen haben, und versichert sich einer
erfreulichen absolutoriae.
§. XXXIV. Die speciem facti, die ich nach Franckfurt gesendet,(Responsum der Medicinischen Facultät zu
Franckfurt pro Rea.) und die von der Facultät
daselbst besiegelt war, auff die ich mich auch in vorigen Anhang bezogen und fol. 143. seq. in actis anzutreffen, halte nicht vor
nöthig hieher zu setzen, weil es nichts anders als ein kurtzer Extract
desjenigen ist, was in vorigen bereits weiter gemeldet worden, und daß ich der
Facultät nichts falsches berichtet, zeiget Ihr responsum selbst fol. 138. biß
141. Actorum.
Als uns derselbe einen Casum, betreffend Annen und Ihre Mutter, welche eines
Infanticidii beschuldiget worden, nebst einigen Beylagen (so unter unser
Facultät Insiegel mit den Casu wieder zurück kommen) zugefertiget, und unser
Responsum über die beyde darinnen proponirte Fragen, cum rationibus dubitandi
& decidendi bittlich begehret, demnach haben wir Decanus, Senior,
Doctores und Professores
|| [84]
der Medicinischen Facultät
auf der Churfl. Brandenburgl. Universität zu Franckfurt an der Oder sothane
Quaestiones fleißig erwogen, und geben Ihm hiermit unsere Meynung davon wohl
bedächtig dergestalt zu vernehmen.
1. Wenn gefeaget wird: an indicium certum aut valde probabile sit, partum ante
exitum ex utero materno fuisse extinctum, si ejus pulmones fubmergantur in aqua?
antworten wir affirmative; also, daß wir sagen: Est valde imo maxime probabile
indicium, partum ante exitum ex utero materno fuisse extinctum, si ejus pulmones
submergantur in aqua. Und dieses darum. Denn einmahl ists gewiß und
augenscheinlich allemahl darzuthun, daß jedwede Lungen so wohl von Menschen, als
andern Thieren, welche ausserhalb Mutter-Leibe das Leben gehabt haben, nicht
untergehen, wenn sie ins Wasser geworffen werden, und geschiehet solches, weil
sie leicht und locker seyn, wegen der Lufft, welche sie ausserhalb Mutter-Leibes
in denen lebenden und Athmenden Thieren geschöpffet, und davon etwas in sich
behalten haben.
Nachmahls ist auch theils durch unterschiedene Bekräfftigungen glaubwürdiger und
vorsichtiger Naturkündiger, welche in denen Beylagen zur Genüge angeführet seyn,
und noch mehr angeführet werden könten, theils durch unsere eigene Anmerckung
uns sattsam kund worden, daß die Lungen eines Thieres, von welchem man gewiß
weiß, daß es todt aus Mutter-Leibe kommen wäre, genommen sey, wofern es in
seiner Umhüllung oder verschlossenen Mutter verstorben ist, wenn sie aufs Wasser
geworffen werden, nicht schwimmen, sondern untersincken. Und geschiehet solches,
dieweil sie dichte und schwer sind, wegen Mangel der Lufft, als welche sie noch
nicht geschöpffet, und dannenhero auch nichts darvon an und in sich behalten
haben. Denn ein Kind oder Frucht, so lange es in seinen involucris und
verschlossener Mutter lieget, athmet nicht, also, daß es Lufft durch den Mund
und Nasen, und ferner durch die Lufftröhren aus- und einlasse. Welches zu
behaupten wir uns beziehen auff die rationes und autoritates, welche bereits in
denen Beylagen angeführet, und weil wir selbige für gültig erkennen, bemühen wir
uns nicht mehrere beyzubringen, ob es wohl daran nicht mangelt. Zwar will von
einigen die Gewißheit angezeigter Experimentorum in Zweiffel gezogen werden, und
ist in einer ihres Orts wohlbekandter Disputation de Abstruso respirationis
Humanae mysterio dergestalt darwieder geschrieben worden: Cum ex Hydrostatices
Legibus constet, corpora omnia, in specie, uti loquuntur, aqua ipsa leviora, in
eadem supernatare, si sufficienti aquae quantitati imittantur; Pulmones autem
uti membranosa & carnosa omnia specifica gravitate aquis cedunt; Hinc
tam foetus nondum respirantis, quam nati pulmones supernatare possunt, si modo
sat magna aquae quantitas illos circumfluat, adeoque non sequitur: pulmones,
quia supernatan: Ergo foetus respiravit; Nec vice versa. Nam quod quorundam
experientia velit
|| [85]
pulmones fundum petiisse, id ipsum
justa minori aquae quantitati tribuendum, quam facile pulmones mole sua
dispellere & ad loco cedendum adigere sicque subsidere poterant. Aber zu
geschweigen, daß man in dieser Schrifft, nicht experimentum experimento entgegen
setzet, sondern nur von der possibilität redet; So ist wohl nicht zu vermuthen,
daß so viel verständige und vorsichtige Leute, welche obgedachte Anmerckungen
(de pulmonibus intra uterum mortuorum submersis) gehabt und angezeichnet haben,
nicht solten attendiret haben, daß sie zu wenig Wasser adhibiret hätten. Auch
ists gnug, die Warheit solches Experiments zu bestättigen, wenn erweißl. gemacht
wird, daß die Lungen eines Kindes oder Thieres, so in Mutter-Leibe verstorben,
in einer solchen Quantität Wassers untergehen, in welcher sie, wenn sie Lufft
geschöpffet, oder andere, so gleicher Grösse mit ihnen seyn, von lebendigen
Thieren genommen, schwimmen. Welches denn, wie wir nicht anders wissen, zu
geschehen pfleget. Ferner werden etliche wieder die angeführte ration, daß der
foetus in utero respirire, die vagitus uterinos, nutritionem foetus in utero per
os, und andere Dinge urgiren; Aber wie solchen dubiis zu begegnen, giebt
vorgemeldte Disputation, als welche in diesen punct unserer Meinung gäntzl.
beyfället, und sie wohl defendiret, gute Anleitung. Wollen demnach (zumahln weil
es zu weitläufftig sällt, hier darvon zu handeln) uns dahin bezogen haben, nur
dieses beysügende: Daß, wenn eigentl. de aëris inspiratione &
exspiratione geredet wird, zu verstehen sey, nicht aër elementaris, qui aether
vulgo vocatur, sed ille, qui athmosphaeram corpora nostra ambientem format; Nach
Anweisung Herrn D. Bohns Exercit. Physiol. 8. §. 10.
Welches, wenn es wohl beobachtet wird, vielen objectionibus, so circa
respirationem foetus in utero moviret werden, abhelffen kan. Wenn man demnach
nicht weiß, ob ein Kind oder Thier in oder ausserhalb Mutter-Leibe gestorben
sey, ists Zweiffels ohne ein unverwerfflicher Beweiß, daß dieses geschehen sey,
wenn seine Lungen auf einer guten Quantität Wasser schwimmen, jenes aber, wenn
sie in derselben untergehen. Und dannenhero
wenn 2) gefraget wird, annon in praesenti Casu propter reliquas circumstantias
huic adjunctas, praesumendum sit, infantem Annae in utero jam extinctum fuisse?
Antworten wir gleichfalls darauf Affirm. Denn, überdem, daß ex Actis erhellet,
es sey die Lunge des todten Kindes, als sie Herr D. Schreyer, Stadt-Physicus zu
Zeitz bey der section separiret, und ins Wasser (dessen er Zweissels ohne eine
sattsame Quantität wird adhibirt haben) geworffen, untergesuncken; Machen den
Untergang des Kindes in mütterl. Leibe folgende Umstände sehr probabel. 1) Daß
Anna Vogtin wenig Tage ante partum über die Schwelle des Backhauses hart
darnieder gefallen, daß sie für Entsetzen kein Wort reden können. Da dann so
wohl die hefftige Concussion, so das Kind darbey erlitten, als der Schreck zu
dem Tode des Kindes gnugsame Ursache hat geben können. (2) Daß die Käse-Mutter,
als Sie
|| [86]
partus tempore hinauff zu Ihr kommen, bey
Anfühlung Ihres Leibes in geringsten nicht mercken können, daß sich in ihrem
Leibe etwas gereget. Welches denn für ein Zeichen der allbereit verstorbenen
Frucht wohl anzunehmen. Worzu kommet (3) daß die Geburt schwer und muhsam
gewesen, weßhalben der schwache foetus, wo er nicht allbereit durch oberwehnten
Fall und Schreck gar getödtet gewesen, darinnen wohl hat bleiben können. Et
reliqua.
(Interlocut. ex Scabinatu, die acta nochmahls in eine Medicinische Facultät zu schicken.)
§. XXXV. Bey Ubergebung der defension und des Anhanges bate ich den Herrn
Commissarium, weil der Wille der Herren Scabinorum nun erfüllet wäre, und ich
den Inhalt meiner defension selbst an eine Medicinische Facultät geschickt
hätte; auch keine Medicinische Facultät in vorigen Urtheil eben in specie
benennet wäre, er möchte nunmehro die acta denen Herren Scabinis wieder
überschicken. Dieses konte er mir mit Fug nicht abschlagen, und erfolgte
hierauff mense Martio 1684. Actorum fol. 155. seq. die sententia sequentis
tenoris.
Daß vor allen Dingen gedachten H. H. dessen Eheweibs und Tochter, zu den Acten
gebrachte Defension nochmahln einer Medicinischen Facultät zu förderst
zuschicken, und dero Gutachten, insonderheit auch hierüber, ob, wenn ein Stücke
von der Lunge eines todten Kindes, zumahln etliche Tage nach der Geburt, in
Wasser untersincket, daraus abzunehmen, daß das Kind bereits in Mutter-Leibe,
und noch vor der Geburt todt gewesen, oder ob solches auch aus andern Ursachen,
ungeacht das Kind lebendig zur Welt kommen, sich mit der Lunge gleichfalls
zutragen könne, einzuholen, des Stadt-Physici George Wilhelm W. eydl. Zeugniß,
ob der Vogtin Kindes Lunge bey der section ins Wasser geworffen worden und
untergesuncken, anzuschaffen, dann Catharina R. und Dorothea K. über die Vol. 2. fol. 124. & seqq. befindliche Articul,
und wie viel Tage ohngefehr Anna Vogtin vor der Geburt den Fall gethan,
Gerichtl. und vermittelst Eydes abzuhören. Ergehet darauff in der Sache
allenthalben ferner was Recht ist.
(Supplicatio nach Dreßden, die acta ad JCtos Wittebergenses zu schicken.)
§. XXXVI. Nun muste der Herr Commissarius, wie bekant, das Urtheil ante
publicationem erst versiegelt nacher Dreßden schicken. Wie es aber gemeiniglich
in Collegiis zu geschehen pfleget, daß einige darunter seyn, die nicht schweigen
können; also erfuhr ich bey guter Gelegenheit, daß in einer Compagnie ware
geredet worden: Thomasius solte doch seinen Willen nicht haben, sondern die acta
müsten doch noch an die Medicinische Facultät zu Leipzig geschickt werden, und
da würde es sich schon weisen, daß Anna zum wenigsten der Tortur müste
unterworffen werden, wenn die von der Medicinischen Facultät zu Franckfurth
angeführten rationes in Responso Facultatis Medicae Lipsiensis gar nachdrücklich
würden beantwortet werden etc. Was solte ich nun hierbey wohl thun? Ich muste
wohl
|| [87]
meine Seele in Gedult fassen, und es versuchen,
ob ich nicht erhalten könte, daß die Acta künfftig nicht mehr in den
Schöppen-Stuhl zu Leipzig, sondern an die JCtos zu Wittenberg geschickt würden,
und daß die fernere Verschickung an eine andere Medicinische Facultät gäntzlich
unterwegens bliebe, wie die supplique selbst ausweiset.
Eurer Churfürstl. Durchl. ruhet noch in Gnädigsten Andencken, daß Selbige für
einiger Zeit Dero Amtmanne zu Leipzig auff mein unterthänigstes suppliciren
Gnädigst committiret, die wieder meine Tochter Annen, ingleichen mein Eheweib
und mich für dem Amte zu P. in puncto infanticidii und was dem anhängig,
angestellte inquisition denen Rechten gemäß zu vollführen, welches ich noch
mahlen mit Unterthänigsten Gehorsam erkenne. Gleichwie aber Gnädigster Churfürst
und Herr, die indicia wieder meine Tochter hauptsächlich in 2. puncten beruhen,
erstlich, daß an dem todten Kinde bey der section unterschiedene Stiche gefunden
worden; hernacher, daß ermeldte meine Tocher in keines Menschen als meines
Eheweibes Beyseyn das Kind zur Welt gebohren; Also hoffe ich das erste indicium
in der ad acta ohnlängst gegebenen defension dadurch hauptsächlich elidiret zu
haben, weil die Medici, so bey der section gewesen, auff vorhergehendes
rechtliches Erkäntniß derer Herren Schöppen (die Zweiffels ohne darauff
reflectiret) eydlich ausgesaget, daß Sie gäntzlich davor hielten, daß die Stiche
dem Kinde erst nach seinem Tode zugefügt worden, auch daß es gar wohl seyn
könte, daß dieses von der Köchin, die das todte Kind ausgegraben, und zuvorher
mit einem Bratspiesse in die Erde zum öfftern gestochen, auch selbst gestanden,
daß Sie vermuthlich dem Kinde die Stiche zugefüget, mit dem Bratspiesse, der
Ihnen vorgezeiget worden, geschehen wäre. So viel aber das andere indicium
betrifft, bin ich gemeinet gewesen, solches nach Anleitung des art. 131.
Constit. Crimin. hierdurch zu wiederlegen; wann ich darthäte, daß das Kind todt
auff die Welt gekommen sey, worzu ich mich denn des einen Medici, so die section
verrichtet, Nachricht bedienet, der bey der section ein Stück von des todten
Kindes Lunge ins Wasser geworffen, und befunden, daß Selbige untergesuncken,
massen dann die berühmtesten Medici hodierni der Meinung sind, daß pulmones
infantis in aqua submergentes ein gewisses indicium machen, quod foetus in utero
fuerit extinctus. Wann ich dann deßhalben den Medicum, so die Lunge ins Wasser
geworffen, über gewisse articulos eydlich abhören zu lassen begehret, der Herr
Amtmann aber dieses für sich zu thun Bedencken getragen, sondern dieserwegen me
consentiente Sich bey denen Herren Schöppen informiret; Als haben Selbige zwar
interloquendo erkennet, daß meinem petito billig statt zu geben wäre, dabey aber
zugleich, daß er der Herr Amtmann zuvor über meine defension, wenn ich solche
übergeben würde, in einem Collegio medico erkennen lassen solte, mit gesprochen;
Ob nun wohl der Herr Amtmann auch solches zu thun Vorhabens gewesen; so habe ich
doch endlich durch mein Bitten erhalten, daß er
|| [88]
meine
defension ohne fernere Verschickung an eine Medicinische Facultät alsbald zu
rechtlichen Verspruch wiederum an die Herren Schöppen gesendet, in Ansehen ich
nicht nur meiner defension vielfältige Behauptungen obangeführter Meinung ex
diversorum Medicorum celeberrimorum scriptis, item durch ein attestatum zweyer
berühmter Medicorum Lipsiensium, sondern auch gar ein responsum Facultatis
Medicae Viadrinae beygefüget, in welchen gar deutlich approbiret worden, daß so
wohl in genere die Untersinckung der Lungen ein unstreitiges Zeichen sey, quod
infans ante partum in utero fuerit extinctus; als auch absonderlich, daß in
gegenwärtigen casu wegen anderer concurrirender Umstände dieses zupraesumiren
sey, und ist nunmehro das Urtheil wiederum aus den Schöppenstuhl angelanget,
wird auch verhoffentlich Ewrer Churfürstlichen Durchlauchtigkeit von dem Herrn
Amtmann, als gebräuchlich, uneröffnet und Unterthänigst übersendet seyn worden.
Gleichwie ich mich aber versehe, es werden in selbigen die Herren Schöppen auf
meine defension reflectiret, und uns allerseits von der Inquisition absolviret,
oder auffs meiste das juramentum purgatorium zuerkennet haben; Also will mir
doch obliegen, hierbey gebührend zu vigiliren; Und gelanget dannenhero an Ewre
Churfürstliche Durchlauchtigkeit mein Unterthänigstes gehorsamstes Bitten, da ja
über alles Verhoffen auch der minimus gradus torturae, oder die Vorstellung
einem von uns zuerkennet worden seyn solte, uns dißfalls noch eine defension
Gnädigst zu vergönnen, da wir denn mit göttlicher Hülffe getrauen, die
rückständigen indicia, in Fall derer noch welche vorhanden seyn solten,
gründlich abzulehnen.
Solten auch allenfalls die Herren Schöppen interloquendo erkennet haben, daß die
eingegebene Defension noch zuvor in ein Collegium Medicum gesendet werden solte;
So geruhen Ewre Churfürstliche Durchlauchtigkeit nur selbsten Gnädigst zu
ermessen, daß hierdurch der Inquisitions-Proceß nur verzögert und unnöthige
Unkosten gemacht werden würden. Denn entweder dasjenige Collegium, welches von
neuen erkennen soll, würde denen allbereit angeführten responsis Beyfall geben,
und würde solcher gestalt superfluum seyn, oder aber es würde, wie leicht
geschehen kan, indem hodie gemeiniglich unter 100 Medicis kaum 10 gefunden
werden, die in hypothesibus mit einander in allen einstimmig seyn, von denen, so
auff meiner Seite sind, dissentiren. Auf diesem Fall würde es denen meinigen
nicht ermangeln, die rationes dissentientium zu wiederlegen, und ihre Meinung
durch unzehliche experimenta, so noch täglich an Hunden, so in Mutter-Leibe
verstorben, und andern Viehe probiret werden, zu vertheidigen, und würde sodann
nicht alleine eine longa Disputatio unter denen Herrn Medicis daraus erwachsen,
sondern dennoch auch in hoc casu meiner Tochter und uns die bekante
Rechts-Regul, quod in dubio in criminalibus sequenda sit pars favorabilior pro
reo, zu statten kommen, wie ich solches weitläufftiger in ipsa defensione
eiusque appendice deduciret; und lebe ich hier
|| [89]
nechst des zuversichtlichen Vertrauens, daß wenn die acta in die löbliche
Juristen Facultät nach Wittenberg gesendet werden solten; ohne weitere Umstände
ein näheres Definitiv zu erhalten seyn würde; Gelanget also an Ewre
Churfürstliche Durchlauchtigkeit mein ferneres unterthänigstes bitten und
flehen, in Fall specificirter massen derer Herren Schöppen eingesendetes Urtheil
interloquiren solte, dem Herrn Amtmann gnädigst anzubefehlen, daß er die Acta
nach Wittenberg zu rechtlichen Verspruch sende, und daselbst, ob nicht, und auf
was masse ohne fernere Verschickung in eine andere Medicinische Facultät auff
die allbereit übergebene Defension zu erkennen sey, ein Urtheil auff meine
Unkosten einhole. Solche hohe Churfl. Gnade etc.
§. XXXVII. Nun erlangte ich zwar mein petitum nicht völlig,(Herrn D. Rivini und D. Langii anderes Responsum,
und was die Gelegenheit darzu gewesen.) sondern es wurde dem
Commissario (ni fallor) von Dreßden anbefohlen, daß er die Acta zwar noch an
eine Medicinische Facultät, aber nach Wittenberg senden solte, und wenn das
Responsum von dar eingelauffen wäre; alsdenn die Acta wieder in Scabinatum
Lipsiensem solte verschicken. Ich ware auch endlich mit dieser Resolution wohl
zufrieden, um zusehen, was doch die Herren Medici Wittebergenses (zu denen ich
zwar bißhero kein grosses Vertrauen gehabt, sondern der Meinung gewesen war, daß
Sie es in diesem Stück mit denen Herren Medicis Lipsiensibus hielten) in hoc
casu sprechen würden. Dieweil ich aber vernommen hatte, daß entweder einer von
denen Herren Scabinis, oder von denen Herren Medicis Lipsiensibus sich hatte
verlauten lassen, daß, wenn gleich die Untersinckung der Lunge sonst ein
richtiges Mittel wäre, zu bescheinigen, daß ein Kind todt auff die Welt kommen
sey, so könte doch dieses auff gegenwärtigen casum um des Willen nicht
appliciret werden, weil das Kind viele Tage allbereit begraben, und also die
Lunge tempore sectionis schon verfaulet gewesen, mithin aber die Untersinckung
dieser Faulung zu geschrieben werden müste; als war ich nicht unbillig besorgt,
auch dieses dubium noch für der Verschickung, denen Herrn Medicis
Wittebergensibus zu benehmen, und nahme meine Zuflucht hinwiederumb zu Ehren
gedachten Herrn Doctoribus, Rivino, und Langio, von welchen ich auch mense Julio
1684. folgendes responsum (Actorum fol. 175. seq.) erhielte.
P. P. Nachdem derselbe unlängst auff die vorgelegte Frage: Ob dieses vor ein
gewisses Anzeigen zu achten sey, daß ein Kind todt auff die Welt kommen, wenn
dessen Lungen in Wasser untersincken? von uns zur Antwort bekommen, daß man
allerdings Krafft gegebener Rationen und Experimenten gewiß seyn könne, es sey
ein Kind nicht lebendig gebohren, sondern in Mutter-Leibe gestorben; und er
ferner von Uns zu wissen begehret: Ob, wenn ein Stück von der Lunge eines todten
Kindes,
|| [90]
zumahlen etliche Tage nach der Geburt in
Wasser untersinckt, daraus abzunehmen, daß das Kind bereits in Mutter-Leibe und
noch vor der Geburt todt gewesen, oder ob solches auch aus andern Ursachen,
ungeachtet das Kind lebendig zur Welt kommen, sich mit der Lunge gleichfalls
zutragen könne. Als geben wir hierauff zur dienlichen Antwort, daß, ob wohl
nicht alleine die damahls angeführten rationes auch allerdings auf diesen Fall
sich extendiren, wir dennoch zu mehrerer Versicherung dessen, unterschiedene
Experimenta angestellet, und die Lunge von einem Kalbe, so lebendig gebohren
worden, so lange in die Erde vergraben, eine andere ins Wasser geleget, eine
andere in die Lufft gehenckt, biß sie insgesamt ziemlich zu faulen und zu
stincken angefangen, es ist aber eine sowohl als die andere gantz und stückweise
in Wasser oben geschwommen, eben wie zuvor, da sie noch frisch gewesen; wenn
denn unstreitig ist, daß Lungen, so einmahl Lufft geschöpffet, weder durch
Faulung oder andere Art und Weise können darzu gebracht werden, daß sie
untersincken: als bleibet auch jederzeit auff festen Grunde stehen, daß, wenn
die Lungen eines todten Kindes, oder ein Stück davon, auch etliche Tage nach der
Geburt untersincken, dieses aus keiner andern Ursache als daher rühren könne,
daß das Kind noch vor der Geburt in Mutter-Leibe todt gewesen. Solches haben wir
auff Begehren hiermit bey unsern guten Gewissen attestiren wollen. Geschehen
Leipzig d. 19. Julii 1684.
(L. S.) D. Aug. Quir. Rivinus.
(L. S.) D. Christian Joh. Lange.
(Responsum der Medicinischen Facultät zu Wittenberg.)
§. XXXIIX. Hierauff wurden die Acten von dem Herrn Commissario an die löbliche
Medicinische Facultät nach Wittenberg geschickt, und ertheilte dieselbe sub dato
30. Augusti 1684. (Actorum fol. 178. seq.) folgendes Responsum.
P. P. über folgende Frage gebeten; Ob, wenn ein Stücke von der Lunge eines todten
Kindes, zumahlen etliche Tage nach der Geburt, in Wasser untersincket, daraus
abzunehmen, daß das Kind bereits in Mutter-Leibe und noch vor der Geburt todt
gewesen, oder ob solches auch aus andern Ursachen, ungeachtet das Kind lebendig
zur Welt kommen, sich mit der Lunge gleichfalls zutragen könne; Als haben wir
die Acta Collegialiter fleißig durchlesen, alles genau erwogen, und geben Ihme
zur verlangten Antwort dieses, daß wir zwar die, von denen Herrn Medicis
angeführten Experimenta in Zweiffel zu ziehen nicht Ursach haben, indem wir
theils selbst vor vielen Jahren experimentiret, daß die Lunge eines abortus von
4. Monat, eines von 6. Monat, und eines Kindes, so in der Geburt gestorben, in
Wasser alsobald untergesuncken, welches gleichfalls in denen brutis wir
vielfältig hernach observiret; so lassen wir auch die angeführten rationes in
ihren Würden, und könte vielleicht die gravitas pulmonum in utero auch daher
deduciret werden, weil
|| [91]
die vesiculae pulmonum tempore
formationis, wie in allen andern excavatis partibus zugeschehen pfleget, mit
einem muco angefüllet, damit die membranae nicht coalesciren, sondern ihre
richtige cavitatem erhalten, welchen mucum hernach die Lufft, wie Borellus
redet, abradiret.
Wir halten auch nicht dafür, daß propter putredinem eine Lunge, so einmahl Lufft
geschöpffet, also disponiret werden könne, daß sie müste untersincken, weil
unmüglich alle vesiculae so gar corrumpiret werden können, daß alle Lufft heraus
gehe, es geschehe denn eine totalis resolutio mixti, dahero die fol. 175.
angeführte Experimenta wir leicht glauben können. Wir können aber nicht dafür
achten, daß dieses ein indubitatum und universale argumentum sey, wodurch so gar
gewiß bewiesen werden könne, es müste ante partum in Mutter-Leibe das Kind
erstorben seyn.
Man könte endlich wohl ex praesuppositis schliessen: Wenn eine Lunge in Wasser
sincket, so hat dieselbe noch keine Lufft in der Welt geschöpffet, aber es
folget nicht alsobald, daß es müsse in Mutter-Leibe gestorben seyn, sintemahl so
wohl in als nach der Geburt ein lebendig Kind kan ertödtet werden, ehe es Athem
holet. Dieses zu behaupten muß vor allen Dingen praesupponiret werden, daß ein
Kind eine Zeitlang ausser Mutter-Leibe, ehe es Athem holet, wie in utero leben
könne, welches geschiehet in folgenden Casibus: 1. Müssen alle Wehmütter
gestehen, daß öffters Kinder zur Welt kommen, die sich zwar bewegen und pulsum
haben, aber nicht Athem holen, und sie daher genöthiget werden, Athem
einzublasen, wann nemlich das Geblüte oder das Wasser zu starck aus der Mutter
nachschiesset, Nase und Maul verstopffet, daß es nicht Athem holen kan,
ingleichen wenn die pulmones so gar viel muci bey sich haben, Nasen und Maul
davon angefüllet, daß so bald die Lufft nicht hinein dringen kan. 2. Wenn die
Nabelschnur sich etliche mahl um das Hälsgen umschlungen und verhindert, daß das
Kind nicht respiriren kan, wie denn bekandt, daß, wenn nicht bald Hülffe
geschiehet, viel Kinder also verderben müssen. 3. Wenn das Kind inverso modo mit
denen pedibus erst gebohren wird, da öffters sich zuträget, daß, wenn die Geburt
zu balde sich um das Hälsgen schliesset, das Kind lebend und zappelnd
stranguliret wird. 4. Ist ausser allen Zweiffel, daß öffters Kinder zur Welt
kommen mit denen involucris oder secundinis, welche partus Harveus recht
naturales nennet, da instar ovi der gantze conceptus excludiret wird. In diesem
Casu ist ausser allen Zweiffel, es besagen es auch die Weh-Mütter, daß das Kind
eine gute Weile, ehe die secundinae geöffnet werden, sine respiratione, wie in
utero leben könne, sintemahl der aër athmosphaericus hier so wenig als in utero
durch die dicken membranas eindringen kan, über dieses das Kind annoch in seinem
liquore schwimmet, welche rationes sonst contra respirationem foetus in utero
angeführet werden. Wann nun dieses also richtig, daß ein lebendig
|| [92]
Kind eine Zeitlang bald nach der Geburt, ausser der
Mutter-Leibe leben könne sine respiratione, so folget hieraus gar leichte, ex
concessis, daß wenn ein solches Kind, in denen gedachten Casibus erblasset oder
ertödtet wird, ehe die Lufft in die pulmones kommen kan, daß desselben Lunge
nicht schwimmen, sondern untersincken müsse, und wir dahero nicht apodictice
schliessen können, es müsse in Mutter-Leibe das Kind gestorben seyn, welches
Lunge in der Besichtigung untergesuncken. Wir halten auch vor unnöthig,
weitläufftig zu erweisen, daß ein lebendig Kind in solchen Casibus ertödtet
werden könne, ehe es respiriret, weil in letztern Casu viel media können erdacht
werden, in involucris haerentem Foetum zu eneciren, in andern Casu, darff die
Nabelschnur nur feste angezogen werden, so wird der Todt bald erfolgen, wie man
solches öffters von unvorsichtigen Wehe-Müttern erfähret, zugeschweigen, daß
wenn alsobald in der Geburt das Köpffgen eingedrücket oder das Genicke gebrochen
wird, das Kind ertödtet werden kan, ehe es darzu gelanget, daß es Athem holen
kan. Wolte man darwieder einwenden, daß solches alles nur praesupposita und
durch experimenta nicht confirmiret würde, so müssen wir zwar gestehen, daß in
dergleichen Casibus verstorbene oder ertödtete wir nicht geöffnet, dahero weil
sie rar, nicht experimentiren können, ob dergleichen Lungen untersincken oder
nicht, es ist aber auch das Gegentheil noch nicht per experimenta confirmiret.
Und weil die angeführten rationes praegnantes, so folget zum wenigsten dieses
daraus, daß diese quaestio noch nicht vollkommen per experimenta confirmiret,
und man ex hoc fundamento nicht infallibiliter concludiren kan, inmassen denn
auch allerdings darauff zusehen, daß diese opinio noch nicht communi Eruditorum
consensu confirmata und recepta sey, dahero in Sachen, so Leib und Leben
antreffeu, so blosser dinge auff solche problemata sich nicht zugründen. Und so
viel von dieser Quaestion in genere.
Anlangende praesentem casum, so können wir zwar aus obangeführten Ursachen einig
und alleine darum, daß weil die Lunge Annen Vogtin Kindes untergesuncken,
solches ante partum in utero müsse verstorben seyn, firmiter nicht schliessen;
Gleichwohl aber, weil andere circumstantiae zu consideriren, als
1. das Anna über eine Schwelle kurtz vor der Geburt, in dem Backhause auff den
Leib gefallen, und darbey sehr erschrocken.
2. Die Medici bey der Besichtigung keine andere laesion gefunden, als die Wunden,
so erst nach dem Tode mit einem Bratspiesse sollen von der Köchin seyn gemacht
worden.
3. Die Käse-Mutter eydl. ausgesaget, daß kurtz vor der Geburt Sie Annen auff den
Leib gefühlet, und keine Bewegung eines Kindes gewahr worden.
4. Bey einer Ersten Geburt es ohne dem schwer zugehet, daß also ein von Fall und
Schrecken vorhero geschwächtes Kind leicht in der Geburt ersterben kan, und dann
|| [93]
5. Hierzu kömmet, daß die Pulmones untergesuncken,
Als erachten wir sehr probabel zu seyn, daß das Kind entweder vor oder in der
harten Geburt verstorben sey, sonderlich wenn auff Rechtl. Ausspruch derer
JCtorum die Mutter Maria mit einem Cörperl. Eyde erhalten solte, daß, wie Sie
ad Art. 24. & 25. fol. 64. Act. fac. b.
ausgesaget, das Kind gantz grünlicht, wie verweset ausgesehen, und kein bißgen
Blut bey der Nabel-Schnur zu sehen gewesen,
Zu Uhrkund etc.
§. XXXIX. Da ich nun gewahr wurde, daß das responsum Facultatis(Neues Urtheil derer Herren Schöppen zu Leipzig.)
Medicae Wittebergensis zwar bey der ersteu Frage von denen bißherigen Responsis
Medicorum in etwas abgegangen, (und ich Ihre defendirte limitationes zum
wenigsten nicht irraisonable zu seyn gar wohl begriffe) jedoch bey der andern
Frage sehr favorable für meine Clienten gesprochen ware, und der Annen Vater
gewiß sehr würde erfreuet worden seyn, wenn die Collegia Juridica den zu Ende
des Responsi gethanenen Vorschlag wegen eydlicher Abhörung der Mutter, per
sententiam hätten approbiren wollen; Als hielte ich auch damahls noch nicht für
nöthig, mit einer anderwärtigen defension mich auffzuhalten; sondern wolte
zuvorher erwarten, was die Herren Scabini Lipsienses nunmehro sprechen würden,
da die Acta in einer Chur-Sächsischen Medicinischen Facultät gewesen waren. Das
Urtheil wurde in December 1684. verfertiget, und ist in Actis fol. 186. zu
befinden.
P. P. Hat Anna eine ledige Dirne, als Sie Artickuls-Weise vernommen worden, in
Guten bekandt und gestanden, daß Sie auff des Vaters Guthe von Christoph R. sich
in Unehren schwängern lassen, und davon Ao. 1681, den Tag vor Michaelis eines
Kindes genesen, welches aber hernach todt in den Krätz-Garten ausgegraben, und
viel Stiche an demselben befunden worden. Und es wird Ihr, daß sie an das Kind,
nachdem Sie es lebendig zur Welt gebohren, Hand angeleget, es umbracht, und es
vorsetzl. ermordet, ihrer Mutter aber, daß sie der Tochter hierzu den Anschlag
gegeben und behülfl. gewesen, dem Vater auch, daß er hiervon gute Wissenschafft
gehabt, beygemessen. Ob nun wohl allerseits Inquisiten, als Sie hierüber
Articuls-Weise vernommen worden, dessen nicht geständig seyn wollen, so viel
auch die Stiche an dem Kinde betrifft, aus dem Acten erscheinet, daß solche ihm
in Ausgraben, und nachdem es todt gewesen, zugefüget worden, und etliche der
Medicorum aus etlichen Umständen, daß das Kind von Annen Vogtin, müsse todt auff
die Welt kommen seyn, geschlossen, wie denn auch dieselbe, daß sie kurtz vor der
Geburt über eine Schwelle auff den Leib gefallen, vorgiebet, und die
Käse-Mutter, daß, als Inquisitin zur Geburt gearbeitet, Sie bey ihr in der
Cammer gewesen, ihr auff den Leib gefühlet, da sich denn das Kind nicht gereget,
eydl. ausgesaget; dieweil aber dennoch Anna die Schwängerung, ungeachtet
|| [94]
sie hierüber von Vater zur Rede gesetzt worden,
beständig verneinet, nachgehends auch, als sie in Abwesenheit ihrer Mutter
kranck worden, ihren Zustand niemand in Hause, auch als die R. (Käse-Mutter) zu
ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt, ausser gegen die
Mutter, gantz heimlich gehalten, und wie diese berichtet, das Kind in Bette
bekommen, da es die Mutter todt zu sich genommen, anfänglich in eine Lade
verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen
wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch
wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man an Ihr
die Geburt nicht mercken sollen, dann die Mutter, daß sie, die Tochter ein
Fieber habe, fürgewendet, der angezogene Fall aber, wie die eydl. abgehörte
Zeugin Dorothea (die Zoffe) meldet, ohngefehr nach Johannis gegen Bartholomaei,
und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen, in übrigen,
wie in der Medicinischen Facultät zu Wittenberg Gutachten Vol. 2. fol. 180. angeführet, in Sachen, so Leib und Leben betreffen,
so blosser Dinge auff solche Problemata, die etliche der Medicorum proponiret,
sich nicht zu gründen, und deren ungeacht, Inquisitin Kind lebendig auff die
Welt gekommen seyn kan, in der übergebenen defension auch der wieder sie
streitende Verdacht zur Genüge nicht abgelehnet, nach mehrerm Inhalt der
überschickten Inquisitions-Acten. So erscheinet darans und sonsten allenthalben
so viel, daß das Annen ertheilte sichere Geleite hinwiederum auffzuheben, und
sie zur Hafft zu bringen, auch da sie ihr Bekäntniß in Guten anderweit richtig
nicht thun will, seyd Ihr wohl befugt, sie dem Scharff-Richter auff diese Maasse
zu untergeben, daß er sie mag ausziehen, entblössen, zur Leiter führen, die zur
Peinligkeit gehörigen Instrumenta vorzeigen, die Daumenstöcke anlegen, und damit
zuschrauben, auch da dieses nicht fruchtet, sie mit den Banden-Schnüren, jedoch,
daß es bey dem, wie jetzt gedacht, verbleibe, und mit Ihr vor diesesmahl ferner
nichts vorgenommen werde, dabey sie denn mit allen Ernst zu befragen, ob sie
nicht An. 1681. ein lebendig Kind zur Welt gebohren? ob sie nicht an dasselbe
Hand angeleget, und es vorsetzlich ermordet? wie sie mit der Ermordung umgangen?
Ob sie nicht das Kind, so bald es von Ihr kommen, in Bette ersticket? Ob sie
nicht dasselbige darinnen eine Zeit lang liegen lassen, damit es ersticken und
umkommen sollen? Wer ihr zu dieser Mordthat geholffen, oder Rath und Anschlag
darzu gegeben? Was sie sonst darbey gethan und Ihr darum bewust sey? Wenn nun
ihre gütl. oder vor dem Scharff-Richter gethanene Aussage mit Fleiß
auffgezeichnet, und nebst denen Acten wiederum überschickt wird, so ergehet
darauff so wohl ihrer Person, als auch der Mutter und des Vaters halber ferner
was recht ist.
(Supplique, die Acta an die Herren JCtes nach)
§. XL. Weil nun nach geschehener gewöhnlicher publication des Urtheils, oder
vielmehr derer rationum desselben, erhellete, daß ohnerachtet aller bißhero
vorgebrachten momentorum in defensione die Herren Scabini Lipsienses dennoch
auff die tortur Ihre reflexion gemacht hat
|| [95]
ten,
und aus denen bißher angeführten Umständen leicht zu praesumiren(Wittenberg zu schicken.) war, daß aller ferneren
defensionen ohngeachtet, dennoch von diesem Col. legio keine mitior sententia zu
hoffen wäre, so ware höchstnöthig bey Sr. Churfürstl. Durchl. zu Sachsen (Joh.
Georgio III.) nicht alleine um nochmahlige defension, sondern auch um einen
allergnädigsten Befehl, daß nunmehro die Acta nach Wittenberg geschickt werden
möchten, unterthänigste Ansuchung zu thun, welches auch, so viel daß letzte
betrifft, den 20. Febr. 1685. auff folgende Weise geschahe.
P. P. Daß Ewre Churfürstl. Durchl. meinem Unterthänigsten Bitten Gnädigstes
Gehöre geben, und Dero Creyß-Amtmanne zu Leipzig anzubefehlen geruhen wollen,
mich in Inquisition Sachen meiner Tochter, Eheweib und mich selbst betreffende,
mit noch einer defension zu hören, erkenne ich zuförderst mit unterthänigsten
Gehorsam. Ob ich mir nun wohl getraue, die defension dergestalt einzurichten,
daß keine Peinlichkeit bey dieser Sache statt haben könne; so befinde ich doch,
daß hierbey der wichtigste stastus controversiae nicht so wohl in facto, als in
jure, und wie der 131. articulus der P. Halßg. Ord. zu interpretiren sey,
bestehe, und gleichwie ich hierinnen die interpretes auff zweyen unterschiedenen
Meinungen angetroffen: deren eine die Herren Scabini in Ihrer Sententz gefolgt
zu haben scheinen; Also lebte ich der ungezweiffelten Hoffnung, daß wenn die
Acta in ein ander Collegium ausser Leipzig gesendet werden solten, ich mitiorem
sententiam sodann erhalten würde. Wann dann Ewre Chur fürstl. Durchl. sonst in
dergleichen Fällen auff unterthänigstes Bitten derer Inquisitorum die Versendung
derer Acten in andere Collegia Gnädigst zu indulgiren pflegen; auch bey diesem
schweren casu, mein und meiner Familie Ehre, Leib und Leben interessiret sind;
Als flehe Ewre Churfürstliche Durchlauchtigkeit ich nochmahls in unterthänigsten
Gehorsam wehmüthigst an; diese Hohe Churfürstl. Gnade mir noch zu erweisen, und
erwehnten Dero Creyß-Amtmann zu Leipzig, Herrn Johann Joachim Rothen Gnädigst
anzubefehlen, daß er nach meiner eingebrachten defension die Inquisitions-Acta
an die Löbl. Juristen-Faeultät nacher Wittenberg zu Rechtlichen Verspruch sende;
und verharre stetswährend etc.
§. XLI. Nachdem auch diesem petito Gnädigst war deferiret(Anderwärtige und letzte Defension derer Inquisiten.) worden, war
ratione defensionis nicht nöthig, die in denen allbereit eingegebenen
defensionibus (vide supra §. 25. & 33.) angeführten momenta in dieser
neuen defension weitläufftig zu repetiren, oder mit vielen neuen allegatis
Doctorum angestochen zu kommen, sondern es schiene vielmehr genung zu seyn, die
rationes decidendi derer Herren Scabinorum kurtz und deutlich, jedoch bescheiden
zu beantworten. Dieses geschahe auch, und wurde die defension am 21. Aprilis
1685, übergeben, und ist in Actis fol. 201. biß 210. zu befinden.
|| [96]
P. P. Obwohl Inquisitin verhoffet hätte, Sie würde in ihrer vorigen Defension so
viel ausgeführet haben, daß sie per sententiam von dem angeschuldigten
Kinder-Mord würde absolviret werden, so will es doch aus denen ihr ex sententia
in Abschrifft communicirten rationibus dubitandi & decidendi das Ansehen
gewinnen, als sey ihr etwas peinliches zuerkandt worden, weßhalben sie auch Ihr
Leib und Leben zuretten in Nahmen GOttes zu der von Churfl. Durchl. ihr gnädigst
vergönstigten Defension schreitet.
Und zwar nachdem ihr Advocat in der ersten eingegebenen Defension Act. f. 100. & seqq. Vol. 2. wie auch in der
kurtzen Deduction f. 135. seqq. nach seinen wenigen
Vermögen mit nicht geringer Mühe alles dasjenige zusammen gesucht, was er zu
Ihrer Defension nöthig erachtet, auch in den sententiis interlocutoriis hierzu
Anleitung gegeben worden. Als ist sie nicht willens, allhier viel Neuerungen
vorzubringen, vielweniger dasjenige, was daselbst distincte angeführet worden,
hieher mit Verdruß zu wiederholen; sondern sie will nur so kurtz als möglich
auff die in den fol. 186. befindlichen Urtheil
angeführte rationes decidendi, jedoch salva Dnn. Concipientium autoritate
antworten, und lebet des zuversichtlichen Vertrauens zu denen jetzigen Herrn
Judicibus, sie werden mit dieser schweren Sache, die nicht allein ihr Leib und
Leben, sondern ihrer gantzen Familie Ehr und Gut betrifft, sich nicht
verdriessen lassen, zuförderst ermeldte ihre erste Defension und absonderlich
von fol. 111. biß zu Ende, ingleichen die kurtze
Deduction fol. 135. wohl bedächtig und mit Fleiß zu
durchlesen. Als warum auch selbige demüthigst und um GOttes Willen bittet.
Gleichwie aber in den Inquisitions-Acten zwey Indicia hauptsächlich entgegen zu
seyn geschienen (1) daß das Kind viel Stiche gehabt (2) daß sie Anna Vogtin das
Kind ohne jemands als Ihrer Mutter Gegenwart zur Welt gebracht; also acceptiret
Inquisitin bald anfänglich, daß so viel das erste Indicium derer Stiche
betrifft, die Herren Urtheilsfasser selbiges vor gnugsam abgelehnet halten,
indem sie nicht allein in rationibus decidendi der Stiche nicht ferner
gedencken, sondern auch in rationibus dubitandi, (verbis: So viel auch die
Stiche an dem Kinde betrifft aus denen Acten erscheinet,
daß solche in Ausgraben, und nachdem es todt gewesen, zugefügt worden) dasjenige
was Inquisitin in ihrer ersten Defension dieserwegen weitläufftig angeführet,
deutlich gnung approbiren, und beruhet dannenhero der status Controversiae einig
und alleine noch darinne: Ob Inquisitin auch in ihrer Defension den (2)
Verdacht, und daß sie nemlich das Kind alleine zur Welt gebracht, gnugsam
abgelehnet, und auff die deßhalb wieder Sie ex Art. 131.
Const. Crimin. entstandene Praesumtion zur Gnüge geantwortet habe?
Inquisitin vermeinet, daß solches allerdings geschehen, dieweil sie in ihrer
Defension deutlich gnung ausgeführet, daß (1) so viel die hierbey in acht
zunehmenden quaestiones Juris betrifft, ermeldter Art.
131. (1) keine interpretationem extensivam nicht
|| [97]
admittire: (2) Und derowegen nur von denen Dirnen, die mit Willen das Kind
heimlich zur Welt bringen, zu verstehen sey, nicht aber von denen, so mit der
Geburts-Stunde plötzlich überfallen werden: (3) Daß die Phrases heimlich und
allein zur Welt bringen in gedachten 131. Art. nur dahin
zu restringiren sey, so eine ohne eines einigen Menschen Beyseyn das Kind zur
Welt bringe: (4) Daß dieser Art. nur von dem Casu rede, wenn ein Weibs-Bild cum
occultatione & sui & partus das Kind zur Welt bringe: (5) Daß
der Art. nicht de sola occultatione impraegnationis rede, sondern hiernechst
auch die heimliche Gebährung conjunctim erfordere: (6) Daß der Art. allerdings
contrariam probationem eamque etiam ex argumentis artificialibus petitam
zulasse. (II) Was circumstantias facti anlanget, daß (7) Anna Vogtin ihre
Schwängerung nicht ex malitia. sondern aus einer warscheinlichen Unwissenheit
heimlich gehalten: (8) Daß Anna Vogtin das Kind nicht heimlich zur Welt bracht,
weil sie sich nicht verstecket, sondern in ihre Kammer gelegen, und iedermann
vor sich kommen, ja die Käse-Mutter sich gar auff den Leib fühlen lassen: (9)
Ingleichen weil sie das Kind in Gegenwart ihrer Mutter bekommen: (10) Daß Anna
Vogtin per argumenta artificialia bescheinigen könne, daß das Kind todt auff die
Welt kommen, dieweil Inquisitin zuvor kurtz, ehe sie das Kind bekommen, gar
harte auff den Leib gefallen: (11) Ferner die Käse-Mutter, indem sie ihr durante
partu auff den Leib gefühlet, nichts gemercket, so sich im Leibe gereget hätte:
(12) Weil die Lunge des todten Kindes bey der Section untergesuncken: Und (13)
weil diese argumenta probantia nicht allein von vielfältig angeführten
scriptoribus Medicis, sondern auch von zweyen gantzen Collegis Medicorum, als
erstlich derer zu franckfurt an der Oder, und hernach derer Herrn Medicorum
Wittebergensium, so viel die Inquisitam betrifft, einstimmig approbiret worden.
Ob nun gleich ex his mediis terminis gar leichtlich auff die rationes decidendi
derer Herren Urtheilsfasser geantwortet werden kan, und derohalben keiner
weitern Deduction von nöthen wäre, so wil doch Inquisitin um besserer
Richtigkeit Willen, auch auf dieselbe distincte sich einlassen. Die (1) Ursache
bestehet darinnen: Die-Weil Anna Vogtin die Schwängerung ungeachtet sie hierüber
vom Vater zur Rede gesetzt worden, beständig verneinet. Darauf antwortet
Inquisitin (1) daß quoad illationem hieraus keine Folgerung ad torturam gemacht
werden könne, weil der Imp. in Art. 131. die
occultationem partus mit der occultatione impraegnationis conjungiret haben wil,
(per modo dicta puncto 5) und solcher gestalt die Heimlichhaltung der
Schwängerung für sich keine Peinligkeit verursachen kan, zumahlen da (2) hier
die Circumstantiae facti weisen, daß Anna Vogtin ihre Schwängerung selbsten
nicht gewust, (per modo dicta puncto 7) Auff die (2) rationem decidendi, daß sie
auch nachgehends, als sie in Abwesenheit ihrer Mutter kranck worden, ihren
Zustand niemanden in Hause, auch als die Kä
|| [98]
se-Mutter zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt
ausser gegen die Mutter gantz heimlich gehalten, wird geantwortet, daß (1)
abermahls bey der Consequenz, so hieraus ad torturam gemacht werden will, zu
erinnern sey, daß der lmp. durch die phrasin: heimlich zur Welt bringen in d. Art. 131. nicht so wohl eine stillschweigende
Geburt, als eine so mit Verbergung der Gebährerin an einem einsamen oder
ohngewöhnlichen Ort geschiehet, verstanden haben wolle (per dicta puncto 4.)
Ingleichen, daß durch die verba: alleine und ohne iemands Beyseyn, der
Legislator nur von dem Casu rede, da ein Weibs-Bild keinen lebendigen Menschen,
auch die Mutter selbst nicht umb sich hat (per dicta puncto 3.) Wannenhero auch
diese ratio decidendi, quod pace Dnn. Concipp. dictum sit, ad inferendam
Torturam noch nicht erheblich gnung zu seyn scheinet, zugeschweigen, daß (2)
quoad factum in voriger Defension zur Genüge angeführet worden, daß Inquisitin
ihre Geburt nicht alleine, nicht heimlich gehalten, sintemahl sie iedermann, der
nur zu Ihr gehen wollen, zu sich in die Kammer gelassen (per punctum 8.) sondern
sie hat auch ihren Zustand der R. oder Käse-Mutter allerdings offenbahret, indem
sie sich von derselbrn nicht allein auff den Leib fühlen lassen, sondern sie
auch gefragt; ob es bald werden würde, die Käse-Mutter aber geantwortet, sie
müste noch besser daran, wie solches nicht allein der Praeceptor Vol. 1. Act. fol. 24. a. sondern auch die Köchin d. Vol. 1. fol. 33. a. Gerichtlich ausgesaget, auch
allbereit in Defensione l. weitläufftig angeführet ist. Aus welchen Worten ja
nichts anders geschlossen werden kan, als daß Anna Vogtin der R. daß sie in
Geburts-Schmertzen laborire, entdecket, oder zum wenigsten doch für selbiger
nicht heimlich gehalten haben müsse, zumahlen da die Käse-Mutter (wie das
Urtheil in rationibus dubitandi circa finem selbsten agnosciret, quod
acceptatur) damahls so genau Achtung geben, ob das Kind sich in dem Leibe
gereget habe oder nicht? welches nicht würde geschehen seyn, wenn sie nicht
gewust hätte, daß Anna Vogtin in Geburts-Schmertzen arbeitete. Daß (3) in
sententia inter rationes decidendi mit angeführet wird, daß Anna das Kind in
Bette bekommen, gestehet Inquisitin gar gerne, daß sie nicht genau penetriren
könne, was hieraus wieder sie für eine praesumtion ad Infanticidium oder
Torturam wolle gemacht werden; Ja sie bildet sich vielmehr ein, daß dieses zu
ihren Vortheil gedeyen solle, dieweil solchergestalt das Kind an nichts hartes
anstossen und etwa verletzet werden können, auch sonsten eben nichts
ungewöhnliches, ja vielmehr in Franckreich gewöhnlich seyn soll, daß
Gebärerinnen, zumahl bey schwerer Geburt, die Kinder in Bette zu gebähren
pflegen. Wolte man aber gleich, wie es fast das Ansehen gewinnen wil, auff eine
Erstickung des Kindes argumentiren, so wäre doch solches nicht nur ab eo, quod
fit per accidens, hergenommen, fondern es würde auch solches deßhalben nicht pro
Indicio ad Torturam passiren können, weil die Constitutio Carolina, so hier als
Norma billich
|| [99]
in acht zunehmen ist, aus diesem modo
pariendi kein Indicium machet. Und eben dieses, weil nemlich besagte
Constitution de celatione post partum in geringsten nichts gedencket, sondern
nur von Heimlichhaltung der Schwangerschafft ante partum, & partus
deinde ipsius in d. Art. 131. redet, scheinet Inquisitin
hauptsächlich zu statten zu kommen, daß obgleich die Herrn Urtheilsfasser pro
ratione decidendi (4) anführen: daß die Mutter das Kind todt zu sich genommen,
anfänglich in einer Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die
Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib
gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt
angekleidet, daß man ihr die Geburt nicht mercken sollen, daß die Mutter, daß
sie die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet; dennoch auch hieraus, und weil
diese facta alle post partum geschehen, nicht wohl ein beständig Indicium ad
Torturam gemacht werden könne, wie solches ebenmäßig in Defens. l. §. Ob es nun
gleich an dem etc. weitläufftig deduciret worden; So viel endlich die von Annen
Vogtin angemaßte probation betrifft, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey,
als welche sie auch für ihren stärcksten Grund hält, auch daher die Herrn
Urtheilsfasser inter rationes dubitandi gesetzet, und etliche derer Medicorum aus etlichen Umständen, daß das Kind von Annen
müste todt auf die Welt gekommen seyn, geschlossen, wie denn auch dieselbe / daß
sie kurtz vor der Geburt über eine Schwelle auff den Leib gefallen, vorgiebet,
und die Käse-Mutter, daß als Inquisitin zur Geburt
gearbeitet, sie bey ihr in der Kammer gewesen, ihr auff den Leib gefühlet, da
sich denn daß Kind nicht gereget, eydlich aussaget, so acceptiret Inquisitin,
daß in rationibus decidendi wieder der Käse-Mutter Aussage, daß sich das Kind
tempore partus in Mutter-Leibe nicht gereget, nichts excipiret worden. Ob nun
gleich, was der Inquisitin Fall vor der Geburt anlanget, vorgewendet und tamquam
ratio decidendi quinta (5) angeführet wird: daß der angezogene Fall, wie die
eydlich abgehörte Zeugin, Dorothea die Zoffe meldet, ohngefehr nach Johann.
gegen Bartholomaei und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft
geschehen sey, so kan doch Inquisitin zu Defendirung ihrer Unschuld auff diese
Exception unterschiedlich antworten. Denn anfänglich (1) so ist diese der
Dorotheen Aussage eine geraume Zeit und über Jahr und Tag nach dem facto
geschehen. v. Act. Vol. 2. f. 171. Daher sie auch in
Responsione ad Art. 5. dict. fol. darzu setzet, sie wisse so eigen die Zeit
nicht; In der ersten Aussage aber, da ihr das factum noch in recenti memoria
geschwebet, hat sie nicht allein deutl. bejahet, daß der Inquisitin Fall kurtz
vor der Zeit geschehen, ehe sie des Kindes genesen, vid. ejus
deposit. ad Art. 6. fol. 125. b. sondern sie hat auch die Zeit viel
genauer determiniret, es wäre noch vor den Melsener Marckte geschehen, die
Pflaumen wären schon reiff gewesen. vid. Respons. ejus ad
Art. 5. d. fol. 125. a. Nun ist bekandt, daß der Melsener Marckt
etliche wenige Tage
|| [100]
vor Michael ist, Anna aber
testantibus Actis stracks nach Michael das Kind gebohren hat. (2) Wenn auch
gleich der Fall gegen Bartholomaei, und also etl. Wochen vor Michael geschehen
wäre, so wissen doch die Herren Medici wohl, daß ein Kind durch einen
dergleichen Fall dergestalt getroffen werden könne, daß es erst nach etlichen
Wochen sterbe, in dessen Ansehen auch Zweiffels frey die Collegia derer Herren
Medicorum, absonderlich derer Herren Wittebergensium, als welchem die völligen
Acta communiciret worden seyn, und also ihnen der Dorotheen Aussage bekandt
gewesen, hoc non obstante (3) dennoch den Fall der Inquisitin f. 181. a. pro ratione, warum zu glauben, daß das Kind todt anff die
Welt kommen sey, angeführet haben. Weil demnach (4) in dergl. Quaestionibus
Physicis nicht so wohl auf die dubia eruditorum alterius Facultatis, als auf die
Decision derer Herren Medicorum, für welche solches eigentlich gehöret, zu sehen
ist, so hoffet Inquisitin, es werden Ihr derer Herren Medicorum Responsa, de
mortno foetu ante partum allerdings noch zu statten kommen, zumahln da von
Denenselben noch andere rationes und fürnemlich de pulmonis submersione in aqua
angeführet worden. Neque obstat, daß pro ratione decidendi ultima (6) in
sententia gesaget wird; Daß in übrigen / wie in der Medicimschen Facultät zu Wittenberg Gutachten Vol. 2. f. 180. angeführet, in Sachen, so Leib und Leben
betreffen, so blosser Dinge auff solche problemata, die
etl. derer Medicorum proponiret, sich nicht zu gründen,
und deren ungeachtet Inquisitin Kind lebendig auff die
Welt gekommen seyn kan. Denn gleich wie es das Ansehen gewinnen will, als wäre
der Sensus jetzt angeführter ration folgender, daß, ob gleich Inquisitin die
praesumtion, so ex Art. 131. Constit. Carol. de partu vivo edito wieder sie
gestritten, durch die Attestata derer von ihr angeführten Herren Medicorum de
infante ante partum mortuo, ablehnen wollen, dennoch diese Ablehnung nicht
sufficient sey, weil (1) die Attestata nur von etl. Medicis gestellet worden.
(2) Weil in causis capitalibus auff die problemata etl. Medicorum nicht zu
gründen sey, und (3) weil denen Attestatis ungeachtet dennoch das Kind lebendig
auff die Welt könne gekommen seyn. Also antwortet Inquisita auff das (1) daß
secundum jura vulgataad negotia, de quibus Medici testari solent, ad minimum duo
requirantur, per ea, quae tradit MASCARD, de probat, Vol. 3.
Concl. 139. n. 22. Und dannenhero, wenn gleich Inquisita nur das
Attestatum derer zweyen Herren Medicorum Lipsiensium für sich hätte, es schon
genung wäre. Nun aber hat sie noch über dieses zwey Attestata von zweyen
berühmten Medicinischen Facultäten. Wie können denn nun diese Problemata etl.
Medicorum genennet werden. Vielmehr vermeinet Inquisitin, Sie habe quoad
quaestionem casus praesentis: Ob in specie, daß Ihr der Inquisitin Kind todt
auff die Welt kommen, zu praesumiren sey? aller Medicorum decision vor sich,
denn ja warhafftig in diesem passu so viel als Medici bey denen A
|| [101]
ctis zu finden sind, dieselben alle pro
Inquisita testiret haben, und wenn gleich ein oder ander Medicus hiervon
dissentiren solte; so ist doch solches denen Herren Urtheilsfassern entweder
unbewust, und kan also der Inquisitae nichts schaden, oder da Ihnen ja der
Dissensus bewust ist, ist solche scientia extra Acta pro privata zu achten, und
praejudiciret Inquisitae eben so wenig, zu geschweigen, daß inquisita noch keine
Ursache siehet, warum dieser, da ja derer etl. wären, ihre judicia vor
glaubwürdiger, als derer, die Inquisita für sich angeführet, gehalten werden
solten, da sie doch verhoffentlich die andern weder an Erfahrenheit, noch an der
Zahl übersteigen werden, massen sich dann Inquisita zur Noth noch wohl getrauet,
aus einer und der andern Facultate Medica Attestata für sich anzuschaffen, und
müste ihr ebenfalls das bekandte Recht zu statten kommen, quod in dubio, si
Medici in quaestionibus ad eorum professionem spectantibus discrepent, Judex
sententiam pro Reo favorabiliorem sequi debeat, etiamsi numerus &
dignitas Medicorum, qui sibi sunt contrarii, sit aequalis. MASCARD. d. Concl. 139. n. 45. (2) So kan auch Inquisita nicht
absehen, warum in diesem casu criminali auff derer Herren Medicorum problemata
sich nicht zu gründen sey. Denn gleichwie die Herren Medici Wittebergenses d. f.
180. b. nur von der ersten general quaestion reden, und derohalben Ihre Worte
auff die quaestionem specialem von Annen Ihrem Kinde nicht zu ziehen sind per d.
f. 180. b. also wird ja sonsten von denen Rechts-Lehrern einstimmig dociret,
quod Artifici in sua arte credendum sit, & quod Medicis a Judice in iis,
quae ad artem medicam pertinent, fides adhiberi debeat, wie solches weitläufftig
deduciren MASCARD. d. Concl. 139. n. 2. TIRAQUELL. de Nobilit. c. 31. n. 398. ZACHIAS quaest. Medico Legal. lib. 5. tit. 2. quaest. 1. CARAR de Medico part. 9. n. 175. seqq. Dd. communiter ad Art. 149. Constit. Crimin. Ja es haben auch die Herren
Urtheils-Fasser bey diesem casu zu zweyen unterschiedenen mahlen erkennet, es
soll die Defension in eine Medicinische Facultät überschicket werden. Wenn nun
die Responsa Facultatum Medicarum, die einmüthig besagen, daß zu praesumiren
sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen, der Inquisitae nichts
fruchten, sondern diesen allen unerachtet Ihr die Tortur zuerkennet werden
solte; So scheinet ja in Warheit, daß so viel Zeit und Unkosten vergeblich seyn
auffgewendet worden. Alleine wird (3) vorgewendet, die Herren Medici gestehen ja
selber, daß dero praesumtion unerachtet, dennoch der Annen ihr Kind hätte
lebendig auff die Welt kommen können. Resp. 1. Carolus Raygerus und die andern
Scribenten, so in der ersten Defension angeführet worden, ingleichen die beyden
Herren Medici Lipsienses und die Löbl. Medicinische Facultät zu Franckfurt an
der Oder gestehen solches nicht. Wenn nun gleich die Löbl. Facultät zu
Wittenberg denen ersten hierinnen contradicirte, so würde doch die Rechts-Regul,
quod in dubio sententia, quae pro reo facit; sequenda sit, (zumahlen, da die pro
Inquisita gesprochen, noch mehr an der Anzahl sind) die Inquisitam noch
schü
|| [102]
tzen. 2. Was die Löbl.
Wittenbergische Facultät betrifft, so müssen in dero Responso zwey quaestiones
separiret werden. Die eine in genere. Ob submersio pulmonis in aquis ein
infallibile signum sey, infantem ante partum fuisse extinctum? Die andere, ob zu
praesumiren sey, daß Annen Kind todt auff die Welt kommen. Die erste beantworten
sie zwar mit Nein, und wenden vor, daß denen Experimentis unerachtet, bey etl.
casibus maxime extraordinariis ein Kind könne lebendig auff die Welt kommen. Bey
der letzten aber affirmiren sie die quaestion neben denen andern indistincte.
Aus welchen denn wieder erhellet, daß derer Herren Wittebergensium Geständniß
der Inquisitae nichts praejudiciret. Ja wenn auch 3. alle diejenige Herren
Medici, so Inquisita für sich angeführet, bezeugeten, daß ihr Kind nur
probabiliter und nicht infallibiliter hoc est, secundum id, quod plerumque fit,
non vero secundum id, quod aliter fieri nequit, todt auff die Welt kommen wäre,
wäre doch solches schon genung, und hätte Inquisita hierdurch das Indicium ex
Art. 131. Const. Crimin. sattsam elidiret. Denn das
Indicium, quod ea, quae clanculum partum edidit, si postea asserat, infantem in
utero fuisse extinctum, praesumatur infantem interfecisse, kan ja gewiß nicht
pro infallibili ausgegeben werden, sondern es macht nur praesumtionem Juris,
nicht aber praesumtionem juris & de jure. Nun ist aber bekandt, daß
praesumtio juris tantum nicht eben per praesumtionem juris & de jure
elidiret werden müsse, sondern auch per praesumtionem juris contrariam enerviret
werden könne, quia secundum communem doctrinam satis est, probare praesumtiones
a jure inductas, etiam ubi ad victoriam consequendam liquidissimae probationes
requiruntur, vel alias requireretur probatio per instrumentum: praeprimis si
versemur in tali casu, ubi verae & satis manifestae probationes haberi
non possunt, MASCARD. de probat. Vol. 1. qu. 10. n. 42.
& 46. Und werden demnach die Herren Urtheils-Fasser doch
concediren, daß wenn gleich Anna zu Behuff ihrer Unschuld keine praesumtionem
juris & de jure angeführet, dennoch derer Herren Medicorum Responsa, so
ferne selbige, wie gedacht, per observantiam hactenus receptam a judicibus in
dergleichen Fällen attendiret werden sollen, zum wenigsten pro praesumtionibus
juris passiret werden müssen. Letzlich und da ja über Verhoffen Anna die wieder
sie streitende Indicia nicht aus dem Grunde gehoben hätte, so hoffet sie doch,
daß nunmehro über das juramentum purgatorium nichts peinliches ihr zuerkennet
werden solle. Submituret demnach in Nahmen GOttes zu einem erfreulichen Urtheil,
und beschliesset mit den verbis MARCIANI l. 11. pr. ff. de
poen. Perspiciendum est judicanti, ne quid aut durius aut remissius
constituatur, quam causa deposcit. Nec enim aut severitatis aut clementiae
gloria affectanda est, sed perpenso judicio, prout quaeque res expostulat,
statuendum est. Plane in levloribus causis proni
|| [103]
ores ad lenitatem judices esse debent, in gravioribus poenis
severitatem legum cum alioquo temperamento benignitatis subsequi &c.
§. XLII. Ob nun wohl die Herren JCti Wittebergenses der Reae(Das Urtheil der löbl. Juristen-Facultät zu
Wittenberg.) nicht, wie gebeten, das juramentum purgatorium, sondern
territionem verbalem Mense Majo 1685. Actor. fol. 215. seq. in verbis:
Daraus allenthalben so viel zu befinden, daß Anna, in Fall sie auf gütl. Zureden,
ihr Bekäntniß richtiger zu thun sich ferner verweigern solte, dem
Scharff-Richter vorzustellen, und vermittelst desselben, als solte und wolte er
sie angreiffen, jedoch noch zur Zeit nicht angegriffen, zu befragen, ob sie
nicht An. 1681. umb Mich. ein lebendiges Kind zur Welt bracht? Ob sie nicht Hand
an dasselbe geleget, und es ermordet? Oder ob nicht solches ihre Mutter Maria,
gethan? Wie es damit zugegangen, und was jedes darbey gethan! Darauff und wenn
ihre Aussage, auch wie sie sich darbey geberdet, mit Fleiß, immassen zu
beschehen, zu den Acten verzeichnet wird, der Bestraffung halber oder sonst
ferner ergehet, was Recht ist.
zuerkandt; so ware doch in Betrachtung dessen, was allbereit oben §. 2. &
5. angeführet worden, absonderlich aber, weil in delictis ejusmodi capitalibus
und zwar bey dergleichen indiciis das juramentum purgatorium nicht wohl pfleget
erkandt zu werden, bey der Sache auff meiner Seite weiter nichts zu thun,
zumahlen da ohnedem es sich noch sehr disputiren liesse: Ob nicht certo respectu
es öffters besser pro reo sey, wenn auff die territionem verbalem oder wenn auff
ein juramentum purgatorium gesprochen wird. Solcher gestalt nun finde ich auch
in meinen excerptis weiter nichts als das letzte definitiv Urtheil.
§. XLIII. Dieses ware nun abermahls von denen Herren Schöppen(Das letzte Definitiv
Urtheil.) zu Leipzig, und zwar erst mense Junio 1687. (Actorum fol. 284.)
verfertiget worden.
Dieweil Inquisitin Anna, als sie dem fol. 215. Vol. 2.
befindlichen Urtheil zu folge dem Scharff-Richter vorgestellet worden, vor
demselben erhalten, daß Sie Ano 1681. umb Michaelis kein lebendig Kind zur Welt
gebohren, Sie auch an dasselbe Hand nicht angeleget, und es ermordet, noch
solches ihre Mutter gethan, sondern es wäre das Kind todt auff die Welt kommen,
nach mehrern Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten; So mag zwar nunmehro
wegen der beygemessenen Ermordung weder wieder Sie noch der Mutter, ingleichen
dem Vater etwas weiter vorgenommen werden, Sie Anna ist aber gleichwohl, daß sie
sich damahls in Unehren schwängern lassen, die Schwängerung auch gegen ihren
Vater beständig verneinet, und sowohl die Geburt ausser gegen die Mutter gantz
heimlich gehalten, und nachgehends als sie des Kindes genesen, ein Küssen auff
den Leib gebunden, zu dem Ende,
|| [104]
daß man die Geburt
nicht mercken sollen, und also wieder ausgangen, 2 Jahr mit Landes-Verweisung,
oder 8 Wochen lang mit Gefängniß, ingleichen dero Mutter, daß sie das Kind
anfangs in eine Lade verstecket, und es hernach in den Garten heimlich
vergraben, sechs Wochen lang mit Gefängniß oder umb 30. Thlr. zubestraffen,
immassen sie auch allerseits, die dißfals verursachten Unkosten, wovon die fol. 149. & seqq. Vol. 1. ausser dem baaren
Verlage auf 36. Thlr. 21. gl. zumäßigen, abzustatten schuldig.
Wie und auff was Weise aber die Sache so lange und in zwey Jahren und drüber, von
dem publicirten Wittenbergischen Urtheil an zu rechnen, trainiret worden, kan
ich gleichfalls nicht melden; vermuthlich hat der Vater gesucht, allerhand
Dilationes zu gebrauchen, biß ihm endlich bey Verlust der Caution ist anbefohlen
worden, die Tochter zu sistiren &c.
(Nutzen dieses gegenwärtigen casus.)
§. XLIV. Ich habe diesen casum hauptsächlich deßwegen so ausführlich und
weitläuftig vorgestellet, weil die nach dieser Zeit geführten criminal Acten in
puncto infanticidii vielfältig bezeiget haben, daß die Quaestion, wie weit die
Untersinckung der Lunge oder auch die Obenschwimmung derselben ein indicium für
oder wieder die beschuldigte Kinder-Mörderinnen mache, zum öfftern darinnen
ventiliret worden. Ja es haben auch die Commentatores über die Peinliche
Halsgerichts-Ordnung nach dieser Zeit nicht ermangelt, dißfalls ihre Meimmgen
über diese Frage zu entdecken. Z. E. der Seel. Herr D. Beyer zu Wittenberg delineat. jur. crimin. ad art. 33. seq. posit. 21. seq.
Der Herr Hoffrath Ludovici in seinen notis practicis über die Peinliche
Halsgerichts-Ordnung dict. art. 35. p 51. 52. edit. anno
1716. Vor diesem gegenwärtigen casu glaube ich nicht, daß dieser Frage
halber etwas in denen judiciis in Teutschland und in denen Urtheilen oder
Responsis collegiorum juridicorum vel medicorum vorgekommen sey. Weil nun diese
Frage in denen oben beygedruckten responsis variis Medicis plene außgeführet
worden, so werden sich die Herren Advocati inquisitorum derselben in dergleichen
Fällen gar nützlich bedienen, auch nach Gelegenheit, wenn Ihnen dißfalls einige
objectiones gemacht werden wolten, diese dann und wann beantworten können.
Jedoch ist kein Zweiffel, es werde aus denen neueren Scribenten noch ein mehrers
als hier zu finden, von dieser Materie können angemercket werden. Also finde ich
z. E. daß Herr D. Beyer loc. cit. notiret hat, daß wenn das Kind schon habe
angefangen zu faulen, alsdenn die Lunge des Kindes auch oben schwimme, wenn
dieses gleich in Mutter-Leibe schon gestorben gewesen, welches mit dem oben von
der Fäulung §. 37. angeführten casu nicht muß confundiret werden, daß die Lungen
der Thiere die einmahl mit Lufft angefüllet gewesen, auch nach der Fäulung nicht
untersincken &c.
|| [105]
II. Handel. Responsum vor einen Korn-Schreiber, der aus Haß von Seinem
Closter-Verwalter angegeben worden.
§. I.
VOr Alters sind bey allen vernünfstigen Völckern die delatores(Erinnerung wegen Schädligkeit der Denuntianten, und daß das Angeben für ein Christlich Werck
gehalten wird.) und Angeber, und zwar so wohl die öffentlichen als
heimlichen, sehr verhast gewesen; und weisen die Historien, daß solche Angeber
gemeiniglich als instrumenta tyrannidis gebraucht; und von denen, die absolut
herrschen wollen zwar gehegt, aber doch auch nach dem gemeinen Sprichwort
(proditionem amo, proditorem odi) nicht aestimiret noch allemahl geschützet
worden; Löbliche Regenten aber, und die die Schädlichkeit, die durch solche
gefährliche, hämische und falsche Leute dem gemeinen Wesen zugefügt wird, etwas
reifflicher erwegen, dieselben ärger als die Pest gehasset, und Sie mit
höchstlöblichen Straff-Gesetzen verfolget. Gleichwie aber das Papstthum sonsten
aus schwartz weiß, und aus denen grösten Lastern und Schelmstücken, und zwar
mehrentheils unter der Larve sonderlicher Gottesfurcht und Beförderung der Ehre
und des Dienstes GOttes, die grösten Tugenden, und nach dem stilo des
Päpstlichen Rechts, Wercke der Christlichen Liebe zu machen gewohnet ist, also
hat es auch vermittelst seiner infallibilität aus denen schändlichsten
Delatoribus, Ehristliche und gottseelige Denuncianten gemacht, und die
Denuntiation solcher Blaustrümpffe wohl gar aus dem heil. Evangelio nicht nur
entschuldigen, sondern gar loben und vertheidigen wollen, wie hiervon ad Tit. 1.
Libri 4. Institut. Lancelotti mit mehrern ist gehandelt worden. Und an diesem
Greuel des Päbstlichen Rechts hängen noch heute zu Tage die meisten Lehrer auch
auff denen Protestirenden Universitäten. Es gehet kein Monat hin, da nicht
etliche Acta in unsere Facultät geschickt werden solten, in welchen
Evangelischer Lehrer und Prediger Ihre schrifftlichen Denuntiationes gar
vielfältig zu lesen sind, und gehen gemeiniglich die Denuncianten von geringer
condition hin zu denen Predigern, und brauchen diese (auch öffters bey
offenbahren calumnien) zu instrumentis Ihrer Boßheit. Ja es finden sich
insgemein in denen Denuntiationen der Prediger diese formalia, daß Sie nach
Ihrem Amt und
|| [106]
Gewissen, oder aus Christlicher Liebe
die Dinge nicht verschweigen könten. Siehe ein Exempel hiervon in §. 4. des
vorhergehenden Handels pag. 4. Gewißlich ich kan mich des Seufftzens nicht
enthalten, so offt ich solche denuntiationes in die Hände kriege, nicht daß ich
wieder diese arme Leute erbittert wäre, sondern aus Mitleiden, daß Sie solche
schöne Sachen auff Universitäten gelernet haben, und wohl noch gewahr werden,
wie die so genante denuntiatio Evangelica in vielen Schrifften unserer
Theologorum und JCtorum vertheidiget und gelobet zu werden pflege. Daß aber die
Einführung der Papistischen denuntiation in peinlichen Sachen dem gemeinen Wesen
höchst schädlich sey, weisen nicht alleine die Politischen vernüfftigen
Grund-Regeln, sondern auch die tägliche Erfahrung. Vernünfftige Völcker haben
zwar jedweden von Volck zugelassen, in peinlichen Sachen die Ubelthäter
anzuklagen, damit aber dem Haß und Neid nicht Thür und Thor auffgethan würde,
geehrte, unschuldige, und um das gemeine Wesen wohlverdiente Männer durch
falsche Anklagen in Gefahr zu bringen, haben Sie die calumnianten mit eben der
Straffe beleget, die der Beklagte hätte leiden müssen, wenn er schuldig gewesen
wäre. Dieses ist nicht nur aus dem Römischen Recht denen Gelehrten, sondern auch
dem gemeinen Mann aus der Historie von denen zwey Susannen-Brüdern bekant, ob
wohl diese gleichfalls als Presbyteri des Jüdischen Volcks nach dem heutigen
stilo vorwenden kunten, daß Sie diese denuntiation nach Ihren Amt und Gewissen
thun müssen. Bey denen Teutschen ist ein gleiches in Gebrauch gewesen, wie man
noch aus der P. H. O. sehen kan; Aber so bald Innocentius III. das peinliche
Angeben zu einen Werck Christlicher Liebe machte, und also anfangs der
Päbstischen Clerisey freye Gelegenheit gabe, auch die fälschesten Dinge wieder
die Leyen ohne Gefahr zu denunciren, und hernach auch die Leyen von diesen
Wercken der Christl. Liebe (jedoch nur so ferne Sie solche wieder andre Leyen
brauchten; denn wieder die Priesterschafft wurden Sie als offenbahre Feinde der
Geistlichen, (scilicet) mit solchen Dingen nicht gehöret) nicht ausgeschlossen
werden konten, hat sich in peinlichen Dingen der Klag-Proceß nach und nach von
sich selbst verlohren, und hat der heiligen inquisition allenthalben Platz
gemacht. Denn wer wolte so ein tummer Teuffel seyn, und als Ankläger der poenae
talionis sich unterwerffen, oder sich ins Gefängniß setzen lassen, oder in
Gefahr stehen, daß er einer mercklichen summe Geldes, die er zur caution
gestellt, verlustig werden dürffte, wenn er aus dem heiligen Jure Canonico sich
der Angeberey bedienen, und dem Richter die Mühe und Unkosten ohne Fürchtung
einiger Gefahr über den Halß lassen kan. Die
|| [107]
überall
aus diesen verderbten Wesen herkommende Früchte sind diese, daß wir täglich
erfahren, wie hämische und listige Feinde auch denen Unschuldigen, nicht durch
offenbahre Gewalt, sondern durch dergleichen Angeberey Schaden zu thun, und
selbige in die Inquisition zu bringen suchen. Absonderlich aber werden viele in
folgenden vorzustellende Händel deutlich weisen, daß fürnemlich diejenigen, die
so zu sagen Collegen in einem Amt oder dessen administration sind, (als in
gegenwärtigen Handel der Closter-Verwalter und Korn-Schreiber, item
Raths-Verwandten, Professores, Räthe bey Hofe) wieder einander, ingleichen die
Obern wieder die Untern, oder diese wieder jene, die Richter wieder Advocaten,
oder die Advocaten wieder die Richter, Ihre Feindschafft auszuüben, dergleichen
denunciationen zu gebrauchen, und mehrentheils, weil Sie in keine Gefahr dabey
lauffen, zu mißbrauchen pflegen.
§. II. Jedoch müssen wir nicht allen Mißbrauch, der bey uns in
inquisitions-Processen(Ingleichen von denen ex essen der Richter in Inquisitions. Sachen nebst einem artigen Exempel davon.)
vorgehet, dem Päbstischen Recht zuschreiben, immassen ich allbereit ad
Lancelottum lib. 4. not. 23. p. 1719. erinnert habe, daß viele von unsern
Richtern, Ihren Haß und Feindschafft in denen inquisitions-Processen wieder
diejenigen, denen Sie schaden wollen, dann und wann noch unverschämter Weise
auszulassen pflegen, als nach denen Regeln des Päbstischen Rechts zu thun
vergönnet ist, von welcher Materie künfftig sich schon auch exempla finden
werden. Jetzo nur in specie etwas von Commissariis zu gedencken, ist bekant, daß
die Commissarii überhaupt nicht alles thun dörffen, was ordentlichen Richtern zu
thun zugelassen ist; sondern Sie müssen die Ihnen in dem Commissions-Befehl
fürgesetzte Schrancken nicht überschreiten, und in diesen Ansehen sind sie
schuldig denen bey denen Commissionen interessirten Partheyen Ihre Commissiones
vorzulegen, oder auch wohl Copey davon zu ertheilen. Daß Sie aber sehr offte die
Gräntzen Ihrer Commissionen gantz gröblich überschreiten, weiset gleichfalls die
tägliche Erfahrung und gegenwärtiges Exempel; ob ich gleich diejenigen, so
solches thun, deßhalben nicht eben für gottlose, böse Leute halten kan, indem
sie eben so wohl als andre Gelehrte sich bereden können, daß Sie diesen excess
und Uberschreitung Ihrer Commission zu GOttes Ehre und zu Beförderung des
gemeinen Bestens, d. i. die heimlichen Ubelthaten zu entdecken und zu
bestraffen, thäten. Ich habe einen vortrefflichen und sehr berühmten JCtum
gekant, dem einsmahls eine Commission auffgetragen wurde, wegen eines ehrlichen
Manns, den scheinheilige Menschen denunciret hatten, in genere zu inquiriren.
Nachdem aber dieser JCtus der denuntianten (zum wenig
|| [108]
sten in puncto contra denuntiatum) guter Freund ware, und mit Ihnen
unter einer Decke lage, als überschritte Er (gleichwie die Commissarii in
gegenwärtigen Handel) seine Commission, und wolte gleich zur special-inquisition
schreiten, citirte auch den denuntiatum mit gewöhnlicher Formul (Kraffthabender
Commission, für mich aber etc.) in sehr höflichen
terminis, daß er deßhalben für Ihm erscheinen solte. Der denunciatus, der schon
durch lange Erfahrung die in Schaaffs-Kleidern sich versteckende Wölffe hatte
kennen lernen, antwortete wieder in höflichen terminis, er wolte hertzlich gerne
erscheinen, wunderte sich aber, daß in der schrifftlichen citation die copia
commissionis nicht wäre beygelegt worden, und bate um dieselbe nochmahlen. Was
solte nun dieser berühmte Mann thun? hätte Er dieselbe communicirt, so hätte
denuntiatus Ihm gewiesen, daß Er keine commission hätte, Ihn selbst zuvernehmen,
und als einen inquisiten zu tractiren; hätte Er aber das Commissariale begehrter
massen nicht gezeiget, so hätte der Denuntiat eine rechtmäßige Ursache gehabt,
für der Commission sich nicht einzulassen. Aber da ware bald Rath zu. Wer
einmahl die Gräntzen der Ehrligkeit und Schamhafftigkeit nur ein wenig
übertritt, der schämet sich hernach nicht, gantz ungescheuet auff dem Pfad der
Unverschamheit fortzuwandeln. Also machte es auch dieser Herr und sagte, es sey
Ihm in Commissoriali verboten, daß Er die Copey davon niemand geben, auch das
Original nicht einmal jemand ad perlegendum vorlegen solte. Nun kame diese
Ausflucht dem denuntianten desto ridiculer vor, weil der Herr Commissarius sonst
in seinen Schrifften behauptet hatte, quod falsiloquium omne pro mendacio sit
habendum, und daß also alle Unwarheit eine derbe Lügen und folglich eine grosse
Sünde sey; und diese Unwarheit ware doch so grob und handgreiflich, auch wieder
alle principia juris, daß gar nicht zu praesumiren war, daß die committirende
Herren Räthe dergleichen clausulam ohnbegehret, in den ersten Commissions-Befehl
solten gesetzt haben. Da nun Denuntiatus dieses abermahls, jedoch
bescheidentlich demonstrirte, liesse sich zwar der Herr Commissarius eine
Zeitlang beruhigen; er berichtete aber an einen Hoff-Minister etliche
gleichfalls aus der Lufft ersonnene Umbstände (ohne dasjenige, was zwischen ihm
und den Denuntiato besagter massen ergangen, zu melden) und brachte etliche
Schein-rationes für, warum es gut seyn würde, wenn ihm ein neuer Befehl
zugeschickt, und in demselben verboten würde, daß er das Commissoriale niemand
zeigen solte. Dictum factum. So bald er diesen Befehl hatte, schickte er dessen
vidimirte Copie jedoch sine dato dem denuntiato zu, und dachte nun, er hätte Ihn
ge
|| [109]
fangen. Dieser aber sahe wohl aus dem
context des rescripts, daß, unerachtet das datum in der Copey ware ausgelassen
worden, dennoch das rescript per falsa narrata sub & obreptitie erst
nach erhaltener Commission ausgewürckt worden wäre. Solchergestalt nun ware es
dem denunciato nicht schwer, die Sache gleichfalls bey Hoffe vorzustellen, und
durch schlechte Erzehlung der Warheit und des von dem Commissario gebrauchten
Unfugs ein ander rescript zu erhalten, daß er ihn noch zur Zeit mit Frieden
lassen solte &c.
§. III. Doch dergleichen Freyheiten dürffen sich die denuntianten(Gegeneinander-Haltung der Partheyligkeit der Richter,
und der falschen denuncianten.) insgemein
nicht unterfangen, wenn nemlich selbige, wie öffters geschiehet, nicht von
vornehmen Stande und Ansehen oder sehr vermögend sind. Denn je vornehmer und
mächtiger jemand ist, je weniger pflegt er sich, wenn er seinen lasterhafften
Gemüths-Neigungen Gehör giebt, zu schämen. Dannenhero wird man befinden, daß
auch gehäßige und verleumderische Denuntianten ihrer Denuntiation einige
wahrscheinliche Umstände beyzufügen wissen, die auch verständige Richter, wenn
sie nicht sehr behutsam gehen, einnehmen, und bey demselben den denuntiatum
verdächtig machen können.
§. IV. Alles dieses, was bißher angemercket worden, wird durch folgendes(Occasion gegenwärtiges responsi, und dessen Inhalt.) responsum
erläutert. Anno 1693. mens. Januar. wurde über gegenwärtigen casum ein responsum
von unserer Facultät begehret. Ein Closter-Verwalter hatte den Korn-Schreiber
wegen vieler Dinge, absonderlich aber wegen Betrugs und Verfälschung des
Kornmasses denunciret. Er protestirte solenniter, daß er die Denuntiation nicht
aus böser Meinung, sondern zu des Closters Besten thäte. Die Sache befand sich
auch, daß das Maaß, dessen sich der Korn-Schreiber bey dem Verkauff des Korns
bedienete, kleiner als dasjenige war, nach welchen Ihm solches zugemessen wurde,
ingleichen daß er bey Abwegung des Brods zur Spende und Pröffen kein recht
Gewichte gebraucht, und man hatte ausgerechnet, daß der Korn-Schreiber in denen
12. Jahren seiner Dienste nur an diesem Brodte alleine 24480. Pfund Brodt
übermasse behalten hätte. Der Korn-Schreiber gestande auch bey Abhörung ad
articulos dieses ihm imputirte falsum; und also schien die Sache richtig und
nichts mehr übrig zu seyn, als, daß der Korn-Schreiber als ein falsarius zu
condemniren, der Closter-Verwalter aber als ein treuer Closter-Bedienter, der
nach seinen Pflichten und Gewissen gehandelt, billig zu loben wäre. Aber wie es
sonsten heißt, quod minima circumstantia variet jus, und ein unpartheyischer
Richter auch die armen denunciatos mit ihrer Nothdurfft hören
|| [110]
muß, also befand sich auch die Sache, nach dem Facultas nostra die
von dem Korn-Schreiber überschickte privat Acta mit attention durchlesen hatte
gantz anders, wie aus dem responso selbst mit mehrern wird zusehen seyn.
Hat der Closter-Verwalter zu M. bey dem Hochfürstlichen Br. zu denen
Closter-Sachen deputirten Raths-Collegio euch den Korn-Schreiber zu M. zu
unterschiedenen mahlen Anno 1690. 91. 92, wegen vielfältiger in eurem Amte
begangenen Untreue und unverantwortlicher Nachläßigkeit denunciret, worauff den
8 Apr. 92. gewisse Commissarii unter folgenden formalien constituiret worden:
daß Sie sich so schleunig als möglich nach dem Closter M. verfügen, die
denuncirte Beschuldigung vermittelst Einnehmung eydlicher Kundschafft gründlich
untersuchen, und darauff ihren pflichtmäßigen Bericht zu fernerer Verordnung
ausführlich erstatten solten. Haben sich darauff die Herren Commissarii nach M.
verfüget, den 25. April 92. euch die allbereit zuvor intimirte Commission unter
besagten Formalibus eröffnet, ihr euch aber so fort eure jura competentia wieder
die abzuhörende Zeugen vorbehalten; sind sodann der Prior des Closters auff die
von dem Closter-Verwalter wieder euch eingegebene puncta jedoch ohne Eyd, von
denen Herrn Commissariis vernommen, nach diesen aber ihr der Korn-Schreiber den
28. Aprilis seq. so fort über 305. Inquisitional-Artickel, alsdenn aber erst den
30. Aprilis die Inquisitional Zeugen, auff die Artickel, die ihr verneinet,
eydlich abgehöret, und ihr nochmahlen in der Cantzeley zu W. den 7. May 92. über
17. Artickel vernommen worden. Haben ferner die Herrn Commissarii sub dato 10.
Maji, ihren Bericht an das committirende Collegium eingesendet; ihr aber seitdem
unterschiedene kurtze deductiones innocentiae nebst etlichen von Notariis
verfertigten instrumentis ad Acta gegeben und Defensional-Zeugen zu Rettung
eurer Unschuld judicialiter abhören lassen, auch etliche monita über derer Herrn
Commissariorum Bericht auffgesetzt, aus denen Ihr eure Defension zuverfertigen
Vorhabens seyd, und wollet berichtet seyn; Ob solche Indicia, die zu einer Special-Inquisition de jure
erfordert werden, wieder euch verhanden gewesen.
Ob nun wohl die Begünstigungen, derer ihr beschuldiget worden, so beschaffen, daß
Sie, wenn ihr derer überwiesen worden, des Closters Interesse mercklich
laediret, und dannenhero propter favorem causae piae die Herrn Commissarii an
die gemeinen Rechts-Reguln nicht allenthalben gebunden zu seyn scheinen möchten,
zumahlen da der Nutzen des gemeinen Wesens erfordern will, ut delicta punientur
ocius non servato juris ordine
Oldekop. Observ. Crim. Tit. 2. obs. 14. n. 2. auch die P. H. O.
artic. 16.
|| [111]
vermag, daß die Richter dran seyn sollen, daß die Straffe der Missethaten mit den
wenigsten Kosten als seyn kan gefördert werden; hiernächst Processus
tumultuarius von berühmten Rechts-Lehrern unter die species Processus gerechnet
wird
Carpzov. in Proc. juris tit. 8. artic. 5. n. 1. 2. 3. 4. & numero 21. & 22. und ferner die wieder euch angestellete Inquisition auff des Closter-Verwalters denunciation geschehen, qui per tradita Arimensis
apud Crusium, de Indic. crim. Part. 4. c. 7. n. 29. pro uno teste habendus esse videtur, zumahl da er als eine dem Closter mit Eyd und Pflicht zugethane Person zu betrachten, dessen Denunciation um so vielmehr pro indicio ad inquisitionem specialem formandam zu halten, weil sonst überhaupt denunciatio unter die indicia specialis inquisitionis gerechnet wird
Carpzov. Crimin. Part. 3. qv. 108. n. 54. auch in übrigen, wenn schon die Special Inquisition, ohne genungsame indicia wieder euch angestellet wäre, dennoch der Mangel derselben dadurch ersetzet worden, daß ihr in responsione ad articulos viele Dinge, sonderlich das beym Ausmessen des Korns und Brodtbacken euch imputirte falsum betreffend, gestanden oder eingereumet, die euch nicht wenig graviren könten, also die von euch formirte Frage nunmehro zu späte vorgebracht zu seyn scheinet, cum confessus habeatur pro convicto & judicato:
l. 1. ff. de confessis l. 25. §. 3. ad L. Aquil l. 16. C. de poenis. l. fin. C. de custod. reor. Dennoch aber und dieweil die ohne genungsame indicia formirte inquisitio specialis pro nulla zu achten
cap. qualiter & quando X. de accusat. l. justissimum C. de Offic. Rect. provinc. in tantum, ut nec consolidetur per testes postea receptos, quibus delictum plene esset probatum
cap. inquisitionis §. tertiae dubitationis de accusat. vel per subsequentem confessionem, aut etsi de crimine excepto agatur
per leges & Dd. citatos a Carpzov. d. quaest. 108. n. 44. seqq. Oldekop. observ. crimin. 8. tit. 2. n. 7. seqq. & observ. 22. und allhier kein genungsam indicium wieder euch zur Special Inquisition vorhanden gewesen, indem, wie für allen Dingen geschehen sollen, das corpus delicti, nemlich der kleinere Scheffel und das steinerne Gewichte, mit dem man euch das falsum begangen zu haben beschuldiget, für eurer Abhörung ad articulos nicht untersucht worden, da doch diejenige inquisition pro nulla zuhalten, ubi non constat de corpore delicti, nec possit sine eo perveniri ad specialem inquisitionem, aut reus de crimine examinari, in tantum ut non sufficiat, si constet de corpore delicti post sententiam, nec suppleatur hic defectus per confessionem
prout singula textibus & autoribus illustrat Sebast. Guazzinus Oper. Crimin. Tom. 1. Defens. 4. c.1. n. 5. 13. 14 21. cap. 3. n. 1. & Defens. 80. cap. 7. n. 3. seqq. auch von dieser Regul das crimen falsi nicht durchgehends auszunehmen ist, ob es
|| [112]
schon sonsten pro delicto difficillimae
probationis gehalten wird, praeprimis si aliqua mensura non fuerit justa sed
etiam depravata vel diminuta, seu alterata, ubi poterit per inspectionem vel per
mensuram justam fieri experientia vel comparatio
idem Guazzinus d. defens. 4. c. 9. n. 1. &. 3. massen denn auch in der wieder euch formirten Inquisition, nachdem ihr allbereit auff Inquisitional. Artickel abgehöret worden, mit Gegeneinanderhaltung derer Himbden, mit denen das Korn ein und ausgemessen ist, geschehen; hiernächst auch die Herrn Commissarii den tenorem commissionis, der nur dahin gangen, daß Sie wegen derer imputationen eydliche Kundschafft einziehen solten, gar mercklich überschritten, indem sie den Prior nur summarisch ohne Eyd abgehöret, und unerachtet derselbe sehr favorabel für euch ausgesaget, und den Closter-Verwalter mehr als euch graviret, so fort euch auf etliche hundert Inquisitional-Artickel abgehöret, und aber alle actus Commissionem transgredientes pro nullis zu achten
arg. l. 5. ff. mand. c. 32. de offic. deleg. unde & Commissarius commissionem sicut pupillam oculorum diligenter observare debet
Card. Tusch. concl. 154. n. 4. concl. 435. n. 1. & concl. 553. in fine lit. I. in übrigen aber, was oben de non servando juris ordine angeführet worden, nur von denen criminibus manifestis & notoriis zu verstehen ist
Oldekop. d. Obs. 14. Tit. 2. n. 2. d. attic. 16. Ord. Crim. und die so genante species Processus tumultuarii von anderen Rechts-Lehrern mit Nachdruck wiederleget worden
Idem Oldenkop. in tractat. contra Carpzov. Decad. 5. qv. I. auch die denunciation des Kloster-Verwalters pro indicio sufficienti ad inquisitionem specialem nicht gehalten werden kan, sowohl weil die angeführte Regel quod denuncians habeatur pro uno teste, von denen Doctoribus selbst so limitiret wird, quod unus testis non probet,
Crusius d. Part. 4. de Indic. c. 7. n. 29. und derselben einen andern canon entgegen zu setzen, quod denunciator non possit recipi in testem
Dd. in l. ea quidem 7. C. de accus. Alb. de Malet. in tr. de testib. c. 3. n. 6. Joh. Campeg. de testibus reg. 103. in pr. als auch, weil ein Richter auff die Person und Affecten eines denuncianten wohl Acht geben muß
Damhoud in pract. crim. cap. 6. n. 12. und bey gegenwärtigen Fall der Closter-Verwalter allen Umbständen nach seine denunciation (die ohne dem nicht mit einem Eyd bestärcket worden) aus vergalleten Gemüthe wieder euch übergeben, und von dem Prior ein übeles Zeugnüß wegen seiner
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conduite erhalten, dergleichen Personen
denn sonst kein beständig indicium ad inquisitionem machen, ne quidem in
criminibus exceptis
Crusius de Indiciis Part. 4. cap. 4. n. 35. zumahlen da er seine denunciation so vielfältig wiederholet, selbst articulos inquisitionales eigenhändig ad acta übergeben, bey erfolgter inquisition Erinnerung gethan, dem Fiscal eure defensional Artickel ad formanda interrogatoria zu übergeben und bey dem gantzen Proceß sich dergestalt erwiesen, daß starcke praesumtiones wieder ihn verhanden, daß er euren Ruin eiffrig gesucht; in übrigen aber eure Geständnüß bey dem examine ad articulos euch deßwegen nicht graviren kan, weil ihr dieselbige alsofort durch eine eingegebene Declaration sub dato 2. May revociret, und zu euren Behuff vorgewendet, daß ihr wegen der geschehenen Ubereilung und grossen Menge der Artickel consterniret worden, und bey nahe nicht gewust, was ihr geantwortet, auch dieselbe guten theils so beschaffen, daß Sie durch die darauff erfolgete evidentiam sensuum sattsam wiederleget worden, wannenhero in Rechten heilsamlich versehen, quod si quis maleficium ultro fateatur, non semper ei fides habenda sit, nonnunquam enim aut metu, aut qua alia de causa in se confitetur &c.
l. 1. §. 27. de quaestion. auch bewährter Rechts-Lehrer Meinung nach, in dubio dafür zuhalten, quod confessio ex metu facta sit.
vide Doctores, quos allegat Oldekop. Tit. 4. Observ. 25. n. 5. ubi hanc opinionem ait esse communem, nec ab ea recedendum esse in indicando & consulendo sicuti & confessio non afficit confitentem, si non constat de corpore delicti & ejus circumstantiis, ac confessio falsa non nocet, ut nec opus sit eam revocare; denique confessio quamvis judicialis & spontanea, tamen propter errorem revocari juste potest
Guarzinus defens. 32. cap. 3. 9. & 10. per integr. So ist auch die wieder euch formirte special Inquisition wegen ermangelnder indiciorum zu recht für beständig nicht zu achten. Auff eure andere Frage erachten wir vor recht. Seyd ihr unter andern imputationen hauptsächlich beschuldiget worden, daß ihr das Closter-Korn euch durch rechte und völlige Maß haltende Himbden zwar zumessen lassen, aber durch einen viel kleinern Himbden wieder ausgemessen, auch bey Abwegung des Brodts zur Spende und Pröfen kein recht Gewichte gebrauchet, und ihr wollet berichtet seyn: Ob ihr wegen dieser Haupt-Puncte durch der defensional Zeugen eydliche deposition und sonsten die euch gravirende Indicia sattsam gehoben. Ob nun wohl wieder euch angeführet worden, daß der Obsfeldische und Brandeslebische Himbden, mit denen euch das Korn zugemessen worden, die beyden in dem Kloster von euch gebrauchten Himbden, (die auch ein merckliches von einander
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differiren,) etliche Himbden auf einen
Wispel übertreffen, welches bey so vielen Jahren, als ihr in Kloster-Diensten
gewesen, eine grosse Quantität austräget, auch hiernächst die Herrn Commissarii
nach euren eigenen Angeben, wieviel Pf. Brod aus einen Himbden gebacken werden
könten, und aus euren dagegen gehaltenen Geständnüß, wieviel ihr daraus zu
Spenden und Pröfen backen liesset, euch convinciret, daß ihr binnen den 12.
Jahren eures Amts 24480. Pf. Brod übermasse behalten, solcher gestalt aber die
von euch vorgewendete Unwissenheit der Unterschiede der Himbden als sehr
unwahrscheinlich euch wenig zustatten kommen möchte, cum ignorantia affectata
crassa & supina scientiae comparetur, nec excuset, & in dubio
per juramentum probanda sit,
c. cum inhibitio X. de clandest. desponsat. l. 1. §. 1. de act. emt. l, 4. C. de incest. nupt. l. 6. ff. de jur. & fact. ignor. c. 1. de postul. Praelat. Dd. citati a Carpz. Part. 1. quaest. crim. 42. n. 110. 111. 112. und zum wenigsten von euch bey beyden imputationen eine straffbare Nachläßigkeit begangen zu seyn scheinet, cum ex negligentia sua nemo commodum consequi debeat,
l. 22. de furt. l. 78. §. 2. de leg. 2. & dolo facere praesumatur, qui fecit, quod facere non debuit,
l. 7. de admin. tut. l. 8. §. 9. mand. l. 41. ad. L. Falcid. Dennoch aber und dieweil ihr durch genungsame instrumenta, attestata und abgehörte eydliche defensional Zeugen saltsam ausgeführet, daß das Getreyde, so euch mit dem grossen Obsfeldischen Himbden zugemessen worden, voller Kaff, Staub, Spreu und anderer Unreinigkeit gewesen, welches hernach auff dem Closter gesiebet, und reine gemacht werden müssen, und alsomit einem so grossen Himbden nicht wieder ausgemessen werden können; ingleichen daß der Brandeslebische Himbden, mit dem euch bey Antretung eures Amts von des von V. Verwalter, das Korn zugemessen worden, kaum eine Hand voll von euren so genanten Brandeslebischen Himbden, dessen ihr euch in Closter bedienet, differire, bey dieser Bewandnüß aber die praesumtio für euch ist, daß ihr nicht gewust, daß, nachdem Brandesleben an einen andern Besitzer kommen, der neue Verwalter, als es zwar nun der Augenschein gewiesen, sich eines grössern Himbden, als sein Vorfahre bedienet, cum facti alieni ignorantia praesumatur nec noceat
l. 2. 6. 8. 9. de jur. & fact. ignor. & mutatio omnis facti sit adeoque praesumi non debeat
l. 32. §. 4. ibique Dd. de donat inter. V. & U. ferner ihr durch die Zeugen erwiesen, daß ihr 5. Jahr den schwartzen Kornwurm auff den Boden gehabt, von denen ihr Schaden gelitten, und davon die Ubermasse gar wahrscheinlich auffgefressen werden können; ihr auch alle Jahr dem Kloster Ubermasse berechnet, und euch bey der Rechnung wegen des, was von Mäusen gefressen, vertreten,
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mit Schuhen abgetragen worden,
eingetrucknet u. s. w. keine krimpmasse passiret worden, endlich aber was das
Brodbacken betrifft, die Zeugen eydlich erhärtet, daß es dabey ehrlich
zugegangen, und daß ihr bey der Aussage, wie viel Pfund Brodt aus einem Himbden
gebacken werden könte, und wie viel ihr daraus backen lassen, euch geirret, und
weder Brod noch Mehl zu euren Vortheil verwendet, nach mehrern Innhalt der von
euch auffgesetzten monitorum über den Bericht der Herren Commissarien; und
hiernechst die obangeführte Regeln de poena negligentiae & de dolo
praesumto ihre vielfältige limitationes haben, auch von bewährten Rechts-Lehrern
nicht angenommen werden, wenn man in materia criminali versiret, aut ubi saltem
de fama personarum honestarum agitur
Dd. communiter ad §. 6. Inst. de suspect. tut. auch über dieses bekandten Rechtens, quod veritas rerum gestarum erroribus non vitietur
l. 6. §. 1. de off. prael. l. 1. C. plus val. quod ag. l. 1. C. de contrah. stipul. l. 24. C de testam. l. 9. de hered. instit. quod praesumtio fortior tollat debiliorem
l. 7. de in int. rest. l. 67. de R. N. c. 14. de praesumt. & quod praesumtionem vincat probatio
l. 24. l. 27. de probat. l. 10. C. de non. num. pec. So hättet ihr auch die beyden Haupt-imputationes des Ausmessens und Backens halber nothdürfftig abgelehnet, und wegen derselben eine absolutoriam zu hoffen. Auff eure dritte Frage erachten wir vor recht. Obwohl der Closter-Verwalter bey dem wieder euch an 22. Aprilis 92. verfertigten Memorial ausdrücklich sich bedungen, daß er dasjenige, was er Closters und Pflicht wegen wieder euch eingegeben, nicht animo calumniandi, injuriandi aut accusandi, sondern bloß zu des Closters Besten animo denunciandi zu gehöriger Untersuchung wolle gestellet haben; auch sonsten die Rechts-Lehrer denjenigen a praesumta calumnia liberiren, der ex necessitate officii anklagt oder denunciret;
Menoch. de arb. jud. quaest. cas. 321. n. 21. seqq. Guazzin op. Crim. defens. 3. cap. ult. n. 31. Dennoch aber und dieweil aus denen manual-acten über das, was bey Beantwortung der ersten Frage angeführet worden, auch daraus, daß der Closter-Verwalter bey denen denunciationen allerhand Kleinigkeiten, die keine delicta seyn, wieder euch gerüget; daß er schwürig gewesen, daß ihr euch verlauten lassen, ihr hättet das Closter gepachtet; daß er nicht ehe, als biß es dahin kommen, die angegebenen imputationes denunciret, (massen ihm dieses auch von denen Herren Commissariis vorgehalten worden,) und daß der Prior, auch etliche Zeugen, von diesem seinen feindseeligen Gemüthe deponiret; genungsame Vermuthung zu nehmen, daß er aus Haß und
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Feindschafft euch angegeben, und
solchergestalt die von ihm geschehene Protestation ihn nicht schützen kan, cum
protestatio facto contraria non relever.
l. 60. §. 6. Locat. c. 20. de offic. deleg. c. ult. de homicid. hiernechst aber bekandten Rechtens, quod denuncians calumniator a denunciato injuriarum conveniri possit & ad omnia damna resarcienda teneatur
l. 5. C. de delator. Clar. quaest. 62. n. 4. Farinac. quaest. 16. n. 8. auch derjenige, der necessitatem officii vorschützet, zwar a calumnia praesumta, nicht aber ab evidenti liberiret und pro calumnia evidenti gehalten wird, wenn kein sufficient indicium von dem denuncianten beygebracht worden
Clar. d. qv. 62. vers. dixi. Farinac. d. q. 16. n. 52. Guazzinus d. l. n. 31. ubi plures citat. So wäret ihr auch nach erhaltener absolutoria den Closter-Verwalter injuriarum zubelangen wohl befugt, und er euch alle durch die Inquisition verursachte Schäden und Unkosten zuerstatten schuldig. Auff eure letzte Frage erachten wir vor recht. Wollet ihr berichtet sey. Was euch zu fernerer Ausführung eurer Unschuld sonst mehr heilsam und ersprießlich seyn könne: Ob nun wohl diese Frage zimlich general und mehr für den Advocatum causae als für die Collegia Juridica, die nicht de utili, sondern de justo respondiren, zu gehören scheinet; auch ihr zuförderst bey Verfertigung eurer Defension euer Absehen dahin zu richten habt, daß ihr euch mit der nullitate Inquisitionis und dem, was dieser wegen bey Beantwortung der ersten Frage angeführet worden, schützet, quia nullum quod est, nullum producit effectum
l. 4 §. 6. de Re Judic. l. 8. §. 2. de B. P. contra Tab. l. 2. de autor. tut. l. 4. Cod. de leg. haered. l. 5. Cod. de LL. c. 8. X. de jure patron. Dennoch aber und dieweil die in euren monitis über der Herrn Commissariorum Bericht aufgesetzten exculpationes und defensiones wieder die übrigen euch imputirte Puncte auch denen Rechten Gemäß, hiernechst des Prioris summarische Aussage, vielmehr dem denuntianten, als euch wiedrig ist, und die abgehöreten so wohl inquisitional als defensional Zeugen zu eurer Vertheidigung durchgehends ausgesagt, oder doch keiner euch dergestalt graviret, daß in Rechten eine beständige Praesumtion daraus wieder euch erwachsen könte, und bey dieser Bewandniß ihr eine pure absolu oriam zuhoffen, quia juramentum purgatorium praesupponit praesumtiones & indicia verosimilia;
Carpz. Part. 3. qv. 116. n. 58. auch obwohl Hanß E. in depositione zu W. den 30. Novembr. 1691. viele Dinge, die euch der Closter-Verwalter beschuldiget, bejahet; dennoch seine deposition ohne Eyd geschehen, öffters von hören sagen redet, keine citation an ihn bey denen Acten zu befinden, sondern es vielmehr allen Ansehen nach, weil die articuli, darüber er vernommen worden, des denuncianten eigene Hand sind, und E. ad finem depositionis
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gebeten, man solte es euch nicht melden,
daß er wieder euch ausgesaget hätte; ziemliche Vermuthung giebt, daß er sponte
und auff persuasion des denuntianten mit nach W. gangen, und aber bekandten
Rechtens, daß testis non juratus, de auditu alieno, & se offerens nichts
erweise, noch einige gegründete praesumtion mache;
per jura vulgata & ea, quae tractat Carpzov. Part. 3. qv. 114. Guazzinus Defens. 14 c. 3. endlichen auch dem Fiscal vergöunet worden, wieder eure articulos defensionales interrogatoria zumachen, da man doch solches euch bey Abhörung der Zeugen ad inquisitionales nicht gestattet, und aber entweder nach etlicher Rechts-Lehrer Meinung jenes dem Fiscal nicht,
Carpz. Part. 3. quaest. 115. n. 73. oder aber nach anderer Meinung
quam defendit Oldekop. Contra Carpz. Decad 1. quaest. 5. euch auch dieses zu verstatten gewesen: So möchtet ihr euch über die exceptionem nullitatis auch derer in euren monitis angeführten exculpationen und itztgemeldten Ursachen bey Verfertigung eurer Defension mit Recht bedienen. Alles von Rechts wegen. §. V. Ich entsinne mich hierbey, daß ich bey dem vorigen Handel(Anmerckung wegen der allegatorum juris.) §. 31. meine Meinung weitläufftig entdeckt, daß ich auff das latein und die allegata juris meines wenigen Orts nicht viel halte, und doch sind in diesem responso derer nicht wenig. Aber hierauf ist zu wissen, daß ich daselbst die allegata auch nicht schlechterdings verworffen, sondern ausdrücklich gesetzt, quod de gustibus non sit disputandum. Zu dem so ist es ein anders, wenn man für sich was elaboriret, und was man nomine Collegii ausfertiget, da man sich mehr nach anderer Geschmack als seinem eigenen richten muß. Uber dieses war damahls unsere Facultät noch ein nagelneues Collegium, daß also nothwendig zeigen muste, daß er der andern ihre Künste auch könte, damit man uns nicht für ignoranten ausschrie. Fürnemlich aber hatte des Korn-Schreibers sein Advocat uns in specie um die allegata legum & Dd. ersucht, wie es nicht alleine, die nicht viel studirt habende, sondern auch die sonst commode und gemächliche (die Bauren heissen es faule) Advocaten zu machen pflegen. Und daß des Korn-Schreibers Advocate an einer von diesen Kranckheiten laborirete, kan die vierte uns vorgelegte Frage, und was wir dabey erinnert haben, sattsam bescheinigen. Indessen kan doch ein kluger und vernünfftiger Advocate auff dergleichen mit latein ausgefüllete responsa, wenn sie gleich noch so vernünfftig ausgearbeitet sind, kein gar zu grosses Vertrauen setzen, wenn er den Richter zum Feinde hat, dessen Gunst nach dem gemeinen Sprichwort (wie auch schon in vorigen Handel erwehnet worden) mehr gilt als die al
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legata. Zumahlen da fast keine quaestio juris ist, die
nicht leider per allegata juris kan pro & contra decidiret werden,
sonderlich nach dem lieben jure Canonico, als welches voller contradictionum
kribbelt und wibbelt. Zum Exempel, es ist nichts vernünfftigers, als wenn
gelehret wird, daß der Richter nulliter verfahre, wenn er ohne genugsame indicia
wieder jemand inquiriret, und weiset es die allen Menschen beywohnende gefunde
Vernunfft, daß, wenn ein armer Mensch, der die Rechte nicht verstehet, sich
gleich auff die inquisition einlässet, und solche nullität nicht bald Anfangs
excipiendo vorbringt, dennoch der Advocate hernach in der defension diese
nullitäten allegiren könne, wenn auch schon der Reus das imputirte delictum
gestanden hätte, wie dieses auch in dem gegenwärtigen responso ad quaestionem
primam per allegata legum, canonum, & Doctorum ist bestärcket worden.
Nichts destoweniger ist kein Zweiffel, daß ein in autorität und Ansehen
stehender Richter seine nullitäten gar leichtlich aus dem Jure Canonico
justificiren könne, wenn er nur dasjenige zu Hülffe nimmt, was Ihm Lancelottus
lib. 4. tit 1. §. 4. ex cap. 1. & fin. de accusat. in 6. dißfalls an die
Hand giebet, wie ich denn diese Unbilligkeit des Päbstischen Rechts daselbst in
der 25. und 27. nota gantz offenbahrlich gezeiget habe.
(Unzulänglichkeit, die Denuntianten
von calumniren abzuhalten, wenn gleich denen denuntiatis der Regress wieder
Sie vorbehalten wird.)
§. VI. Solte auch ein Liebhaber des Päbstischen Rechts wieder dasjenige, was oben
§. 1. wieder die Freylassung der falschen Denuntianten von aller Bestraffung
angeführet worden, excipiren, daß gleichwohl denen calumnianten Ihr falsches
Angeben nicht so gar für genossen ausgienge, indem gemeiniglich (wie auch in
gegenwärtigen responso ad quaestionem 3. geschehen) so dann denen unschuldigen
denuntiatis die actio injuriarum & damni dati repetitio fürbehalten
werde; so ist doch dieser Einwurff leicht zu beantworten. Denn es ist ein
grosser Unterscheid zwischen der vor diesem gebräuchlichen Bestraffung der
nichts beweisenden peinlichen Ankläger, und der denen unschuldig denuncirten
Theilen vorbehaltenen Klage wieder die boßhafftigen denuntianten. Jene geschahe
zugleich in einem Urtheil nebst der absolution der peinlich Beklagten ex officio
und kostete denen Beklagten weder Zeit, noch Mühe, noch Geld, und also war
selbige fähig die calumnianten zu hindern, daß Sie sich nicht leichte in eine
dergleichen peinliche Anklage mischeten. Aber dieses lässet sich auff die
vorbehaltene Klagen der denuncirten nicht appliciren; denn diese kosten denen
armen Leuten viel Geld und Unkosten, auch nach der überall herrschenden
Auffenthaltung der lieben Justiz, viele Jahre an der edlen Zeit, und stehet doch
dahin, ob Sie etwas erhalten, und wenn Sie es erhal
|| [119]
ten, ob nicht die edle Zeit und Unkosten, die Sie aufgewendet, Ihnen
mehr Verdruß und Schaden verursacht, als Sie durch ein so genantes favorables
definitiv-Urtheil zugesprochen wird; zu geschweigen der Leuterungen und
appellationen, durch welche auch dieses gute definitiv-Urtheil kan etliche Jahre
auffgehalten oder wohl gar geändert werden, und ist über dieses das allgemeine
Sprichwort bekandt: in processibus injuriarum lucramur nihil aut parum
&c.
III. Handel. Die von der Inquisition absolvirte sind nicht allemahl befugt,
sich an denen denuntianten zu erhohlen.
§. I.
MAn muß von einem extremo nicht auf das andre fallen. Es ist(Etliche hieher gehörige praeliminar-Anmerckungen.) wahr, die delatores und Angeber in
peinlichen Sachen sind öffters boßhafftige falsche Leute, denen wenig Glauben
beyzumessen, und gehören dannenhero genungsame indicia nebst dem corpore delicti
darzu, daß eine inquisition rechtmäßiger weise statt habe; Aber deßwegen folget
es nicht, daß alle denuntiationes nebst dem inquisitions-Process wegen des
öffteren Mißbrauchs alsbald abzuschaffen, und der accusations-Process wieder
einzuführen wäre; oder daß, wenn ein denunciant keine gnungsame indicia
anzugeben weiß und der denuntiat wird absolviret, der denuntiant deßwegen
Straffe verdiene, oder denuntiato sonsten satisfaction zu geben schuldig sey. In
Engelland zum Exempel weis man von keinem inquisitionsprocess, sondern es muß
auch peinlich Beklagter durch Zeugen oder sonst gebührend convinciret werden,
und dennoch ist von gelehrten Männern angemercket worden, daß öffters die
falschen Zeugen daselbst so gefährlich seyn, als bey dem inquisitions-process
die in vorigen Handel angemerckten Mißbräuche. Hiernechst so kan ein einfältiger
Mensch dasjenige denunciren, was er nur alleine gesehen hat, und kan doch keine
genungsame indicia angeben, oder (nach Anleitung dessen, was oben bey dem ersten
Handel §. 7. p. 19. angemerckt worden) aus Ungezogenheit in seiner Aussage
vagiren, und sich dadurch
|| [120]
verdächtig machen, ob
gleich die denuntiation wahr ist. Bey diesen und dergleichen Umbständen wäre es
harte, wenn man den denuntianten als einen calumnianten bestraffen, oder dem
denuntiaten so fort vergönnen wolte, daß er jenen cum effectu belangen könte.
(Das responsum selbst.)
§. II. Diese letzte Anmerckung wird durch folgenden casum und das deßhalben in
April Anno 1693. gegebene responsum erleutert. Bey entstandener Verdrießlichkeit
zwischen zwey zusammen verheyratheten Fürstlichen Personen war der Verdacht auff
einen gewissen Cavallier und ein Fräulein gefallen, daß selbige diese
Uneinigkeit unterhielten, massen denn auch, nach dem Sie sich beyde aus dem
Staube gemacht, das Fräulein arrestiret, und einem gewissen Amtmann anbefohlen
wurde, den Cavallier gleichfalls nach zutrachten, und denselben arrestiren zu
lassen. Dieser wurde aber denuntiret, daß er sich hätte bestechen lassen, und
also der Cavallier echapiret wäre. Bey Untersuchung der Sache wurde der Amtmann
zwar ad interim von fernerer inquisition, aber nicht von allen Unkosten
absolviret, da er aber damit nicht zufrieden, sondern völlig von der inquisition
und Unkosten absolviret seyn und den Denuntianten als einen Meineydigen
bestrafft wissen wolte, und daß er Ihm einen Wiederruff zu thun schuldig wäre,
gabe er uns zu folgenden Responso Anlaß.
Hat Adam Christoph Euch beschuldiget, auch als er deswegen am 22. Oct. 1692. auff
Articul vernommen worden, jurato ausgesagt, daß ihr Euren Pflichten nach, nicht
genugsamen Fleiß angewendet, den von U. zu gefänglicher Hafft zu bringen, ob
gleich derselbe zu Zettlitz, Weitschersdorff und Leipzig sich zum öfftern
auffgehalten, Euch auch nicht allein seine Anwesenheit in Leipzig sonst bewust
gewesen, sondern auch ausdrücklich von Denuntianten als Ihr und U. zu Leipzig
gewesen, solches gemeldet worden, zugleich, daß ihr 50. Thlr. und zwey
Tisch-Becher zu dem Ende bekommen, daß ihr den von U. nicht ferner mit
Steck-Briefen verfolgen soltet, und daß ihr der wegen U. inhafftirten Magdalenen
Sophien von Z. durch euren Schreiber von dem, was wieder sie in denen Gerichten
vorgegangen, Nachricht gegeben: habt ihr darauff Eure Unschuld wieder diese
inculpation darzuthun, etliche deductiones nebst unterschiedenen Zeugniß rotulis
ad acta gegeben, und ist in dem Schöppen-Stuhl zu Leipzig mens. Mart. dieses
Jahrs in dieser Sache erkandt worden: Daß wieder Euch wegen des von Adam
Christophen euch beygemessenen Verbrechens noch zur Zeit und in Ermangelung
stärckern Verdachts weiter nichts vorzunehmen, immassen ihr auch mehr nicht, als
die von Euch selbst verursachten Unkosten, nebst dem damahligen Urthels-Gelde
und Bothen-Lohne abzustatten schuldig wäret, wobey Euch doch Eure defension
verstattet worden: Ihr seyd aber gesonnen, an deren statt nur kurtze und Acten
mäßige Erinnerungen einzugeben, durch die ihr Euch zu erhalten getrauet, daß ihr
von der an
|| [121]
gestelleten Inquisition, wie auch von
Erstattung aller Unkosten völlig zu absolviren, hingegen Euer delator, wenn er
binnen gewisser Frist seine delation vermittelst Zeugen nicht erwiese, Euch
einen offentlichen Wiederruff vor Gericht zuthun, zu condemniren, auch wieder
ihn als einen offenbahren Meineydigen mit der Inquisition zu verfahren wäre.
Ob ihr nun wohl zu diesem Ende anführet, daß ihr die von dem Delatore selbst
angegebene Zeugen, als nemlich den Hof-Goldschmidt zu M. und sein Eheweib,
ingleichen den Kutscher Heinrichen, der Euch des delatoris Vorgeben nach zu dem
Ende nach Leipzig abgeholet haben soll, nebst 2. von seinen Knechten eydlich
abhören lassen, diese aber, und zwar der Goldschmidt und sein Weib, daß sie Euch
bey der Hertzogin von N. nicht gesehen, auch ihnen von den Empfang der 50.
Rthlr. nichts wissend sey, der Kutscher aber und seine Knechte, daß sie euch
nach Leipzig nicht abgeholet, ausgesaget, Ihr auch ferner Licentiat D. der die
50. Rthlr. ausgezahlet haben solle, für der Hochfürstl. Z. Regierung über Zeugen
articulos abhören lassen wollen, selber aber solches zu thun sich gewegert,
jedoch Euch ein schrifftl. attestatum ertheilet, daß ihr von ihm kein Geld
bekommen, auch des U. und der Z. Advocatus Euch gleichfalls ein Attestatum
gegeben, daß ihme hiervon gantz nichts wissend sey; hiernechst Ihr selber
freywillig angehalten, daß ihr mit dem delatore confrontiret werden möchtet, und
dieser bey der confrontation etliche Umstände, anders als zuvor ausgesaget, bey
dieser Bewandniß aber der delator offenbahr vor meineydig zu halten wäre,
zumahln da derselbe von seinen Wirthen, die gleichfalls eydlich abgehöret
worden, ein böses Zeugniß wegen seines Wandels erhalten, und endlich zur selben
Zeit, als dieses vorgegangen seyn solte, der von U. bey der Hochfürstl.
Regierung um Einstellung der Steck-Brieffe Ansuchung gethan, auch an Euch ein
Befehl ergangen, darüber rechtlich erkennen zu lassen, und ihr auch
solchergestalt a culpa liberiret wäret, weil Krafft dieses Befehls Ihr
immittelst wieder den von U. mit der captur nicht verfahren können.
Dieweil aber dennoch die Herren Scabini zu Leipzig in sententionando
hauptsächlich darauff reflectiret zu haben scheinen, daß Adam Christoph E. in
seiner eydlichen denunciation nicht dahin zielet, daß er selbst gesehen oder
gehöret, wie Ihr Geld und Silber-Geschirr deßwegen, daß Ihr den von U.
verschonen sollet, empfangen hättet, sondern seine Aussage, besage dessen, was
Er ad art. 12. 13. 14. 15. 16. deponiret, sich auff Conjecturen gründet,
ingleichen daß er der delator aus dem, was Ihr eingegeben pro persona vili und
nicht pro omni exceptione majore zu halten wäre, da beneben aber ihr in Euren
deductionen, weder Eure Unschuld genugsamer Weise dargethan, noch den delatorem
eines Mein-Eydes überwiesen, sondern vielmehr aus denenselben hin und wieder
einige neue, wiewohl geringe, und zu fernerer Inquisition noch nicht zulängliche Verdächte entstanden, indem Ihr die von
dem delatore angegebene Zeugen selbst abhören lassen, und die articulos nach
eurem Ge
|| [122]
fallen und zu eurem Vortheil ziemlich
favorable formiret, des Goldschmiedes und feines Weibes abgelegtes Zeugniß auch
weder Euch graviret, noch unschuldig spricht: dieweil sie von der Sache gar
nichts wissen, der delator auch ad artic. 6. fol. 2. act. ingleichen fol. 57.
& 58. und bey der Confrontation fol. 69. seine Aussage dahin erklähret,
daß der Goldschmidt und sein Weib das erstemahl, als ihr die Becher und Geld
empfangen haben sollet, gar nicht dabey, das andermahl aber in einem
Neben-Stübchen gewesen wären, dem der Goldschmiedin Aussage ad art. 15, fol. 17.
beystimmet, und über dieses der delator auch fol. 59. diese beyde Zeugen
beschuldiget, daß sie den von U. da er zur Hafft gebracht werden sollen,
wegschaffen helffen, und die Goldschmiedin ad art. 4. fol. 14. selbst gestanden,
daß die Z. aus ihrem Hause geholet worden, auch als sie ad art. 36. (ob Euer
Schreiber der gefangenen Z. alles, was in Judicio passiret, zugebracht)
vernommen worden, erwehnet, daß sie, nachdem sie ihr Zeugniß wegen der Z.
abgeleget, zu ihr ins Gefängniß gelassen worden, welches in dergleichen Fällen
sonst nicht leichtlich zu geschehen pfleget, ferner der delator einen Kutscher
zu Leipzig Christian N. in der Nickels-Strasse in D. C. Hause fol. 2. ad art. 9.
zu Zeugen angegeben, ihr aber Heinrichen und seine Knechte abhören lassen, die
doch ad art. 5. fol. 77. ausgesaget, daß sie die Hertzogin nicht stets gefahren
hätten, sondern sie sich bald des Henrichs Fuhrwerck bald anderer gebraucht
hätte, was sie am ersten bekommen können; und obwohl fol. 48. Eure Manual-Acten
ein Concept von einem requisitions-Schreiben, an die Stadt-Gerichte zu Leipzig
befindlich, worinnen ihr Christian N. in der Nicolaus-Strasse in D. C. Hause,
als einen Zeugen abzuhören, gebethen, dennoch dieses requisitions-Schreiben,
(nach der Uns von Euch gegebenen Anleitung) nicht in denen Judicial-Acten zu
finden, auch auf den Zeugniß-rotulum fol. Act. 37. deßwegen nicht gezogen werden
mag, weil derselbe von Bürgermeister und Rath der Stadt Leipzig verfertiget
worden, auch in dessen Anfang enthalten, daß ihr dem Rath zu erkennen gegeben,
wie Ihr Heinrichs Zeugniß benöthiget wäret, und aus dem rotulo gantz nicht zu
ersehen, ob dieser Heinrich in der Nicolaus-Strasse in D, C. Hause wohnhafft
sey, bey dieser Bewandtniß aber auch nicht gäntzlich ohne Grund zu vermuthen
scheinet, daß ihr Euch mit Licentiat D. der fol. 50. Act. sich in dieser Sache
Zeügniß zu geben verweigert, heimlich verstanden haben möchtet, indem dieser
Licentiat D. fol. 50. vorwendet, er habe rechtmäßige Ursachen, daß Er in dieser
Sache Zeugniß wieder seinen Willen zu geben nicht schuldig sey, und doch hernach
fol. 89. Euch ein schrifftliches Attestatum zugestellet, welches doch ohnedem so
wohl, als die andern Attestata, als welche alle ohne Eyd nichts gelten mag,
zumahln besagter Licentiat bey der Euch imputirten corruption der geschehenen
delation nach selbst mit impliciret gewesen seyn soll, und das fol. 104. Eurer
manual-Acten befindliches Concept eines Attestats, daß der Goldschmidt nicht
unterschreiben wollen, starcke Vermuthung wieder Euch giebet, daß Ihr auch wohl
die andern vor Euch
|| [123]
producirten Attestata entweder
selbst concipiret, oder durch andere möget haben concipiren lassen, hiernechst
ihr zwar den Act. 25. befindl. Art. 35. so eingerichtet, daß wohl daraus
abzunehmen, daß ihr verneinen wollen, daß der delator zu Leipzig nicht bey Euch
umb des von U. Arrestirung angehalten, und dennoch bey der Confrontation fol.
68. als der delator es Euch ins Angesicht gesaget, Euch solches zu läugnen nicht
getrauet, sondern unrichtig geantwortet, auch in Euren Erinnerungen fol. 100.
dieserwegen andere Ausflüchte gesuchet, und endlich ob ihr wohl daselbst
zugleich angeführet, daß Ihr vermöge des ergangenen Befehls mit der Captur
wieder den von U. ferner zu verfahren nicht befugt gewesen, dennoch die Beylagen
sub D. & E. fol 106. seqq. ausweisen, daß zwar der von U. gebethen, die
Steck-Briefe zu cassiren, Euch aber anbefohlen worden, über dieses Begehren
erkennen zu lassen, und solcher gestalt, weil die Sache durch den Befehl in
statu quo geblieben, ihr allerdings schuldig gewesen, indessen den von U. ferner
nachzutrachten, im übrigen aber denen Rechten und Inquisitions-Process nicht
gemäß ist, daß ein delator seine delation durch Zeugen beweisen müsse, vielmehr
die Rechte offenbahr besagen, quod in Processu criminali reus defensiones, quas
pro se allegat, suis sumtibus expedire debeat.
Ord. Crim. art. 47. verbis: auff des Verklagten oder seiner Freundschafft Kosten. Simon Ulr. Pistoris, in addit. ad Hartmann. Pistor. observ. 153. n. 5. Et quod ante inquisitionem specialem de corpore delicti vel in genere saltem & probabiliter ex praesumtionibus verisimilibus constare debeat, atque suspiciones, & indicia valida & legitima, quoad personam delinquentis inquisitionem praecedere debeant, alioquin inquisitio nulla foret.
cap. qualiter & quando X. de accus. L. justissimus C. d. offic. tect. Provinciar. Ordin. Crim. artic. 6. in princ. verbis, durch gemeinen Leimuth oder andere glaubwürdige Anzeigungen, Ernest. Cothmann. Vol. 3. resp. 30. n. 118. Prosper. Farinac. in Prax. Crim. Lib. I. tit. I. qv. I. n. 43. So erscheinet daraus allenthalben so viel, daß ihr keine correctoriam des vorigen Urtheils Euch zu getrösten, noch von der angestellten Inquisition oder Erstattung der von Euch selbst verursachten Unkosten völlig zu absolviren, vielweniger wieder Adam Christoph wegen des von euch ihm imputirten Mein-Eydes noch zur Zeit inquisitorie zu verfahren wäre. Jedoch ist Euch unbenommen, denselben, da Ihr Ihn Anspruchs zu erlassen nicht gemeynet, für seiner ordentlichen Obrigkeit gebührend zu belangen. V. R. W. §. III. Es möchten manchem gescheiden Menschen bey Lesung obiges(Nicht aller vernünftigen Leute) responsi zweyerley Zweiffel fürfallen: erstlich, wie wir in dem responso bey Anfang derer rationum decidendi die aus des Quaerenten uns zu
|| [124]
geschickten
(wahrscheinliche crimina sind
deßhalben sufficient zur special
Inquisition.) deductionen sich hervor thuende neue indicia,
nur vor geringe und zu fernerer inquisition noch nicht zulängliche Verdächte
ausgeben können, dadoch die vielen kurtz hernach von uns selbst daraus
excerpirten Umstände so beschaffen wären, daß wo nicht alle, doch viele
vernünfftige Leute mit guten Gewissen das juramentum credulitatis schweren
solten, der denunciatus wäre nicht allein nicht unschuldig, sondern auch daß sie
vor gewiß glaubten, er habe den Cavallier nicht nur aus Nachläßigkeit, sondern
mit Vorsatz echappiren lassen, und deßhalb Geld empfangen. Ich gebe dieses
letzte gerne alles zu, mein wehrter Leser, ja ich erkläre mich auch über dieses,
daß ich in diesem Stück deiner Meinung bin, und selbst für mich das juramentum
credulitatis mitschweren wolte. Aber deßwegen folget das erste nicht: Responsa
Juridica müssen nicht nach dem sprechen, was sie in diesem und jenem casu für
sich ratione facti wahr zu seyn glauben, sondern was Sie nach denen ihnen
vorgeschriebenen gesetzen und Rechts-Reguln behaupten können; nach diesen aber
sind alle die obgedachten neuen Verdächte zu einer special Inquisition nicht
zulänglich. Die vernünfftige sonderlich aber gelehrte Leute haben gar zu
unterschiedene und wiederwärtige judicia und glauben nicht allein von gelehrten
Meinungen, sondern auch von täglich vorkommenden Händeln und Fällen
unterschiedlich, und worüber der eine das juramentum credulitatis pro veritate
facti zu schweren bereit ist, ist der andere just das Gegentheil zu schweren
bereit. Was souverainer Obrigkeit frey stehet nach ihrer Prudenz und Gewissen,
auch öffters mit guten Success zu thun, darnach dörffen die Collegia juridica
nicht sprechen, noch dergleichen die Unter-Obrigkeiten zu thun sich unterfangen.
Der Ausspruch, den der König Salomo denen zweyen Huren gab, und ein andrer des
Kaysers Claudii (der einer Mutter, die ihren Sohn nicht erkennen noch des Mannes
Erbschafft mit ihm theilen wolte, befahl daß Sie ihn dann heyrathen und die
Erbschafft zur Mitgifft geben solte) waren sehr weise, und hatten einen guten
Effect, indem in dem ersten Fall die freche Hure durch ihre boßhaffte Antwort zu
erkennen gab, daß Sie nicht Mutter zu dem lebendigen Kinde wäre, und in dem
andern Fall, die Mutter entweder aus beywohnender Schamhafftigkeit keine so
grosse Blut Schande zu begehen, oder, welches ich für wahrscheinlicher halte,
aus Furcht, es möchte ihre Boßheit an Tag kommen, und sie hernach als eine
Blutschänderin, eine schwere Straffe leiden müssen, sich bequemte und dem Sohn
die ihm gebührende Erbschafft ausantwortete. Aber ich wolte mit keiner Facultät
oder Schöppenstuhl das Trinck-Geld theilen, wenn sie
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dergleichen Urtheile sprächen. Wenn ich ein souverainer König gewesen wäre,
würde ich mir kein Gewissen gemacht haben, den Quaerenten bey denen von ihm
selbst angeführten Umbständen zu incarceriren, und noch schärffere Mittel
zugebrauchen, ihn seiner Boßheit zu convinciren. Aber als ein Assessor eines
Collegii dorffte ich darauff nicht sprechen.
§. IV. Der andre Zweiffel dörffte dieser seyn, warumb ich den Titel(Unterschied der Formuln, etwazuthun befugt und
unbenommen zu seyn.) dieses Handels also eingerichtet, als wenn der
Quaerent nicht befugt gewesen wäre, den denuntianten zu belangen, und doch
stände zu Ende des responsi, daß es ihme solches zu thun unbenommen bliebe. Aber
es ist zwischen diesen beyden Redens-Arten in formulis pronuntiandi ein grosser
Unterscheid. Etwas zu thun befugt zu seyn, bedeutet, daß er solches rechtmäßig
thun könne, und sich denen Rechten nach eines erfreulichen Urtheils zu getrösten
habe, wie dann diese letzte Formul öffters der ersten pflegt beygefügt zu
werden. Aber wenn die Collegia nur sprechen, es bleibe einer Parthey unbenommen,
ihren Gegentheil zu belangen, heisset es nicht mehr, als es werde ihr entweder
per verba antecedentia des Urtheils solches zu thun nicht verboten, oder, es
könne es die Parthey versuchen, ob sie mit diesen Klagen etwas ausrichten werde,
man wolle ihr aber nach denen Rechten darzu nicht eben rathen, wie in
gegenwärtigem responso.
IV. Handel. Ob und wie ferne es einer Unter-Obrigkeit zustehe, den
Staupen-Schlag, oder Landes-Verweisung in eine geringere Straffe zu
verwandeln.
§. I.
UBer dieser Frage sind die Juristen nicht gleicher Meinung gewesen.(Altes Schöppen-Urtheil, darinne diese Frage be-)
Diejenigen, die die controversias juris publici alleine nach dem Schrot und Korn
des Justinianeischen Rechts und dessen doctrin de mero & mixto imperio
oder vielmehr nach der Glossatorum einfältiger Auslegung dieser doctrin
ausmessen wollen, haben dafür gehalten, daß dergleichen Straffen in geringere
|| [126]
(jahet wird.) zu verwandeln, denen
Unter-Obrigkeiten zustehe, wenn sie die Ober-Gerichte, oder das stilo
Legulejistico so genante merum imperium hätten, wie dieses von dem Rath zu Z.
uns zugeschickte alte Schöppen-Urtheil bezeuget.
U. F. D. Z. Erbare, weise, günstige gute Freunde. Auf Eure an uns gethane Frage
sambt zugeschickter Uhrgicht den gefangenen Andreas Arend belangende, derwegen
ihr euch des Rechten zu berichten gebeten, sprechen wir Schöppen des Gerichts
aufn Berge vor dem Rolande zu Halle vor Recht: Obwohl genanter Andreas Arend,
wenn er auff solchen seinen Bekentniß vor gehegten peinlichen Gerichte verharren
würde, möchte mit dem Strang vom Leben zum Tode gerichtet werden, dennoch aber
weil er auch selbsten umb Gnade gebeten, so möget ihr ihn nach Gelegenheit aller
Umbstände mit dem Schwerdt von Leben zum Tode bringen lassen. Ihr wollet ihme
dann fernere Gnade erzeigen, auff den Fall köntet ihr ihme das Leben schencken,
und der Gerichte mit öffentlichen Staupenschlägen ewig verweisen lassen. V. R.
W. Uhrkundl. mit unserm Insiegel versiegelt. Schöppen des Gerichts auffn Berge
vor dem Rolande zu Halle.
(Neues Urtheil, darinne diese Macht dem Fürsten vorbehalten
wird.)
§. II. Nachdem aber das Jus publicum seit funffzig Jahren auff einen gantz
anderen Fuß gesetzt worden, ist auch die gegentheilige Meinung empor kommen,
zumahl da man auff Universitäten erkant, daß die Römische Differenz der
Obrigkeiten, und dererselben jurisdiction, (wie ich solches in einer
absonderlichen disputation augenscheinlich gewiesen,) sich auf die Teutschen
Obrigkeiten wie eine Faust auff das Auge schickte. Man hat demnach gelehret, daß
dergleichen Verwandelung der hohen Landes-Obrigkeit alleine zustehe, wie solches
das auff Ansuchung des Raths zu Z. in Monat Junio 1693. gesprochene Urtheil
exempelsweise bekräfftiget.
Haben Christian und Hans Paul in Güte gestanden, daß Sie nebst Martin, der sich
mit Gewalt aus dem Gefängniß erbrochen, auch unerachtet ausgesendeten
Steck-Brieffen nicht wieder zuerlangen gewesen, sich zusammen gesellet,
Spitzbüberey zu treiben, und die Leute zu bestehlen, und daß Sie zu Wittenberg
und Zerbst an unterschiedenen Orthen theils eingestiegen, theils eingebrochen,
und daselbst Sachen von geringen Werth gestohlen, die auch meistentheils bey
ihnen gefunden, und denen Eigenthums-Herren wieder ausgeantwortet, das übrige
aber biß auff was weniges sonst gut gethan und ihnen erlassen worden, nach
mehrern Inhalt der übersendeten Acten. So werden beyde Inquisiten der begangenen
Deuben halber mit Staupen-Schlägen des Landes ewig billig verwiesen. Es wolte
dann die hohe Obrigkeit Hans Paul H. in Ansehen er noch ein junger Mensch und
allen Ansehen nach von denen beyden andern darzu verführet worden, auch sich
Christians eigenen Geständnüß nach
|| [127]
wieder von ihnen
zu seinen Meister begeben wollen, seines Meisters Frau selbst für ihn gebeten,
er alsobald alles in Güte gestanden, seine Begünstigungen mit Thränen bereuet,
und Besserung versprochen, Gnade erzeigen, auff den Fall würde er in der
Gefängniß durch den Stockmeister oder Stadt-Knecht mit Ruthen zimlicher massen
gezüchtiget und nach ausgestandener Straffe, und beschehenen ernsten Vorhaltung,
und Vermahnung, wo er von dergleichen bösen Händeln nicht abstehen wird, er
künfftig mit härterer Straffe angesehen werden solle, desselbigen wieder
entlediget V. R. W.
§. III. Dieses kame nun freylich dem Rath zu Z. aus denen §. 1.(Dessen Vertheidigung wieder die gemachten
Einwürffe.) angeführten Ursachen wunderlich für, und befragten uns
deßwegen alsobald in Monat Julio; ob denn nicht sie selbst Vermöge des ihnen
zustehenden imperii meri die dictirte Straffe des Staupenschlags in eine
geringere verwandeln könten, sie bekamen aber diese Antwort darauff
Daß dieselben gestalten Sachen nach ohne communication und Einwilligung der Hohen
Landes-Obrigkeit die Hansen Paulen zuerkandte poen des Staupbesens in eine
Geld-Busse, oder andere gelindere Straffe zu verwandeln nicht befugt, sondern es
verbleibet dißfalls bey dem von uns am verwichenen Monath in dieser Sache
gesprochenen Urtheil billig V. R. W.
Rationes decidendi,
Haben wir in obigen Sachen in vorigen Monat zu recht erkant, daß Christian und
Hanß Paul H. der begangenen Deuben halber mit Staupen-Schlägen des Landes ewig
billig zu verweisen; Es wolte denn die Hohe Obrigkeit Hanß Paulen in Ansehen er
annoch ein junger Mensch etc. Gnade erzeigen etc.
Ob nun wohl dieselbigen für sich anführen, daß Ihnen als dem Stadt-Nath sothane
Veränderung der Straffe, vermöge des Ihnen zustehenden imperii meri billig
zukomme, und Ihnen hierinnen die doctrina
Carpzovii praxi Crimin, quaeft. 150. n. 6. Struvii in Syntagm. J. C. Exerc. 49. th. 90. Beyfall gebe, auch sie, besage der Beylagen A. B. C. & D. allbereit anno 1646. und 1664. und zwar in ersten Fall vermöge eines Rechts-Spruchs aus der Juristen Facultät der Universität Wittenberg die Straffe des Landes-Verweisung in eine Geld-Busse verwandelt; auch endlich in der Beylage E. die Schöppen des Gerichts auff den Berge vor dem Rolande zu Halle zu recht erkant, daß Sie der Rath einen zum Strang verurtheileten nach Gelegenheit aller Umstände mit dem Schwerd von Leben zum Tode bringen, oder, da Sie Ihm ferner Gnade erzeigen wolten, Ihm das Leben schencken, und der Gerichte mit öffentlichen Staupen-Schlägen ewig verweisen lassen möchten:
|| [128]
Dieweil aber dennoch das jus Aggratiandi ein unstreitiges regale majestatis ist,
welches denen Fürsten und andern Ständen des Reichs wegen der Hohen
Landes-Obrigkeit zwar zustehet, aber von keiner Unter-Obrigkeit mit Bestande
Rechtens angemasset werden mag, und dahin von bewehrten Rechts-Lehrern die
Veränderung der Straffe, auch des Staupen-Schlages oder Landes-Verweisung
gerechnet wird,
Zieglerus de Juribus Majestatis lib. 1. cap. 8. §. 12. & 13. Clasen. de jure aggratiandi cap. 9. Carpz. d. quaest. 150. n. 14. 19. 49. weßhalb auch die Schöppen zu Leipzig, die zwar zum öfftern darwieder gesprochen, hierinnen nicht allemahl einig gewesen
Carpz. d. l. n. 58. biß in der Chur-Sächsischen Landes-Ordnung die Sache dahin gediehen, daß darinnen denen Ober-Gerichten frey gelassen worden, die Straffe des Staupen-Schlages und der Landes-Verweisung in eine geringere Straffe zu verwandeln,
Carp. d. l. n. 63. welches Gesetze aber, zumahl da solches ohnedem nach denen neuen Erledigungen wieder zimlich restringiret worden,
Ziegl. d. l. §. 15. ausser das Chur-Sächsische territorium nicht zu extendiren, ferner durch die Beylagen sub A. B. C. und D. nur so viel beybracht worden, daß dieselben in der Landes-Verweisung, nicht aber in Straffe des Staupenschlages, davon itzo die Frage ist, die mitigation exerciret, und an etlichen benachbarten Orten gebräuchlich ist, daß wann gleich denen Unter-Obrigkeiten, die merum imperium haben, die mitigation bey Landes-Verweisungen nachgelassen wird, doch auff Leibes-Straffen und Staupenschläge solches mit nichten extendiret werden kan; bey dieser Bewandniß aber das Hällische Schöppen-Urtheil, nach welchen Ihnen gar das jus aggratiandi zugesprochen werden wollen, Ihnen nicht zu statten kommen mag, und wie bey demselben kein Jahr beygeschrieben gewesen, also aus der ungewöhnlichen Unterschrifft zu vermuthen, daß solches vor undencklichen Jahren, da die JCti die principia juris publici nicht so accurat als itzo, untersucht gehabt, gesprochen worden seyn müsse; auch endlich Besage der Inquisitions Acten fol. 52. seqq. von Inquisiten allbereit die mitigatio poenae bey der Hochfürstlichen Anhältischen Regierung gesucht und daselbst anhängig gemacht worden; Als ist obbesagter massen zu erkennen gewesen, (Erklärung und Ausnahme zweyer) §. IV. Jedoch sind dieser decision etliche Erklährungen mit anzuhängen, sonderlich in dem casu, wann nur Landes-Verweisung zuerkennet worden. Denn entweder ist in dem Urtheil allbereit alternative Landes-Verweisung oder Geldes Straffe zuerkant worden, so hat die Obrig
|| [129]
keit
vi ipsius sententiae das jus eligendi, und exercirt also dadurch kein(zu dieser Frage nicht gehörigen Fälle.) jus
aggratiandi, oder aber derjenige, dem die Landes-Verweisung zuerkennet worden,
führet eine neue defension, und erlanget vermittelst derselben durch Urtheil und
Recht, daß er an statt der vorher zuerkanten Landes-Verweisung nur mit einer
Geld-Busse anzusehen sey. Und also braucht es hier keiner Verwandelung der
Landes-Verweisung, wie sowohl dieses als die Haupt-Sache selbst durch folgendes
von uns in Monat Octobr. 1695. an den Rath zu E. in einen Inserat gegebenen
responso erleutert wird, dem man aber um besserer Verständniß Willen das in
causa infanticidii gesprochene Haupt-Urtheil vorhergesetzt.
Dieweil Maria Margaretha, daß ihre Mutter von ihrem bösen Vorhaben nichts gewust,
auch ihr hierzu weder Anschläge gegeben noch behülfflich gewesen, in der Tortur
beständig ausgesaget, die von der Mutter Ottilien beschehene Verschweigung der
Schwängerung und Geburth ihrer Tochter auch nicht sowohl einer Boßheit als
grosser Bestürtzung und natürlich mütterlichen Zuneigung zuzuschreiben, zudem
dieselbe hohen Alters und eine Zeitlang in gefänglicher Hafft enthalten worden:
so hat es bey der in dem Urtheil fol. 48. ihrer Person halber erkanten
absolution sein bewenden, und wird nunmehro nach Anleitung sothanen Urthels an
der Inquisitin Marien Margarethen, die zuerkante Todes-Straffe gebührend billig
vollstrecket: der Bader-Geselle Christian aber ist gestalten Sachen nach von der
wieder ihn angestellten Inquisition zuentbinden. In übrigen wird Marien
Margarethen zu Christlicher Vorbereitung ihres Todtes ein anderer
unpartheyischer Prediger zugeordnet, und der Diaconus ferner zu ihr nicht
gelassen, auch weil ihm nicht geziemet vor seiner Denunciation durch unzuläßige
Inquisition dem Richterlichen Amt einzugreiffen, und Inquisitin sich wegen
seiner Ungestümheit beschweret, auch nicht geringer Verdacht einer beschehenen
Subornirung sich wieder denselben ereignet, dieser Begünstigungen halben von dem
Consistorio nach vorhergegangener gebührender Untersuchung billig gestraffet V.
R. W.
Inserat
Auch Hochgeehrte Herren. Ist in dem fol. 48. enthaltenen Urthel dem Feldscherer
Christoph, weil er der Inquisitin Marien Margarethen boßhafftiges Vorhaben wegen
Abtreibung der Frucht gehörigen Orts nicht entdecket, sondern dieselbe vielmehr
dabey durch verschiedene ihr zugestellte Medicamenta gestärcket, 2 jährige
Landes-Verweisung, es wolte ihn dann die Hochgräfl. Herrschafft gegen eine
ziemliche Geld-Busse damit in Gnaden verschonen, zuerkant worden, welches Ihnen
aber bedencklich vorkommt, und sie dahero, ob nicht dißfalls das angezogene
Urtheil zu reformiren sey, berichtet seyn wollen:
Ob nun wohl dieselben anführen, daß auch eine Unter-Obrigkeit, wann sie mit dem
|| [130]
mero imperio begabet, die erkante
Landes-Verweisung in eine andere und gelindere Straffe zu verwandeln befugt,
hiernechst die Geld-Bussen unter die fructus Jurisdictionis zurechnen und ihnen
dahero nicht entzogen werden möchten, gestalt ihnen dann der Carpzov. in denen
von ihnen angezogenen Oertern hierunter Veyfall giebet.
Dieweil aber dennoch unter dem Verbrechen, weßhalben die Landes-Verweisung
pfleget zuerkant zu werden, billig ein Unterschied zu machen, und deren etliche
so beschaffen, daß bey deren Bestraffung die Landes-Verweisung und Geld-Busse
einander fast gleich geachtet werden, und um deßwillen auf beydes alternative
erkandt wird. In etlichen delictis aber hauptsächlich auf die Lands-Verweisung,
als eine schwerere Straffe, damit andere dadurch mögen abgeschrecket werden,
gesehen, und nicht leicht die Verwandelung in eine Geld-Busse oder andere
Straffe, es seyn dann sonderbare motiven verhanden, zugelassen wird, in solchem
Fall aber dergleichen Verwandlung ad jus aggratiandi und unter die hohen Regalia
gehöret, so der niederen Obrigkeit keines weges zustehet, und dann in
gegenwärtigen casu des Feldscherers excess von der Beschaffenheit, daß billig
vornemlich auff die Landes-Verweisung andern zum Abscheu gesehen werden müsse,
gestalt dann, wann derselbe der Inquisitin Schwängerung, und habenden bösen
Vorsatz die Frucht abzutreiben, gehöriges Orts entdecket hätte, dieser
Kinder-Mord leicht verhütet werden können, in jüngsten Urtheil auch auf einige
Geld-Busse anderer gestalt nicht, als auf den Fall der Begnadigung erkandt, und
umb deßwillen keine gewisse Summa determiniret worden, welche Begnadigung der
hohen Obrigkeit alleine zukommt: so erscheinet daraus so viel, daß das
vorgemeldete Urtheil hierunter noch zur Zeit nicht zu reformiren sey; Es könte
und wolte dann der Feldscherer durch anderwertige Defension so viel aussühren,
daß nach Versendung der Acten eine determinirte Geld-Busse pure oder mit der
Landes-Verweisung alternative erkennet würde, damit wäre er billig zuzulassen,
und möchten so dann dieselbigen in dem letzten Fall ohne Zuthuung der hohen
Obrigkeit die Geldes-Straffe an statt der Landes-Verweisung exigiren. V. R.
W
V. Handel. Von einem ungelehrten Beamten, der eine Ihm angethanene
Beschimpffung ungeschickt rächen wollen.
§. I.
(Unterscheid unter der Formul:)
ICh habe bey dem 3. Handel §. 4. angemerckt, daß ein grosser Unterscheid unter
derjenigen Formul, befugt zu seyn, jemand zu belangen, und unter der andern sey;
daß ihm solches zu thun unbenom
|| [131]
men bleibe. Aber
es ist auch warhafftig ein grosser Unterscheid unter der(etwas zu thun befugt zu seyn, und wohlgethan zu
seyn.) Formul: befugt zu seyn iemand zu verklagen, und unter der Formul:
daß jemand wohlthun werde, wenn er den andern verklage, oder daß man ihm solches
zu thun rathe, wiewohl gewissenlose Advocaten denen armen und des Rechts
unverständigen Clienten die Sache gantz anders einzuschwatzen pflegen, und wenn
sie ein responsum aus denen Collegiis erhalten, darinnen die Formul von befugt
zu seyn stehet, alsdann denen Clienten weiß machen, daß ein so vornehmes
Collegium ihnen die Klage selbst anrathe, und Sie dieselbe ohnmöglich verlieren
könten, weil das Collegium noch dazu gesetzt (wie auch oben beym 2. Handel §. 4.
ad qv. 3. geschehen;) daß er sich eines erfreulichen Urtheils zu getrösten, oder
solches zu hoffen hätte, und wenn hernach der Proceß verzögert wird und viele
Jahre dauret, oder wenn die Sache wohl gar, und zwar öffters ex dolo vel
ignorantia aut negligentia derer Advocaten selbst, verlohren gehet, so pflegen
sie wohl so unverschämt zu seyn und wollen die Schuld von sich ab und auf das
Collegium Juridicum, das von der Befugnüß und Hoffnung gesprochen, weltzen.
Verständige und vernünfftige Leute, wenn sie auch nicht studiret, vielweniger
der Rechten erfahren sind, begreiffen nur vermittelst ihres natürlichen
Verstandes hingegen gar wohl, daß dergleichen Vorgeben unter die artes
Rabulisticas gehöre. Der Apostel sagt: Ich habe es alles Macht, aber es frommet
nicht alles. Ich kan wohl etwas zu thun befugt seyn, daß deshalben entweder
andern oder auch mir selbst nicht nützlich oder nicht löblich ist. Non omne quod
licet, honestum est. Deßwegen habe ich in meinen Fundamentis Juris Naturae die
principia justi, honesti, & decori mich bemühet deutlich zu
unterscheiden, damit man die Befugniß nicht mit der Tugend und Klugheit
vermische. Ja ich kan auch hiernächst praesuppositis certis circumstantiis wohl
befugt seyn oder vernünfftige Ursache haben, etwas zu hoffen, aber deßhalben ist
solches, was wir hoffen, nicht eben gewiß. Man darff nur an das gemeine
Sprichwort gedencken: Hoffen und harren etc. Manchmahl verschweigen die
quaerentes oder ihre Advocaten die wahren und nöthigen Umbstände der Sache, oder
verderben durch ihre Ungeschicklichkeit das sonst gute Recht der Clienten, und
da begreifft auch ein Handwercks-Mann, daß die Collegia, die vorher von der
hoffnung gesprochen, nicht unvernünfftig oder unrecht gehandelt haben,
vielweniger Ihnen der üble Außgang zu imputiren sey.
§. II. Diese Anmerckung hat sonderlich in injurien-Processen ihren(Die actiones injuriarum)
grossen Nutzen. Wenn wir tausendmahl sprechen, daß die uns fra
|| [132]
gende
(nutzen wenig oder gar nichts.) Partheyen andere
injuriarum zu belangen befugt wären, so antworten wir nur auff das, was man uns
gefragt. Man fragt uns aber niemahls, ob dem quaerenten zurathen oder ihm
nützlich sey, daß er den andern injuriarum belange, und also darff er auch denen
Collegiis nichts imputiren, wenn Sie ihn nicht gewarnet haben, denn die Collegia
verstehen die Regul wohl, daß ungebetener Rath keinen Danck verdiene, sonst
würden Sie, oder doch zum wenigsten etliche zur Antwort geben: In processibus
injuriarum, lucramur nihil aut parum. Die Sache weitläuftiger hier auszuführen
ist meines Vorhabens nicht, die tägliche Erfahrung bekräfftiget selbige, und
wird in meiner Anno 1715. gehaltenen Disputation de Actione injuriarum, und was
ich daraus in notis ad Lancelottum lib. 4. nota 407. excerpiret habe, gar vieles
können genommen werden, daß diese Anmerckung bekräfftiget. Sprichst du: die
injurie ist gar zu groß, ich kan sie nicht verschmertzen, denn der injuriante
hat gesagt, es sey ein anderer Vater zu meinem Kinde. Laß es seyn: vielleicht
hat er es nicht so böse gemeinet. Man lobet offt die Kinder unter diesen
Formalien: Das ist ein liebes Kind: Es ist ein anderer Vater. Oder dencke an
das, was ein gewisser Cavallier, der sich um die Juristischen Händel nicht
bekümmerte, und ein Zeugniß ablegen solte, und der Actuarius bey denen
interrogatoriis generalibus fragte: Ob Zeuge nicht des Titii Ehelicher Sohn sey?
zur Antwort gabe: Die Mutter sprichts, der Vater glaubts, ein Narre fragt. Oder
wenn du etwa selbst durch diese Reden einen Zweiffel überkömmst, brauche das
remedium, das jener kluge Philosophus brauchte, der zu seiner Frau sagte: Er
wolte 1000. Thlr drumb geben, wenn er nur gewiß versichert seyn könte, daß das
Kind seine wäre. Die Frau, die einen guten natürlichen Verstand hatte,
antwortete, diese Versicherung wolte Sie Ihm auch ohne Auszahlung eines einigen
Thalers verschaffen, er solte Ihr nur erst sagen: Ob er denn nicht glaubte, daß
das Kind Ihre wäre? und als der Mann antwortete, daß er daran den geringsten
Zweiffel nicht hätte; sagte die Frau: Nun wohlan, weil dann das Kind meine ist,
so will ich es euch hiermit geschencket haben. Und hiemit war der Scrupel völlig
gehoben. Aber du willst nun durchaus klagen. Meinet halben. Bedencke aber wohl,
wie lange wird der Process werden? wie viel wird er dich kosten? Gesetzt es wird
für dich gesprochen, und der injuriante muß dir eine Christliche Abbitte thun,
und wird noch dazu gestraft, werden deßhalben auch andre Leute, und sonderlich
deine Feinde glauben, daß das Kind deine sey? Wie wenn du aber den Process tumm
anfängest, tumm fortsetzest, und der injuriante also weder dir die
Schmach-
|| [133]
Rede abzubitten, noch eine
Straffe zu leiden condemmniret wird? wirstu dich dadurch nicht selbst mehr
beschimpffen, als wenn du zu dieser injurie stille geschwiegen hättest? etc.
§. III. Der Leser übereile sich hier nicht, das er etwa vermeinen solte,(Summa des gegenwärtigen Handels
nebst dem responso.) ich hätte dieses Exempel
nur zu dem Ende vorgebracht, daß ich die Thorheiten der Menschen durchziehen
könte. Mit nichten; sondern der gegenwärtige Handel hat dieses Exempel
erfordert. Es hatte ein Anbringer bey einem Beamten angegeben, daß eine gewisse
Frau gesagt hätte, wie die Mägde einer Dominae gesagt hätten, daß eine
Closter-Jungfer solte gesagt haben, daß sein Sohn einen andern Vater hätte. Der
Beamte wolte das Ding nicht leiden, sondern die erste Sagerin durchaus bestrafft
wissen, und finge deßwegen einen kostbaren Proceß an, hatte sich aber bey dieser
gantzen Sache dergestalt unvernünfftig auffgeführet, daß er ohnmöglich seinen
Zweck erreichen kunte. Und da nun der Karren in Koth geführet war, nahm er Anno
1693. seine Zuflucht zu uns, und vermeinete, wir solten Ihn wieder heraus
ziehen. Was er aber für eine Antwort bekommen, zeiget folgendes in Monat
Septemb. besagten Jahres ausgestelletes Responsum.
Hat derselbe am 8. Junii 1691. besage No. I. protocolliret, daß Elias Holdhusen
aus D. berichtet, er habe von Gertraut Hermanns, Johann Freytags Wittbe, welche
bey ihme in seinem Hause sich auffgehalten, gehöret, daß die Jungfer W. zu der
domina gesaget, es gehörete des Ambts-Raths (sein des Herrn Quaerentis) Sohn ihm
nicht, sondern das Kind hätte einen andern Vater, worauff derselbe am 15. Jun.
besagte Gertraud Freytagin vorfodern lassen, und sie darüber vernommen, auch
selbsten protocolliret, daß dieselbe Frau die Worte unter denen formalibus, wie
sie Holdhusen vorgebracht, nicht gestehen wollen, sondern gesagt, Sie habe
gehöret, daß die Fräulin Domina gesagt hätte, die Jungfer W. schonete auch
andere Leute nicht, massen sie von der Ambts-Räthin viel Böses geredet hätte,
hernach aber, als er ermeldte Gertraud Freytagin ermahnet, die rechte Wahrheit
auszusagen, auch Elias Holdhusen mit ihr confrontiret, dieser auch sich
erbothen, nebst seiner Frauen dasjenige, was er gemeldet, eydlich zu erhalten,
und die rea anfänglich bey der Confrontation bey ihrem Verneinen beständig
verblieben, doch endlich gestanden, daß der Fräulin Dominae Mägde in ihrer
Gegenwart gesaget, daß die W. blamirte, der Sohn gehöre dem Ambts-Rath nicht zu,
sondern es möchte wohl ein Officier Vater seyn, auch sich dißfalls so wohl auff
die Magd als ihre eigene Tochter, als Zeugen bezogen. Hat derselbe mens. April.
1692. besage N. II. an Sr. Churfürstl. Durchl. unterthänigst suppliciret, weil
Gertraudt Freytagin sich unterstanden habe, von seiner Frau gantz Ehrenrührig zu
reden, und Er diese injurie zu vindiciren gesonnen sey, aber in dieser
|| [134]
Sache nicht cognosciren könne, Se. Churfürstl.
Durchl. einen Commissarium ex officio constituiren, und ihm committiren möchte,
dieses, und wer daran Schuld habe, zu untersuchen, und wenn in Causa
concludiret, die Acta in ein Collegium Juris zu verschicken, und darüber
erkennen zu lassen; Hat hierauff derselbe laut N. III. als die Sache coram
Commissario dem Herrn Landes-Hauptmann den 16. Jan. 1692. zur Verhör kommen,
geklaget, es hätte ihm Elias Schuldeck hinterbracht, daß Beklagte ausgeredet, es
gehörete der Ambts-Räthin Sohn nicht ihrem Manne, sondern einem andern Vater zu,
weßhalben er einen Wiederruff von Bekl. gefodert, und dieselbe nachdrücklich zu
bestraffen, gebeten. Worauf Bekl. anfänglich diese Worte, wie sie vorgebracht
worden, negiret, und vielmehr Elias Schuldecken beschuldiget, daß er ihr
nachgelauffen, und sie um GOttes Willen gebethen, sie möchte doch gestehen, was
er von Ihr geredet, sonsten er als Aussager davor stehen müste, Sie hätte nichts
mehr, als diese Worte geredet, als gedachter Schuldeck sie, da sie von der
Domina aus dem Closter kommen, gefraget, was Sie im Closter macheten? was wollen
sie machen? die Fräulein Domina ist kranck, die Jungfer W. hat Sie schandloß
ausgescholten; iedoch was kan die Domina thun, schonet doch gedachte W. keinen
Menschen, hat sie doch von der Frau Ambts-Räthin auch übel geredet. Was es aber
vor Worte gewesen, hätte Sie nicht gesaget. Als aber derselbe hiernechst
replicando sein gehaltenes Protocoll produciret, und Bekl. dasjenige, was sie
daselbst von der Fräulin Dominae Mägden, daß die Jungfer W. gesagt haben solle,
gehöret zu haben ausgesaget, vorgehalten, hat Bekl. duplicando dieses zwar
verneinet, auch dasjenige, was protocolliret worden, verdrehen wollen, endlich
aber doch dieselben Worte, wie sie protocolliret gewesen, gestanden, aber doch
dabey nicht gestehen wollen, daß Sie dieselben Worte von jemand anders gehöret,
sondern beständig vorgegeben, Elias Schuldecke hätte sie versichert, und sie
vielmahl gebethen, sie sollte es nur gestehen. Was sie aber gegen den Herrn
Quaerenten geredet, wäre aus Furcht geschehen, bey welcher letzten Antwort sie
auch beständig geblieben, als Elias Schuldecke, und seine Fr. von dem Herrn
Commissario wieder Bekl. summarisch, und ohne Eyd vernommen, auch mit derselben
confrontiret worden. Ist besage N. V. von dem Herrn Commissario eodem 16. Jun.
dieser Bescheid interlocutive ertheilet worden:
Daß dieses gehaltene Protocollum nebst des Actoris Klag-Libell, welches derselbe fördersamst schrifftlich einzubringen hat, damit solches der Beklagtin in Zeiten zur Beantwortung, als wozu Ihr 6. Wochen, praeclusive gesetzet werden, könne communiciret werden, samt allen dem, was bereits in der Sache vorher ergangen, und von Bekl. exceptionis loco auch weiters von beyden Theilen eingebracht werden möchte, so doch nicht ultra duplicam geschehen muß, an ein auswärtig Collegium verschickt werden, und inzwischen die Bekl. weil dieselbe nirgends mit bonis immobilibus angesessen ist, so lange bis sie gnugsame Caution, daß sie biß zu Austrag der Sache Fuß halten wolle, bestellen wird, allhier im Chur-Fürstl. Amte im Arrest verbleiben solle;
|| [135]
Hat derselbe nach diesem Num. V. nicht allein vor sich, sondern auch im Nahmen
seiner Ehe-Liebsten und Unmündigen Sohnes mit folgenden formalien geklaget:
Daß Gertrud Hermes nicht allein zu Elias Schülecken in D. wohnhafft, bey dem sie sich als eine Einwohnerin biß ietzo auffgehalten, geredet, daß die Kloster-Jungfer W. zu der Fräulein Domina einstens gesaget, des Amts-Raths Sohn gehöre Ihm nicht, sondern hätte einen andern Vater, wie solches Elias Schülecke so wohl vorm Amte D. am 8. Jun. 1691. besage Protocolli No. 2. als auch nachhero nebst seinem Weibe, vor dem Herrn Landes-Hauptmann testante Protocollo vom 16. Jun. a. c. n. 3. gerichtlich deponiret. Ob nun zwar rea diese propalirte Injurien vorm Amte anfänglich ins Leugnen ziehen wollen, so hat sie doch facta confrontatione mit dem vorbenanten Zeugen endlich so viel bekandt, daß sie von der Fräulein Domina Mägden gehöret, wie die Jungfer W. von dem Actore, dessen Ehe-Liebste und Sohne diese gröbliche Injurien, der Sohn gehöre dem Amts-Rath nicht zu, sondern es müste ein Officier Vater dazu seyn, ausgestossen, welches Sie auch nachgehends vor dem Herrn Landes-Hauptmann invitis licet dentibus gestehen müssen etc. Und so fort in der Klage auff Beklagtin ihre vor dem Commissario bey dem summarischen Verhör geschehene Exceptiones wieder Elias Schülcken, und daß sie die offtbesagten Worte im Amte aus Frucht protocolliren lassen, weitläufftig geantwortet, keine Einlassung und Antwort von Bekl. auff die Klage begehret, sondern bloß auff den Wiederruff und poenam corporis afflictivam cum refusione expensarum, ingleichen, darea den Autorem dieser gröblichen Beschuldigung nicht nennen wolte, auff die torturam zu erkennen gebethen. Worwieder Bekl. I. Exceptionem incompetentis actionis (weil sie stille und friedlich bißher gelebet, und von Ihr solchergestalt kein animus injuriandi zu praesumiren sey, auch ferner das, was sie in Protocollo N. I. gestanden haben solle, vor keine injurien zu achten, indem sie sodann besagte Worte nur relative, was eine andere gesaget haben solte, und nicht enunciative vorgebracht hätte, dieses aber, was man injuriöses hörete, vor kein Crimen zu achten wäre,) 2) Exceptionem inepti libelli (weil bey der Klage n. 5. keine Zeit noch Ort beniemet wären, und ihr also hierdurch exceptio praescriptionis abgeschnitten werden wolle,) 3.) bey der eventual litis contestation wieder das, von demselben N. I. gehaltene Protocoll Exceptionem metus (weil derselbe, als er sie in seiner eigenen Sache examiniret, Sie nach dem Gefängniß gehen heissen) und 4.) Exceptionem nullitatis (weil derselbe in seiner eigenen Sache das Protocoll geführet) besage No. VI. eingewendet, und er will berichtet seyn, (I) ob nicht in der von seiner Seite ad Acta, No. VII. gebrachten Schrifft seine Nothdurfft zur Gnüge beobachtet, und des Gegentheils Schrift beantwortet worden wäre; oder, ob noch zu Erhaltung eines guten Urtheils etwas hinzu zu thun, und wie solches mit guten fundamentis Juris eingerichtet werden müste: Ingleichen (II) ob nicht rea wegen der ausgesprengten Injurien, ungeachtet, daß sie solches nur relative
|| [136]
vorgebracht haben wolle, nebst Erstattung derer
Unkosten und auff was Art zubestraffen:
Ob nun wohl (so viel anfänglich die andere Frage und die von Bekl. zu erst
opponirte exceptionem non competentis actionis betrifft,) derselbige in seiner
Replic. n. 7. vorgebracht, quod omne verbum injuriosum animo maledicendi
prolatum praesumatur, donec a proferente contrarium probetur, in tantum, ut ne
quidem ad juramentum purgatorium facile admittendus sit, und aber die Worte: Der
Sohn gehörete dem Amts-Rathe nicht zu etc. an sich selbst injuriosa wären; Auch
Bekl. selbige besage des Herrn Landes-Hauptmanns Protocoll gestanden hätte, und
also Bekl. beweisen müste, daß Sie animum injuriandi nicht gehabt, zumahl da sie
in protocollo n. 3. gestanden, Sie habe die injurien von Niemand jemahls
gehöret, sondern von sich selbst hingeredet; Auch hiernechst über die von ihm
selbst n. 7. angeführten Autores sonsten bekandten Rechtens, und von dem
Finckelthusio
observ. 73. weitläufftig ausgeführet worden: Quod injurias spargens & autorem prolatarum injuriarum nominans non excusetur, auch daher das bekandte Sprichwort entstanden; Wehrmann haben hilfft nicht, und es solcher gestalt das Ansehen gewinnen möchte, ob wäre Bekl. allerdings demselben einen Wiederruff zu thun schuldig, und über dieses mit harter Straffe zu belegen; D. a. d. zu Verständniß dessen, wovon die angeführten Doctores handeln, zwey unterschiedene Casus wohl zu unterscheiden, ob nemlich jemand von einem andern was schimpfliches redet, und hernach zu seiner Entschuldigung sich auf ein Wehrman beziehet; oder, ob er nur schlecht weg erzehlet, daß ein anderer was schimpfliches, (zumahl wenn er solches bey der Erzehlung selbst für injurieus ausgiebt) geredet; besagte Autores und sonderlich Finckelthusius
d. l. praeprimis no. 20. & 21. von dem ersten Casu ausdrücklich reden, welcher doch auf Bekl. nicht appliciret werden mag, indem derselbe selbst in dem Protocol. n. 1. protocolliret, daß anfänglich Elias Holthusen (von welchen wir nicht verstehen, warum er bald Elias Holthusen, bald Elias Schilcke genandt worden) berichtet, Bekl. habe gesagt, daß die Jungfer W. zu der Domina gesaget habe, es gehöre des Amt-Raths Sohn Ihm nicht zu etc. Ingleichen: Daß Bekl. endlich gestanden, der Fräulein Domina Mägde hätten in ihrer Gegenwart gesaget, daß die W. NB. blamiret: der Sohngehöre dem Amts-Rathe nicht zu, vielmehr hieraus abzusehen, daß diese formalia zu dem andern Casu gehören, und aber bekandten Rechtens, daß man daraus keinen animum injuriandi erhärten könne, wenn einer von dem andern erzehlet, daß dieser den dritten blamiret, oder verläumdet habe, qui enim alium falso aliquid dixisse affirmat, injuriarum minime tenetur.
Cothmann Vol. 3. respons. 51. n. 8.
|| [137]
Auch hiernechst Bekl. niemahls gestanden, daß sie die Worte, für sich und absque
relatione auf die Jungfer W. geredet, und das in protocoll n. 3. befindliche
Geständniß der Beklagtin,
Daß sie solche Worte von Niemand anders gehöret, besage des Contexts den Verstand nicht haben, als wenn Bekl. zuletzt gestanden hätte, Sie habe für sich selbst injurieuse Worte ausgestossen, sondern daß Sie zu den protocollirten Worten von Elias Schülcken, selbige auszusagen beredet worden; So erscheinet daraus allenthalben so viel, daß wenn gleich Bekl. überwiesen würde, daß sie unter besagten formalien dasjenige, was n. 1. protocolliret worden, gegen Clias Schülcken gesagt, dennoch keine actio injuriarum wieder sie statt haben könne, sondern auff die opponirte exceptionem non competentis actionis erkennet werden müsse, und Derselbe sich mit seiner action an die Jungfer W. (dafern nur noch res integra) zu halten schuldig sey. Zum andern und auff die Erste Frage erachten W. V. R. ob gleich derselbe quoad exceptionem inepti Libelli repliciret, daß aus dem Amts-Hauptmannlichen Protocoll sub n. 3. und der daselbst befindlichen deposition der Zeugen zu sehen wäre, daß Bekl. die injurien ohngefehr in Junio 1691. geredet haben solte, auch Bekl, bey der ersten Verhör in Ambte diese Exception nicht opponiret, sondern vielmehr die injurien gestanden, auch dem libello in fine die Clausula salutaris & ineptitudinem salvans angeführet worden wäre: Ferner, quoad Exceptionem metus die geschehene Bedrohung der incarcerirung verneinet, und daß sie von ihm, als judice nicht zu praesumiren, vorgewendet, endlich quoad Exceptionem nullitatis sich damit zu schützen gedencket, daß eine Obrigkeit, auch wohl in propria causa wegen der ratione officii zugefügten injurien Richter seyn könne. D. a. d. derselbige seine Klage selbsten geändert, und da Er in der mündlichen Verhör für dem Herrn Landes-Hauptmann n. 3. Bekl. beschuldiget, Sie habe die Worte enunciative geredet, hingegen in der schrifftl. Klage n. 5. daß sie solche relative ausgesagt, libellirt; Bekl. aber bey dieser Bewandniß Vermöge des interlocuts sub n. 4. mehr auf die schrifftliche als mündliche Klage sehen müssen, und ihr durch das interlocut ihre Exceptiones nicht abgeschnitten worden; Sie auch niemahlen die Worte quaestionis, so ferne selbige enunciativa & injuriosa seyn, gestanden. Ferner nach gemeinen Rechten die Circumstantia loci & temporis in dem Libell billig hätte exprimiret werden sollen, und bey diesen Umbständen aus der vorhergegangenen summarischen Zeugen Verhör (zumahl dieselbe noch allzu general und ungewiß) nicht suppliret werden mag; über dieses in dem Libell (wie sich nicht gebühret) so fort über die summarischen Exceptiones der Bekl. verfahren, und keine litis contestation von Ihr gefordert worden, dergleichen vielfältige und hauptsächliche defectus aber die Clausula salutaris zu heilen nicht vermag, und wir also nicht sehen,
|| [138]
wie bey diesen Umständen demselben geholffen werden
möchte, wenn er nicht sich etwan an seinem Advocato, der es besser verstehen
solte, erholen wolte; Hiernechst, ob schon Bekl. die opponirte Exceptionem metus
noch nicht bescheiniget, dennoch, dafern dasjenige, was Bekl. in der
reconvention wieder ihn libelliret (davon bey der 3ten Frage,) sich in der
Wahrheit verhalten solte, Bekl. auch eine zimliche praesumtion für sich dadurch
erlangen würde, daß Derselbe bey der ersten Verhör Ihr gleichfalls das Gefängnis
gedrohet habe, und in übrigen sich gebühret hätte, daß er bey dieser Sache bald
anfangs sich der Richter-Stelle enthalten sollen. Zumahlen Er selbsten in seiner
supplic sub n. 2. gestehet, daß er in derselben nicht selbst cognosciren könne,
und sich auf gegenwärtigen Fall nicht appliciren lässet, quod magistratus, si
intuitu officii injuriatus fuerit, ipse cognoscere queat, dieweil die
libellirten Worte sein Ambt in geringsten nicht touchiren (zu geschweigen, daß
Bekl. zum Uberfluß bey Ubergebung ihrer Exceptionum so fort denselben und seiner
Ehe-Liebsten und Sohne eine Ehren-Erklährung gethan.) So erscheinet daraus
allenthalben so viel, daß in der ad Acta gebrachten Schrifft sub N. 7. derselbe
seine Nothdurfft zur Gnüge nicht beobachtet, noch sich eines guten Urtheils zu
getrösten habe.
Auf die dritte und letzte Frage erachten W. V. R. Hat Bekl. bey Ubergebung ihrer
Exceptionum sub N. 6. wieder denselben eine reconventions-Klage übergeben, und
darinnen Ihn beschuldiget, Er habe sie am 14. Aug. von öffentlicher Straffen
wegnehmen, in gefängliche Hafft bringen, und daselbst biß in die 11te Woche, und
so lange, biß er per mandatum poenale sine clausula darzu angehalten worden,
gefänglich gehalten: Weßhalben sie actionem aestimatoriam auff 600 Rthle. hoch
juncta criminali wieder Ihn angestellet, und die Einlassung auff diese
reconventions Klage von Ihm begehret, und Er will berichtet seyn: ob er und die
Seinigen sich auf diese reconvention einzulassen, oder
die Reconvenientin Sie peculiari
actione zu belangen schuldig sey?
Ob Er nun wohl für sich anführet, daß die conventions-Klage per modum
Commissionis an den Herrn Landes-Hauptmann gelanget sey, & quod hoc
casu, quando motu proprio Principis judex detur, cesset ratio l. 14. C. de sent.
& interlocut. Hiernechst besagte reconvention erst post litis
contestationem proponiret, und derselben nicht alsbald annectiret worden; Ferner
die reconventions-Klage, weil sie aus der conventions-Klage herfliesse, nicht
ehe, als biß jene zu Ende, erörtert werden könne: Auch vermöge der Churfl.
Quartals-Gerichts-Ordnung zuvorhero erkant werden solte, ob die reconvention
statt habe; Und endlich allenfalls wieder klägerin zuvorher Cautionem pro
Expensis bestellen müste.
D.a.d. vermöge Käyserl. Rechten, welche in der Marck-Brandenburg beobachtet
werden, die reconventions-Klage, mit der convention zugleich tractiret werden
soll, und sonsten bekant, quod reconventio institui possit tam coram judice
de
|| [139]
legato, quam ordinario, auch diese
Commission nicht motu proprio Principis, sondern auf Herrn quaerentis eigene
requisition ergangen, und Er als sonsten judex ordinarius hierinnen selbsten
nicht judiciren kan, auch hiebey wohl zu beobachten, daß Bekl. als eine vidua
und persona miserabilis an die subtilitates juris Civilis de foro competente
nicht gebunden, hiernechst die reconvention von der Beklagtin der rechten und
wahren Litis Contestation in continenti angehangen worden, und nicht aus der
conventions-Klage, sondern ex facto separato, das mit derselben hauptsächlich
nichts zuthun, herfliesset: Ferner wenn gleich die Quartal-Gerichts-Ordnung
dasjenige, was Herr quaerent vorgiebet, in sich hielte, dennoch aus besagten
Umständen die Erkäntniß auf die Einlassung allerdings zu vermuthen, und Bekl.
endlich als eine arme Frau ad cautionem juratoriam, da Ihr selbige zuerkandt
werden solte, sich erbothen, sie auch ohne dem, wenn das factum notorium, und
öffentlich geschehen wäre, praesumtionem juris für sich hat. So möchte auch
derselbige (dann von den Seinigen kan nicht gefragt werden, weil Bekl. die
reconventions-Klage auf ihn allein gerichtet) auff die wieder Ihn angestellete
reconventions-Klage sich coram Commissione einzulassen, mit Bestande Rechtens
nicht entbrechen können. Alles V. R. W.
§. IV. Hätte der Quaerente nur seine fünff Sinnen vernünfftig gebrauchen(Noch etliche Anmerckungen von der Ungeschicklichkeit
des Quaerenten.) wollen, und nicht seiner
unzeitigen Nachgier wieder die arme Gertraud, oder wohl gar dem despotischen
Befehl seiner Frau Gemahlin, oder auch dem Nath eines von denen ungeschicktesten
Advocaten gefolget; so würde Ihm auch der einfältigste Mann gesagt haben, daß er
sich nach seinen eigenen registraturen nicht an die Gertraud, wegen dieser zu
Gemüthe so sehr gezogenen Schimpff-Rede halten könte, sondern daß er sich an die
Kloster-Jungfer, als die da die wahre injuriantin seyn muste, hätte halten
müssen, und daß er die arme Gertraud vielmehr als eine Zeugin dißfalls hätte
menagiren, und nicht wieder alle Vernunfft so barbarisch tractiren sollen.
Dieses ware also der Haupt-Fehler, den aber unsere Facultät unmöglich zu rechte
bringen, und aus schwartz weiß machen konte. Ja wer solte es sich wohl
einbilden, daß ein vernünfftiger Mensch ein Collegium juridicum fragen könte: Ob
die Seinigen, nemlich seine Frau und sein Sohn sich auff die reconvention
einzulassen schuldig wären, da doch die Reconvenientin nur über den quaerenten
geklagt, und weder von seiner Frau noch von seinem Sohne eine Einlassung
gefordert hatte. Und dennoch ist es geschehen, wie diese Figur bey Formirung der
dritten Frage ausweiset.
|| [140]
VI. Handel. Von einem geitzigen Weibe, das Ihren Ehe-Mann durch eine
eigennützige Ehe-Stifftung betriegen wollen, und selbsten betrogen
worden.
§. I.
(Die Umstände, durch welche die Brant den Bräutigam
betrogen.)
DAß in Ehestifftungen gar öffters ratione successionis zwischen Braut und
Bräutigam nicht eben eine grosse Gleichheit gehalten, sondern einem Ehegatten
vor dem andern darinnen ein Vortheil gegönnet oder gegeben wird, ist eben nichts
rares, und kan aus vielen auch vernünfftigen Ursachen geschehen, daß aber der
eine Ehe-Gatte in der Ehe-Stifftung dem andern alle Ihm sonst denen Rechten nach
zustehende jura benimmt, und nicht das geringste dargegen wieder verspricht,
sondern sich alleine allen Vortheil und avantage so wohl bey Lebzeiten des
Ehegatten, als nach dessen Tode zugeschrieben, das ist gar ein rares Exempel,
und verdienet dannenhero dasselbige destomehr, daß man diese Ehestifftung, die
curiosität des Lesers zu vergnügen, gantz hieher setze, wenn nur zuvorhero der
Betrug dabey gemeldet worden, nach welchen die tugendsame Frau Braut den
Bräutigam betrogen, damit der Leser denselben nicht für einen tummen Kerl halte,
der nicht werth sey, daß man ihm helffe, weil er eine solche schädliche
Ehe-Stifftung doch gleichwohl wohlbedächtig unterschrieben. Die Sache verhält
sich kürtzlich also. Johannes, ein berühmter Doctor Medicinae und Practicus in
einer Fürstl. Residentz gewanne nach Absterben seiner ersten Ehe-Frauen, die Ihm
unterschiedene Kinder hinterlassen, eine Eheliche affection zu einer in gleichen
Zustandt sich befindenden Wittbe / Frauen Annen Elisabeth, und wie er ein
ehrlicher aufrichtiger Man̅ war, also hielte Er diese seine Braut,
die zumahl Ihn sehr freundlich begegnete, und sich (als ein listiges Weib) auch
bißhero für der Welt also aufgeführet hatte, auch für so ehrlich. Da nun wegen
Ihrer beyder Zustandes höchstnöthig war, für Vollziehung der Ehe um eine
Ehestifftung besorget zu seyn; verwilligte der Bräutigam, daß der Braut Curator
eine auffetzete, damit er sehen könte, was seine Liebste praetendirte. Als aber
dieser mit dem in folgenden §. befindlichen irraisonablen Wercke auffgezogen
kam, und da er diese Unbilligkeit zuvorhero
|| [141]
seiner
Braut glimpflich remonstriret, diese aber alle Schuld auff den Curator geworffen
hatte, setzte Er auff der Braut eigenes Einrathen ein paar andre Ehestifftungen
auf, die nicht so unbillig waren. Die Braut beklagte sich deswegen gegen den
Bräutigam in geringsten nicht, schobe aber doch unter allerhand praetexten die
Vollziehung der Sache von einem Tag auff den andern auff, und klagte dabey über
die Härtigkeit des Curatoris, daß er nicht drein consentiren wolte, daß Sie von
der von Ihm auffgesetzten Ehestifftung in geringsten abgehen solte. Und dieses
trieb Sie so lange, biß Sie den unschuldigen Bräutigam wenige Tage für der
Trauung, da Sie durch Ihre Caressen seine Liebe und Vertrauen, angefeuret hatte,
dahin brachte, daß er die schlimme Ehestifftung unterschriebe, mit dem
Versprechen, sie wolle es nach der Hochzeit schon machen, und andern dabey
geführten, wiewohl zweydeutigen Worten, die doch dem Bräutigam auff diese Weise
vorgebracht wurden, als wenn Sie Ihres Vormundes Tyranney nicht länger erleiden
könte, Ihn aber jetzo als Braut nicht abschaffen dörffte: wenn aber die Ehe
vollzogen wäre, würde es sich besser schicken, daß Sie einen andern Curator
annehme, und alsdenn würde sich auch bessere Gelegenheit finden, die jetzige
Ehe-Stifftung zu cassiren, und eine von denen, so der Bräutigam auffgesetzet,
mit Bewilligung des neuen Curatoris zu vollziehen.
§. II. Weil nun der ehrliche und verliebte Mann seiner lieben Braut(Die eigennützige Ehestifftung selbst.) keine
betriegerische Falschheit zutraute, und durch Ihre caressen bezaubert wurde,
liesse er sich nach Art aller Verliebten, die von auffrichtigen und
unbetrieglichen Gemüthe seyn, beschwatzen, der Braut Ihren Willen zu vollziehen.
Die Ehestifftung selbst lautet also:
Zu wissen, daß im Nahmen der Allerheil. Dreyfaltigkeit, zwischen Herrn D. Johann
S. Stadt- und Land-Physico allhier, und Frauen Annen Elisabethen S. Wittben,
eine Christliche Ehe nach fürgegangener Anruffung GOttes abgeredet und
beschlossen worden, wie folget:
Dieweil nemlich Herr D. Johann zu Frau Annen Elisabethen eine aufrichtige hertzl.
Liebe getragen, und diese es auf beschehenen Vortrag vor eine sonderbahre
Schickung des Allerhöchsten gehalten, daher auch solche sichs gefallen lassen,
so hat es der Herr D. mit Danck angenommen und versprochen, sie jederzeit
hertzl. zu lieben, nach seinem Stande zu versorgen, und in keiner Noth zu
verlassen, sondern sich dermassen gegen sie zu verhalten, wie es GOttes Gebot
erfordert, und einem Ehemanne wohl anstehet, eignet und gebühret, hingegen sie,
die Frau Wittbe, den Herrn D. in Freud und Leid beständig zu lieben, zu ehren,
treuen Beystand zu leisten, und in keinem Unglück von ihm abzustehen, sich
verbündl. gemacht. Hierbey ist abgeredet worden,
|| [142]
daß
beyderseits Kinder erster Ehe zu Beweisung gebührenden Respects gegen ihre
Stief-Eltern, gleich als wenn es ihre leibliche Eltern wären, angewiesen werden
sollen. So viel aber die künfftige Succession auff ein oder des andern
Todes-Fall betrifft, hat der Herr D. sich heraus gelassen, daß er von der
Verlassenschafft seiner Vertrauten, wenn dieselbe, welches er doch nicht
wünschet, noch hoffet, für Ihm versterben solte, gantz nichts verlanget, und daß
solche deroselben Kindern erster Ehe überall unvermindert verbleiben, daher
denenselben von der Stunde des Todes an, ihre bis dahin eigenthüml. und
unbewegl. besessene Güther tam quoad proprietatem, quam quoad usum fructum
percipiendum, samt allen, was sie zum Manne gebracht, gedachten ihren Kindern
erbl. anheim fallen, u. deshalben zu mehrerer Richtigkeit eine ausführl.
Specification verfertiget, und von allen Interessenten unterschrieben werden
soll. Zu dem Ende renunciret der Herr D. denen beneficiis statutariis, und
begiebet sich der Sucession freywillig gantz und gar. Nach seinem Tode aber soll
der überlebenden Frau Wittben und jetziger Braut die freye Wohnung in des Herrn
D. Hause auf ihr Leben gegönnet, oder dafür Jährlich Funffzehen Gülden zum
Hauß-Zinse gegeben, zu dem Ende auch ein Capital von dreyhundert Gülden von
Verlassenschafft ausgesetzet, gegen Verzinsung ausgeliehen, und die disposition
hierüber der Frau Wittben gelassen werden. Ferner soll sie zu ihrem Unterhalt
auf die Zeit ihres Lebens aus des jetzigen Herrn Bräutigams Verlassenschafft
Jährlich Siebentzig und Fünff Gülden zu geniessen haben, und zu dem Ende
gleichergestalt ein Capital von 1500. Fl. ausgesetzet, gegen Verzinsung
ausgeliehen, und hierüber der Frau Wittben die disposition gelassen werden,
wohin sie das Capital ausleihen, und versichern lassen will, jedoch daß nach
ihrem Tode beyde Capitalia denen Kindern und Erben des Bräutigams ab intestato
hinwiederum zurücke fallen sollen. Solcher gestalt nun wird die Frau Wittib mit
einer cautione usufructuaria nicht beschweret, Sie soll auch von denen
Stief-Kindern auff begebenden Todes-Fall zur edition eines Inventarii oder eydl.
specification nicht angehalten werden, sondern es soll dieser frey stehen, nach
Absterben des Hn. Vaters obsigniren zu lassen. Was aber die Frau Braut constante
matrimonio an Geräthe, Stühlen und sonsten acquiriret, und sie in ihren Beschluß
hat, daß verbleibet deroselben ohne allen Eintrag. Wenn auch von denen mobilien,
so die Frau Braut ihrem Ehemanne künfftig zuwenden möchte, bey dessen Absterben
nichts mehr solte vorhanden oder verschlimmet seyn, so geschiehet die Ersetzung
derselben nach der Specification aus des mariti Vermögen billig. Da aber in
stehender Ehe Kinder erzeuget werden, selbige gehen in denen, was nach der von
beyderseits Ehegatten mit denen Kindern erster Ehe geschehener Theilung übrig
ist, mit gedachten Kindern erster Ehe in gleiche Theilung, und zwarten von dem
Vater in das Väterliche, von der Mutter in das Mütterliche, und wenn nach des
Vaters oder Mutter Tode eines von denen in anderer Ehe erzeugten Kindern mit
Tode abgehen solte, solchen falls soll dessel
|| [143]
ben von Vater ererbter Antheil auf die Geschwister oder dero Erben von
väterl. Seiten, hingegen das mütterl. Erbe auf die Geschwister oder dero Erben
von mütterl. Seiten erblich heimfallen. So soll auch das Ehe-Bette dem
überlebenden Ehegatten verbleiben. Und weil der Herr D. gar nicht verlanget, daß
seine Verlobte von dem Ihrigen Ihme etwas soll zuwenden, so lässet Er derselben
freue Hand aller ihrer bey fürgegangener Theilung mit ihren Kindern erster Ehe
zugefallenen Dingen, als Hauß, Mobilien, Schmuck, Baarschafften, oder anderer
Güther, auch deren Niessung in alle Wege, und will davon zu Verführung seines
Haushalts in geringsten nichts praetendiren. Damit nun die ietzige Frau Braut
wegen dessen, so ihr hierinnen zu gute abgehandelt worden, desto mehr versichert
seyn möge: so hat der Herr D. hiervor sein gantzes Vermögen liegend und fahrende
Haabe, ausstehende Schulden zum ausdrücklichen Unterpfande verschrieben und
eingesetzet, und soll seine jetzige Vertraute das Jus retentionis nebst denen
Alimenten in seiner gantzen Verlassenschafft so lange haben, biß sie alles
annehmliche erhalten haben wird, was Ihr Inhalts vorher beschriebenen Abhandlung
zukommet; Die Kinder des Bräutgams erster Ehe aber sollen ehe zur Theilung zu
schreiten nicht befugt seyn, biß es mit obigen zwey Capitalien und der
Versicherung, wie auch anderer Satisfaction seine Richtigkeit haben wird. Zu
steter und fester Haltung dessen aber ist hierüber gegenwärtige Uhrkunde
gefertiget, und von allen Interessenten unterschrieben worden. So geschehen N.
den 3ten Aprilis Anno 1691.
Johan̅ (Sponsus) Christian G. als Zeuge.
Anna Elisabeth (Sponsa) Christian Z. Curat. nomine der Frau Braut.
§. III. Nach vollzogener Ehe wurde der arme Mann bald gewahr,(Responsum das dieselbe nicht
gültig sey.) daß Ihn seine Hertzliebste schändlich betrogen hatte,
indem Sie weder den Curator abdanckte, noch von der einmahl unterschriebenen
Ehestifftung abzutreten in Willens ware. Weil aber die Sache etwas kützlich war,
und viele Juristen, denen er sein Leid geklaget hatte, die Achseln gezogen
hatten, ob Sie Ihn wohl bedaureten, daß er so hintergangen worden, und Ihn
mehrentheils mit diesem schlechten Trost: vigilantibus jura esse scripta,
abwiesen, als nahme er seine Zustucht zu uns, erhielte auch Anno 1693. in Monat
September nachfolgendes responsum, daß er diese Ehestifftung umzustossen wohl
befugt wäre.
Har derselbe Anno 1691. Mens. April. sich mit Frauen Annen Elisabethen
verehlichet (welche Ihn vor der Hochzeit eine Ehestifftung zugesendet, die er zu
unterschreiben sich anfänglich geweigert, weil Er befunden, daß selbige Ihm
höchst praejudicirlich sey, indem die Braut Ihm nicht das geringste zuzuwenden
versprochen, sondern
|| [144]
bloß dieses darinnen enthalten,
daß Er nach dem Todes-Fall seiner Braut nicht das geringste aus Ihren Mitteln
begehren, auch bey Lebzeit derselben sich aller Fruchtniessung aus Ihrem
Vermögen begeben, hingegen der Braut nach seinem Tode freye Wohnung oder 15. Fl.
und zu Ihrem Unterhalt auf die Zeit Ihres Lebens Jährlich 75. Fl. ausgemachet
seyn solten. Hat Er hierauff dem Curatori seiner Braut solche Ehestifftung
wieder zurücke gegeben, und gebeten, dieselbe so einzurichten, daß zum wenigsten
eine Gleichheit darinnen enthalten wäre, auch selbigen eine deutliche Nachricht
übergeben, was Er verlange, und wie solches in das übergebene Formular der
Ehestifftung eingerücket werden könte; Nichts desto weniger aber sich endlich
nur zwey Tage vor der Hochzeit von seiner Braut (da Sie, wie er Sie gefraget,
wie es denn mit Ihme werden solte, Ihm zur Antwort gegeben: Mein Schatz
unterschreibe es nur, ich will es schon machen,) zur Unterschrifft bereden
lassen, der Hoffnung, es werde dieselbige nach der Hochzeit auff sein billiges
Begehren sich gefällig heraus lassen. Dieweil aber solches bishero nicht
geschehen, vielmehr keine Hoffnung übrig ist, daß solches nunmehro geschehen
möge; als will Er berichtet seyn, ob besagte Ehestifftung von Ihm ipsa invita
& contradicente revociret und umgestoßen werden könne?
Ob nun wohl wieder Ihn angeführet werden möchte, daß er diese Ehestifftung mit
gutem Bedacht unterschrieben, und die Beredung seiner Braut vielmehr pro
blanditiis als dolosa persvasione zu halten sey, auch dergleichen liebkosende
Beredungen in Rechten sonsten nicht für unzuläßlich gehalten werden: Ferner die
Ehestifftung pro contractu inter vivos zu achten wäre, indem darinnen nicht
gedacht wird, daß die Braut etwas erben oder erblich haben solle. Im übrigen
aber wenn schon bey der Ehestifftung ein dolus auff Seiten der Braut
vorgegangen, dennoch, da nunmehro allbereit zwey Jahr verflossen, die actio doli
praescribiret sey;
Dieweil aber dennoch der gantze context der Ehestifftung weiset, daß darinnen
nicht das geringste Zeichen einer ehelichen Liebe gegen denselben zu spüren,
sondern vielmehr allenthalben genugsame Zeichen sich hervor thun, daß die Braut
bloß auff Ihrer Seite dadurch zu lucriren und Ihm die onera matrimonii allein
über dem Halß zu lassen gesucht; und aber bekanten Rechtens, daß in Contractu
Societatis, da der eine Theil das lucrum alleine, und der andere alleine damnum
über sich nimt, solches für unrecht, und der Contract pro societate leonina
gehalten wird, welches vielmehr in societate conjugali zu observiren, weil die
Socii in Rechten nur pro fratribus gehalten werden, hingegen die Societät, die
zwischen Mann und Weib gemacht wird, viel verbündlicher, ja für die
allerverbündlichste zu achten ist; Ferner da Er die onera matrimonii, vermöge
besagter Ehestifftung alleine tragen soll, die darinnen geschehene renunciation
des Ihme zustehenden usus fructus, & portionis statutariae unkrässtig
ist,
arg. l. 20. C. de pactis, ibique Brunneman.
|| [145]
absonderlich da die Ehestifftung von Ihme zwey Tage vor der Hochzeit
aufgerichtet, da Braut und Bräutigam in praesenti materia schon für Mann und
Weib geachtet werden, und also sein Versprechen offenbarlich pro illicita
donatione inter virum & uxorem zu halten;
Hiernächst die besagte Ehestifftung pro contractu inter vivos nicht wohl
ausgegeben werden mag, indem nicht darinnen enthalten, daß sie als ein
Contractunter Lebendigen gemachet seyn solle, auch nicht exprimiret worden, daß
eine Ehe-Beredung oder Vergleich, sondern nur daß eine Christliche Ehe abgeredet
und beschlossen worden; nach diesem aber die contenta der gesamten Ehestifftung
sich mit diesen Worten;
So viel aber die künfftige Succession auf ein oder des andern Todesfall betrifft etc. anfänget, und also ausdrücklich darinnen der künfftigen Succession gedacht wird; wie nicht weniger.
Daß nach der Braut Tode Ihren Kindern alles erblich anheim fallen solle. Ingleichen.
Daß die Braut nach des Bräutgams Tode aus seiner Verlassenschfft Jährlich 75. Fl. zu genießen haben solle. welche Worte einem legato ähnlicher als promissioni inter vivos; auch in fine keine clausulae, daß man die Ehe-pacta steiff und feste halten wolle, oder dergleichen enthalten,
vid. D. Stryk. in tract. de Cautelis sect. 3. cap. 8. §. 23. & 24. und diese Ehestifftung solcher gestallt vielmehr pro specie ultimae voluntatis als pro contractu inter vivos zu halten wäre, cum in dubio benigniorem sententiam (i. e. quae partem laesam minus gravat) sequi tutius sit; zumahl, da nach den gemeinen Regeln der interpretation dieselbige allezeit wieder denjenigen, der was ungewöhnliches in einem Contract zu seinem Vortheil setzet, geschweige denn wieder den, der eintzig und alleine einen Vortheil aus einem Contracte ungewöhnlicher Weise suchet, gemachet werden, und er sich imputiren soll, daß er nicht deutlicher geredet; Seine Eheliebste auch sich des favoris dotis & pactorum dotalium nicht zu getrösten hat, weil sie demselben nicht einen Heller darinnen zugewendet; Da aber die Ehestifftung ad ultimas voluntates gerechnet werden solte, selbige entweder für unkräfftig, weil nur zwey Zeugen unterschrieben, oder doch dafür zu achten wäre, das Sie, wie alle letzte Willen, von einem Theil auch ohne des andern consens umgestossen werden möchte; Uber dieses, wenn gleich die Ehestifftung pro pacto zu halten wäre, dennoch blanditiae zwar in ultimis voluntatibus zugelassen seyn, aber dergleichen privilegia bey denen contractibus ohne Unterscheid nicht haben, auch die Umstände bey gegenwärtigen casu allenthalben weisen, daß man gefährlich mit Ihm umgegangen, und das tempus praescriptionis in actione doli bey besagten Umständen nicht von
|| [146]
Zeiten gemachter Ehestifftung,
sondern von Zeiten, da keine Hoffnung mehr gewesen, daß seine Vertrauete Ihm was
zuwenden wolle, anzurechnen ist, auch allenfalls exceptio doli perpetuo
opponiret werden kan; So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß derselbige
die Ehestifftung quaestionis auch wieder seiner Vertrauten Willen per actionem
doli, vel remedium nullitatis umzustossen, oder per ultimam voluntatem zu
ändern, auch nach seinem Tode dessen Erben sich wieder seine Vertraute, da Sie
aus der Ehestifftung klagen solte, mit der Exceptione nullitatis & doli
mali sich zu schützen wohl befugt seyn, V. R. W.
(Ein andres für derselben Gültigkeit.)
§. IV. Jedoch war die Sache wegen unterschiedener Umstände freylich so klar
nicht, und war dannenhero nicht zu verwundern, daß dem betrogenen Ehemanne von
andern gerathen wurde, daß er sicherer gehen würde, wenn er noch bey einem
andern Collegio sich informiren liesse. Als er nun dieses thate, bekam er von
der Juristen-Facultät zu N. ein gantz wiedriges responsum folgenden Inhalts.
Als Derselbe uns das Concept einer Ehestifftung sub B. und C. wie er solches bey
vorhabender Verehelichung mit seiner jetzigen Ehefrauen extendiren und
vollziehen lassen wollen, zugeschicket, und darneben berichtet, welcher gestalt
nur etwa 2. Tage vor dessen Hochzeit Ihme eine andere Ehestifftung sub A. von
seinem Weibe zur Unterschrifft vorgeleget worden, er auch solche auf dieser
seiner Frauen Worte: Mein Schatz, unterschreibe es nur, ich wills schon machen
etc. verleitet, unterschrieben, in Hoffnung, es werde dieselbe ehrlich und
redlich mit Ihme umgehen, und nachdem Er sich auf ein Grosses gegen Sie heraus
gelassen, Ihn anderweit vergnügen. Es sey aber geschehen, daß, da Er solches
jetzo von Ihr verlanget, Sie sich mit der Ehestifftung A. entschuldiget, als
Krafft welcher Sie zu nichts verbunden, zumahl sie eine sententiam favorabilem
aus dem Schöppen-Stuhle zu Leipzig enthalten. Deswegen Er gemüssiget worden, die
speciem facti zum Rechtlichen Ausspruch in die Juristen-Facultät nacher Halle zu
schicken, von dannen Er dieses Responsum erhalten, daß Er die Ehestifftung
quaestionis wieder seines Weibes Willen per actionem doli vel remedium
nullitatis umzustossen, oder per ultimam voluntatem zu ändern, auch nach seinem
Tode dessen Erben wieder seine Wittwe, da Sie auf die Ehestifftung klagen solte,
mit der Exceptione nullitatis & doli mali sich zu schützen befugt seyn.
Hingegen hat die Juristen-Facultät zu Wittenberg in voriger facti specie gantz
anders gesprochen, nemlich, daß die zwischen Ihm und seinem Weibe aufgerichtete
Ehestifftung in vim contractus beständig fest bleibe, Ihm aber, wenn seine
wieder das project derselben übergebene Erinnerungen nicht attendiret werden
wolten, seine Ehefrau auch der bey der Unterschrifft gethanen Vertröstung nicht
nach kommen, und gleichwohl er dadurch zur subscription induciret worden,
bemeldte seine Ehefrau actione doli, oder daferne das biennium darunter
verflossen, in factum rechtlich zu belangen, und
|| [147]
sich
dabey der Heimschiebung der Klage in deroselben Gewissen zu gebrauchen
unbenommen sey. Und er dahero bey dieser so scheinbaren differenz derer beyden
Collegiorum auch Unsere in Rechten gegründete Meinung verlanget. Demnach
sprechen wir vor Recht:
Ob wohl (1) vieler Doctorum Meinung nach, die pacta dotalia alsdenn pro mixtis zu
halten, und in vim ultimae voluntatis gelten müssen, wenn der Succession auff
den Todes-Fall darinnen gedacht wird.
L. 24. C. de Donat. mort. caus. L. 2. C. de Jur. dot. Menoch. lib. 3. praes. 25. Mantic. d. conject. ult. vol. lib. 1. cap. 10. n. 4. sq. Dergleichen sich denn in gegenwärtiger Ehestifftung findet in verb:
So viel aber die künfftige Succession auf eines oder des andern Todes-Fall betrifft etc. it. in verb. daß nach der Braut Tode Ihren Kindern alles erblich anheim fallen solle. Ingleichen verb. daß die Braut nach des Sponsi Tode aus seiner Verlassenschafft jährlich 15. Fl. etc. Hiernächst auch (2) denen Rechten entgegen laufft, wenn ein Ehe-Gatte dem andern ein gewisses Antheil seiner Güter oder Erbschafft durch dergleichen pacta zuwenden will.
arg. l. 20. C. de pact. Immassen aus diesem fundamento viel Doctores die pacta dotalia, quae ultra dotem & donationem propter nuptias, alterutri conjugum aliquid deferunt, durchaus verwerffen
vid. Berlich. p. 2. concl. 51. n. 2. & Dd. ibi citat. Zudem auch (3) gegenwärtige Ehestifftung eine grosse Ungleichheit in sich hält, indem Er von seiner Liebsten Vermögen gar nichts überkommen soll, sondern Er allen beneficiis successoriis durchaus renunciiret, da hingegen Ihr eine jährliche Renthe von 75. Fl. ohne denen 15. Fl. Wohnungs-Gelder verschrieben, und zu deren Erhebung gewisse Capitalia ausgesetzet worden, welches eine Societatem Leoninam zu inferiren scheinet, und daher denen Rechten nach für unbeständig zu halten. Zu geschweigen (4) auff diese masse eine donatio unilateralis inter maritum & uxorem heraus kommen wolte, welche gleichfalls in Rechten improbiret wird, ne scilicet amor Conjugalis venalis sit aut pretio comparetur. Dennoch aber und dieweil 1. nicht ob quaelibet verba de successione loquentia die Ehestifftung pro ultima voluntate aut donatione mortis causa zu halten, sondern nur in dem Fall, si pacta ipsam bonorum obventionem seu devolutionem concernunt.
Bart. in L. ult. C. de pact. n. 11. Pistor. p. 4. q. 3. Kohl. d. pact. dotal. part. ult. n. 2. Indem in gegenwärtiger Ehestifftung ein mehrers nicht enthalten, als daß der Spon
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sus seiner Vertrauten ein gewisses
Capital auszusetzen versprochen, davon sie nach seinem Tode die Zinsen zu heben
haben solte, und dergestallt Ihr gar keine Succession neque partem bonorum
versprochen, sondern nur seine Erben ad praestationem istorum redituum
obligiret, welchen falls denn, si nimirum promissio fundatur in persona
paciscentis, & effectus saltem obligationis post promittentis mortem
suspenditur, ut sic ab herede & contra heredem ejus actio incipiat.
l. un. C. ut act. ab hered. die Ehestifftung in vim contractus gelten, und pro negotio inter vivos gehalten werden.
Carpz. 2. Const. 43. def. 6. Richt. p. 2. cons. 155. Immassen auch 2. das blosse Wort Erblich dahin nicht gedeutet werden mag, als ob die Contrahentes einen letzten Willen hätten verordnen wollen, siquidem haec vox non semper ad modum devolutae successionis pertinet, quasi eo modo jure hereditario sint transmissa bona, cum plerumque transactionis effectum concernat, sunt verba
Strykii in tr. de caut. contr. lib. 3. c. 8. §. 22. Ferner 3. was de invaliditate pactorum dotalium angeführet wird, ac si illis bona in alterum transferri nequeant, communi totius Germaniae consvetudine & usu vorlängst explodiret ist, prout testantur.
Gail. 2. obs. 117. n. 6. Faber. Cod. lib. 5. tit. 9. def. 6. & Aut. cit. Berlich. d. concl. 51. n. 5. Hiernechst auch 4. die in denen pactis dotalibus enthaltene grosse Ungleichheit selbige nicht auffheben; sintemahl das matrimonium keine societas proprie sic dicta ist, noch deren speciem hat, und daher gar wohl einer derer Ehegatten sich den Vortheil allein pacisciren kan, allermassen denn in dessen Absehen Gail. 2. observ, 78. n. 5. eine notable cautionem an die Hand giebt, wie man die inaequalitatem dotis & donationis propter nuptias salviren können, ita ut illa etiam jure communi subsistat; nimirum si de lucranda dote, aut donatione propter nuptias pacta fiant dotalia, & quidem antequam matrimonium contrahatur. Hoc enim casu pacta disparia valere & admitti dicit, quae tantum constante matrimonio prohibita sunt, eo quod donationem sapiant, quae inter virum & uxorem prohibita est, ne mutuo amore se spolient; cesset vero ratio ista matrimonio nondum contracto. Aus welchem deciso denn zugleich 5. erscheinet, daß aus dieser inaequalitate pactorum keine donatio inter virum & uxorem prohibita zu inferiren sey, indem quoad hanc materiam Braut und Bräutigam pro conjugatis nicht gehalten werden mögen, um deswillen auch Carpzov. part 2.
|| [149]
Const. 3. def. 19. & Matth de matrim.
disput. 10. th. 3. ausdrücklich statuiren, quod donatio inter desponsatos etiam
ipso nuptiarum die facta valeat. So erscheinet aus diesen allen so viel, daß
mehr erwehnte Ehestifftung pro contractu vero, perfecto & valido
zuachten, einfolglich auch der Herr selbige zu halten schuldig, und was er
darinnen seiner damahligen Verlobten versprochen, Ihr per testamentum wieder zu
entziehen nicht befugt sey. Jedoch bleibt Ihme dieselbe ob dolum, oder besser,
actione in factum, wegen dessen, so sie Ihme reciproce versprochen, zu belangen,
oder auch künfftig dessen Erben sich der exceptionis doli wieder Sie benöthigten
Falls zu gebrauchen unbenommen, V. R. W.
§. V. Ob nun wohl aus dem ietzo erzehlten responso zugleich zu(Beantwortung dieses letzten responsi.) sehe war, daß auch die Collegia zu Leipzig und
Wittenberg bey diesem Handel, mit unserm Collegio nicht einerley Meinung gewesen
waren, so bliebe doch unsere Facultät bey der Ihrigen, und beantwortete die
rationes decidendi derer Herren zu N. folgender massen.
Als derselbe uns zwey responsa sub A. & B. benebst einer Frage
zugeschicket, etc. Haben wir für etlichen Monaten, über desselben wegen der mit
seiner Eheliebsten getroffenen Ehestifftung an uns abgegangenen Frage ein
Responsum ertheilet, daß derselbige die Ehestifftung auch wieder seiner
Vertrauten Willen per actionem doli vel remedium nullitatis umzustossen, oder
per ultimam voluntatem zu ändern, auch nach seinem Tode dessen Erben sich wieder
seine Vertraute, da Sie aus der Ehestifftung klagen solte, mit der Exceptione
nullitatis & doli mali zu schützen wohl befugt wären. Hat derselbige
ferner sich hierüber anderwärtig bey einem benachbarten Collegio Juridico
informiren lassen, in welchen unsere Rationes decidendi retentis iisdem verbis
zu rationibus dubitandi gemacht, und hernach mit andern rationibus decidendi
refutiret, auch erkant werden wollen, daß die zwischen demselben und seiner
ietzigen Ehefrauen aufgerichtete Ehestifftung in vim contractus beständig wäre,
es bliebe aber demselben, seine Ehefrau und deren Curatorem actione doli oder in
factum zu belangen unbenommen etc. Ob nun wohl wir, was die der actioni doli
beygefügte actionem in factum betrifft, allerdings mit besagtem Rechts-Collegio
einig sind, hiernechst aber von Selbigen in denen rationibus decidendi zu
Behauptung der Beständigkeit der Ehestifftung in vim contractus angeführet
worden, daß die praestanda, so nach desselben Absterben seiner künfftigen Wittbe
geleistet werden sollen, auf keine Succession noch Erbschafft abzielen, sondern
sothane Ehepacta bloß desselben künfftige Erben dahin verbänden, daß Sie nach
seinem tödlichen Hintritt seiner ietzigen Frauen jährlich 15. Fl. zum Hauß Zinse
und 75. Fl. zum Unterhalt geben, auch zu solchem Ende gewisse Capitalia
aussetzen sollen; Jam quando verba ita sint concepta, ut obligatio in persona
quidem promittentis fundata, sed in mortis eventum collata in persona heredis
effectum capiat, atque
|| [150]
adeo conjux superstes ex
obligatione ista ab herede promittentis sine ullo succedendi Jure bona promissa
consequatur, dum per viam contractus concessa intelligantur, ac propterea pacta
dotalia valere debeant.
Carpzov. Part. II. Const. 43. Def. 6. n. 7. ibique citatus Hartmannus Pistoris. Bachovius ad Treutler. Vol. 2. disput 7. th. 7. lit. a. Hingegen darwieder nichts thue, daß im Eingange der Ehestifftung stehe, daß in selbiger vor der künfftigen Succession disponiret werden solle, weil solches nicht genung wäre, wenn die subsequentia verba darauf nicht correspondireten, wiederum in gegenwärtigen pactis der maritus von aller Succession ausgeschlossen, dessen Erben auch in Gegentheil zu blossen particular praestandis obligiret, auch darbey keiner Succession noch Erbgangs-Recht erwehnet worden; im übrigen wieder die Beständigkeit solcher Ehe-pacten nichts thue, daß eine grosse inaequalität darinnen fürhanden, und die onera matrimonii dem Ehemann alleine heimfielen, weil dieser Ihm selbst zu imputiren, daß er dißfalls sich alles Vortheils begeben, überdiß ohne dergleichen die Eheliche Liebe gar wohl bestehen könne, sonsten folgen würde, daß cum uxore egena die societas conjugalis nicht bestehen könne: Ferner den Sächßischen Rechten nach die Ehe ante conscensionem thalami für vollzogen nicht geachtet werde; also was de illicita donatione inter virum & uxorem in rationibus dubitandi angeführet, sich anhero nicht appliciren lasse, auch was von der Ehefrauen Kinder succession in der Ehestifftung verordnet worden, mit der successione conjugum nicht zu confundiren wäre; Dieweil aber dennoch gar offenbahr, daß eines Theils unsere vornehmsten rationes decidendi, (als wenn wir ausdrücklich die succession dessen Ehefrauen nicht pro universali, sondern pro singulari, und daß Sie einem legato ähnlich sey, ausgeben, auch was wir ex regulis bonae interpretationis in dubio contra eum, qui lucrum ex contractu quaerit, facienda, angeführet) gar nicht fürgebracht, von denen fürgebrachten aber auch die principaliores, als was wir de comparatione societatis, de conjugio, ingleichen de nullitate renunciationis ususfructus & portionis statutariae gesetzet, gar nichts geantwortet worden, und also hieraus leichte zusehen, daß, da wir die Sache der Gebühr nach, und ohne Absicht auf einige Neben-Umstände erwogen, der Herr Referent, der unser Responsum refutiren wollen, nicht unwahrscheinlich ein ander Absehen gehabt haben möge. Bey dieser Bewandniß aber annoch unumgestossen bleibet, daß das pactum quaestionis gar nicht pro pacto dotali zu achten, und also ehe dieses wiederleget worden, zu frühzeitig asseriret werde, daß es nicht pro ultima voluntate, sondern contractu inter vivos zu halten (maßen wir auch selbst dasjenige, was in unserm Responso de specie ultimae voluntatis gesetzet worden, nicht categorice, sondern per conditionem & concessionem asseriret) auch der ex Carpzovio angeführte locus solcher gestallt uns gantz nicht opponiret werden mag, weil er nicht alleine von einem pacto ipso Jure
|| [151]
subsistente redet,
sondern auch de successione universali allen Umständen nach handelt, da wir doch
de legato in unserm Responso geredet: Ferner mit Bestand nicht vorgegeben werden
mag, daß zwar im Eingange der Ehestifftung von der künfftigen Succession
disponiret werde; die subsequentia aber darauf nicht correspondiren, indem der
maritus von aller succession ausgeschlossen, bey der Frauen auch keiner
succession noch Erbgangs-Rechts erwehnet worden; immassen, quoad
correspondentiam verborum subsequentium cum initialibus gnung ist, daß bey der
Frauen nicht wiedersprochen worden, daß Sie das Ihr darinnen zugedachte lucrum
nicht per modum successionis haben solte; zumahlen da dieses lucrum allerdings
ex verbis initialibus der Ehestifftung:
So viel aber die künfftige succession auff ein oder des andern Todes-Fall betrifft. ausgeleget werden muß, und im gegenseitigen Responso, wenn Succession und Erbgangs-Recht darinnen synonymice gebraucht werden, gar deutlich successio universalis cum particulari & legato confundiret worden; Uber dieses nicht wohl zusammen hänget, wenn in gegenseitigen Responso gemeldet wird, der maritus müsse sich selbst imputiren, daß er sich alles Vortheils begeben, und doch gleichwohl Ihme actio doli zuerkennet worden. Endlich aber, was die Sächßischen Rechte de consummatione matrimonii per conscensionem thalami statuiren, entweder nur alleine von der Succession der Eheleute, oder doch zum wenigsten von den Casibus nicht zu verstehen ist, wo in materia delictorum sponsus & sponsa pro marito & uxore gehalten werden; massen denn auch nach Sächsischen Rechte ein Ehebruch cum sponso & sponsa begangen wird, und also auch ebenmäßig sponsus & sponsa donationem inter virum & uxorem illicitam begehen mag; dieser Meinung auch nicht zuwieder ist, was etwa Carpzovius
Part. II. Const. 13. Def. 19. und Lib. II. Jurispr. Eccl. def. 270. n. 8. von denen Geschencken zwischen Braut und Bräutigam gelehrt, weil solches ausdrücklich nur von denen gewöhnlichen Geschencken, die zwischen Braut und Bräutigam pflegen vorzugehen, handeln, und auf eine ungewöhnliche Schenckung nicht gezogen werden mag; So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß das mit seiner Ehefrauen getroffene Ehe-pactum allerdings pro nullo zu achten, und dannenhero von Ihm oder seinen Kindern actione vel exceptione nullitatis mit Bestand Rechtens angefochten werden möge. V. R. W. §. VI. Bey diesen Umständen und unterschiedenen Meinungen der(Ausgang der Sache.) Collegiorum wird nunmehro der geehrte Leser vermuthlich begierig seyn, zu vernehmen, wie doch die Sache abgelauffen. Davon kan ich Ihm aber nicht mehr berichten, als daß die Sache zur contradiction bey dem Consistorio zu N. kommen, und ich in meinen excerptis davon folgende Nachricht finde. Anno 1694. mense Martio hatte ein Sächsisches Col
|| [152]
legium ad plena acta gesprochen: Daß
D. Johann dasjenige, so er in der mit seinem Eheweibe auffgerichteten
Ehestifftung derselben auff seinen Todesfall verordnet, zu wiederruffen wohl
befugt, dessen übriges Suchen aber hat nicht statt. Als aber beyde Partheyen
wieder dieses Urtheil Leuterung eingewendet hatten, und die Acta an unsere
Facultät geschickt wurden, hat dieselbe folgender Weise erkant: Daß es
beyderseits eingewendeter Leuterung unerachtet, bey vorigen Urtheil billig
verbleibe, jedoch, so viel D. Johannis Leuterung betrifft, mit dieser Erklärung,
daß, weil er das jenige, so er in der mit seinem Ehe-Weibe aufgerichteten
Ehestifftung derselben auff seinen Todes-Fall geordnet, zu wiederruffen befugt,
er auch nicht schuldig zu achten, die in besagter Ehestifftung geschehene
renunciationem ususfructus in bonis uxoris zu halten, sondern er bedienet sich
solches ususfructus nach gemeinen Rechten billig. Und ist die in gemeldten
Urtheil angehengte Clausul, daß dessen übriges Suchen nicht statt habe, von der
von Ihm gesuchten Wiederausantwortung der Ehestifftung act fol. 18. ingleichen
von der delatione juramenti fol. 47. welcher Bekl. fol. 58. contradiciret, wie
nicht weniger von der durch Ihn vel approbando begehrten separation a thoro
& mensa zu verstehen, etc. Was nach diesen Urtheil weiter fürgegangen,
davon kan ich ferner nichts sagen.
§. I.
(Kurtze iedoch juristi sche
Beantwortung dieser Frage.)
ES hatte einsmahls ein gewisser Mensch (vermuthlich bey Nacht oder in einem
Tumult) eine Ohrfeige bekommen, und wuste nicht, von wem. Ob Ihm nun wohl die
kleinen Kinder auff der Gasse, geschweige denn vernünfftige und Rechtsgelehrte
Leute würden gerathen haben, er solle kein Wesen von dieser Maulschelle machen,
sondern er würde am klügsten thun, wenn er dieselbe in Gedult verschmertzte, sie
einsteckte und stilleschwiege, weil er von niemand satisfaction nehmen oder
begehren könte, indem er nicht wüste, wen er verklagen, und von Ihm satisfaction
begehren solte: so wolte doch der Mensch diesen
|| [153]
guten
vernünfftigen Rath nicht folgen, sondern der Renomiste stack Ihm in Kopffe, daß
er sich vermasse, er solte und müste revange haben, es möchte Ihm auch kosten
was es wolle, und müste doch ein Recht für Ihn in der Welt seyn. Nun war dieser
Mensch zwar recht für die ungewissenhafften Advocaten, die auch wohl
unschuldige, friedfertige, geschweige denn zancksüchtige Leute, antreiben, daß
Sie auch die geringste injurie nicht ungerochen lassen, geschweige denn eine
dichte und derbe Maulschelle; Aber es mangelte denenselben in diesem casu an
allerbesten. Denn ob Sie wohl sich bald darinnen verglichen, ob Sie actionem
aestimatoriam, oder ad palinodiam, oder poenalem auff Staupenschlag und ewige
Landes-Verweisung, oder alle drey zugleiche anstellen könten oder nicht; so
waren Sie doch in dem nothwendigsten punct nicht einig, konten auch gestalten
Sachen, oder beschaffenen Umbständen nach nicht wohl einig werden, wem Sie doch
wohl die erschreckliche, und mit allen damahls gebräuchlichen, so wohl nöthigen
als überflüßigen und zum Theil absurden Formuln und clausuln angefüllete Klage
insinuiren lassen solten, daß es dem Beklagten richtig insinuiret, und diesem
zuförderst die exceptio non rite factae insinuationis gäntzlich abgeschnitten
würde. Dieses war nun freylich ein Haupt-Mangel. Nichts desto weniger bliebe der
rachgierige Mensch auf seinen fünff Augen, und meinete endlich: man solte Ihm
das Leben nicht so sauer und die Sache nicht so schwer machen. Er hätte bißher
Sie, seine Advocaten für berühmte Juristen gehalten, und sähe nunmehro leider,
daß Sie elende Stümper wären. Ob Sie etwan meineten, daß es Ihm an den bagatelle
Geld gelegen wäre, wenn Sie über die streitige Frage ein responsum bey einem
Rechts-Collegio einhohlen würden. Wenn sie sich ja nicht gleich vergleichen
könten, solten Sie bey dem nächsten Schöppenstuhl (und zwar ie eher ie lieber,
weil periculum in mora wäre, und derjenige, so Ihm die Maulschelle gegeben, etwa
sonsten durchgehen möchte) dieses puncts halber sich informiren, und alsbald
nach erhaltenen responso, das libell fertig machen. Die Advocaten zuckten zwar
die Achsel; weil Sie aber den Menschen nicht noch mehr erzürnen wolten, sondern
von Ihm als einem, der viel Geld hatte, noch manchen Pfennig zu verdienen
trachteten, folgten Sie seinen Willen, und setzten in optima forma eine
Urtheils-Frage auff. Die Herren Schöppen machten sich in Beantwortung derselben
keine sonderliche Mühe, sondern schickten dem Herrn Quaerenten, iedoch Praem.
Praem. folgende kurtze Antwort zu: Habt Ihr eine Ohrfeige bekommen, und wisset
nicht von wem; so seyd Ihr dieselbige zu behalten schuldig. V. R. W.
|| [154]
(Warum dieselbe so ausführlich erzehlet worden?)
§. II. Ach, sprichstu, ich habe dieses Histörgen oder Fabelgen schon gehöret, als
ich noch ein Kind war, und hätte ich dir was klügers zugetraut, als daß du in
deinen auserlesenen Juristischen Händeln mit solchen Fratzen soltest auffgezogen
kommen, und zwar mit so weitläufftigen Umbständen dieselbe erzehlen. Dieses sind
Possen, die ein spöttischer Müßiggänger erdacht hat, die Leute zu lachen zu
machen. Denn es ist nicht möglich, daß solche Thoren in der Welt seyn können
oder jemahls gewesen, die dergleichen Narren-Possen vornähmen oder vorgenommen
hätten. Wenn du in deinen Juristischen Händeln an statt warhafftig geschehener
Casuum solche sottisen und Eulenspiegeleyen willst zu Marckte bringen, wirstu
Christlichen und gottseeligen Lehrern von allen vier Facultäten nicht verargen,
wenn Sie Ihre Zuhörer oder Anhänger auch für deinen Schrifften warnen, die du in
deinem hohen Alter geschrieben. Das GOtt erbarm! ist denn gar keine Besserung
bey dir zu hoffen. Wäre es doch nicht Wunder, daß - - Aber halt ein Freund, und
übereile dich in deiner eingebildeten Gottseeligkeit und affectirten
Ernsthafftigkeit nicht. Die Haupt-Antwort auff deinen Pharisaeischen Zweiffel
wirstu vielleicht in der zu diesem Theile zu seiner Zeit zu verfertigenden
Vorrede lesen. Das Histörgen des vorigen §. halte ich für keine Fabel, weil es
vor diesen eben solche Thoren gegeben als heute, und keine Narrheit erdacht
werden kan, die nicht vor dem geschehen sey, und noch geschähe. Du weist wohl:
Narravere patres &c. Daß ich aber die Thorheit dieses Histörgens mit
mehrern Umbständen vorgestellet, geschahe deßwegen, weil es vergönnet ist,
solches bey individuis vagis zu thun; und weil unterschiedene Umstände nicht
zuliessen, daß ich dieselben bey Erzehlung einer gleichen ja noch viel grössern,
und zwar von einem sehr vornehmen und mächtigen Hofmanne begangenen sottise
anbrächte, sondern dem Leser die Mühe überliesse, ob er solches selbst thun, und
den nun folgenden Handel mit diesem bekanten Histörgen, wie ich solches
erzehlet, conferiren, und hernach decidiren wolle, welcher von beyden eine
grössere Kappe verdienet.
(Ein neuer Handel von gleichen Gewichte.)
§. III. Ey, fährestu mit runzelnder und betrübter Stirne fort, das ist nicht
möglich; das erdichtestu nur. Je warte doch nur ein wenig, und laß mich zu
Worten kommen. Denn es gilt doch sonst auch bey denen affectirtesten
Scheinheiligen die Rechts-Regul: Audiatur & altera pars, und du kanst,
wenn du es mir nicht glauben wilst, dir unsern Actuatio sein protocoll weisen
lassen. Kurtz von der Sache zu kommen, in Monat Januario 1694. wurde von einem,
der sich Sempronius nennete, sub dato Dicasteyen den 5. Januarii diese
Urtheils-Frage an unsere Facultät gesendet.
|| [155]
P. P. Es
ist Sempronius eine Zeit lang verreiset gewesen, und als Er wieder zurück
kommen, ihm durch seinem guten Freund in geheim offenbahret, wie zu Adicien und
anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget, daß ein Passagier auf der Post
unterwegens gesaget, es hätte Sempronius eine solche schlimme That begangen,
weßhalber Er wohl das Land räumen oder verlassen müsse, auch hiebey noch andere
wieder Sempronii honneur lauffende grobe injurien vorgebracht und erzehlet. Ob
man nun wohl nach solchen Passagier und dessen Nahmen sehr geforschet, und Sich
eusserst bemühet, den Autorem solcher famosen Beschuldigung und groben Calumnien
zu erkundigen, so hat man dennoch von dessen Nahmen und Herkommen keine gewisse
Nachricht erlangen können; Nachdem aber gleichwohl Sempronii Renommee hiedurch
nicht wenig touchiret, insonderheit, da ein solches Murmeln immer weiter und
ferner eingeschlichen, und Sempronius dennoch von solcher Condition, daß Er auf
seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen wieder Capital. Delinquenten ob competens
merum imperium criminaliter verfahren, und ad poenam mortis usque inquiriren
mag, überdem auch derselbe von vornehmen hohen Eltern und selbst auf seinem
Guthe in renom mirlichen statu, auch bey grossen Herren in Gnaden lebet, und
dahero wieder den ungewissen Diffamatorem vel calumniantem criminaliter agiren
oder inquiriren zu lassen genöthiget wird, zu seiner satisfaction aber perpetui
silentii impositionem nicht zulänglich erachtet, sondern vermeinet entweder
selbst, oder durch andere Obrigkeit es dahin zu bringen, daß durch den
Nachrichter der Diffamante öffentlich oder in loco publico citiret, und darauf
per carnificem pro diffamante vel calumniante ausgeruffen und pro infami
erkläret werde: Hiebey dennoch Sempronius gern caute verfahren wolte, so werden
die Hochgeehrteste Herren hiemit freundwilligst er suchet, Sie geruhen diese
kurtze speciem facti collegialiter wohl zu überlegen, und cum rationibus
decidendi per jura vel Doctores allegatis über nachfolgende Fragen dero
Rechtliches Videtur gegen die Gebühr geneigt mitzutheilen.
1.) Wie Sempronius contra den unbekanten und nicht zu erforschenden diffamantem am besten und sichersten per denunciationem vel inquisitionem verfahren könne, daß der Diffamante auch durch den Scharfrichter dießhalber offentlich in loco publico citiret, darauf pro diffamante vel calumniante per ipsum carnificem ausgeruffen und pro infami erkläret und proclamiret werde, und was für eine Weise und Redens-Art durch den Scharfrichter hiebey zu gebrauchen? Fürs 2.) Ob Sempronius diffamatus zu Adicien wieder Diffamantem so weit', als vorgedacht, per modum denunciationis agiren; auch omissa denunciatione zu Dicasteyen auf seinem Gute selbst, adhibito tamen Assessore vel Notario, so weit, wie obgemeldet, inquiriren könne, und daß die dem Diffamato zu Dicasteyen zustehende unstreitige criminalis vel superior jurisdictio hierdurch nicht periclitiret werde, oder ob consensus Domini superioritatem territorialem habentis zu der zu Dicasteyen etwa anzustellenden Inquisition annoch besonders vorhero nothwendig loßzubitten sey?
|| [156]
Man bittet um geneigte Willfahrung, auch das Responsum wohlversiegelt ehestens
aus zufertigen, weil an der Eyl gelegen, und soll dieses alles mit schuldigem
Danck hinwieder erkant werden, wie dann auch nechst Göttl. empfehlung
verbleibet, etc.
(Beantwortung desselben cum allegatis
legum & Dd.)
§. IV. Nun vergleiche diesen Sempronium mit dem Menschen in ersten paragrapho,
und merck wohl an, daß Sempronius ein scharffsinniges Mittel vorschlug, wie man
solche unsichtbare injurianten durch den Scharfrichter citiren, und unehrlich
machen lassen könne, ingleichen daß er zu uns ein grosses Vertrauen hätte, daß
wir dieses heilsame Mittel genungsam mit allegatis legum & Doctorum
ausspicken würden, und daß Er endlich höchst vorsichtig besorgt war, daß bey
diesem Proces der Gerichtbarkeit zu Dicasteyen keine praejudiz geschähe, und
dennoch der Hohen Landes-Obrigkeit Ihr gebührender respect durch diesem
unerhörten und tieff ausgesonnenen Proceß nicht verletzet würde. Und ist leichte
zu gedencken, daß wir über das gute Vertrauen, das man zu unserer Facultät
hatte, nicht weineten, und daß wir es uns blut sauer werden, auch die Mühe wohl
bezahlen liessen, unser responsum mit allegatis legum & Doctorum zu
versehen. Was aber Sempronius darzu gesagt, als er unser responsum gelesen, kan
ich nicht melden, denn ich kenne noch diese Stunde den lieben vornehmen Mann
nicht, und noch weniger, als Er den Ihn injurirenden Passagirer kante, zumahl da
ich in meiner Land-Charte nicht habe finden können, wo Adicien und Dicasteyen
liege. Du kanst dich demnach selber bemühen, ob du des Sempronii Gedancken
errathen könnest. Hier hastu unser Responsum, das wir in eben diesem Monat
Januario des 1694. Jahrs annoch ausfertigten.
Hat Sempronius auff seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen das merum imperium und
Macht wieder Capital delinquenten criminaliter zu verfahren, und ad poenam
mortis usque zu inquiriren, massen er denn auch über dieses von vornehmen hohen
Eltern gebohren, und auff seinem Guthe in renomirlichen statu, auch bey grossen
Herrn in Gnaden lebet. Ist besagter Sempronius eine Zeitlang verreiset gewesen,
und als er wieder zurück kommen, hat ihm sein guter Freund in geheim
offenbahret, wie zu Adicien und anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget
worden, daß ein Passagier auf der Post unterwegens gesaget, es hätte Sempronius
eine solche schlimme That begangen, weßhalben er wohl das Land räumen oder
verlassen müsse, auch hierbey noch andere, wieder Sempronii Ehre lauffende grobe
injurien vorgebracht und erzehlet. Hat man von solchem Passagier und dessen
Nahmen oder Herkommen, (ob man gleich nach selbigen sehr geforschet, und sich
eusserst bemühet, selben zuerkundigen,) dennoch keine gewisse Nachricht erlangen
können, und will derselbe berichtet seyn: Wie Sempronius contra den Unbekanten
und nicht zu erforschenden diffamanten am be
|| [157]
sten und sichersten per denunciationem vel inquifitionem verfahren könne,
daß derselbe auch durch den Scharfrichter deßhalben öffentlich in loco publico
citiret, darauf pro injuriante vel calumniante durch den Scharfeichter
ausgeruffen, und pro infami erklähret werde, und was für eine Weise und
Redens-Art durch den Scharfrichter hierbey zu gebrauchen? Ingleichen: ob
Sempronius zu Adicien wieder diffamanten per modum denunciationis agiren, auch
omissa denunciatione zu Dicasteyen selbst, adhibito Notario inquiriren, und
dadurch die ihme zu Dicasteyen zustehende superior jurisdictio nicht
periclitiret werden möge, oder ob consensus Domini territorialis supremi zu
besagter Inquisition zu Dicasteyen zu vorhero loßgebeten werden müsse?
Ob nun wohl für Sempronio, daß auf vorgeschlagene Masse wieder den unbekanten
Passagier zu verfahren wäre, angeführet werden möchte, quod ubi difficilis
probatio sit in injuriis, senatus publica quaestione rem vindicari velit
L. 6. pr. ff. de injuriis. & quod, si quis injuriam atrocem fecerit, qui contemnere injuriarum judicium possit, Praetor acriter exequi hanc rem debeat, & eos, qui injuriam fecerunt coërcere.
L. 35. ff. eod. Quod etiam infamia notentur appellatores, qui judici convitium fecerint,
L. 42. ff. eod. quodque de injuria nunc extra ordinem ex causa & persona statui soleat.
L. 45. ff. d. t. Zumahlen, da auch nach hergebrachter Gewohnheit in praxi eine Obrigkeit wegen der ihr selbst angethanen Beschimpfung gar wohl inquiriren mag,
Carpz. Prax. Crimin. Part. II. qv. 95. n. 84. seqq. & qv. 96. n. 2. seqq. Dieweil aber dennoch besagte rationes und Textus insgesamt, entweder de injuriis realibus, oder wo ein gewisser reus ist, reden, auch sonsten bekanten Rechtens, quod qui injuriarum agere velit, certum dicere, nec vagari debeat,
L. 7. pr. ff. h. t. & quemadmodum nulla executio est, si incertae personae convitium fiat.
L. 15. §. 9. ff. h. t. ita etiam ex natura correlatorum nulla executio fieri potest, si incerta persona convitium fecisse dicatur. Und wenn man einen Process contra incertum injuriantem verstatten wolte, viel inconvenientien erfolgen würden, indem man weder die praescriptionem actionis injuriarum verbalium.
L. 5. C. h. t.
|| [158]
noch die regulam, quod haec actio contra haeredem non detur,
L. 13. pr. l. 15. §. 14. L. 28. ff. h. t. beobachten, noch weniger aber attendiren könte, an reus sit doli capax, welches doch secundum
L. 3. §. 1. & 2. eod. ersodert wird; Auch ferner der von Sempronio intendirte Process gantz nicht gebräuchlich ist, cum injuriarum causa non publici judicii, sed privati contineat querelam.
L. 7. C. de injur. more vero solito adversus eos, qui minuenda opinionis nostrae causa aliquid confecisse comperientur, injuriarum judicio experiri debeamus; Massen denn auch der Process in injurien-Sachen contra Reum fugitivum & absentem
per tradìta Carpzovii d. qv. 94. n. 27. seqq. & qv. 95. n. 26. seqq. gantz auf eine andre Art, als Sempronius intendiret, anzustellen; Hiernechst wenn eine Obrigkeit die Ihr selbst angethane Beschimpfung zu vindiciren gesonnen, zuförderst erfordert wird, ut injuria judici, ut judici, ratione officii sit illata
Leg. 4. C. h. t. item, ut sit evidens & notoria, nec altiorem requirat probationem; denique, ut Reus in poenam solummodo arbitrariam condemnetur, non etiam ad palinodiam seu aestimationem injuriarum.
L. unic. C. ne quis in sua causa, ibique Salicetus. Bartolus in L. si quis §. si quos ff. de poen. Gail. Lib. 1. observ. 39. derer keines doch auff gegenwärtigen Casum appliciret werden kan, und vielmehr Sempronii intention in Wege stehet, quod in causa injuriarum ne quidem judicare debeat, qui ei, qui agit, gener, socer, vitricus, privignus sobrinusque est, propiusve eorum quenquam ea cognatione, affinitateve attingit,
L. 5. pr. ff. h. t. Im übrigen aber Sempronius sich nicht zu befahren hat, daß durch dergl. üblen Ruff und dessen Erduldung Er an seiner Ehre gekräncket oder Abbruch leiden mögen, massen der Imperator Gordianus hiervon gar schön redet: Si es nunciator, vereri non debes, ne eapropter, quod injuriae faciendae gratia, quidam te veluti delatorem esse dixerunt, opinio tua maculata sit.
L. 3. C. h. t. Unde etiam, si injuriatus nolit vindicare injuriam illatam, non potest ad id compelli nec tacendo periculum suae famae aut existimationis subit,
Carpz. d. qv. 95. n. 90. seqq.
|| [159]
So möchte auch Sempronius wieder den unbekanten und nicht zu erforschenden
Passagier weder per denunciationem zu Adicien, noch per Inquisitionem zu
Dicasteyen oder andern Orten verfahren: Es ist ihm aber unbenommen, da Er die
ihm durch das gemeine Gemurmel zugefügte Beschimpfung zu vindiciren gemeinet,
seinen guten Freund gebührend anzuhalten, daß er ihm etliche Personen, die
dergleichen Reden geführet, nahmhafft mache, auch so dann entweder selbige
injuriarum belange, oder von ihnen deutlichere Bezeugung des gemeldeten
Passagiers heraus bringe, und ferner Sich seinethalben in denen Post-Charten
erkundige, auch endlich wieder ihn an gehörigem Orte seine Injurien-Klage
anstelle. V. R. W.
IIX. Handel. Ein rares Exempel eines unförmlichen, iedoch von sehr Hoher und
vornehmer Hand geschriebenen Attestats.
§. I.
VOrnehme Standes-Personen oder auch Hohe Reichs-Stände(Erinnerung für obrigkeitliche ungelehrte Personen.) haben zwar zu
Erlangung wahrer Klugheit und Regierungs-Geschicklichkeit gantz nicht nöthig,
daß Sie studiren, oder insonderheit die so genannte Jurisprudenz lernen, sondern
man findet nicht selten löblichere und klügere Regenten, die nicht studiret
haben, als man dergleichen antrift unter denen, die so gelehrt gewesen, daß Sie,
wo nicht in allen vieren, doch zum wenigsten in denen beyden öbersten Facultäten
hätten können Doctores werden. Aber es werden die Regenten und Obrigkeiten doch
wohl thun, wenn Sie sich nicht in Dinge mischen, die sie nicht gelernet habe,
sondern wenn Sie Juristische Dinge vorhaben, dieselbigen zwar unterschreiben,
oder sonst Ihre Autorität darzu ertheilen, aber die formalia Ihren Bedienten,
als Z. E. Räthen, Secretarien, Notarien, zuverfertigen überlassen. Aber es giebt
freylich auch Regenten und Obrigkeiten, die nicht alleine nicht studiret haben,
sondern die auch zu weilen von schlechten Verstande sind, und diese haben jetzo
gemeldete Anmerckung noch genauer in acht zunehmen, damit Sie sich nicht für
Ihren Unterthanen, oder andern Leuten prostituiren. Sie mögen auch endlich Ihrem
Verstande nach geartet seyn, wie Sie wollen, so haben Sie
|| [160]
aus obigen Ursachen sich zu hüten, daß Sie von Ihren Bedienten, zu
der Zeit, wenn Sie truncken sind, dergleichen Juristische Dinge sich nicht
abschwatzen lassen.
(Exempel eines unförmlichen Attestats.)
§. II. Und zu diesen letzten Fall referire ich nicht ohne Ursache gegenwärtiges
Attestat, welches ein sehr vornehmer und berühmter Reichs-Stand einem seiner
Unterthanen ertheilet hatte, und das ich Anno 1695. mense Januario bey gewissen
Inquisitions-Acten wieder Hans Adam M. wegen einer stuprirten Weibes-Person
antraff, indem der Herr Graff, der das Attestatum gegeben hatte, sonsten, und
wenn er nüchtern war, für einen klugen und sehr vernünfftigen Herrn passirte,
und folglich zu Ausfertigung oder Unterschreibung dieses Attestats bey grosser
Trunckenheit muste seyn gebracht worden. Das Attestat lautet also:
Demnach Uns der erbahre junge Geselle Hans Adam M. Rothgerber allhier um ein
glaubwürdiges Attestat in Unterthänigkeit angelanget; Als haben wir solches Ihm
nicht verweigern können. Attestiren hierbey, aus obrigkeitlicher Macht; daß, so
lange er unser Unterthan ist, Wir von Ihm nichts unrechts gehöret haben. Weilen
aber anietzo in Schwängerungs-Sachen mit Christina S. mit Ihm was vorgegangen
seyn soll (Uns aber unwissend). Als sagen wir so weit, daß er nicht Thäter zu
dem Wercke sey, sondern drey andre Personen, als ein Corporal, ein Gärtner,
welcher in meinen Diensten sich befunden, und ein Strumpffstricker-Geselle,
welcher durchgegangen', auch von Ihme schwanger worden, sich zu solchen Sachen
gefunden, da Sie gerne diesen Hans Adam, welcher zwey mahl da gewesen, nicht in
Unehren, Sie gerne wolle zur Ehe haben, wegen Reichthums halben, damit die
andern möchten durchschlüppern. Und so weit ist mein Attestat.
(L. S.) Graff X. Y. Z.
§. I.
(Anmerckungen von Zungendre-)
ES ist wahr, daß die Advocaten nach dem ietzigen Zustande des Teutschen Rechts
und der darinnen eingeführten Gerichts-Processe, unentbehrlich sind, und daß ein
ehrlicher und auffrichtiger iedoch vernünfftiger Advocate nicht alleine ein
grosses
|| [161]
Kleinod des gemeinen Wesens ist, sondern auch
dabey in einem geehrten und(schern überhaupt.)
vergnügten Zustande seyn kan; und daß dannenhero diejenigen denen Großen Herren
nicht treulich rathen, die da meinen, das Justitz-Wesen werde trefflich
gebessert, wenn nur die Advocaten scharff gestrafft, oder wohl gar abgeschafft
würden, und man nur gute Richter wehlete, und Ihren arbitrio die Verkürtzungen
der Processe anheim gebe. Aber es ist auch nicht zu leugnen / daß es auch in dem
edlen Advocaten-Stande greuliche Zungendrescher gebe, die der berühmte Ziegler
in einem schönen Tractat de arte rabulistica mit lebendigen Farben abgemahlet
hat, dessen extract in meinen Notis ad Lancelottum zu finden. Dieweil nun
ohnedem nicht nur in natürlichen Dingen die sichtbare Vorstellung derselben, als
z. E. eines Hasens, Storchs, Apffels denen Unwissenden einen viel deutlichern
Eindruck giebet, als die blosse definitio v. g. ciconiae, quod sit animal bipes,
habens longum rostrum & longos pedes & faciens saltum sic vel
sic, sondern auch in moralischen oder politischen concepten die Exempel die
Lehren trefflich erläutern, und kenntlicher machen; als will ich in
gegenwärtigen Handel ein lebendig Exempel eines dergleichen und zward tummen
Zungendreschers vorstellen. Denn es giebt auch kluge Zungendrescher, nicht zwar
in eigentlichen und philosophischen Verstand, sondern nach der gemeinen
Redens-Art, nach welcher auch der Herr Christus den ungerechten Haußhalter in
unserer Teutschen version, klug nennet, nemlich schlaue Leute, die Ihre
Zungen-Drescherey zu verbergen wissen, daß man Ihnen dieselbe nicht so bald
abmercken kan, zumahlen wenn Sie dabey wohl studirt und einen guten natürlichen
Verstand haben.
§. II. Dergleichen tumme Kerl sind gemeiniglich diejenigen, die die(Ein lebendig Exempel eines Zungendreschers. Ungemeine
Auslegung, was ein leiblicher Eyd bedeute.) Bauren wieder Ihre
Edelleute auffzuhetzen pflegen, (nicht, die denen Bauren wieder die Edelleute
bedient seyn) weil wegen vieler moralischen und politischen Ursachen kein
gescheider und nicht brutaler Mensch dieses thun wird. Und eben ein solcher
Geselle war auch derjenige, den ich ietzo vorstellen wil, ob er gleich ein
Doctor Juris hieße. Es forderte ein gewisser von Adel von seinen Bauren den
Huldigungs-Eyd, und da Sie Ihm solchen zu thun weigerten, wurde deßhalben auff
sein Anhalten von der Regierung des Orts eine Commission angeordnet. Da nun die
Commissarii die Bauren vernahmen, brachte Ihr Advocatus und Doctor Juris unter
andern tergiversationen auch diese höchst merckwürdige Ursache vor: In der
Juraments Formul stünde das Wort Leiblicher Eyd, und ehe die Bauren dieses
schwüren, wolten Sie sich lieber hengen oder die Zunge aus dem Halse reißen
lassen. Nun rathe einmahl, warum dieses Wort de
|| [162]
nen Bauren so entsetzlich fürkam. Denn es ist ja bekannt, daß in denen
Teutschen Proceß-Ordnungen gar offt eines Corperlichen Eydes gedacht wird, und
daß Cörperlicher Eyd und Leiblicher Eyd einerley Bedeutung haben, ja diese
letzte Redens-Art teutscher ist als die erste. Ich will aber mit dir um ein
Großes wetten, du wirst es nicht errathen, wenn du auch alle teutsche
Juristische Lexica, als Wehnerum, Besoldum, Speidelium u. s. w. auffschlügest.
Ergo arrige aures Pamphile. Denn, sagte der Herr Doctor: Sie wären keine
Leibeigne: und die Formul leiblicher Eyd, würde nur von Leibeignen geschworen.
Wer kan sich, wenn er dieses lieset, der Thränen enthalten, und wenn Sie Ihm
auch durch das Lachen heraus gepresset werden solten. Die Herren Commissarii
waren hauptsächlich mit zu der Güte geordnet. Wenn ich Commissarius gewesen
wäre, wolte ich die Tummheit des Herrn Doctors in consideration gezogen, und
mich derselben bedienet haben, die Partheyen zu vergleichen. Ich wolte den
Bauer-Advocaten auff eine Seite gekriegt, und Ihn gelobet haben, daß er seiner
Parthey so treulich vorstünde, und das schädliche Wort des leiblichen Eydes
nicht leiden wolte. Ich getraute mir endlich wohl der Bauren Ihren
Gerichts-Herrn zu bereden, daß er dieses Wort ausließe, der Herr D. möchte auch
so gut seyn und die Bauren bereden, daß Sie die übrigen tergiversationes
abstelleten. Wenn ich dann etwa durch dieses mein Zureden und Rechtgeben den
Herrn D. hätte bereden können, wolte ich dem Gerichts-Herrn vorgestellet haben,
er solte an statt des Worts Leiblichen lassen Cörperlichen Eyd setzen. Denn ich
glaube gäntzlich, daß deßwegen dem tummen Kerl das Wort Leiblich war verdächtig
vorgekommen, weil in denen Teutschen Ordnungen, wenn von dergleichen Eyden
geredet wird, das Wort Cörperlich gemeiniglich und zum öfftern, das Wort
leiblich aber gar selten gebraucht wird. Solte aber der Herr Doctor sich auch
diesem Vorschlag über Verhoffen wiedersetzet haben, wolte ich mich demühet
haben, ob ich Ihn nicht etwa dadurch gewinnen könte, wenn ich seine oben
erzehlte raison nochmahls lobte, aber dabey erinnerte, daß Sie auff das Wort
Cörperlich nicht appliciret werden könte, sondern demselben gantz zuwieder wäre:
Denn gleichwie allerdings das Wort leiblicher Eyd nur bey Leibeignen gebraucht
würde; also würde das Wort Cörperlich nur bey freyen Leuten, und die zum
wenigsten die Freyheit hätten, die die Corporale haben,
gebraucht, und geschähe also seinen Bauren eine Ehre, daß man Sie durch dieses
Wort denen Tagelöhnern, ja gemeinen Handwercks-Leuten in Städten vorzöge und
denen Corporalen gleich achtete. Ich dächte, ich hätte mit diesem Vorschlag
schon
|| [163]
auskommen wollen, wenn er gleich in der That
sehr alber und absurd ist. Man muß bey wahnwitzigen Leuten, wenn man sie
gewinnen will, Ihnen nicht wiedersprechen, und so gewinnet und curiret man
selbige am ersten, wenn man sich Ihrer Thorheit in etwas gleich stellt, wie die
bekandte Historie von der cur dessen, der sich einbildete, daß er eine Nase drey
Ellen lang hätte, sattsam bezeiget.
§. III. Aber dieses ist die Rabulisterey unsers Zungendreschers nicht(Absurde allegation der Gesetze
aus dem Corpore juris.) alle, die er bey
gegenwärtigen Handel begieng, sondern ich fand, als ich Anno 1703. die Acta
davon durchgieng, noch mehr specimina davon, unter welchen diese die vornehmsten
sind. Er hatte sich verleiten lassen, daß er in einer nomine der Bauren
eingegebenen Schrifft auff das jüngste Gericht provociret hatte, weßhalben er
nicht unbillig in dem in dieser Sache eingehohlten Urtheil mit 10. Thlr. Straffe
war beleget worden. Diese Straffe nun zu vermeiden, hatte er gar ein beweglich
Schreiben übergeben, darinnen er dieselbe sehr deprecirte, und zu Erhaltung
seines Zwecks waren auch unter andern folgende Worte.
Ich bitte, Sie mögen consideriren, daß 1. etc. 2. quod màndatarius ex delicto non
teneatur, si mandatum effectui non datum. Nun aber stehet man ja nicht in
judicio extremo, den Herrn von S. zu actioniren, in Gegentheil will ich vor
dessen Hoch-Adeliches Wohlseyn als ein Christ bitten.
l. 53. §. 19. de furtis & l. 53. §. 1. de V. S. Ich bin versichert, der Leser werde sich die Zeit Lebens vorher nicht eingebildet haben, daß in diesen beyden allegirten Texten stehen solte, daß, oder wie man vor Adelicher Personen Wohlseyn Christlich bitten solle; ja ich bin versichert, er werde es auch noch, indem er die Texte auffschlägt, ja wenn er sie schon auffgeschlagen hat, nicht glauben. Zu dem so hat der allegirte lex de furtis nicht 19. paragraphos. Und wenn du auch den Advocatum entschuldigen woltest, er hätte diese allegata nur ein wenig zu weit herunter geruckt, indem sie eigentlich nach denen Worten: si mandatum effectui non datum. hätten gesetzet werden sollen, auch an statt l. 53. §. 19. de furtis l. 52. §. 19. eod. und an statt l, 53. §. 1. de V. S. l. 53. §. ult. in fine eodem gelesen werden müste, so würde doch auch diese Entschuldigung seine Tum̅heit nicht bedecken, indem die darinnen enthaltenen Worte die allegirte Regul nicht beweisen, vielweniger sich auf den gegenwärtigen Handel schicken, zumahlen da das formale delicti allhier eigentlich in der provocation an das jüngste Gerichte, nicht aber in Stehung für demselben oder in der daselbst angestelleten Anklage bestünde.
|| [264]
(Alle absurditäten sind solchen
Lenten ordentlich zuzuschreiben.)
§. IV. Wenn ich nun dieses alles und das gantze Wesen der Zungendrescher
überlege; so mercke ich zugleich dabey an, daß die gröbsten und tummesten
Fehler, die von Vornehmen und Reichen aber dabey nicht gelehrten Partheyen in
gerichtlichen Sachen begangen werden, nicht so wohl diesen, als hauptsächlich
Ihren Advocaten, oder Justitiariis zugerechnet werden müssen, und daß dannenhero
auch diejenige ungemeine Thorheit, die oben bey dem 7. Handel §. 3. errehlet
worden, nicht dem Gerichtsherrn Sempronio selbst, sondern seinem klugen
gerichts-Director sehr wahrscheinlich zuzuschreiben sey, auch von diesem die
schönen Vorschläge von dem Scharff-Richter, und die scrupel ratione fori sehr
vermuthlich hergekommen.
§. I.
(Die an uns geschickte Frage.)
ES ist ein Richter billig zu betauren, wenn er einen Zungendrescher zum Feinde
hat, nicht weniger ein rechtschaffener Advocat, wenn er für einem feindseligen
und ungerechten Richter zu practiciren hat. Jedoch müssen auch beyde Theile
nicht alles zu Poltzen drehen, sondern ein Theil mit des andern seinen
menschlichen Fehlern und Schwachheiten Gedult haben, zumahl ein Advocat mit dem
Richter, weil ordentlich dieser jenem mehr, als jener diesen schaden kan. Aber
ein Zungendrescher beobachtet dieses nicht, und trachtet auff alle Weise denen
Richtern, für denen er zu thun hat, nach Vermögen zu schaden, wie gegenwärtige
Frage zeiget, die Anno 1694. ein Quaerent, der sich Christoph Wahrenbergen zu
Salgast nennete, an Uns abschickete.
Es befindet sich bey einem gewissen Collegio in Sächsischen Landen ein Vice
Director, welcher sich sonsten gegen Sempronium die Zeithero feindselig und
verdächtig erwiesen, und als diesem unlängst vom Collegio, wiewohl ohne
gesuchtes Erkäntniß über diesem und andere vorfallende puncte, eine poenal
Auflage, binnen 14. Tagen in Sachen Ihn und Titium betreffende etwas zu
praestiren, in das Hauß geschicket worden, hat er sich daher graviret befunden,
und ad. Superiorem eine Appellation am
|| [165]
10ten Tage
hernach eingesendet; Weil nun dieses vermuthlich dem Vice-Directori zuwieder
gewesen, und er gesehen, daß es der letzte Tag des decendii sey, bey der
relation des Nuncii aber unter der vorerwehnten Verordnung keine Stunde, wohl
aber der Tag der insinuation gestanden, indem der Actuarius solche also
verfasset gehabt:
Der Nuncius referiret, daß er am 30sten Septemb. beystehende Auflage N. Praeceptori Ned ad domum insinuiret den 2 October, 1693. N. N. hat er dem Nuncio befohlen, er solle die Stunde bey solcher registratur beniemen, da er die Verordnung überbracht habe, ob nun wohl der Nuncius sich entschuldiget, es wären schon 11. Tage verflossen, er habe die Stunde vergessen, und es sey bey dem judicio nicht bräuchlich, noch er darauff verpflichtet, die Stunde der insinuation dieser oder jener Auflage zu beniemen, so hat er doch darauff gedrungen, er solte dennoch zu dem Actuario gehen, und die Stunde melden, in Meinung, es werde so eine heraus kommen, daß gesaget werden könne, es sey die Appellation zu spät und nicht intra decendium eingelauffen, der Nuncius aber hat, weil er die Stunde eigentlich nach seinem Berichte nicht gewust, und die Appellation am 10. Octobr. 1693, hor. 3. pom. eingekommen, die Insinuation der Auflage lieber zu spät als zu frühe angeben wollen, und dahero hor. 5, pom. des 30. Septembr. beniemet, welche der Notarius oder Actuarius voriger registratur außer der Zeile mit anderer Dinte und Feder einge flicket. Ob nun wohl dardurch der Vice-Director seine intention nicht erreichet hat; So erscheinet doch daraus die inimicitia und der animus nocendi, daß er sich, indem er getrachtet, Sempronium um die Appellation, folglich auch in Schaden und Straffe zu bringen, verdächtig, auch eines falsi theilhafftig gemacht, in mehrer Betrachtung, daß Sempronius ein jus quaesitum vor Eingebung der appellation soweit erlanget gehabt, daß bey insinuation der Verordnung und der relation vom 2. Octobr. 1693. keine Stunde registriret gewesen, als dessen er sich vor Eingebung der Appellation am 9ten und 10ten. Octobr. erkundigen, und die Acta oder registratur durch einen Canzelisten ansehen lassen, der keine Stunde darbey gefunden, und versichert hat, es stünde der gantze Tag offen, darauff er sich, und zwar um so viel mehr verlassen, weil neglecta horae registratura debito tempore remedium interpositum praesumiret wird,
D. Schvvendendoerffer. in Proc. edit. 2. de lenterat. dem Vice-Directori aber nicht gebühret hätte, nach eingegebener Appellation in die vor 11. Tagen gemachte registratur, quae recepit omnem perfectionem, exlongo intervallo etwas neues, dem Sempronio praejudicirliches, mit wiederrechtl. Erforderung der Stunde (zumahln er aus der registratur ersehen, wie Sempronius absens & horam ignorans gewesen,) in Meinung, etwas wiedriges zu eliciren, ungeach
|| [166]
tet sich der Nuncius mit der
Unwissenheit und Vergessenheit, auch, daß es bey dem judicio nicht hergebracht,
entschuldiget, zu begehren, Er auch selbsten wohl gewust, oder wissen sollen,
wie bey insinuation dergleichen Verordnungen zu Recht nicht auf die Stunde
gesehen werde, sondern dem Appellanten der gantze 10te Tag hierzu offen stehe,
sintemahl, wenn das decendium de momento in momentum lauffen soll, eine sentenz,
und citation hierzu, jener recitation und die alsobaldige Nebenschrifft, qua
hora es geschehen, von nöthen,
vid. Antonell, de dieb. hor. ac mom. & Dn. Schvvendendorff. in Process. ad Fibig. edit. 2 da fol. 803. n. 405. wie er dann auch auff solche Weise die registratur, ob sey der Zusatz (hor. 5. vesp.) am 2ten Octobr. 1693. bey deren Verfertigung, wie sichs uno actu gebühret, schon darbey gewesen, falsch gemachet, indem dieses erst 11. Tage hernach, und nach eingereichter Appellation geschehen, und nun weder der Actuarius, daß die registratur am 2ten Oct. 1693. wie sie jetzo lautet, gewesen, noch der Nuncius, daß er diese Stund eigentlich wisse, schweren kan, woraus dann eine Unrichtigkeit derer Acten und viele inconvenientien entstehen, welcherhalben Ihr. Churfürstl. Durchl. zu Sachsen in einem Mandato sub dato Dreßden den 14ten Dec. 1669. in Appendice Corporis juris Saxonici befindlich vor ein falsum indistincte, es sey ipso actu schädlich oder nicht, zu halten, und mit der inquisition 100. 200. auch 300. Thlr. Straffe denjenigen zu belegen befohlen, der in denen Acten, und eingebrachten Gesetzen, sowohl denen registraturen derer fatalium und insinuation derer citationen ichtwas ändere, auslösche, hinzuthue oder corrigire; So wäre man auch sonsten niemahls gesichert, daß es bey dieser oder jener registratur verbleibe, sondern müste stets besorgen, daß noch etwas eingerücket werde, und die jura statuiren ausser dem, daß ein falsum begangen werde, si quis in literis publicis quid celaverit, deleverit, corruperit, adjecerit; Quod hic primo intuitu ex diversitate literarum & atramenti, interlineatura, intervallo & tarditate apparet, & probatur per testes,
Menoch. lib 2. arbitr. quaest. cas. 187. n. 34. 35. cas. 31. n. 11. Mascard. Concl. 741. n. 11. 17. 18. & concl. 1254. l. 1. §. 4. l. 16. ff de leg. Cornel, de fals. Perez. ad tir. C. ad leg. Cornel. de fals. n. 16. es ist auch ad crimen falsi gnung, falsum praejudicare potuisse, licet actu non praejudicaverit,
l. 5. §. 11. ff. de his, qui dej. vel effud. Farinac. quaest. 150. n. 355. Molin. tract. 2. de I. & I. D. 700. n. 3. Menoch. cas. 306. n. 17. Brunnem. ad l. 8. C. ad l. Corn. de fals. cum potentia actui proxima habetur pro actu ipso,
|| [167]
I. pen. de milit. testam. Carpz. in Crim p. 2. quaest XCIII. n. 12. Diesem nach gelanget an meine Hochgeehrte Herren mein dienstl. Bitten, Sie wollen geruhen, nach Uberlegung des casus und dessen Umständen, mir, ob aus angeführten und andern beywohnenden Ursachen durch angezogene Veränderung derer Acten und registratur ein falsum begangen, und der Vice Director, der es also vor sich angeordnet, sich dessen theilhafftig gemachet, wieder Ihn auch, sonderlich nach erwehnten Churfürstl. Mandat, mit der inquisition zu verfahren, ingleichen als suspectum vom Sempronio unter andern daher zu excipiren sey? Ihr Rechtl. Erachten mit Beyfügung oder Zurückgebung dieser Frage, um die Gebühr zu eröffnen; Worneben ich verbleibe etc. §. II. Ob es nun wohl dem Quaerenten, wie du siehest, an Latein Erstes und allegatis nicht fehlete, so erhielte er doch kein responsum nachseinem Responsum. Gefallen. Hat ein gewisses Collegium in Sächßl. Landen ohnlängst Sempronio in Sachen, Ihn und Titium betreffend, eine poenal Auflage in das Hauß geschickt, worwieder Sempronius am zehenden Tage hernach eine Appellation eingesendet; Hat der Vice-Director besagtes Collegii, als er befunden, daß bey der Relation des Nuncii,) wann neml. Sempronio erwehnte Auflage infinuiret worden) nur der Tag, nicht aber die Stunde der Insinuation registriret worden, dem Nuncio befohlen, solche Stunde zu melden, auch, als selbiger nach vorhergegangener Entschuldigung, daß er, weil schon eilff Tage verflossen, die Stunde eigentlich nicht benennen könte, endlich eine, wiewohl falsche Stunde ausgesaget; Hat der Notarius oder Actuarius selbige voriger Registratur ausser der Zeile mit anderer Dinte und Feder eingeflicket, und Ihr wollet berichtet seyn: Ob dißfalls nicht ein falsum begangen, und wieder den Vice-Director, der sich dessen durch eine Anordnung theilhafftig gemacht, dieserwegen mit der Inquisition zu verfahren; Ingleichen: Ob nicht Sempronius dahero wieder selbigen als suspectum excipiren könne: Ob Ihr nun wohl anführet, daß dieses von dem Vice. Directore vorgenommen worden, Sempronium um das fatale Appellationis interponendae zu bringen, auch bey der Insinuation dergleichen Auflagen nicht gebräuchlich sey, horam insinuationis in die Relation zu setzen, massen dann bey solchen Auflagen nicht, wie bey denen Urtheilen das fatale Appellationis de momento in momentum lauffe; und da ja hora insinuationis registriret werden sollen, es sich gebühret hätte, selbige absonderlich zu machen, und die vorige Registratur nicht zu corrigiren; zumahlen da in dem Churfür stl. Sächßl. Mandat sub dato Dreßden den 14. Septembr. 1669. ausdrücklich enthalten, daß dergleichen Correcturen indistincte für ein falsum zu halten, und wieder den Verbrecher mit der Inquisition zu verfahren, auch das Delictum selbst mit 100.
|| [168]
200. biß 300. Thlr. zu
bestraffen; im übrigen aber auch nach gemeinen Rechten pro crimine falsi zu
achten sey, wenn man in literis vel Actis publicis etwas zum praejudiz eines
andern ändere, nach mehrern Inhalt Eures Berichts. Uber dieses auch, vor
Sempronium angeführet werden könte, daß von einem Vice-Directore nicht
leichtlich zu praesumiren, daß er solche Dinge ex ignorantia juris gethan;
Dieweil aber dennoch in Eurem Bericht nicht erwehnet worden, daß der
Vice-Director, wenn er gleich die Registratur angeordnet, Er auch dem Actuario
befohlen habe, selbige in die vorige Registratur einzuflicken, und das
Chur-Sächßl. Mandat nach dem buchstäblichen Inhalt desselbigen ausdrücklich
davon redet, wenn in dem Appellation-Gerichte zu Dreßden dergleichen Correcturen
vorgenommen werden: Ferner ebenfalls auch von einem Vice-Directore nicht leicht
ein dolus zu praesumiren, und bey diesem Umstande, da man in dubio semper pro
mitiori delicto zu praesumiren hat, die praesumtion ehe dahin einzurichten, daß
der Vice. Director solches mehr aus Unwissenheit der Rechte, als aus Boßheit
gethan. So möchte auch besagte Correctur in Ermangelung anderer indicien noch
zur Zeit pro crimine falsi nicht gehalten, noch deswegen wieder den Vice.
Directorem mit der Inquisition verfahren werden; Es ist Euch aber unbenommen
wegen solcher von dem Vice-Directore zur Ungebühr gemachten Verordnung, als die
offenbahrlich zu Eurem praejudicio geschehen, exceptionem suspecti
bescheidentlich zu opponiren. V. R. W.
(Das andere.)
§. III. Es muste aber dem Advocato wohl sehr viel daran gelegen seyn, daß er den
Haupt-Proceß durch dergleichen Streiche aufhalten könte, drum gab er uns
geschwinde neues Geld zu lösen, erhielte aber dennoch noch in eben selbigen
Monat kein annehmliches Responsum.
Haben Wir auff eine von euch in diesem Monath an Uns ergangene Frage den
Vice-Directorem eines Collegii in Sächßl. Landen betreffend, ein Responsum
ertheilet, daß die auff Veranlassung des Vice-Directoris gemachte registratur
noch zur Zeit pro crimine falsi nicht zu achten, noch deswegen wieder Ihn mit
der inquisition zu verfahren, Euch aber hierbey unbenommen sey, wieder selbige
exceptionem suspectijudicis bescheidentlich zu opponiren, und ihr wollet ferner
berichtet seyn: Ob denn nicht eine General-Inquisition
des facti halber, es betreffe nun solches den Vice-Directorem, Actuarium oder Nuncium, anzustellen, und biß diese questron
erörtert, mit dem Verfahren in der Haupt-Sache in Ruhe zu stehen:
Ob nun wohl von Euch angeführet wird, daß von Uns in vorigem responso inter
rationes decidendi gesetzet worden, daß aus Eurem vorigen Bericht nicht zu
sehen, ob der Vice-Director befohlen habe, die Registratur der falschen Stunde
in die erste Registratur einzuflicken, nunmehro aber sich befinde, daß der
Vice-Di
|| [169]
rector durch den Nuncium dem
Actuario diese Einflickung befohlen, auch der Vice-Director solche vor sich ohne
Ersuchung der Parthey gethan, und sonsten Sempronium zu graviren gewohnet sey,
auch grosse Feindschafft wieder Ihn trage. Dannenhero bey der Untersuchung gar
wohl ein crimen falsi heraus kommen dürffte. In übrigen aber nach Anleitung der
Churfürstl. Sächßl. 88. neuen decision, wenn in einer bürgerlichen Klage-Sache
die quaestio falsi mit einfält, mit der bürgerlichen Sache so lange, biß die
Inquisition vollführet worden, in Ruhe zu stehen sey. Dieweil aber dennoch noch
nicht von Euch bescheiniget, daß ein crimen falsi begangen worden, sondern
vielmehr, besage unsers vorigen Responsi, annoch zu praesumiren, daß die von dem
Vice-Directore geschehene Verordnung mehr ex errore juris als ex dolo geschehen
sey, bey anzustellender general Inquisition aber für allen Dingen, daß ein
delictum verhanden, durch genungsame indicia vermuthet werden muß. Hiernechst
die dem Vice. Director von Euch imputirte Feindschafft kein crimen inquisitione
dignum ist, sondern dieserwegen Euch die indulgirte exceptio suspecti judicis
zur Gnüge zu statten kömmt; Endlich bey dieser Bewandniß die 88. neue decision
hieher nicht gezogen werden mag, zumahlen da ihr in Euren vorigen Bericht
erwehnet, daß Euch diese Registratur nichts geschadet, und besagte decision
ausdrücklich meldet, daß wenn in einer Klage unterschiedene puncta begriffen,
durch die inquisition diejenigen, welche das crimen falsi nicht mit betrifft,
nicht mit gehemmet, sondern der Proceß darinnen fortgesetzet werden solle; Zu
geschweigen, daß, wenn man indistincte durch dergleichen formirte inquisitiones
die Haupt-Sache auffhalten könte, ein jeder, wie erwehnte decision meldet, zum
Schein dergleichen Vorgeben anzuspinnen, und sich damit aufzuhalten, versuchen
dürffte. So möchte auch wegen der auff Veranlassung des Vice-Directoris
gemachten unförmlichen Registratur keine general Inquisition angestellet werden,
und seyd Ihr, wenn dieselbe gleich anzustellen wäre, des Verfahrens in der
bürgerlichen Sache Euch zu entbrechen, nicht befugt. V. R. W.
§. I.
ES ist schon oben beym 4. Handel §. 1. erinnert worden, daß in(General-Erinnerungen bey diesen Handel.)
quaestionibus Juris publici die heutigen Juristen in vielen Stücken wegen
daselbst angeführten Ursachen mit denen alten nicht einig wären. Dieweil aber
theils die gar zu grosse Liebe zu dem Römischen Recht noch vielen Juristen
anklebet / theils
|| [170]
der gar zu irregulaire Stand des
Teutschen Reichs auch bey denen heutigen Juristen fast in allen quaestionibus
juris publici die decisiones schwer macht, und dannenhero nicht zu verwundern,
daß die Publicisten gar sehr offt unterschiedener Meinung sind; als ist
dergleichen dissensus in dem Capitel de Regalibus Principum lmperii auch nicht
rar, und werden wir derowegen mit niemand zancken, der auch in gegenwärtigen
casu die Uns proponirte Frage anders zu beantworten gesinnet seyn solte. Jedoch
halte noch über dieses nöthig zu seyn, zum voraus zu erinnern, daß unsere
Meinung in gegenwärtigen responso dahin nicht gegangen, die Frage zu decidiren,
daß die Ertheilung der privilegiorum für die Köche gar nicht ad regalia gehöre,
sondern nur, ob bey gegenwärtigen Handel das regale principum imperii
interessiret sey.
(Der Haupt-Zweck des Responsi.)
§. II. Nemlich wir wurden in Martio 1694. gefragt; Ob die Herren von W. dadurch,
daß Sie einem Koch ein privilegium in einer von denen Ihnen gehörigen Städten
ertheilet, der Hohen Fürstlichen Landes-Obrigkeit in Ihre regalia eingegriffen,
und deßwegen Bestraffung oder einen Verweiß verdienet hätten. Wir antworteten
folgender massen:
Haben die Herren Gebrüdere von dem W. Andreas, einen Koch Anno 1685. ein
privilegium ertheilet, daß bey allen in ihren Aemtern, Gr. und W. und deren dazu
behörigen Dorffschafften sich begebenden Hochzeiten, Kind-Tauffen und andern
Gelagen, ihre Unterthanen, wenn ein Hauß-Wirth einen Koch zu haben und zu
gebrauchen verlangen, diesen Mr. Andreas vor andern zum Koch gebrauchen, und bey
2. Thlr, Straffe keinen fremden nehmen noch holen solten; Als aber die Herren
Concedentes aus erheblichen Ursachen hernach dieses Privilegium wieder cassiret
und auffgehoben, hat sich besagter Koch an die Fürstl. Regierung nach B.
gewendet, und 2. Befehlige daselbst extrahiret, in welchen den Herren von dem W.
untersaget werden wolle, daß sie sich künfftig der Ertheilung dergleichen
privilegien enthalten solten. Ob nun wohl wieder die Herren von dem W.
angeführet wird, daß das jus concedendi collegia & privilegia unter die
einem Reichs-Stande gehörige regalia & jura superioritatis territorialis
zu rechnen sey, welche ad reservata principum gehöreten, auch die Reichs-Fürsten
und Stände solche mit ihren Vasallen gar nicht zu theilen, noch durch
Affter-Lehn, zum praejudiz ihrer Fürstl. dignität und Hoheit zu transferiren
pflegten, auch hiernächst das dem Koche ertheilte privilegium einem monopolio
sehr nahe kömmt, und nach gemeinen Rechten bekant, quod causa monopoliorum pro
valde odiosa habeatur;
D. a. d. weyland Fürst Wolffgang etc. Anno 1514. das Schloß und Städtlein Gr. mit
Stadt-Recht und Weichbild, mit Backen, Brauen, und allen Handwercken,
|| [171]
mit allen und ieglichen Würden, Ehren,
Herrlichkeiten, Obersten und Niedersten, Höchsten und Siedesten Gerichten, und
andern Gerechtigkeiten ohne weiter Auszug und nichts davon ausgeschlossen, an
den von S. verkauffet und selbigen belehnet, auch in den Lehn-Brieff die
Einwohner des Weichbildes Gr. und darzu gehörige Unterthanen, ihre Pflicht,
damit sie ihme sonst verwandt gewesen, für sich und seine Nachkommen gäntzlich
erlassen, und an den Abkauffer dem von S. verwiesen, so daß sie demselben und
seinen Nachkommen alle gebührliche Pflicht und Gehorsam ohne Seine des
Landes-Fürsten und seine Nachkommen oder männigl. zureden und Behinderung
leisten solten, auch dieses in denen folgenden Lehn-Brieffen, so wohl deren von
S. als auch derer Herren von dem W. welche jenem diese Güther abgekauffet,
allemahl wiederholet oder doch zum wenigsten sich darauff bezogen und nichts
veränderliches verordnet worden; Und diesem zufolge hiernächst die Herren von
dem W. nun in die 100. Jahr her unterschiedene Handwerckes-Innungen ohne
Beeinträchtigung confirmiret, die Köche aber unstreitig und nach allgemeinen
Gebrauch unter die Handwercke gehören, auch in diesen Landen gewöhnlich, daß
Mittel-Städte nicht leicht über einen, oder auffs höchste zwey öffentliche Köche
halten: In übrigen aber bey allen Innungen andren, die nicht in der Innung seyn,
sich des Handwercks zu bedienen verboten, und solches für kein unzuläßliches
monopolium gehalten wird: So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß die
Herren von dem W. dergleichen concessiones zu ertheilen wohl befugt, und dadurch
denen reservatis Principum kein Eingriff geschehe. V. R. W.
§. I.
ES ist nicht alleine höchst löblich, sondern es gehöret auch gewisser(Wie vernünfftige Urtheils-Fragen abzufassen.)
massen zu dem Amte einer Obrigkeit, oder Actuarii, daß Selbige bey Verschickung
der Acten eine kurtze speciem facti und worüber Sie eigentlich ein Urtheil
verlangen, in Ihrer Urtheils-Frage fein deutlich exprimiren; zumahlen da an
vielen Orten entweder so ein verwirreter Proceß regieret, oder durch stupidität
der Gerichts-Personen, und die öffters ungeschickten drauff gegebenen
Verordnungen verwirret gemacht wird, daß die Collegia hernach bey referirung der
Acten kaum wissen, wie und wo Sie den statum controversiae,
|| [172]
und worüber gesprochen werden soll, finden sollen, welches
zumahlen in denen Processen, wo viel Partheyen interessiret seyn, als in
concurs, und inquisitions-Sachen, sonderlich wieder eine Bande Diebe
gemeiniglich zu geschehen pfleget. Und haben wir dißfalls zu rühmen, daß ja
zuweilen noch hier und dar dergleichen löbl. Gerichts-Secretarii oder Actuarii
anzutreffen sind, die sich angelegen seyn lassen, dergleichen löbliche
Urtheils-Fragen zu verfertigen; wie Wir dann noch neulich von einem gewissen Ort
Acta bekommen, die an sich selbst nur in einen und eben nicht dicken Volumine
bestunden, und wieder 7. Personen, die bey einem geringen Diebstahl interessiret
seyn solten, waren gehalten worden; wobey der Secretarius nicht nur dasjenige,
worüber wir sprechen solten, deutlich exprimiret, sondern auch forne auff dem
ersten Bogen der Acten einem ieden Inquisiten eine eigene rubrica gemacht, und
darunter gezeichnet hatte, wo eines ieden denunciation, summarischer Verhör,
Antwort auff Artickel, indicia wieder Ihn, fundamenta defensionis u. s. w.
anzutreffen wären.
(Unfug der allzu generalen
Urtheils-Fragen.)
§. II. Aber das sind gar rare Gerichts-Secretarii. Es ist vielmehr eine Zeit her
auffgekommen, daß man auch die verwirresten und in vielen voluminibus, oder
etlichen hundert numeris bestehenden Acten denen Collegiis zuschickt, und kurtz
und gut (nemlich daß es besser dauchte) begehret, über dasjenige, was in dieser
Sache Rechtens sey, ein Urtheil zu verfertigen. Und wir dürffen uns deßwegen
nicht wohl darüber beschweren, oder deßhalben an dem Ort, da es nöthig,
gebührende Erinnerung thun; weil auch diejenigen, die geringern collegiis in
diesem Stück mit guten Exempeln vorgehen solten, Ihre commodität desto besser zu
gebrauchen, von der alten löblichen Mode unserer Vorfahren, (wie aus denen alten
Schöppen-Urtheln und derer Formalien zu sehen) schon eine gute Weile abgegangen,
und die Last denen Collegiis juris auf den Halß geweltzt, und also sich
dergestalt in Possess gesetzet, daß Sie vermuthlich exceptionem spolii
demjenigen opponiren würden, der Ihnen die Acta zu formiruug einer deutlichen
Urtheils-Frage zurücke schicken würde. Durch diesen Fehler wird nicht allein die
justiz protrahiret, sondern auch die Urtheile theurer gemacht. Die
Gerichts-Secretarii oder Actuarii haben die Acta (als mit denen Sie täglich
umgehen und die dazu gehörigen Sachen expediren,) innen, oder können doch mit
einer sehr geringen Mühe den statum controversiae aus denenselben vorsuchen, und
wenn solches geschiehet, brauchen die referenten in denen Collegiis nicht so
viel Zeit, die ungeheuren volumina Actorum durchzusehen, und mit vieler Mühe und
Schweiß zu suchen, wo es sitze, und auff was für eine Frage zu sprechen sey,
welches gar offte erst in denen letzten
|| [173]
foliis oder
numeris actorum sich findet, nachdem man viele Stunden vergebens zugebracht, die
zur Sache ietzo nichts thuende Schrifften und Sätze zu lesen. Da doch kaum der
sechste oder vierte Theil der Zeit wäre erfodert worden, wenn der allzu commode
Herr, der die Urtheils-Frage concipiret, nach dem alten löbl. Herkommen etwas
deutlicher in die Urtheils-Frage gesetzt, was er denn eigentlich haben wolte.
Bey diesen Umbständen aber ist denn denen Collegiis wiederum nicht zu
verdencken, wenn Sie sich die Ihnen vergebens gemachte Mühe bezahlen lassen, und
das Urtheil theurer taxiren als geschehen wäre, wenn man gebührende Anfrage
gethan hätte: Und also müsten die armen litigirenden Partheyen die
Nachläßigkeit, auch zuweilen, die Unwissenheit und Ungeschicklichkeit der
Cancellisten, Secretarien, Gerichtshalter, Actuarien, und wie die lieben Leute
alle heissen, über sich nehmen, und die Straffe für Sie tragen, ohne daß Sie
oder Ihre Advocaten nur dawieder zu muchsen sich getraueten.
§. III. Andere fragen zwar special genung, und mehr als sich gebühret,(Oder der heimlichen Fragen und Beyschreiben.) und
blicket bald auff allen Zeilen Ihr Haß und Affect wieder die eine Parthey, oder
den Inquisiten, oder den Advocaten heraus. Und diese meinen sodann Ihre Boßheit
oder Partheylichkeit zu verbergen, wenn Sie die Urtheils-Frage nicht ad Acta
schreiben, oder die Frage, die ad Acta geschrieben ist, indifferent einrichten,
der Frage aber ein Postscriptum beyfügen, und dasselbige nicht ad acta
registriren, um dadurch diejenigen zu bereden, de quorum corio luditur, daß das
Collegium für sich ex officio darauff gefallen. Es geschiehet solches auch wohl
zuweilen aus Furcht oder Achselträgerey, es mit denen Partheyen oder den
Advocaten nicht zu verderben, z. E. wenn die Partheyen oder Advocaten excediret,
und eine Straffe meritiret, weil Sie wohl wissen, daß die Collegia (und zwar aus
rechtmäßigen Ursachen) dergleichen excesse, wenn Sie nicht drum gefragt werden,
oder die eine Parthey drüber zu erkennen gebeten, gemeiniglich zu übergehen
pflegen, und damit Sie hernach den Zorn und Haß der Partheyen von sich ab und
auff die Collegia weltzen möchten. Aber die Collegia, haben wieder dergleichen
hämisches Wesen auch Ihre contralectiones, wenn Sie entweder in rationibus
decidendi etliche aus der heimlichen Urthels-Frage oder dem Postscripto
hergenommene Umstände anführen, und sich ausdrücklich auf die Frage oder das
Postscriptum beziehen; oder (welches noch sicherer, und denen hämischen
Concipienten noch empfindlicher ist,) wenn Sie in das Urtheil setzen: daß vor
allen Dingen die an Uns geschickte Frage, (oder das Postscriptum &c.)
ad Acta zu bringen etc.
|| [174]
(Hieher gehöriger Handel und responsum.)
§. IV. Gleichwie aber insgemein alle Achselträgerey und Hämischkeit allenthalben
verhast ist, und denen armen mit diesen Laster behaffteten Leuten selbst den
grösten Verdruß macht; Also kan denen, welchen diese observation undeutlich
vorkommt, folgendes responsum, das Anno 1694. mense Martio nomine Facultatis
ertheilet worden, durch ein gar artiges Exempel dieselbige erleutern und
bekräfftigen, zumahlen da daraus zu sehen, daß auch gantze Collegia sich mit
solchen ungebührlichen Dingen prostituiren können, wie denn das responsum an ein
gewisses Stadt-Raths Collegium ergangen.
P. P. Hat die Kramer-Innung zu N. eine retorsion wieder J. W. L. übergeben,
woraus hernach ein weitläufftiger Process entstanden, und haben beyde Partheyen
einander in Gesetzen mit unterschiedlichen Anzüglichkeiten angegriffen; Als man
nun in dieser vorigen Sache Anno 1692. mense April von der Juristen-Facultät zu
Jena ein Urthel eingehohlet, ist in dem Urthel besagte Anzüglichkeiten der
Partheyen zu bestraffen, übergangen worden; Haben wieder besagtes Urthel beyde
Partheyen Leuterung eingewendet, da dann geschehen, daß als wegen beklagter
ihrer Leuterung von der Juristen-Facultät zu Leipzig ein Urthel gefodert worden,
daß der Stadtschreiber, mit Bewilligung des Ober-Bürgermeisters der
Urtheils-Frage ein Postscriptum beygefüget und in selbigen gefraget: Ob nicht
und wie hoch die Partheyen wegen der im ersten Termino gebrauchter Anzüglichkeit
zu bestraffen wären, worauf erfolget, daß in dem Urtheil deßhalb Klägern 5.
Thlr. Beklagten aber 15. Thlr. Straffe dictiret worden; Haben sich Beklagte
hierüber in Actis zu unterschiedenen mahlen beschweret, zumahlen da das
Postscriptum nicht alsofort zu der Urtheils-Frage, ad acta geschrieben worden,
sondern besage der Registratur Volumine 2. fol. 81. b. erst über ein Jahr darzu
kommen, Sie auch in Erfahrung gebracht, daß der Stadt-Schreiber über dieses noch
in einem Beyschreiben die Sache an den Actuarium der Juristen-Facultät zu
Leipzig recommendiret, und haben Sie endlich dergleichen Beschwerung so wohl
wegen dieser als anderer Ursachen bey der Hoch-Fürstl. Landes-Regierung
übergeben, und deßwegen unterschiedene Gnädigste Befehle extrahiret; Ist in
diesen Befehlen einen sub dat. 13. Jan. 1694. enthalten, daß die Kramer-Innung
unter andern fürgestellet auch bescheiniget, daß ermeldter Stadt-Schreiber sich
in der Sache ziemlich partheyisch erwiesen, und Sie wollen berichtet seyn: Ob
dann die von der Kramer-Innung und dero Advocato dem Stadtschreiber inculpirte
Partheylichkeit in actis und sonderlich in der eydl. deposition über den fol. 3.
Vol. X. befindlichen 19. Articul zur Gnüge fundiret?
Ob nun wohl die Kramer-Innung Vol. IV. fol. 26. & seqq. wieder den
Stadt-Schreiber weitläufftig anführet, daß ihm die freye Hand etwas zu laxe
gelassen werde, und dadurch Ihnen der Process dermassen schwer und wiedrig
gemacht worden, daß,
|| [175]
da ihr Gegentheil bald mit
rühmlichen und beheglichen Attestatis, bald mit bedencklichen post conclusionem
causae gefertigten registraturen und marginalien, bald mit günstigen Berichten,
bald mit Annehmung unzeitiger Ungehorsams-Beschuldigung, bald mit geschwinder
Verschickung derer Acten, bald mit einem unzuläßigen Fiscal, bald mit was
mehreren, zu seinen Behuf gewillfahret worden; Sie hingegen fast wenig ohne
grosse Mühe, ohne appellation, Gnädigste Befehlige oder andre bündige Mittel
erhalten konten, allermassen ihr auch gerechtes und billiges Suchen entweder
gäntzlich und zum theil ohne Meldung einiger ration schlechterdinge
abgeschlagen, oder aber Selbigen eher nicht, als biß es in den Gnädigsten
rescriptis anbefohlen, deferiret werden wollen, auch ihnen das dieserwegen, offt
wiederholte queruliren keine Frucht geschaffet, sondern dadurch das judicium
wieder Sie mehr irritiret, und ein Fiscal pendente appellatione wieder Sie
constituiret worden; Hierüber Beklagte diese ihre Beschwerung mit
unterschiedenen allegationibus exactis bescheiniget, absonderlich aber aus der
eydl. deposition über den fol. 3. Vol. X. befindl. articul zu sehen, daß
allerdings auff Geheiß des Stadtschreibers offterwehntes recommendation-Briefgen
an den Actuarium der Juristen-Facultät zu Leipzig ergangen, und sothane
Beschwerungen guten Theils so beschaffen sind, daß daraus einige Partheyligkeit
zu praesumiren.
Dieweil aber dennoch durch die in dem Vol. 4. fol. 137. & seqq. befindl.
Bericht auff diese Beschwerungen geantwortet worden, und nebst dieser
Beantwortung aus denen in dieser Sache ergangenen Actis hinc inde für den
Stadtschreiber angeführet werden mag, daß dieser gantze Proceis auch auf Seiten
der Kramer-Innung ärgerlich, & cum variis indiciis pruritus litigandi
geführet worden, und der Stadtschreiber das offtgedachte Postscriptum nicht für
sich, sondern mit consens des Burgermeisters verfertiget, auch endlich Johann
Beyer in dem extract dict. fol. 3. Vol. X. eydl. ausgesaget, daß der
recommendation-Brieff an den Actuarium zu Leipzig dieses Innhalts gewesen: Er
solte sich der Acten halber bemühen, daß sothane odiöse Sache in Güte beygeleget
würde; Er könte dadurch E. Hochweisen Rath einen sonderbahren Gefallen erweisen,
indem unterichiedliche Raths-membra in der Sache mit interesfiret, Selbige auff
einander sehr erbittert, und also dieses dem Rathe sehr praejudicirlich wäre; So
erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß die dem Stadtschreiber imputirte
Partheylichkeit dadurch und sonderlich durch die eydl. deposition über den fol.
3. befindl. 19ten Articul noch nicht völlig erwiesen, sondern er mit seiner
Nothdurfft darwieder noch ferner zuhören sey.
Auff die 2. Frage E. W. V. R. Wollen sie ferner berichtet sey, ob nicht die fol.
126. seqq. Vol. 4 & fol. 23. seqq. Vol. X. wieder sie reiterirete
Anzüglichkeit und die wieder den Stadtschreiber geschehene inculpation pro
injuria intuitu officii zu achten. Ob nun wohl, wann jemand eine Obrigkeit oder
dero Bedienten zur Ungebühr
|| [176]
einer Partheylichkeit
beschuldiget, solches allerdings pro injuria intuitu officii illata zu halten
ist, und der gnädigste Befehl fol. 2. Vol. X. gar deutlich meldet, daß in der
Kramer-Innung eingegebenen Schrifft unter andern fürgestellet, auch bescheiniget
werden wollen, daß der Stadtschreiber sich in der Sache ziemlich partheyisch
erwiesen. D. a. d. zuförderst zu einer jedweden verbal injurie verba injuriosa
erfordert werden, dergleichen injuriöse Worte aber in den von ihnen allegirten
foliis Actorum nicht enthalten, sondern die Kramer-Innung ihre verba
durchgehends in factum temperiret, indem sie gemeldet, Sie müsten vernehmen, als
ob es bey voriger inrotulation Actorum mit der transmission nicht allenthalben
dermassen zugegangen, wie es sonsten denen Rechten und Gewohnheit nach herkommen
und bräuchlich (Vol. 2. actorum fol. 86. a.) item: man habe vernehmen müssen,
als obs bey voriger Acten-inrotulation bey der Transmission nicht allenthalben
solchermassen zugegangen, wie es sonst den Rechten und Gewohnheit nach recht und
bräuchlich, indem sonderlich in der damahligen Urthels-Frage ein mehrers als fol
82. bey denen actis zu befinden enthalten, und eine gewisse Neben-Frage, mit in
das Rechts-Collegium überschicket gewesen, von der man so genau nicht wissen
könne, in was für Terminis Sie abgefasset worden, (dicto Vol. 2. fol. 98. b.)
dergleichen auch in der weitläufftigen Beschwerung fol. 126. seqq. keine anzügl.
Worte enthalten sind, sondern nur gedacht wird, daß nicht so wohl von E. E.
Rath; welcher nur consentiendo Ursach der Beschwerden sey, als von dessen
Bedienten, welchen bey dem directorio Actorum die freye Hand etwas zu laxe
gelassen worden, die Sache sehr schwer und wiedrig gemachet worden: item fol.
132. ibidem der wiedrige Bericht leide so viel merckliche Erinnerungen, daß sie
selbige ohne befahrende Verletzung des obrigkeitl. respects sich nicht wohl zu
beantworten getrauet, immassen nicht wohl zu glauben, daß dergleichen harte
Berichte in pleno vorgetragen und placidiret werden könten: item fol 134. Sie
dörften nicht sagen, daß bey diesem Bericht hin und wieder affecten
untergelauffen, aus Beysorge, es möchte der Concipient noch unleidlicher werden,
und sich intuitu officii angegriffen zu seyn, vorgeben, auch endlich in der
Supplic Vol. X. fol. 23. & seqq. Sie wären zu Rath-Hause so gar übel
recommendiret, und würden in E. E. Raths Bericht, calumnianten gescholten, wären
auch sonsten hin und wieder öffentliche signa offensi animi & suspecti
judicis zu spühren; Hiernechst keiner Parthey mit Bestande Rechtens die exceptio
& querela suspecti judicis, wenn solche bescheidentlich vorgebracht
wird, und verba in factum temperiret werden, abgeschnitten werden mag, zumahlen
da die Kramer-Innung und deren Advocat ihre puncta querelae ziemlich und
vielfältig bescheiniget, auch in ein und andren Stücke durch gnädigsten Befehl
Beyfall erhalten, und absonderlich sonsten denen Rechten und Gewohnheiten nach
nicht gewöhnlich, daß wenn schon propter interesse publicum eine Beyfrage ad
Collegium geschicket wird, selbige nicht zugleich ad Acta gebracht werde,
sondern solches, als in gegenwärtigen Fall, erstlich ein Jahr hernach
|| [177]
geschehen: Zu geschweigen, daß auch ungewöhlich, in
einer einigen Sache, die so kurtze Zeit gewähret, wie diese ist, 11.
unterschiedene Volumina zu machen, und sonderlich das Volumen 5. und die
darinnen separatim colligirten Schreiben einiges Nachdencken verursachen; So
möchte auch gestalten Sachen nach die von der Kramer-Innung wieder dieselben und
deren Stadt-Schreiber an obbesagten Orthen geführte Beschwerden für
Anzüglichkeit und injurien intuitu officii nicht geachtet werden.
Auf die 3. Frage erachten W. V. R. Wollen Sie letzlich berichtet seyn, ob wegen
besagten inculpationen wieder die Kramer-Innung und deren Advocaten
inquisitorie, ingleichen wieder den Advocatum, wenn er in ihrer jurisdiction
angetroffen würde, mit leidlichen Arreste und der suspension a Praxi zuverfahren
sey?
Ob nun wohl wieder diejenigen, so eine Obrigkeit intuitu officii injuriren, gar
wohl inquisitorie verfahren werden mag, auch solcher gestalt nach Gelegenheit
der Umstände arrestatio & suspensio a praxi intuitu Advocatorum statt
finden;
Dieweil aber dennoch offterwehnte inculpation, als in vorgehender Frage
ausgeführet worden, pro injuria intuitu officii nicht zu achten, auch ferner der
fol. 137. & seqq. Vol. 4. befindliche Bericht mit harten und anzüglichen
terminis wieder die Kramer-Innung und deren Advocaten angefüllet ist:
Solchergestalt aber, wenn schon von der Kramer-Innung und ihrem Advocato eine
injurie intuitu officii wieder Sie ausgestossen worden, dennoch per vindictam
privatam vindictae publicae per inquisitionem expediendae praejudiciret worden,
auch endlich so wohl Vol. 4. als Volumine sub X. klar ausweisen, daß diese
gantze Sache annoch coram Principe anhängig sey, und daselbst exceptio suspecti
judicis ventiliret werde, bey dieser Bewandniß aber dieselben nicht zugleich
partis & judicis personas vertreten können:
So möchte auch wieder die Kramer-Innung und deren Advocaten wegen der inculpation
nicht inquisitorie verfahren, noch dieser mit Arrest und suspensione a Praxi
beleget werden; Es ist Ihnen aber unbenommen, ihre exculpation coram Principe
gebührend und bescheidentlich vorzubringen, auch daselbst, daß ihnen dadurch
zuviel geschehen, auszuführen, und gehörige Bestraffung zu suchen, V. R. W
§. I.
ES gehöret zwar zu eines treuen Predigers Lehr-Amte, daß, weil die(Straff-Amt der Prediger, und wie) Zeiten jetzo
sonderlich böse, und die Straffen über der Menschen Sünden von GOtt vermehret
werden, Er, der Prediger die Sünde
|| [178]
(solches einzuschräncken sey.) mit Christlichen
Ernst und Bescheidenheit ohne Bitterkeit und Personen-Gezäncke, wo es der Text
mit sich bringet, öffentlich straffe. Er soll aber dabey keinen sündlichen
Affecten nachhängen, noch aus Zorn seine eigene oder andre Sachen auff die
Cantzel bringen, vielweniger einen andern Prediger auff der Cantzel mit harten
Reden oder sonsten anstechen oder schelten, sondern da Er bey demselben etwas zu
erinnern vermeinet, solches anfangs privatim oder durch einen andern Collegen
oder Amts-Bruder thun, und bey des Collegens oder Amts-Bruders
privat-explication aus Theologischer Prudenz und Christlicher Liebe acquiesciren
etc. In übrigen aber sich in keine Policey und weltliche Händel mengen,
Obrigkeit und Unterthanen bey Einigkeit erhalten helffen, was Er zu erinnern
hat, privatim thun, und nicht so fort auff die Cantzel bringen, vielweniger der
Obrigkeit und Amts-Personen respect durch unzeitige anzügliche Straff-Predigten
schmälern, welches alles die formalen Worte der Magdeburgischen Kirchen-Ordnung
Tit. 17. §. 8. & Tit. 19. §. 2. & 3. sind. Wenn nun ein Prediger
diese Lebens-Regeln nicht in acht nimmt, muß er sich nicht verdriessen lassen,
wenn Er von der Obrigkeit bestrafft, oder denen Beleidigten erlaubt wird, daß
Sie Ihn injuriarum belangen. Ob nun wohl zu verwundern, daß es leider nicht
wenig Exempel solcher Prediger giebt, die nicht allein aus Zorn oder eigenen
Rachgier Ihre eigene Sachen auf die Cantzel tragen, und mit Aergerniß der
Gemeine ausstossen, ja wohl gar die Leute mit Nahmen nennen, so müssen doch
diejenigen, die so extrem grob nicht seyn, sondern auff eine hämische Weise die,
so Sie beschimpffen wollen, zwar nicht nennen, aber Sie doch sonst also
abmahlen, das männiglich, wer Sie seyn, wol verstehen könne, sich nicht
einbilden, daß Sie dadurch der Bestraffung oder injurien-Processe entgehen
werden, massen die Churfürstl. Säschsische Kirchen-Ordnung in artic. general. 3.
§. zum Siebenden, beyde Classen für injurianten und straffbare Personen
erklähret, wie hiervon Carpzov. in seiner Definit. Eccles. lib. 3. defin. 98.
und D. Simon in peculiari disputatione de actione injuriarum contra sacerdotes
mit mehrern können nachgelesen werden.
(Hieher gehöriger Handel.)
§. II. Gleichwie aber die Exempel eine Sache deutlicher vorstellen, so wurden
Anno 1694. mense Aprili an unsere Facultät Acten geschickt, ein Urtheil darinnen
zu sprechen, allwo folgender Handel zu befinden war: Es war an einem Ort ein
Bürgermeister gestorben, mit dem der dasige Superintendens nicht in guten
Vernehmen gestanden hatte. Da nun dieser begraben wurde, that Ihm ein Prediger
eines benachbarten Orts die Abdanckung, lobte, wie gewöhnlich, den verstorbenen
Bürgemeister, mochte
|| [179]
auch wohl wieder dessen Feinde
einige nachdenckliche Reden, aber doch nur in general terminis und ohne special
application gebraucht haben. Dieses kunte der Superintendens nicht verdauen,
auch nicht einmahl eine bequeme Gelegenheit zu Ausübung seiner Rache erwarten,
sondern da er etliche Tage darauff von falschen Propheten zu predigen hatte,
zoge er ein Exempel von einem vornehmen reichen Mann, der übel gelebet, bey den
Haaren zu der Predigt, und ob er wohl etliche Umstände einmischte, die auff dem
verstorbenen Bürgermeister nicht konten appliciret werden, so waren doch etliche
andere Umstände also beschaffen, daß jede vernünfftige Leute des Orts dadurch
capable gemacht wurden, da es von Ihnen gefordert worden wäre, auch das
juramentum credulitatis zu schweren, daß der Superintendent nicht alleine den
verstorbenen Bürgermeister, sondern auch den Prediger, der die Abdanckung
gehalten, sehr empfindlich injuriret hätte. Die Special-Umstände können aus
denen rationibus decidendi unsers Urtheils genommen werden.
§. III. Nichts desto weniger hatte der Superintendent, da er dieserwegen(Unser Urtheil nebst denen rationibus.) von der Wittwe des Bürgermeisters und von dem
geschimpfften Pfarrherrn war injuriarum belanget worden, hartnäckigt geleugnet,
das er weder den Verstorbenen, noch den mitklagenden Priester gemeinet hätte,
und wurde dannenhero von uns folgendes Urtheil, nebst denen beygefügten
rationibus decidendi verfertiget.
Auff Klage, Antwort geführten Beweiß und ferners Rechtl. Einbringen in Sachen
Bürgermeister Johanns zu St. Witwen und Erben, wie auch Ehrw. Conrad Daniels,
Pastoris zu H. Kläger an einem, Ehrw. Andreä Senioris zu St. Beklagten andern
Theils erkennen etc. Daraus so viel zu befinden, daß Beklagter vermittelst eines
leibl. Eydes sich zu reinigen, und daß er in der am 8. Trinitatis Anno 1692. in
der Predigt vorgebrachten, und N. 9. & 17. Actor. interrog. gener. 25.
befindlichen Erzehlung durch den verstorbenen Mann, der sehr übel gelebet, nicht
Bürgemeister Johannsen, und durch den benachbarten Prediger vom Lande, der die
Abdanckung gethan, nicht klagenden Pastorn zu H. gemeinet, nach vorhergegangener
ernstl. Verwarnung für der schweren Straffe des Meineydes, worzu ein anderer
Prediger zu gebrauchen, zu schweren schuldig, er thue nun solches oder nicht, so
ergehet darauff ferner was Recht ist. V. R. W.
Rationes decidendi
Ob wohl Beklagter beständig leugnet, daß er durch die am 8. Trinitatis 1692. in
der Predigt vorgebrachte Erzehlung weder den verstorbenen Bürgermeister noch den
Pfarrer zu H. gemeinet, auch Klägere ihre articulos probatoriales dergestalt
nicht eingerichtet, daß was bündiges pro ipsorum intentione daraus zu schliessen
wäre, sondern
|| [180]
über den nöthigsten Umständen zu
articuliren unterlassen, auch durch der Zeugen Aussage ad articulos wenig
bewiesen worden, und im übrigen, wenn vom Kläger vorgegeben wird, daß Beklagter
bey der Erzehlung sich des temporis praesentis gebraucht und gesaget, die gantze
Stadt weiß, wie er gelebet, durch der Zeugen Aussage ad artic. 23. nicht
dargethan, vielmehr per depositionem testis 19. ad interrog. dict. art. Act. n.
17. das Gegentheil bekräfftiget worden.
Dieweil aber dennoch Beklagter durch den N. 9. ad Acta gegebenen extract seiner
Predigt, und durch das interrogatorium generale 25. d. N. 17. gestanden, und von
den Zeugen ad d. inter. 25. bekräfftiget worden, daß Er daselbst befindlicher
massen gepredigt, und solche Erzehlung ziemlich gezwungen auff den locum
communem von falschen Propheten appliciret worden; hiernechst die meisten
Umstände der Erzehlung auff die dem Bürgermeister von dem Pfarrer zu H.
geschehene Abdanckung sich ungezwungen appliciren lassen, und Beklagter mit dem
Bürgermeister testantibus Actis zuvor hero in schwerer Feindseeligkeit gelebet,
auch dessen feindseeliges Gemüthe gegen den Verstorbenen aus dem interrogatorio
generali 1) als welches zu nichts, als den Verstorbenen zu verunglimpffen, bey
diesem Process nütze ist, mercklich abzunehmen ist, hiernechst der Pastor zu G.
(wieder den Beklagter nichts gegründetes, das ihn verdächtig machen möchte,
ausgeführet,) ad art. probat. 4. eydlich ausgesaget, Beklagter habe zu Zeugen
für des Bürgermeisters Leiche gesaget: Loben muß man ihn nicht, denn die gantze
Stadt weiß, wie Er gelebet, und testes 5. &. 11. ad interrog. 4. artic.
bezeugen, Beklagter (welcher es doch leugnet) habe in der Erzehlung eines
fürnehmen oder reichen Mannes gedacht, absonderlich aber der Umstand, daß der,
so die Abdanckung gethan, zum Beschluß gesaget, du Heuchler etc. gar zu special
ist, und zu dem loco communi von den falschen Propheten gar nichts thut, auch
mit des Pfarrers zu H. Worten, deren er sich zum Beschluß seiner Abdanckung,
besage der Zeugen ad artic. 30. gebrauchet, gantz übereinstimmet: So hat zwar
wegen vieler anderer in der Erzehlung befindlichen Umständen, die mit dieser
Abdanckung nicht übereinkommen, nicht definitive erkant werden mögen. Es hat
aber aus obigen Ursachen Beklagter starcken Verdacht wieder sich erwecket,
weswegen auff das juramentum purgationis und weil er in Actis hin und wieder
diese Erzehlung mit vielen unwahrscheinlichen Umständen zu coloriren sich
bemühet, auff die Zuziehung eines Predigers in sententia reflectiret werden
müssen.
|| [181]
§. I.
ES ist zu beklagen, daß der meiste Theil unserer Lutherischen Prediger(Grosse Dürfftigkeit unserer Prediger.) mit so gar
schlechten Salariis versehen ist, daß nicht alleine das Predig-Amt dadurch in
grosse Verachtung gesetzet wird, sondern auch andere grosse Schäden dem gemeinen
Wesen daraus entstehen, wie ich solches in einer nunmehro vor 12. Jahren
gehaltenen disputation de officio principis Evangelici circa augenda salaria
& honores ministrorum Ecclesiae (die in dem andern Theil meiner
auserlesenen Schrifften Num. 8. p. 353. seq. in das Teutsche übersetzt zu lesen
ist) weitläufftiger ausgeführet, und wieder die offenbahren Feinde des
ministerii, die auch in unseren Kirchen die armen Prediger lieber um alle
Besoldungen brächten, auffrichtig, jedoch nachdrücklich vertheydiget habe.
Dannenhero lieget rechtschaffenen und vernünfftigen Juristen ob, die Prediger
entweder mit der That, oder wenn Sie zu jenen keine Gelegenheit haben, doch mit
gutem Rath oder responsis zu schützen und Ihnen beyzustehen.
§. II. Aus diesen Betrachtungen hat unsere Facultät Anno 1694. in(Responsum über den rubricirten Handel.) Monat Aprill
gegenwärtiges responsum ertheilet, als ein Prediger in Hertzogthum Magdeburg,
der sich Virgilium nennte, dieselbe um Rath fragete, ob er einen mit den
Vorstehern seiner Kirche getroffenen Vergleich, zu dem man Ihn durch falschen
Bericht gebracht hätte, zu halten schuldig wäre.
Hat derselbe, als Er nach seines Collegen und Pastoris Abzuge an dessen Stelle
zum Pastore im Hertzogthum Magdeburg erwehlet worden, mit denen Kirch-Vätern und
Vorstehern sich dahin verglichen, daß von dem annuo salario, welches seine
Antecessores gehabt, und in 224. Thlr. und zwey Wispel Brod-Korn bestanden, in
Ansehen des Ihme vorgestelleten schlechten Zustandes der Kirchen, Er überhaupt
mit 200. Thlr. und 1. Wispel Korn zufrieden seyn wolle. Haben hierauff die
Kirch-Väter und Vorsteher seinem Successori im Diaconat, an statt des
gewöhnlichen und auch Ihme zuvor gereichten Salarii an 135. Thlr. 168. Thlr.
versprochen, und wollen nunmehro die Kirch-Väter Ihme auff sein Anhalten die
völlige Besoldung seiner Antecessorum nicht reichen.
|| [182]
Ob nun wohl die Kirchen-Vorsteher vorgeben, daß Sie einmahl mit Ihme um das
Salarium überhaupt gehandelt, und transactio sonsten rei judicatae in denen
Rechten gleich geachtet wird, auch die bekante Rechts-Regul, quod ante erat
voluntatis, ex postfacto fit necessitatis, Ihme in Wege zu stehen scheinet;
Dieweil aber dennoch demselben die Kirch-Vorsteher durch das Vorgeben, als wäre
die Kirche in schlechten Zustande, ad transigendum induciret, dieses Vorgeben
aber, indem Sie dem Diacono sein Salarium alsbald gesteigert, offenbahr
ungegründet gewesen, und auch die transactiones gar wohl ex Capite doli
rescindiret werden mögen, und Ihme der gantze Titulus Decretalium, ut
Ecclesiastica beneficia sine diminutione conferantur billig zu statten kömmet;
Ferner bewährter Rechts-Lehrer Meinung nach, ejusmodi pacta &
transactiones pro turpibus gehalten werden,
Stypman. de Salariis Clericorum cap. 7. n. 57. adeo, ut Pastor non excludatur a majoris salarii petitione, cum pactorum, quae contra bonos mores sunt, nulla sit obligatio.
L. 7. §. 7. ff. de pactis. Uber dieses die Churfürstl. Brandenb. im Hertzogthum Magdeburg publicirte Kirchen-Ordnung
Cap. 19. §. 19. ausdrücklich dergleichen pacta untersaget; So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß denen Kirch-Vätern und Vorstehern nicht zu gelassen gewesen, Ihme an dem gewöhnlichen Salario etwas abzubrechen, Ihm auch nicht praejudiciren könne, daß Er das verschmälerte Salarium einmahl angenommen, sondern es sind die Kirchen-Vorsteher und Kirch-Väter demselben dasjenige, was Sie Ihme fallen zu lassen, überredet, nachzuschiessen, und hinführo das völlige Salarium in der masse, als dasselbe seine nächsten Antecessores gehabt, zu reichen schuldig, V. R. W.
§. I.
(Die quasi juris diction der
Zunften und deren)
DIe Handwercke und Innungen in denen Städten haben zwar eigentlich keine
jurisdiction und obrigkeitliche Gewalt; aber Sie haben doch etwas, das derselben
gleich kömmt, und Zunffte-Zwang oder sonsten genennet wird: Und zeiget es die
Erfahrung, daß, wie man im gemeinen Sprichwort zu sa
|| [183]
gen pfleget, es sey kein Aemtgen so klein, es sey hengens werth, also
auch(Mißbrauch.) kein Zünffte-Zwang in
Ansehung der wahrhafftigen Gerichtsbarkeit so geringe sey, dessen sich nicht die
Handwercker zum öfftern gar sehr und zwar mit Nachdruck dergestalt zu
mißbrauchen wissen, daß auch mächtige Chur- und Fürsten des Reichs nicht
allemahl capable sind, die von denen Innungen und Handwercken dadurch
beleidigte, wenn Sie gleich gerne wolten, mit gleichen Nachdruck zu schützen,
und weisen es die Acta Comitiorum, daß man an corrigirung dieses Ubels eine gute
Zeit hero vergebens gearbeitet. Nun darff man sich eben darüber so sehr nicht
verwundern, indem denenjenigen, denen die stetswährenden geheimen factiones und
jaulousien so unterschiedener Classen von Reichs-Ständen unter und wieder
einander nur ein wenig bekant sind, die Sache gantz nicht wunderlich vorkömt,
aber nicht dieses Orts ist, davon viel zumelden. Doch siehet man auch, daß die
Räthe in Städten denen Innungen und Handwercken fast schärfer auf dem Dache sind
als andre Obrigkeiten, da es dann nicht fehlen kan, daß nicht zuweilen auff
beyden Theilen unterschiedene manchmahl kleine, manchmahl grosse sottisen solten
vorkommen.
§. II. Der Leser kan bey Lesung des gegenwärtigen responsi, zu dem(Responsum für die
Innungen.) uns ein gewisser Cramer-Meister zu N. durch seine in April.
1694. an uns gethane Frage Gelegenheit gab, selbst untersuchen, welche unter
beyden darinnen benannten Partheyen eine Thorheit, oder welche davon die gröste
begangen habe.
Seyd Ihr bey der Cramer-Innung zu N. Cramer-Meister, auch von der Innung nebst
andern zum Syndico zu Abthuung der Processe und Einrichtung anderer der Innung
zum besten zu reichenden Dinge bestätiget worden, und habt durch den
Cramer-Bothen an etliche Innungs-Verwandte, die in denen praestandis, so sie der
Innung schuldig, säumig gewesen, etliche mit den Kramer-Innungs-Siegel
versiegelte Erinnerungen zugeschicket, worinnen ihr Sie in Nahmen der sämtlichen
Kramermeister und Innung ihrer Schuldigkeit erinnert, und Ihnen praestanda zu
praestiren auferleget, auch darbey gewisse Warnungs-Clausulen angehenget, daß
wiedrigen Falls Sie gewärtig seyn solten, daß man Sie judicialiter belangen
würde, oder daß nach den Innungs-articuln und privilegiis ergehen solle, was
Recht ist, darbey auch bey etlichen diese Worte zu befinden: Wornach Er sich zu
achten, und vor Schaden zu hüten. Haben etliche von denen, an welche diese
Verordnungen ergangen, nicht nur selbige verachtet, sondern seynd auch
dieserwegen für den Rath zu N. klagbahr worden, und ist vor gedachten Rath
jüngsthin in dieser Sache ein Abschied ergangen, daß die Kramer-Innung der sich
gebrauchten ungebührlichen Auflagen halber mit 25. Thlr. billig zu bestraffen,
und Ihr dergleichen ferneres Unternehmen nachdrücklichen zu un
|| [184]
tersagen sey. Wollen wegen dieses Abschiedes
die andern Innungs-Verwandten auch Euer Mit-Cramer-Meister, Matthias B. die
zuerkennete Bestraffung Euch allein auff dem Halse lassen, und Ihr wollet
berichtet seyn: Ob denn der Rath zu N. befugt sey, die Cramer-Innung wegen
dieses Eures facti um 25. Thlr. zu bestraffen, und Matthias, als
Mit-Cramer-Meister, so wohl auch die andern Innungs-Verwandten Euch in dieser
Sache vertheydigen zu helffen nicht gehalten wären;
Ob nun wohl von dem Rath zu N. vorgegeben werden möchte, daß die Kramer-Innung
für ein privat-collegium zu achten sey, dem keine obrigkeitl. Gewalt zukomme,
und folglich auch nicht gebühre, denen Innungs-Verwandten etwas schrifftliches
unter der Cramer-Innung Siegel und mit dergleichen in denen Gerichtl. Auflagen
gewöhnlichen Clausulen aufzulegen, wannenhero durch die von Euch auff diese
Weise geschehene Auflagen Ihnen ein Eingriff in ihr obrigkeitliches Amt
geschehen, und eine jede Obrigkeit wohl befugt sey, dergleichen Eingriffe wieder
Ihre Unterthanen selbst mit einer Geld-Busse zu bestraffen; Hiernechst auch wohl
bey denen Kramer-Innungen nicht eben gewöhnlich zu seyn pfleget, daß Schrifftl.
Andeutungen und Auflagen, zumahlen unter dem von Euch gebrauchten stilo ergehen,
sondern gemeiniglich man solches durch den Kramer-Bothen mündlich verrichten
lässet. Ob wohl auch ferner der Mit-Cramer-Meister und andre Innungs-Verwandte
vorgeben, Sie dörfften diese Eure facta nicht praestiren: Weil die
Cramer-Meister für Ihre eigene facta stehen müsten, der Mit-Cramer-Meister aber
die von Euch geschehene Auflage nicht verstünde, Ihr auch alle Schrifften der
Cramer-Innung in Händen hättet, und hierbey nicht zu leugnen, daß nach der
gemeinen Rechts-Regul keinem eines andern sein factum imputiret werden mag, an
allermeisten aber verbothene und unzuläßliche Dinge auff denen, so solche
verrichten, allein hafften, und Niemand, der mit ihnen in eine Gesellschafft
verbunden ist, auffgebürdet werden mögen;
D. a. d. Ihr in denen geschehenen Auflagen und Erinnerungen nichts als der
Cramer-Innung Bestes und Nutzen gesuchet, die Cramer-Innung auch befugt ist,
vermöge des 9ten Innungs-Articuls bey den Innungs-Verwandten in irrigen Sachen
gütlichen Vergleich zu versuchen, auch in geringen Dingen biß auff 12. gl. hoch
Straffe zu dictiren, ferner Euch als Cramer-Meister und bestellten Syndico
obgelegen, die säumigen Innungs-Verwandte ihrer Schuldigkeit zu erinnern, auch
nirgend verbothen ist, solches schrifftlich zu thun, und nicht alles, was
ungewöhnlich ist, für strafbahr zu achten, und heute zu Tage die
Gerichts-Obrigkeit nicht, wie vor Alters, an gewisse Formulen gebunden ist, noch
sich Unter-Obrigkeiten gewisse Formulen zueignen, und dem, so sich solcher
bedienet, als einen, der ihnen einen Eingrieff gethan, bestraffen mögen;
absonderlich aber Ihr in denen Auflagen Euch würcklich nicht einer dem Rath
zukommenden und Eurer Innung nicht zustehenden obrigkeitlichen Macht oder poenal
|| [185]
praecepti angemasset, sondern nur die Säumige
gewarnet, daß sie die Sache nicht zum Rechtlichen Process solten kommen lassen.
Wodurch Ihr also nicht nur der Gerichts-Obrigkeit ihren respect erwiesen,
sondern auch ein officium humanitatis und Werck der Christl. Liebe bezeiget
habt, in Betrachtung nichts beschwerlicher und verdrießlicher ist, als in
Zanck-Händeln für Gerichte leben, zumahl Ihr noch zu Eurer Entschuldigung
fürbringet, daß dem Crämer-Bothen nicht wohl alles zu vertrauen, und Ihr Euch
befahret, es würden die Innungs-Verwandten, an die die Erinnerungen ergangen, es
übel nehmen, wenn ihnen selbige unversiegelt zugesendet würden; Bey diesen
Umständen aber allenthalben erhellet, daß Ihr nichts straffbahres begangen, auch
kein böser Vorsatz bey Euch gewesen, und solcher Gestalt, so viel Eurem
Mit-Meister und die andre Innungs-Verwandte betrifft, ein jeder in einer
Gesellschafft schuldig ist, dem, welcher zu Nutzen der Gesellschafft etwas
vorgenommen, daran nichts getadelt werden mag, schadloß zu halten, absonderlich
aber jede Innungs-Verwandte den von ihnen erkohrnen Innungs-Meister dergleichen
Schadloßhaltung in rebus licitis & utilibus zu praestiren verpflichtet
seynd, und über dieses die Verwandte der Kramer-Innung sich durch beyliegende
Vergleiche sub A. & B. zu dergleichen Genehmhaltung in negotiis ad
utilitatem susceptis ausdrücklich verbunden; Hiernechst Ihr auch Eurem
Mit-Cramer-Meister die Auflage vor der Siegelung vorgelesen, und Er das
Innungs-Siegel zu dererselben Besiegelung hergegeben;
So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß der Rath zu N. nicht befugt sey,
weder die Kramer-Innung noch Euch wegen der in obbeschriebenen terminis und
Umständen ergangenen schrifftlichen Auflagen, zu bestraffen. Hingegen aber der
Mit-Cramer-Meister Matthias und die andern Innungs-Verwandten Euch in dieser
Sache gebührenden Beystand zu leisten, sich mit Bestande Rechtens nicht
entbrechen können. V. R. W.
§. I.
ES ist eben nichts seltzames, daß ein Mensche von andern umgebracht,(Zweiffelhafftigkeit der Umstände des gegen-) und
hernach an einem Baum geknüpft und vorgegeben wird, daß er sich selbst erhangen,
massen dann für wenig Monathen uns ein solcher casus zugeschickt worden, da ein
Schulmeister seinem liederlichen
|| [186]
(wärtigen Handels.) Sohne geholffen, seinen des
Schulmeisters, (wo mir recht ist) Eydam auf öffentlicher Strasse zu erschlagen,
und hernach an einen Baum zu hengen-Aber es gehören doch auch starcke indicia
dazu, denen Beschuldigten dieses zu imputiren. Doch kommen zuweilen auch solche
indicia auff beyden Seiten vor, daß ein unpartheyischer Richter bald nicht weiß,
auff welche Seite er incliniren soll, wie gegenwärtiger Handel hiervon ein
Exempel geben kan. Wenn man betrachtet, wie der Inquisite die Umstände der Sache
erzehlete, so war er wohl unschuldig. Er gab vor: Er hätte seiner todten
Schwester nach der Mittags-Mahlzeit bey zwischen Ihnen entstandener Uneinigkeit
ein paar Maulschellen gegeben, und als er Sie eine Zeit hernach, da es Ihm leid
worden, vermisset, hätte er Sie gesucht und auff den Boden gefunden, daß Sie
sich erhenckt, worüber er sehr erschrocken, sie alsbald selbsten abgeknüpfft,
und auff den Boden liegen lassen, aber mit dem noch in der Hand habenden Stricke
herunter zu der andern Schwester in die Küche gekommen, Ihr das Unglücke
erzehlet, und Sie gebeten mit hinauff zu gehen, und die Erhangene, nebst Ihn
herunter tragen zu helffen, und vorzugeben, daß die todte eines plötzlichen
unversehenen Todes gestorben, dabey aber so wohl wegen Vermeidung der Schande,
als auch damit er wegen des der Verstorbenen gegebenen Maulschellen, weil Sie
die Erhenckung der Schwester mochten veranlasset haben, nicht in Ungelegenheit
kommen möchte, zu verschweigen, daß sich die Schwester selbst erhengs hätte. Es
geschahe also, und damit die Leute nicht etwan, wenn die Leiche lange unbegraben
bliebe, indicia an dem Cörper finden möchten, daß er an einem Strick erwürget
wäre, brachten Sie es dahin, daß die Tode des andern Tages begraben wurde.
(Indicia wieder die Inquisiten.)
§. II. Hactenus bene. Aber nun wendet sich das Blat. Jederman wunderte sich nicht
nur über den plötzlichen Tod, sondern auch über die geschwinde Begräbniß, und da
etwan die noch lebende Schwester nebst dem Bruder denen curiösen Gemüthern nicht
einerley beständige, sondern zimlich variirende Antwort wegen der Umstände des
Todes mochten gegeben, oder auch wohl gar gegen eine und andre vertraute Person
etwas gedacht haben, daß sich die Tode erhangen hätte; entstand noch vor der
Begräbniß ein Gemurmel, als ob die beyden Geschwister die todte erhangen hätten,
und deßwegen so mit der Begräbniß eilten, damit dieses Schelmstück verborgen
bleiben solte; es war aber dieses noch so kräfftig nicht, daß es dem
ordentlichen Amtmann oder dem Priester hätte bewegen sollen, die geschwinde
Begräbniß aufzuschieben, ob gleich deßhalben Ansuchung geschehen war. Dieser
Umstand vermehrte den Verdacht, und wurde nun
|| [187]
mehr aus dem bisherigen Gemurmel ein öffentlich Geschrey, von der
Ermordung dieser Todten, dergestalt, daß die Todte wieder auffgegraben, und von
dem Medico besichtiget wurde, da dann der Bruder und Schwester genöthiget wurde,
zu bekennen, daß die Todte allerdings sich gehangen, Sie aber solches bißher aus
obigen Ursachen verschwiegen hätten. Dieweil aber bey der Besichtigung an der
todten ihren Armen waren gewisse Kringel gefunden worden, und daraus ein
Verdacht entstunde, daß der todten ihre Arme wären gebunden gewesen, und Sie
also mit Gewalt erwürget worden sey; als entstand wieder die indessen
incarceriten inquisitos, fürnehmlich aber wieder den Bruder allerhand verdacht,
darunter die vornehmsten waren, 1. die Feindschafft des Bruders, und die
gegebenen Maulschellen; 2. die variation der inquisiten, und die bey ihrem
ersten Angeben verschwiegene Wahrheit. 3. Die ungewöhnliche Beschleinigung der
Begräbniß, 4. die an der todten ihren Armen gefundene Kringel, aus welchen ein
Verdacht entstunde, daß der Verstorbenen die Arme zusammen gebunden gewesen, und
sie also sich nicht selbst erhangen hätte, sondern von andern wäre erhängt
worden.
§. III. Ja man fieng hiernächst auch an, wieder den Amtman und(Partheyligkeit des adjungirten
Amtmanns.) den Priester zu murren, und erweckte ein Geschrey, als ob
diese beyde diesen Schwester-Mord hätten wollen vertuschen helffen, und daß
dannenhero dem Amtmann die direction des Inquisitions-Processes nicht alleine zu
lassen wäre. Es geschahe auch, daß bey diesen Umständen von Hoff aus, ein
benachbarter Amtmann dem ordentlichen zu Vollführung der Inquisition adjungiret
wurde. Und dieser that nun sein möglichstes, daß er bey Leibe nicht in Verdacht
käme, als wenn er denen Inquisiten etwa durchhelffen wolte, er nahm sich aber
dabey nicht in acht, daß vernünftige Leute Ihn nicht für praeoccupiret wieder
die Inquisiten, und für partheyisch oder feindseelig wieder den ordentlichen
Amtmann und den Prediger hätten halten können, sondern gab vielmehr so
vielfältige offenbahre Gelegenheit zu diesem Verdacht, daß man sich wundern
muste, wie ein vernünftiger Mann sich so bloß geben könte. Unter andern war die
an uns abgeschickte Urtheils-Frage, die er alleine ausgefertiget, so voller
passionen, daß wir uns drüber entsetzten. Ob er nun wohl hierbey diese cautel
gebraucht hatte, daß er uns diese Urtheils-Frage, die sehr weitläuftig war, in
einem absonderlichen Fasciculo, nebst denen übrigen völligen Inquisitions-Acten,
in copia mitschickte, und dieses stratagema destobesser zu bemänteln, noch einen
andern Fasciculum beylegte, darinnen zwey von Ihm als adjuncto verfertigte
Berichte nach Hofe enthalten waren, so brauchten wir uns doch gleicher gestalt
der
|| [188]
allbereit oben bey dem 12. Handel §. 3.
gemeldeten contralection, und gedachten nicht alleine in praemissis unsers
Urtheils dieses absonderlichen fasciculi, und daß darinnen die an Uns
verfertigte Urtheils-Frage enthalten gewesen, mit Nahmen, sondern wir erinnerten
auch in fine des Urtheils, daß dieses Concept zuförderst zu denen Actis
inquisitionalibus gebracht werden solle, ja wir excerpirten über dieses in denen
rationibus dubitandi seine vornehmsten gravamina wieder die inquisiten, und den
Amtmann nebst dem Prediger, und beantworteten dieselbe in denen rationibus
decidendi. Ja man hielte sich in refutirung dieser des Commissarii gemachten
gravaminum länger auff, weil der defensor die in vorigen §. specificirten
indicia wieder die delinquenten sehr deutlich und gründlich allbereit
wiederleget hatte, diejenigen aber, die in der Urtheils-Frage enthalten waren,
nicht hatte refutiren können, weil man Ihm dieselbe nicht communiciret hatte;
und wir also sonst nothwendig auff ein interlocut hätten fallen müssen, den
defensorem über diese des Commissarii neu angebrachte Klag-Momenta zuförderst zu
hören, wenn man dieselben wichtig zu seyn befunden hätte.
(Das von uns gesprochene Urtheil.)
§. IV. Nach Erwegung dieser bißhero erzehlten Umstände kan nun ein
unpartheyischer Leser unser allhier beygedrucktes Urtheil mit Bedacht lesen und
überlegen, ob wir bey diesem gleichwohl zweiffelhafften und etwas verwirrten
Handel das rechte Pflöckgen getroffen, oder, wenn er nicht unserer Meinung ist,
sich selber über den Handel machen, und unser mense Majo 1694. gesprochenes
Urtheil pro lubitu verbessern oder verschlimmern.
P. P. Seynd Esaias und Johanna Christina in Verdacht, daß Sie Marien Elisabeth
Ihre Schwester gewaltsamer Weise ertödtet, geben aber beständig vor, daß besagte
Maria Elisabeth sich selber auff dem Heuboden erhänget hätte. Ob nun wohl besage
der Registratur Fol. 1. ein allgemeiner Ruff entstanden, ob habe Esaias seine
Schwester umgebracht, und bey Wiederauffgrabung und Besichtigung des Cörpers der
Medicus fol. 15. dafür gehalten, daß, weil die Hände gebunden, und an dem Halß
ein wenig Haut abgezogen gewesen, die Todte sich nicht selbst erhangen, auch
sonsten bey der Besichtigung dict. fol. 15. hin und wieder an dem Cörper andre
indicia gelittener Gewalt zu befinden gewesen; Ferner Inquisit Esaias etliche
Stunden zuvor, der Todten ein paar Ohrfeigen gegeben, die Entleibte auch zu erst
gefunden haben will, zu Johannen Christinen in die Küche kommen, einen Strick in
der Hand gehabt, und zu ihr gesaget: Er habe seine Schwester von dem Stricke
abgelöfet: beyde Inquisiten hier auff ohne Beyruffung anderer Personen, die
Todte allein von den Boden herunter getragen, die Erhenckung verschwiegen, auch
Esaias Johannen Christinen instruiret, daß sie seinen mit der Getödteten
vorgehabten Zanck, und daß sich die selbe selbsten gehencket,
|| [189]
verschweigen solte; wie denn auch beyderseits Inquisiten Anfangs
von dem Umstande des selbst erhenckens nichts gemeldet; über dieses derselbe
(nemlich der quaerent) in seinen beyden Berichten sub dato 28. Febr. und 16.
Martii dieses Jahrs so wohl wieder den Esaias, als auch wieder den judicem
ordinarium, Ambtmann zu W. ingleichen wieder den Prediger zu G. folgende
praesumtiones angegeben, daß die Ertödtete eben an dem Tag und nach empfangenen
Ohrfeigen bey dem Mittages-Essen lustiges humeurs gewesen, und deswegen kein
Selbstmord bey ihr zu vermuthen, auch daß durch des Predigers zu G. verweigerten
Auffschub der den andern Tag nach dem Todes-Fall vorgenommenen Begräbniß ein
zimlicher Verdacht entstehe, daß man diese That vertuschen wolle; der judex
inquirens aber sich in processu zimlich übereilet, indem Er inquisitum auf des
Vaters Anhalten so fort von dem Fuß loßschliessen lassen, und denselben noch
selben Tag summarisch vernommen, hiernechst Inquisit in seinen Aussagen in
etlichen von ihme angemerckten puncten variiret, oder von der Mit-Inquisitin und
den Zeugen discrepiret, und der judex über solche contradictiones und
variationes keine confrontation angestellet, auch der fol. 10. Act. von dem
Ambtmann verfertigte Bericht und fol. 6. gehaltene Registraturen ihn nicht wenig
verdächtig machten, weil diese letzte der section und judicio medico zuwieder
sey, zu geschweigen, daß die fol. 20. seqq. verfertigte Zeugen-articuli mehr
defensionales als Inquisitionales wären, auch des Amtmanns Bruder die partes
defensoris übernommen, wie nicht weniger, nachdem derselbe (scil. quaerens)
tanquam judex adjunctus so wohl die Inquisiten als Zeugen über noch einige
articul vernommen, ein und andre Umstände, so zuvor nicht bey den Actis gewesen,
heraus gebracht worden, auch die Gerichts-Personen, als er sie wegen der Kringel
um der Entleibten ihre beyden Arme, ob solche wohl von der auff dem Leibe
gestülpten Schüssel hergerühret? befraget, zur Antwort gegeben, daß zwar die
Kringel innewendig an dem Arme von dem Rande der Schüssel etwas herrühren
könten, man könte aber nicht penetriren, wo die, so auswendig am Arme und wohl
eines Fingers breit gewesen, herkommen: Ingleichen als sie wegen der Bänder
befraget worden, geantwortet, daß sie diese Bänder an der Entleibten Armen
angefühlet, die wären gantz schlaff gewesen, dergestalt daß Er (Zeuge) seine
Finger zwischen diese und der Entleibten Arm durchstecken können; So wären auch
die Bänder hinter den Kringeln gewesen, und die Kringel forn nach den Händen zu,
daß also diese nicht von den Bändern herrühren können; Ingleichen, daß um der
Entleibten Halß zwo mit Blut unterkauffene Striche befunden worden, davon der
erste unter dem Kinbacken neben den Ohren auf beyden Backen hinauf gegangen, der
andre aber unten am Halß rund herum; endlich von selbigen nach Besichtigung des
Stricks, woran die Todte gehangen haben solle, nicht das geringste vestigium zu
befinden gewesen;
D. a. d. wieder Johannen Christinen kein genugsames indicium ad inquisitionem
oder capturam bey den Acten zu befinden, Esaias aber besage der Actorum fol.
|| [190]
25. seqq. seines bißher geführten Lebens halber
glaubwürdige attestata beygebracht / und bey denen Actis nicht zu befinden, wer
wegen des wieder ihn erschollenen Geschreyes erster Anbringer gewesen, die
hierauff summarisch abgehörten Zeugen sothaner famae gantz zuwieder seyn und
sich hernach erst, als Inquisiti post aliter prius factam narrationem die
Selbsterhenckung angegeben, und durch des Medici judicium einige indicia, als in
rationibus dubitandi gemeldet worden, sich ereignet, die aber doch in der von
Inquisito übergebenen defension sattsam und zur Gnüge abgelehnet worden, und wir
Uns dißfalls allenthalben auff sothane defension beziehen; was aber die von
demselben berichtete praesumtiones anlanget, dieselbige insgesamt sehr remotae
& parum inferentes seyn, und über dieses denen Actis zuwieder ist, daß
die Todte nach empfangenen Ohrfeigen bey dem Mittages-Essen lustiges humeurs
gewesen, indem Inquisit ad artic. 3. fol. 43. gemeldet, daß Er Ihr nach Essens
erst die Ohrfeigen gegeben, und weder die Zeugen noch die Mit-Inquisita (darauff
sich doch derselbe beziehet) in diesem Umstande Inquisito nicht contradiciret;
Der Prediger zu G. auch fol. 1. b. einen Befehl von dem Consistorio verlanget,
und die Prediger ordentlich an das Consistorium gewiesen sind, auch, da ja wegen
so geschwinder Begräbniß eine Vertuschung zu vermuthen wäre, solches ja so
leicht wegen der Selbstentleibung, als wegen des, was man dem Inquisiten
inculpiret, Vermuthung giebet; Ferner der judex inquirens vielmehr bey so
beschaffenen Umständen denen Inquisiten zu scharff als zu gelinde gewesen, auch
solchergestalt die Schliessung des Inquisiten an ein Bein wohl wieder remittiren
können; Ein Richter auch seinem Amt gemäß, so bald als möglich, die Gefangenen
summarisch verhören soll, die angegebenen variationes des Inquisiti nicht bey
etwas importirenden Umständen geschehen, auch der Bestürtzung, in welcher er
gewesen, als er die Schwester todt gefunden, gar wohl imputiret werden können;
und wenn der Amtmann deßwegen suspect seyn solte, daß er Inquisitum über besagte
variationes nicht confrontiret, derselbe (quaerens) mit gleicher suspicion zu
belegen wäre, weil er post adjunctionem solche confrontation über erwehnte
puncta gleicher Gestalt nicht vorgenommen; Der fol. 10. & 16. von dem
Amtmann verfertigte Bericht und registraturen, ingleichen die abgefasten
articuli, worüber die Zeugen und Inquisiten vernommen worden, allerdings dem
Inquisitions-Process gemäß und unverdächtig sind, und einem judici billig
oblieget, bey Inquisitionibus zuförderst auff des Inquisiti defension ex officio
mit zu sehen; Die von demselbigen aber bey nochmahligen examine der Inquisiten
heraus gebrachten neuen Umstände zu dieser Sache wenig thun, auch etliche von
ihm verfertigte articuli. als art. 11. 21. seqq. worüber Inquisitus fol. 44. b.
& 45. b. vernommen worden, nicht nach Anleitung des
Inquisitions-Processus concipiret worden, massen der judex nicht aus
privat-praesumtionibus, sondern aus denen registraturen die articulos zu
formiren hat, von denen in dictis articulis angeführten special-Umständen aber
sonsten gar nichts in Actis zu befinden;
|| [191]
Hierüber die
von Ihm in dem Berichte referirte Aussage der Gerichts-Personen gantz mit andern
Umständen, als solche in Actis fol. 51 a. zu lesen, angeführet wird, auch an
einem Strick man nicht leicht ein vestigium zu finden pfleget, ob sich jemand
selbst daran gehencket, oder von einem andern erwürget worden, und endlich die
registratur fol. 54. b und die ratio des rescripts fol. 18. quod in dubio
interpretatio in optimam partem fieri debeat, Inquisito billig zu statten kömmt.
So erscheinet hieraus und aus den Acten allenthalben so viel, daß Johanna
Christina von der wieder sie angestelleten Inquisition zu absolviren, und nach
geleisteten Uhrpheden der Hafft wieder zu erlassen, so dann aber mit den Zeugen
Eyde zu belegen, und zu befragen: Ob Ihr nicht wissend, auff was Weise Maria
Elisabeth ihr Leben geendiget? Und ob Esaias dieselbe mit angethaner Gewalt ums
Leben gebracht? Dafern sie nun bey ihrer vorigen Aussage verbleiben, oder
nichts, so den Esaias weiter graviren möchte, aussagen solte, ist auch wieder
diesen in Ermanglung anderer indicien weiter nichts vorzunehmen, sondern Er wird
ebenmäßig nach geleisteten Uhrpheden der gefänglichen Hafft wieder erlassen,
jedoch ist er die Inquisitions-Unkosten nach geschehener Liquidation und
Moderation zu bezahlen schuldig, und wird das Concept der an uns abgegangenen
Urthels-Frage zuförderst zu den Actis inquisitionalibus gebracht; Es ist
demselben auch unbenommen, dasjenige, was wieder den Prediger zu G. von Ihm
berichtet worden, bey den Fürstl. Consistorio zu N. zu fernerer Untersuchung
anzubringen. V. R. W.
XVII. Handel. Ob das Stifft SS. Simonis & Judae zu Goßlar ein
unmittelbares freyes Reichs-Stifft sey oder nicht?
§. I.
WIr haben bißhero wiederum allerhand casus, die ad jus privatum(Die dieserwegen eingeschickte Urtheils-Frage.)
oder ad processum criminalein gehören, vorgetragen; und wird dannenhero
verhoffentlich dem Leser nicht unangenehm fallen, wenn wir wieder einmahl etwas
aus dem Teutschen jure publico vorstellen. Und ob wir wohl sonsten nicht
gewohnet sind die Partheyen zu nennen, so wird es doch allhier unvonnöthen seyn,
diese cantel zu gebrauchen, nicht alleine weil die in der Vorrede anzuführende
Ursachen allhier cessiren, sondern auch, weil die
|| [192]
Lesung dieses Handels alle Annehmlichkeit verlieren würde, wenn die
interessirten Partheyen nicht deutlich genennet würden. In übrigen behält dieses
responsum die Natur aller responsorum, daß es dem Gegentheil nichts zu
praejudiciren gesonnen sey; Und so wenig als ich mich der in der specie facti
dann und wann anzutreffenden expressionen theilhafftig machen will; so wenig kan
ich auch melden, wie diese controvers abgelauffen; weil ich mich nicht darum
bekümmert, auch darum zu bekümmern keine pressante Ursache gehabt. Das am 20.
Julii Anno 1694. von dem Decano, Seniore und übrigen Capitularibus des
Käyserlichen freyen Exemt-Stiffts SS. Simonis & Judae zu Goßlar an
unsere Facultät abgelassene Requisitions-Schreiben nebst der specie facti ist
folgenden Inhalts:
P. P. Es ist in hiesiger Käyserl. Freyen-und des H. R. Reichs-Stadt Goßlar ein
geistliches Stifft gelegen, welches Käyser Henricus Glorwürdigsten Andenckens
Anno 1051. und also 150. Jahr eher, denn die Stadt Goßlar das Stadt- und
Bürger-Recht überkommen, in honorem Beatae Mariae Virginis & SS. Simonis
& Judae ut & Matthiae Apostolorum fundiret und gestifftet hat.
Dieses Stifft haben nicht allein die Römischen Päbste, sondern auch die
Glorwürdigsten Käyser (welches gleichsam ein seminarium aller Ertz- und
Bischöffe durchs gantze Römische Reich gewesen, und Capella Imperii, und dessen
Canonici Capellani Regii genannt worden,
Mader. antiquit. Brunsv. c. 7. Corber. Histor. Goslar. c. 3. §. 14. & seqq.) absonderlich Friedericus Barbarossa, und Henricus IV. laut in originali vorhandener Diplomatum, jetzo in Copia sub lit. A. & B. beygeleget, mit herrlichen und gantz sonderbaren Privilegien, mit dem jure immunitatis, & omnimodae exemtionis begnadet und begabet, wobey es die Successores in Imperio nicht allein Gnädiglichst gelassen, sondern es hat Ferdinandus III. Imperator Invictissimus im Jahr 1647. über die in Anno 1637. Allergnädigst ertheilte Consirmation der Privilegien noch besonders zu mehrern Nachdruck des Stiffts mit einem ernstlichen Protectorio und Schutz-Briefe versehen, laut Beylage sub lit. F. welche Privilegia samt und sonders biß auff die jetzige Käyserl. Majest. inclusive sind confirmiret und bestätiget worden. Es haben sich aber je zu Zeiten inter Senatum & Capitulum einige Miß-Verstände ereignet, welche aber bald darauff durch gewisse Verträge gehoben worden. Vor ohngefehr 5. Jahren aber haben de novo allerhand Wiederwärtigkeiten und Zunöthigungen an Seiten des Raths sich hervor gethan, indem derselbe nicht allein eine jurisdiction vi juris territorialis über Unser Stifft und dessen Eingesessene sich wollen anmassen, sondern auch dasselbe nach eigenen Gefallen mit Collecten und anderen oneri
|| [193]
bus tam
personalibus, quam realibus, gleich Dero Bürgern und Unterthanen, zu belegen
sich unterstehen wollen, biß Wir endlich, nachdem Senatus allerhand Insolentien,
Thätlichkeiten und Verunglimpfungen wieder Unser Stifft und dessen Einwohner
ausgeübet, bey Höchstpreißlichem Käyserl. Reichs-Hof-Rath zu Wien Klage
anzustellen genöthiget worden, woselbst Wir zum drittenmahl, und zwar am 26sten
Octobr. 1693. auf des Raths eigenes abgestattetes Bericht-Schreiben dieses
Rescript erhalten.
Communicentur exhibita hinc inde sub termino duorum mensium & inhaerendo prioribus inhibitionibus, injungatur dem Magistrat nochmahlen durante nichts thätliches gegen das Stifft und dessen Zugehörige vorzunehmen, noch dasselbe wieder das alte Herkommen mit oneribus & exactionibus zu belegen und zu beschweren, bey Vermeidung Käyserl. Ungnade. wodurch Wir Unseres dafürhaltens in possessorio geschützet worden. Es haben sich aber Bürgermeister und Rath der Stadt Goßlar daran nicht gekehret, sondern haben nach der Zeit einen Eingriff nach den andern, eine Thätlichkeit nach der andern, ja gar eine Beschimpffung nach der andern wieder Unser Stifft, und dessen Zugehörige, ohngeachtet unterschiedlicher von Unseren Gnädigsten Erb-Schutz-Fürsten und Herren, Herren Rudolph Augusti und Herren Anthon Ulrichs, Hertzoge zu Braunschweig und Lüneburg Fürstl. Fürstl. Durchl. Durchl. an sie abgelassenen ernstlichen Vermahnungs-Schreiben ausgeübet; biß sie endlich, da ihnen einige extrema angedrohet worden, zur Güte sich zu accommodiren, sich erbothen, und weilen Wir dabey alle Ursach der Mißhelligkeiten gerne aus dem Grunde um beständigen Friedens willen wolten gehoben sehen, als haben Wir über Erheblichkeit oder irrelevanz beyderseits fundamentorum eines unpartheyischen Judicii Uns zu bedienen rathsam ermessen. Selbige nun bestehen ex parte Senatus darinnen. 1. Daß Civitas Goslarienfis ein unmittelbahrer Evangelischer Reichs-Stand sey, mit der superioritate territoriali, und darab dependirenden Jurisdiction in Geist- und Weltlichen, Civil und Criminal Sachen, über alle und jede Dero Bürger und Einwohner von Uhralters her begnadet und begabet, und daß niemand von ihrer jurisdiction, nisi per pacta, sich eximiren könne. 2. Daß vermöge Passauischen Vertrags, und darauff erfolgeten Religions-Frieden, die Jurisdictio Ecclesiastica contra Augustanae Confessionis addictos suspendiret, und jure superioritatis ad Status Imperii devolviret worden. 3. Daß vermöge Instrumenti pacis Caesareo-Svecici, art. 5. §. quaecunque Monasteria, weil Senatus Anno 1624. primo Januarii in possessione jurisdictionis Exemtae nostrae Ecclesiae gewesen, derselbe dabey zu manuteniren. 4. Daß besage Capitulationis Leopoldinae §. und zum dritten, Käyserl. Maj. denen Ständen des Reichs sich verobligiret, dieselbe bey ihren Hoheiten, Recht und Gerechtigkeiten zu lassen, niemanden ein Privilegium dawieder zu ertheilen, und da ei
|| [194]
nige vor oder bey währendem Krieg dawieder
ertheilet worden wären, dieselbe gäntzlich zu cassiren und zu annulliren,
dawieder niemand leicht zu hören, sondern a limine judicii ab- und zu schuldiger
parition an seinem Herren zu verweisen, auch die darauf an Käyserl.
Reichs-Hof-Rath oder Cammer-Gericht ausgebrachte Processus, Mandata &
Decreta, praevia summaria causae cognitione vor null und nichtig zu erklären,
dieselbe zu cassiren und auffzuheben.
Ex parte nostra wird nachfolgender gestalt geantwortet, und zwar
ad primum.
1. Das das jus superioritatis territorialis über diejenige, welche zwar in
territorio wohnen, aber nicht de territorio sind, und welche ab initio per
Privilegia Caesarea srey und exemt gewesen, sich nicht erstrecke.
ad secundum.
2. Daß per Transactionem Passaviensem & subsecutam pacem Religionis
diejenigen Stiffter, welche niemahlen Episcopo vel Archiepiscopo subject,
sondern a primis incunabulis exemt, und immediate sub Caesare & Imperio
gewesen, ihrer exemtion dadurch nicht verlustig worden.
ad tertium.
3. Daß die possessio primo Januarii 1624. in facto nicht erweißlich sey; sondern
Wir können darthun, daß Wir damahls so wohl, als nach der Zeit actus
possessorios jurisdictionis exemtae verrichtet, Bürgermeister und Rath haben Uns
auch noch Anno 1655. in subsidium juris requiriret, coram Capitulo Zeugen zu
verhören; item, daß sie in ihrem, zwey Jahr ante motam hanc litem ad Aulam
Caesaream abgeschickten Vorbericht praemeditato für Unterthanen, so Ihrer
Käyserl. Majest. und dem H. R. Reich immediate unterworffen, Uns erkläret,
desgleichen, daß sie ante motam litem das praedicat eines Käyserl. freyen
Exemt-Stiffts Uns ohnstreitig beygeleget. Daß Wir auch per Inhibitionem in aula
Caesarea in possessione geschützet worden, & quod, qui hodie possidet,
etiam olim possedisse praesumatur.
ad quartum.
4. Daß die Käyserl. Wahl Capitulation am angezogenen Ort Uns nicht nachtheilig
sey. Denn Käyserl. Majest. hätte sich zwar pacts-Weise verbindlich gemacht,
Fürsten und Stände des Reichs bey ihrer Hoheit, Recht und Gerechtigkeit zu
lassen. Es hätte aber solches nicht den Verstand, als wenn Käyserl. Majest. sich
verobligiret, alle andere immediat Reichs-Unterthanen ihrer von uhralters her
gehabten Privilegiorum und Exemtionum zu berauben, und daß kein eintziger Ort im
Römischen Reich ab ordinaria jurisdictione Magistratus mehr exemt, und immediate
Caesari und Imperio unterworffen seyn solte, sondern daß hinkünfftig dergleichen
Exemtiones
|| [195]
nicht mehr solten verstattet, und den
statibus Imperii ihre Unterthanen dadurch entzogen werden. Was die cassation der
sub-& obreptitie erschlichenen Privilegiorum anlangete, solches wäre zu
verstehen von denen, die paulo ante, vel durante bello tricennali ertheilet
worden, nicht aber von denen, welche vor 4. 5. 6. 7. und mehr hundert Jahren ad
splendorem Imperii gewissen Communen gegeben. Die Verweisung a limine Judicii
zielete unter andern mit dahin, wenn sich jemand des allgemeinen Beytrags der
Reichs-Anlagen entschütten wolte, welches Wir aber niemahlen praetendiret,
sondern Unsere quotam gerne und willig contribuiren wollen. Wann Wir nun hier,
unter der Rechte gerne möchten versichert seyn, ob Senatus Goslariensis wieder
Uns, oder Wir contra Senatum Goslariensem in vorangezogenen vier puncten
fundatam intentionem haben; Als ersuchen Wir Eure Hoch-Edle Herrl. und
Hochgelahrte Gunsten, Sie wollen geruhen, vorangeführte Facti relationem, nebst
denen hinc inde beygebrachten argumentis Collegialiter mit gebührenden Fleiß zu
erwegen, und Dero rechtliches Gutachten cum rationibus dubitandi &
decidendi darob zu ertheilen. Was pro studio & labore gefordert wird,
soll mit allem Danck bezahlet werden, und Wir beharren etc.
§. II. Ob nun wohl das darauff verfertigte responsum grösten theils(Das darauf erfolgte Responsum.) die allbereit in der specie facti vorgebrachte momenta
wiederholet; so wird doch die species facti deßhalb für überflüßig nicht
gehalten werden weil eines theils die momenta daselbst ausführlicher sind
beschrieben, und in dem Responso kürtzlich zusammen gezogen worden; theils weil
einer von denen Haupt-Umständen, auff welchem in dem responso hauptsächlich mit
reflectiret worden, in der an uns gethanen Frage nicht enthalten, nemlich daß
das Stifft quaestionis ein Evangelisches Stifft sey, und wie wir uns damahls
gewundert haben, daß die Herren quaerentes diesen Umstand nicht mit erwehnet;
also entsinne ich mich, daß einer von meinen damahligen Herren Collegis, der den
Zustand der Stadt Goßlar wohl innen hatte, denselben suppeditirte. Das Responsum
von mense Augusto lautet also:
P. P. Ist das Stifft S. S. Simonis & Judae zu Goßlar von langen Zeiten
her, absonderlich aber von Käyser Friderico Anno 1188. und Heinrico Anno 1234.
nebst Ertheilung anderer privilegien, auch mit dem privilegio exemtionis
versehen, und zu einen freyem Käyserl. exemt Stifft gemacht worden, auch bißhero
in ruhiger possess immedietatis & exemtionis blieben; Hat vor wenig
Jahren der Magistrat der Reichs-Stadt Goßlar über besagtes Stifft eine
jurisdiction sich angemasset, und als man dieserwegen bey dem supremo judicio
aulico zu Wien klagbahr worden, auch allergnädigste Rescripta pro manutenenda
possessione erhalten, hat denenselben doch auff Seiten des Raths nicht
nachgelebet werden wollen; Hat sich endlich ei
|| [196]
nige Hoffnung hervor gethan, die Sache in Güthe zu heben, und wollen
dieselben berichtet seyn: Ob Senatus oder Capitulum in dieser Controvers
fundatam intentionem habe?
Ob nun wohl auff Seiten des Magistrats angeführet werden möchte, daß die Stadt
Goßlar ein unmittelbahrer Evangelischer Reichs-Stand sey, der mit der
Superioritate territoriali und der davon dependirenden Jurisdiction in Geistl.
und Weltlichen, Civil und Criminal Sachen über alle und jede Bürger und
Einwohner in territorio begabet sey; Hiernechst nicht nur vermöge Passauischen
Vertrags und darauff erfolgten Religions-Frieden jurisdictio Ecclesiastica
contra Augustanae confessioni addictos suspendiret und jure Superioritatis ad
status Imperii devolviret worden, sondern auch instrumentum Pacis Caesareo Svec.
art. 5. §. quaecunque Monasteria 24. in dieser Controvers klahre Maaß gäbe,
indem darinnen ausdrücklich verordnet, daß welche Clöster-Stifftungen und andere
Geistliche Güther, die der Augspurgischen Confession verwandte Stände den 1.
Jan. 1624. in Besitz gehabt haben, Sie dieselbe auch hinführo in Besitz
behalten, und hierwieder keine exeintion weder vor dem Passauischen Vertrag und
Religions-Frieden oder nach denselben vorgeschützet oder die distinction, ob
solche Güter in oder de territoriis wären, attendiret werden solte, und aber
Senatus Goslariensis 1. Jan. 1624. in possessione Jurisdictionis über das Stifft
zu Goßlar gewesen wäre. Ferner besage Capitul. Leopold §. und zum dritten etc.
Käyserl. Majest. denen Ständen des Reichs sich verbunden, Niemand ein
Privilegium wieder der Stände Hoheit zu concediren, und da einige vor oder bey
wehrenden Kriege darwieder ertheilet worden, dieselben gäntzlich zu cassiren;
Auch endlich denenselben das von Käyser Ferdinando III. ertheilte Protectorium
wenig zu statten kommen möchte, indem dergleichen protectoria auch wohl
mittelbahren Unterthanen aus gewissen Ursachen pflegen ertheilet zu werden, auch
ohne dem die in ihrem Protectorio sub. F. erhaltenen Worte
auch darwider NB. ausserhalb ordentlichen Rechtens nicht bekümmern
arestiren, etc. selbsten dahin weisen, daß die Protectoria nur wieder unrechtmäßige Gewalt, & salva jurisdictione consveta gegeben werden. Dieweil aber dennoch das Stifft quaestionis schon vor langen Jahren, und da man bey denen heutigen freyen Reichs-Städten von der Superioritate territoriali wenig oder nichts gewust, zu einem unmittelbahren und eximirten freyen Reichs-Stifft gemacht worden, und was so wohl in den Religions-Frieden, als instrumento Pacis de suspensa Jurisdictione Ecclesiastica, eaque ex possessione d. 1. Jan. 1624. judicanda enthalten, nur auff solche Casus, wann zwischen unterschiedenen Religions-Verwandten Streitigkeiten vorfallen, zu ziehen ist, dergleichen aber allhier nicht zu sa
|| [197]
gen, indem
so wohl die Stadt als das Stifft der Evangelischen Religion zugethan; zu
geschweigen, daß besagter §. quaecunque Monasteria &c. de bonis
Ecclesiasticis mediatis ausdrücklich redet, und, wie von denenselben angeführet
worden, Senatus die gerühmte possessionem d. 1. Jan. nicht erweißlich machen
könne, vielmehr Senatus das Stifft und dessen Capitulares post instrumentum
pacis lange Zeit für Käyserl. Majest. und dem Heil. Röm. Reich, unmittelbar
unterworffen, gehalten und tractiret, und endlich durch besagten §. Capitul.
Lepold. Käyserl. Majest. sich nicht obligiret, alle unmittelbare
Reichs-Unterthanen wieder das interesse der Reichs-Stände bey ihren alten
Privilegiis und exemtionibus nicht zu schützen; So erscheinet hieraus
allenthalben so viel, daß dieselbigen in ihrer intenton wieder den Magistrat zu
Goßlar so wohl ratione possessorii als petitorii wohl fundiret, und da sich die
Güthe zerschlagen solte, sich contra Senatum denen Rechten nach eines
erfreulichen Urtheils zu getrösten. V. R. W.
§. I.
DIser gegenwärtige casus wurde auch anno 1694. in unsere Facultät(Zustand des Autoris zur
selbigen Zeit.) geschickt im Monat September, und war ich damahls noch
mit der gemeinen Meinung von den Hexen-Wesen so eingenommen, daß ich selbst
dafür geschworen hätte, die in des Carpzovii praxi criminali befindliche
Aussagen der armen gemarterten oder mit der Marter doch bedroheten Hexen
bewiesen den mit denen armen Leuten pacta machenden, und mit denen Menschen
buhlenden, auch mit den Hexen Elben zeugenden, und Sie durch die Lufft auff den
Blockersberg führenden Teuffel über flüßig, und könte kein vernünfftiger Mensch
an der Warheit dieses Vorgebens zweiffeln: Warum? Ich hatte es so gehöret und
gelesen, und der Sache nicht ferner nachgedacht; auch keine grosse Gelegenheit
gehabt, der Sache weiter nachzudencken. Dieses waren die ersten Hexen-Acten, die
mir Zeit Lebens waren unter die Hände gekommen, und also excerpirte ich dieselbe
mit desto grössern Fleiß und attention.
|| [198]
(Neun induia wieder die Inquisitin, die doch alles verneinet.)
§. II. Barbara Labarenzin, Martin Peroltzens Eheweib zu Cößlin war wegen Hexerey
in die inquisition gezogen worden, und waren in Actis folgende hauptsächliche
indicia wieder Sie befindlich. (1.) Daß Anno 1690. Ihr Mann Klage wieder einen
Knecht, der Ihr Hexerey schuld gegeben, geklagt, die Sache aber liegen lassen;
(2.) Daß eine Hexe, Tobias Beckers Wittbe Inquisitae bey der Confrontation unter
die Augen gesagt, daß Sie von ihr der Inquisitin vor 15. Jahren Zaubern
gelernet, auff einen Teuffel, Nahmens Hanß, umgetaufft, und Maria genennet
worden, auch mit Ihr öffters auf dem Blocks-Berge gewesen sey, wie nicht weniger
zu zweyen mahlen andern Leuten das Bier-Brauen verderbet habe. (3.) Soll Sie
besage testis 1. & 7. summarischer Aussage Hanß Köpens eines Hüters Frau
voll Läuse gemacht haben, als Ihr diese wegen eines Zancks, der unter Ihren
Kindern vorgangen, etwas vorgehalten gehabt. (4.) Soll Sie nach summarischer
Aussage testis 4. Christian Mendens Kinde rechten Arm und Hand lahm gemacht
haben, weil dieser mit Ihrem Mann Streit gehabt. (5.) Soll Sie, wie Testis 5.
summarisch deponirt, David Drosen und seiner Frauen Geschwüre angehext haben,
weil diese letzte Anlaß gegeben haben soll, daß Inquisitae Eydam mit in Krieg
genommen worden. (6.) Soll sie besage summariae depositionis testis 7. Hanß
Köpen die rechte Hand im Gelencke entzwey gehext haben, weil er Ihres Bruders
Frauen, die in einem bösen Geschrey gewesen, sich nicht habe annehmen wollen.
(7.) Soll Sie Marien Hildebrands Tochter taub und stumm gehext haben, wie aus
der Registratur von 27. Julii 1694. so immediate nach denen articulis
inquisitionalibus folget, zu sehen. (8.) Soll Sie Caspar Weißkamms Tochter,
besage der drauff folgenden Registratur von 25. Julii behext haben. (9.) Soll
Ihr der Inquisitin besage articuli inquisitionalis 120. seq. sehr bange gewesen
seyn, als Peter Scharrings Wittib gleichfalls als eine Hexe justificirt und zum
Thore ausgeführet worden. Ob nun wohl diese indicia gar leicht und legaliter in
etliche 20. oder 30. inquisitional-Artickel gebracht werden können, so hatte
doch der judex more per inquisitores magnae pravitatis introducto über 150.
Artickel befragt, und das Weib ware doch so hartnäckigt gewesen, und hatte alles
beständig geleugnet.
(Beweiß der Indicien durch Zeugen.)
§. III. Nun wäre diese Hartnäckigkeit zwar secundum naturam singularem &
privilegiatam processus magici hactenus recepti alleine genung gewesen, diese
Inquisitin vom Morgen biß auff den Abend durch die schärffste tortur zur
Geständniß der beschuldigten Hexerey zu bringen. Alleine der Richter hatte ex
superfluo, und der inquisitin das
|| [199]
Maß voll zu machen,
more communi des gemeinen Inquisition-Processes die Zeugen eydlich abgehöret.
Bey dem (1.) und (2.) indicio brauchte es keiner Zeugen-Verhör, denn die
Registraturen ex Actis bewiesen dieselben genungsam. Das indicium (3.)
bestärckte testis 1. & 2. (der in der summarischen Aussage testis 7.
gewesen war) dadurch: Daß etwa eine Stunde hernach, als Köpens Frau Inquisitin
zur Rede gesetzt, die Köppin gantz voller Läuse worden, als wann Sie besäet
gewesen, und wären diese Läuse durch das offene Fenster, als ein Nebel wie
Kleyen augenscheinlich eingezogen, und ob schon andere Leute mehr zugegen
gewesen, dennoch auff niemand als die Köppin gefallen. Die Köppin sey so bald in
der Inquisitin Hauß gegangen, und nachdem Sie solche nicht angetroffen, habe Sie
die Läuse der Inquisitin Manne und andern gewiesen, die selbst dafür gehalten,
daß dieses nicht mit rechten Dingen zugehe. Hierauff habe Sie die Läuse in der
Inquisitin Hofe abgekehret, und wären selbe auch hernach wegblieben, und nicht
wiederkommen. (in respons. ad artic. probator. 6. btß 15.) Ja es schiene
hiernechst Inquisitin sich noch mehr verdächtig zu machen, daß Sie ad artic.
inquisit. 46. gar nicht gestehen wollen, daß Sie die Köppin wegen des
Kinder-Zancks zur Rede gesetzt hätte; ja daß Sie ad artic. inquis. 56.
gestanden, wie Sie darüber hefftig erschrocken, und nichts antworten können, als
Ihr wegen der Läuse extra protocollum Vorhaltung geschehen. Was das (4) indicium
betrifft, deponiret testis 4. ad art. probat. 17. biß 21. item ad interrogatoria
ad artic. 19. und 20. daß Ihr Mann Christian Mend mit der Inquisitae Manne auff
dem Felde sich gerungen gehabt, darüber dieser letzte einen üblen Fall gethan.
Als nun der Zeugin Mann der Inquisitin es nicht nach Ihren Willen machen und
Artztlohn geben wollen, so hätte diese oder dero Schwester (welches Zeugin
vergessen) gesagt: Er der Zeugin Mann solte betrübet werden, und habe das Kind
also fort zu stöhnen angefangen, sey Ihm auch drey Tage drauf der Arm und die
Hand verlahmet, ingleichen sey Ihrem Manne in der Nacht nach beschehenen Ringen
so angst gewesen, daß Er nicht bleiben können, habe es auch so fort der
Inquisitin zugedacht. Bey dem (5) indicio deponiren zwar testis 5. & 6.
ad art. prob. 22. biß 27. nichts sonderliches, daß Inquisitin graviren könte;
Aber was das (6) indicium belanget, bestärcken testis 1. & 2. (in
summar. depos. 7.) Ihre vorhero gethane summarischen Aussagen eydlich ad art.
probat. 3. biß 37. und scheinet Inquisita graviret zu werden, daß Sie art.
inquis. 94. & 95. nicht gestehen will, mit dem Zeugen, wie er angegeben,
geredet zu haben, ingleichen daß Sie ad artie. inquis. 96. läugnet, daß Sie
damahls sehr ängstlich gethan, welches
|| [200]
doch beyde
Zeugen art. prob. 36. eydlich erhärten. Quoad indicium (7.) wird abermahls
inquisita durch test. 9. & 10. Aussage ad art. 38. biß 43. wenig
gravirt, wie denn diese Zeugen art. 41. ad int. 1. selbst gestehen, daß Ihre
Tochter vorhero kranck gewesen, und nicht wohl gehöret: ingleichen können Sie
artic. 40. nicht sagen, daß es Inquisitin verdrossen, daß Ihre Tochter so wenig
vor die Wache bekommen. Wegen das (8) indicii deponiren testis 11. und 12. ad
artic. probat. 45. & 46. und deren beygefügte interrogatoria, daß Sie
mit der inquisitin in Streit gerathen, weil testis 12. zu der inquisitin
jüngsten Tochter gesagt gehabt, es sey auff die Inquisitin bekant worden, und
sey einige Zeit hernach dieser Zeuginnen Tochter und Schwester bey gesunden
Leibe in Fuß kommen, davon Sie lahm worden, es habe sich auch der Apothecker und
Barbirer nicht darein schicken können, man habe auch unter der Schwelle ein
Papier gefunden, darinnen mancherley Sachen von Eyern und Saamen gewesen. Wegen
des (9) indicii ist ad art. probat. 47. und 48. die hiervon handeln, keine
Zeugen-Aussage vorhanden.
(Exceptiones des Defensoris wieder diese indicia.)
§. IV. Wieder diese indicia führet der Inquisitin defensor folgende exceptiones
an: Ad (1) daß der Inquisitin Mann wegen Armuth den Proceß liegen lassen müssen.
Ad (2) daß solchen Hexen nicht zu glauben sey. Ad (3) Es folge nicht, daß Sie
diese Läuse gemacht hätte; Zudem müste testis 1. ad interr. 3. art. prob. 6.
selbst gestehen, daß Sie keine Droh-Worte von der Inquisitin gehöret. Ad (4) Sey
die 4. Zeugin testis in propria causa, unica, deponire de auditu alieno, wisse
auch ad art. 19. nicht einmahl, ob Inquisitin oder Ihre Schwester die Drohworte
geredet. Ad (5) Es stünden ja test. 5. & 6. selbst in den Gedancken, daß
die Geschwüre aus bösen Geblüte entsprungen, in resp. ad int. 3. art. probat.
27. Ad (6) Gestünden gleichfalls test. 1. & 2. ad interr. 1. art. prob.
37. Sie hätten keine Drohworte von der Inquisitin gehöret, und sey der Armbruch
erst drey viertheil Jahr hernach erfolget, welches juxta art. 44. der Peinlichen
Halß-Gerichts-Ordnung keinen Verdacht mache. Ad (7) Gestunden test. 9. &
10. ad art. 40. selbst, es habe Inquisitin nichts verdrossen, ingleichen ad
inter 1. art. 41. daß die Tochter schon vor zwey Jahren taub gewesen. Ad (8)
Inquisita habe zwar Streit mit der Zeugin gehabt, könte aber niemand sagen, daß
Sie gedrohet, auch testis 11. & 12. ad interr. 1. art. 46. nicht sagen,
wie lange hernach die Lähmung erfolget.
(Darauff erfolgtes Urtheil.)
§. V. Nachdem ich den bißher erzehlten extract ex Actis ad referendum
verfertiget, bemühete ich mich zu Uberlegung und Abfassung meines voti des
Carpzovii Criminalia, ingleichen den Malleum malefica
|| [201]
rum, Torreblancam, Bodinum Delrico, und was ich für Autores de Magia
mehr in meiner wenigen Bibliothec antraff, zu consuliren, und da fiele nun
freylich nach dieser Männer Ihren Lehren der Ausschlag dahin, daß die
Inquisitin, wo nicht mit der Schärffe, doch zum wenigsten mit mäßiger Pein wegen
der beschuldigten Hexerey anzugreiffen wäre. Und dachte ich dannenhero mit
diesem meinen voto in der Facultät Ehre einzulegen. Aber meine Herren Collegen
waren gantz anderer Meinung, und muste ich dannenhero das Conclusum Facultatis
auff folgende Art entwerffen.
Daß wieder Barbaren Labarentzin in Ermangelung anderer Indicien ferner nichts
vorzunehmen, sondern Sie ist nunmehro nach geleisteten Urpheden der gefänglichen
Hafst zu erlassen, jedoch seynd diese Acta wohl zu verwahren, und ist auf ihr
Leben und Wandel fleißig acht zu geben, Sie ist auch die auff diesem Proceß
ergangene Unkosten nach vorhergegangener Liquidation und richterlicher
Ermäßigung zuerstatten schuldig. V. R. W.
§. VI. Nun verdrosse es mich aber nicht wenig, daß bey diesem ersten(Dessen rationes
decidendi.) mir unter die Hände gerathenen Hexen-Proceß mein votum
nicht hatte wollen attendiret werden, aber dieser Verdruß war nicht sowohl
wieder den damahligen Herrn Ordinarium und meine übrige Herren Collegen, als
wieder mich selbst gerichtet. Denn da ich allbereit in der Ausarbeitung meiner
Teutschen Logic gelehrt hatte, daß ein weiser Mann die beyden Haupt-praejudicia,
menschlicher autorität und der Ubereilung meyden müste, verdroß es mich auff
mich selbst, daß mein votum auff nichts als die autorität obiger, und zwar
grösten Theils offenbahr partheyischer unvernünfftiger Männer, und auff dero
übereilte und unzulängliche rationes sich gründete, fürnehmlich darauff, daß die
justificirte Hexe es der Inquisitin in die Augen gesagt, daß Sie von Ihr hexen
lernen, und umgetaufft worden, auch bey dieser Aussage biß an Ihrem Tod
beständig verharret wäre. Ja es verdrosse mich noch mehr auff mich, daß ich, so
bald ich die rationes contrarias meiner Herren Collegen nur hörete, ich alsbald
von deren Wichtigkeit convinciret wurde, und nichts drauff antworten kunte. Es
bestanden aber diese rationes in folgenden Umständen.
Ob wohl die wegen Hexerey verbrannte Anna Strackefelds bey der Confrontation
Inquisitin in die Augen gesaget, daß Sie vor ohngefehr 15. Jahren von der
Inquisitin Zaubern gelernet, und von Ihr einen Teuffel Hans genannt in einer
Neige Kohl bekommen, auff denselben umgetauffet und Maria genennet worden,
ingleichen daß Inquisitin mit ihr öffters auffn Blocksberge gewesen, und zu 2.
mahlen andern Leuten das Bier-Brauen verderbet; Hiernechst Inquisita von andern
Zeugen beschuldiget worden, daß Sie Läuse gemachet, und etliche Personen durch
Hexerey gelähmet,
|| [202]
oder Ihnen andere Kranckheiten und
Schäden zugefüget; Dieweil aber dennoch Inquisitin dieses alles beständig
verneinet, und einer Person, die wegen Hexerey verbrannt worden, wenig Glauben
beyzumessen, wenn Sie gleich ihre Aussage mit ihrem Tode bestärcket, weil die
Ursache, die etwa in andern delictis pflegt angeführt zu werden, quod delinquens
de complicibus deponens non praesumatur esse immemor salutis aeternae, auf eine
Hexe nicht appliciret werden mag, und ferner dasjenige, was die andern Zeugen
wieder Inquisitin deponiret, deßwegen nicht zu attendiren, weil Sie als testes
unici, in causa propria, de auditu alieno, non tam de veritate quam credulitate,
maxime vero de actibus remotis deponentes zu consideriren: So machen zwar diese
indicia einige praesumtiones wieder Inquisitin ad inquisitionem sussicientes,
und weßhalb Sie zu Erstattung der Unkosten zu condemniren; Sie seynd aber nicht
gnug ad torturam, auch nicht einmahl ad purgationem per juramentum, zumahl
ohnedem dergleichen purgatio bey einer Person, die Hexerey beschuldiget wird,
nicht gebraucht werden kan, und ist dannenhero, als obstehet, zu erkennen
gewesen.
(Daß auff das Angeben anderer Hexen nicht zu trauen.)
§. VII. Ich vermuthe wohl, daß noch viele von denen Lefern seyn möchten, die auff
den noch leider mehr als zu gemeinen Schlendrian grosse Stücken zu halten
pflegen, nemlich daß die denunciation und Aussage justificirter Hexen ein
starckes indicium wieder andre denuncirte sey, und würde es vergebens seyn, mit
Leuten, die muthwillig an praejudiciis hangen, in einer ordentlichen
vernünfftigen disputation sich einzulassen, sondern wenn man selbige gewinnen,
oder doch zum wenigsten Ihnen Ihre Thorheit höflicher Weise zu verstehen geben
will, muß solches per indirectum geschehen, & tanquam aliud agendo.
Dannenhero wird es Ihnen verhoffentlich nicht unangenehm seyn, wenn ich Ihnen
folgende Historie vorstelle, und Sie bitte, sie möchten doch solche wohl und
reiflich überlegen, zumahlen da dieselbe in Anfang Ihre Meinung vertheydiget. Es
hat ein Grosser Herr in Teutschland zween Geistliche zu seiner Tafel beruffen,
Männer von sonderbarer Geschicklichkeit und Frömmigkeit; Unter der Mahlzeit
fieng der Fürst zu den einen also an zu reden: Mein Herr Pater, meynet ihr auch, daß wir biß daher recht daran gethan, indem
wir auff zehen oder zwölff Besagungen deren, so diese oder jene auf den
Zauber-Täntzen gesehen zu haben bekennet, dieselbige angreiffen und torquiren lassen; Ich besorge sehr, daß der Teuffel als
ein tausendkünstiger Bösewicht seine Bundsgenossen in viele Wege betriege, und
daß es demnach mit den Besagungen, darauff man biß hieher gegangen, ein
unsicheres gefährliches Ding sey, zumahlen weil so viel fürnehme gelehrte Leute
dieser Anzeige wiederspre
|| [203]
chen, und uns damit
das Gewissen gerührt haben, derhalben sagt mir Herr Pater, was dünckt euch dabey. Hierauf fuhr der Pater so bald heraus (wie dann diejenigen, welche kaum vier Schuh vom
Kachel-Ofen kommen, in ihren Discursen sich übel moderiren können) und sagte: Ey Gnädiger Herr, was ist
nöthig, daß wir uns hierbey viel Beschwerung machen, last uns ja nicht meynen,
daß der allmächtige GOtt das zulassen werde, daß ehrliche unschuldige Leute
solchergestalt solten geschändet werden, derowegen ists unvonnöthen, daß ein
Richter, wann er so viel Besagungen wieder jemanden hat, sich ferner ein
Gewissen machen wolte, sondern er kan darauf sicher fortfahren. Als nun der
Fürst hiergegen replicirete, und zwischen ihnen beyden
die Sache beyderseits disputiret worden; der Geistliche
aber auf seiner Meinung steiff und feste beharrete, endigte der Fürst diese disputation mit nachfolgenden Worten: Es ist mir, Herr
Pater, vor euch leid, daß ihr das Urtheil mit euern
eigenen Munde schon wieder euch gefället, und derowegen euch nicht zu beschweren
habt, daß ich euch beym Kopffe nehmen und ins Gefängniß führen lasse, angesehen,
daß ihrer unter funffzehen nicht seyn, welche alle mit einander bekannt haben,
daß ihr mit ihnen auff dem Zauber-Tantze gewesen seyd, und damit ihr nicht etwan
meinet, als ob ich schertze, so will ich alsbald die Acta herbringen lassen, da könt ihr auch selbst drinne lesen, und werd et
darinnen finden, daß ihr von so viel Zeugen überwiesen seyd. Da stunde der gute
Gesell wie Butter an der Sonnen in Hundstagen, und konte nichts vorwenden, weil
er sich selbsten zu schanden gemacht hatte, und war seine vorige Beredtsamkeit
plötzlich in ein stummes Stillschweigen verkehret. Diese Historie erzehlet der
Autor cautionis eriminalis, dubio 48. p. 347. Und hat man wohl ehe Exempel, daß
die Hexen gemartert, und ungemartert Ihre eigene Richter angegeben haben.
§ IIX. Nachdem also die bey mir bißhero gewesene persvasion von(Exempel von etlichen andern Hexen-Acten.) der Vortreflichkeit und Nutzbarkeit des in Sachsen
und an anderen Orten des Römischen Reichs üblichen Hexen-Processes einmahl ware
wanckend gemacht worden, fieng ich nach und nach immer mehr und mehrn an, in das
Elend unserer Universitäten und Juristen-Facultäten oder Schöppen-Stühle, was
den Hexen-Proceß betrifft, einzusehen, biß endlich Anno 1701. und 1712. ich die
Boßheiten und Thorheiten dieses Processes in zwey disputationibus so leibhafftig
und kentlich abgemahlet, daß hernach auch andre
|| [204]
durch
GOttes Gnade dieses Elend tieffer einzusehen und von dergleichen Thorheiten
abzustehen angefangen, und solches zu thun annoch fortfahren, ob schon annoch
freylich Ihrer nicht wenig von allen vier Facultäten darüber murren, oder
gruntzen, weil bißhero der so genante Hexen-Teuffel, wo nicht gar der Grund,
doch zum wenigsten der Eckstein und höchstnöthiges Stück Ihrer Systematum oder
Compendiorum Theologicorum, Juridicorum, Medicorum, Physicorum vel
Metaphysicorum gewesen, ohne welchen sonst die grosse Diana der Epheser nichts
gelten dürffte. Aber über diese arme Leute muß man sich nicht erzürnen, sondern
vielmehr mitleiden mit Ihnen haben, daß der mehr als Papistische und Heydnische
Aberglauben von dem Hexen-Teuffel so tieff bey Ihnen eingewurtzelt ist, daß alle
Hoffnung aus ist, daß Ihnen geholffen werden könne. Weil nun über dieses ohnedem
Ihr Grißgramen oder Ihre andere Pharisäische Erfindungen vergebens sind, die
einmahl in die Tummheit dieser Lügen allzutieff einsehende heutige gelehrte und
vernünfftige Welt wieder zur vorigen Raserey zu bringen, daß Sie an diesen
närrischen Knecht Ruprecht wieder gläuben solten; Als ist wohl an klügsten
gehandelt. wenn man diese Alte Trödler nach und nach absterben, und Ihnen von
Ihres gleichen die herrlichsten Leichen-Predigten thun läst, in übrigen aber
wegen Beantwortung der Schrifften Ihrer oder Ihrer Jünger ferner keine Feder
mehr ansetzet, sie mögen es auch so thöricht und grob machen, als Sie immer
wollen. Wiederum auff mich selbst zu kommen, so fügte es die göttliche
Vorsehung, daß immer nach und nach auch andere Hexen-Acten in unsere Facultät
geschickt und meiner relation anvertrauet wurden, die mich gleichsam forcirten
die Augen immer weiter und weiter auffzuthun, und die miserable prostitution der
Hexen-Richter und Advocaten zu erkennen.
(Nemlich von einem Mägdgen das Mäuse machen können.)
§. IX. Und zwar so geschahe es noch eben dasselbige 1694. Jahr, daß im Monat
October von dem Königlichen Dänischen Cantzley-Rath und Justitiario des Amts
Steinburg Herrn W. H. Masio aus Itzehoe andre Hexen-Acta an Uns geschickt
wurden. Diese betraffen ein alt Weib, welches ein Mägdgen von 9. Jahren
beschuldigt hatte, daß Sie von Ihr Mäuse machen lernen; und war von dem Fiscal
und denen Defensoribus beyder Inquisiten ernstlich mit einander disputiret
worden; ob nicht die Alte, die nicht gestehen wolte, daß Sie dem Mägdgen Mäuse
zu machen gelehret, und das Mägdgen, das sonst weiter nichts weder wieder sich
noch wieder die Alte aussagen wolte, torquiret werden solten. Es wurden dabey
von beyden Theilen schöne allegata legum & doctorum auff allen Seiten
angebracht, auch das Mäusemachen des Mägdgens mit den Schlangen
|| [205]
machen der Zäuberer Pharaonis von dem Fiscal verglichen; von dem
Defensore aber, daß das arme Mägdgen von der alten Hexe sey verführet worden,
hauptsächlich angeführet, da doch, wenn man die Aussage des Mägdgens und anderer
Kinder, die das Mäuse machen gesehen, nur ein wenig mit Verstand ansahe,
jederman gleich spüren kunte, daß das Mägdgen keine andere Mäuse gemacht, als
die bey uns fast alle kleine Kinder, etwas zu lachen zu machen wissen, wenn man
ein Schnuptuch zusammen wickelt in der Forme, daß zwey Enden auf beyden Seiten
hervor gucken, dereneines den Schwantz bedeutet, aus dem andern aber ein Knoten
geknüpft wird, daß er den Kopff bedeutet, und dieses gemächte hernach auff die
Hand setzt, und streichelt, unvermerckt aber mit dem einen Finger einen Stoß
giebet, daß diese Schnuptuchene Mauß auff den Tisch springet, und von dar wohl
gar fort und unter den Tisch kaulert. Wer wolte nun, wenn er solche Dinge
lieset, nicht betrübt werden, daß wegen solcher Kinderpossen arme Kinder und
alte Weiber, cum tanto apparatu allegationum angeklagt, und ohne Bemerckung
dieser Kinderey, tanquam in re seria defendiret würden. Dieses Exempel thate mir
ziemlich die Augen auff, daß ich dieses noch mehr als Papistische Verfahren
deutlicher erkennen, und den Ursprung desselben ein wenig genauer nachzuforschen
lernete. Daß aber die relation dieser Acten allhier nicht ümständlich
ausgeführet wird, ist deßhalben geschehen, weil dieselbe allbereit in Herr D.
Reichens Unfug des Hexen-Processes p. 485. biß 622. zu befinden.
§. X. Der andere casus, der sich folgends 1695. zugetragen, und(Von einem Jungen, der abscheuliche Dinge per pacta mit dem Teufel gethan zu haben freywillig
ausgesagt.) dessen Umstände ich gleichfalls Herr D. Reichen
zugestellet, auch eben daselbst p. 622. biß 682. zu finden ist, ist noch
curieuser, indem ein munterer, und mit einem aufgeweckten Verstand begabter
Junge von 17. Jahren, in dem Closter Wolmerstett, freywillig gegen andre seines
gleichen bekant, auch hernach gerichtlich solches wiederholet, daß er pacta mit
dem Teuffel gemacht, nebst seinen gewesenen Herren einen Artzt, sich respective
in einen Vogel und Esel verwandelt, und solcher gestalt vielen Menschen Schaden
gethan, welches er mit so vielen recht abscheulichen, aber dabey auch grösten
Theils unglaublichen Umständen erzehlet, daß man ohne Entsetzen über des Jungen
Verwegenheit es nicht lesen kan. Wie aber alles zugegangen, und wie durch unsere
sententias interlocutorias und was darauff erfolget, daß dieser Lug und Betrug
völlig entdeckt, auch der Junge nicht wegen Zauberey, sondern wegen seiner
frechen Lügen gestrafft und gezüchtiget worden, kan daselbst mehrern Inhalts
gelesen werden. Und dieses gabe mir noch mehr Anlaß, auff Untersuchung des
Hexen-Wesens bedacht zu
|| [206]
seyn, zumahlen da ich den
Jungen etwas gekant, als er sich hier in Halle auffgehalten, und mir bewust war,
daß er sich sehr scheinheilig anzustellen wuste, auch sein ingenium so
beschaffen war, daß er Z. E. eine einmahl gehörte Predigt in guter Ordnung
wieder summariter hererzehlen konte. Ja es hatte seine schelmische Verstellung
einen sonst klugen und gelehrten Theologum, der sich damahls bey Wolmerstett
herum auffhielte, betrogen, daß er, da ich wegen der an uns geschickten Acten
mich mit Ihm beredete, sich nicht einbilden konte, daß dieses Lug und Trug sey,
sondern es für ein extraordinaires Werck des Teuffels hielte; indem der
Bösewicht Ihn gebeten hatte, Ihm beyzustehen, und Ihm beten zu helffen, auch
selbsten mit Hersagungen vieler hierzu dienlicher Sprüche aus der heiligen
Schrifft den Anfang gemacht, bald aber innen gehalten und gethan, als wenn Ihm
der Teuffel die Sprache nähme, und mit dem Stuhle (darauff er gesessen, und der
etwan ein paar Schuh von dem Camin abstund) fortrückte und den Kopff an den
Camin andrückte, als wenn er erwürgen solte, (dergleichen Registratur auch in
Herrn D. Reichens Buche p. 672. zu finden) welches der besagte Theologus mit
Gewalt, jedoch bescheidentlich gegen mich behaupten wolte, daß es kein
simulirtes Werck seyn könne; biß der eventus ein anders erwiesen.
(Erinnerung wegen anderer Actorum
magicorum.)
§. XI. Ob ich nun wohl gesonnen bin, künfftig denen Juristischen Händeln auch
andre merckwürdige Hexen-Händel mit einzumischen, so wird man sich doch nicht
wundern, daß obbesagte zwey casus, ob Sie schon sehr merckwürdig sind, werden
ausgelassen werden, weil sie allbereit schon an gedachten Ort zu finden sind.
Die von Herr D. Reichen daselbst p. 682. biß 774. angeführten dritten und
vierten Acta Magica betreffend, gehen selbige Unsere Facultät nicht an, indem
dieselbe anno 1676. item 1689. passirt, da Unsere Facultät noch in der holen
Weyde lag, und nicht concipirt worden war. Ich kan mich auch nicht mehr
besinnen, woher Herr D. Reiche diese Acta bekommen hatte: Sie sind aber auch
dergestalt nach denen principiis des gemeinen Schlendrians gehalten und darinnen
auch nach dieser Melodey gesprochen worden; daß wohl daß Haupt-Absehen damahls
gewesen, sie beydrücken zu lassen, ut opposita juxta se posita magis elucescant.
|| [207]
XIX. Handel. Von Partheylichkeit der Richter, die in Inquisitions-Sachen, die
Ihnen nicht anstehende Urtheile ab Actis removiren.
§. I.
ES muß hier zuförderst repetiret werden, was oben bey dem II.(General-Anmerckungen.)
Handel §. I. & II. von der Schädlichkeit der Denuncianten, und denen
excessen der Richter in Inquisitions-Sachen in genere angemerckt worden. Was die
Denuncianten betrifft, ist überhaupt mit angemerckt worden, daß die Feindschafft
derselben gegen die denuncirten gar viele Verwirrungen in Inquisitions-Sachen zu
machen pflege, und dannenhero die Richter in dergleichen Fällen desto behutsamer
zu gehen haben. Ich habe zwar daselbst in fine §. I. p. 107. unterschiedene
Classen von allerhand Feinden erzehlet. Ich habe aber damahls vergessen die
Feindschafft der Schulmeister gegen Ihre Prediger, und der Substituten gegen
die, denen sie substituiret sind, & vice versa zu benennen. Was die
excesse der Richter betrifft, habe ich daselbst ein Exempel von Commissariis
gegeben, die Ihre Commission überschreiten. Ferner bey dem XII. Handel habe ich
viel von denen Mißbräuchen geredet, die von denen Richtern bey Abfassung der
Urtheils-Fragen pflegen vorgenommen zu werden, welches auch vor Lesung des
gegenwärtigen Handels zu repetiren nicht wird undienlich seyn.
§. II. Denn allhier stellet sich ein solcher Handel vor, da zwey
Schulmeister(Derer application auff gegenwärtiges responfum.) und ein Substitute einen alten Pastorem denunciret, von
deren Feindschafft gegen Ihn derselbige gnungsame Zeugnisse beygebracht hatte.
Die Herren Consistoriales, die von dem denuncirten Pfarrer geschimpfft seyn
solten, hatten sich nicht alleine als Judices in propria causa (welches auff
gewisse masse noch passiret werden können) auffgeführet, sondern auch die vor
dem denuntianten gesprochene sentenz ab Actis removiret, und in die Neue
Urtheils-Frage dem Denunciato praejudicirliche Umstände eingerückt, welches
alles aus dem folgenden Responso, daß Anno 1694. im Monat October auff des
Denunciati Anfrage nomine Facultatis nostrae verfertiget worden, mit mehrern
wird zu ersehen seyn.
|| [208]
P. P. Hat dessen bißheriger Schulmeister Heinrich W. bey dem Consistorio zu A.
unterschiedenes wieder denselben, sonderlich aber grobe injurien, wormit Er
seine Vorgesetzten in Consistorio angetastet haben solle, denunciret, es auch
damit so weit gebracht, daß die Herren Consistoriales die Sache genau zu
untersuchen, die angegebenen Zeugen abzuhören, ihn darüber zu vernehmen, ferner
mit der gebethenen defension pro avertenda inquisitione zu zulassen, und die
Acta so dann in einen gewissen Schöppen-Stuhl zu versenden, Commissarios
angeordnet; hat besagter Schöppen-Stuhl, als die Acta dahin verschicket worden,
zu Recht erkennet, daß derselbe nicht allein mit der Special-Inqnisition zu
verschonen, sondern auch wegen zugezogenen Schimpffes, Schadens und Unkosten
seinen Regress an die denuncianten zu nehmen befugt sey, welches Urtheil aber
demselben nicht publiciret, sondern von dem Consistorio die Acta anderweit, nach
Rechtl. Erkäntniß versendet, und in der neuen Urthels-Frage diese Umstände: Daß
derselbe licentioes in Reden und bereits wegen dergleichen mit dem vorigen
Kirchen-Patrono gehaltenen Irrungen und Wiederwärtigkeiten translociret: item:
Sie könten nicht begreiffen, wie der Schöppen-Stuhl so gelinde sprechen könne,
eingerücket, und darbey gebethen worden, dieses mit zu erwegen, und ad Acta und
anderweit zu sprechen; Hat ferner das Collegium, wohin die Acta zum andern mahl
gesendet worden, die vorige sentenz corrigiret, und daß er wegen derer wieder
das Consistorium angegebenen Injurien, und daß er solche nicht ausgestossen,
eydlich sich reinigen solte, erkennet, worauff das Consistorium anbefohlen, daß
diesem letzten Urtheil nachgegangen, zur Eydes-Leistung ein termin anberaumet,
oder aber eine Frist zu dessen anderweitigen defension verstattet werden solle,
und derselbe will anfänglich berichtet seyn: Ob die in seiner defension benennten Zeugen und Personen gestalten Umständen nach de jure habiles und Ihn so fort ad
purgatorium graviren können, oder ob sie nicht vielmehr wegen ihrer
vielen und grossen defecte ipsojure zu verwerffen, und
es dahero bey der absolutoria zu lassen
Ob nun wohl Heinrich W. in seiner denunciation wieder denselben viele üble Dinge
mit specialen Umständen angegeben, und sich dißfalls fürnehmlich auff 2. Zeugen,
nehmlich dessen eigenen Substitutum Johann T. und den gewesenen Schulmeister zu
R. Heinrich K. bezogen, in übrigen aber 2. Zeugen, wann sie gleich nicht omni
exceptione majores, dennoch eine praesumtion ad juramentum purgatorium reo
imponendum machen können.
Dieweil aber dennoch, so viel den denuncianten Heinrich W. betrifft, derselbe per
testes defensionales und attestata Seinem Bericht nach graviret wird, daß Er ein
übles Lob habe, ein Dieb, und ab officio removiret sey, auch noch zu W. in
peinlichen Processe stecke, mit demselben (Quaerenten) in offenbahrer
Feindschafft lebe, und sich berühmet habe, wenn Er mit dem Substituten es nur
dahin bringen könne, daß demselben das Handwerck geleget würde etc. Ferner
dessen Substitutum Johann T. belan
|| [209]
gende aus
beygelegter Abschrifft Rot. 1. & 3. testium defensionalium erhellet, daß
derselbe besagtem Substituto viel Gutthaten erwiesen, und ihm zur Substitution
verholffen, dieser aber Ihn mit Undanck belohnet, und wegen der Gebühren mit
demselben Streit angefangen, auff der Cantzel ihn gröblich angegriffen, auch
sonst ein Mensch seyn solle, der bey Gastereyen für vornehmen Adelichen Personen
und Frauenzimmer garstige, und einem Priester übel anstehende Reden zu führen
gewohnet, absonderlich aber bey einer Decem-Einnahme von der Beschuldigung, als
ob Derselbe die Herren Consistoriales injuriret habe, autor und diffamant
gewesen, und von ihme der denuncirende Schulmeister es gehöret und aufgefangen;
Endlich was Heinrich K. angehet, gleichfalls ex Rotulo 1. zu sehen, daß Er in
üblen Ruff, ein Priester-Feind und Injuriant sey, auch weil derselbige Ihn wegen
ausgestossener injurien denunciret, sonderlich Feindschafft gegen denselben
hege, und bedrohliche Worte wieder Ihn ausgestossen, auch sein Vorgeben wegen
der Zeit per test. 1. ad art. 29. in Rot. 1. elidiret worden, in übrigen aber so
wohl Johann T. als Heinrich K. testes singulares sind, und allen Ansehen nach,
nach Anleitung des Inquisition-Processes, und weil man noch in dilatoriis
& avertenda Inquisitione versiret, noch zur Zeit, nur summarisch und
ohne Eyd abgehöret worden, kein Zeuge aber ohne Eyd in Processu zu attendiren,
auch nicht einmahl eine praesumtion ad juramentum purgatorium machen kan. So
erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß die angegebenen Zeugen wegen
sothaner Mängel, keine genungsame praesumtion ad
inquisitionem specialem oder juramentum
purgatorium wieder denselben machen können, sondern es billig bey der
ersten sententia absolutoria zu lassen sey.
Auff die 2. Frage E. W. V. R. Will derselbe ferner berichtet seyn, ob die Herren Consistoriales ihm die sententiam absolutoriam mit Bestande vorenthalten, und ein ander Urtheil wieder ihn einholen, auch nach Anleitung desselben ihn nunmehro zur Eydes-Reinigung anhalten können; Ob nun wohl in causis Criminalibus die von einem Richter zu seiner Information eingehohlten Urtheil keine andre als probabilem autoritatem haben, und wenn der Richter aus erheblichen Ursachen dieselben den Rechten und Acten nicht gemäß zu seyn erachtet, ihm bey einem andern Collegio sich Raths zu erholen, nirgends verbothen ist, auch ferner in processu inquisitorio hauptsächlich auff diesen Umstand zu sehen, ob ein reus eine solche Person sey, zu der man sich der angeschuldigten Mißhandelung zu versehen habe, und dannenhero die Herren Consistoriales nicht ohne Grund bey anderweitiger Verschickung der Acten obspecificirte Umstände in die Urthels-Frage mit eingerücket zu haben scheinen. Dieweil aber dennoch, was von der Freyheit eines Richters, die Acta anderweitig zu verschicken, angeführet worden, nur von dergleichen sententiis zu verstehen ist, die eine
|| [210]
Obrigkeit motu proprio und zu ihrem
eigenen Unterricht einholen lässet, keines weges aber auf diejenigen sententias
zu ziehen, die, wie allhier geschehen, ad plena acta auf der Inquisiten Kosten,
und auf deren Anhalten, eingeholet werden; Ferner derselbe besage Rotuli
defensionalis 1. bonam famam, auch als ein alter 70. jähriger Priester
praesumtionem juris für sich hat, und mala fama eines Rei dem gewöhnlichen
Proceß nach per testes zu erhärten, nicht aber durch eigenseitige Registraturen
oder den Urtheils-Fragen eingeruckte, gehäßige und nicht ex Actis zu
verificirende Umstände zu nehmen; Uber dieses allhier wohl zu erwegen, daß die
Herren Consistoriales in diesem Casu injuriati und pars laesa seynd, auch die
Acta in den Schöppen-Stuhl, darinnen die absolutoria gesprochen worden, selbsten
willkührlich gesendet, auch für sothanen Schöppen-Stuhl absonderlich, weil
dessen Bericht nach derselbige dem Landes-Herrn mit Pflichten verwandt, zu
praesumiren, daß er unpartheyisch gesprochen habe; zu geschweigen, daß allen
Umständen nach, und weil derselbige noch nicht ad articulos respondiret, sondern
in defensione pro avertenda ocoupiret ist, die letzte fentenz nullitate zu
laboriren scheinet, indem die sententiae juramentum purgatorium imponentes auff
gewisse Masse pro definitivis zu achten; keine sententia definitiva aber, ehe
der reus ad articulos respondiret, und sonsten was dem Proceß gemäß, vollführet
worden / ergehen kan; Endlich bey dieser Bewandniß derselbe ex prima fententia
ein jus quaesitum erlanget, und daraus von denen Herren Consistorialibus nicht
gesetzet werden mag; So kan auch derselbige mit Bestande Rechtens zur
Eydes-Reinigung nicht angehalten werden, sondern es wird ihm das erste Urtheil
von denen Herren Consistorialibus billig publiciret und es darbey gelassen;
Auff die dritte Frage; Ob wieder den Substitutum und
beyde Schulmeister wegen der vermittelst eydlicher Zeugnisse und attestaten
dargethanen Verbrechen, die Inquisition anzuordnen:
erachten W. V. R.
Ob wohl von jeder Obrigkeit dahin zu sehen, daß die Mißhandlung gebührend
gestrafft, und wieder anrüchtige Personen inquiriret werde;
Dieweil aber dennoch die bey der ersten Frage benenneten Anschuldigungen, damit
derselbe seinen Substitutum und die beyden Schulmeister beleget, also
beschaffen, daß auff dieselben wegen vieler varirenden Umstände auff eine
eintzele Frage nicht zugleich geantwortet werden mag, indem etliche zu
übersehen, und nur bloß fidem testium minuiren; etliche ohne weitläufftige
inquifition eine Vorhaltung oder einen Verweiß verdienen, wegen der gröbsten
aber, als daß Heinrich W. Forellen gestohlen, und der Kirchen zu Warenburg 8.
Thlr. entwendet haben soll, der sothane Anschuldigung bescheinigende Rotulus
testium, aus dem die hier zu wissen nöthige Umstände zu ersehen, nicht
mitgesendet worden; und in übrigen diese Frage mehr das interesse publicum, als
desselben privat interesse angehet; So ist demselben zwar unbe
|| [211]
nommen, die wieder besagte Personen habende
indicia an gehörigen Orten einzugeben und zu denunciren; Es wird aber judex
competens, nach Anleitung obbesagter oder anderer Uns noch unbewusten
Umständen ermessen, was auf sothane denunciation zu
verfügen sey, massen derselbe auch für sich hierbey zu beobachten, daß durch
solche denunciation derselbe in Feindschafft gegen
Seinen Substitutum nicht ferner vertäufft werde, oder,
da die indicia ad inquisitionem nicht allenthalben sufficientia seyn möchten, ihm nicht andre
Verdrießlichkeit daraus erwachsen, V. R. W.
§. III. Es ist nachhero ein anderer casus vor ungefehr 12. Jahren an(Weitere Nachricht von removirung der Urtheile.) unsere Facultät geschickt worden, da
eine dergleichen von dem judice geschehene remotion des Urtheils von denen Actis
eine noch grössere Verwirrung gemacht hatte, die mir auch Anleitung gegeben Anno
1709. diesen Unfug in einer absonderlichen disputation, de judice sententiam in
causis criminalibus latam, ab Actis removente, etwas umständlicher zu
untersuchen, und zu wiederlegen, allwo ich die bey diesem andern casu
entstandene Verwirrung nebst dem völligen extract ex Actis, und denen
vielfältigen in dieser Sache gesprochenen Urtheilen a §. 32. p. 40. ad §. 46. p.
62. ausführlich vorgestellet, darauff ich mich anjetzo beziehe.
§. IV. Nun möchte sich wohl mancher wundern, wie es doch kommen(Unterschiedene Exempel etlicher in Consistorial Acten öfters vorkommenden irregularitäten.) sey und möglich gewesen, daß von denen
Herren Consistorialibus eine so grosse illegalität habe begangen werden können.
Diejenigen aber, die in Collegiis Juridicis sitzen, wundern sich darüber gar
nicht, weil Ihnen dergleichen und andre irregularitäten in denen an Sie
gesendeten Consistorial Actis gar offte vorkommen, Ihnen auch die wahren
Ursachen, woraus selbige entstehen, wohl bekant sind. Ich will dannenhero von
beyden meine Gedancken in möglicher Kürtze und bescheidentlich anführen. Es sind
uns zuweilen Acta zugeschickt worden, darinnen viele zu denen Acten
höchstnöthige Registraturen gemangelt, viele unnöthige Schreiben beyder Theile,
die zu nichts, als offenbahren Auffenthalt der Justiz gedienet, admittiret
worden, auf derer keinen aber praesentata zu lesen gewesen, einander
wiedersprechende resolutiones enthalten gewesen, ohne Anzeige, was darzu Ursache
gegeben; Sachen, die in zwey oder drey Monaten aufs höchste hätten abgethan
werden können, über etliche Jahre auffgehalten, bündige Eheverlöbnisse wegen
solcher muthwilligen protraction rescindiret,, unschuldige Personen wegen
falscher Denunciation offenbahrer calumnianten, derer Boßheit auff allen
Blättern hervor geleuchtet, auff etliche Jahre vom Gebrauch des heiligen
Abendmahls suspendiret, ja wenn gleich diese armen Leute in Kranckheit gerathen,
und solche mit denen attestatis Ihrer Beicht-
|| [212]
Väter bescheiniget, und um admittirung ad s. coenam angehalten, auch
allbereit Urtheil aus unpartheyischen Collegiis vor sich erhalten, dennoch bloß
unter dem praetext, daß Ihre wiederwärtige calumnianten das Urtheil geleutert
hätten, abgewiesen worden, ja darinnen die disjusstirte Consisstoriales, denen
die ad Acta cum rationibus gesprochene Urtheil nicht anständig gewesen, so viel
an Ihnen gewesen, genungsam bezeuget haben, daß, wenn es bey Ihnen gestanden
hätte, Sie lieber die Collegia juridica selbst, die die Urtheile abgefasset, und
Ihnen mit Bescheidenheit die nullität Ihrer Bescheide vorgestellet, und selbige
corrigiret, zur Inquisition gebracht und gestrafft hätten, etc.
(Summarische Haupt-Ursachen, woraus
dieselben entstanden.)
§. V. Die Ursachen sind vielerley. Die vornehmsten scheinen folgende zu seyn. 1.
Die noch in vielen Consistorial-Ordnungen beybehaltene reliquiae Papatus
Politici ex jure Canonico, davon ich in meinen notis ad Lancelottum vielfältig
gehandelt, und davon der Herr Hofrath Ludovici in seinem Consistorial-Proceß
cap. 15. §. 2. seq. p. 160. seq. das Exempel, daß in Ehe-Sachen der Kläger der
Beklagtin die Klage nicht in das Gewissen schieben könne, kurtz und deutlich
ausgeführt. 2. Die von denen Evangelischen Theologis und JCtis über dem noch in
praxin Consistoriorum eingeführte und vertheydigte gantz offenbahr nach dem
politischen Pabstthum schmeckende, ja solche zuweilen übertreffende Meinungen,
wie davon eines Theils Carpzovii Jurisprudentia Consistorialis, und das von dem
seel. Cantzler Fritsch zusammen getragene Jus Ecclesiasticum, fürnehmlich aber
D. Christian Webers de jure Consistoriorum darinnen befindlicher Tractat
genungsam bezeugen kan. Und hat Herr Hoffrath Ludovici löblich und wohl gethan,
daß er in besagten seinem Consistorial-Process a §. 1. ad §. 8. capitis 2. dem
Manne seine Blösse, Boßheit oder Unverstand, wiewohl nur in einer einigen zu
seinem Zweck dienenden Frage cordate gezeiget, und sich billig gewundert, daß
dieses gefährliche (und allen Evangelischen Fürsten und dero Juri circa sacra
höchst praejudicirliche) Buch in Evangelischen Landen zum Druck gelassen worden,
und daß sich noch niemand gefunden, der die darinnen enthaltene grobe
Papistische Sätze zu wiederlegen sich unternommen hätte. 3. Die menschlichen
Schwachheiten, die auch denen Herren Consistorialibus ankleben, und die sie gar
füglich durch die beyden ersten Ursachen bedecken können. 4. Daß öffters die
Consistoria mehrentheils mit Theologis besetzt sind, oder diese doch das
directorium entweder öffentlich oder in geheim darinnen haben, und denen es über
die allbereit vorher angemerckte Ursachen, auch noch, wiewohl ohne Ihre Schuld,
an gnungsamer Wissen
|| [213]
schafft der Jurisprudenz
und der tüchtigen Gründe Processus judicialis mangelt u. s. w.
§. VI. Wie ist aber nun diesem Elend zu begegnen? Dieses ist eben(Und die darwieder zu gebrauchende remedia.) so schwer nicht, aber es kan nicht so leicht und
geschwind alles eingeführet und ad praxin gebracht werden, so ohnmöglich als
lange eingewurtzelte Kranckheiten geschwinde und in einem Huy gehoben werden
können, sondern es erfordert ein wenig Zeit und Gedult. Sonderlich die beyden
ersten causae dieser politischen oder vielmehr Geistlichen, oder
Consistorial-Kranckheit. Jedoch ist jetzo mehr Hoffnung darzu als bishero
gewesen. 1. Daß man Christliche und vernünfftige Theologos und JCtos, die die
obgedachte Papentzende Greuel entdecken, und auff Universitäten in Ihren
Schrifften und disputationibus, oder in Ihren Bedencken und responsis,
(dergleichen des seeligen Herrn D. Speners Bedencken an vielen Orten sind)
dieselbige wiederlegen, wieder Ihre so wohl scheinheilige Nachrichter, als
wieder die groben Calumnianten schütze, oder doch zum wenigsten durch solche
Leute sich nicht verleiten lasse, die Lehre der Wahrheit zu dämpffen. 2. Daß man
hernach zu seiner Zeit, die in denen Consistorial-Ordnungen befindliche
reliquien des politischen Pabstthums emendire und bessere. 3. Daß man denen
Consistorialibus eben durch diese zwey jetzterwehnte remedia die Gelegenheit
benehme, Ihre anklebende menschliche Schwachheiten (die nach dem bekanten
Sprichwort: vitia erunt, donec homines, durch Straff-Gesetze nicht getilget
werden können) durch die autorität der alten Consistorial-Ordnungen und
gefährlicher Schrifften ferner zu bedecken. 4. Daß man die Consistoria mit
obgemeldten Christlichen und vernünfftigen Theologis und JCtis besetze, und also
zwar das eine extremum vermeide, daß man die Herren Theologos nicht gar von
Consistoriis ausschliesse, aber auch nicht in das andere extremum verfalle, daß
die JCti & Politici davon ausgeschlossen oder von denen Theologis
übermannet werden, sondern daß man dißfalls das etwan in dem Hertzogthum
Magdeburg und Halberstadt gebräuchliche temperament, oder dergleichen treffe,
davon ebenmäßig das 1. und 2. Capitel des Consistorial-Processes des Herrn
Hoffrath Ludovici mit mehrern Nachricht geben wird.
|| [214]
XX. Handel. Leibs-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation, die
aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge
entstehet.
§. I.
(Extract aus den Acten.)
IN eben dem Monat October 1694. als der vorige Handel einlieff, wurde auch
folgender an die Facultät geschickt, in welchem ein anderer Priester wegen
seines unordentlichen Wandels war in die Inquisition kommen, für deme aber
unsere Facultät nicht so favorabel sprechen konte, als vor dem in dem vorigen
casu geschehen, weil die Umstände gantz anders waren. Diese Umstände aber kan
ich nicht besser beschreiben, als wenn ich den extract aus denen an uns
geschickten Actis hersetze, zumahlen da die dem Urtheil beygefügten rationes
dieselben etwas zu kurtz und nicht so deutlich referiren.
Der Pfarrherrer P. wird unterschiedlich beschuldiget, und sagen sonderlich in
Num. 6. testis 8. & seq. wieder Ihn aus, daß er sehr späte in die Kirche
käme, und ofte die Leute wieder heimgiengen, daß er oftmahls sehr truncken sein
Amt verrichtete, zu denen Krancken nicht gienge, die Leute auf der Cantzel
angriffe, sein Vieh den Leuten Schaden thun liesse, mit seiner Frau sehr
ärgerlich lebete, mit dem Feuer gefährlich umgienge, daß die Nachbarn in grosser
Gefahr wären, auch schon einmahl Feuer entstanden wäre, sich früh in
Brandtewein, Nachmittage in Brühan und Toback vollsöffe, item sehr fluchte.
Dergleichen auch schon in n. 5. unterschiedene Zeugen berichtet, auch ferner
geklaget, daß Er nicht in die Schule käme, auch die Beichtkinder von seines
Collegens Stuhle weg und zu sich ruffte, worauff n. 8. das Consistorium die
Special Inquisition angeordnet. Num. 9. sind diese Beschuldigungen in gewisse
Inquisitional-Articul gebracht, und der Pfarrer darüber vernommen, der aber
alles negiret, jedoch nachhero als die Zeugen abgehöret werden sollen, ultro
gestanden, daß Er in einigen Sachen zu viel gethan, so nicht aus Boßheit sondern
Schwachheit geschehen, habe auch aus Zorn, weil Er viel Hauß-Creutz ausgestanden
und grossen Abgang erlitten, etwas mehr Brandtewein getruncken, habe aber in
seinem Amte nichts versehen. Die Zeugen sind hierauff eydlich abgehöret, wollen
aber von keiner Gewißheit mehrentheils sagen, son
|| [215]
dern de auditu alieno, ausser was Sie affirmiren ad art. 10. 11. 12.
& 13. von anzüglichen und ungebührlichen Reden auff der Cantzel, it.
test. 9. & 12. ad art. 24. daß der Pfarrer auff Ehrengelagen sich sehr
voll söffe. ingleichen test. 3. 9. 10. & 12. ad art. 28. daß der Pfarrer
öffters Leute in seinem Hause hätte, und sich mit Ihnen vollsöffe. it. test. 2.
& 12. ad art. 29. daß der Pfarrer sich auch sonsten in seinem Hause
frühe in Brandtewein, Nachmittage aber in Bier und Toback voll söffe. it. test.
2. 3. 4. 7. 8. 9. 10. 11. 12. & 13. ad art. 30. daß Er ein übel Leben
mit der Frauen führe und sich mit ihr schlüge, ingleichen test. 3. 8. 9. 10.
& 13. ad art. 32. & test. omnes ad art. 33. daß mit dem Feuer
sehr nachläßig in des Pfarrers Hause umgegangen würde, auch schon ein Brand
einstens darinnen entstanden, ferner test. 2. 3. 4. 5. 8. 9. 11. 12. &
13. ad art. 37. & test. 3. 4. 10. & 12. ad art. 38. daß sein
Vieh den Leuten viel Schaden thäte, und wann Sie Ihn deßwegen besprächen, Er auf
Sie schölte. Worauff der Pfarrer n. 11. auch weil Er damahls nicht erschienen,
ferner n. 13. vors Consistorium nach Wolffenbüttel citiret wird. N. 15.
berichtet der Müller zu Wickensee, daß als Er den 20. Dom. post Trin. zum
Abendmahl gangen, hätte der Pfarrer, als Er Deponenten die Hostie reichen
sollen, das Gesichte von Ihm weggewendet, und da Deponent fortgegangen, hinter
Ihm hergespiehen und den Teufel genennet, die Feindschafft wäre daher kommen,
daß der Müller beym Capellan gebeichtet, immassen auch der Capellan das
Beicht-Geld wieder heraus geben müssen. Der Altariste Johann Rolten saget aus,
es habe der Pfarrer, als Er dem Müller das Abendmahl gereichet, sehr störrisch
ausgesehen, und hinter Ihm hergemurmelt, so Er aber nicht verstehen können. Num.
16. ist dem Pfarrer Vorhaltung in Consistorio geschehen, und darauff in decreto
sub n. 17. dem Pfarrer Defension verstattet, immittelst aber derselbe
suspendiret. Num. 19. suppliciret der Pfarrer an das Consistorium, bittet die
Suspenfion auffzuheben, verspricht ein ehrbar Leben, und schiebt die Schuld auf
sein bösses Weib, daß Er daher aus Melancholey bißweilen einen übrigen Trunck
gethan. Num. 20. ist ein Schreiben von General-Superintendenten zu Holtzmünde,
daß der Pfarrer an einem Sonntage früh vor 12. gl. Bandtewein gesoffen, sich
hernach zu Pferde gesetzet, willens nach Wolffenbüttel zu reiten, aber herunter
gefallen und sich in Koth geweltzet, daß seine Pfarr-Kinder dazu kommen mit
grossen Aergerniß. Num. 21. ist dem Pfarrer in Consistorio solches vorgehalten,
so Er sehr entschuldigen will, doch um gut Wetter bittet, dahero Num. 22.
Commiss. ertheilet an dem Amtsrath Mehlbaum zu Holtzmünde Zeugen dißfalls
abzuhören. N. 23. & 24. hat der Pfarrer von Articul zu Articul auf der
Zeugen Aussage geantwortet, bittet nochmahls um Gelindigkeit und verspricht
Besserung. Num. 27. ist ein Zeuge, so nebst dem Pfarrer an obgedachten Sonntage
weggeritten, eydlich abgehöret, welcher mehr nicht berichtet, als daß der
Pfarrer, als Er aus seinem Hause kommen, feuerroth untern Gesichte ausgesehen,
aufm Pferde immer von einer Seite zur andern getaumelt, endlich wieder
umgekehret, und gar von Pferde in ei
|| [216]
ne Pfütze
gefallen. Num. 31. ist der Pfarrer restituiret worden, nachdem Er angelobet,
sich zu bessern, hat auch laut n. 34. bey der Gemeine, als Ihm die Cantzel
wieder geöffnet, depreciret, welches den 22. Jan. geschehen. den 3. Febr. klagt
der Amts-Müller zu E. beym Consistorio, daß Er von dem restituirten Pfarrer,
welcher sich gantz berauschet gehabt, hefftig in der Predigt angegriffen worden,
leget auch attestata deßwegen bey n. 35. & 36. Dahero n. 37. neue
Inquisition angeordnet wird. Num. 42. klagt des Pfarrers Capellan Principi, daß
Ihn der Pfarrer injuriret, und befiehlt Princeps mit eigener Hand denen
Consistorialibus, das Aergerniß zu sopiren. Num. 45. klaget der Müller aufs
neue, daß er in der Predigt angegriffen worden. Num. 49. sind viel Zeugen
summarisch abgehöret, welche bestärcken, daß der Pfarrer den Müller in der
Predigt sehr angegriffen, damahls sehr betruncken gewesen, und nach Brandtewein
gestuncken, sich ungeberdig auf der Cantzel und vor dem Altar bezeiget, wird
auch von Jobst Görmann berichtet, daß der Pfarrer einstens den verstorbenen
Capellan, als dieser aus dem Beichtstuhle gangen, beym Kopfe kriegt, daß Sie
Johann Ruprecht N. wieder von einander bringen müssen. Ingleichen eine Leiche
nicht begraben lassen wollen, weil Ihm nicht Geld genung gegeben worden, auch
das Läuten verbothen. Num. 55. ist der Pfarrer wieder über Inquisitional-Articul
vernommen, ingleichen auch unterschiedliche Zeugen abgehöret, die sagen aus
test. 3. 5. & 15. ad art. 8. & 9. daß der Pfarrer nach der
Deprecation, voll von Brandtewein in die Kirche kommen und darnach gerochen,
test. 22. ad art. 10. daß Er voll zur Leiche kommen, nachdem diejenigen, so mit
zu Grabe gangen, 2. Stunden hinter der Leiche stehen müssen, test. 22. &
24. ad art. 11. daß der Pfarrer aus Trunckenheit öffentlich in Koth gefallen,
auch ad art. 12. vom Pferde deßwegen gefallen. Test. 6. 10. 13. ad art. 15. daß
er noch jetzo ärgerlich mit der Fraue lebe. Test. 1. 2. 3. 5. 6. 7. 8. 13. 16.
22. ad art. 17. 18. & 19. daß Er hefftig auf der Cantzel gescholten, und
man gar eigentlich mercken können, daß er den Müller gemeinet, dabey auch sehr
ungeberdig sich angestellet. Test. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10. & 18. ad
art. 21. 22. & 23. daß Er die anbefohlne Abbitte sehr laulig und
conditionate gethan. Test. 3. 8. 10. 11. 12. ad art. 24. daß Er flugs folgenden
Tages sehr späte in die Kirche kommen, Test. 8. 10. 12. ad art. 25. damahls
einen Zanck in der Kirche angefangen, und mit Ochsen und Flegeln um sich
geworffen; Test. 3. 4. 5. 7. 25. ad art. 27. daß er nach eigenen Gefallen
Beicht-Kinder in der Woche annähme. Test. 1. 2. 5. & 24. ad art. 31. daß
Er sehr truncken zu denen Patienten kommen, und Ihnen das Abendmahl gereichet.
Test. 7. & 9. ad art. 32. & 33. daß Er den Altarmann, als Er das
Tuch beym Heil. Abendmahl gehalten, injuriret; Test. 7. & 14. ad art.
35. & 36. daß der Pfarrer An. 1685. den vorigen Capellan in der Kirche
bey dem Altare nicht alleine injuriret, sondern auch Haare außm Kopffe gezogen,
und auf die Banck nieder gerissen; Test. 16. & 17. ad art. 41. daß Er
die Gebühren für Tauffen, copuliren und Begräbniß steigerte. Test. 16. 18.
& 21. ad art. 50. daß er öffters truncken in Beichtstuhl käme: Test.
omnes ad art. 64. daß er noch
|| [217]
stetig die gantze
Gemeine ärgere: Test. 2. ad art. 65. daß Er noch ärgerlich im Truncke und mit
seiner Frau fortführe, fast ärger als zuvor, dergleichen auch test. 3. bezeuget:
Test. 4. & 15. ad d. art. daß Er vor 7. Wochen auf die Cantzel gangen,
da der andere Vers des Glaubens gesungen worden, (vid. & test. 1. 2.
& 4. ad art. 6. n. 57. b.) Test. 5. & 16. ad d. art. daß er
unlängst das Evangelium eher abgelesen als die Epistel, auch als vor kurtzer
Zeit die Epistel abgesungen gewesen, sich nach seinem Stuhl bey der Cantzel
verfüget, jedoch wieder besonnen, und vorm Altar gangen; Test. 7. 8. 10. 12.
& 13. ad d. art. daß Er noch stets im ärgerlichen Leben fortführe. Num.
57. b. ist der Pfarrer über neue Inquisitional-Articul, auch nachhero Zeugen
eydlich abgehöret, und deponiren ad art. 1. 2. & 3. test. 3. &
5. daß der Pfarrer am 13. Trin. 93. als der Müller beym Capellan gebeichtet, mit
der Hand auf seinen Stuhl geschlagen, und über laut geruffen, wanne! wanne! was
will daraus werden, auch zu seinen Beicht-Kindern gesaget: Gehet hin in Friede,
aber, dort sitzet ein Teufels-Kind, das beichtet, darüber der Müller
erschrocken, daß Er auch ohne absolution zur Kirche hinaus gangen. Num. 61. ist
der Pfarrer in Consistorio wieder vernommen, negiret aber alles. Num. 65. will
der Pfarrer haben, daß die Zeugen noch über gewisse interrogatoria, daran er
sich versäumet, abgehöret werden möchten, so Ihm aber n. 66. abgeschlagen, und
seine Nothdurfft bey der Defension zu beobachten angedeutet wird. Num. 72. hält
der Pfarrer nochmahls darum an, weil Er keine contumaciam begangen, und
unpäßlich gewesen (so aber nicht bescheiniget) es auch nicht verstanden, bittet,
Ihm auch mit der Confrontation zu verschonen, die aber n. 73. geschehen.
§. II. Von denen contentis der defension ist zwar keine besondere(Urtheil nebst denen rationibus.) Erzehlung in dem extract geschehen; es meritirte aber
auch selbige nicht, daß Ihrer gedacht würde, weil Sie aus nichts anders als aus
elenden Zeuge bestunde, auch bey solchen Umständen aus nichts anders bestehen
kunte, wie die in folgenden Rationibus sententiae angeführte rationes dubitandi
deutlich bezeigen; und kan sich ein jeder ex lectione des Extracts leichte
einbilden, wie das Urtheil für den Reum nicht favorabel fallen können, wiewohl
doch ex lectione ipsa des Urtheils und derer rationum decidendi, noch eines und
das andere wird angemerckt werden können, darauff man vielleicht sonst nicht
gedacht hätte.
In Inquisitions-Sachen C. W. P. Pastoris zu E. unterschiedliche Excesse und
dahero entstandene Aergernisse betreffende, erkennen Fürstl. Braunschw.
Lüneburg. verordnete Consistorial-und Kirchen Räthe zu Wolffenbüttel auf etc.
Daraus so viel zu befinden, daß ermeldter P. in der ihm verstatteten defension
nichts, so ihm zustatten kommen möchte, ausgeführet, weswegen Er wegen seines
beharrlichen ärgerlichen Lebens und Wandels, und so wohl vorher als nach seiner
restitution auffs neue begangenen groben Excesse, nunmehro seines Pfarr-Amts zu
entsetzen, hiernechst auff 8.
|| [218]
Wochen mit Gefängniß zu
bestraffen, und mit Wasser und Brodt zu speisen, auch die Unkosten, so auff
diesen Inquisitions-Process gelauffen, abzutragen verbunden, inmassen wir ihn
Krafft dieses seines Pfarr-Dienstes entsetzen, und in besagte Straffe und
Unkosten verdammen. V. R. W.
Rationes decidendi.
Es ist Inquisit, nachdem Er unterschiedlicher Excesse halber ab officio
suspendiret gewesen, act. n. 31. wieder restituiret worden, jedoch mit der
ausdrücklichen Commination, daß bey seinem ferneren üblen Verhalten er ohn alles
Rücksehen, removiret werden soll, wobey ihn ferner n. 32. angedeutet, daß Er
öffentlich pro concione der geärgerten Gemeine eine Abbitte thun, und hinführo
ein unsträflich Leben zu führen, angeloben solte; Welchen Er aber schlecht
nachgelebet, indem nicht nur ex depositione test. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
& 15. ad art. 21. & 22. n. 55. zu sehen, daß Er keine rechte
Abbitte gethan, und solche sehr laulicht und nur conditionate verrichtet,
sondern auch nach solcher deprecation viel grobe excesse begangen, immassen nach
Aussage test. 3. 8. 10. 11. & 12. ad art. 24. sub n. 55. Er so bald
folgendes Tages sehr späthe in die Kirche kommen, auch wie test. 8. 10.
& 12. ad art. 25. berichtet, damahls einen Zanck in der Beth-Stunde
angefangen, aus seinem Stand heraus gekiffen, und mit Ochsen und Flegeln um sich
geworffen; Ferner nach Aussage test. 1. 2. 3. 5. 6. 7. 8. 13. 16. & 22.
ad art. 17. 18. & 19. den Müller in einer Predigt, als derselbe zum H.
Abendmahl gehen wollen, sehr handgreiflich, daß es jedermann mercken können,
heftig angegriffen, ihn einen Epicurer und Teuffels-Kind geheissen, auch sehr
ungeberdig sich darbey bezeiget, ingleichen den Altarmann, als Selbiger beym H.
Abendmahl das Tuch gehalten, injuriret, und einen alten Schelm gescholten, wie
test. 7. & 14. ad art. 35. 36. n. 55. ingleichen test. 2. ad art. 8. n.
57. berichten; Hiernechst derselbe vermöge der Zeugen Aussage ad art. 64.
& 65. n. 55. so wohl in übermäßigen Brandtewein-Trincken, als üblen
Leben mit seiner Frau immer continuiret, es fast schlimmer als zuvor machet, und
die gantze Gemeine dadurch ärgert, auch sonder Zweiffel aus Trunckenheit vor
einiger Zeit nicht nur das Evangelium vor der Epistel abgelesen, sondern auch,
als der andre versicul im Glauben gesungen worden, auff die Cantzel gestiegen
und angefangen zu predigen, daß der letzte Vers des Gesangs zu nicht geringen
Aergerniß der Zuhörer zurück gelassen werden müssen, überdiß Dom. XIII. post
Trin. 1693. als der Müller beym Capellan gebeichtet, mit der Hand auf seinen
Beicht-Stuhl geschlagen, und überlaut zu seinen Beicht-Kindern gesaget: gehet in
Frieden, aber dort sitzet ein Teuffels-Kind und beichtet, darüber der Müller
erschrocken, und ohne absolution zur Kirche hinaus gegangen, vid. test. 3.
& 5. ad art. 1. 2. & 3. n. 57. b. in übrigen aber öffters
truncken zur Leiche, in Beicht-Stuhl und zu den Patienten, denen Er das H.
Abendmahl reichen sollen, gekommen, vid. test. 22. ad art. 10. test. 16. 18.
& 21. ad art. 50. test. 1. 2. 5. & 24. ad art. 31. n. 55. Zu
geschweigen der Excesse, so sich bey letzterer Inquisition zu Ta
|| [219]
ge geleget, und bey voriger Commission nicht
untersuchet worden, absonderlich, daß Er einsten Anno 1685. den verstorbenen
Capellan öffentlich, und in Gegenwart der Beicht-Kinder in der Kirche bey dem
Altar injuriret, auch bey denen Haaren ergriffen, und auff die Banck nieder
gerissen, vid. test. 7. & 14. ad art. 35. & 36.
Ob nun wohl P. in seiner übergebenen defension zuförderst, daß die Zeugen noch
auf seine Interrogatoria abgehöret werden möchten, begehret, auch alle Zeugen
suspect zu machen sich angelegen seyn lassen, in übrigen aber niemand wegen
seiner Mißhandelung mit doppelter Straffe zu belegen;
Dieweil aber dennoch besage der Acten, Inquisit sich an denen Interrogatoriis
unstreitig versäumet, auch wenn gleich ein und anderer Zeuge demselben nicht
gewogen wäre, dennoch nicht zu praesumiren, daß die Zeugen in so grosser Anzahl
ihr Gewissen mit einem Mein-Eyd beschweret haben solten, zumahl Sie bey der
Confrontation-Inquisito seine Begünstigung beständig in faciem gesaget, und sein
Vorgeben wieder dieselbigen in der defension zum theil unzulänglich,
mehrentheils aber seinem eigenen Geständniß nach unerweißlich, hiernechst eine
Menge grober Excesse und Mißhandelungen vorhanden, unter welchen unterschiedene
turbationes sacrorum, bey der Beichte und administration des Abendmahls zu
befinden, und solcher Gestalt auf die blosse remotion nicht erkennet werden
mögen, auch endlich dahin zu sehen, ob nicht, da alle bißherige Vermahnungen und
ernstliche Mittel, Inquisitum nicht von seinem Brandteweinsauffen, (welches der
Ursprung aller seiner Begünstigung zu seyn scheinet) abwendig machen können; zum
wenigsten durch obrigkeitliche Casteyung Er corrigiret werden könne; Als ist
obiger massen zu erkennen gewesen.
§. III. Vielleicht wird sich mancher Leser wundern, wenn er die rubric(Absonderliche Gedancken über die rubric dieses Handels.) dieses Handels lieset, warum ich
dieselbe also eingerichtet, und nicht vielmehr gesetzt, daß in diesem Handel von
Bestraffung lasterhafter Priester gehandelt würde. Und dürffte Er, sonderlich
wenn er ein Priester-Feind ist, sich wohl gar drüber ärgern, und, daß ich
hiermit dem Clero heucheln wollen, sich einbilden, oder dencken, daß der
Buchdrucker etwa es versehen, und den Titul, der zu einen der folgenden Händel
gehöre, aus Irrthum vor diesem Handel gesetzet habe; aber es wird der Beschluß
der rationum decidendi weisen, daß es mit Bedacht geschehen. Die Ursache alles
des von dem bestrafften Priester erregten Unfugs war gar nicht der sonderlichen
Beschaffenheit seines personellen temperaments, noch denen Ursachen, für denen
sich die Clerisey insonderheit in acht zu nehmen hat, zu zuschreiben, sondern
Sie rührete von dem angewohnten Brandtewein-Trincken her. Und also kan es
leichte kommen, daß du, mein Leser, der du dich an der rubric dieses Handels
geärgert, selbst gerne Brandtewein trinckst, und derowegen Ursach hast, dich
nicht ferner zu übereylen, und in deinem Hertzen zu
|| [220]
gedencken, dieser Handel giebet denen ungezogenen Pfaffen Ihre lection und
gehöret nicht für mich; Sondern stehe vielmehr hier ein wenig stille, Sie
gehöret für dich. Ja mich dünckt, ich höre noch einen andern, der sich selbst in
seinem Hertzen was einbildet, und wohl GOtt danckt, daß er nicht sey wie solche
garstige Brandtewein-Säuffer; oder auch wohl gar fortfähret, und sich beredet,
er wolle den errathen, auf den ich mit diesem Handel gezielet hätte, denn er
kenne diesen und jenen, der sonst ein praver gelehrter und tugendhaffter Mann
sey, wenn er nur durch das schändliche Brandtewein-Sauffen sich nicht
verderbete. Diesem ruffe ich ebenfalls zu; Stehe stille, die Anmerckung in der
rubrique gehöret vielleicht auch für dich. Wie stehets mit dem Rauch-oder
Schnup-Toback? Wie riechen deine Kleider so starck darnach, wie siehet dein
Mund, dein Kinn, deine Kleider so röthlich und unappetitlich aus? Ja sprichstu,
das ist ein anders. Der Schnup-Toback, ja der Rauch-Toback sind würcklich was
Gutes und Gesundes, Bontekoe und andre berühmten Medici --- Ach schweige flugs
stille, und liß dem Bontekoe und andern berühmten Medicis zu Ehren meine
folgende Gedancken.
(Erklärung derselben.)
§. IV. Brandtewein, Toback etc. werden allhier in weitläufftigen Verstande
genommen, daß Sie so wohl die gemeinen und allen Bauren bekanten species, als
auch diejenigen, die wegen ihrer rarität oder Kostbarkeit mit eignen Nahmen, als
Ros solis, Aquavit, Knaster, körnichter Schnuptoback, u. s. w. pflegen genennet
zu werden, bedeuten. Brandtewein ist so wohl indifferent als der Toback, denn
sonst würde man in Christlichen und vernünfftigen Republiquen dessen Zubereitung
und Handel nicht so lange geduldet haben. Ja Brandtewein und Toback sind alles
gute und nützliche Dinge, die, wenn sie recht gebraucht werden, dem gemeinen
Wesen viel Nutzen bringen, und die Gesundheit des Menschen erhalten, oder die
Kranckheiten vertreiben. Daß sie aber durch den Mißbrauch das Leben verkürtzen,
ist auch nicht zu zweiffeln. Je hitziger, rarer und theurer der Brandtewein ist;
je kürtzere Arbeit macht er. Der Knaster-Toback ist unstreitig lieblicher,
angenehmer und gesunder, wenn er mäßig gebraucht wird als der gemeine Toback;
aber er verderbet auch den Magen, und verkürtzet denen, die Ihn täglich und
übermäßig brauchen, das Leben: Der Schnup-Toback ist so lange eben nicht mode,
daß ich hätte observiren können, ob diejenigen, die sich dessen allzuhäuffigen
Gebrauchs von Jugend auf bedienen, alt zu werden pflegen, welches ich mir aber
indessen schwerlich einbilden kan. Wegen der Seele, und der Ehre ist zwar
gleichfalls zwischen Brandtewein und Toback einiger Unterscheid, aber vielleicht
so groß nicht, als ihn
|| [221]
die Liebhaber des Tobacks sich
einbilden. Brandtewein macht truncken, und wenn er übermäßig gebraucht wird, und
eine Gewohnheit dazu kömmt, sind solche Leute fast gar nicht nüchtern, und sind
also in stetswährender Gefahr, ohne Bereuung Ihrer Sünden in der Trunckenheit
hingerissen zu werden, oder Ihre Ehre, Amt und Nahrung zu verlieren, wie es dem
Priester in gegenwärtigen casu gangen, auch besorglich andern, die nicht
Priester seyn, gegangen ist, und noch gehen kan, wenn Ihre lectiones, responsa,
Schrifften, Carmina, u. s. w. nach Brandtewein oder Toback (oder auch nach Wein,
Duckstein, Merseburger, Löbejüner u. s. w.) riechen, denn du must nicht meinen,
daß ich den Brandtewein und Toback alleine für so gefährlich halte. Es ist zwar
wahr, der Schnup-Toback und Rauch-Toback (wenn dieser bey warmen Wasser, und
keinen trunckend machenden Geträncke gebraucht wird) verleitet auch die
excedentes nicht, daß Sie in Seelen-Gefahr lauffen, oder den Verlust Ihrer
einmahl erlangten Ehre zu besorgen hätten; Aber es verhindert doch dieser
unmäßige Gebrauch unstreitig junge und der Beförderung noch dürfftige Leute, daß
Sie schwerlich dazu gelangen können, die aber schon dazu gelanget sind, hindert
es öffters, daß Sie nicht ferner befördert werden.
§. V. Wie ist aber nun diesem Ubel zu helffen: Principiis obsta, sero(Vornehmstes und fast eintziges Mittel wieder diesen
Mißbrauch.) medicina paratur: Gib achten auff dich: Merckestu, daß du
des dir sonst nöthigen und gesunden Brandteweins, Tobacks, Weins, Biers etc.
zuviel thust, und immer noch mehr thun wilst, oder es warnen dich andre, setze
dir eine gewisse dosin, die du nicht überschreitest, oder wenn du Sie bey einer
ausserordentlichen Gelegenheit in etwas, auch ohne Völlerey überschritten hast,
continuire nicht ferner, vielweniger avancire noch weiter, sondern laß je eher
je lieber wieder ab. Denn wenn die Gewohnheit allzusehr überhand genommen, so
stehet es hernach in deinem Vermögen nicht, wie die vielen Exempel vieler
honneten Leute beweisen, die Ihre Tobacks-Dosen wegschencken, und sich dadurch
von dem vielen Gebrauch des Schnup-Tobacks befreyen wollen, aber alles
vergebens. Ich habe einen jungen Menschen gekant, der seine studia fast
absolviret hatte, und sonst von bescheidenen moribus war, aber das Toback
Rauchen sich so angewöhnet hatte, daß von frühe morgens biß Abends das Licht
deßhalb auf seinem Tische stund, dergestalt, daß er auch alle lectiones, bloß
deßwegen darüber versäumete, weil er Zeit derselben seine Tobacks-Pfeiffe nicht
anstecken durfte. Indessen hielte er keine Gefellschafft sonderlich, sondern
studirte bey der Tobacks-Pfeiffe in Juristischen, Historischen, Politischen
Büchern. Ich riethe ihm, da ich es zwar vor unmöglich hielte, daß er rebus sic
stanti
|| [222]
bus für sich das Tobacks-Rauchen
auf einmahl würde einstellen können, er würde sich aber eines baldigen Todes zu
versehen haben, wenn er nicht alsbald anfieng, dasselbige zu mäßigen, und schlug
Ihm vor, daß er so viel thun, und des folgenden Tags anfangen solte bey
Stopffung einer jeden Pfeiffe einen neuen Strich auff das Papier zu machen, und
wenn er zu Bette gieng, diese Striche zu zehlen, und den folgenden Tag, oder
doch Anfangs allemahl über den andern Tag eine Pfeiffe weniger zu rauchen als
vorher, biß er zu einer proportionirlichen und seiner Gesundheit nicht
schädlichen wenigen Anzahl die Sache gebracht hätte. Aber er war auch dieses
durch die Gewohnheit nicht mehr fähig zu thun, und starb darauff in wenig
Jahren.
(Ursache der einen dem Urtheil angehengten clausul.)
§. VI. Nun ware wohl freylich bey diesem letzten casu die Hauptursache, weil
dieser junge Mensch sui juris war, und keinen superiorem hatte, der Ihn zum
Gebrauch des vorgeschlagenen Mittels forciret hätte, wannenhero auch meine
Herren Collegen dafür gehalten, daß es dem Prediger quaestionis für sich
ohnmöglich wäre, sich den Gebrauch des Brandteweins abzugewöhnen, und haben
dannenhero nebst andern auch aus dieser Ursache, in das Urtheil die letzte
clausul einzurücken geschlossen, daß man Ihn im Gefängniß durch Reichung Wasser
und Brodt darzu anhalten und gleichsam forciren solte. Gleichwie ich aber weiter
keine Nachricht erhalten, wie die Sache abgelauffen; Also zweiffle ich doch, daß
dieses Mittel viel dürffte ausgerichtet haben. Die Ursachen meines Zweiffels
können vermuthlich aus dem, was bißhero angeführet worden, leichtlich abgenommen
werden; jetzo will ich nur melden, was Sie etwan vernünfftig bewogen, anderer
Meinung zu seyn. Es ist aus der Historie bekant, daß vor etliche hundert Jahren,
da in Deutschland noch kein Land-Friede eingeführt war, es geschahe, daß eine
Adeliche Person einen Abt gefangen bekommen, und Ihn, biß er sich ranzioniret,
nur mit Wasser und Brod speisen lassen, welches sich etliche Wochen verzogen.
Als nun die Ranzion angelanget, und der Abt von dem Edelmann Abschied nahm,
versahe er es, daß er sich gegen diesen für das Tractament mit Wasser und Brodt
bedanckte, mit der beygefügten Ursache, daß er bißher etliche Jahr her von dem
Podagra vielfältig geplagt worden, und daran grosse Schmertzen ausgestanden
hätte; aber das Wasser und Brod habe Ihn völlig curirt, und getraue er sich
nunmehro durch mäßige Speise und Tranck in dieser Gesundheit zu erhalten. Der
Edelmann antwortete hierauff, er habe diesen Umstand bey determinirung der
Ranzion nicht gewust, und sey nicht mehr dann billich, daß Ihm der Abt auch das
Artzt-Lohn a part bezahle etc. Die Wahrscheinlichkeit
|| [223]
dieser Geschichte kan auch aus der alten Fabel von dem Podagra und der Spinne,
die mit einander gereiset, und wie mir dünckt, bey dem Luciano zu finden ist,
bestärcket werden etc.
§. I.
ICh werde vielleicht bey einem andern Handel bessere Gelegenheit(General Anmerckung von den Juden.) haben, von den
unterschiedenen Meinungen der Gelehrten von der Juden Ihren Zustand, toleranz
derselben, Umgang mit Ihnen, Ihrer Bekehrung, u. s. w. meine Gedancken kurtz und
deutlich zu entdecken. Jetzo will ich nur wegen des gegenwärtigen Handels
dasjenige berühren, was man schon längst von denen Juden gesagt, daß Sie suchten
Christen-Kinder an sich zu kauffen, und derselben Blut zu vergiessen, weil Sie
dieses Blut zu allerhand Aberglauben von nöthen hatten, und ist die legenda
darvon, und was Anno 1475. dieserwegen mit denen Juden passiret, unter andern in
Joh. Ludewig Gottfrieds Chronica der vier Monarchien zu lesen, und die Tötung
eines Christen-Kindes, wie Sie von denen Juden damahls geschehen seyn soll, in
einen saubern Kupfer abgebildet. Ich meines Orts kan wohl gestehen, daß ich
schon vor mehr als dreißig Jahren dafür gehalten, daß dieses eine pure Lügen
sey, und daß man denen Jüden in diesem Stück unrecht gethan, ob gleich jederman,
der mich kennet, weiß, daß ich sonst kein sonderlicher Gönner der Jüden bin,
auch mit Ihnen nichts zu thun habe. Nachhero hat der Herr Wagenseil Anno 1707.
einen absonderlichen Tractat dißfalls ediret, und seiner so genannten Hoffnung
der Erlösung Israelis beydrücken lassen, in welchen er gar deutlich weiset, daß
denen Jüden fälschlich beygemessen werde, daß Sie Christen-Blut nach Ihren
Aberglauben benöthigt wären. Und ob wohl Eisenmenger in seinem Entdeckten
Jüdenthum Part. 2. p. 222. es mit der gemeinen Meinung hält, so halte ich doch
des Herrn Wagenseils Meinung für wahrscheinlicher, ob ich gleich deßwegen nicht
alle Exempel, daß ein Jude einen Christen, oder auch ein Christen-Kind
umgebracht haben soll, für falsch halten will, sondern so wohl glaube, daß ein
Jüde aus Haß oder aus Gewinn
|| [224]
sucht solches
gethan, als man Exempel von Christen findet, die aus Haß, oder Räuber-und
diebischen Gemüthe Jüden ermordet.
(Application derselben auf
gegenwärtigen Fall.)
§. II. Indessen ist doch das Geschwätze unter dem gemeinen Volck geblieben, und
bildet sich dasselbe noch heut zu Tage die alten Fabeln beständig ein, daß die
Jüden gegen Ostern Christen-Kinder zu kauffen und solche zu ermorden pflegten.
Dannenhero geschahe es, daß Anno 1694. in October, Acten von Helffte zu uns
geschickt wurden, welche wieder einen alten acht und sechzigjährigen Mann, der
das Brod für denen Thüren suchte, Andreas Meinarten und dessen Frau Marien
Naumanns ergangen waren. Der Mann hatte besage Registratur fol. 1. denen Juden
zu Helffte einen Knaben zu verkauffen angeboten, hatte auch solches, als er über
articulos inquisitionales vernommen worden ad art. 19. alsobald gestanden,
jedoch, daß er es auf seiner Frauen Befehl gethan, und er es vor sich nicht thun
wollen, ad art. 24. vorgegeben, auch ad art. 27. angeführet, daß er noch kein
pretium verlanget hätte. Die Frau ware durchgegangen, und unerachtet Sie laut
fol. 9. mit Steck-Briefen war verfolget worden, ware Sie doch nicht zu erlangen
gewesen.
(Urtheil darüber.)
§. III. Ob nun wohl dieser Verkauff noch nicht ad actum proximum der Vollziehung
gekommen war, dennoch aber es ohnedem eine kützliche Sache mit dem Plagio ist,
wie bey denen Criminalisten allenthalben davon kan gelesen werden, und der
Umstand, daß dieser Verkauff eben an einen Juden hätte ex intentione des
Verkäuffers geschehen sollen, sonderlich zu attendiren war; so konte wohl kein
favorabel Urtheil für den Bettelmann fallen, sondern es lautete solches also:
Als derselbe Uns angebrachte Rüge, gehaltene Registraturen, verfaste
Inquisitional-Articul, Andreas Meinarts darauf gethane Antwort, benebst den
übrigen in dieser Inquisitions-Sache ergangenen Actis und einer Frage
zugeschicket, und etc. Hat Andreas Meinart in Güte gestanden und bekant, daß Er
am 4ten Octobr. jüngsthin denen Juden zu Helffte ein Kind zum Verkauff
angebothen; Ob nun wohl derselbe zu seiner Entschuldigung vorwendet, daß er auf
Befehl seiner Frauen solches gethan, für sich aber nicht in Willens gehabt, den
Jungen zu verkauffen, auch nicht gewust hätte, daß, wenn man eines andern Befehl
ausrichte, man deßhalben zu bestraffen wäre; Dieweil aber solchen seinem
Vorgeben wenig Glauben beyzumessen, ihme auch solches nicht helffen mag, indem
aus dem natürlichen Recht und der gesunden Vernunfft Er wissen soll, daß dieses
eine höchststraffbare Missethat sey, und Er von der Frauen Vorhaben wohl gewust,
und solches zu befördern zu denen Juden gangen, nach mehrern Inhalt der
überschickten Inquisitions-Acten; So wird besagter Andreas Meinart wegen solchen
sei
|| [225]
nes Verbrechens, und zwar in
Ansehung seines Alters mit leidlichen Staupenschlägen des Landes ewig billig
verwiesen. V. R. W.
§. I.
MInima circumstantia variat jus. Dieses ist eine gemeine aber(General Erinnerungen bey diesem Handel.) sehr
nöthige Regul. Insgemein ist wohl kein Zweiffel, daß wegen wörtlicher
Beschimpffung nicht leichte dem Reo ein Salvus Conductus zu versagen ist,
zumahlen da bey angestelleten Injurien-Klagen die nothwendige Beantwortung der
Klage an sich selbst nicht einmahl einen Salvum Conductum von nöthen zu haben
scheinet. Aber ein anders ist es, wenn die Schmähungen gar zu grob, und von
geringen Leuten gegen vornehme Personen ausgestossen worden, zumahl wenn diese
nicht klagen, sondern die Sache ad inquirendum übergeben. Ferner obschon, wenn
ein Injuriatus die Sache ad inquirendum denunciret hat, dessen consens in
circumstantiis ad formandum processum necessariis, ordentlicher weise nicht
nöthig ist; so sind dennoch nach Gelegenheit der Umstände, die Regulae decori
mit denen regulis justitiae nicht zu vermischen: Drittens, wo die Rechts-Sachen
auff das arbitrium judicis ankommen, da pfleget auch das arbitrium gar leichte
bald so, bald anders zu fallen.
§. II. Alle diese Anmerckungen können gar füglich durch folgendes(Sonderlich von Schmähungen / die implicite auch andre touchiren.)
responsum erleutert werden. Und sonderlich möchte sich ein scrupel bey einem und
andren bey der Antwort auf die letzte Frage deßhalb ereignen; weil der Herr
Denunciant angegeben, daß Ihn die Rea einen blinden Huren-Sohn gescholten haben
solte, indem zwar hierdurch Ihm selbst kein vitium oder crimen vorgeworffen
worden, aber doch implicite dessen Frau Mutter dergleichen beschuldiget worden,
und die ausgestossene injurie mit derjenigen in diesem Stück zu vergleichen
scheinet, wenn ein injuriant einen ehrlichen Mann einen Hahnrey schilt, weil
dadurch dessen Ehe-Frau implicite, als ob Sie eine Ehebrecherin sey, gelästert
wird.
|| [226]
(Das Responsum selbst.)
§. III. Daß aber diese ration in dem responso, das Anno 1694. in Monat October,
nomine Facultatis ausgefertiget wurde, nicht berühret worden, ist deßhalb
geschehen, weil die referenten in Collegiis schuldig sind, Ihre responsa und
Urtheil nicht nach Ihrer privat Meinung, sondern nach denen mehrern Stimmen
einzurichten. Das responsum selbst, welches auf imploration einer armen
Bauer-Magd, die sich Elisabeth Eulitzin zu Nirgendsheim nennete, war also
abgefaßt.
Hat bey der Hoch Fürstl. D. A. Regierung des gesamten Hochfürstl. Hauses
Unter-Director Herr J. A. von K. wieder Euch, ob soltet Ihr ihn für einem
blinden Huren-Sohn gescholten haben, zur Inquisition denunciret, und gebethen,
weil Ihr als ein Dienst-Bothe de fuga suspecta wäret, Euch zur gefänglichen
Hafft zu bringen. Hat hierauff die Fürstl. Regierung zu D. Euch durch eine
Wache, um Euch in arrest zu nehmen suchen lassen, und es hat die Wache, weil ihr
verreiset gewesen, was Sie von Euren Sachen und mobilien gefunden, mit sich
weggenommen. Habt Ihr ferner bey wohlermeldter Regierung zu Rechtlicher
Ausführung eurer Sache zu zweymahlen, um ein special sicheres Geleite
angesuchet, jedoch nichts zurück erhalten, biß ihr von einem tertio die
Nachricht bekommen, daß die Regierung zu D. an den Herrn Unter-Director von K.
zuforderst geschrieben habe, um von ihm zu vernehmen, ob mit seinem Willen Euch
das gebethene sichere Geleite ertheilet werden möge, und ihr wollet anfänglich
berichtet seyn: Ob die Hochlöbliche Regierung zu D. Euch das gesuchte sichere
Geleite wohl versagen könne:
Ob nun wohl ein Richter befundenen Umständen nach, und in gewissen Fällen das
gebethene sichere Geleite gar wohl versagen kan, absonderlich aber derselbe wohl
dahin zu sehen hat, damit dem Inquisito durch Verstatttung solches sicheren
Geleits zu Verschleiffung der Sache oder eludirung des judicii nicht selbst
Anlaß gegeben werden möge;
Dieweil aber dennoch nach gemeinen Rechten es Herkommens, daß einem inculpato,
zumahl absenti zu Ausführung seiner defension der gebethene Salvus Conductus
regulariter nicht abzuschlagen, sondern so gar auch in atrocioribus delictis,
quae poenam fanguinis vel aliam corporis afflictivam nach sich ziehen, und wenn
gleich der reus consessus & convictus wäre, dennoch, wenn Er defension
zu führen sich getrauet, ihm special sicher Geleite zu verstatten per tradita.
Carpz. pr. Crim. part. 3. qv. 112. n. 32. 34. 40. Hiernechst auch nur in delictis notoriis & manifestis, und wenn der inculpatus gegenwärtig, oder allbereit verhafftet ist, das sichere Geleite nicht pfleget verstattet zu werden, so aber beydes in gegenwärtigen Fall nicht zu finden, indem zur Zeit weder Ihr, der denuncirten Injurien geständig oder deren überführet, noch auch in loco judicii anzutreffen seyd;
|| [227]
So erscheinet daraus so viel, daß die Fürstl. Regierung zu D. Euch das gesuchte
sichere Geleite mit Bestande nicht versagen könne;
Auff die andere Frage E. W. V. R. Ob wohl der Herr Denunciant als pars laesa
hierunter das meiste interesse hat, auch damit Er zu gebührender satisfaction
gelangen mögen, diese injurien zur Inquisition denunciret, dahero scheinen
möchte, daß dessen Wille und Consens bey Ertheilung des sichern Geleits nicht
auszuschliessen;
Dieweil aber dennoch derselbe in gegenwärtigen Fall pro Actore oder accusatore
nicht zu achten, sondern wie aus Eurem Bericht abzunehmen, Er in nudis terminis
denunciationis blieben, bey welcher Bewandtniß Er die gantze Sache in des
judicis Hände und direction gestellet, und derselben den gewöhnlichen Lauff nach
Anleitung des Inquisitions-Processes lassen muß; So erscheinet daraus so viel,
daß de jure oder necessitate des
denunciantens als partis
laesae Wille zu Ertheilung des sichern Geleits nicht erfodert werde;
Auff die 3te Frage E. W. V. R.
Ob wohl nach Gelegenheit der Umstände die Injurien auch mit Staupen-Schlägen und
Landes-Verweisung bestraffet werden können, zumahl wenn solche atroces und
wieder Vornehme in Ehren-Aemtern sitzende Personen, von geringen Leuten
ausgestossen worden, auff welchen Fall die Caution ziemlich hoch erstrecket zu
werden pfleget.
Dieweil aber dennoch in gegenwärtigen Fall, ob ihr zwar als ein Dienst-Bothe weit
geringern Standes seyd, als Herr Denunciant, so in hohen Fürstl. Diensten
stehet, die Injurien doch so beschaffen, daß darinnen kein notabile delictum
demselben vorgeworffen worden, sondern solche nur auff dessen contumeliam
zielen, bey welchen Umständen, wann Ihr gleich der injurien überführet werden
soltet, höher als auff zeitliches Gefängniß oder jährige Landes-Verweisung nicht
erkannt werden möchte, und die auff diesen Process gehende Kosten, auch nicht
gar hoch sich belauffen dürfften; So erscheinet daraus so viel, daß gestalten
Sachen und Umständen nach, wegen der Caution pro salvo
conductu ein Vorstand, der auffs höchste die summe von 50. Thlr. übertreffe, von Euch mit Bestande Rechtens nicht
gefodert werden möge. V. R. W.
|| [228]
§. I.
(Der Handel selbst nach allen Umständen.)
ES gehet zwar der gegenwärtige Handel nicht alleine die rubricirte Behutsamkeit
an, sondern er reflectiret auch auff mehreres Versehen der Richter in
criminalibus, jedoch ist besagte Behutsamkeit wohl das vornehmste, worauf
allhier zu sehen. Die Sache verhält sich also. Anno 1694. gleichfalls in
October, schickte die Regierung zu Z. etliche Volumina Actorum inquisitionalium
wieder einem liederlichen und allebreit vorhero zu Jena relegirten Magister ein.
Dieser wurde beschuldiget, daß er schimpfflich von der Herrschafft geredet
hätte, massen Ihn drey Zeugen beschuldigten, daß Magister George Conrad Z. sich
hätte verlauten lassen, Er respectirte keinen Fürstl. Befehl, und wolte, wenn Er
einen bekäme, die posteriora daran wischen, auch den Amtmann zu T. wenn dieser
Ihn in arrest nehmen wolte, wacker abschlagen. Nun saß dieser saubere Herr
Magister allbereit wegen Schulden in Z. verarrestiret, und wurde demnach a
Regimine dem Amtmann daselbst, auch die Inquisition wegen der denuncirten puncte
halber auffgetragen. Da dieses geschehen, kamen neue Denunciationes ein, daß er
schimpflich von dem neuen Superintendenten zu F. P. geredet, und Ihn einen
jungen Esel, seinen Vater aber den Hof-Prediger zu Z. einen alten Esel
geheissen, und wurden Patente ad Acta beygeleget, daß er schon vormahls zu
zweyen mahlen von Jena relegiret sey, welche Sache dem Amtmann zu Z. zu
untersuchen gleichfalls committiret wurde. Indessen hatte Gottfried Ernst B.
sich schrifftlich offeriret, für die Schuld, weßhalben M. Z. arrestiret worden,
zu caviren, solche Caution auch hernacher auff die Anschuldigungen extendirt,
welches aber Z. auff alle denuneiationes nicht passiren lassen, sondern nur auff
die Sache wegen der Herrschafft und den Amtmann zu T. restringiret wissen wolte,
indem er zugleich verlangete, man wolle dasjenige, was den Hof-Prediger und
dessen Sohn concernirte, ad forum competens nach L. verweisen: worauff Ihm die
Wache weggenommen, jedoch Ihm im Hause arrest zu halten angedeutet worden. Er Z.
hielte hieauff um defension pro avertenda an, so
|| [229]
Ihm
aber abgeschlagen wurde. Nach diesen kame die Universität zu Jena ein, und
denuncirte wider Z. Er habe sich verlauten lassen, daß das von besagter
Universität seinetwegen angeschlagene Relegations-Patent zu G. öffentlich durch
den Scharff-Richter unter den Galgen verbrannt worden, und wurde auch dieses dem
Amtmann zu Z. zu untersuchen, inquiriret. Indessen war der M. Z. verreiset, und
wurde dem Amtmann befohlen, er solle den Caventen anstrengen, selbigen zu
stellen, weßhalb er auch an den Caventen Aufflage ergehen liesse, und verbliebe
es bey dieser Verordnung, ob sich gleich der Cavent schrifftlich entschuldigte.
Ob nun wohl a Collegio Juridico zu J. rechtlich erkant worden, daß M. Z. ad
articulos sub poena confessi & convicti zu antworten schuldig wäre,
erhielt er doch einen Befehl, daß man Ihn mit seiner defension pro avertenda
hören solte, und wurden hierauff die Acta seinem Advocato vorgeleget. Nachdem
aber Z. mit seiner defension nicht eingekommen, wurde er nochmahls sub poena
confessi & convicti citirt, und die Citation seinem Caventen zur
Bestellung insinuiret, er erschiene aber nicht. Immittelst hielte der Cavent um
abolition der Inquisition an, erhielte auch resolution, daß solches gegen
Abstattung 200. Thlr. und Erlegung der Unkosten geschehen solte, bey welcher
resolution es auch verbliebe, ob schon der Cavente sich zu 100. Thalern erbote.
Der Cavent stellete hierauf in etlichen Schriften seine Nothdurft von neuen für,
und erklärte sich in der einem, dasjenige zu bezahlen, was nach Erkäntniß auf Z.
defension, auch allenfalls NB. praemissis citationibus edictalibus in
contumaciam erkant werden dürffte; in der andern protestirte er, daß seine
Caution nicht extendirt werden möchte, und bath, die puncta, weßwegen er cavirt,
zu separiren, und darüber erkennen zu lassen; item, man möchte Ihn gar
liberiren, nachdem Z. sub jurisdictione Principis mit immobilibus angesessen,
und NB. nach der von ihm bestellten Caution wieder in seinem Hause mit Arrest
beleget worden. Der Inquisit Z. aber kame indessen mit keiner defension ein,
sondern protestirte nur schrifftlich wieder fernere inquisition. Drauff wurde zu
J. erkannt,
daß Z. wegen seines beharrlichen Ungehorsams nunmehro in die Ihm vormahls eventualiter zu erkante Straffe der Zeitlichen Landes-Verweisung, oder an deren statt in 200. Thlr Geld Busse verfallen, auch daneben sämtliche auffgewendete Inquisitions-Kosten zu erstatten schuldig sey; jedoch stünde der Fürstl. Landes-Herschafft frey, entweder die verwürckte Landes-Verweisung an Ihn zu vollstrecken, oder von dessen Caventen obgemeldete Geld-Straffe, samt denen verursachten Unkosten einzubringen, jedoch daß dieser seinen regress an Z. haben solte.
|| [230]
Hierauff wurde dem Caventen, der sich über dieses Urtheil beschwert befunde, eine
praeclusivische Frist zur Defension verstattet; ja Z. kam selbst mit einer
Appellation ein, um deßwillen der Cavent fernere defension zu führen sich nicht
verbunden achtete, auch selbst eventualiter appellirte. An statt der Appellation
aber wurde dem Z. eine praeclusivische Monats-Frist zur defension ertheilet, und
solche resolution abermahls dem Caventen zur Bestellung insinuiret: dem Caventen
aber wurde aufferleget, seine Verantwortung zu thun, warum er appelliret hätte,
und solle er sich auch erklären, ob er der appellation renunciren wolle: Es
wurde auch hernach resolviret, rechtliches Erkäntniß einholen zu lassen. Bald
darauff kam der Cavente schrifftlich ein, und stellete vor, daß zwar zu J. 200.
Thlr. Straffe nebst denen Unkosten dictiret worden, es wären aber in Actis noch
unterschiedliche momenta, die, wo nicht gäntzlich, doch pro parte die Straffe
abwenden könten. Denn 1. fände sich defectus wegen insinuation der citationen,
2. die Urtheile wären zu J. gesprochen, da doch selbige Universität selbst
wieder Z. denunciret hätte, 3. wäre das, was Z. eingegeben, von dem Secretario
förmlich refutiret worden, welches ungewöhnlich und unzuläßlich; Er bate
dannenhero, daß in einem andern Collegio hierüber erkannt werden, oder eine
moderation der Straffe und Unkosten erfolgen möchte, und wolte er in so weit der
appellation renunciren. Nach diesen erklärte er sich mündlich, wenn er seinen
regress wieder Z. wegen aller Sachen nehmen könte, vor voll, sonsten aber nur
pro rata die Zahlung zu thun.
(Das Urtheil selbst cum rationibus.)
§. II. In solchen Umständen nun wurden die Acten an uns geschickt, und wolte die
Regierung über drey Fragen belehret seyn. Worinnen aber diese drey Fragen
eigentlich bestanden, und was nomine Facultatis darauff geantwortet worden, ist
aus dem folgenden Urtheil und dessen rationibus decidendi mit mehrern zu
ersehen.
P. P. Als dieselben Uns die wieder M. Georg Conrad Z. ergangenen Acta in 4.
Voluminibus nebst 3. unterschiedenen Fragen zugeschicket etc.
Daß M. Georg Conrad Z. an der fol. 118. Vol. sub erstatteten defension wieder
das Urtheil fol. 108. sich gestalten Sachen nach noch nicht versäumet, sondern
er ist damit noch ferner zu hören; So mag auch Gottsried Ernst B. wenn Er die in
besagten Urtheil erkante Straffe, nebst denen Unkosten jetzo bezahlet, deßwegen
seinen regress wieder M. Z. noch zur Zeit in keiner Sache, künfftig aber, und da
der Proceß mit Z. seine Endschafft völlig erreichet, nur wegen dieser Puncte, in
welche Z. consentiret, so wohl der Straffe als Unkosten halber nehmen, viel
weniger ist die von ihm bestelte Caution wieder seinen Willen auff erwehnte
Puncte, denen Z. wiedersprochen,
|| [231]
und auff diejenigen,
so hernach von neuen denunciret worden, zu extendiren V. R. W.
Rationes decidendi.
Ist M. Georg Conrad Z. beschuldiget worden, daß Er schimpfflich von der
Herrschafft geredet, dahero dem Amtmann zu Z. die Inquisition wieder erwehnten
Z. der wegen Schulden bereits in Arrest genommen gewesen, auffgetragen worden;
Ist nachhero zu unterschiedenen Zeiten weiter wieder M. Z. denunciret worden,
daß Er so wohl den Amtsverwalter zu T. als auch den neuen Superintendenten zu F.
P. und dessen Vater, den Hof-Prediger in Z. gröblich injuriret, wie nicht
weniger von der Universität Jena sehr schimpfflich und injuriös geredet, dahero
auch dißfalls zu inquiriren, dem Amtmann anbefohlen worden; Hat indessen
Gottfried Ernst B. welcher vor Z. Schulden halber in Actis sub fol. 2.
Caution bestellt gehabt, als Er Vol. 2. fol. 25. f. b. gefraget worden, ob Er
sothane Caution auch auf die Inquisitions-Sache ge. stellet, oder stellen wolle,
mit ja geantwortet, welches aber Z. so indefinite nicht geschehen lassen wollen,
sondern die Caution nur auff die Sache wegen der Herrschafft und den
Amtsverwalter zu T. anzunehmen sich heraus gelassen, und ist hierauff wieder Z.
die Inquisition fortgesetzet, auch endlich in Actis sub demselben in
contumaciam, weil er nach entledigten Arrest weggereiset, und auff die an Ihn
abgelassene peremtorische Citationes nicht erschienen, zeitliche
Landes-Verweisung oder 200. Thaler Straffe dictiret worden, worwieder Z. fol.
115. d. act. mit einer appellation einkommen, die ihm aber als in
Inquisitions-Process unzuläßlich abgeschlagen, und ihm hingegen fol. 118. eine
praeclusivische Monaths-Frist, zu Einbringung Seiner defension untern dato den
28. Jan. 1694. gesetzet worden, die Er vorbey streichen lassen, und die
defension nicht eingebracht, dahero der Cavent zu Abtragung sothaner Straffe,
und darauff gelauffenen Unkosten, zumahl in den Urtheil fol. 108. dahin
alternative mit erkant, angestrenget worden, der aber darzu nicht in totum sich
verbunden zu seyn vermeinet, sondern ein und anders vorgewendet, und wir sind
anfänglich befraget worden; Ob gedachter M. Z. an der fol. 118. d. Vol. sub
verstatteten defension wieder das Urtheil fol. 108. sich versäumet, und damit
ferner nicht zuhören;
Ob nun wohl bereits in dieser Sache ermeldter Z. durch 2. sententias condemniret
worden, auch die letzte Notification wegen der sub praeclusione nachmahls
verstatteten Monaths-Frist, dem Caventen insinuiret worden;
Dieweil aber dennoch besagte beyde sententiae, indem Sie von denunciantibus
gesprochen worden, nullitate zu laboriren scheinen, hiernechst die in denselben
befindlichen clausulen, daß der Landes-Herrschafft freystehe, entweder die zu
erkandte Landes-Verweisung zu exequiren, oder die alternative erkannten 200.
Thlr. von dem Caventen zu exigiren, wo nicht denen gemeinen Rechten, ex multis
capitibus zuwieder, dennoch sehr vielen Rechts gegründeten Zweiffel unterworfen,
auch bey keinem Urtheil eine
|| [232]
Urtheils-Frage zu
befinden, und was in des Caventen Schrifft fol. 122. seq. Vol. sub dem Z. zu
gut ferner angeführet worden, gleichergestalt die Sache annoch Zweiffelhafft
machet, und wohl zu consideriren ist, endlich aber keine Registratur bey denen
Actis zu finden, ob und wie die letzte Notification fol. 118. d. Vol. von dem
Caventen dem Z. insinuiret worden sey, ein Cavent aber und fidejussor pro
mandatario nicht gehalten werden mag;
So haben wir bey der ersten Frage nicht anders, als daß M. Z. an der fol. 118.
Vol. sub verstatteten defension wieder das Urtheil fol. 108. sich gestalten
Sachen nach noch nicht versäumet, sondern damit noch ferner zu hören sey,
erkennen mögen;
Zum andern seynd Wir befragt worden: ob des Z. sein Cavent, der nunmehr die
erkandte Straffe, benebst denen Unkosten fol. 124. Vol. sub zu bezahlen sich
in gewisser Masse anerbothen, seinen regress wieder den Principal deßwegen in
allen Sachen nehmen könne;
Ob nun wohl ein fidejussor, wenn Er pro debitore principali bezahlet, actione
mandati oder negotiorum gestorum den Principal-Schuldner hinwieder belangen mag,
auch pro mandatario in denen Rechten gehalten wird, si pro praesente &
tacente quis sidejubeat; Dieweil aber dennoch sine debito principali nulla
fidejussio est, & consequenter nulla actio fidejussoria gegeben werden
mag, und nach denen Umständen, die bey der ersten Frage angeführet worden; Z.
noch zur Zeit pro vero debitore nicht zu halten, hiernechst wohl zu beobachten,
daß Z. actor. Vol. 11. fol. 25. b. die Caution nicht weiter, als wegen der
Herrschafft und des Amtsverwalters zu T. angenommen, und wegen der übrigen
Sache, weßhalben wieder Ihn inquiriret worden, ausdrücklich wiedersprochen, in
dergleichen Fällen aber einen Bürgen wieder den debitorem principalem weder
actio mandati noch negotiorum gestorum zustehet; So mag auch Gottfried Ernst B.
wenn er die in vorigen Urtheilen erkandte Straffe nebst denen Unkosten vorjetzo
bezahlet, deßwegen seinen regress wieder M. Z. noch zur Zeit in keiner Sache,
künfftig aber, und da die Sache mit Z. völlig ausgeführet, nur wegen dieser
Puncte, in welche Z. consentiret, so wohl der Straffe als Unkosten halber
nehmen.
Drittens seynd wir befragt worden: Ob sich die Caution nicht wieder des Caventen
Willen auf alle Sachen erstrecke, und Er dem Judici hierinnen verbunden sey?
Ob nun wohl der Cavente, als Er befraget worden, ob Er nicht auch die Caution
auff die Inquisitions-Sachen extendiren wollen, mit ja geantwortet, und dadurch
der judex ein jus quaesitum erlanget zu haben scheinet, auch daß Z. die Caution
restringiret wissen wollen, mehr ad obligationem, quae est inter fidejussorem
& debitorem principalem, als auff diejenige, quae est inter judicem
& caventem zugehören es das Ansehen hat, auch Z. dem judici das einmahl
per stipulationem des Caventen erlangte Recht nicht wieder benehmen könne.
Dieweil aber dennoch
|| [233]
die stipulationes juris Romani
in Teutschland nicht gebräuchlich, und dahero besagten des Caventen Antwort,
wenn gleich interrogatio vorher gangen, in dubio pro pacto juris gentium zu
halten, bey dieser Bewandniß aber bey den damahls geschehenen negotio die
momenta prioritatis nicht eben zu attendiren, sondern alles, was damahls
vorgangen, pro uno actu zu halten ist, und solchergestalt, wenn man den Caventen
auch wegen der andern Puncte, welcher halben Z. contradiciret, hätte verbinden
wollen, tanquam in negotio bonae fidei von nöthen gewesen wäre, daß man ihn von
neuen befraget, ob er Z. protestation unerachtet, für die übrigen Puncte caviren
wolte, und aus denen Acten zu sehen, daß der Cavent allemahl, wenn er per viam
juris zur Zahlung angehalten werden wollen, jederzeit dieses sein Versprechen
also erklähret wissen wollen, als es pro rata zu verstehen, weßwegen er auch
separationem Actorum nicht unbillig begehret, und ihm von der hochlöblichen
Regierung niemahls ein Einwurf darwieder ex rationibus dubitandi gemacht worden;
zu geschweigen, daß wegen dessen, was nach diesem die Universität Jena
denunciret, der Cavent gar nicht gefraget worden, ob er auch dafür caviren
wolle, und pro contradictione juridica zu halten, ex promisso wieder seinen
Willen obligirt zu seyn; So mag auch Gottfried Ernst B. Caution wieder dessen
Willen auff die Puncte, wieder welche Z. protestiret, und die hernach von neuen
deduciret worden, nicht extendiret werden.
§. I.
MIch dünckt, ich kan nicht besser thun, als wenn ich ohne(Anfrage an die Facultät, nebst Vorstellung der
Geschicht.) vieles praeambuliren gleich anfange, diesen ohne dem an
sich weitläufftigen Handel, wie er bey unserer Facultät vorgegangen, zu
erzehlen. Anno 1717. in Monath Julio wurde folgende species facti an unsere
Facultät geschickt, die ich ohne die geringste Veränderung also, wie sie uns
zugeschickt worden, hersetze.
Nachdem ich unterschriebener Titius, vormahlen gewesener G. R. und Cab. Dir. des
hochseeligen Fürsten von N. N. um von meinen Reise-Fatigues zu erhohlen, mich in
der freyen Reichs-Stadt N. N. etliche Wochen arretiret: Habe daselbst,
|| [234]
bey meinen müßigen Stunden, nebst zwo politischen
Tractätchen, davon das eine den Titul: Politische Gedancken, wie Könige und
Fürsten mächtig und reich zu machen; das andere die Rubric: Entwurff von einer
wohleingerichteten Policey, führet; auch die sub A. beygeschlossene Meditationes Philosophicas de DEO, Mundo, Homine:
verfertiget und sonder Nahmen zum Druck gegeben.
Um nun in diesen Meditationibus, mit freyerm Hertzen, nach der in Republica
Litteraria concessa libertate: wieder die receptas, in Philosophia nostra,
opiniones zwar streiten; doch zugleich sie, durch die falschen Beweiß-Gründe der
contrairen Parthey, desto mehr verstärcken zu können;
Habe nicht allein die Person eines Philosophischen Heyden angenommen: Der,
nachdem die alte und neue Welt-Weißheit, mit dem Studio Theologico er ziemlich,
insonderheit über die drey erwehnte Materien, sich bekandt gemachet, dabey
verschiedene Königreiche und Länder durch gereiset: in selbigen auch theils die
offenbahre Arthen des Gottesdienstes und der Regierungs-Formen, mit einem
curieusen Auge beobachtet: theils mit gründlich Gelehrten und subtilen Männern,
von vielen Secten und differenten Meinungen, über die Puncta quaestionis,
mündliche Conversation gepflogen; sich zwar ad interim, wegen seiner Negotien
und Verkehrungen, einen Verbleib-Platz bey denen Christen gewehlet, auch wieder
ihre Verfolgungen desto sicherer zu seyn, wie ein Christianus Temporalis sich
aufführet: indessen aber sein Heydenthum dem Christenthum in so weit vorziehet;
daß obgleich er, die Lehren, welche die Ecclesia Christiana de DEO, Mundo
& Homine, vertheidiget: in ihrem Werth und Unwerth, wiewohl mit einer
nicht undeutlichen Neigung zu denselbigen, beruhen lässet; er seine Sentimens
und den Fidem Ethnico-Philosophicam vor dem Fide Christiano-Philosophica,
darüber wo nicht für gar wahr, dennoch wahrscheinlicher angiebet und aestimiret;
Sondern ich habe auch dieses Heyden Argumenta Philosophica: indem auf die
Vernunfft und Libertatem Ratiocinandi (welche zwo Stücke, Deus ceu Liberrima
Ratio: denen Christen und Heyden in voller Masse vergönnet) sie sich
insonderheit gründen: und er de tribus hisce Fidei Philosophicae Articulis seine
Gedancken nicht wie ein Christ und Gottes-Gelehrter: sondern einem
freydenckenden Heyden gleich, nach denen, aus der Raison, der Schrifft, der
Erfahrung und dem Umgang, genommenen Observationen, ohne schädliche Absichten
eröffnet; in den so genanten Meditationibus Philosophicis, per breves positiones
concentriren und der edlen Warheit blos zu gut, public machen wollen: damit die
Herren Theologi & Philosophi Reipublicae Christianae Gelegenheit dadurch
hätten, die Gültigkeit dieser Raisonnemens zu untersuchen, das wahre vom
falschen
|| [235]
zu unterscheiden, und durch eine gründliche
und modeste Censur, wie die Christen in ihrem Glauben fest zusetzen: Also
hingegen den irrenden Heyden, aus der Finsterniß in das Licht und von dem Weg
des Irrthums einer fleischlichen Philosophie, in das Geleis des offenbahrten
Wort GOttes, mit Vernunfft, Sanfftmuth und Liebe, nach der Vorschrifft unsers
Heylandes zuführen und zubringen.
Es hatte aber dieses von mir, nach NB. NB. gleich erwehnter Intention
verfertigtes Tractätchen, sich kaum in dem Buchladen zur Beurtheilung
vernunfftiger und moderater Richter praesentiret: wurde von dem Magistrat der
freyen Reichs-Stadt N. N. auf Angeben der Geistlichkeit es confisciret, auch der
Verleger durch schwere Bedräuungen gezwungen, den Nahmen des Autoris ihnen zu
offenbahren.
Nachdem durch dessen Bekäntniß also kundbahr worden war: Ich wäre der Verfasser
erwehnter Meditationum Philosophicarum, und daß ich mich in der Stadt würcklich
auffhielte; wurde nach wenigen Wochen, indem immittelst auff das Land zu einem
guten Freund verreiset war, ich von dem Scholarchat, welchem die Censura
Librorum, in erwehnter Reichs-Stadt N. N. incumbiret: durch einen Ministerialem
begrüsset und invitiret zu sie zu kommen, um wegen einer gewissen Affaire, mit
mir zu conferiren.
Ob nun wohl den Endzweck dieser Einladung vermercket, und sie leicht decliniren
hätte können: in regard als ein gewesener Fürstlicher Rath und wie ein
Passagirer, der in einer freyen Stadt vor sein Geld zehret, und ohne Domicilio
fixo lebet, das Forum Civium zu agnosciren, ich ohnedem nicht wäre gehalten
gewesen;
Habe doch lieber ex bonae caussae confidentia, mich vor die Herren Scholarchen
sistiren, und ihre Proposition vernehmen: als durch Exceptiones Fori
Declinatorias, in bösen Argwohn setzen, und zu sinistren Urtheilen Anlaß geben
wollen.
In die comparitionis, wurde nach kurtzen Praeliminarien, von den Herrn
Scholarchen, ex Commissione Nobilissimi Senatus, ich befraget: Ob ein gewisses
Tractätchen rubriciret: Meditationes Philosophicae de DEO, Mundo, Homine: mir
bekand wäre, und was ich von selbigem hielte?
Meine Replique darauf war: wie auf dero Invitation, theils aus Respect gegen sie,
theils wegen eines guten und freyen Gewissens, auch um erwehntes unschuldiges
Tractätchen, welches hiemit vor meine Arbeit erkennete, indem es causa inaudita
verdammet und confisciret: in etwas zu vertheidigen, ich erschienen wäre;
Declarirte dabey de novo, daß offenhertzig gestünde, der Verfasser solcher
Meditationum zwar zu seyn: Ich hätte aber selbige
|| [236]
I. Als ein Philosophus Ethnicus (nachdem oben bereits weitläufftig entworffenen
Begriff) und gar nicht wie ein Philosophus Christianus, noch weniger wie ein
Theologus geschrieben: daß man also die zwo Personas Morales nothwendig von ein
ander separiren und nicht confundiren müste; weil sonsten dergleichen Opiniones,
die mir niemahlen in den Sinn gekommen wären, leicht auffgebürdet werden könten:
wowieder aber solennissime protestirte; Es gienge
II. Bey diesem Tractätchen mein Finis eintzig und allein dahin: die Veritatem
Philosophiae Christianae, (von welcher ich als ein Christianus völlig
persuadiret wäre) von des Ethnicismi und derer alten als neuen Libertiner,
falschen Hypothesibus, per argumenta genuinae orthodoxiae validiora in
contrarium, völlig gesäubert und durch dieses Mittel, die wahre Religion, wie
den Rechtgläubigen zur unumstößlichen Gewißheit: also den Heyden selbst zu einer
Uberzeugung, gründlicher vertheidiget zu sehen. Wie dann zum mehrern Beweiß, daß
die in den Tractätchen verfaßte Meinungen, nicht fovirte, sondern exercitii
& veritatis inquirendae gratia, von mir nur wären offen geleget worden:
Ich
III. allegiret, daß nicht allein zu der Lutherischen Kirche mich bekennete,
sondern das Heil. Nachtmahl bey einem Prediger ermeldter Religion in ihrer
Stadt, vor wenigen Monathen würcklich empfangen: und dahero aus angezogenen
Umständen Sonnen-klar erhellete und wahr bliebe, daß gleich wie ich ein
Ecclesiae Christiano-Lutheranae Membrum wäre; also wegen Herausgebung offt
erwehnten Tractätchens, mir weder Haeresis noch Atheismus: wie zwar solches
vorjetzo, nach meiner in der Praefation geschehener Vorhersagung, practiciret
werden wolte; auff eine vernünfftige Art und mit gutem Gewissen imputiret und
zur Last geleget werden könten. Wie dann
IV. und zum Schluß noch beyfügte: wie sehr wunderlich es mir vorkäme zu
observiren; da in den Buchläden Arianische und Socinianische Bücher: die alte
Heydnische und neue Libertinische Philosophie: nebst vielen andern heimlich
gefährlichen Schriften: in Lateinischer und Teutscher, Frantzösischer und
Englischer Sprache, frey erkauffet und verkauffet würden; daß eben mein
Büchlein, ein so unglückliches Destin hätte empfinden und confisciret werden
müssen.
Es wurden zwar von denen Herrn Scholarchen, wieder die in den Meditationibus
enthaltene Sätze, verschiedene Einwürffe und Accusationes formiret: auch jeder
zeit, wiewohl nach ihren passionirtem und irrigem Begriff die Schlüsse gemacht:
Sie hielten Principia periculosa & Atheistica in sich verborgen; Ich
bliebe aber hingegen beständig bey den bereits weitläufftig angeführten
Antworten; und nachdem zum öfftern wiederholet, daß der Titul nebst der Vorrede
dieser Meditationum, genungsam für mich, und meine unschuldige Pensees das Wort
redeten: Auch weder des Atheismi Theoretici, noch weniger des Practici
beschuldiget werden
|| [237]
könte, indem den ersteren
expresse & in totum, in selbigen negirte: überdas der Ethnicus a
Christiano, der Philosophus a Theologo: von einander gantz genau abgesondert
bleiben müsten; beurlaubte mich von denen Herrn Scholarchen mit einer
geziemenden Ergebenheit und reiterirter Bitte: keine wiedrige Impressiones von
mir und meiner Schrifft, weiter zu hegen, sondern mich wie einen standhafftigen
Lutheraner; das Tractätchen aber, wie freymüthige Gedancken eines Heydnischen
Philosophi, mit serieusen Erwegungen zu betrachten und denen odieusen
Inculpationen kein Gehör zu vergönnen.
Nun hätte ich verhoffet, daß diese redliche Erklährung und naive Explication
meiner Absicht, welche bey Druckung dieses Philosophischen Tractätgens
intendiret: den löblichen Stadt-Magistrat und die Geistlichkeit zu Frieden würde
gesprochen haben; die Consideration, daß ein jeder der beste Dollmetscher seiner
Worte, Schrifften und Gedancken sey: auch einer gethanen Bekäntniß so lange
guter Glaube beyzumessen; biß das Gegentheil durch unumstößliche Proben erhärtet
werden könne: Cum quilibet uti bonus Vir, ita & Christianus verus
praesumatur esse, donec per Testimonia sole meridiano clariora, contrarium in
fide & maxime in vitae genere probetur.
Ich muste aber, nach Ablauff weniger Tagen, zu meiner Disconsolation vernehmen,
wie ich nicht allein auf eine unchristliche und recht heydnische Art, von den
Cantzeln verfolget, und nebst dem Tractätchen in einen öffentlichen Kirchen-Bann
gleichsam, durch anzügliche Expressionen, erkläret würde: sondern endlich gar
erfahren; daß, nachdem ein Hochedler Rath, ihren Zeugschreiber zwo mahl an mich
gesand hätten, in dero Nahmen mir etwas zu hinterbringen, selbiger mich aber
nicht zu Hause gefunden: Das sub B. angeschlossene Consilium abeundi meinem
Herrn Hospiti eingeliefert wäre worden, mir es bey meiner Heimkunfft zu
insinuiren.
So bald solches erhalten, habe mit der raisonablen Welt mich zwar ungemein über
dieses Procedere verwundern müssen: so fort aber auch (obgleich es gar nicht
difficil mir hätte fallen sollen, erwehntes Consilium Abeundi, per implorationem
protectionis potentiorum zu eludiren) die Resolution, aus gewissen Ursachen,
sonderlich aber wegen der mir zu kurtz praefigirten Zeit, genommen: um dem
angedroheten Schimpf so wohl, als dem Odio Politico & Theologico zu
entgehen: mich auff eine Zeitlang, wiewohl jure meo per omnia & in
omnibus salvo, aus der Stadt zu begeben.
Weil aber durch dieses ungemein hartes, illegitimes, übereiltes und passionirtes
Verfahren des Magistrats und der Priesterschafft, da sie
1) weder auff meine Person und den, wegen vormahliger Fürstlichen Dienste,
führenden Character: noch
2) auff die vernünfftige oben bereits angeführte Declaration meiner Philoso
|| [238]
phischen Gedancken, welche doch von ihnen,
durch keine Gegen-Gründe zur Zeit wiederleget: Vielweniger moraliter-mathematice
behauptet worden; quasi haec Ethnici Philosophi Principia, propria mea essent
dogmata, quibus prae Christianismo, cujus ego tamen strenuus sectator sum:
Symbolum meum darem & assensum, gebührende Reflexiones machen: sondern
3) mir, wieder die Dictamina Rationis & Scripturae, die Regulas Justi,
AEqui, & Decori; die Frequentirung ihrer Stadt, unter scharffen
Beahndung verbiethen wollen; auff daß empfindlichste bin graviret und beleydiget
worden;
So bin ich entschlossen, um die Ruhe meines Gemüths beyzubehalten: und meine, bey
dieser Affaire, erwiesene irreprochable Conduite, in den Augen aller Welt, gegen
meine Adversarios Politicos & Ecclesiasticos, zu justificiren: die zu
dem Ende mir offen stehende Remedia Juris zu ergreiffen; durch selbige, meine
rechtmäßig führende Vües zu obtiniren und zugleich, von ermeldten meinen
Wiedersachern, wegen denen, an mich verübten Exorbitantien und unlöblichen
Ausschweiffungen, die gebührende Satisfaction zu fordern und zu suchen.
Damit aber mit besserm Nachdruck und mehrerer Gewißheit in dieser delicaten
Affaire, meine Mesures nehmen könne: Habe vor nöthig erachtet, Euren Hochedlen
und Gestrengen, meinen Hochgeehrtesten Herren, diese Facti Speciem, welche zu
dero klärern Information, in weitläufftigen Terminis, mit gutem Vorsatz
abgefasset: zu dero hochvernünfftigen Erwegung zu communiciren: und über
nachfolgendes, aus dem Facto genommene und fliessende Quaestiones: Dero Sinceres
und unpartheyisches Gutachten, zu meiner vollkommenen Nachricht angelegentlich
gehorsamst auszubitten; Es gehet aber die
Iste Anfrage dahin: Ob mein Philosophisches Tractätchen, welches hiemit zugleich
Eurer Hochedlen und Gestrengen, meiner hochgeehrtesten Herren redlichen und
Christlichen Censur unterwerfe: könne NB. NB. nach meiner dabey geführten
Intention und denen für den Herren Scholarchen, allegirten wichtigen Raisons,
welche vor mir in antecedentibus mit einer freyen und treuen Feder sind
beschrieben worden: vor ein so scandalöses Büchlein aestimiret werden, darinnen
solche böse und Atheistische Principia enthalten, daß es nothwendig eine
Confiscation: ich aber das Consilium abeundi meritiret habe. Ob
2. die Geistlichkeit, so
1) mit grosser Rigeur, auf die Confiscation dieses unschuldigen Büchleins gedrungen: welches sie doch mit dem übrigen, in grosser Abundantz sich befindlichen geistlichen Unkraut der Christlichen Kirchen, biß zur Zeit der Erndte, lieber hätten dulden sollen;
2) Mich nebst selbigen, auff den Cantzeln, für ein Teuffels-Buch und Atheisten etc. etc. ohne dergleichen Facta & Crimina (si Meditationes Ingenii & Intellectus Crimina dici possunt) mir zur Zeit erwiesen zu haben; mit bittern und ungeziemenden Worten, debitiret und ausgeschrien; Auch endlich
3) durch ihr vehementes predigen den Magistrat genothsachet, wieder mich ein ungerechtes Consilium abeundi emaniren zu lassen; Nicht dadurch die Lehre der heil. Schrifft und das reine Christenthum übertreten; auch durch diese zornige Aufführung, mehr ihre geistliche Herrschafft & Tyrannidem Ecclesiasticam, als einen gelinden und sanfftmüthigen Eyfer vor die Ehre und Lehre GOttes, zuerkennen gegeben haben. 3. Ob und wie wieder diese ihre, gegen mich und meine Philosophische Gedancken, bezeigte unchristliche Conduite, ich meinen Regress nehmen könne: und was für eine actionem zu dem Ende anstrengen solle. Ob nicht 4. der Stadt-Magistrat, gleichmäßig, in dem gantz illegalem modo procedendi ungemein gestrauchelt: und insonderheit durch das ertheilte Consilium abeundi, die jura naturae & hospitalitatis: die dictamina justitiae, aequitatis & decori: ja selbst die officia humanitatis in meiner Person violiret und gebrochen; da sie einen längern und freyen Auffenthalt, bloß und allein wegen eines Philosophischen Tractätchens: welches aus einer redlichen und unschuldigen Absicht, orthodoxae veritatis inquirendae causa meistentheils geschrieben worden; abgeschlagen und mir aus ihrer Stadt, innerhalb dreyen Tagen wegzubegeben, sub dura clausula injungiret; in welcher dennoch die, unsern Heyland lästernde Juden mit ihren gottlosen und blasphemen Schrifften und Büchern in einer güldnen Freyheit gelitten werden. Und weilen also durch diese ungebührliche Proceß-Form und das Sultanische Consilium abeundi, dergestalt mich beleidiget befinde: daß man solches, ohne Ressentiment secundum praescripta juris & legum verschmertzen solte, mir es mit der Zeit zu einem schädlichen Vorwurff ausschlagen dörffte: Als gehet meine 5. und letzte Anfrage dahin: was für ein Rechts-Mittel wieder den Magistrat dieser freyen Reichs-Stadt N. N. in hoc passu mir competire: Selbigen nachdrücklich, seiner grossen Injustiz tam ratione processus, quam Consilii abeundi, vor der gantzen Welt zu überweisen und schamroth zu machen; Als insonderheit, qua via juris brevissima & actione, ihn dabey obligiren könne, vor die mir zugefügte unverdiente Drangsalen und Verfolgungen, eine suffilante, eclatante und notorische Satissaction, auff eine publique Weise und dergestalt zu geben; damit er gehalten sey, zum wenigsten durch ein öffentliches Cassatorium, den gantzen Process-Modum nebst dem Consilio abeundi zu annulliren, zu wiederruffen und vor illegitim zu erklähren. Datum N. N. den 5ten Julii 1717.
|| [240]
(Von Consiscirung Atheistischer
Bücher.)
§. II. In dieser specie facti sind zwey Beylagen allegiret. Die sub litera A. war
das confiscirte Büchlein de Deo, Mundo, Homine selbst in octavo, aus dreyen
Bogen bestehend, welches ich gerne wolte mit beydrucken laßen, wenn alle Welt
meines Sinnes wäre, und die Herren zu N. nicht nach der gemeinen Meinung, von
dergleichen Bücher Gefährlichkeit, selbiges confisciret hätten. Denn ob sie zwar
solches nach Anleitung unsers responsi zu thun wohl befugt gewesen, so habe doch
allbereit oben bey den V. Handel §. I. p. 130. erinnert, daß nicht alles, was
ich zu thun befugt bin, auch nützlich sey. Nach meiner Meinung werden die
Atheistischen Bücher durch die Confiscation nicht unterdruckt, sondern sie
werden von denen schlauen Buchführern nur desto theurer verkaufft, ja weil die
Politische Welt durch die tägliche Erfahrung vergewissert ist, daß wegen der
vielen Reliquien Papatus Politici, die noch hier und dar auch unter den
Evangelischen dominiren, auch viele gute nützliche Bücher unter dem praetext,
als wenn selbige gefährlich wären, eine gute Zeithero sind confisciret worden,
so pflegen auch viele vernünfftige und gescheide Leute aus Curiosität
dergleichen als Atheistische confiscirte Bücher, wenn selbige confisciret
worden, desto theurer zu bezahlen, weil sie gedencken was gutes darinnen zu
finden. Ich bin versichert, daß wenn Bodini Heptaplomeres, daß wohl eher für
hundert Thaler und drüber bezahlet worden, gedruckt wäre, zwar der erste Verlag
davon dem Verleger eben keinen Schaden bringen dürffte, wenn er es um einen
billigen Preiß gäbe, eben wegen der bißherigen Einbildung von demselben. Aber
ich wolte gut dafür seyn, daß es keiner fernern Auflage würde bedürffen, so viel
einfältiges, albernes und absurdes Zeug stehet darinnen von Anfang biß zu Ende.
Es gemahnet mich mit denen Atheistischen Schrifften, wie mit andern absurden,
oder doch nicht viel besonders in sich habenden Schrifften, die bloß die Rarität
theuer macht. Wie viel tausend Thaler hat nicht mancher Professor (sonderlich in
dem vergangenen Seculo, da die Ignoranz auch noch auff denen Lutherischen
Universitäten herrschete) mit einen dictirten Tractätlein verdienet, das ihn
jeder mit 60. und mehr Thalern bezahlen muste. Warum? er muste schweren, daß er
dieses herrliche Werckgen keinem Menschen communiciren wolte. Jetzund, da das
Werckgen gedruckt ist und etwa 6. oder 8. gute Groschen kostet, will es bald
kein Mensche mehr kauffen. Von Thummermuths Buche: Krumbstab schleußt niemand
aus, habe ich anderswo geredet, und wird es sich weisen, ob der aestim davon,
und die Begierde, solches zu besitzen, nicht gar sehr abnehmen wird, da man
solches nun öffentlich verkaufft. Dem sey aber nun wie ihm wolle, so will
|| [241]
es sich doch nicht schicken, daß ich bey der einmahl
von unserer Facultät rechtmäßig erkanten Confiscation dieser Schrifft,
dieselbige itzo selbst wolte beydrucken, und unter die Leute bringen lassen.
§. III. Zwar möchte mancher dencken; Es erfordere die Connexion(Ob das corpus delicti
vernünfftiger Weise ausgelassen werden könne.) der Sache die
communication dieser Schrifft nothwendig. Denn weil diese so zu sagen das so
genannte corpus delicti ist, worüber gestritten wird, ob es eine Atheistische
Schrifft sey oder nicht, wie will der Leser davon judiciren, wer recht hat, wenn
er die Schrifft nicht selber durchlieset, und antecedentia cum consequentibus
conferiret. Und ich muß gestehen, daß dieser Zweiffel nicht ohne Wichtigkeit
sey. Aber er ist doch nicht so gar wichtig, daß er nicht durch deutliche und
begreifliche rationes gar leicht gehoben werden könte, 1. Ist wo mir recht ist,
ohnlängst in einer gewissen Schrifft gedacht worden, daß in einem Fürstlichen
Gymnasio meines Behalts zu C. ein Professor des Orts das scriptum de Deo,
Homine, Mundo wieder drücken liesse und solches entweder schrifftlich, oder in
einem darüber zu haltenden Collegio mündlich zu refutiren entschlossen wäre. 2.
Ist auch die erste Auflage von dieser Schrifft so rar nicht, daß man selbige
nicht noch um einen billigen Preiß, der über vier Groschen nicht viel austragen
wird, bekommen könne. 3. Ist in unserm responso selbst das vornehmste, was zur
decision der controvers thut, aus dem Buche allbereit excerpiret und
ausgeführet, und die connexion mit dem vorhergehenden und nachfolgenden gezeiget
worden, ja es werden auch in der drauff folgenden contradiction des Autoris die
loca excerpta selbst nicht geleugnet, noch was von der connexion cum
antecedentibus & consequentibus gesagt wird, so viel das factum
betrifft, nie gestritten, sondern der Streit ist nur wegen der consequentz:
(Logice loquendo, lis non est de Minore: Autor hoc vel illud
docet, sed de Majore: Quic. talia docet, habendus
est pro Atheo) und also bedarff der Leser, zu Beurtheilung dieses
Streits, da alles de verbis in facto richtig, gar nicht nothwendig, daß er das
Scartecgen selbst lesen müsse.
§. IV. Die andre Beylage sub B. der in der specie facti gedacht(Die Beylage sub B.) wird,
ist die schrifftliche resolution, die seinem Hospiti insinuiret worden; Ihme
Titio solche zuzustellen, und ihn aus dem Hause zu schaffen.
Als die Herrn Scholarchen referiret, welcher gestalten ohnlängsthin ein sehr
scandalöses Tractätchen, sub rubrica: de DEO, Mundo & Homine,
herausgekommen, welches man confisciret, und auff Herren Schultheiß und Schöppen
Verordnung, den sich jetzo allhier auffhaltenden Autorem davon, Herrn N. N.
darüber
|| [242]
conslituiret, und derselbe sich damit zu
entschuldigen vermeinet, daß es nur Philosophische Gedancken, und er ja selbsten
ein guter Evangelischer Lutherischer Christ wäre; Nachdem aber gleichwohlen in
solchem Tractätchen sehr böse und Atheistische Principia enthalten, daß auch die
Herren Geistlichen dißfalls Ahndung gethan, und Herrn Schultheiß und Schöppen
vor nöthig befunden, bemeldtem Autori das Consilium abeundi zu geben; So hätte
man zwar etliche mahl den Zeugschreiber N. N. hingeschicket, der ihn aber
niemahlen antreffen können, dahero ers dessen Hospiti Herrn N. N. angezeiget,
dessen aber ohnerachtet hielte selbiger sich noch immer hierauff; dahin
stellend, was dißfalls weiter zu thun: Solle man bemeldtem Autori andeuten
lassen, daß er innerhalb drey Tagen sich von hier wegbegeben, oder sich vor
Schimpff hüten möge, seinem Hospiti aufferlegen, ihn bey Verlust des Schutzes
länger nicht bey sich zu behalten, und beyden dieses Decret ad domum insinuiren
lassen.
(L. S,)
Conclusum in Senatu Donnerstags den 3ten Junii 1717.
(Das Schreiben an die Facultät.)
§. V. Das an uns abgelassene Schreiben hatte eben nichts sonderliches
merckwürdiges in sich; es wird aber doch nicht undienlich seyn, des Herrn
Autoris seinen sonderlichen Zustand auch aus demselben zu erkennen.
Aus beygefügter Specie facti und anderen Anlagen, ersehen dieselbe,
welchergestalt ich wegen eines in öffentlichen Druck gegebenen Tractätchens,
betittelt: de DEO, Homine & Mundo &c. bey dem löblichen
Scholarchat-Amt in der freyen Reichs-Stadt zu N. N. nachmahls bey der gantzen
Clerisey daselbsten, in solchen Verdacht gefallen; daß nicht nur gemeldtes
Tractätchen, unter dem ohnmaßgeblichen Praetext, daß es scandalös sey,
confisciret, sondern auch mir, nach einer dißfalls mit besagtem Scholarchat,
praevia citatione, genommener Unterredung, das Consilium abeundi gegeben worden.
Wie mir nun obliegen will, zu Salvirung meiner Reputation, von Prudentioribus
mich hierüber belehren zu lassen, wie nemlich mich bey solcher erheblichen Sache
zu verhalten: damit dieses, meinem wenigen Bedüncken nach, allzufrühzeitig
abgefaßtes und mir insinuirtes Consilium abeundi wiederum redressiret, und mir
vor den dißfalls angethanen Tort, die Satisfaction gegeben werden möge;
Also ersuche Eure Hochedlen Gestrengen, und meine Hochgeehrteste Herren gantz
dienstlich: daß sie dieses Factum mit seinen Umständen wohl erwegen, und mich
als einen, ob editum ingenii laborem, unschuldig leidenden, in Rechten cum
rationibus dubitandi & decidendi zu belehren belieben wollen;
obgestalten Sachen nach das wieder mich ergriffene Procedere zu justificiren,
mithin berührtes Tractätgen, ohn angesehen meiner darüber gemachten Explication,
dennoch zu confisci
|| [243]
ren, und bey dem erhaltenem
Consilio abeundi, es verbleiben müsse? Casu vero quo non: wie solches das Recht
und die Billigkeit zu approbiren mir scheinet; was vor eine Klage wieder
dieselbe anzustellen? und welchergestalt die Satisfaction zu begehren?
Uber welches alles und die in Specie Facti enthaltene Anfragen: Ich dero gütiges
Bedencken, wie sie solches denen Rechten gemäs zu seyn, ohne einige Reflexion
auff meine Person, befinden werden, erwarte; Und dafür die Gebühr, auff erlangte
Nachricht, welche samt dem Responso Juris, um gewisser pressanten Ursachen
willen, bald zu beschleunigen bitte, mit danckbarem Gemüthe willigst abstatte:
auch lebenslang bey sich ereignenden Gelegenheiten mit einer sinceren
Dienstbegierde verharre.
Eurer Hochedlen, Gestrengen und Hochgelehrten Meiner Höchstzuehrende Herrn
Datum N. N. den 5ten Julii 1717.
ergebenst gehorsamster Diener Titius.
§. VI. Nun wunderte es mich bald Anfangs, warum der Herr(Das Inserat.) Quaerente,
da er doch in der That praetendirte, daß wir bey dieser zum wenigsten delicaten
und odiösen Sache uns seiner hauptsächlich annehmen solten, so wenig Vertrauen
gegen uns bezeugte, daß er uns weder seinen Namen, noch den Ort, wo die Sache
passiret, und wo er sich damahls auffhielte, nennen wolte; und ich ware bey
dieser Bewandniß zugleich besorgt, wie das responsum bestellet werden könte,
wenn ich den Titul an Mons. Titium einrichten, und den Ort, wohin es gelieffert
werden solte, auff den Titul mit N. N. bezeichnen liesse: Aber dieser letzte
Scrupel wurde mir bald benommen, als ich unter denen Beylagen auch dieses
Inserat und doppeltes P. S. fande.
Auch Hochedle, gestrenge und Hochgelehrte, Meine höchstzuehrenden Herren.
P. S. 1. Ersuche nochmahlen Eure Hochedlen inständigst gehorsamst, dero Responsum
Juris nebst dem Auffsatz der zukommenden Spesen zu beschleinigen; auch beydes
wohl eingewickelt und versiegelt, an Herrn Heinrich Pels Marchand Banquier in
Amsterdam zu addressiren: weil selbiger, von meiner vorjetzigen Demeure die
Notice hat;
P. S. 2. Dieses also an Herrn Pels addressirte Paquet bitte hernacher wiederum an
Herrn Rath und Doctorem Juris W. nach N. welcher alda auff der Zeile
wohnhafftig, gütigst zu couvertiren; Indem selbiger von mir ordre hat, so wohl
die vor das Responsum Juris erforderliche Unkosten danckbarlich sofort zu
vergnügen: als auch selbiges an Herrn Pels nach Amsterdam in aller Eil zu
spedi
|| [244]
ren; damit es mir von selbigen
richtig insinuiret werde. Welches Eurer Hochedlen zu dero Nachricht zu
überschreiben, vor nöthig erachtet; Verbleibe uti in Literis. Datum N. N. den
5ten Julii 1717.
Titius.
(Erster Vorschmack vom judicio des
Herrn Querenten)
§. VII. Es endeckte mir aber dieses Inserat noch ferner einige weitere Nachricht
von dem Zustande des Naturells des Herren Quaerenten. Nach seiner specie facti,
nach seinen Schreiben an die Facultät, ja nach diesen seinen Inserat selbst,
wolte er nicht haben, daß unsere Facultät wissen solte, wer er eigentlich wäre,
und wo die Sache, worüber er uns fragte, passirt sey. Da er doch leichtlich
hätte gedencken können, daß, ob gleich diese affaire aus leicht zu muthmassenden
Ursachen, nicht war in die Zeitungen gesetzt worden, dennoch die Sache allbereit
theils durch allethand Brieffe, theils durch die allhier studirende Studiosos,
so von der Reichsstadt N. N. bürtig waren, auch bey uns allbereit bekandt sey.
Ja da er hiernächst so sorgfältig war, daß er uns auch nicht einmahl den Nahmen
seines Herrn Wirths wolte wissen lassen, dem die insinuation des decreti-senatus
geschehen war, sondern in der Beylage sub B. derselbe gleichfals mit N. N.
bezeichnet war, so fiel er doch in dem Inserat auff einmahl mit der Thüre ins
Hauß, und gab uns durch nahmentliche Entdeckung dieses seines gewesenen Herrn
Wirths den Schlüssel freywillig in die Hand, dieses vor uns so mühsam verborgne,
und verschloßne Geheimniß aufzuschliessen; wenn es auch gleich in der That noch
würcklich ein Geheimniß, und nicht allbereit, als obgedacht, schon vielen
Gelehrten und Ungelehrten bekant gewesen wäre. Bey diesen Umständen wird mir der
Herr Quaerent nicht verdencken, daß ich damahls aus gutem Gemüthe betauret, daß
er vermuthlich secundam partem Dialecticae Petri Rami nicht in seiner Bibliothec
haben, oder doch nicht fleißig in diesem Buch studiret haben müsse.
(Und von dem zustand seines Gemüths.)
§. IIX. Ja das Inserat gab mir noch ferner Anlaß, in den Zustand seines Gemüths
und Willens, wiewohl noch etwas tunckel einzusehen, weil ich noch
zweiffelhafftig war, ob ich die folgende Anmerckung auff das glimpflichste zu
reden einer Einfalt oder Schalckheit zuschreiben solte. Ich wuste nun wohl, an
wen ich das responsum addressiren solte, und wurde auch versprochen, die
Gebühren zu entrichten. Ich dachte aber folgendes hierbey. Warum giebt der Herr
Quaerent nicht jemand hier commission, der das responsum gleich ablöset? Will er
nach seiner eigenen specie facti so ein erfahrner und gereiseter Hoffmann seyn,
so hätte er ja leichtlich dencken sollen, daß dieses Zumuthen nicht
allzuhöflich, oder wohl gar ein
|| [245]
wenig unverschämt
sey. Vermuthete er, wir würden mit ihm eines Sinnes seyn, und an statt
gegründeter vernünfftiger Rechts-Gründe, nebst ihm aus denen Poeten und
Oratoribus wieder seine Adversarios fechten, so ware es ja wohl billich, daß er
uns nicht wie Tagelöhner tractirte, und von uns begehrte, nach geschehener
Arbeit, der Bezahlung mühesam nachzugehen. Fürchtete er sich aber, wir würden
nicht mit ihme eins seyn, und die uns von ihm vorgelegten Fragen, nicht nach
seiner Einbildung, wie leider geschehen, beantworten; So war es eine grosse
Einfalt von ihm, daß er sich einbildete, wir würden so einfältig seyn, und ihm
vor der Bezahlung der Gebühren das responsum einlieffern. Hoc faciunt --- quos
gloria vexat in anis.
§. IX. Derowegen ware vor allen Dingen nöthig, daß ich per Actuarium(Ein von dem Hrn. D. W. zu
diesen Handel gehöriges Schreiben.) Facultatis an den Herrn N. zu N.
schreiben und ihm andeuten liesse, daß er entweder jemand allhier commission
geben möchte, der das responsum ablösete, oder eine gewisse Summe Gelds zu
Ablösung desselben herschickte. Die Antwort des gewesenen Herrn Wirths ad
Actuarium wird zeigen, daß ich keine Theurung gemacht, sondern nur damahls das
Werck überhaupt überschlagen, und noch nicht vermeinet, daß unsere deduction in
dem responso so weitläufftig werden würde; wannenhero hernach von denen
gezahleten 7. Thlrn. auf die Jura Facultatis nicht einmal 5. Thlr. gekommen,
weil den Uberrest die vorgeschoßnen Post-Gelder und die Schreibe-auch andere
Gebühren des Actuarii absorbiret. Das Schreiben ist folgendes.
Das beliebte von 24ten Julii jüngsthin habe wohl erhalten und Inhalts vernommen,
übersende hierbey begehrter massen eine Assignation, wo mein Hochgeehrter Herr
die specificirte 7. Rthlr. in Brandenburgischen 2/3 Stück zu empfangen, mit
dienstlicher Bitte, bey wohllöblicher Juristen-Facultät nebst des Herrn Titii
und meiner gehorsamsten Empfehlung das Werck solchergestalt zu recommendiren,
damit das verlangte Responsum juris zu besagten Herrn Titii besten und nach
desselben Wunsch ausfallen / auch fördersamst an mich unter dem Titul und
Nahmen. P. A. W. Conseiller de Son Alt. Ser. Monseign. le Prince de N. U.
addressiret werden möge etc. die dem Herrn Titio darunter erweisende sonderbahre
faveur wird er ohne diese abgestattete Gebühr a part, so wohl bey besagter
wohllöblichen Juristen-Facultaet, als auch meinem hochgeehrten Hrn. besonders
erkennen, ich aber mache mir die plaisir, Gelegenheit zu haben, in der That zu
demonstriren, das beständig sey
N. den 7. Aug. 1717.
Meines hochgeehrtesten Herrn dienstwilligster Diener P. A. W. D.
|| [246]
(Praeparatoria zum Concluso der Facultät.)
§. X. Indessen, ehe dieses Schreiben anlangete, referirte ich erst in Facultate
generaliter des Herrn Quaerenten desiderium, und schlug vor, daß indessen, ehe
des Herrn N. Antwort zurücke käme, ein jeder von meinen Herrn Collegen die
Meditationes de DEO, Mundo, Homine zuvorher selbst durchläse, und hierdurch sich
auff sein votum wegen der an uns geschickten fünff Fragen praeparirte, und bate
zugleich, damit die Sache nicht auffgehalten würde, daß secundum ordinem in
Facultate ein ieder, so bald er solches durchlesen, seinem ihm folgenden Herrn
Collegen zuschicken möchte. Was sich aber auch hierüber der erste für ein
Gewissen gemacht, zeiget dessen an mich abgelassenes Schreiben, mit welchen er
mir besagte Meditationes wieder zurücke geschickt.
P. P. Als dero --- den an vergangenen Freytag, als bey letzterer Session der
Juristen-Facultät mir ad perlustrandum mitgegebenen Tractat de Deo, Mundo
& Homine an die folgenden Herrn Collegen nach Verlesung zu communiciren
angeordnet, und ich gestern zum H. Abendmahl gewesen, zu dessen praeparation ich
an Lesung obgedachten Tractats am Sonnabend verhindert worden, ihn aber itzo
dermassen abominabel finde, daß ich Bedencken habe, selbigen weiter bekant zu
machen, vielmehr wünschen möchte, sothanen Tractat niemahls gelesen zu haben, so
remittire ich denselben versiegelt hierbey, Dero --- anheim stellend, was sie
dißfals ferner zu disponiren geruhen wollen. Indessen wündsche einen von GOttt
am Leib und Seele gesegneten Morgen, und verbleibe etc. Halle den 26. Julii
1717.
(Schluß der Facultät, und Zweck des referenten bey Ausarbeitung des responsi.)
§. XI. Nachdem nun das Schreiben des N. indessen, da meine übrige Hn. Collegen
insgesamt das Tractätgen durchlasen, anlangte, habe ich an 13. Aug. die Sache
nochmahl distincte referirt, und das in dem folgenden drauff von mir selbst
elaborirten responso zu Ende befindliche conclusum per vota unanimia bekommen,
mich auch befliessen, das responsum also einzurichten, damit eines theils der
Herr Quaerente nicht klagen könte, daß man seine in der specie facti für sich
angeführte rationes übergangen oder verschwiegen hätte, sondern vielmehr
erkennete, daß man noch über dieses alles zusammen gesucht, was nur einiger
massen scheinen können, ihm zu statten zu kommen, anders theils aber der elende
Zustand des Herrn Quaerenten und seine gantz offenbare Atheisterey, zwar ohne
Verbitterung und Hefftigkeit, aber ernstlich ihm vorgestellet würde, damit er
sich entweder begreiffen, und das Unglück, darein er gleichsam sporenstreichs
rennete, erkennen, und in Zeiten seinen Fuß zurücke ziehen, oder doch zum
wenigsten die offenbahre prostitution seiner selbst und der ohnmächtigen
Rachgier, darinnen er stäcke, empflndlich fühlen möchte, indem er sich
gerichtlich rächen wolte, und doch selbst weder forum noch
|| [247]
judicem noch actionen vorzuschlagen wüste, oder immermehr
vorschlagen könte.
§. XII. Ob ich nun diesen mir fürgesetzten Zweck in Ausarbeitung des(Das responsum selbst)
responsi selbst beobachtet, lasse ich einem jeden unpartheyischen Leser
judiciren. Daß ich ihn aber bey dem Herrn Quaerenten auff keine Weise erhalten,
wird die folgende Suite weisen.
Als uns eine species facti nebst gedruckten so genanten Meditationibus
Philosophicis de DEO, Mundo, & Homine und einer Beylage sub B. auch
fünff Fragen zugeschickt etc. worden, Demnach etc.
Hat Titius ein gewesener Minister bey einem Fürsten in Europa(SPECIES FACTI.) nach dessen Todte in einer freyen
Reichsstadt in Teutschland unterschiedene Tractätgen ohne Beysetzung seines
Nahmens, und unter andern auch obgedachte Meditationes Philosophicas in Druck
gegeben, welche aber der Magistrat des Orts auff Angeben der Geistlichkeit
confisciren lassen, auch den Verleger durch schwere Bedrohungen gezwungen, den
Nahmen des Autoris ihnen zu offenbahren. Ist hierauff Titius von dem Scholarchat
des Orts, welchem die Censura librorum daselbst zustehet, durch einen Diener
ersucht worden, zu sie zu kommen, und wegen einer gewissen Affaire mit ihnen zu
conferiren; und als er allen bösen Argwohn zu vermeiden sich sistiret, und ex
commissione senatus von ihnen befragt worden, was er von obgemeldeten
Meditationibus hielte, hat Titius zwar gestanden, daß er Autor von denenselben
wäre, aber dabey zu seiner Vertheidigung unterschiedene Entschuldigungen und
protestationes angeführet, daß ihm besagte Schrifft weder als Ketzerey noch
Atheisterey imputiret werden könte; auch sich dabey beschweret, daß derselbe
confisciret worden wäre. Nichts destoweniger haben die Scholarchen die principia
dieser Schrifft für gefährlich und Atheistisch gehalten, auch den Autorem auff
den Cantzeln für einem Atheisten declariret, und hat der Magistrat darauf dem
Autori so wohl mündlich als schrifftlich andeuten lassen, daß er sich von dar
weg begeben, oder sich vor Schimpff hüten möchte. Ob nun wohl Titius, um den
angedroheten Schimpff zu entgehen, sich aus der Stadt begeben, so ist er doch
nicht gesonnen, diese confiscirung seines Buchs und Ausweisung aus der Stadt so
ungeahndet hingehen zu lassen, sondern ist entschlossen zu Beybehaltung seiner
Gemüths-Ruhe, und zu justificirung seiner Conduite, für den Augen aller Welt,
die zu dem Ende ihm offenstehende remedia juris zu ergreiffen, und von dem
Magistrat so wohl als dem Scholarchat, gebührende Satisfaction zu suchen, und
wird deßhalben gefragt:
|| [248]
(QUAESTIONES. PRIMA.)
1. Ob Titii Philosophisches Tractätgen nach seiner dabey geführten intention vor
eine so scandalöse Schrifft könne aestimiret werden, darinne böse und
Atheistische principia enthalten, daß es nothwendig eine Confiscation, er Titius
aber das Consilium abeundi meritiret habe.
(SECUNDA.)
2. Ob die Geistlichkeit, so mit grosser rigeur auff die Confiscation desselbigen
gedrungen, auff den Cantzeln selbiges für ein Teuffels-Buch und Titium für einen
Atheisten ausgeruffen, auch endlich durch ihr predigen den Magistrat
verursachet, wieder Titium das Consilium abeundi ergehen zu lassen, nicht
dadurch die Lehre der H. Schrifft übertreten, auch durch ihre zornige Aufführung
mehr ihre geistliche Herrschafft & Tyrannidem Ecclesiasticam, als einen
gelinden und sanfstmüthigen Eyfer für die Ehre und Lehre GOttes zu erkennen
gegeben haben.
(TERTIA.)
3. Ob und wie Titius wieder diese gegen ihn und seine Philosophische Gedancken
bezeigte Conduite seinen Regress wieder sie nehmen könne, und was er zu dem Ende
für eine action anstellen solle.
(QUARTA.)
4. Ob nicht der Stadt-Magistrat durch die Confiscation und das ertheilte
Consilium abeundi die Jura naturae & hospitalitatis, die dictamina
Justitiae, AEquitatis & decori, ja selbst die officia Humanitatis in
Titii Person violiret?
(QUINTA.)
5. Was für ein Rechts-Mittel wieder den Magistrat Titio zustehe, dadurch besagter
Magistrat nachdrücklich seiner grossen injustitz vor der gantzen Welt überwiesen
und schamroth gemacht, auch angehalten werden könne, vor diese Verfolgungen ein
suffisante, eclatante, und notorische Satisfaction auff eine publique Weise, und
dergestalt zu geben, damit er gehalten sey, zum wenigsten durch ein öffentliches
Cassatorium den gantzen Proceß-modum nebst dem Consilio abeundi zu annulliren
und zu wiederruffen?
(RATIONES DUBITANDI PRO QUAERENTE. PRIMA.)
Ob nun wohl Titius der gäntzlichen Meinung ist, daß für ihn bey allen diesen
quaestionibus gesprochen werden müste, auch zu dem Ende quoad quaestionem primam
hauptsächlich zum Grunde 1. vorausgesetzt haben will, daß er in besagtem
Tractätlein die Person eines Philosophischen Heyden angenommen, der, nachdem er
die alte und neue Weltweißheit mit dem studio Theologico über diese drey
Materien, Deum, Mundum & Hominem sich zugleich bekant gemacht; dabey
verschiedene Königreiche und Länder durchgereiset; in selbigen auch die
unzehlige Arten des Gottesdienstes und der Regierungs-Formen beobachtet, theils
mit gründlich gelehrten Leuten und subtilen Männern von vielen Secten und
differenten Meynungen über diese drey Puncta mündliche Conversation gepflo
|| [249]
gen, sich zwar ad interim wegen seiner
negotien und Verkehrungen einen Verbleibe-Platz bey den Christen erwehlet; auch
wieder ihre Verfolgungen desto sicherer zu seyn, wie ein Christianus temporalis
sich aufführe, indessen aber doch sein Heydenthum dem Christenthum in so weit
vorziehe, daß ob er gleich die Lehren der Christlichen Kirchen de Deo, Mundo,
Homine vertheidige; in ihren Werth und Unwerth (jedoch mit einer nicht
undeutlichen Neigung zu denenselben) beruhen lasse; er dennoch seinen Fidem
Ethnico-Philosophicam darüber, wo nicht für gar wahr, dennoch für
wahrscheinlicher angebe und aestimire: 2. Daß Er(SECUNDA.) solchergestalt dieses Heyden Argumenta Philosophica, in dem
auff die Vernunfft und libertatem ratiocinandi (welche zwo Stücke GOtt als
liberrima ratio denen Christen und Heyden in voller masse vergönne) sie sich
insonderheit gründeten, vorgebracht, bey welchen Er nicht wie ein Christ und
Gottesgelehrter, sondern wie ein freydenckender Heyde, der diese meditationes
aus der Raison, der Schrifft, der Erfahrung, Conversation und aus seinen eigenen
observationen colligiret, betrachtet werden müsse; Zumahl, da dieses alles 3.
aus keiner bösen Absicht geschehen, sondern(TERTIA.) er mit der publication dieser observationum nichts anders
intendirt, als daß der edlen Warheit zu gut die Herren Theologi &
Philosophi Reipublicae Christianae Gelegenheit dadurch hätten, die Gültigkeit
dieser Raisonnements zu untersuchen, das wahre von falschen zu unterscheiden,
und durch eine gründliche und modeste Censur zu zeigen, wie eines theils die
Christen in ihren Glauben feste zu setzen, andern theils die irrenden Heyden aus
der Finsterniß an das Licht, und von dem Weg des Irrthums einer fleischlichen
Philosophie in das Geleis des offenbahrten Worts GOttes mit Vernunfft,
Sanfftmuth und Liebe nach der Vorschrifft unsers Heylandes zu führen und zu
bringen; Quoad quaestionem secundam & reliquas aber Titius vorwendet,
daß er 4. ex(QUARTA.) confidentia bonae causae
sich vor denen Herren Scholarchen sistiret, ohnerachtet er befugt gewesen
exceptionem fori declinatoriam zu opponiren, indem er als gewesener Fürstlicher
Rath und als ein Passagierer, der in einer freyen Stadt vor sein Geld gezehret,
und ohne domicilio fixo daselbst gelebet, das forum civium zu agnosciren sonst
nicht wäre gehalten gewesen; ingleichen 5. daß er nach geschehener Bekäntniß,
daß er Autor(QUINTA.) meditationum sey, alsbald
die obigen n. 1. 2. 3. erwehnten exculpationes denen Scholarchen vorgestellet,
wie daß er nemlich dieselben nicht als Philosophus Christianus, noch weniger als
ein Theologus, sondern als ein Philosophus Ethnicus verfertigt, und man also die
zwo perso
|| [250]
nas morales nothwendig von einander
separiren und nicht confundiren müste; weil ihm sonsten dergleichen opiniones.
die ihm nicht in Sinn kommen wären, leicht auffgebürdet werden könten, worwieder
er doch solennissime protestirte; ingleichen daß der Zweck dieses Tractätgens
eintzig und allein dahin gienge, die veritatem Philosophiae Christianae, von
welcher er Titius als ein Christianus völlig persuadirt wäre, von des
Ethnicismi, und derer alten und neuen Libertiner falschen hypothesibus per
argumenta genuina orthodoxa validiora in contrarium völlig gesaubert, und durch
dieses Mittel die wahre Religion so wohl den Rechtgläubigen zur unumstößlichen
Gewißheit, als denen Heyden selbst zu (SEXTA.) einer Uberzeugung völlig vertheidiget werden möchte; wie er denn
auch 6. zu mehreren Beweiß, daß er die in dem Tractätgen verfaßte Meinungen
nicht fovirte, sondern nur von ihm exercitii & veritatis inquirendae
gratia wären publiciret worden, allegiret hätte, daß er nicht alleine zur
Lutherischen Kirche sich bekennete, sondern auch das heilige Nachtmahl bey einem
Prediger ermeldter Religion in ihrer Stadt vor wenigen Monaten würcklich
empfangen hätte, und also unstreitig sey, daß er kein Ketzer oder Atheist wäre,
wie ihm zwar solches nach seiner, in der Praefation geschehenen (SEPTIMA.) Vorhersagung, imputiret werden wolte;
Zuletzt aber er 7. zum Schluß noch beygefüget, wie sehr wunderlich es ihm
vorkäme zu observiren, daß, da in den Buchladen Arrianische und Socinianische
Bücher; die alten Heydnischen und Libertinischen Philosophi, nebst vielen andern
heimlich gefährlichen Schrifften in Lateinischer, Teutscher, Frantzösischer und
Englischer Sprache frey erkauffet und verkauffet würden; eben dieses sein
Büchlein ein so unglückliches Destin hätte empfinden und confisciret werden
müssen; ja als ferner von denen Scholarchen gemeldet und passionirte Schlüsse
gemacht werden wollen, als ob principia periculosa (OCTAVA.) & Atheistica in derselben Schrifft verborgen wären;
er dennoch 8. seine bißher allegirte rationes wiederholet, und daneben weiter
urgiret, daß der Titul nebst der Vorrede dieser Meditationum genungsam für ihn
und seine unschuldige Gedancken das Wort redeten, er auch weder des Atheismi
Theoretici noch Practici beschuldiget werden könte, indem den erstern expresse
et in totum er in selbiger Schrifft negiret hätte, zu geschweigen, (NONA.) daß 9. ein jeder der beste Dollmetscher
seiner Worte, Schrifften und Gedancken sey, auch einer gethanenen Bekäntniß so
lange guter Glaube beyzumessen, biß das Gegentheil durch unumstößliche Proben
erhärtet werden könne; cum quilibet uti bonus Vir, ita & Christianus
verus praesumatur esse, donec per testimonia sole meridiano clariora contrarium
|| [251]
in fide & maxime in vitae genere
probetur; Wannenhero das Verfahren des Magistrats und der Priesterschafft mit
Titio, da sie ihm die Frequentirung ihrer Stadt unter scharffer Beahndung
verbieten wollen 10. für ungemein harte, übereilt, passionirt, ja gantz
illegitim zu(DECIMA.) halten wäre, indem
selbiges mit denen dictaminibus rationis & scripturae, mit denen regulis
justi, aequi & decori stritte, auch in selbigen 11. weder auff seine,
Titii Person und den wegen vormahliger Fürstlichen(UNDECIMA.) Dienste führenden Character, noch 12. auff die
vernünfftige oben bereits(DUODECIMA.) angeführte
declaration reflectiret worden, da doch von ihnen dieselbige durch keine
Gegengründe zur Zeit wiederleget, vielweniger moralitermathematice behauptet
worden, quasi haec Ethniei Philosophi principia, propria Titii dogmata essent,
quibus prae Christianismo, cujus tamen strenuus dictator sit, symbolum suum ipse
daret; hiernechst in specie quoad quaestionem secundam Titius insonderheit
urgiret, daß 13. die Geistlichkeit sein Büchlein, wenn es gleich schädlich und
ärgerlich(DECIMA TERTIA.) wäre, dennoch
solches mit dem übrigen in grosser abundantz sich befindenden geistlichen
Unkraut der Christlichen Kirche biß zur Zeit der Erndte lieber hätten dulden
sollen, und zweiffels ohne hiermit auff die Lehre unsers Heylandes
Matth. XIII. v. 30. reflectiret hat; ingleichen daß 14. Meditationes ingenii & intellectus(DECIMA QUARTA.) pro criminibus nicht zu halten wären; Endlich quoad quaestionem quartam Titius das gegebene Consilium abeundi sich um deßwegen unter andern noch mehr zu gemüthe ziehet, weil 15. in besagter Stadt(DECIMA QUINTA.) dennoch die unsern Heyland lästernde Jüden mit ihren gottlosen und blasphemen Schrifften und Büchern in einer güldenen Freyheit gelitten würden; Uber dieses ohne die von Titio selbst suppeditirte und bißher fideliter und fast von Wort zu Wort angeführte rationes dubitandi, ihm auch dieses zustatten zu kommen scheinet, daß 16. für allen Dingen auff(DECIMA SEXTA.) das in controversiam gezogene Tractätgen selbst, als das von dem Magistrat und der Priesterschafft des Orts angegebene corpus delicti reflectiret werden müste, in selbigen aber durchgehends erhellete, daß Titius nicht nur obenhin bekennet, daß ein GOtt sey, sondern diese Bekäntniß in dem ersten und andern Capitel, ja durch das gantze Tractätgen vielfältig wiederholet, und solchergestalt er mit Fug für einen Atheisten nicht ausgegeben werden könne; indem er die existentz GOttes c. I. §. 4. so offenbahr zu seyn behauptet, daß sie auch mit den fünff Sinnen begriffen werden könne, ferner §. 6. deutlich erwehnet, daß er von der existentz GOttes durch die Schöpffung, Regierung und Er
|| [252]
haltung der Welt convinciret sey,
item §. 10. p. 11. daß dieser GOtt einig sey und einig seyn müsse, und daß er
diesen GOtt §. 13. ehre und fürchte, und zwar was die Liebe belanget §. 14. ohne
alle interessirte Absicht, mit Beyfügung der Ursache, daß wer GOtt wegen etwas
anders liebe, sich selbst mehr als GOtt liebe; so viel aber den Gottesdienst
betreffe §. 16. daß derselbe theils §. 17. p. 15. in einer tieffen Verwunderung
über die Schöpffung der Welt: theils §. 18. in hertzlicher Dancksagung wegen der
von GOtt Zeit lebens erwiesene und noch täglich continuirende Gutthaten; theils
§. 19. in einem willigen Gehorsam bestehe, weil GOtt sein Herr und Regierer sey,
dessen göttlichen Willen er sich selbst und alle das Seinige resignire und
befehle, weßwegen er auch allezeit, so offt er bete, hinzusetze: Dein Wille, o
GOtt, nicht aber der meinige geschehe: ich bitte dich zwar, aber erhöre mich
nach deinem Wohlgefallen. Gib mir nicht, was ich bitte, sondern was du mir zu
geben beschlossen: Mache es Herr mit mir, wie es dir gefällt: du bist mein
Schöpffer, ich dein Geschöpffe; du bist mein Werckmeister, ich dein Werck, du
mein König, ich dein Unterthaner, über welchen dir das Recht ihn zu tödten und
beym Leben zu erhalten, ihn zu verdammen oder zu erlösen, zustehet: Welches
alles ja, wenn sie so obenhin angesehen werden, solche Lehren zu seyn scheinen,
die man auch von einen frommen und erleuchteten Christen nicht besser
praetendiren könte; und ob schon hernach etliche andre beygefügte Lehr-Sätze
allerdinges so beschaffen wären, daß selbige keinesweges mit dem Christenthum
(DECIMA SEPTIMA.) bestehen könten, dennoch 17.
die Entschuldigung des Autoris, daß er dieses nicht als ein Christe, sondern
exercitii gratia als ein Philosophus Gentilis geschrieben, mit nichten als eine
itzo erst zur Zeit der Noth ersonnene Entschuldigung angesehen werden müsse,
sondern diese declaration alsobald in der Vorrede p. 4. zu lesen sey, da er, der
Autor, ausdrücklich schreibet,
Der Leser solle wissen, daß er dieses nicht als ein Theologus, Juriste, oder Medicus, sondern als ein Philosophus und zwar ein solcher Philosophus geschrieben, der keiner von den Sectirischen Gesellschafften zugethan sey, und der die göttlichen und weltlichen Sachen, GOtt, die Welt, und den Menschen sich als einen Gegenwurff und das Ziel seiner Gedancken auserwehlet, und davon frey philosophiret, frey geredet, und frey geschrieben. Zuletzt aber, wenn auch gleich das Tractätgen quaestionis für ein Atheistisch (DECIMA OCTAVA.) Tractätgen zu halten wäre, dennoch 18. vielen berühmten und gelehrten Männern unter denen Protestirenden einige Jahre her die Augen auffgegangen, daß sie mit gnungsamen Gründen behauptet, daß weder die Ke
|| [253]
tzerey noch die
Atheisterey unter die Classen der strafwürdigen Laster zu rechnen noch zu
bestraffen wäre, und daß die gegentheilige Meinung von Bestraffung der Ketzerey
einzig und alleine aus den Heydenthum und Pabstthum entsprungen, ja daß vielmehr
nach den allgemeinen Regeln politischer Klugheit die Ketzermacherey für ein
Laster der Meitmacherey geachtet und schwerlich bestraft werden müsse, und ob
wohl, so viel die Atheisterey betreffe, zwar noch die wenigsten erkenneten, daß
selbige nicht zu bestraffen wäre, sondern auch Grotius und Puffendorffius annoch
die gemeine Lehre vertheydiget, dennoch etliche von denen neuern Scribenten mit
raison gezeiget, daß man so wohl die Atheisten als Ketzer nach denen Regeln
allgemeiner Liebe bekehren, und sie mit Sanfftmuth ihres Irrthums zu benehmen
sich angelegen seyn lassen solle, mit nichten aber befugt sey, diese armselige
irrige Leute als Delinquenten zu bestraff-n.
Siehe notas variorum ad Lancelotti Instit. Jur. Can. lib. 4. not. 154. p. 1885. seq. not. 159. p. 1900. seq. not. 217. p. 1960. & not. 226. p. 1970. seq. und die daselbst citirten Autores, Salvianum p. 1895. Rittershusium, Burnet p. 1896. Titium d. p. 1896 & p. 1900. item p. 1960. 1971. Leibnizium, Limborchium p. 1903. Zieglerum p. 1971. aliosque. Zugeschweigen, daß 19. ohne Zweiffel aus diesen wichtigen Ursachen die(DECIMA NONA.) Staaten in Holland bewogen worden, den sonst handgreiflichen Atheisten Spinosam in ihrer Republique zu dulden, und sich entsehen, denselben aus ihren Landen zu schaffen, oder ihn ein schrifftlich Consilium abeundi zuzuschicken, welchen Exempel der Magistrat der freyen Reichs-Stadt, allwo sich Titius auffgehalten, Titii Meinung nach, billich hätte folgen sollen. Dieweil aber dennoch bey allen diesen fünff Fragen es hauptsächlich und(RATIONES DECIDENDI CON. TRA QUAERENTEM.) fürnemlich auf die erste Frage ankömt, und die andern viere gröstentheils von derselben dependiren, als will vor allen Dingen nöthig seyn, daß vorhero der Inhalt des Tractätgens, und was etwan den Magistrat und die Priesterschafft des Orts zu der Confiscation veranlasset, etwas genauer betrachtet werde. Es befindet sich dannenhero in demselben, daß zwar der Autor sich bemühet, den Leser mit denen in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten doctrinis zu praeoccupiren; wenn man aber nur ein wenig behutsam und ohne Vorurtheil diese Schrifft ansiehet, so fallen 1. bald(PRIMA.) Anfangs viele gefährliche und so wohl denen Regeln, der allen Menschen (Heyden, Jüden und Christen) gemeinen gesunden Vernunfft, als auch denen klaren Worten der heiligen göttlichen Schrifft und den gemeinen principiis der Christlichen Völcker, von was für Secten auch dieselbe
|| [254]
seyn mögen,
zuwiederlauffende Lehren einem jeden unpartheyischen Leser in die Augen, die von
denen allermeisten nicht ohne hefftige alteration und Aergerniß, ja auch von
denen allerwenigsten, die sonst ihrer Affecten ziemlich Meister sind, doch nicht
ohne Erstaunen und hertzliche Betrübniß über den unseeligen Zustand des Titii,
gelesen werden können, inmassen viele Oerter zeigen, daß des Titii GOtt nicht
der warhaftige GOtt und Schöpffer Himmels und der Erden, sondern nichts anders
als die gesamten Geschöpffe oder die Welt selbst, oder die so genannte Seele der
Welt sey, massen nicht nur dieses aus des 1. Capitels 4. 5. und 10. §. erhellet,
wo er ausdrücklich sagt, daß GOtt sey Forma formans, er Titius forma formata,
GOtt materia simplex, er materia modificata, GOtt das grosse Welt-Meer, Wasser,
Feuer, Erde, Lufft, Sonne, Cörper, Gemüthe, er Titius ein Fluß, ein Tropffen,
ein Funcke, ein Erdenkloß, ein effluvium, ein Strahl, ein Glied, eine mentis
operatio, item daß er seinen GOtt fähe, hörete, röche, schmeckte, fühlete,
ferner daß die Welt der Circul sey, worinnen GOtt der Mittel-Punct wäre, und
cap. 2. §. 7. p. 19. daß die Welt von Ewigkeit her sey, causatum cum sua causa,
das Gebaude mit seinem Baumeister, die Frucht mit dem Baum, die Kornähre mit dem
Körngen, ingleichen c. 2. §. 17. p. 23. die gantze Welt sey ein Schiff, GOtt der
Schiffmann, ein Wagen, GOtt der Fuhrmann, eine Uhr, GOtt das Perpendicul oder
Unruhe, eine Machine, GOtt das Treibe-Rad u. s. w. und §. 23. p. 26. die Welt
werde ewig bleiben, und könne nichts darinnen untergehen, das ist, zu nichts
werden, denn sonsten müste GOtt selbsten, aus dem die Welt her sey, vernichtet
werden. Gleichwie nun, wenn mann dem Autori hinter diese seine Grund-Lehre
gekommen, die oben in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten scheinheiligen
Lehren einen gantz andern Verstand bekommen, als den sie hätten, wenn sie von
dem wahren GOtt, der in der Zeit die Welt geschaffen, redeten; Also ist nunmehro
nicht zu verwundern, daß der Autor in Erkäntniß sein selbst oder der
menschlichen Natur so gar gröblich gestrauchlet, indem er zwar allenthalben von
der Vernunfft redet, aber nirgends, was dieselbe eigentlich sey, noch was die
Regeln der gesunden Vernunfft oder prima principia, nach denen man sich in
Erforschung der Warheit richten müsse, wären, deutlich erkläret, sondern man aus
dem gantzen Büchelgen siehet, daß alles was dem Menschen nur in Sinn, in die
Gedancken, in die Begierden komme, nach seiner Meinung vernünfftig und gut sey,
es möge nun selbiges vielen, ja allen andern vernünfftigen Menschen
unvernunfftig und brutal vorkommen; denn dahin zielet und kan nicht anders
|| [255]
verstanden werden, was er cap. 2. §. 10. 12. 13. cap.
3. §. 13. usque ad 18. item §. 26. 27. 28. von der Vernunfft und Verstande so
daher schwatzt. Da nun der arme Mensch die gesunde Vernunfft, die ihm der wahre
GOtt verliehen, sich und ihn vernünfftiger Weise zu erkennen, auch den
vernünfftigen Begriff der Grund-Lehren das wahre von dem falschen, das Gute von
dem Bösen zu entscheiden, so zu sagen muthwillig weggeschmissen und sich selbst
verblendet, die dem gantzen menschlichen Geschlecht von der Geburt an anhangende
thörichte und gar offte mehr als bestialische Begierden, für die gesunde von
GOtt dem Menschen verliehene Vernunfft gehalten, und sich sein etwa
melancholisches und sanguinisches Temperament zu Unterdrückung des wenigen
natürlichen judicii verleiten, auch auff denen Reisen, oder auch wohl noch zu
Hause durch leider allenthaben verborgene Atheisten und mit denenselben
gepflogener vertraute conversation, auch Lesung des bekanten Atheisten Spinosae
Schrifften verführen lassen, ist es nicht zu verwundern, daß ihn GOTT aus
gerechten Gerichte in einen verkehrten Sinn gegeben, daß er nemlich aus solchen
Atheistischen principiis dahin verfallen, daß er ferner cap. I. §. 3. p. 9.
gelehret, man müsse die Meinungen von der Gottheit, sie möchten auch beschaffen
seyn, wie sie wolten, nicht auslachen noch schelten, vielweniger mit Haß,
Landes-Verweisung, Feuer und Schwerdt verfolgen; Ingleichen cap. eod. §. 8.
& 9. p. 10. daß die Geschöpffe alleine seine Bibel wären, und viele
Lästerungen wieder die heilige göttliche Schrifft, ja Christum den Heyland
selbst ausgestossen, §. 14. und 15. p. 13. das ewige Leben verleugnet, §. 15.
mit offenbahrer handgreiflicher confusion einer kindlichen und knechtischen
Furcht behauptet, daß die Furcht GOttes ohne Haß desselben nicht bestehen könte,
und daß also keine Sünde, noch Sünder in der Welt, folglich auch kein Erlöser
und Seeligmacher von nöthen wäre, mithin aber die Historie vom Stand der
Unschuld für ein Mährlein ausgegeben, und §. 19. p. 15. sich berühmet, daß er
sehr selten und nur denen Menschen zu gefallen oder aus Gewohnheit betete, auch
seinen Ungott weder um Gesundheit noch Glück noch um das zeitliche, vielweniger
um das ewige Leben, als welches er nicht glaubete, bäte, ja daß er sich nicht
gescheuet, frey heraus zu bekennen §. 21. p. 17. daß er nach der Politischen
(nemlich der Atheistischen und simulirten) Schein-Religion bey den Türcken sich
zur Türckischen, bey Jüden zur Jüdischen, und bey den Christlichen Secten sich
zu einer jeden Secte- und Religion bekenne; cap. 3. §. 39. in fine p. 37. nicht
undeutlich auff eine Pharisäische Metempsychosin verfallen; cap. 4. §. 4.
sequentibus p. 39.
|| [256]
ein ungezäumtes und ruchloses oder
gesetzloses Leben für den rechten Stand der Unschuld ausgegeben, §. 12. p. 40.
Hurerey, Ehebruch, Mord und Todtschlag für zuläßlich gehalten, §. 17. seq. p.
42. alle Religionen, alle Gesetze, (auch das natürliche und Völckerrecht nicht
ausgeschlossen,) alle Belohnungen und Straffen, alle Tugenden und Laster für
chimaeren und blosse Früchte des menschlichen Ehrgeitzes und der Tyranney
ausgeruffen. Bey diesen Umständen allen, und da auch Spinosa selbst, der Vater
dergleichen Atheistischen Lehr-Sätze so frech und tollkühne nicht geschrieben,
sondern seine gottlose und ärgerliche Meinungen doch noch in etwas zu verstecken
getrachtet, auch selbige bey (SECUNDA.) seinem
Leben zu publiciren sich gescheuet, Titius aber 2. sich nicht entblödet, die
obspecificirte ärgerliche und Seelenschädliche Irrthümer in einer freyen
Reichs-Stadt durch den Druck zu publiciren, und hernach für sein Werck zu
bekennen, ist nicht abzusehen, wie das Evangelische Ministerium und der
Stadt-Magistrat anders als mit Confiscation der Schrifft, und mit ihm selbst
glimpflicher, als mit dem gegebenen Consilio abeundi und Warnung für einen
grössern Schimpffe verfahren können, zumahlen da Titius selbst anderswo in
seinen Entwurff einer wohl eingerichteten Policey (zu der er sich in der uns
übergebenen specie facti gleichfalls bekennet) p. 72. 75. & 77.
gelehret, daß die allgemeine Ruhe durch dergleichen scandaleuse Schrifften
gröblich gestöhret, und nicht alleine die Buchdrucker, sondern auch die Autores
derselben, ingleichen diejenigen, so sie entweder selbst oder durch heimliche
Verkäuffer unter die Leute bringen liessen, ja auch die Obrigkeiten, die mit
solchen Delinquenten colludirten und ihnen durch die Finger sähen, auf das
schärffste gestrafft und unehrlich gemacht werden solten. Wannenhero ihm auch
sein eigenes (TER TIA.) böses Gewissen 3.
vorhergesagt, daß es ihm so ergehen werde, oder daß er noch wohl ein mehreres
verdienet, indem er in der Vorrede p. 4. & 5. von sich geschrieben, wie
er wohl vorher sähe, daß man wieder sein Buch mit Verdammung, Verbrennung und
Confiscirung verfahren, ihn selbst aber mit dem Zunahmen eines Ketzers,
Atheisten, Spinosisten oder wohl (QUARTA.) mit
noch schändlichern Titeln belegen werde; Vielmehr hat Titius 4. Ursache, dem
Magistrat der Stadt so zu sagen auf den Knien zu dancken, daß man mit ihm so
gelinde verfahren, und mit dem blossen Consilio abeundi zu frieden sey, auch
nach seinen eigenen Lehren nicht mit Arrestirung und scharffer Leib- und
Lebens-Straffe wieder ihn verfahren habe, zumahlen da nach der Lehre der
allermeisten Gelehrten in allen dreyen in Römischen Reich tolerirten Religionen
die Atheisten und Vertheydiger solcher gottlosen Lehren mit dem Feuer gestrafft
werden können und sollen,
|| [257]
auch er selbst cap. I. §.
ult. p. 17. in dieser Schrifft lehret, und für einen Satz seiner politischen
Religion ausgiebet, daß die herrschende Religion nicht nur über den Leib,
sondern auch über das Gewissen der Unterthanen, so ferne nemlich solches
Gewissen in die Sinne falle, herrsche. Nun fället aber die Frucht seines irrigen
Gewissens, nemlich das corpus delicti unstreitig in die Sinne, und da er sich
zum Autore desselben bekennet, auch sein Gewissen selbst. Wir sind auch über
dieses 5. versichert, daß Titius,(QUINTA.) wenn
er sich nicht selbst muthwillig verblendete, sondern die Augen einer gesunden
Vernunfft nur ein wenig auffthun wolte, werde gestehen müssen, daß er dieses
alles selbst begreiffe und nicht wisse, was er für eine action wieder die
Obrigkeit oder die Priesterschafft des Orts anstellen wolle, wie er dann auch in
seiner an uns gethanen Frage keine, darum er uns in specie befragt hätte, zu
benennen gewust, da es ihm doch sonst an dergleichen Wissenschafft nicht
mangelt. Und wenn er ferner überlegen wird, wo er einen Richter finden wolle,
der mit denen von ihm vorgetragenen, den wahren GOtt verleugnenden, und die
Christliche Religion für irrig ausgebenden Lehren einig seyn oder dieselbe
vertheydigen werde, so wird er leichtlich erkennen, daß solches eine absolute
moralische oder politische Unmöglichkeit sey, sondern daß er vielmehr
allenthalben, wo er mit dieser seiner praetendirten Klage werde aufgezogen
kommen, so bald er derselbigen seine Meditationes beylegen werde, werde beym
Kopffe genommen, und aus einem höhern Thon mit ihm gesungen werden; Uberdieses
wenn auch gleich Titio eine Klage wieder das Ministerium und den Rath, so seine
Schrifft conficiret, sonsten competiret hätte, so würde er sich doch derselbigen
6. um deßwegen nicht bedienen können, dieweil er in(SEXTA.) besagter seiner Vorrede p. 5. sich deutlich herausgelassen,
daß wenn gleich ihm oder seinem Buch einiger Schimpf, wie er sich wohl
befahrete, wiederfahren solte, so wolte er doch dieselbe mit einer lächlenden
Mine und einer Philosophischen Gelassenheit ansehen; und als ein Mensch, der
seiner selbst mächtig, und seiner Affecten Meister wäre, alles Tyrannische
Verfahren wieder seine Schrifft und ihn mit gleichgültigen Augen ansehen, und
mit ruhmwürdigen Stilleschweigen über seiner Wiedersacher Geschrey triumphiren,
auch solchergestalt mit einer großmüthigen Verachtung die unbilligsten
Schmähungen ahnden, indem ihn so wohl die natürliche als geoffenbahrte
Theologie, ja auch die Sitten-Lehre und Politic unterwiesen, daß man so wohl
öffentliche als heimliche vom schwartzen Neid herrührende Anschwärtzungen nichts
achten, und die Beneidung, als welche allen tugendhafften Leuten es nicht anders
mache, der Barmhertzigkeit oder
|| [258]
Erbarmung vorziehen
solle: Denn es würden zweiffels ohne alle diejenigen, wieder die er sich eine
actionem injuriarum wegen der mit seinem Buche und ihm vorgenommenen
Unannehmligkeiten belangen wolte, ihn exceptionem non competentis actionis und
injuriae in antecessum (SEPTIMA.) remissae
opponiren; zugeschweigen da 7. bey dem Verfahren des Ministerii und des
Stadt-Magistrats weder eine Beschimpffung zu befinden, noch animus injuriandi zu
praesumiren, indem die Prediger nicht mehr gethan, als daß sie des Titii
Schrifft, und deren Autorem nach Anleitung der in ratione decidendi I.
excerpirten Lehren, mit den ihr und ihm gehörigen Nahmen genennet, und nachdem
heut zu Tage nach so vielen wieder Spinosam von gelehrten Männern
herausgegebenen Schrifften auch denen Studenten bekant ist, daß die
Spinosistischen Atheisten zwar den Nahmen GOttes allenthalben in ihrem Munde und
Feder führeten, aber ihre verborgene Atheisterey eben dadurch verrathen, daß sie
unter den Nahmen GOttes nicht ein von denen Creaturen insgesamt wahrhafftig
unterschiedenes und vor der in der Zeit erschaffenen Welt, von Ewigkeit her
existirendes selbstständiges Wesen, sondern den complexum der geschaffenen
Creaturen verstehen, und derselben existentz von Ewigkeit behaupten. So wenig
auch hernach diejenigen, die vor verborgenen Gifft warnen, oder denselben, daß
er niemand schaden könne, wegnehmen und confisciren, beschuldigt werden können,
daß sie den Gifft oder den Gifftmischer und Ausstreuer geschimpfft; so wenig mag
auch denen Predigern und dem Magistrat des Orts als eine Beschimpffung
ausgedeutet werden, daß sie durch die Confiscation der Meditationum
Philosophicarum den Autorem derselben beschimpffet oder zu beschimpffen
intendiret hätten. Das Consilium abeundi belangend, kan auch dasselbige keine
Beschimpffung genennet werden, indem kein privatus, geschweige denn eine
Societät, noch weniger aber eine Republique mit recht gezwungen werden kan,
einen wohlgezogenen und friedfertigen, geschweige dann einen unruhigen, und die
Haußgenossen oder Unterthanen zu verführen intendirenden, oder auch ohne
intention, aus Tummheit dieselben verführenden Gast, wieder ihren Willen bey
sich zu behalten; auch ohne dem ein grosser Unterscheid in der morale unter
einer Unbarmhertzigkeit, (dahin nach Gelegenheit der Umstände die Ausstossung
armer, dürfftiger, tugendhaffter Leute, wenn sie ohne erhebliche Ursache
geschiehet, zu rechnen ist,) und unter einer unrechtmäßigen Beschimpffung zu
machen ist / indem zur Barmhertzigkeit niemand gezwungen, noch derer Versagung
vor unrecht gehalten werden kan; zugeschweigen, daß in der Copia des
|| [259]
schrifftlichen Conclusi Senatus, welches Titio bey
Andeutung des Consilii abeundi insinuiret worden, nicht die geringste
schimpfliche expression wieder Titium zu finden, und die daselbst gemeldete
Ursache des gegebenen Consilii abeundi (daß nemlich in dem Tractätgen sehr böse
und Atheistische principia enthalten) per hactenus dicta für keine Beschimpffung
zu achten, die angefügte Clausul aber, (daß Titius sich von dar wegbegeben oder
sich vor Schimpff hüten möge) mehr für eine freundliche Warnung, als für eine
Bedrohung, oder wenn es ja eine Bedrohung seyn solte, für eine dem richterl.
Amte zustehende Bedrohung wohlverdienter Straffe zu halten. Und zweifeln wir 8.
nicht, es werde Titius, wenn er dieses alles(OCTAVA.) wohl überleget, und seine in ratione decidendi 6. excerpirte
eigene Worte betrachtet, und sonderlich die daselbst von sich gerühmte und
versprochene Philosophische Gelassenheit über selbst vorher prophezeyete
Beschimpffung gegen die jetzo bezeigte eyfrige Begierde, sich gegen dem
Magistrat und die Geistlichkeit, wegen der in allen Rechten zugelassenen
Confiscirung ärgerlicher Schrifften, und wegen des in höflichen terminis
gegebenen Consilii abeundi zu rächen halten wird; sich von Hertzen schämen, daß
er theils aus Mangel der Selbst-Erkäntniß zur Unzeit von seiner Gelassenheit
geprahlet, theils aber ohne die geringste vernünfftige Ursache sich über den
Magistrat und das Kirchen-Ministerium erzürnet, und da beneben reiflich und wohl
überlegen, daß auch seine allerbesten Freunde, wenn sie ihn aus dem
bevorstehenden und fast unvermeidlichen noch grössern Unglück heraus reissen
wollen, ihm keinen vernünfftigern und treuern Rath geben können, als daß er das
Elend seiner Atheisterey hertzlich erkenne, dem anklagenden Gewissen Gehör gebe,
an statt des Spinosae und anderer dergleichen Autorum zuförderst die heilige
Schrifft, und in derselben die Sprüche Salomonis, und den Haußlehrer Syrach,
auch hernach andre vernünfftige und von der Atheisterey entfernete Christliche
Philosophos, an welchen ja, sonderlich zu itzigen Zeiten, eben kein Mangel ist,
mit bedacht und ohne Vorurtheil lese, und so dann durch refutation der in seiner
Schrifft enthaltenen scandalösen und Atheistischer Lehr-Sätze, auch hertzlicher
deprecation des aus Unverstand gegebenen grossen Aergernisses sich selbst wieder
tüchtig mache, daß er unter Christen geduldet werden könne.
Solte aber durch GOttes Verhängniß Titius über Verhoffen in(RESPONSIONES AD RATIONES DUBITANDI.) seiner
Verstockung so sehr vertiefft seyn, daß er bey seinen rachgierigen Verlangen
bestehen, und auff die Beantwortung der rationum dubitandi dringen solte; so ist
nichts leichters, als auch diese mit allen Glimpff ihm mitzutheilen.
|| [260]
(AD PRIMAM, SECUNDAM, TERTIAM.)
Die anfänglich in ratione dubitandi 1. 2. 3. so weitläufftig beschriebene, und
öffters urgirte, auch in der specie facti mit vielen NB. bezeichnete Erinnerung,
daß er das Tractätgen nicht als ein Philosophus Christianus, sondern als ein
Philosophus Ethnicus geschrieben, und zwar zu dem Ende, damit die Christen
Gelegenheit bekämen, die Warheit der Christlichen Lehre wider diese Heydnischen
Lehr-Sätze zu schützen, ist so ein elender und unzulänglicher praetext, daß man
sich billich wundern muß, wie es möglich seyn könne, daß ein vernünfftiger Mann,
mit dergleichen Vorgeben einem Magistrat einer Reichs-Stadt, einem Ministerio,
und einem Collegio Juridico damit die Augen zu verblenden, sich möge in den Sinn
kommen lassen. Denn entweder der Autor will ein Christ seyn, und hat sich nur
als einen Heydnischen Philosophen gestellet, oder aber er ist würcklich ein
Heydnischer Philosophus und kein Christ. Beydes kan ihn zu seiner Entschuldigung
nichts helffen, noch des Magistrats und des Ministerii Verfahren mit ihm und
seiner Schrifft etwas schaden. Hat er sich so angestellet als ein Heydnischer
Philosophus, so muß er sich auch gefallen lassen, daß man ihn das Tractament
gegeben, das einem Heydnischen Philosopho gebühret, und so wenig derjenige, der
sich stellet ein Spitzbube zu seyn, den Magistrat belangenkan, wenn er ihn, wie
einen Spitzbuben tractiret, so wenig kan auch derjenige Christ, der sich
anstellet ein Heydnischer Philosophe zu seyn, und Heydnische Dinge lehret, den
Magistrat beschuldigen, wenn sie ihn dasjenige wiederfahren lassen, was einem
Heydnischen Philosopho gehöret. Ist er aber in der That ein Heydnischer
Philosophus, und hat sich nur bißher gestellt als wäre er ein Christe, so hat
die Obrigkeit noch allzugelinde mit ihn verfahren, indem das simulirte
Christenthum mehrern Schaden bey andern verursachen können, als wenn er sich
offenbahr für einen Heyden ausgegeben hätte. Die vorgeschützte intention, daß
dadurch Gelegenheit gegeben werde, die Heydnischen und Atheistischen Irrthümer
zu refutiren, mag Titio auch so wenig zu statten kommen, als wenn einer, der
heimlicher Weise die Brunnen vergiftete, sich damit schützen wolte, als wann er
solches aus guter intention gethan, damit die Herren Medici Gelegenheit bekommen
solten, mit ihren Medicamenten die Krafft und Würckungen des Giffts zu
vertreiben. Die Unzulänglichkeit der ab exceptione fori incompetentis
hergenommenen (AD QUAR. TAM.) 4. rationis
dubitandi erhellet ebenmäßig aus vielen Ursachen. Denn anfänglich ist ein
grosser Unterscheid unter einen gewesenen und noch gegenwärtig seyenden
Fürstlichen Rath, und wenn gleich Passagierer, die in einer freyen Stadt für ihr
Geld zehren, kein forum domi
|| [261]
cilii daselbst
haben, so können sie doch wohl durch ihr Thun und Lassen forum contractus oder
forum delicti (wie dieses letzte in gegenwärtigen casu geschehen) daselbst
bekommen. Und wie die 5. und 6. ratio dubitandi(AD
QUINTAM FT SEXTAM.) grösten theils die 1. 2. und 3. rationem nur
wiederholet, also kan auch dißfalls nur die Beantwortung derselben allhier
repetiret werden. Es bemühet sich zwar der Titius allhier fürnehmlich darzuthun,
daß er sich nur als einen Heydnischen Philosophum gestellet habe, in der That
aber und in Hertzen ein guter Lutherischer Chrift sey, er wird aber dieses
keinem vernünfftigen Menschen bereden, der seine Schrifft lieset, und da er
nicht das geringste darinnen findet, daß nur eine Anzeigung von einer
dergleichen Fiction geben könte, noch über dieses diejenigen Worte wohl erweget,
die zu Ende des dritten Capitels p. 38. zu befinden, in welchen sich der Autor
wegen seines in der Schrifft gethanenen Glaubens-Bekäntniß gratuliret, und dabey
verspricht, daß er bey diesen Glauben leben und sterben wolle. Daß er aber
daselbst als eine unstreitige Probe, daß er kein Ketzer und Atheiste sey,
angiebet, weil er sich zur Lutherischen Kirche bekenne, und daselbst zum
Abendmahl gienge, fället dadurch gäntzlich hinweg, weil er §. ult. capitis primi
p. 17. mit deutlichen Worten dieses als einen Streich seiner so genandten und
gerühmten Politischen Religion rühmet, und daß er ein gleichmäßiges auch bey
denen Türcken thun werde, ungemartert gestehet. Nicht zu gedencken, daß auch in
seinen andern Schrifften, zu welchen er sich bekennet, und in welchen er sonst
mehr zu simuliren pfleget, er dennoch sich nicht bergen können, sondern zu
verstehen gegeben, daß er in seinem Hertzen mehr Heydnisch als Christlich
gesinnet gewesen, als wenn er z. e. in dem Büchlein: welchergestalt Monarchen
mächtig und reich werden können, alsbald in Anfang p. 1. sagt, daß Monarchen und
grosse Herren, auch Republiquen, die den Titel von souverainen und considerablen
Regenten mit recht führen wolten, für ihren einzigen Endzweck und das höchste
interesse halten müsten, mächtig zu seyn oder zu werden, und wenn er in dem
Entwurff einer wohl eingerichteten Policey p. 9. die Populosität eines Staats zu
facilitiren, die Polygamie mit vielen unzulänglichen und auch ex solis
principiis Politicis leicht zu wiederlegenden rationibus in Vorschlag bringet;
wenn er p. 14. & 15. den Rath giebet, einen jeden, (das ist, Türcken,
Heyden, Atheisten, Juden, Christen, u. s. w.) bey Ubung seiner Religion zu
lassen; wenn er p. 18. ohne alle Nothwendigkeit das Exordium des andern Capitels
also anfängt;
Ob die Religion eine Erfindung der Clerisey und Staats-Männer sey, die solche aus geistlichen, oder weltlichen Endursachen eingeführet, will itzo nicht
|| [262]
erörtern. Es ist genung, daß sie die fürnehmste
Grund-Veste eines Staats mit abgiebt.
(AD SEPTIMAM.)
Die 7. raison von Duldung anderer verdächtiger Bücher in Buchläden, ist auch
nicht vermögend dem Autori ein Recht zu Duldung des seinigen zu geben, so wenig
als wenn ein ungebetener Gast einen Diener, dem von seinem Herrn befohlen
worden, niemand als die Gäste herein zulassen, wegen angethanen Schimpffs um
Satisfaction bey seinen Herrn verklagen, und daß er gleichwohl andre ungebetene
Gäste eingelassen, zum Fundament (AD
OCTAVAM,) seiner Klage legen wolte. Was bey der 8. ration von dem Titel und
der Vorrede dieser Meditationen gemeldet worden, wird unten bey der 17. ration
ihre Beantwortung finden; in übrigen aber wird der Autor selbst verhoffentlich
zugestehen, daß wenn man einen Ubelthäter auff einer Ubelthat ertappet,
derselbige sich damit in geringsten nicht befreyen würde, wenn er gleich
vorgäbe, man könne ihn keiner Ubelthat mit Wahrheit beschuldigen, weil er etwan
mit dem Autore geleugnet, daß einige Ubelthat in der Welt sey, sondern daß alles
nur blosse von Königen und Fürsten aus Tyranney erfundene Chimaeren wären; Eben
nun so unförmlich ist auch des Autoris raison, wenn er schreibt, man könne ihn
keines Atheismi Theoretici beschuldigen, weil er in seiner Schrifft expresse
& in totum negiret hätte, daß es solche Atheisten gebe. Bey der (AD NO. NAM.) 9. ration ist anfänglich zu erinnern,
daß zwar ein jeder der beste Ausleger seiner Worte sey; aber daß diese Regel
ihren Abfall leyde, wenn der Ausleger sich gezwungener und offenbahr
cavillatorischer Auslegung bedienet; ferner, daß er sehr unförmlich a
praesumtione boni viri, ad praesumtionem veri Christiani geschlossen, indem
jenes carentiam ciminis, dieses aber positionem virtutis inferiret, &
quia boni viri in hoc significatu nascuntur, Christiani veri autem non
nascuntur, sed fiunt, endlich aber, da er testimonia luce meridiana clariora
urgiret, mag er sich selbst bescheiden, daß kein testimonium luce meridiana
clarius wieder ihn, daß er kein wahrer Christ sey, als seine eigene Meditationes
Philosophicae vorgebracht werden können. Und wie hiernächst quoad rationem (AD DECI. MAM.) dubitandi 10. durch die rationes
decidendi handgreiflich gezeiget worden, daß das Verfahren des Magistrats und
Ministerii mit Titio und seiner Schrifft mit nichten für ungemein harte,
übereilt, passionirt, vielweniger für illegitim zu halten sey; also ist billig
zu verwundern, wie Titius sich auff die dictamina rationis & scripturae,
ingleichen auff die regulas justi, aequi & decori beziehen könne, da
doch in ratione 1. decidendi gezeiget worden, daß er diese insgesamt verwerffe,
und die Religion,
|| [263]
das jus naturae & gentium,
auch zugleich die principia honesti, aequi & decori für Chimaeren halte,
die von der Tyranney der Cholericorum und andrer passionirten Leute wären
erfunden worden. Ob nun wohl ferner in denen rationibus dubitandi 11. und 12.
nichts neues vorgebracht(AD UNDECIMAM ET
DUODECIMAM.) worden, das nicht allbereit in responsionibus ad rationem
dubitandi 1. 2. 3. 4. & 5. beantwortet worden; So ist doch noch bey der
ratione dubitandi 12. zu erinnern, daß demonstrationes moraliter - mathematicae
inter non entia billig gerechnet werden müssen, weil keine demonstratio moralis
pro demonstratione mathematica ausgegeben werden mag, sondern unter beyden ein
grosser und mercklicher Unterscheid ist. Die in ratione dubitandi 13.
vorgebrachte Objection aus dem dicto(AD DECIMAM
TERTIAM.) Christi Matth. XIII. v. 30. kan dem Titio nicht zu statten
kommen, weil, zu geschweigen, daß er Christum nicht pro Messia oder Salvatore
erkennet, auch der Heyland nur alsdenn die Duldung des geistlichen Unkrauts
recommendiret, wenn zu befahren, daß mit Ausreutung desselbigen auch zugleich
der gute Weitzen mit ausgereutet werden möchte, Matth. XIII. v. 29. welches aber
bey der geschehenen Confiscation des Tractats, und bey dem den Titio gegebenen
Consilio abeundi mit nichten zu befürchten. Bey der 14. ratione dubitandi ist
zwar an dem, daß meditationes(AD DECIMAM
QUARTAM.) ingenii & intellectus eigentlich pro criminibns nicht zu
achten; aber die hämische und hinterlistige publication derselben, wie in
gegenwärtigen casu geschehen, als ein opus voluntatis, in sensus incurrens nach
seinen eigenen principiis in fine capitis 1. p. 17. gar füglich inter crimina
gerechnet werden könne. So mag auch 15. Titius die Duldung der(AD DECIMAM QUINTAM.) Juden an selbigem Orte nicht
für sich anführen, weil auf diese Objection schon oben in responsione ad
rationem dubitandi 7. allbereit geantwortet worden, dergleichen auch, was die in
ratione dubitandi 16. unpartheyisch(AD DECIMAM
SEXTAM.) von uns excerpirte dem ersten Ansehen nach Christlich und
gottseelig scheinende loca betrifft, allbereit oben bey der ratione decidendi 1.
geschehen, und daselbst ausführlich gezeiget worden, daß wenn man diese loca
gegen die andern in dicta ratione 1. angeführte Stellen hält, die ersten
gutscheinenden Theses nur für desto schädlicher und gefährlicher zu achten sind,
weil unter denenselben das Seelenschädlichste Gifft nur überzuckert, und die
reissende Wolffs-Art mit Schaaffs-Kleidern bedeckt werden wollen. Der bey der
17. ratione dubitandi excerpirte locus aus Titii Vorrede(AD DECIMAM SE. PTIMAM.) zeiget zwar deutlich, daß
Titius diese Schrifft nicht als ein Christe, sondern als ein Heydnischer
Philosophus edirt, es beweiset aber selbige in geringsten nicht, daß er nur
exercitii gratia sich angestellet, als ob er
|| [264]
ein
Heydnischer Philosophus sey; und wenn es auch wäre, so würde ihm doch selbiges
von der dadurch verdienten Straffe nicht befreyen, wannenhero die allbereit ad
rationem dubitandi 1. 2. 3. 5. & 6. gegebene Beantwortungen nur allhier
zu wiederholen sind. Hiernächst wird die (AD DECIMAM O.
CTAVAM.) 18. ratio dubitandi dem Titio nichts helffen. Denn
zugeschweigen, daß die Meinung von Bestraffung der Atheisten noch allenthalben
herrschet und in praxi recipiret ist, so ist auch oben so wohl in rationibus
decidendi, als in responsionibus ad rationes dubitandi zum öfftern sattsam
ausgeführet worden: daß die Confiscirung der ärgerlichen Schrifft, und das dem
Titio gegebene Consilium abeundi mit nichten vor eine eigentliche Bestraffung zu
achten sey. Endlich aber quoad rationem dubitandi (AD
DECIMAM NO. NAM.) 19. & ultimam vermag sich Titius mit dem
Exempel des Spinosae keinesweges zu schützen, indem nicht alleine Spinosae
Atheistische Schrifften erst nach seinem Tode sub titulo operum posthumorum
publiciret worden, und der bey seinem Leben publicirte so genannte Tractatus
Theologico-Politicus de libertate philosophandi seinen Autorem nicht gemeldet,
noch er, daß er Autor davon sey, bey seinem Leben convinciret worden; auch
hiernächst Titius viel frecher und unverschämter in diesen wenigen Bogen, als
Spinosa in seinen weitläufftigen Schrifften gethan, sich aufgeführet; sondern
auch das Exempel der Holländischen Staaten andern freyen Republiquen kein
Gesetz, darnach sich selbige nothwendig richten müsten, geben kan, und also
selbiges zu decidirung der uns vorgelegten Fragen weder pro affirmativa noch
negativa mag mit Bestande Rechtens angeführet werden.
(DECISIO QUAESTIONUM PROPOSITARUM. PRIMAE.)
Nachdem wir nun dieses alles, was bißhero angeführet worden, reiflich erwogen,
auch ein jeder unter uns zu vorhero des Titii Meditationes Philosophicas
wohlbedächtig und ohne Partheyligkeit überlesen, als halten wir einmüthig dafür;
daß 1. des Titii Philosophisches Tractätgen auch nach seiner dabey geführten
intention allerdings, für eine so scandaleuse Schrifft zu achten sey, darinnen
böse und Atheistische principia enthalten, daß es nothwendig eine Confiscation,
Titius aber eine noch viel härtere Bestraffung, als das ihm gegebene Consilium
abeundi verdienet (SECUNDAE.) habe, 2. daß die
Geistlichkeit des Orts recht und wohl gethan, daß sie auff den Cantzeln selbiges
für ein Teuffels-Buch und Titium für einen Atheisten ausgeruffen, auch durch
ihre Predigten den Magistrat verursacht wieder Titium das Consilium abeundi
ergehen zu lassen, und hiermit die Lehre der heil. Schrifft nicht übertreten,
auch durch diese Aufführung mit nichten ihre geistliche Herrschafft &
Tyrannidem Ecclesiasticam, son
|| [265]
dern einen
gelinden und sanftmüthigen Eyfer für die Ehre und Lehre GOttes zu erkennen
gegeben; 3. daß Titius dannenhero wegen dieser(TERTIAE.) ihrer Conduite keinen regress wieder sie nehmen könne, noch
ihme zu dem Ende einige Action wieder sie zu statten komme, 4. daß der
Stadt-Magistrat(QUARTAE.) durch die
Confiscation und das ertheilte Consilium abeundi, weder die jura naturae
& hospitalitatis, noch die dictamina Justitiae, AEquitatis &
Decori, auch nicht einmahl die officia humanitatis in Titii Person violiret
habe. 5. daß Titio kein eintziges Rechts-Mittel wieder den Magistrat zu(QUINTAE.) statten komme, vielweniger derselbe
einiger injustitz vor der gantzen Welt überwiesen und schamroth gemacht, am
allerwenigsten aber angehalten werden könne, wegen seines Verfahrens dem Titio
eine suffisante, eclatante, und notorische Satisfaction auf eine publique Weise
und dergestalt zu geben, daß er gehalten sey, durch ein öffentliches Cassatorium
den gantzen Proceß-modum nebst dem Consilio abeundi zu annulliren und zu
wiederruffen. Alles V. R. W.
§. XIII. Der Herr Quaerente aber nahme dieses unser wohlmeinendes,(Summarischer Inhalt / von des Herrn Zuaerenten
Gegenschrifft.) und ihn vor seinen bevorstehenden grössern Unglück
warnendes Responsum nicht zum besten auff, sonderlich aber stunden ihm unsere
rationes decidendi nebst der Antwort auff die rationes dubitandi, fürnemlich
aber die ersten, in geringsten nicht an. Was aber nun zu thun? Er sendete ein
weitläufftiges scriptum mit etlichen nicht weniger weitläufftigen Beylagen an
unsere Facultät, welches ich bey Erzehlung dieses Handels nicht unterlassen kan
beyzufügen. Dieses lieffe den 16. Novembris 1717. richtig ein. Ob es nun wohl
wieder die gantze Facultät, und an etlichen Orten etwas hanbüchen war, weil es
aber hauptsächlich die rationes anfochte, die ich für mich nach meinen Vermögen,
(wie gebräuchlich) ohne fernere communication mit meinen Herren Collegen,
verfertiget hatte, auch unterschiedenes mich in specie, quamvis sine nomine,
touchirte, als habe ich auch dererselben ihre andere nöthigere labores nicht mit
Herumschickung desselben turbiren wollen, sondern vermeinte Zeit genung zu seyn,
wenn sie es dermaleins bey Publicirung meiner Juristischen Händel nach ihren
Gefallen bey guter Musse lesen könten. Ich habe zwar selbiges hier unten in
folgenden Paragrapho ohne Veränderung einer Sylbe bona fide beydrucken lassen;
aber damit bey dem Leser wegen der Weitläufftigkeit kein Eckel und
Verdrießlichkeit zum Voraus entstehen möchte, mir die Mühe genommen, dasselbige
in Paragraphos einzutheilen, und Summaria ad marginem zu verfertigen. Es wird
auch vermuthlich dem Leser nicht verdrießlich seyn, sondern mehr appetit machen,
das weitläuftige scriptum
|| [266]
selbst zu lesen, wenn ich
allhier die Summaria in einer Folge nach einander voraus setze.
1. Entschuldigung, warum diese Wiederlegung nicht gelehrt sey: 2. sondern nur in
zweyen Puncten deutlich wiedersprechen wollen: 3. Erstlich, daß man seinem
Temperament allzuwenig Ehrgierde zugeschrieben, 4. und folglich kein sonderlich
judicium ihm zugetrauet; 5. Zum andern, daß man ihm eine falsche, ja gar keine
Religion angedichtet; 6. da doch dieses (1) mit seinem Genie incompatible; 7.
(2) sein Christenthum notorisch sey; 8. (3) also diese Beschuldigung eine
offenbahre Verleumdung wäre: 9. Weil Er a) seine Meditationes nur als ein
Philosophus Gentilis Interimisticus geschrieben, 10. b) auch geleugnet, daß
solches seine eigene principia wären, 11. c) und seine wahre intention genungsam
entdecket, 12. d) wieder die confuse und eigenwillige Auslegung 13. e)
solennissime protestiret und ex genuinae Logicae doctrinis höchstvernünfftig die
conclusion negiret, 14. welches mit etlichen Exempeln erläutert wird, als
) Ludovici Antonii Muratorii. 15, ) derer editorum Philosophiae Platonicae &
Pythagoricae, item des Alcorans, ingleichen derer scriptorum Origenis, des
Naudaei, und endlich des Arnolds: 16. Und ) nochmahls
als unstreitig supponirt wird, daß der Herr Quaerent ein redlicher Christ, und
Lutheranus sey. 17. Zwey Haupt-Fehler des
Hällischen Responsi und seiner übrigen Wiedersacher. 18. Gegeneinwürffe wieder
selbige. 1) Die contenta seiner speciei facti. 19. 2) Seine ehrliche und
raisonablc intention 20. 3) Daß man ihm eine falsche Meinung angedichtet. 21. 4)
Daß Er andrer Gelehrten Exempel gefolget sey, als dem Autori des Entretiens
&c. dem Autori des Espion Turc, des unchristlichen Christenthums, des
Julii Caesaris Vanini und seiner defensorum, 22. mit welchen man ihm gleiches
Recht geniessen lassen, 23. auch ihme die defension Vossii, und Doct. Titii zu
statten kommen müste, 24. und die leider allgemeine Ketzermacherey ihm nicht
praejudiciren könne, 25. sondern er allenfalls als ein moralischer Comödiante
angesehen werden solte. 26. Zumahl da ihm die Lehre des Autoris des Entretiens
&c. zu statten käme. 27. Aus der kurtzen Recapitulation der bißhero
angeführten Gründe, 28. folge nun 5) nothwendig, daß ihm unrecht geschehen, und
unsere rationes decidendi nichts heissen: 29. Wie er dann in specie wegen des
ihm von uns recommendirten Salomons und JEsus Syrachs Erinnerung thut. 30.
Zumahl da er nicht der erste Erfinder, sondern nur der Copiste gefährlicher
Lehren gewesen. 31. Welches Er mit einem Gleichniß von allerhand Mißgeburthen
bescheiniget, 32. und dieses Gleichniß auff seine Meditationes Philosophicas
appliciret, 33. auch den locum des Defensoris Vanini für sich anführet. 34. Ja
wenn er auch endlich ein Indifferentist wäre, müsse ihn doch sein gutes
moralisches Leben schützen. 35. Zum Beschluß führet er für sich zwey Passagen
an, eine aus dem Jure divino, der heiligen Schrifft, 36. die andre ex jure
publico,
|| [267]
aus einem ungenanten Autore, 37. die er
allen seinen Wiedersachern zur Prüfung recommendiret, 38 und sie der göttlichen
Rache, wo sie ihr Unrecht nicht erkennen, übergiebet. 39. Nachdem Beschluß
captiret er benevolentiam bey der Hällischen Inristen-Facultät, 40. und
recommendirt die eine Beylage, fürnemlich sein fröliches Gemüthe daraus zu
erkennen, 41. nebst angehängten voto und recommendation.
§. XIV. Ich zweifle nicht, es dürffte mancher Leser den Kopff schütteln,(Fernere Erinnerung deßwegen nebst der völligen
Gegenschrift selbst.) und bey Durchlesung dieser Summarien gedencken,
ob wären sie von mir allzupartheyisch, und vielleicht zum praejuditz des Herrn
Quaerentis gemacht, auch deßhalben desto begieriger werden, die Gegenschrifft
selbst zu lesen. Gleichwie mir aber dieses letztere recht lieb seyn wird; also
läugne ich zwar nicht, daß nach der Natur aller Summarien ich mich der Kürtze
befleißigen müssen, und also den gantzen Sinn des Herrn Autoris nicht völlig
ausdrucken können, jedennoch aber wird der geneigte Leser finden, daß ich an
denen notablesten Oertern (z. e. §. 1. 2. 7. 13. 16. 25. 30. 31. 32. und 39.)
allenthalben des Herrn Autoris eigene Worte behalten. Dem sey aber wie ihm
wolle, hier hast du die Gegenschrifft selbst mit Haut und Haar.
Praemisso Tit. Ew. Hochedlen Responsum, ist mir vor wenig Wochen(I. Entschuldigung warum diese Widerlegung nicht gelehrt
sey?) wohl insinuiret worden, und bin vor die dabey gehabte Mühe und
Arbeit, meinen hochgeehrten Herrn samt und sonders verbunden. Ob selbiges
indessen 1. Ohne Vorurtheile, Partheiligkeit und Paßion, als ein Juristisches
Gutachten aequitabler Consulenten: oder aber, wie ein Blut-Spruch und Sententia
Condemnatoria Criminalis strenger und praeoccupirter Inquisitorum abgefasset: Ob
2. die darinnen vorkommende Ausdrückungen, Passages und Stylus ohne Bitterkeit,
nach der Vorschrifft der Christlichen Morale und einer politen Schreib-Art, wie
galante, liebliche und mit Saltz gewürtzte Reden sind angebracht und gebrauchet
worden: Ob auch endlich 3. ihre rationes decidendi: welche in blossen Worten,
irrigen suppositis, eigenen Schlüssen, wunderlichen Gleichnissen, arglistigen
Syllogisinis, unbequemen Instantien und ungegründeten Distinctionen,
meistentheils bestehen; sich auf die principia einer soliden Rechts-Gelahrheit:
die Dictamina AEquitatis: die Regeln einer guten Interpretation: da nach diesem
dreyfachen Winckel-Maasse, das Jus ad Factum, abgezirckelt und appliciret werden
soll und muß; sich fussen: will der Revision fremder unpartheyischer Lehrer und
Leser überlassen; Weil bey mehrern Arbeiten und Geschäfften, die müßigen Stunden
nicht habe: Eurer Hochedlen Responso, mit einer gelehrten Wiederlegung entgegen
zu gehen; vor mich, meine Philosophische und
|| [268]
politische Gedancken eine weitläufftige Schutz-Schrifft zu verfertigen.
(2. Sondern nur in zweyen Puncten deutlich gegen sprechen
wollen.)
Damit nicht indessen, wenn gäntzlich schwiege: aus dem Stillschweigen, meine
geistliche und weltliche hochgeehrte Herrn Oponenten, diese Consequentz: Ich
hätte ihnen als Triumphirenden gewonnen gegeben, und den Palmen-Zweig zum
Zeichen ihres eclatanten Sieges mit furchtsahmen Händen überreichet; zu meinem
Praejuditz ziehen und dessen die Unerfahrnen zu bereden suchen mögen; Werden
Eure Hochedlen die besondere Grace mir zu gönnen gütigst geruhen, mit keinen
verdrießlichen Minen zu bemercken: wann zu einer etwelcher, und keinen Schalck
verbergender Interims-Justificirung meiner Sache und Ablehnung der Lehr-Sätze:
die meiner deutlichen Gegensprechung und auffrichtiger Bekäntnis unerwogen; auf
eine unfreundliche und gewaltsame Weise, wieder die Gesetze von der Klugheit
eines andern Meinung zu verstehen, laut der sub No. 1. angehengter Beylage,
rubriciret: Ausübung und Ubertretung der Vernunfft-Lehre; aus einer feindlichen
und gefährlichen Abzweckung, vielleicht, damit malgré moy & a contre
coeur, in den Augen der Christlichen Welt, vor einen Ketzer, Atheisten und
Spinosisten passiren solle; mir zur Last geleget werden: Die einer jeden
unschuldig leidenden und gravirten Parthey erlaubte Freyheit der Wieder-Ant- und
Verantwortung nehme: über Eurer Hochedlen hochgelehrtes Responsum (wiewohl ohne
Violirung derjenigen Hochachtung, welche meinen hochgeehrten Herrn samt und
sonders im übrigen schuldig bleibe) mit einer friedliebenden Seele und
sanfftmüthigen Feder: in gegenwärtigem Schreiben, diese einige Remarque vorjetzo
nur zu machen: welche in dem kurtzen Schluß beruhet: Eurer Hochedlen edle Ars
Conjecturandi die Erkäntniß der menschlichen Natur und derer Ihro anklebender
natürlicher, sittlicher und geistlicher Neigungen; habe keine Infallibilität,
noch gewonnen; Indem so wohl (a) in Bezeichnung meiner Leibes Complexion: als
(b) in Vestsetzung derjenigen Religion, welcher ich, nach meinem Gewissen und
der innerlichen Uberzeugung von gantzem Hertzen und gantzer Seele zugethan bin;
sie sehr gestrauchelt, und durch diesen faux pas eine considerable Blösse
gegeben.
(3. Erstlich daß man seinem Tempera-)
Denn was den ersten Punct: von meinem Temperament anlanget; haben Eure Hochedlen,
nach ihren Lehren von der Kunst die Gemüther der Menschen zuerforschen, den
Calculum zwar dahin gezogen: es wäre solches von etwa
melancholisch-sanguinischer Vermischung: weil mein wenig natürliches Judicium,
eben dadurch unterdrücket: und
|| [269]
ich also ad Atheisinum
verleitet würde. Das Gegentheil und wie darinne(mente allzuwenig Ehrgierde zugeschrieben.) ein
Error Calculi aus falschen Datis, von Euren Hochedlen sey begangen worden,
gründlich offen zu legen; will nicht anführen: daß 1) durch die treue Erziehung
meiner seeligen Eltern und löbliche Information redlicher Lehrer, dahin bin
unterwiesen worden, die vernünftige Tugend-und Ehren-Liebe: vor den Polar-Stern
einer glücklichen Segelation meiner zeitlichen und ewigen Wohlfahrt mit
unverwendetem Gesichte zu beaugen. Auch halte ich 2. vor unnöthig, Euren
Hochedlen vorzubilden: daß nach der Anspornung meines Naturels belieben trage in
Luce Mundi, mit Jovialischen und aufgeweckten Geistern zu conversiren; Einen
Timonem aber, Misantropen und Reveur: der die todte Einsamkeit dem charmanten
Versailles vorziehet, und mit dem traurigen Heraclito, die unbekanteste Gebürge
zu seiner Wohnung auswehlet; zu praesentiren: die dazu stimmende Leibes-und
Gemüths-Gaben, von dem Schöpffer aller Geschöpffe, nicht zu meinem Erbtheil
überkommen habe; sondern ich will 3. Euren Hochedlen zu Dero suffisanten
Uberweisung nur diesen Einwurff aus ihren Schrifften entgegen stellen: daß da
sie in ihrer Muthmassungs-Kunst, wie ein unumstößliches axioma bejahen:
Melancholicum ad superstitionem inclinare: Cholericum autem ad Atheismum pronum
esse; sie mir und meinem Temperament: welches melancholisch beschrieben worden,
daß bey Gefolge, ich billig eine abergläubische Creatur seyn, ihre sombre Sitten
besitzen, und insonderheit GOtt als einen schädlichen, zornigen und unweisen
Tyrannen und Despoten mir einbilden solte; dennoch eine gantz widrige Neigung
nemlich den Atheismum: zugeurtheilet und bey dieser moralisch-Academischen
Creation, sie mir zu einem Pathen-Pfennig mit freygebiger Hand zwar eingebunden:
dabey aber ohne Zweiffel aus Versehen des Gedächtnisses vergessen: wegen des
imputirten Atheismi, mir zugleich ein Temperamentum Cholericum beyzulegen: indem
laut ihrem Selbst-Geständniß: die GOttes-Verläugnung, bey den Cholericis, ubi
bilis dominatur & per consequens aliqua sanguinis pinguedo caque ad
inflammandum apta occurrit; allein anzutreffen: und wie ein Proprium
inseparabile Corporis Cholerici, zu beobachten seye.
Betreffend mein Judicium: bekenne ich ohne Schamröthe, daß(4. Und folglich kein sonderlich Judicium ihm zugetrauet.) selbiges bey mir, bey Centnern und
in tanta Massa & quantitate Molis, wie bey einer nombreusen Versammlung
und starcken Collegio; nicht abzuwägen. Doch bin ich mit dem Quintlein
derjenigen Beurtheilungs-Krafft: welches von dem allmächtigen Schöpffer, mir zum
Gebrauch und
|| [270]
Wucher anvertrauet worden, zu frieden;
weil durch ihre Beyhülffe, nach weggeworffenen Schuppen der Vorurtheile, das
wahre von dem falschen: das wahrscheinliche von dem irrigen: das gute von dem
bösen: die Tugend von den Lastern; die raisonnable Liebe von den thörigten und
gar offte mehr als bestialischen Begierden: das Unerschaffene von dem
Erschaffenen: den Schöpffer von dem Geschöpffe: GOtt von der Welt: das
Christenthum vom Heydenthum: den Christlichen Weltweisen vom Heydnischen
Raisonneur: den Philosophum Eclecticum von einem Philosopho Sectario: den
Theologum vom Philosopho: den Theologum Revelatum von einem Theologo Naturali;
die, in den Geschöpffen offenbahrte Bibel von dem, durch den Mund der Propheten,
Aposteln und anderer heiliger Männer gepredigten Wort GOttes: dieses warhafftige
Wort GOttes wiederum von der Philosophia und losen Verführung nach der menschen
Lehre und nach der Welt-Satzungen und nicht nach Christo, in welchem die gantze
Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet: den geistlichen, neuen und wiedergebohrnen
Menschen von der fleischlichen, alten und sündlichen Creatur: den aufrichtig-
und thätigen Christen von den Scheinheiligen, Pharisäern, Maul-Christen und
Tartuffen: In Summa, die vielfältige moralische Personen; genau, ohne mühsahme
Arbeit und schwermüthiges Nachgrübeln, aus einander zu mustern: und von ihnen,
ihren verschiedenen Ziel-Puncten und im Schilde führenden Actionen: pro
differentia & diversitate darbey vorkommender idearum, modorum
respectuum, relationum physicarum, moralium & spiritualium nec non
circumstantiarum, quarum vel minima totam rei & casus faciem immutat;
einen conceptum genuinum & adaequatum, nach der Ausübung der
Vernunfftlehre und dem Wege zur Warheit zu formiren: und entweder ein wahres
oder wahrscheinliches Sentiment zu fällen; ich mich, GOtt sey lob, in einem
guten, gesunden und unverdorbenen Stande sehe. Ob nun ein so qualificirtes
Judicium, welches in seinen ächten Farben, ohne Schmincke entworffen: Wann der
Quantität nach, von einem Sonnenstäublein, es gleich überwogen würde; eine
Facultas Animae seye: durch derer Circulirung ein lentum Corpus Melancholicum,
in quo terrearum partium moles superior: zur freudiger Activität und
lebhafftiger Bewegung gebracht werde; überlasse ich den Illuminatis zur
Cntscheidung: welche diese curieuse und nützliche Wissenschafft der cörperlichen
und sittlichen Complexionen, en Maitres in vollkommenem Grad zu wissen, sich
flattiren.
|| [271]
Ich komme auff den andern Punct: der von Euren Hochedlen mir(5. Zum andern, daß man ihm eine falsche, ja gar keine
Religion angedichtet.) attribuirter Religion; worinnen meine
hochgeehrte Herrn, ich will nicht sagen eine Ungerechtigkeit: doch warlich einen
mercklichen Fehltritt (quamvis & hoc, salva D. V. Reverentia debita,
scriptum velim) ebener massen begangen; wiewohl solches mich nicht befremdet;
weil, nachdem Euren Hochedlen es gefallen, mir eine neugeschmiedete Leibes-und
Seelen-Beschaffenheit zu schencken: Meine hochgeehrte Herrn sich auch keinen
Scrupel gemacht haben, mit einem neuen Gottesdienst, mich zu dotiren und zu
bemorgengaben. Es ist aber Hochedle Herren, die Religion: die sie vor die
Meinige an-und ausgeben,
Erstlich: mit meinem Genie incompatible. Denn selbiges, erkennet(6. Da doch selbige (1) mit seinem Genie incompatible.) in der Welt-Weißheit und
Glaubens-Sachen: nicht die Dictata Philosophorum & Theologorum: sondern
die Dictamina rationis & scripturae, für seine eigene und souveraine
Haupt-Richter: um sich nicht wägen und wiegen zu lassen von allerley Wind der
Lehre, durch Schalckheit der Menschen und Teuscherey, damit sie die Gemüther
erschleichen, zu verführen.
Sie wird zum andern: durch mein notorisches Christenthum in der(7. (2) Sein Christenthum notorisch sey.) Lehre und dem Leben, nachdrücklich wiederleget;
daß wer solches sonnenklare Zeugniß umwerffen wolte: die Vernunfft, das Wort
GOttes, die Rechte, nebst dem Gebrauch der Sinnen, aus der Welt und dem
menschlichen Umgang, mit verbannen müste.
Wie dann drittens: die, in der specie facti erzehlte Ursachen, warum(8. (3) Also diese Beschuldigung eine offenbare
Verleumdung wäre.) die Meditationes ans Licht gestellet: meine rechte
und ächte Religion, die in dem Lutheranismo sich concentriret 3. in so naiven
und auffrichtigen Worten erhärten: daß Christen und unpaßionirte, zu keinem
Verbrechen mir es auslegen werden noch können; wann eine solche Auffbindung und
Unterschiebung eines fremden Gottesdienstes und wunderlicher
Religions-Gedancken: mit dem Titul der Verläumdung characterisire; Weil diese
Ausschweiffung, kein gelindes Epitheton verdienet: und einer ehrlichen Seele
ungemein wehe thut, ohne Verdienst verlästert, und bey den Tugendliebenden
Leuten in einen sinistren Concept gesetzet zu werden.
Dann obwohl willig, ohne peinliche Frage gestanden: der Verfasser(9. Weil er a) seine Medit ationes nur als ein) gemeldter
Meditationum zu seyn; So habe ohne Verstellung, Ausflüchte, zwodeutige Reden,
und die übliche Kunstgriffe der Sophisten und Heuchel-Christen, dahin zugleich
mich ausgelassen: Daß (a) die in dem Philosophischen Büchlein verhandene
Meinungen, welche von alten und neuen Weltweisen und Frey-Geistern ausgebrütet;
von mir, wie einem
|| [272]
(Phil Gent. Interimisticus
geschrieben.) Philosopho Eclectico & Gentili Morali
Interimistico zwar wären geredet worden: keinesweges aber von mir quatenus
Christiano; vor wahr gehalten würden.
(10. b) auch geleugnet, daß solches
seine eigene principia wären.)
Ich habe (b) vor dem Scholarchat und in der facti specie, gantz und gar
geläugnet: wie dann quam constantissime noch von mir geleugnet wird; Quod haec
Philosophi Ethnici Principia, propria mea sint dogmata: quibus prae
Christianismo, cujus ego tamen strenuus sectator sum, symbolum meum darem
& assensum.
(11. c) und seine wahre intention genungsam entdecket.)
Ich habe (c) zu erkennen gegeben, daß vermöge der Doctrinae de Imputatione
Actionum Moralium: von welcher Materie verschiedene eminente Moralisten und
Juris N. Doctores unvergleichlich geschrieben; Nach der Intentione Cordis
& Animi: d. i. warum und aus was einer Bewegung das Wercklein drucken
lassen; nicht aber secundum actionem factae impressionis &
publicationis: d. i. weil durch den Druck es der gelehrten Welt ich
communiciret; man mich anhören, prüfen und beurtheilen müste: Cum Personarum,
Actionum & Verborum Moralitas & Turpitudo: Justitia &
Injustitia: Innocentia & Culpa: ex voluntate, proposito, praemeditatione
& proaeresi, solum dijudicari debeant.
(12. d) wieder die confuse und eigenwillige Auslegung.)
Es ist (d) zeitig von mir erinnert worden; die zwo Personae morales eines
Gottesgelehrten und Weltweisen, welche in meiner Vorrede dahero bedächtig: in
regard, errorum genitrix, est confusio semper, von einander ich placiret; müsten
wegen ihrer gegen einander lauffenden Eigenschafften durchaus nicht zusammen
geschmoltzen und zu einer Person geformet werden; weil durch dergleichen
fallacias compositionum & divisionum: combinationes contrariarum, uti
personarum, ita proprietatum: die gröbsten Irrthümer, irraisonabelste Ketzereyen
und solche Articuli Fidei Philosophicae & Christianae, die meine
Vernunfft und Sinnen mißbilligten: mir ohne Schwürigkeit, angezettelt werden
könten; wann sonderlich noch dazu der Inhalt der Meditationum: nicht nach
meiner, des Schrifft-Verfassers redlichen Auslegung; sondern nach dem Willkühr
und einer eigenmächtigen Dollmetschung meiner Leser, Gedancken-Richter, und
moralischer Hertzenskündiger, verstanden und ausgedeutet werden solten.
(13. e) solen-)
Ich habe dahero endlich (e) wieder solche schädliche Unternehmungen und Attentata
moralia, aus einer billigen Vorsichtigkeit quam so
|| [273]
solennissime protestiret, theils denen Splitter-Richtern und bösen
Zungen:(nissime
protestiret, und ex genuinae logicae doctrinis
höchstvernünfftig die conclusion negiret.)
welche des Lutheri Vernunfft-Schrifft- und Christmäßige Vermahnungen bey dem
achten Gebot; weil sie Athei Practici sind: zu practiciren vergessen: einen
Riegel und Gebiß vorzuschieben: theils aber und vornehmlich durch feyerliche
Wiedersprechungen zu declariren: daß vor die irrige Schlüsse: welche von denen
Philosophischen Gedancken, auff meine Christliche Religion, nach einer
ungewöhnlichen Raisonnir-Kunst gefolget werden wolten: ich ernsthafftig einen
Abscheu trüge; und weilen aus derjenigen Logic, so deutsch: die Klugheit zu
bedencken und vernünfftig zuschliessen: Lateinisch: Ars inveniendi veritatem,
recte ratiocinandi & notum cum ignoto conferendi, betitelt wird; mit
besserer Geschickligkeit, Gerechtigkeit und Nutzbarkeit zu raisonniren gelernet
hätte: ich unmöglich könte, würde, auch niemahlen werde vor gültig die
CONCLUSION passiren lassen, welche schliesset: Titius,
um seine studia Philosophico-Theologica zu recapituliren: hat bey seinen
Recreations-Stunden, zusamt dem Alten und Neuen Testament: der Theologia
Christiana & Gentili: den Aristotelem, Platonem, Pythagoram, Epicurum,
Cartesium, Herbertum, Hobbesium, Machiavellum, Spinosam, Beverland, Pereira,
Boccalini, Ovidium, Lucanum, Lucretium, Clericum, Montagne, Vayer, Broion,
Blount, Baelium, Huygenium, Tolland, Brunum &c. &c. &c.
mit ihren op-& propugnatoribus, wie ein Philosophus Eclecticus
durchgeblättert und conferiret: ihre wahre und irrige Meinungen und
Grund-Lehren, in ein Gewebe gewircket, und selbige endlich, wie ein Collector
& Relator: Exercitii & veritatis amore, heraus gegeben; E. hat
Titius, durch die Auffwärmung und Gemeinmachung gottloser und gefährlicher
Sätze, ein peinliches Verbrechen begangen: E. ist Titius selbst nothwendig ein
Platonist, Spinosist, Hobbesianer, Tollandist etc. etc. E. ist er ein
warhafftiger Heyde, der Christum und seine Lehre verläugnet: E. hat er keine
Religion: E. soll man ihn dem Vulcano auffopffern: oder
zum wenigsten in die Bergwercke und auff die Galeeren schicken.
Es mag hierauff für mich zum ersten: Ludovicus Antonius Muratorius(14. welches mit etlichen Exempeln erläutert wird, als
) Lu-) antworten. Dieser hat seinen
Anecdotis graecis, den beruffenen Brieff an Dionysium Alexandrinum
beygeschlossen: welchen einige, dem Pabst Julio I. zugeschrieben, darinne
Nestorii Irrthum von den zwey Personen in Christo wiederleget; zugleich der
Eutychianismus von der einigen Natur in Christo: wie aus Appollinarii irrige
Lehre, daß Christus keine andere Seele als seine Gottheit gehabt, behauptet
wird. In der
|| [274]
(
dovici Antomi Muratorii.
) Vorrede vertheidiget Muratorius sein Vornehmen, wieder diejenigen, welche
es vielleicht vor unnützlich, oder wohl gar schädlich halten, die alten
Ketzer-Schrifften wieder ans Licht zu bringen. Denn weil derselben Irrthümer
schon längst wiederleget sind; hat man keine Gefahr davon zu befürchten. Dieser
Brieff gebe der Kirchen-Historie ein Licht: und Muratorius meinet, es könne der
Betrug der Ketzer nicht besser entdecket, und Pabsts Julii I. Unschuld
vertheidiget wenden, als durch Herausgebung dieses Brieffes. Er führet über
dieses die Exempel derjenigen vor sich an, die Juliani, Libanii, Symmachi und
Zosimi Schrifften wieder die Christliche Religion herausgegeben: Montfauconium,
der Eusebii mit dem Arianismo befleckte Commentarios drucken lassen: die Acta
Conciliorum, darinne so viel Brieffe der Ketzer stehen: Baronium, der in seinen
Annalibus, viele Werckgen der Ketzer, und Zacagnium, der des Ketzers Apollinaris
Irrthümer ans Licht gebracht. E.
(16.
) Derer editorum Philosophiae Platonicae &
Pythagoricae.)
Daß ferner und zum andern: unter den vielen Classen der Weltweisen, die
Philosophi Platonici fürnehmlith: (obgleich andere melden, daß aus der Quelle
des Pythagorae und Zenonis, vielmehr Ketzerisches Gifft geflossen,) die
Patriarchen der Ketzer sind genennet worden: berichtet die Philosophia Aulica.
Und daß Plato, ein Atheista formalis sey, der Spinosismum ante Spinosam
gelehret: hat eine gelehrte Feder zu erweisen sich bemühet. Es hat aber nicht
allein Marsilius Ficinus, die Philosophiam Platonicam aus den unterirrdischen
Hölen wieder hervor gelocket; ein Sedis Romanae Purpuratus Bessarion, nebst dem
Engländer Cudworth, den Platonem gegen seine Verläumder defendiret; Sondern die
Kirchen-Väter selbst, sind wie dem Aristotelismo, Stoicismo und Epicureisino:
also ebenfalls dem Pythagorisino und Platonismo, so gar ergeben gewesen; daß sie
den letztern, biß auff seine Irrthümer angenommen. Wann nun eine unzeitig
hitzige und von den Vorurtheilen geblendete Seele, den Ficinum, Bessarionem,
Cudworth, nebst den Ecclesiae Patribus: theils wegen Herausgebung, theils der
Verthädig- und Annehmung dergleichen Schrifften und ihrer Lehr-Sätze wegen, vor
gottlose Platonisten, Pythagoristen, Atheisten und Spinosisten auff den
Märckten, von den Cantzeln und Cathedern, auch in allen Theologischen und
Juristischen Facultäten Europä ausschreyen, und ihnen, obwohl des Feuerswürdigen
Maleficanten, aus genereuser Compassion, ein dulce & mansuetum Consilium
abeundi aus den Gräntzen der gelehrten Republic und den Gewölben der Buchführer,
ad domum insinuiren lassen wolte; Würde ein gescheider Welt-und Hoff-Philosophus
nicht ge
|| [275]
zwungen werden? auszuruffen: Ein
solcher Zelotes hätte eine Reise nach Ost-Indien verrichtet, und sein Gehirn
eine vehemente Fermentation, bey Passirung der Linie empfunden! Die Arbeiten des
Ficinii, Bessarionis und Cudworths, sind von den Verständigen gebilliget worden;
Und was die Väter betrifft: hat Michel Mourgues in seinem Plan Theologique du
Pythagorisine, vernünfftig gezeiget: daß sie als Philosophi, allen Secten
zugethan gewesen, und ihrer Lehren sich bedienet; Indessen aber wie mit den
Fehlern des Aristotelis, mit der Gottlosigkeit der Stoicker, mit der Untugend
der Epicuräer nichts zu thun gehabt: also die Irrthümer des Platonis und
Pythagorae, nicht approbiret hätten. Die Historia(Item
des Alcorans) Litteraria vergewissert uns, Paganinus Brixiensis habe
den Atheistischen Alcoran zum ersten Druck befördert: welchen, anderer Gelehrten
zugeschweigen, in derer Anzahl verschiedene Theologi orthodoxi mit befindlich;
Ludovicus Marraccius durch eine neue Ubersetzung im vorigen Seculo, der Welt
wieder in die Hände geliefert. Und sind beyde Editores, so viel mich vorjetzo,
aus denen Nouvelles Litteraires davon erinnern kan; wegen solcher kühnen
Publicirung, weder des Turcismi oder Atheismi beschuldiget, noch vor ihre
Personen, mit weltlichen oder geistlichen Straffen von dem Magistrat und der
Clerisey angesehen worden. Ja(ingleichen derer scriptorum Origenis.) da Origenes: ungeachtet
es kundbahr, eum haud procul a Spinosae erroribus abfuisse: saltem id Ducinus in
Historia Origenismi ex Hieronymo docuit, qui unica vocula QVODAMMODO tanti eum
sacrilegii crimen effugisse existimabat; von niemanden, in das schwartze Buch
der Atheisterey ist immatriculiret; Naudaeus auch: weil verschiedene(des Naudaei;) grosse
Leute von beschuldigter Zauberey, durch seine gelehrte Feder er gerechtfertiget;
nicht vor einen Schwartzkünstler und pro Complice Magiae gescholten: Endlich der
Christliche Arnold: aus der Raison, daß(und endlich
des Arnolds.) in seiner Kirchen-und Ketzer-Historie, viele fromme und
gottselige Männer, von dem Crimine Haereseos er gerettet und vor unschuldig
gesprochen, von gütigen und Apostolischen Hertzen, nicht für einen Mitbruder der
Ketzer-Gesellschafft, welchem der Gebrauch des Wassers und Feuers zu untersagen
wäre: sondern wie ein rechtschaffener Christ und Nachfolger seines Erlösers, ist
gerichtet und verehret worden: Mit was für einem Fundament: wollen die
Protestantische GOtt- und Rechts-Gelehrten: welchen die, den Inquisitoribus
haereticae pravitatis angebohrne Losungen: Ure, Seca, Crucifige: ad Patibulum,
ad Focum, ad Triremes: convaincante Marques der Tyranney des Anti-Christs,
billig seyn und bleiben sollen; mir denn, einen Haeresin, Atheisimum,
Spinosismum
|| [276]
zu muthen und mich wie einen Atheisten,
der ohne Religion lebet, abschildern? Da ich doch quatenus Christianus keinen
Ketzer, Atheum & Spinosam verfochten, oder ihre Irthümer genehm
gellten: im Gegentheil, die mir auffgedrungene Attributa, nicht etwa durch
ein einiges Wörtlein: sondern viele Wörter, Explicationes, Confessiones
& Protestationes abgelehnet und detestiret habe.
(16. Und ) nochmahl als unstreitig
supponiret wird, daß der Herr Quaerent ein redlicher Christ, und
Lutheranus sey.)
Daß ich aber zum dritten: kein Atheist nach dem gemeinen Urtheil der Verläumdung:
vielmehr ein redlicher Christ, der einen seeligmachenden Glauben bekennet:
warhaftig sey; ist so wahr als wahr bleibet: zwomahl zwo sind vier, und zwomahl
vier sind acht. Erwehnter Glaube ruhet auff zwo Pfeilern: Der erste: ist die
heilige Schrifft, wie sie in dem Alten und Neuen Testament verfasset. Der
andere: ist die unveränderte Augspurgische Confession. Diese dopple Eintheilung
und zwofache Betrachtung meiner Religion, rühret aus der Qvelle: weil in meinem
Gottesdienst eine duplicem Personam Moralem praesentire; Dann erstlich: bin ich
ein Christ, und werde durch den Character, von Juden, Heyden und Türcken
distinguiret; Zum andern: bin ich ein Membrum Ecclesiae Lutheranae, welches
Beylag-Wort, von der Reformirten und Catholischen Kirchen mich absondert. Die
Warheit dieser Christlichen Lutherischen Religion: in welcher ich GOtt diene von
meinen Vor-Eltern her in reinen Gewissen; glaubet nicht allein mein Hertz,
welches dem dreyeinigen und allwissenden Hertzenskündiger, gewiß wissend;
sondern es bekennet auch mein Mund in den kirchlichen Vorfällen: wann sonderlich
mein Confiteor in der Beicht ich spreche, und das hochwürdige Abendmahl nach der
Einsetzung Christi und Auslegung Lutheri empfange. Wie ich nun suche, mich vor
der Welt als einen Lutherischen Christen dem Glauben gemäß auffzuführen: so
befleißige mich dabey, weil der Glaube ohne Wercke todt; die Warheit meines
Glaubens, durch einen Christlichen Wandel zu bestärcken und das Gesetz und das
Evangelium: nach meinen Kräfften, durch eine desinteressirte Liebe GOttes und
meines Nächsten zu erfüllen. Denn die Liebe ist von GOtt, und wer lieb hat, der
ist von GOtt gebohren und kennet GOtt. GOtt aber ist die Liebe, und wer in der
Liebe bleibet, der bleibet in GOtt, und GOtt in ihm; daß also eine verdammliche
Calumnie es ist: bey so guten Religions-Sätzen, die
in Theoria & praxi: in intellectu & corde: in fide &
vita hege; mich dennoch alta voce, vor einen Atheisten auszutrompeten.
(17. Zwey)
Einen Vorwand zu dieser Atheisterey-Fabrique haben zwar die Meditationes
Philosophicae nicht per se, sed per acoidens, daß dieser
|| [277]
Schul-Distinction mich gebrauche; suppeditiret. Die Herren
Geistlichen(Hauptfehler des Hällischen Responsi, und seiner übrigen Wiedersacher.)
sind die ersten gewesen: welche solche des Kirchen-Bannes würdig geschätzet.
Durch die ausgewürckte Confiscation des Büchleins ceu Fecialem Litterarium:
haben sie, mir ein Bellum Ecclesiasticum denunciiret, und sind wie die
Avant-Guarde, in das Controversien-Feld wieder mich ausgerucket. Der
Geistlichkeit: sind die Herrn Scholarchen nebst einem hochweisen Rath, mit einer
obedientia coeca gefolget; haben gleichsam das Corpus de Bataille formiret und
ein Bellum Civile, mittelst dem Consilio abeundi als einem Krieges-Manifest,
solenniter declariret. Eure Hochedten scheinen mit den vorigen Puissancen, ein
Foedus Commune wieder mich geschlossen zu haben: und machen dahero auff dieser
gelehrten Fecht-Schule und der geöffneten Feder-Campagne die Arrier-Guarde; Wie
dann ihre Martialische Consilia: theils aus dem NB. auf Blut und Brand
ziehlenden Responso: welches zu einem Academischen
Oorlog mich ausfordern will; theils auch dahero deutlich zu ersehen: daß meine
hochgeehrte Herren nach der Methode der Clerisey und des Scholarchats: () aus den Meditationibus, viele dogmata a tort &
travers excerpiret: die sie scandalöse, gefährliche und Atheistische Sätze
betittlen; Auch () solche, wie meine eigene
Lehr-Glaubens-und Lebens-Puncten: mir zugesprochen haben.
Allein um die Nichtigkeit dieser Praetexten, Argumenten, Zumuthungen, (18. Gegeneinwürffe dawieder.) und daß meine
Gegner selbst Larven erdichtet, wieder welche sie kämpffen; nur mit wenigen
Gegeneinwürffen erweißlich und glaubwürdig zu machen: durch selbige, die in
vorhergehenden Blättern, geführte etwelche Verthädigung, weiter zu verificiren;
So sind solche Chimärische Vorwände:
1) Durch die verständlich ausgedruckte Worte meiner Vorrede und(1) Die contenta seiner speciei facti.) mehrere, in dem Specie Facti
angezogene Vernunft-und Rechts-Schlüsse; mit ihren Wurtzeln bereits ausgejätet.
2) Wird meine Unschuld: von der Endursache vorgenommener Druckung(19. 2) Seine ehrliche und raisonable
intention.) dieses Büchleins, handgreiflich erläutert; indem,
wie zum öfftern erwehnet, zu dieser Arbeit der Vernunfft: die blosse Liebe zur
Warheit und keine criminelle Machinationes entweder Meutereyen im Staat; oder
Spaltungen in der Kirche anzulodern: mich auffgemuntert; als zu welchen
tollkühnen Entreprisen die Athei Theotetici: im Fall dergleichen Extravaganten
unter den Philosophen angetroffen werden könten; so wenig auffgeräumet und
gedrechselt sind: daß aus der Motive, ver
|| [278]
schiedene subtile Männer nicht unbillig geschlossen: es könne keine ärgere
Pest vor die Republiquen erdacht werden als der Aberglauben; Und da aus diesem
Mord und Todtschlag, mit allem nur ersinnlichen Unglück herstamme: so schade der
Atheismus dem gemeinen Wesen lange nicht so sehr; weil die Leute, welche mit
demselben behafftet, mehr dahin sehen was andere thäten, als was sie glaubten.
(20. 3) Das man ihm eine falsche Meinung angedichtet.)
3) Würde es mir, wann nach der Methode: wie mit meiner Schrifft und Person
verfahren worden; ich die Bücher und Disputationes vornehmer und kluger
Gelehrten durchsieben und ausmertzen wolte: eine anmuthige Spiel-Arbeit seyn;
aus solchen, eine considerable Anzahl anstößlicher und verdächtiger Satz-Reden
zu sortiren und ihre Schutz-Herren, wie gefährliche Gifft-Mischer, bey dem
Inquisitions-Tribunal zu deferiren. Ich gehe weiter und soutenire mit einer
freymüthigen Stirne; daß wann zuläßig und verantwortlich: recht und billig es
ist: die in Schrifften vorkommende Reden und Passages, aus ihrer natürlichen
Verbindung und gehörigem Lager zu derangiren: selbigen, einen sensum intentioni
scribentis & loquentis contrarium anzuhefften: und der sinceren
Verdollmetschung ihrer Autorum die Geburth fremder Interpretum vorzuziehen: daß
keine difficultäten es geben würde, den weisen Salomon, erleuchteten Paulum,
nebst den übrigen Rüstzeugen GOttes, in Ertzketzere und Atheisten zu verwandeln;
daß aus der Betrachtung, ein freydenckender und schreibender Journalist überaus
wohl argumentiret: keine Praecipitantz sey gottloser, als die Menschen nicht aus
ihren Worten, sondern aus ihren heimlichen Gedancken beurtheilen. Ich verneine
ja nicht: die Meditationes quaestionis zum Druck befordert zu haben; angesehen
die negativa mich graviren und ein Indicium malae causae seyn würde. Ich
verneine aber mit vollen Lippen: daß aus dem zugestandenen medio Termino: ich
habe das Büchlein verfasset; diese Conclusiones: E. stehen darinnen meine eigene
Grund-Lehren entdecket, die ich für orthodoxische Warheit, mit meinem Hertzen
und Munde bejahe. E. bin ich ein Spinosista, & Atheista incarnatus. E.
solte man mit mir eine Vaninische Tragödie spielen, und zum Scheiterhauffen eine
Promenade machen etc.; mit einer bonne grace heraus
gelocket werden können. Sie sind und bleiben vielmehr unbündige Raisonnemens:
die den Strich der einfältigsten Logic nicht aushalten, und gegen die gesunde
Vernunfft auch den Sensum Communem anstossen.
|| [279]
Wie dann für die Rechtmäßigkeit meiner Defension 4) viele herrliche(21. 4) Daß er andrer Gelehrten Exempel gefolget
sey.) Praejudicia auftreten, die Beweißthümer anführen: daß eine Menge von
Gelehrten, unter angenommenen Moral-Personen, diese und jene heterodoxische,
verdammte und dangereuses Theses Philosophicas & Theologicas, nebst
derer Patronen und Folgern: in ihren edirten operibus ingenii, wieder rege
gemachet, gelobet, verthädiget; ohne daß ihnen, oder ihren durch den Druck
communicirten Arbeiten ein Processus Civilis aut Criminalis wäre an den Gürtel
geworffen, oder sie wie Ketzer und Atheisten gebrandmarcket worden. Hat nicht
der Autor der(Als dem Autori des
Entretiens &c.) Entretiens sur divers sujets d’
Histoire de Litterature &c. &c. sich darinnen an einem Ort: in
gewisser maasse wie einen Juden verstellet? Der seine Sorge seyn lässet, das
Judenthum mit den schönsten Couleuren in das Licht, das Christenthum durch einen
schwartzen Pinsel in den Schatten zu versetzen. Wer wolte nun, wegen dieser
unschädlichen Simulation des Autoris, da wie ein Judaeus pro tempore, er
ebraiziret; den Eydschwur ablegen: daß ein inwendig verborgener und dem
Hertzen(Dem Autori des Espion Turc.) obgleich nicht der Vorhaut nach,
beschnittener Jude er würcklich wäre? Wer das sinnreiche Buch: Espion Turc, mit
Auffmercksamkeit gelesen, wird befunden haben: daß dessen Verfasser, die
Religion nebst der Morale der Türcken und Morgenländer (dann seine Paradoxa in
der Welt-Weißheit will nicht berühren) ungemein gelobet und dem Christlichen
Glauben in vielen Stücken praeferiret. Würden aber die Gesetze der raisonnablen
Liebe, nicht mit Füssen zutreten? Wann dieser rechtschaffene Christ: weil ad
interim er einen Türckischen Bund auffgesetzet, und in seinen Brieffen eines
Türcken Mundstück oder Sprach-Rohr abgiebet: für einen Mammeluck und Renegado
passiren solte und müste. Das unchristliche Christenthum ist eine lesenswürdige
Schrifft, in welcher, (des unchristlichen
Christenthums /) von dem Autore unter dem Moralischen Kleide eines
bekehrten Chinesers, das verderbte Leben der heutigen Christen, ohne Fürhang
frey und treu offenbahret wird. Wer nun, unter dem mit unächten Golde bezogenem
Schein-Grund: die Schrifft wäre aus dem gottlosen Absehen entworffen, die wahre
Religion ridicule und den Heyden zum Stein des Anstosses zu machen; ihn, wie
einen veritablen Unchristen, aus der Christlichen Gesellschafft und
Brüderschafft bannisiren wolte: würde durch dieses Beginnen, die Unklugheit
vernünfftig zu schliessen; zu seiner grösten Confusion verrathen. Diejenige
müßige Gemüther, welche für ein Gottgefälliges(des Julii Caesaris Vanini) Werck es halten, die
Register der Ketzer und Atheisten zu verfertigen: haben den Julium Caesarem
Vaninum jederzeit mit dahin rangiret. In
|| [280]
dessen
(und seiner defensorum.) hat selbigem, nicht allein Gottfried Arnold, das Wort
geredet: sondern es ist eine weit bessere Apologia Anonymi Anno 1712. aus der
Druck-Presse zu Cosmopoli an das Licht gekommen. Solte man wohl aber beyde
Gelehrten, ex hac ratione decidendi: daß sie Sachhaltere eines Atheisten
abgegeben, und dessen Innocentz wieder den Richterlichen Spruch, welcher ihn zum
Feuer verdammet: zu verificiren sich unterstanden; mit unverletztem Gewissen und
ohne Bruch der Gerechtigkeit: den GOttes-Verläugnern beygesellen können? Es
machet zwar oben gerühmter Journalist, wenn über die Schutz-Schrifft Vanini, er
sein Gutachten eröffnet, diese Reflexion: weilen eine dergleichen Verthädigung,
in den Augen der Abergläubigen gefährlich schiene: indem der abergläubigen und
superstitiösen Leute, weit mehrere als der klugen und recht frommen wären; daß
darum es nicht müglich, daß diese Schrifft entweder vielen oder auch den meisten
gefallen könte; und dörfften dahero die Autores der unschuldigen Nachrichten
etc. etc. wieder den Apologisten, sehr nachdrücklich murren. Er antwortet aber
zugleich mit einer courageusen Feder, der Apologist würde sich vielleicht nicht
viel darum bekümmern, weilen er die Warheit suchte, und fast auff allen Blättern
gewiesen hätte, daß er kein Atheist: sondern vielmehr ein Feind derjenigen sey,
welche unschuldige Männer vor Atheisten ausgeben, und wann es bey ihnen stünde,
selbige zum Feuer zu verdammen, Lust hätten.
(22. Mit welchen man ihm gleiches Recht geniessen lassen.)
Da nun erzehlte unbenahmte Gelehrte: welche derer Juden, Heyden, Türcken,
Christen und Atheisten, Glaubens-Articuln, Lebens-Arten, Sitten und Meinungen,
aus dem einigen Vornehmen, das wahre von dem falschen: das vernünfftige von dem
unvernünfftigen: GOtt von den Abgöttern: Christum von Belial: mittelst einer
moralischen Chimie zu scheiden, und wie die Stärcke der ächten Lehren: also die
Schwäche irriger Satzungen, durch die Gegenstände begreiflich zu machen; theils
unter entlehnten Aufputz und gekünsteltem Blumwerck moralischer Erdichtung, zu
angenehmen und nützlichen Schau-Essen lüsternder, curieuser und mit einem feinen
Geschmack begabter Seelen, in den öffentlichen Buchläden auffgetischet: theils
auf eine ingenieuse Art, durch die Satyrische Hechel gezogen: theils von denen,
ihnen angebrandten Flecken und Schimpff-Mahlen infamer Gottlosigkeiten,
gesäubert; Von den vornehmsten Pairs und Grandes des Parnassi Litterarii, für
vere-orthodoxi sind gehalten und mit den gehäßigen Nahmen der Heyden, Juden,
Türcken, Unchristen, und Atheisten, gar nicht gefirmlet worden; warum soll denn
ein eben gleiches Recht: nach der incontestablen Juris Regula: ubi par ratio,
ibi
|| [281]
par jus; mir nicht wiedersahren und angedeihen?
daß in meinen Meditationibus: die alte und neue Welt-Weißheit von GOtt, der
Schöpffung der Welt: dem Wesen der Menschen: dem Ursprung der Regierungen: und
der Lebens-Aufführung der Unterthanen in statu Naturali & Civili
vorgetragen; ist von mir mehr als hundertmahl gestanden. Doch jederzeit fleißig
mit erinnert worden: daß solche Ingenii & Intellectus Labores, nicht wie
ein Lutherischer Christ, sondern wie ein frey raisonirender Heyde, der ein
Philosophus Eclecticus und dabey ein Christianus temporalis wäre, vor die Hand
genommen; zugleich aber ich nach dem Muster grösserer und vernünfftiger Männer:
die orthodoxae veritatis amorem, zu einer Ziel-Scheibe solches Vorhabens
gepflantzet hätte; damit durch die falschen Finten einer irrenden menschlichen
Vernunfft und angebrachte Contra-Stösse eines deguisirten und achevirten
Heydnisch-Philosophischen und Theologischen Fecht-Meisters: die Lehre der
Christlichen Welt-Weißheit und Gottesgelahtheit, den Starckgläubigen zur
Versiegelung: den schwachen Christen zur Auff- und Anmuthigung: den Irrenden zur
Erleuchtung: von den Patriarchen der Christlich-Lutherischen Kirchen erwiesen:
durch unwiedertreibliche Schrift-Stellen ex Libro Naturae & Scripturae:
Rationis & Revelationis: bestärcket; in den vollkommenen
Schönheits-Lustre einer keuschen Jungfräulichen Reinigkeit gestellet: und also
die Warheit GOttes durch die auffgelösete Lügen der Gegen-Parthey, zu seinem
Preiß herrlicher gemachet werden möchten.
Elias Benoit, der eine Melange des Remarques critiques sur les Dissertations(23. Und ihm die Defensio Vossii
und Doctoris Titii zu statten kommen müsse.)
de Toland: intitulêe, l’un, l’homme sans superstition, & l’autre, les
Origines Judaiques, herausgegeben: bemühet sich, den Vossium von der Auflage: er
hätte mit vielen Gelehrten den Livium als einen Träumer und abergläubigen Mann
ausgeschrien; durch die Distinction loßzuketten: daß ein anders wäre referre
superstitiosa, ein anders esse superstitiosum; das erstere hätte Vossius
bejahet: nicht das letztere. Dem Doctori Fechtio: da in seinem Tractat de
Excommunicatione Ecclesiastica, er dem Doctori Titio fürgerücket: daß wieder die
Fürstl. Sächs. Kirchen-Ordnung er geschrieben; wird die Replique entgegen
pariret: er müste wissen, daß unter einem Doctore & Judice ein
Unterscheid seye, als Judex, spreche D. Titius, nach der Kirchen-Ordnung, welche
er nur interpretiret: als einem Doctori aber, stehe es ihme frey, in ipsam
Justitiam vel Convenientiam Legum zu inquiriren. Ist nun die Distinction: inter
superstitiosa referre & esse superstitiosum: deßgleichen, inter
Respectum Iudicis & Characterem Do
|| [282]
ctoris als zweyer differenter Moral-Personen
gültig, schliessend und bündig; so militiret so wohl die Distinction, inter
Spinosistica & Atheistica referre & Spinosam vel Atheum esse:
als auch die genaue Absonderung des Philosophi a Theologo, des Philosophi
Gentillis a Philosopho Christiano: des Philosophi Eclectici a Philosopho
Sectario: ebener maassen vor mich und meine Schrifften; und können die
Illationes: welche in casibus plane & plene similibus; nach der
Vernunfft, und dem Recht valable, vernünfftig, und gerecht sind geachtet worden,
mir warhafftig nicht, nisi summa cum injuria contra Dictamina Rationis &
Scripturae: Christianismi & Lutheranisini: juris & aequi:
abgeschlagen und verneinet werden.
(24. Und die leider allgemeine Ketzermacherey ihm nicht praejudiciren könne.)
Es ist zwar freylich leider durch die Ketzermacherey dahin gediehen! daß das Wort
Spinozizat so weitläufftig ist: als das Wort Eutychianizat: Nestorianizat:
Judaizat: Socinianizat &c. Allein, gleich wie derjenige nicht so fort
ein Jude, der eine Passage der Schrifft, wie ein Jude erkläret, oder der nicht
sogleich ein Socinianer, der vieleicht in einem Neben-Punct, mit ihnen zusammen
trifft; also kan ob AEquipollentiam Casus & Rationis, derselbige nicht
für einen Atheisten, Spinosisten, gehalten werden: der einen blossen Referenten
& Collectorem Opinionum Spinosisticarum & Atheisticarum
&c. mit nichten aber derselben Sectatorem, Defensorem &
Propugnatorem abgegeben. Man muß hier Christ-vernünfftig seyn, und nicht gleich
mit Sectirischen und unchristlichen Nahmen um sich werffen; sondern alles
prüfen, das gute behalten, das böse verwerffen.
Der im weltlichen Leben eingeführete Gebrauch, ist jederman bekannt: (25. Sondern er als ein moralischer Comödiante angesehen
werden solte.) wann in Schulen, auff Academien und an Höffen, die
Lust-und Trauer-Spiele, aus dem Plauto, Terentio, Seneca: dem Molliere,
Corneille: Gryphio, Lohenstein: und den Italiänischen Operen abgehandelt werden;
daß die Actores utriusque Sexus, Personas Morales Interimisticas von Verräthern,
Mördern, Ehebrechern, Zäuberern, Spitzbuben, Gifftmischern, Atheisten, ja des
Teuffels annehmen: die gottloseste Actionen verüben: die üppigsten, unerbarste
und irreligieuseste Reden vorbringen müssen. So wenig diese Repraesentanten und
moralische Comödianten aber vor untugendhaffte Leute, criminelle Bösewichter und
Gotteslästerer zu benennen; ob wohl eine wieder GOtt, die Tugend, Ehrbarkeit und
Gerechtigkeit schnur gerade lauffende Conduite sie angenommen; weil zu solcher,
aus dem Vorsatz, sie verbunden gewesen: die ihnen zugefallene Roolen, wohl zu
agiren und Characteren-mäßig sich aufzufüh
|| [283]
ren:
das allgemeine Händklopffen der Zuschauer, zum Wahrzeichen einer lauten
Approbation, dadurch zu gewinnen; eben so wenig kan mir: da die Masque eines
Heydnischen Weltweisen angezogen, und auff dem Papiernen Theatro der
Meditationum, nach dessen Gedancken und Begrif de DEO: Mundo: Homine:
raisoniret, geredet und geschrieben; solches zu einer so ungemein strafbahren
Ubertretung ausgedeutet werden: daß dieser Philosophischen Masquerade wegen, ich
ein bannissement aus dem Fürsten- und Christen-Staat d. i. ex Societate Civili
& Ecclesiastica: ja gar eine Annihilationem per
Ignem, solte verdienet und mir zum Lohne zugezogen haben.
Der allegirte Autor des Entretiens sur divers sujets d’ Histoire &c.(26. Zumahl da ihm die Lehre des Autoris des Entretiens &c. zu statten käme.) nennet
denjenigen einen Atheisten: der (1) die göttliche Existentz läugnet; und mercket
dabey an: daß (2) man den Atheisme du Coeur, nicht mit dem Atheisine de Systeme
vermischen müsse, und gehörete beydes zum vollkommenen Atheisten. Da nun von
mir, nicht einmahl quatenus Philosophum Gentilem simulire: die Existentia DEI
negiret, sondern au contraire unläugbahr a posteriori, aus der Vernunfft und
Schrifft, ad oculum demonstriret worden; daß also nach dem Decret der gesunden
Heydnischen und Christlichen Philosophie, von dem Crimine Atheismi gantz
absolviret bin; mit was für Raison, Gerecht- und Billigkeit kan und will man
denn mich, quatenus Christianus sum, qui Corde, Ore, Vita, Christianismum
profiteor: durch eine unbarmhertzige moralische Dragonade, in einen Spinosisten
und Atheisten metamorphosiren? da sonderlich we, der der Atheisme du Coeur: von
welchem, durch die Erleuchtung und Führung meines gnädigen GOttes mich befreyet:
das Hertz aber, so verwahret finde, daß der Irrthum ruchloser Leute, sammt ihnen
mich nicht verführen, und ich aus meiner eigenen Vestung entfallen werde; noch
der Atheisine de systeme: welchen aus meinen Materialien, ceu propriam ingenii
mei Facturam ausgewebet hätte; per Testimonia, sole meridiano, clariora: die,
zur unzweiffelhafftigen Uberzeugung eines so schwartzen Lasters, von allen
Christlichen und die Gerechtigkeit liebenden Richter-Stühlen erfordert werden;
mir zur Zeit noch nicht erwiesen worden: auch niemahlen sollen erwiesen werden
können.
Kurtz: (a) die publicirte Meditationes Philosophicae: sind ein Systema(27. Aus der kurtzen recapitulation, der) & Complexus orthodoxischer und
heterodoxischer, Philosophischer und Theologischer Doctrinen; von welchen, die
letztere weder von mir ersonnen, noch wie meine Symbola Fidei zu regardiren. Sie
sind (b) von den alten und neuen oben specificirten und mehrern Weltweisen
be
|| [284]
reits
(bißher angeführten Gründe.) debitiret; und aus
dererselben, in den Buchläden und Bibliothequen befindlichen Büchern, von mir in
die wenige Blätter epitomiziret worden; wie vielleicht bey einer neuen Aufflage
der Meditationum, solches erweisen will, wann der Schrifft: der Gottsgelahrheit:
der Welt-Weisheit: und einem jedem Autori: ich die von ihnen auff Credit
geborgte Güter, bona fide restituiren, und die Brunnen nahmhafft machen werde:
welche mir das Wasser auff meine Philosophische Mühlen fourniret haben. Doch ist
(c) mein Zweck solcher Herausgebung gewesen von des Ethnicismi und Libertinismi
vielen irraisonablen Thesibus, die Veritatem Philosophiae & Theologiae
Christianae (von welcher ich als ein Christianus persuadiret) per Argumenta
genuinae orthodoxiae validiora in contrarium: gereiniget, und durch dieses
Mittel, die wahre Religion, wie den Rechtgläubigen zur unumstößlichen Gewißheit:
also den Heyden, Juden, Türcken und Unchristen selbst, zu einer Uberzeugung und
Bekehrung; mit subtilern und convaincantern Schutz-Reden untersuchet: anbey die,
von den Heyden, Ketzern, Atheisten und Libertinern belagerte Vestung des
Christenthums, wieder die listige Untergrabungen und gewaltige Canonaden dieser
frechen Antagonisten; mit unüberwindlichen Philosophischen und Theologischen
Redouten, Contregarden und Bastionen umwallet etc. zusehen. Wie dann daß diese
redliche und lobwürdige Intention zu meinem Augenmercke geführet: ich den
dreyeinigen GOtt: der mich erschaffen, erlöfet und geheiliget; zu einem
unverwerflichen Zeugen ruffe, und wieder die ungerechte Beschuldigungen meiner
geistlichen und weltlichen Gegner, zum Beweise meiner Unschuld und Wiederlegung
mir zugesprochener Atheisterey, mit solchem freudigen Hertzen producire: Als im
Gegentheil meine Seele blutige Wunden empfindet; in Eurer Hochedlen Responso, die unchristliche Auffbürdung zu lesen; ich
hätte durch dergleichen Ausflüchte, als elenden und unzulänglichen Praetexten, dem Magistrat der Reichs-Stadt N. N. dem Ministerio: und dem
Collegio Juridico: die Augen nur zu verblenden,
gesuchet; daß wegen so harter, unerweißlicher, unleidlicher, und mir
nachtheiliger Auflehnungen: ich kein sanfftmüthiger Remedium ergreiffen kan; als
die, zu einer zuläßigen Defension und Christlichen Ressentiment, von den
göttlichen und weltlichen Rechten, frey gegebene Mittel, wieder meine
Beschuldiger und Verleumder: mir zu reserviren und vorzubehalten. Da also per
Ad- & Deducta überflüßig interimistice wahr gemacht: Es haben weder die
Geistlichkeit, durch die vernünfftige Beurtheilungs-Kunst und das geoffenbahrte
Wort:
|| [285]
mich zur Zeit, eines Atheisini Speculativi vel
Practici convainciret und zu einer Selbstgeständnis bewogen; noch die
Stadt-Obrigkeit, nach der deutlichen Vorschrifft der Rechte: welche den Richtern
scharff einbinden, niemanden ungehöret, und ohne genugsame Erörterung der Sache,
zu verdammen oder zubestraffen; Entweder der, von der Clerisey mir angenäheten,
aber unerwiesenen Gottes-Verläugnung: oder weiter: da in ihrer Stadt, wegen
politischer, meine zeitliche Wohlfahrt concernirender Angelegenheiten, mich
arretiret, und wie in der gemeinen Conversation also in
der Religion: ein stilles, friedliches und eingezogenes Leben geführet; wie
solches, das Gezeugnis meines gewesenen Hn. Hospitis suffisamment documentiren
könte; durch eine gerichtlich gehörigte Rechts-Erweis- und Uberzeugung, auch
Testimonia & Testes, omni Exceptione majores mich überführet: daß den
Staats- oder Kirchen-Händeln mich einzuflechten: die weltliche und geistliche
Regiments-Verfassung aus ihrer Consistentz zu heben: die
Recht-Gläubigen und Christen auff Irrwege zu leiten: auch wohl zu dem kostbahren
Proceß, welchen wieder den Hochweisen Rath, die Bürgerschafft pro salute Civitatis angestrenget; Pech-Cräntze und Pulver-Säcke
bey zutragen: solte gesuchet haben;
So folget 5. aus solchen warhafftigen Praemissen: die natürliche ungezwungene,
(28. Folge nun 5) nothwendig, daß ihm unrecht
geschehen und unsere Rationes decidendi nichts
hiessen.) gesunde und unläugbahre Conclusion: () die Geistlichen nebst dem Magistrat: die erstere, durch ihre übereilte
Atheisterey und Ketzermacherey; die andern, durch das ungerechte Consilium
abeundi, haben, wie alle Rechte, also hauptsächlich das Ius Divinum &
Publicum, in meiner Persohn durchlöchert und gebrochen. Es verliehren durch
solches wahre und gerechte Assertum: () die, zu meiner
Verdammung von Euren Hochedlen gebrauchte Rationes decidendi gleichfalls ihre
wenige Force und Schneidigkeit: denn sie ohnedem, auff
mürben Ecksteinen gemauret und aus spröden Metall sind gegossen worden. Und kan
mein Büchlein: aus welchem die Herrn Adversarii ihre Feuerwercke zu meiner
Bombardirung entlehnen: durch meine eigene Waffen und Minen, mich in die Lufft
zu sprengen und den Rest zu geben; ihnen zu keinem Pulver-Magazin und Zeughause
dienen.
Denn ich will mit freyem Munde selbst gestehen: daß (aa) vernünfftiger(29. Wie er dann in specie wegen
des ihm von) gethan hätte, nach Eurer Hochedlen Gutachten: an statt
der Philosophen, die Bibel allein und darinne den Salomonem und Syrach etc.
sonderlich zu studiren und nachzuforschen; wiewohl durch dieses Monitum, das
meine hochgeehrte Herrn mir gegeben, und mit danckvollen Hertzen angenommen
wird; mich genöthiget sehe, en passant zu melden;
|| [286]
(uns recommendirten Salomonis
und Jesus Syrachs Erinnerung thut.) die heilige Schrifft sey von meiner
Jugend an, biß zu gegenwärtiger Stunde, mein Favorit-Buch gewesen; so habe
dadurch, daß nebst dem Worte der Propheten, Evangelisten und Aposteln: auch die
Dogmata der Welt-Weisen in meinem Gedächtnis auffgeräumet; ich gleichwohl weder
die göttliche noch weltliche Majestät beleidiget. Wann ein Tertius, meine Action
begangen hätte: und ich darüber die Gerichts-Banck hegen solte; wurde nach dem
Trieb meines Gewissens und dem Dictamine meiner Jurisprudentz: welche auff die Vernunfft und Schrifft, das Recht und die
Billigkeit sich stützet; selbige Abhandlung mit dem Titul eines moralischen
Fehlers: einer menschlichen Schwachheit: Strauchlung: Ubereilung: und
Ausschweiffung belegen, welche, weil sie ohne bößliche und sündliche: aus einer
vielmehr untadelhafften Begierde zur Warheit geschehen wäre; man mit der
Christlichen Liebe zudecken: zum besten kehren: mit Gütigkeit vertragen und
vergeben: anbey den Fehlenden selbst, durch stattliche Gegen-Gründe und
vernünfftige Schlüsse seiner Fauten überzeugen: und mit einer, dem Christenthum
anständlicher Moderation, zur Raison bringen: nicht aber nach der unhöflichen
Eigenschafft des dummen Pöbels, an die Glocken binden: sie eine Missethat: den
gefallenen Welt-Weisen, einen Maleficanten stylisiren müste: der seine
Philosophische Fehler mit harten Leibes und Lebens-Straffen auszusöhnen; könte
und solte gehalten werden.
(30. Zumahl da er nicht der erste Erfinder, sondern nur der
Copiste gefährlicher Lehren gewesen.)
Ich gebe nach, (bb) mein Büchlein wäre so gefährlich und ärgerlich: daß den
ertzgottlosesten Tractat de Tribus Impostoribus Mundi, dessen Existentz von
etlichen bejahet: von andern für ein Non-Ens geachtet wird; wegen seiner
verdammlichen Lehren es noch übertreffe; so könte selbiges freylich confisciret,
verbothen und verbrandt werden: Ich aber für meine Person: nachdem die, von dem
Luthero durch den Geist GOttes bewürckte Reformatio Fidei, Vitae, Morum
& Studiorum: nebst der wahren Lehre Christi, dessen Liebe und Sanfftmuth
zur Gold-Wage des auffrichtigen und thätigen Christenthums, uns geprediget,
angerühmet und zur genauen observantz eingebunden; mit keiner Poena Ecclesiastica vel Civili, um so weniger angesehen werden; da vor
mich dieses Achilleische Argument plaidiret: daß nicht der erste Urheber,
Erfinder und Concipient; sondern ein blosser Copist, Ab- und Ausschreiber einer
so unartigen und bösen Schrifft gewesen: auch solche Ausarbeitungen und
Zusammentragung Philosophischer Collectaneen, weder mir noch andern, durch die
Gesetze ausdrücklich sind gewehret und verbothen worden.
|| [287]
Ich will zur Illustrirung dieses Satzes: folgende Casus, zur rechtlichen(31. Welches er mit einem Gleichnis von allerhand
Mißgeburten bescheniget.) Erweg-und Entscheidung fürgeben. Es bringet
eine auff dem Lande lebende und mit allerhand Vieh umgehende Sechswöchnerin, ein
gar unförmliches und mit Viehischen Gliedern verheßlichtes Töchterlein zur Welt:
in dessen Ausarbeitung, die Natur eben so über die Schnur gehauen; quam
Humano Capiti, cervicem Pictor equinam Jungere si velit, & varias inducere Plumas, Undeque collatis Membris, ut turpiter atrum Desinat in piscem, Mulier formosa superne. Item: eine Dame, die einen lieblichen Capuciner zum Beicht-Vater: einen wohl tournirten Mohren zum Cammer-Diener hätte: beglückseeligte ihren Ehegemahl mit einem hochgebohrnen Bett-und Lehn-Erben, der auff dem Haupt eine Münchs-Kutte: in der Hand einen Rosen-Crantz mitbrächte: und von so schwartzer Couleur wäre, als wann die in der Zona Torrida roulirende Sonne, ihn gefärbet; Oder es würde von einer andern Frauen, gar eine Frucht gebohren, die wie der Satan abconterfeiet zu werden pfleget: mit Hörnern, Küh-Füssen und dergleichen Merckzeichen gestaltet und embelliret wäre; ist nun die Frage: ob wegen dieser deformen Creaturen, die erste: einer Sodomiterey, mit denen Bestien, derer notas characteristicas ihr Kind vortrüge; die andere: eines Ehebruchs, daß sie etwa mit ihrem Directeur de Conscience, in einer fleischlichen Kniebeugung ein venerisches Ave Maria oder Salve Pater, mit vereinigten Lippen gesprochen: oder gar ihre Empfängnis von der Infusion eines hitzigen Africaners genossen: Endlich die dritte: einer actuellen Vermischung und Liebes-Conferentz mit dem unsichtbahren Fürsten der Lufft, und Herrn des Riesen-Gebürges; beschuldiget, angeklaget, verdammet und gerichtet werden könten? Die vernünfftige Welt-Weisheit: Gottes- und Rechts-Gelahrheit: löset diese dreyfache Zweiffels-Knoten, nach fleißiger Erforschung derer Umstände, mit dem Voto Negativo auff: und absolviret die drey Frauen, von der peinlichen Anklage. Die Ratio Decidendi ist: daß obwohl allegirte drey Sechswöcherinnen: (1) durch ihre irregulaire Einbildungs-Krafft das meiste, zu den beschriebenen ausserordentlichen Leibes-Früchten beygetragen: über das (2) sie selbige, durch ihre Gebährung zum würcklichen Vorschein und in die Augen der Welt gestellet hätten; Könten diese Errata Naturae: ihnen gar nicht als Consectaria und Folgerungen verbothener und straffbarer Debauchen: in denen sie sich active & passive criminaliter auffgeführet hätten; zugerechnet werden; sondern sie musten in regard
|| [288]
dieser wunderlichen Geschöpffe,
wie blosse Causae per accidens, non praemeditate & intentionaliter
agentes; in reiffe betrachtung genommen werden. Alles von Rechts wegen.
(32. Und dieses Gleichniß auf seine Meditationes Philosophicas appliciret.)
Ich statuire nun: es habe mit meinem Tractätgen eine, den supponirten Casibus,
gleiche Bewandtniß: in allen und jeden Umständen; Ich nenne es (1) ein
monströses und scandalöses Büchlein: ja dem oben entworffenen Horatianischen
Gemählde - - - Librum
Persimilem cujus, velut aegri somnia, vanae Finguntur speeies: ut nec pes nec caput uni Reddatur formae. - - - - Ich bejahe (2) es sey dieser Partus Litterarius Monstrosus, durch die Druck-Presse von mir, auff die offene Schau-Bühne der Welt ausgeleget worden; so müssen consequenter ob paritatem casuum & circumstantiarum: die, vor die loßgesprochene Frauen redende Rationes; zu Ausführung meiner Unschuld und völligen Loßsprechung mir ebenfalls zum Nutzen kommen; da bey Publicirung des Werckleins: wie solches unzählbar bereits moniret: und weil auff dem Angel eben, die Machine dieser Streit-Sache sich umdrehet, zum öfftern hat wiederholet werden müssen; ich mich nur wie eine zufällige und der Philosophischen und Christlichen Warheit zum Vortheil, würckende Ursache dargelehnet; indem von denen darinn zusammengetragenen Meinungen: die Philosophi, die ächte Väter und Mütter seyn; ich mich aber dazu für einen blossen Gevatter erkenne: der wie ein Philosophus Eclecticus sie aus denen Büchern als Papiernen Tauff-Steinen gehoben: in die gedruckte Blätter gleich Windeln eingewickelt: und ihnen den Nahmen Meditationes Philosophicae gegeben: durch selbigen, ihre Natur und Wesen, dem geneigten Leser in wenig Linien abzureissen. (33. Auch den locum des Defensoris Vanini für sich anführet.) Ich will ferner (3) zugeben; daß die quintam Essentiam der verfluchtesten Atheistischen Gründe, in mein Büchlein ich vereiniget und die Composition dieser Gifft-Tropffen mit entdecket hätte; so vermöchte doch niemand vel ex hoc Medio Termino, für einen Atheisten mich anzugeben. Der Ausspruch eines weisen Gelehrten über die Rechtfertigung des Vanini, kommet in hoc passu mir ungemein zu statten: und schmecket selbiger nach dem Kern der Vernunfft-Lehre des Christenthums und derer Rechte. Von einem elenden Schlage ist die Anklage wieder Vaninum (so lauten seine notable Worte) daß er der Atheisten Argumenta erzehlet und fürgetragen: gleich als wann jemand refutiret werden könte; den man nicht erst höret. Dergleichen al
|| [289]
bere Gesichter möchten
lieber verbiethen lassen: daß wieder die Atheisten gar nichts geredet oder
geschrieben werden solte. Es wäre viel klüger, als wann sie verlangen, man solte
derselben Argumenta und Worte nicht einmal fürbringen;
vielleicht wäre zu wünschen, daß auch Celsi Schrifften
übrig wären: damit man sehen könte, ob ihme Origenes,
keine falsche Meinungen angedichtet. Dann was Lactantius
bey den Meinungen der alten Philosophen gethan, ist bekandt.
Ich will (4) gar gestehen: daß verschiedene Dogmata, die in den
Meditationibus(34. Ja wenn er auch endlich ein
Indifferentist wäre / müste ihn doch sein gutes moralisches Leben
schützen.) von mir recensiret: von blöden Augen aber, als gefährliche und
Atheistische Lehr-Sätze angeschielet worden; ich nach dem Maaßstab meiner
Auslegung für Vernunfft- und Schrifftmäßig dennoch hielte; ja, daß ich weder
Lutherisch, noch Calvinisch, noch Catholisch: sondern in der Philosophie und
Theologie ein Singularist, Particularist, Indifferentist wäre, daß ich an keine
Secten und Formulen mich hielte, sondern lediglich auff die Vernunfft, Christum
und die heilige Schrifft berieffe: und einen stillen Gottesdienst in meiner
hinter mich zugeschlossenen Cammer, in Geist und in der Warheit ausübete: in
consideration, daß ein jeder: GOtt allein, von seinem Glauben Rechenschafft zu
geben verbunden; daß ich übrigens ein gutes moralisches Leben führte: und
gleichwie keine Aergerniß durch unfruchtbahre Wercke der Finsterniß, geistliche
Hurerey und Abgötterey; meinem Nächsten zu geben: also in dem Staat, keine
Religions-Zänckereyen anzurichten; weniger weltliche Auffrührung anzuspinnen
suchte: so könte darum für keinen Ketzer oder Atheisten proclamiret: noch mit
Excommunicationibus, Consiliis abeundi und
dergleichen Tyrannischen Beanhdungen, mit welchen tödtlichen Spanischen Reutern
und gespitzten Pallisaden der Anti-Christ seinen Thron und Regnum Tenebrarum zu
fortificiren, alle Gewalt anwendet; bestraffet, und dadurch bey der Welt in den
Argwohn: daß ein Unchrist und mit einer ansteckenden Kranckheit behafftet wäre;
zum äussersten Ruin meiner zeitlichen Glückseligkeit und zur blamirung meiner
theuer erworbenen Ehre gesetzet und gestürtzet werden.
Zum Beschluß: will ich zwo Passages und Zeugnisse anführen;(35. Zum Beschluß führet er für sich zwey Passagen an.
Eine) die aus dem Jure Divino & Publico mir gleich beyfallen.
Lieben Brüder! vermahnet das Jus Divinum in einem Sendschreiben; so ein Mensch
etwa von einem Fehl übereilet würde, so helfft ihn wieder zurecht, mit
sanfftmüthigen Geist, die ihr geistlich seyd: und siehe auff dich selbst, daß du
auch nicht versuchet werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das
|| [290]
(aus dem jure divino der heil.
Schrifft.) Gesetz Christi erfüllen. So aber sich iemand lässet düncken,
er sey etwas, so er doch nichts ist, der betreuget sich selbst. Ein ieglicher
aber prüfe sein selbst Werck: und alsdann wird er an ihm selbst Ruhm haben, und
nicht an einem andern. Denn ein ieglicher wird seine Last tragen; und in einer
andern Epistel heisset es: affterredet nicht unter einander lieben Brüder! wer
seinem Bruder affterredet und urtheilet seinen Bruder: der affterredet dem
Gesetz und urtheilet das Gesetz. Urtheilest du aber das Gesetz, so bist du nicht
ein Thäter des Gesetzes: sondern ein Richter. Es ist ein einiger Gesetzgeber,
der kan seelig machen und verdammen. Wer bist du, der du einen andern
urtheilest:
(36. Die andre ex jure publico aus
einem ungenanten Autore.)
Das Jus Publicum aber: daß mit der Feder eines fürtreflichen Commentatoris ad J.
P. schreibe; lehret: quod merito cuique licere debeat de se statuere, qua
potissimum ratione privatim & sine strepitu, Nos Deum, nobis propitium
& placabilem facere possimus. Haec enim seueritas & Tyrannis in
Conscientias aliorum, qua Pontificii utuntur, qui cogitatorum etiam poenas luere
volunt, quos fortasse deprehendunt diversis, nec suae Religioni congruis
opinionibus imbutos; certissimum est signum, timere Clerum suis rebus, ne
imposturae male satis tectae, tandem deprehendantur novaturientium audacia, quam
ideo Igne, Laqueo, Culeo, & atrocibus aliis suppliciis, reprimere
necesse habent. Quod si haec imitamur Protestantes aliquando mitioribus
remediis, veluti exilio, fustigatione, censura Ecclesiastica
& similibus, haud existimare nos oportet, ita recte &
ex ordine a nobis fieri. Saltem enim gradu aliquo peccamus mitius: culpa omni
non vacabimus. Qui enim soli Deo, de side sua rationem reddere debent, in eos,
eam ob rem, nulla apud nos est justa animadversio; modo sibi de coetero a seductione & motibus temperent, in quibus deprehensi, non ex causa religonis puniuntur sed
more seditiosorum.
(37. Die er allen seinen Wiedersachern zur Prüfung recommendiret /)
Diese zwo merckwürdige Stellungen nun: wie eines theils sie zur solidern Löhtung
und Bewährung Deductionis Innocentiae meae: daß sie mit der Vernunfft, der
Schrifft und den Rechten einstimme: angeführet; so werden andern theils, sie zwo
Probir Steine abgeben: an welchen meine geistliche und weltliche Ankläger und
Richter, ihre admirable Conduite, die auff den Cantzeln: in den Raths- und
Gerichts-Stuben: in den Predigten: Urtheilungen und Sententioniten: in regard
meiner Person und meines Büchleins, sie temoigniret; anstreichen, prüfen:
|| [261]
betrachten, und mit der Lehre GOttes und den Regulis
Justitiae, AEqui & Decori: in Parallel stellen können;
Und wie ich persuadiret bleibe, daß nach diesem Examine Rigoroso,(38. Und sie der göttlichen Rache, wo sie ihr Unrecht
nicht erkennen, übergiebet.) ihr eigenes Gewissen, wo selbiges nur
nicht schläffet oder irret; ihnen diese unpartheyische Reproche und freundliche
Weisung geben wird und muß: daß nicht Christiane, Virtuose, Juste: nicht
Theologice, Ethice, Juridice: nicht legaliter und formaliter: sondern Tyrannice
& Despotice, nach eigenem Gefallen, passionirten Begierden und
Hertzens-Lüsten; aus eigennützigen und zu meiner Desadvantage, a dessein
vielleicht abgemerckten Vües; sie mit mir in diesem gantzen Casu &
Processu gehandelt, verfahren und geurtheilet haben: also will das Icarische
Unternehmen meiner Wiedersacher: da sie der Sonne der Gerechtigkeit in den Zügel
gleichsam zufallen, und von den Gedancken meiner Seele, welche bey Edirungdes
Büchleins geführet; wie allwissende und biß in die innerste Hertzens-Grube
sehende Richter, nach einem souverainen: Car tel est nôtre Plaisir: nôtre
scavoir & vouloir, zu urtheilen sich unterstanden; der gerechten Rache
der ewigen Weißheit, und dem alleinigen und unbetrüglichen Hertzenskündiger,
übertragen: welcher zur rechten Zeit schon wissen wird, die ihme von solchen
praecipitanten Menschen geraubte Rechte u. Herrschafften über die Gewissen und
Gedancken; durch scharffe und ausserordentliche peinliche Actiones, zu
vindiciren und bestraffen.
Ich endige hiemit mein Schreiben und die Praeliminar-Interims-Justificirung(39. Nach dem Beschluß captirt
er benevolentiam bey der Hällischen
Juristen-Facultät.) meiner gerechten Sache, und die Ablehnungen der
mir auffgezwungenen Opinionum Atheisticarum; wiewohl selbiges wieder verhoffen
und meinen Willen, zu einer mir selbst eckelhafftigen Weitläufftigkeit
angewachsen. Da aber mit Euren Hochedlen, als wahren Christen, die nicht allein
Hörer, sondern auch Thäter des Wortes GOttes seyn: als galant-Gelehrten
Juristen, welche die tria principia juris: honeste vivere: neminem laedere: suum
cuique tribuere: auff den Cathedern auslegen und im Leben ausüben; und endlich
wie mit vernünfftig schliessenden und politen Weltweisen, in ein gelehrtes
Demelez zu gerathen: das mir nie eingebildete Glück überkommen; lebe der
gewissen Zuversicht, daß die unangenehme und verdrießliche Länge meiner
offtermahl wiederholten Verthädigung, um so weniger meinen hochgeehrten Herrn
mißfallen kan noch wird, oder einen Haß, Zorn und Ungüte wieder mich erregen
werde: Da es weder zu einem moralischen Laster: noch für einen Ungehorsam gegen
die natürliche, göttliche und weltliche Gesetze, es mir auszudeuten; daß zur
Beschützung meiner Religion, Ehre und Un
|| [292]
schuld:
allerhand Waffen mich bediene, die mir die Vernunfft, die Bibel, die Rechte in
die Hände legen; zumahl bey dieser Abwehrung und Repoussirung der mir den
politischen und geistlichen Todt dräuenden Attaques und Bestürmungen: nebst dem
Moderamine Inculpatae Tutelae, ich insonderheit das Droit de Bienseance und die
Regulas Decori, gegen die Personas Morales meiner hochgeehrten Herrn so wohl,
als in meiner Schreib-Art, punctuellement zu beobachten; mir eine schuldige
Obliegenheit habe seyn lassen.
(40. Und recommendirt die eine
Beylage, fürnemlich sein fröliches temperament daraus zu
erkennen.)
Ich nehme indessen noch die eintzige Erlaubniß, unter anhoffender Genehmhaltung
meiner hochgeehrten Herrn, die in der Beylage: Verläumdung und Unschuld sub No.
2. angeschlossene Poetische Gedancken, welche über das Schicksaal meines
Philosophischen Tractätgens und eigener Person: auff Veranlassung guter
Hertzens-Freunde, Minerva quamvis invita verfertiget; Euren Hochedlen, welche
von keinem melancholischen Temperament zu seyn, nach freyer Muthmassung
supponire; zu einer Gemüths-Ergötzlichkeit gehorsamst zu überreichen; da meine
hochgeehrte Herrn in selbigen die Trieb-Federn der Druck-Presse, welche die
Meditationes den Lesern eingehändiget: mein Christenthum und wahre Complexion:
dergestalt augenscheinlich vorgebildet werden ersehen; daß, nachdem, durch die
Unumstößlichkeit meiner Vernunfft- und Rechts-Gründe, Eure Hochedlen sich
unvermerckt werden überwunden finden; sie vor keine Verminderung ihrer
vollständigen Gelahrheit es schätzen werden: die erste, mein Temperament und
Religion concernirende Sentimenten, freywillig zu ändern: und nebst der ächten
Leibes- und Gemüths-Beschaffenheit; den rechten Christlich-Lutherischen Glauben;
mir eigenthümlich, auff Befehl des Königlichen Symboli: Suum Cuique: zurück zu geben.
(41. Nebst angehängten voto und recommendation.)
Ich wünsche übrigens der weitberühmten Hällischen Universität einen ewig
blühenden Wohlstand: weil eben auff derselbigen das thätige Christenthum: die
von dem Sauerteig unnützer und verdorbener Lehre distillirte reine
Iurisprudentz: und die von den Schlacken der Vorurtheile und Irrthümer,
geläuterte Weltweißheit: aus dem Munde frommer Aposteln, fürtrefflicher Priester
der Gerechtigkeit, und kluger Philosophen: erlernet und begriffen. Der Illustren
Juristen-Facultät aber und Euren Hochedlen, meinen hochgeehrten Herrn sammt und
sonders, empfehle mich zur beharrlichen Hochgewogenheit, mit der finceren
Assurance: die particuliere Estime welche ihres zustrengen Responsi ungeachtet,
dennoeh mit einer unverfälschten Passion, Euren Hochedlen gewidmet;
|| [293]
Lebenslang zu conserviren, und bey vorfallenden
Gelegenheiten, durch desinteressirte und willige Dienste zu beweisen: daß un
honnêt Homme & un veritable Chretien ich bin,
Euer Hoch-Edlen
Meiner Hochgeehrtesten Herren
Friedland d. 20. Octbr. 1717.
gehorsamst ergebenster Diener Titius.
§. XV. Was dünckt nun dem geehrten Leser bey dieser Gegenschrifft,(General Mangel dieser Gegenschrifft, daß selbige keinen
vernünfftigen Zweck haben könne.) und wem giebt er recht, unserm Herrn
Quaerenten, oder unsern Responso? Er kan mir seine Gedancken bey guter
Gelegenheit melden, ich will ihm die Meinigen auffrichtig sagen. Ich erzürnete
mich gantz nicht über den Herrn Quaerenten, wegen der hämischen Anzügligkeiten,
die er in dieser Gegenschrifft so wohl wieder unsere Facultät, als absonderlich
wieder mich sich darinnen gebrauchet, sondern ich hatte ein hertzliches
Mitleiden mit ihn, weil ich darinnen von Anfang biß zu Ende, auf das
glimpfflichste zu reden ne micam quidem judicii antraffe. Dieses auff das
kürtzeste, als es möglich ist vorzustellen, so möchte ich wohl anfangs und
überhaupt gerne wissen, zu was Ende er diese Gegenschrifft an uns abgehen
lassen? Meinete er etwan, daß wir uns mit ihm einlassen, und wieder eine
Gegenschrifft oder Replic ihm wieder zuschicken solten? die Collegia Juridica
müsten viel zu thun haben, wenn sie ihre Responsa oder Urtheil, die denen sie
fragenden oder unter sich streitenden Partheyen nicht anstehen, wieder dieser
ihr Gebelle vertheydigen solten, zumahlen wenn sie ihre rationes ausführlich
beygefügt, und selbige von denen disgoustirten, wie hier geschehen, nicht mit
den geringsten Gegengründen beantwortet worden. Kluge Leute pflegen vielmehr,
wenn ihnen dergleichen Responsa oder Urtheile nicht anstehen, sich zu bemühen,
daß sie von andern Collegiis Juridicis Responsa oder Urtheile erhalten, die die
rationes decidendi der ihnen nicht anstehenden Responsorum refutiren, und sie
folgends diese zuletzt erhaltene Responsa für sich produciren, die ersten aber
an sich behalten und selbige cachiren. Warum thate nun der Herr Quaerent dieses
nicht auch? getrauete er sich von andern Collegiis keines zubekommen? ey warum
hoffete er denn, daß unsere Facultät die einige seyn solte, die seine armseelige
Atheisterey entschuldigen oder vertheidigen solte? Ja warum erzürnete er sich
denn über dieselbe, da er gewahr wurde, daß sie auff eben dem Schlag ihm
antwortete, wie er sich von andern Collegiis Juridicis befürchtet hatte? Noch
grösser aber blick
|| [294]
te der defectus judicii
herfür, da er sich, wie seine Gegenschrifft von Anfang biß zum Ende ausweiset,
vorgenommen hatte, unsere rationes decidendi & responsiones ad rationes
dubitandi nicht zu wiederlegen, sondern nur die rationes dubitandi mit einer
verdrießlichen Weitläufftigkeit zu wiederholen, da er das gantze scriptum mit
wenig Worten und etwa mit folgenden hätte fürbringen können: Ihr möget sagen was
ihr wollet, so bleibe ich doch bey meinen fünff Augen. Denn dieses alles zeigete
nicht mehr als eine muthwillige und vorsetzliche Hartnackigkeit an, für welcher
sich sonst Leute von guten Judicio, als für der Pest zu hüten wissen etc.
(Die Einfalt des Autoris daß er par force will vor ambitieus
gehalten seyn.)
§. XVI. Noch mehr aber wurde ich zu dieser hertzlichen Erbarmung bewegt, da ich
gewahr wurde, daß der Herr Quaerente es §. 3. & 4. so übel genommen, daß
ich in unsern Responso ihm so wenig Ehrgierde und folglich auch wenig judicium
mitgetheilet hatte. Denn 1. war es in dem Responso in ratione decidendi prima
nur obiter und mit folgenden Worten geschehen.
Daß er sich sein ETWA melancholisches und sanguinisches Temperament zu Unterdrückung des wenigen natürlichen judicii verleiten lassen etc. Wer ETWA spricht, sagt nur eine blosse Muthmassung, obligiret sich aber nicht, daß er dieses etwa oder vielleicht für eine gewisse assertion ausgeben wolle. 2. So gehörte auch diese assertion hauptsächlich nicht zu dem Responso, sondern es flosse mir incidenter ein, zumahlen da ich nicht in meinem Nahmen alleine das Responsum verfertigte, und nicht wissen konte, ob meine Herren Collegen dißfals mit mir einerley Meinung wären. Indessen, und damit der Herr Quaerent nicht vorgeben möge; als suchte ich mich hinter die vorige Antwort als hinter einen Schlupffwinckel zu verstecken, so läugne ich 3. nicht, daß was meine Person betrifft, ich schon damahls der gäntzlichen Meinung war, daß sein Temperament sanguineo - melancholicum oder melancholico - sanguineum sey, und habe ich dieses in denen Noten zu Melchior von Osse Testament not. 255. p. 505. sattsam zu verstehen gegeben, indem ich daselbst aus denen excerptis einer von dem Herrn Quaerenten edirten andern Schrifft geschlossen, daß seine Grund-Lehren in zweyen Haupt-Regeln bestünden: Erstlich: Quaerenda pecunia primum &c. und zum andern: Si non caste, tamen caute. Und darff der Herr Quaerente die daselbst von mir angeführten rationes nur besser, als in dieser Schrifft geschehen, refutiren, wenn er will oder kan. 4. Sehe ich wohl, daß er gerne für denen Leuten wolle angesehen seyn, daß er ein ehrgieriges Tempera
|| [295]
ment habe; Aber damit kan er mich nicht bewegen, daß ich
solches glaube; vielmehr bin ich der gäntzlichen Meinung, daß warhafftig
ehrgierige Leute diese ihre Schwachheit zu verbergen suchen; und daß hingegen
ein lächerlicher Ehrgeitz eine gewisse Anzeigung sey, daß bey einem solchen
Menschen, der viel von honneter ambition schwatzet, oder wohl ausruffet: Laufft
zu, hier ist der mann, der die Ehrgierde für sein summum
bonum hält; die ambition passio infima seyn müsse. 5. Nach meiner Philosophie kan keinem Menschen imputiret werden, was er
für ein Temperament mit auff die Welt gebracht, sondern man muß vielmehr
caeteris paribus in so weit Mitleiden mit ihm haben; weil dieses ohne sein
Wissen und Willen geschehen. 6. Und ob wohl ich an meinem Orte die mixtur eines
melancholischen und sanguinischen Temperaments in gewissen Stücken für elender
halte, als die mixtur der andern Temperamente, so sind doch viele gelehrte Leute
in diesem Stücke nicht mit mir einig, sondern halten die melancholico-sanguineos
für rechte gute Leute, weßhalben er viel klüger würde gethan haben, wenn er
diese Parthey wieder mich gewehlet hätte, als daß er par force und ohne die
geringste vernünfftige Raison ein Cholericus oder ehrgieriger Mensch seyn will.
7. So erkennen vernünfftige Leute, daß das Temperament an und für sich selbst
keinen Menschen tugendhafft oder warhafftig glücklich mache, sondern daß ein
ieder Mensch, er sey von was für Temperament er wolle, theils die Zeit seines
Lebens behutsam zu gehen, und seine Besserung hauptsächlich von göttlicher
direction zu erwarten habe, theils aber auch an seiner Ausbesserung wegen seines
Temperaments nicht verzagen, vielweniger verzweiffeln, indessen aber in seiner
Ausbesserung von der Erkäntniß seines natürlichen Elendes den Anfang machen
müsse.
§. XVII. So ist es auch ferner keines weges ein ambitiöser und judiciöser(Und daß er einen gewissen locum
angeführet / als ob wir uns wieder sprächen.) Streich, wenn der Herr
Quaerent §. 3. sich also verlauten läßt, daß WIR (nemlich unser Collegium oder
doch die meisten davon, nach deren ihrer Stimmen die conclusa müssen expedirt
werden) in unserer Muchmassungs-Kunst, als wie ein unumstößliches Axioma
bejaheten: Melancholicum ad superstitionem inclinare; Cholericum autem ad
Atheismum pronum esse; und doch aus Mangel des Gedächtnisses ihn hernach zu
einem melancholischen Atheisten hätten machen wollen, sondern es ist dieses ein
sehr einfältiger und hämischer Streich. Denn 1. ist in Nahmen unserer Facultät
niemals eine dergleichen Muthmassungs-Kunst publicirt worden, so weiß ich auch
von keinem meiner Herrn Collegen, der ein Buch unter diesen Titel herausgegeben.
2. Hat dasselbe
|| [296]
aber einen andern Titul, mein, warum
nennet ihn denn der Herr Quaerente nicht fein auffrichtig mit seinem eigenen
Nahmen? 3. War das nicht die Haupt-Ursache, da er sahe, wie er sich damit sehr
prostituiret haben würde, indem er aus dem stilo unsers Responsi leichte
urtheilen konte, daß ich selbiges elaboriret hätte; und also die kleine Passage
von seinem Temperament mit einfliessen lassen, da doch in meinen Schrifften
dergleichen, als er hier angeführet, nirgends zu finden, ja da vielmehr daraus
leichtlich abzunehmen sey, daß ich mit diesen assertionibus nichts zu thun
hätte? (Confer Fundamenta Juris N. & G. lib. 1. cap. 3. §. 63. 4. So kan
ich auch leichte vorher sehen, daß es dem Herrn Autori des obigen asserti gar
nicht an Beantwortungen auff diese objection mangeln werde; nur eines und das
andere anzuführen, würde er vermuthlich sagen, diese assertiones wären ut
plurimum zu verstehen (wie dann auch ich auff diese Weise in meinen Cautelen
circa praecognita Jurisprudentiae, capite ultimo §. 69. denen Atheisten
insgemein einen subtilen, denen Abergläubischen aber einen tummen und groben
Verstand zugeschrieben) und hätten ihre vielfältige exceptiones, wie dann auch
aus unsern Responso selbst zu sehen wäre, und das wir darinnen ausdrücklich den
Herrn Quaerenten unter diese letzte Classe gerechnet hätten;
(Ingleichen / daß er seine Antwort selbst für ungelehrt
gehalten.)
XVIII. Und was ist dieses vor eine augenscheinliche Eclipsis judicii, wenn der
Herr Quaerent §. 1. & 2. item §. 28. schreibt, er wolle eben keine
gelehrte Wiederlegung schreiben, sondern nur seine vormahligen Gegensprechungen
und Bekäntnisse wiederholen: das ist, er wolle unsere rationes decidendi nicht
fein distincte beantworten, sondern nur die in denen von uns selbst angeführten
rationibus dubitandi enthaltene querelen wiederhohlen. Er konte ja leicht vorher
sehen, daß ihm nothwendig geantwortet werden müsse: wiederhohlet der Herr
Quaerente die rationes dubitandi, so wiederhohlen wir unsere rationes decidendi.
Will er sich aber wegen dieser keine Mühe geben, so kan er leichte dencken, daß
wir mit noch mehrern Rechte uns weigern können, mit ihm wieder einzulassen,
sondern für uns genung seyn wird, wenn wir ihn schlechterdings auff unsere
rationes decidendi verweisen, und dabey mit grossen Buchstaben schreiben HIC
RHODUS. Spricht er aber: ich habe es ja allbereit §. 1. überhaupt gethan, indem
ich daselbst gesagt, daß ihre rationes decidendi in
blossen Worten, irrigen suppositis, eigenen Schlüssen;
wunderlichen Gleichnissen; arglistigen syllogismis,
unbequemen Instantien, und ungegründeten distinctionen meistentheils bestehe; so kan er sich
leicht die Antwort einbilden, daß nach seinen eigenen stracks darauff fol
|| [297]
genden Worten dieses keine gelehrte
Wiederlegung sey, sondern wenn diese Beschuldigungen nicht distincte erwiesen
oder bescheiniget werden, unpartheyische Leser (auff welche ich nebst ihm
hiermit provocire) solche dicentes zu der Classe ungelehrter Schmähungen und
Verläumdungen nothwendig rechnen müssen: zumahlen da die von ihm beygefügte
Entschuldigung, warum er unsere rationes decidendi nicht gelehrt refutirt hätte,
so gar miserable und offenbahr falsch ist, daß wir uns dißfalls aus
Barmhertzigkeit in seinem Nahmen nothwendig gar sehr schämen müssen, und also
genöthiget werden, zu unserer Vertheydigung, diese Falschheit kürtzlich zu
zeigen. Er spricht, seine mehrere Arbeit und Geschäffte liessen ihm keine müßige
Stunden zu, unserm Responso mit einer gelehrten Wiederlegung entgegen zu gehen.
Nun wohl dann, so hätte er seine Arbeit und Geschäffte ja besser in acht nehmen,
und so viel müßige Stunden sich nicht machen sollen, unserm Responso mit einer
so ungelehrten Wiederlegung zu begegnen. Ja hat er so viel müßige Stunden
gehabt, zu dieser seiner ungelehrten Wiederlegung anzuwenden, so ware ja dieser
sein Praetext offenbahr wieder die Warheit. Und wie kan er sich dann nun
einbilden, daß es möglich sey, daß ihm ein gescheider Leser eine honnete
ambition oder ein grosses Judicium bey dieser Bewandniß zutrauen solle.
§. XIX. Daß also nicht von nöthen seyn wird, daß ich ferner mit vielen(Noch drey andere große defectus
judicii, die in der Gegenschrifft befindlich sind.) Umständen
erwehne, mit was für judicio und Weißheit der Herr Quaerent in seinem 13.
paragrapho nach denen Regeln seiner eigenen daselbst gepriesenen Logic die
Conclusion unsers asserti negiret, und daß er nach so vielen herben Schmähungen
wieder uns und unser responsum (z. e. §. 1. 13. 16. in fine. §, 27. in medio §.
28. §. 34. circa finem &c.) endlich §. 39, benevolentiam captiren
wollen; sondern es erwege der Herr Quaerente doch nur selbst, wenn ihm anders
sein Temperament solches zulässt, was judicieuse Leser dencken müssen, wenn sie
sehen, daß er so offte (als z. e. §. 13. in fine, §. 17. in fine, §. 20. in
fine, §. 29. in fine) seine Wiedersacher und unter denselben auch uns
nahmentlich beschuldiget,, daß sie intendirten, ihn mit Leibes- und
Lebens-Straffen, mit Feuer und Schwerd, oder doch mit Verdammung auff die
Galeeren zu belegen; da doch seine eigene species facti davon nichts meldet,
sondern nur von dem gegebenen Consilio abeundi redet, welches wir gezeiget
haben, weder eine Leibes-noch Lebens-Straffe, ja eigentlich gar keine Straffe zu
seyn; und da unser responsum in ratione decidendi quarta juncta responsione ad
rationem dubitandi decimam
|| [298]
octavam deutlich zeiget,
daß was ich daselbst von dergleichen harten Bestraffungen angeführet, nicht
unsers Collegii, noch vielweniger meine eigene, sondern des Herren Quaerenten
eigene, und derer meisten anderen JCtorum opinio adhuc hodie dominans sey; für
der und derselben praxi er sich also höchlich zu hüten habe. Haben ihn aber die
herrschenden Affecten seines Temperaments auch hieran gehindert, die sonst etwa
nicht geringe dosin seines judicii intuitu seines Verstandes nicht gehörig zu
brauchen, mag er es mit diesen seinen ehrgierigen Affecten ausmachen.
(Nebst dem unzeitigen queruliren
über unsere rationes decidendi.)
§. XX. Dannenhero wenn gleich der Herr Quaerente noch tausendmahl queruliren, und
daß er kein Atheiste sey auch coram Notario & testibus protestiren, und
auff sein Christliches Leben und Wandel sich beruffen solte; so wird uns doch
kein vernünfftiger Mensch mißdeuten können, daß weder unser Collegium noch ich
in specie mich ferner drauff einlassen, indem unsere rationes decidendi, die er
nicht beantworten wollen, noch können, augenscheinlich weisen, daß diese seine
protestation unter die protestationes facto contrarias gehören, und so lange er
diese rationes nicht beantwortet; wird jeder unpartheyischer Leser die in §. 27.
gantz zur Unzeit angebrachte Wehklage von den blutigen Wunden seiner Seelen
unter die figuras Rhetoricas oder vielleicht auch Poeticas rechnen, die wohl bey
abergläubischen und einfältigen Leuten, aber nicht bey Vernünfftigen einen
Eingang finden; hingegen aber wird jedermann dabeneben die Ungezaumheit seines
losen Maules, oder die Unbeschnittenheit seiner spöttischen Fractur-Feder, und
an unsern Orte die Grösse unserer Gedult bewundern, wenn der Herr Quaerente
meinet, wunder was er gethan hätte, wenn er kurtz darauff unsere rationes
decidendi §. 28. verlacht, von ihrer wenigen Force und
Schneidigkeit, und daß sie ohne dem auff mürben Ecksteinen gemauret, und aus
spröden Metall wären gegossen worden, etwas daher schwatzet.
(Und daß er unsere gebrauchte Gleichnisse wunderlich tituliret.)
§. XXI. Insonderheit aber kan ich nicht dafür, daß die in denen rationibus
decidendi gebrauchte Gleichnisse nach seiner bald anfänglichen Beschwerung §. 1.
ihn in die Nase gebissen, und wieder seinen Willen ein Niesen mögen erweckt
haben; weßwegen sie ihm auch als recht wunderliche Gleichnisse vorgekommen sind.
Wenn er einen unpartheyischen Leser hätte bereden wollen, hätte er die
Wunderlichkeit dieser Gleichnisse etwas deutlicher zeigen, sich aber dabey
dennoch bescheiden sollen, quod similia non probent, sed illustrent, und daß
dannenhero die vorhergehenden rationes denen Gleichnissen so wohl als denen
Exempeln ihr Gewichte geben müssen. Er wird aber mir bey dieser Gelegenheit
erlauben, daß ich
|| [299]
zur revenge die von ihm gebrauchten
Gleichnisse in Gegentheil für gantz artlich und wohl a propos kommende
Gleichnisse ausgebe, und nur etwas weniges wieder ihn selbst dabey erinnere,
nemlich, wenn er sich §. 25. mit einen Comödianten, §. 30. mit einen Copisten
böser Schrifften, und §. 31. sein Büchelgen mit einem greulichen Monstro, sich
aber mit der Mutter desselben vergleicht.
§. XXII. Ich acceptire diese Gleichnisse mit grossen Danck, und(Errinnerungen bey seinen Gleichnissen / da er sich bald
mit einem Comödianten /) frage nur, so viel den Comödianten betrifft,
den Herrn Quaerenten. Ob er denn dafür halte, daß eine Obrigkeit schuldig sey
(abstrahendo von der weitläufftigen und zweiffelhafften Frage: Ob sie mit guten
Gewissen einige Comödianten zulassen könne? oder auch zum Uberfluß supposita
huius quaestionis affirmativa) einen Comödianten, der in seinen Comödien mit
Anführung vieler lasterhafften Reden und Thaten, das Volck ärgerte, nach seinen
des Comödianten Gefallen fortspielen zu lassen; und ob die Obrigkeit unrecht
thue, wenn sie aus rechtmäßiger Furcht für dergleichen Aergerniß, diesen
Comödianten das Handwerck lege, und ihnen ein Consilium abeundi gebe, zumahl
wenn sie sich nicht öffentlich für Comödianten, sondern für was vornehmes
ausgegeben, und die ärgerlichen Comödien so lange incognito und unter der Masque
gespielet, biß sie (weil sie ihre Verbergung sine judicio angefangen) wieder
ihren Willen gezwungen worden, sich zu demasquiren? Ich bin bey beyden Fragen
der verneinenden Meinung zugethan, und will hoffen, es werde der Herr Quaerent
dergleichen thun, zumahl da ich mir nicht einbilden kan, daß ein vernünfftiger
Mensch dieselbe bejahen werde. Nun kan er aber leichte ferner die application
dieses Gleichnisses auff die Haupt-Frage machen, weßwegen er mit mir, und ich
mit ihm nicht einig bin, oder diese application einen andern machen lassen.
§. XXIII. Was den Copisten gottloser Schrifften betrifft, möchte ich(Bald mit einem Copisten gottloser Schriften,)
gerne von dem Herrn Quaerenten belehret seyn: ob er denn dafür halte, daß dem
Copisten eines Pasquills unrecht geschehe, wenn der Haupt Pas quillante nach dem
bekanten und zweiffels ohne dem Herrn Quaerenten wohl bewusten Histörgen, mit
eines Seilers Tochter sich zu vermählen, der Copiste aber von Meister Hansen
auff dieser Hochzeit wieder seinen Willen zu tantzen genöthiget würde, oder wenn
es kein gemeiner, sondern vornehmer Copiste wäre, ein Consilium abeundi bekäme?
§. XXIV. Endlich die abscheulichen von dem Herrn Quaerenten(Bald mit einer Mutter eines) auff das Tapet
gebrachte Monstra betreffend, wird mir derselbe pardonniren, wenn ich zwar in
Ansehen des Monstri selbst nichts anzumercken ha
|| [300]
be,
(abschenlichen Monstri
vergleicht.) aber in Ansehen des Gleichnisses mit der Mutter
wohlgemeint erinnere, daß sich dasselbige auff ihn nicht allzuwohl appliciren
lasse, sondern nach dem bekanten Sprichwort, gar mercklich hincke. Die
Einbildung der armen Mütter, die solche Monstra gebähren, dependiret nicht von
ihren freyen Willen, sondern es ist dieselbige unter die Kranckheiten zu
rechnen, mit der die Menschen wieder ihren Willen befallen werden. Dieses kan
aber der Herr Autor auff sich nicht appliciren, indem er allenthalben seinen
Vorsatz gestehet, und so offte auff seine gute intention, die er bey diesem
Vorsatz gehabt, (wiewohl ohne Nachdruck per dicta in rationibus decidendi) sich
beruffet.
(Die von ihm ohne judicio
angeführten Sprüche des Apostels Pauli.)
§. XXV. Zum Beschluß so sind zwar die von dem Herrn Quaerenten in §. 35.
angeführten loca aus denen Episteln des H. Pauli an sich gar Christlich und gut:
aber es wird der Herr Quaerent abermahls nicht übel nehmen, wenn ich sagen
werde, daß es auch hier am besten, nemlich an der application, und folglich an
judicio mangele. Und dieses desto deutlicher zu machen, wird er mir
verhoffentlich erlauben, daß ich dieserwegen folgende Frage an ihn ergehen
lasse. Der Herr Quaerente hat in seinem an uns ergangenen Schreiben begehrt, daß
wir richten solten: Ob nicht der Magistrat zu N. unchristlich an ihn gehandelt
hätte? Nun wollen wir fetzen, wir hätten ihm dieses von uns begehrtes Urtheil
gäntzlich abgeschlagen, und an statt der Ursachen die oberwehenten dicta Paulina
angeführet. Oder wir wollen setzen, daß wir ihm nach seinen Begehren beygefallen
wären, und das ihm gegebene Consilium abeundi für unchristlich gehalten hätten,
der Magistrat aber zu N. wolte auf dieses unser Responsum nicht reflectiren,
sondern beruffte sich an statt seiner Replique bloß auff diese dicta Paulina.
Nun überlasse ich dem Herrn Quaerenten selbst, was er auff diese unsere
exception, oder auff des Magistrats seine Replic, zu repliciren oder zu
dupliciren gesonnen sey, wenn er mir nur wieder vergönnet, daß ich mich alsdann
aller dieser seiner Gegen-Einwürffe, wiederum gegen ihn und den §. 35. seiner
Gegenschrifft bediene.
(Der Gegenschrifft erste Beylage.)
§. XXVI. Dieses mag voritzo genung seyn zu Bekräfftigung meines Haupt-Urtheils
von dem geringen judicio der Gegenschrifft. Ich muß aber auch die derselben von
dem Herrn Quaerenten angefügte Beylagen nicht vergeffen, damit derselbe mir
nicht etwa vorwerffen möge, ich hätte nicht fein auffrichtig gehandelt, sondern
das beste und nachdrücklichste mit Fleiß ausgelassen. Die erste Beylage, darauff
er sich §. 2. seiner Gegenschrifft beziehet, bestehet in folgenden.
|| [301]
1.
Betrachte erstlich die Person dessen, der etwas redet, d. i. seinen Stand, oder
seinen Affect und Zuneigung wohl: denn die Worte haben öffters unterschiedene
Bedeutung nach dem Unterscheid der Stände der Menschen. Z. E. wann ein Stoicker
von Affecten redet, muß ich mir schon einen andern Concept davon machen: als
wenn es ein Philosophus thut, der einer andern Secte zugethan ist.
1.
Die Person, welche in den Meditationibus redet: ist ein Philosophus. Sein Stand,
Affect oder Zuneigung ist die Philosophia Eclectica seu libera. Kurtz: Er ist
ein Philosophus Eclecticus. Dieser Philosophus Eclecticus: begreiffet in sich
ceu subjecto communi drey differente Moral-Personen: eines Philosophi Ethnici:
Philosophi Ethnico-Christiani: Christiani. Die zwo erstere, führen sich active:
die letztere: mehrentheils passive auff. Was jene: de DEO, Mundo, Homine,
mündlich oder schrifftlich franck und frey raisonniren; wird von dem Philosopho
Christiano angehöret, verzeichnet, erzehlet und durch den Druck, den Gelehrten
zum besten, gemein gemacht. Dieser dreyfache Unterscheid der Moral-Personen und
ihrer Characteren: sind von der Clerisey, dem Magistrat und Eurer Hochedlen
negligiret: dahero eine Vermischung der Wörter, Reden, Meinungen begangen: und
was e. g. der Heyde oder der Christ-Heyde, von GOtt, der Welt, dem Menschen
dencket, redet, schreibet: dem erzehlendem und auffzeichnendem Christen wie
seine eigene Grund-Lehren, beygeleget und zugesprochen worden. Aus welchem Primo
Falso: die von der Clerisey be
|| [302]
würckte
2.
Gib wohl achtung, von was ein Autor zu reden sich vorgenommen: oder auff was für
eine Sache sich das, was er redet, schicke. Denn, weil in allen Reden oder Propositionen, eine Verknüpffung zwischen dem Subjecto
und Praedicato oder zwischen der Sache, von der man
redet und der, was von einer Sache geredet wird, seyn solle; so giebet auch die
deutliche Erkäntniß des einen, gar leichte die Auslegung des andern, das dunckel
ist.
Confiscation, das Consilium abeundi des Magistrats, und Eurer Hochedlen
unrechtliches Responsum: ihren gemeinsamen Ursprung genommen haben.
2.
Ich habe mir vorgenommen, in den Meditationibus: die Argumenta Philosophica,
welche de DEO, Mundo, Homine, die alten und neuen Philosophi Ethnici, &
Ethnico-Christiani hegen; zusammen zu tragen und durch kurtze Sätze
zuconcentriren: damit durch die Argumenta genuinae Philosophiae &
Theologiae in contrarium: die Orthodoxie verthädiget, die Heterodoxie
wiederleget würde. Ich habe aus der Absicht, die freye Raisonnemens: welche über
die drey erwehnte Objecta, der Heyde und der Christ-Heyde führen; wie ein
Christlicher Philosophus, mit gebührender
Auffrichtigkeit ausgesuchet, recensiret und angemercket. Ich habe von dieser,
bey Publicirung der Meditationum, redlich geführter
Intention: vor dem Scholarchat, und in dem specie facti; eine deutliche
Eröffnung gegeben. Es ist aber diese andere Regel der Vernunfft Lehre, von der
Clerisey, dem Magistrat und Euren Hochedlen, mit gleicher Verachtung wie die
vorhergehende, übertreten: die Subjecta und Praedicata sind vermischet: zwischen
den Reden oder Propositionen der drey verschiedener
Moral-Personen, ist keine competirende Verknüpffung gehalten: und dabey mein
wohlgemeinter Vorsatz vor ein peinliches Verbrechen ausgedeutet worden.
|| [303]
3.
Betrachte das vorhergehende und nachfolgende, oder was ein Autor anderswo
geschrieben mit Fleiß: so wirst du seine Meinung desto besser verstehen. Denn
man muthmasset nicht leicht, daß ein Autor seiner vorigen Meinung werde wieder
sprechen, und sich contradiciren. Wenn es aber der Augenschein giebet, daß ein
Mensch seiner Meinung wiedersprochen: so ist es vernünfftig, daß man seine
letzte Meinung für seine rechte Meinung müsse annehmen. Es wäre dann, daß man
sähe, daß ein Mensch an dem letzten Orte nur gleichsam obenhin eine Sache
erwehnet hätte: die er anderswo hauptsächlich zu vorhero zum Gegentheil
ausgeführet; denn da kan es geschehen, daß man dafür hält; er habe das letzte
mehr aus einer Unbedachtsamkeit als aus einem Vorsatz seine vorige Meinung zu
ändern; gethan.
4.
Unter zweyen Verstanden und Auslegungen einer Schrifft: ist allezeit diejenige
der andern vorzuziehen; die mit der gesunden Vernunfft übereinkommt: und daraus
in dem menschlichen Thun und Lassen, eine Würckung entstehet. Derowegen soll man
auch in Auslegung gelehrter Schrifften allemahl einen Autorem erklären: daß er
nichts wieder die Vernunfft, erbare Sitten oder Gottes Wort gelehret habe; so
lange man seine Worte auff eine vernünfftige Weise auslegen kan.
3.
Die Clerisey, der Magistrat und Eure Hochedlen haben weder das Antecedens: daß
einen Philosophum Eclecticum simuliret; noch das
Consequens, daß solche Simulation, aus blosser Liebe zur orthodoxischen Warheit
vorgenommen; beobachtet. Ich habe die zwiefache Intention: bey Herausgebung der
Meditationum Philosophicarum: würcklich in meinem Sinn
gesühret. Ich maintenire selbige vest und beständig: ohne Wiedersprechung oder
Wiederruffung. Es sind von Euren Hochedlen meine politische Tractätgens: zwar
erwogen, und daraus verschiedene Folgerungen gezogen worden; daß aber solches
von meinen hochgeehrten Herrn ohne gebührenden Fleiß, und mehr mit passionirten
als sinceren Gemüthe geschehen: meine Meinungen von ihnen ungültig und unbillig
ausgeleget: ihre Conclusiones aber, mit der Vernunfft-Lehre streiten; werde bey
anderer Gelegenheit deutlich erweisen.
4.
Und ob wohl meine Auslegung: daß die Meditationes wie ein Philosophus Eclecticus geschrieben: vernunfft-schrifft- und sittenmäßig:
über das, weil sie, orthodoxae veritatis amore, ans Licht gestellet, in dem
menschlichen Thun und Lassen: in der Republic der Gelehrsamkeit: in der
Philosophie und Theologie diese considerable Würckung entstehet und heraus
quillet; die Warheit von der Falschheit: das Christenthum von dem Heydenthum:
gereiniget zu sehen; sind diese wichtige
|| [304]
5.
Man muß derjenigen Auslegung folgen, die mit den Grund-Regeln, die ein Autor in
seinen Schrifften gegeben hat, oder mit der Ursache, warum er etwas gethan hat;
übereinkommt. Jedoch muß man wohl darauff bedacht seyn, zu erkennen; ob die
Grund-Regeln, die der andere setzt, und die Ursache, die er vorgiebt, auch von
dem, den man erkläret, mit Ernst gemeinet sind oder von ihm nur zum Schein
vorgebracht worden; denn wo das letzte ist, darff man sich in der Auslegung
nicht daran binden. Z. E. wann gleich Spinosa
allenthalben saget, daß er einen GOtt glaube und GOttes Wesen demonstriren wolle, so sehe ich doch aus andern Umständen, daß sein
GOTT nichts anders ist, als der gantze Begriff aller Creaturen, und muß mich
folglich auch in der Auslegung seiner darnach richten.
Umstände: von der Clerisey, dem Magistrat und Euren Hochedlen ebenfalls in keine
Consideration genommen worden: sondern da nach dieser redlichen Erklährung,
meine Absichten, Worte, Entschuldigungen und der Inhalt des Büchleins: auff eine
vernünfftige Weise hätten können ausgeleget werden; haben sie selbige, nebst den
unschuldigsten Pensées meines politischen Tractätgens: auff die gezwungenste,
nachtheiligste, gefährlichste und recht unchristliche Art ausgedeutet; mit dem
Vorsatz ohne Zweiffel: mich, es koste was es wolle, zum Atheisten zu machen.
5.
Meine Regeln: die zum Grunde bey den Meditationibus und ihrer Ausarbeitung
geleget, sind: daß (1) wie ein freyer Philosophus, nicht wie ein Theologus: (2)
theils wie ein würcklicher Heyde: theils wie ein Christlichgesinnter Heyde: und
nicht wie ein veritabler Christ; sie verfertiget und heraus gegeben. Das (3) die
Verthädigung der Christlich-Philosophischen und Theologischen Warheit: meine
warhafftige Absicht: ich auch (4) bey dieser Philosophischen Arbeit ein
auffrichtiger Christ der Lehre: dem Glauben: und dem Leben nach; beständig bin
gewesen und geblieben. Eure Hochedlen wollen zwar: die in dem Büchlein
befindliche Sätze, vor meine Grund-Lehrenausgeben. Daß aber solches: eben das
Primum Falsum; und die daraus zu meiner Beleidigung und Prejudice, erzwungene und gekünstelte Rationes
Decidendi; Irrthümer und
|| [305]
6.
Geicherweise können wir auch wohl in Auslegung gelehrter Schrifften raisonniren:
was für Consequentien daraus folgen, und dem Autori dieselben beymessen, daß er
dieselben, vermöge seines Grundsatzes ebenmäßig behaupten müsse. Wenn er aber
wieder diese Consequentien protestiret, daß er damit nichts zuthun haben wolle,
und seine Meinung anders erklähret: müssen wir ihn mit frieden lassen, ob wir
gleich nicht begreiffen, wie diese Consequentien nicht
aus dem Grund-Satz folgen solten, auch eines und das andere wieder seine
Erklährung zu sagen haben. Wenn diese nur nicht gantz offenbahrlich, und daß es
alle Menschen begreiffen, cavillatoria ist. Denn weil
mehrentheils dergleichen Consequentien: nicht von unstreitigen, sondern
wahrscheinlichen Dingen, oder doch Falschheiten mit sind; wird
gegenwärtiges Schreiben kürtzlich: doch genüglich und gründlich erhärten. Wo
übrigens Eure Hochedlen die Grund-Regeln meines Glaubens und Lebens zu wissen
verlangen: belieben meine hochgeehrte Herren mit den Augen der Vernunfft und des
Christenthums, die letzten Worte meiner Vorrede, was genauer anzusehen. Es
bezeugen selbige: daß ich ein Catholicus & Universalista sey: d. i. ein
Mitglied der Catholischen Kirche und Mitgeniesser der allgemeinen Gnade GOttes.
E. ein warhafftiger Christ: der GOtt anbetet. Die Souverainen ehret: Ehrlich d.
i. tugendhafft lebet. Niemand beleidiget. Einem jeden das Seinige zu kommen
lässet.
6.
Und ob wohl endlich ich meine Unschuld vor dem Scholarchat und in der Specie
Facti nicht allein durch suffisante Vernunfft-Schrifft- und Recht-Schlüsse
documentiret; sondern auch gegen die wiedrige Conclusiones und Auffbürdungen
fremder Lehren und Sentimenten, daß e. g. ich ein Heyde, Spinosist und Atheist:
die in dem Büchlein recensirte Dogmata aber, meine eigene Grund-Lehren wären;
quam solennissime offtermahlen protestiret: und mich dawieder mit Händen und
Füssen gesperret; haben die Clerisey, der Magistrat nebst Euren Hochedlen
darauff wieder nicht die geringste Reflexion gemachet: Es sind im Gegentheil, in
regard meines Büchleins und meiner Person, die trefliche Regeln von der
Geschicklichkeit anderer Meinung zu urtheilen: von ihnen allerseits nach eigener
Willkühr und
|| [306]
zum wenigsten durch wahrscheinliche Schlüsse gemacht werden, so kan
ich nicht schliessen: dieses ist mir höchst wahrscheinlich. E. muß es auch einem
andern höchstwahrscheinlich vorkommen: oder, wenn ich des Autoris Meinung
beypflichtete, würde ich diese Consequentien auch mit vertheidigen müssen;
derohalben muß er solches auch thun. Also wann Cartesius saget, man müsse auch
an GOtt zweiffeln, und seine Wiedersacher sagen, daß er dadurch nothwendig zum
wenigsten zu einem augenblicklichen Atheisten werden müsse; und er wehret sich
hierwieder mit Händen und Füssen: muß man ihn mit frieden lassen. Also wenn
diejenigen, die da sagen, die Seele eines Kindes, werde in dem Beyschlaff von
der Seele der Eltern gleichsam angezündet; denen die da sagen, daß GOtt dieselbe
der Mutter nach einer geraumen Zeit der Empfängniß eingiesse, vorwerffen: daß
nach ihrer Meinung, GOtt Ursache der Sünde sey, diese aber jene beschuldigen,
daß sie die Seele für cörperlich halten müsten: gleichwohl beyde wieder diese
Consequentien protestiren; so ist es nicht mehr als billig, daß man diese
Protestation gelten lasse.
Gutachten, übertreten und verachtet worden; da doch insonderheit von meinen
hochgeehrten Herrn ausdrücklich gelehret und souteniret wird, daß wann Autores
wieder die Consequentien, welche aus ihren Schrifften und Sätzen gezogen werden,
protestiren, mit selbigen nichts zu thun haben wollen, und ihre Meinungen anders
erklähren; man sie zu frieden lassen, und ihre Protestationes müsse gelten
lassen. Eure Hochedlen nennen zwar in ihrem Responso, meine Auslegung eine
gezwungene und offenbahr cavillatorische Auslegung: suchen auch dadurch
gleichsam den Vortheil vorgeschützter Protestationen mir streitig zu machen. Daß
aber beyde Epitheta, aus dem Primo Falso gleicherweise hervorsprossen:
documentiret schon zur Gnüge gegenwärtiges Schreiben; wiewohl hinkünfftig
solches: mit mehrerm Licht und Nachdruck zeigen werde. Ich muß und will indessen
zur Salvation des mir zukommenden Rechts: vorjetzo dieses nur beyfügen und
erwehnen: daß weilen noch zur Zeit keine Cavillation mir
von Ew. Hochedlen würcklich ist erwiesen worden: meine redliche Auslegung nebst
den von mir eingewendeten Gegensprechungen, ihre völlige Vigueur,
Verbindlichkeit und Rechts-Kräffte nicht allein haben und behalten: sondern auch
so lange, als die Christen GOtt und die Warheit lieben; haben und behalten
werden.
(General Anmerckungen, wegen)
§. XXVII. Es ist mir von Hertzen leyd, daß ich auch bey dieser Beylage nicht
anders antworten kan, als: ubi judicium? denn 1. haben sich meine Herren
Collegen noch niemals zu der Ausübung meiner Vernunfft-Lehre, als zu einem Libro
Symbolico unserer Facultät bekennet, und al
|| [307]
so
kan dieselbe auch nicht der gantzen Facultät, sondern nur mir in specie
vorgerückt(ebenmäßigen Mangel des judicii.) werden. 2. Was die denen Excerptis
aus der Vernunfft-Lehre entgegen gesetzte Ubertretung derselben betrifft, hat
diese zwar einen deutlichen Titul und Rubric, aber das nigrum ist desto
schlechter, und wird ein jeder unpartheyischer Leser, wenn er dasselbige
durchlesen hat, vermuthlich fragen, wo doch die Schrifft sey, die zu diesen
Titul gehöre, indem es abermahls nicht anders als merae petitiones principii,
das ist, blosse Wiederhohlungen der rationum dubitandi sind, die allbereit so
nachdrücklich in unsern responso in den rationibus decidendi widerleget worden,
welche rationes decidendi aber der Herr Quaerente auch allhier keine Mine macht,
nur in geringsten zu wiederlegen. Und sind dannenhero die denen excerptis aus
meiner Vernunfft-Lehre entgegen gesetzten Passagen eben so pertinent, als wenn
er seine an uns geschickte speciem facti nach der Reihe hätte hindrücken lassen.
§. XXVIII. Absonderlich aber muß man sich 3. verwundern,(Insonderheit wegen des uns imputirten Primi Falsi.) mit was vor
Mangel aller Schamhafftigkeit der Herr Quaerente bey den num. 5. uns imputiren
will, als ob das unser PRIMUM FALSUM wäre, daß wir die in dem Büchlein
befindliche Sätze vor seine Grund-Lehren ausgegeben, und aus diesem Falso zu
seiner Beleidigung und Praejuditz erzwungene und
gekünstelte Rationes decidendi gemacht. Ja wenn er
gesagt hätte, oder sagen können, daß wir ihm Lehren angedichtet hätten, die in
seinem Büchlein nicht enthalten wären, so möchte es sich hören lassen. Aber da
er so unverschämt ist, daß er leugnet, die in seinem Büchlein enthaltene Lehren
wären seine Grund-Lehren nicht, sondern wir hätten solches erdichtet, das ist zu
plump. Wegen des Worts Grund-Lehre will ich keine subtile Untersuchung anfangen:
denn es mögen nun die in seinem Büchlein enthaltene, und in unsern rationibus
decidendi draus excerpirte Lehren, Haupt-Grund-Lehren, oder aus den Grund-Lehren
hergeleitete Conclusiones Atheisticae seyn, so ist Maus wie Mutter. Sind nun
diese Positiones, die er hingesetzt hat, nicht seine Lehren, so sind sie
entweder alle nicht seine, oder nur etliche. Sind sie alle nicht seine, so sind
auch die 1. Deus est, Deus existit, item die 10. Est vero Deus hic unus
&c. nicht seine, sondern er hält sie für falsch, oder lässet sie an
ihren Ort gestellet seyn, und also macht er sich auch bey dieser thörichten
Ausflucht zum Atheisten; sind sie nicht alle, sondern nur etliche seine, warum
hat er denn solche nicht deutlicher angedeutet? ja warum hält er denn alle
vernünfftige Leser für so einfältig, und glaubet mit dieser tummen Sophisterey,
die man kaum einer Bauer-
|| [308]
Magd zu gute halten
würde, zu echapiren. Die distinction inter Philosophum & Theologum
&c. ist schon in denen responsionibus ad rationes dubitandi 1. 2. 3.
gnungsam abgeleuchtet, und mit dem Exempel oder Gleichniß von Spitzbuben und
Brunnen-Vergiffter (NB. per modum instantiae ad ejus falsam Majorem, nicht aber
per argumentum a simili) diese Ableuchtung erläutert worden. Dieweil ihn aber,
als obgedacht, diese Instanzen zu wunderlich vorkommen und nicht schmecken
wollen, will ich mich auch hierinnen nach seinen Geschmack accommodiren, und in
Ansehen, daß er ein vornehmer Fürstlicher Bedienter gewesen, auch eine andre
ansehnliche und so zu reden Fürstliche instanz aus einer bekanten Historie
vorlegen, von der Antwort, die ehemals ein Bauer einem Fürstlichen Abt gegeben,
da er dem Abt replicirte; wenn den Fürsten der - - hohlte, wo denn der Abt
bliebe.
(Und daß er wegen des Spinosae
nicht gemuxt.)
§. XXIX. Und ist hierbey sonderlich zu erbarmen, daß er so verblendet gewesen, in
diesem 5. Excerpto die Worte aus meiner Ausübung der Vernunfft-Lehre, als wenn
sie für ihn wären, anzuführen, da doch der Context, und in demselben, was ich
von Spinosa deutlich gemeldet, und allhier oben §. 26.
dict. n. 5. mit andern Litteren drucken lassen, deutlich darthun, daß es dem
Spinosa nicht helffe, wenn er gleich, wie der Herr Quaerente nicht gestehen
will, daß er ein Atheiste sey, zumahl wenn man demselben dasjenige beyfüget, was
ich in responsione ad rationem dubitandi ultimam gemeldet, daß der Herr
Quaerente es viel plumper als Spinosa gemacht. Da es nun nöthig gewesen wäre,
wenn er dieses mein Excerptum auff sich appliciren oder von sich ablehnen
wollen, daß er wegen des Spinosae gewiesen hätte, was zwischen ihm und demselben
für ein mercklicher Unterscheid sey; er sich doch nicht unterstanden, noch bey
seiner üblen Sache unterstehen dörffen, nur ein Wort hiervon zu muxen, so gar
waren dieses der sauren, wie denn dem Herrn Quaerenten als einem guten Poeten,
die Fabel von dem Fuchs und den Weintrauben allbereit schon bekandt seyn wird.
(Ingleichen wegen des Vorgebens, daß wir ihm keiner Cavillation)
§. XXX. Eben so wenig kan 4. dem Herrn Quaerenten zu statten kommen, wenn er num.
6. aus meiner Vernunfft-Lehre anführet, man solle niemand verdrießliche
consequentias imputiren, wenn er wieder die Consequentien protestire; denn die
abermahls beygefügte Limitation: wenn diese protestation
nicht gantz offenbahr, und daß es alle Menschen begriffen, cavillatoria wäre, ist ihm wiederum per latius deducta in unsern
responso offenbahr zuwieder. Und ist dannenhero gleichfalls ein unschamhaffter
greulicher defectus judicii, wenn er in dem Oppo
|| [309]
nirten 6. numero ungescheuet vorgiebt; daß ihm noch zur Zeit von(würcklich überwiesen.) uns keine Cavillation würcklich sey erwiesen worden, da doch
unsere rationes decidendi & responsiones ad rationes dubitandi auff
allen Seiten das Gegentheil weisen, und denenselben nicht praejudiciren kan, daß
er selbige nur calumniiret und nicht gelehrt drauf antworten, sondern selbige
nur mit Gegensprechungen und NEGANDO CONCLUSIONEM zu heben sich unterfangen. Daß
er aber vielleicht unter dem Wort würcklich allhier zu echapiren sucht, ist ein
neuer defectus judicii. Es mag seyn (wiewohl ich es doch auch nicht glaube) daß
unser Beweiß in dem Gemüth des Herrn Quaerenten gar keine Würcklichkeit
erreichet habe, so ist es desto schlimmer vor ihn, und zeigt aller Welt seinen
höchst miserablen Zustand an; uns ist genung, wenn unser Beweiß in denen
Gemüthern der gantzen vernünfftigen Welt seine Würcklichkeit ausgeübet, und
derselben die in denen Meditationibus de Deo, Mundo, Homine enthaltene grobe
Atheisterey zu erkennen gegeben.
§. XXXI. Nun wird es wohl Zeit seyn, dem unpartheyischen Leser(Inhalt und Beschaffenheit der andern Beylage.)
auch die andre Beylage, auff die er sich in seiner Gegenschrifft §. 40. bezogen,
vor Augen zulegen. Selbige bestehet wiederum in zweyen Stücken, das erste hat
den Titel: Verläumdung und Unschuld, Condolentz- und Consolations-Schreiben an das confiscirte Tractätgen / betitelt: Meditationes
Philosophicae, de Deo, Mundo, Homine, abgelassen von ihren Verfasser:
Anno 1717. und ist besage des 4. Gesetzes
hauptsächlich wieder die Herren Geistlichen, die wieder die Atheistische
Schrifften geeyffert, und dieselbe zur Confiscation gebracht, gerichtet: daß
andre ist dem Magistrat entgegen gesetzt, wie dessen Titel zeiget: Schreiben,
welches von dem Verfasser des confiscirten Tractätgens,
betitelt: Meditationes Philosophicae de Deo, Mundo,
Homine, abgelassen worden an einen guten Freund über das von dem Rath der
freyen Reichs-Stadt N. erhaltenes Consilium abeundi. Anno 1717. Ein jedes von diesen beyden Stücken
bestehet 1. aus etlichen excerpirten dictis aus der heiligen Schrifft, 2. aus
excerptis aus meinen Schrifften von verläumderischen Auslegungen, aber
beyderseits ohne beygefügte application oder Gegensatz. 3. aus Teutschen
Gedichten, davon jedes Gesetz 6. Verse, das erste Gedicht aber 35. und das andre
32. Gesetze hat, und in welchen er weitläufftig von seiner Unschuld und dem
Unrecht, das ihm geschehen, contestiret, und mit einem Wort die in seiner specie
facti angeführte und von uns in dem Responso in denen rationibus dubitandi
getreulich wiederhohlte und unpartheyisch augirte Entschuldigungen in teutschen
Reimen wiederholet.
|| [310]
(Warum diese Poetische Gedancken an uns geschickt worden.)
§. XXXII. Nun möchte man wohl billig fragen: cui usui: und was gehet unsere
Facultät oder mich diese Schrifften an, die nicht wieder uns gemacht worden,
auch nichts neues vorbringen, was nicht schon allbereit nach Anleitung dessen,
was ich bißhero gemeldet, und zwar ad nauseam beantwortet worden wäre, auch
nicht das geringste mehr demonstriren, als des Herrn Autoris Habrechterey und
Hartnäckigkeit, welcher wir nebst dem unpartheyischen Leser schon durch seine
Gegenschrifft und die erste Beylage sattsam convinciret waren. Nichts
destoweniger muß man ihn auch hier ungehöret nicht verdammen; denn er meldet in
seiner Gegenschrifft §. 40. daß er diese Poetische Gedancken auff Veranlassung
guter Freunde, Minerva quamvis invita verfertiget, und
selbige uns, die er von keinem melancholischen Temperament zu seyn nach freyer Muthmassung supponire, zu einer Gemüths-Ergötzlichkeit überreiche, da wir denn in
selbigen die Triebfedern der Druck-Presse, welche die Meditationes den Lesern eingehändiget; sein Christenthum, und wahre
Complexion, dergestalt augenscheinlich vorgebildet
würden ersehen; daß nach dem durch die Unumstößligkeit seiner Vernunfft- und
Rechts. Gründe wir uns unvermerckt würden überwunden finden; wir so dann vor
keine Verminderung unserer vollständigen Gelahrheit es schätzen würden, unsern
ersten sein TEMPERAMENT und RELIGION
concernirende Sentimenten, freymüthig zu
ändern, und nebst der ächten Leibes- und Gemüths-Beschaffenheit den rechten
Christlich-Lutherischen Glauben auff Befehl des Königlichen Symboli: Suum Cuique, zurück zugeben.
(General Beantwortung dieser Ursachen.)
§. XXXIII. Nun wolte ich zuförderst wündschen, daß der Herr Quaerente fein
auffrichtig und biedermännisch hätte schreiben wollen, was er haben wolte: denn
ich kan nicht leugnen, daß ich zwar etwas gelesen, was die Griechen, Lateiner,
Frantzosen, Teutsche etc. de stilo sublimi geschrieben, auch was andere von
denen Meteoris Orationis, item von Galimatias, Phoebus u. s. w. erinnert; ich
bin aber so gelehrt nicht, daß ich mir zu demonstriren getraute, zu welcher
Schreib-Art von denen itzt erwehnten eigentlich dieser angeführte Stilus des
Herrn Quaerenten zu referiren sey, und ob ich in dem summario marginali dieses
paragraphi seinen Sinn recht getroffen habe. Vielleicht soll auch dieser
paragraphus ein Exempel einer scharffsinnigen oder beissenden Ironie vorstellen;
nur dieses ist das schlimste, daß die Gelehrten nicht einerley Nasen haben, und
daß etliche auch den Spanischen Schnup-Toback in starcken dosibus ohne Niesen
vertragen können, da indessen manchmahl die Nach
|| [311]
barn, ohnerachtet sie keine Prise genommen, nur bloß von etlichen in
der Lufft verzettelten unsichtbaren atomis desselben zum Niesen bewegt werden.
Zum wenigsten kan ich versichern, daß für meine Person in diesen beyden
Schriften ich die geringste Vernunfft- und Rechtsgründe nicht angemerckt habe,
geschweige denn, daß ich deren welche, die unumstößlich wären, angetroffen
hätte, auch also gantz nichts gemerckt, daß dieselbigen das Conclusum meiner
Facultät, oder meine Ausarbeitung des Conclusi solte überwunden haben. Ja ich
getraute mir wohl mit dem Herrn Quaerenten zu wetten, daß er bey keinem einigen
Rechts-Collegio in Europa, ja nicht einmahl in Asia, Africa und America mit
diesen Poetischen Schrifften, wenn er anders die Meditationes selbst beyleget,
was ausrichten, und einige approbation seines Verfahrens erhalten werde.
§. XXXIV. Und wenn ich anders seine Meinung recht verstanden,(Neues Argument von dem wenigen
judicio des Herrn Autoris.) daß er durch diese Poetische Schrifften mich gleichsam
convinciren wollen, daß er ein fröliches Temperament habe, und daß man ihm
unrecht gethan, wenn man ihm so wenig Ambition und Iudicium zugetrauet; so muß
ich abermahls bekennen, daß ich vielmehr hierdurch forciret worden, ein neues
Argument seines wenigen Judicii ihm und allen unpartheyischen Lesern für Augen
zu legen. 1. Giebt es ja Poeten von allerhand Temperamenten, und folgt also
nicht: dieser Mensch macht einen saubern Verß, ergo ist er frölich, oder hat ein
herrlich Judicium, so wenig als es folget: diefer Mensch kan keine Verse machen,
ergo ist er nicht frölich, oder hat kein judicium. 2. Ob diese seine Poetische
Schrifften eben eine sonderbare Fröligkeit andeuten, wird sich weisen, wenn ich
selbige werde beydrücken lassen. Itzo sage ich nur zum voraus, ich habe selbige
darinnen nicht finden können. 3. Spricht er, er intendire auch dieses nicht,
sondern es bezeugeten nur diese Poemata, daß er kein sauertöpfischer
Melancholicus sey; so gebe ich ihm zwar völlig recht; aber es giebt sich auf
diese Art ein neuer defectus judicii an: denn wenn und wo habe ich ihn denn
einen sauertöpffischen Melancholicum genennet; mein Responsum gedencket deutlich
seines etwa habenden melancholico-sanguinischen Temperaments, das ist eines Temperaments, das bald
traurig, bald frölich ist: dergleichen Leute aber sind caeteris paribus nicht
ungeschickt, hämische und anzügliche zugleich aber nicht unanmuthige und
ungezwungene Verse zu machen, wenn sie nur etwas Fleiß anwenden wollen, und
nicht aus commodität, (welche die gemeinen Leute, Faulheit oder Unachtsamkeit zu
nennen pflegen) dann und wann einen und andern mercklichen Schnitzer mit
unterlauffen lassen: ob aber dergleichen Leute befugt seyn, diese ihre
|| [312]
ingeniöse Poemata auch für judiciös auszugeben, ist
eine andere Frage: indem zwischen einen guten ingenio und einen guten judicio
ein mercklicher Unterscheid ist.
(Ob diese Poemata invita Minerva
verfertiget worden?)
§. XXXV. Ich könte ja auch wohl über dieses, wenn ich allzu hitzig seyn und alle
minutias aufflesen wolte, zu fernerer Bestärckung meiner Meinung anführen, daß
es eine Anzeigung eines schlechten judicii sey, wenn man sich angelegen seyn
lässet, weitläufftige Poemata quamvis invita Minerva zu
machen, denn judiciöse Leute machen sonst nicht leichte etwas invita Minerva.
Aber ich will so billig mit dem Herrn Quaerenten handeln, daß ich mich dieses
Arguments begebe, und dieses sein Vorgeben vor ein Hoff-Compliment und eine
Rhetorische Figur annehme, indem beyde Poemata weisen, daß wenn er nur es sich
recht will angelegen seyn lassen, seine Poemata alle unpartheyische Leser
convinciren, daß selbige gar nicht invita Minerva gemacht seyn, sondern wohl
fliessen, und in formalibus nicht viel zu erinnern sey, wenn nur die materialia
und ingredientia was taugten.
(Das erste Stück dieser andern Beylage.)
§. XXXVI. Dieses alles habe ich mit Vorsatz zu vorher erinnern wollen, damit ich
bey dem unpartheyischen Leser eine desto grössere Begierde erwecken möchte, die
Poemata quaestionis selbst zulesen, indem ich mich sonst hätte befahren müssen,
daß man vielleicht es mir selbst für einen grossen defectum judicii auslegen
würde, diese Poemata mit beydrücken zu lassen, indem ich mich nicht entsinne, in
Juristischen Händeln und Responsis teutsche und zwar etwas weitläufftige
Poetische Schrifften gelesen zu haben. Wolan dann, es folget nunmehro die erste
Schrifft dieser andern Beylage.
I.
1. Die Worte des Verläumders sind Schläge; und gehen einem durchs Hertz. Proverb. Salom. cap. 18. v. 8.
2. Vergeltet aber nicht Böses mit Bösen oder Scheltwort mit Scheltwort: sondern dagegegen segnet die euch verfolgen: Segnet und fluchet nicht. 1. Petr. 3. v. 9. Rom. 12. v. 14.
3. Unter Trest ist indessen, daß wir ein gutes Gewissen haben und fleißigen uns guten Wandel zu führen bey allen. Ebr. 13. v. 18.
4. Wer ist weise und klug unter euch. Der erzeige mit seinen guten Wandel seine Wercke in der Sanfftmuth und Weißheit. Habt ihr aber bittern Neid und Zanck in euren Hertzen, so rühmet euch nicht und lüget nicht wieder die Warheit. Denn das ist nicht die Weißheit, die von oben herab kommt, sondern irrdisch, menschlich und Teuffelisch, Denn wo Neid und Zanck ist, da ist Unordnung und
|| [313]
eitel böse Ding. Die Weißheit aber von oben her, ist
auffs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, lässet ihr sagen, voll
Barmhertzigkeit und guter Früchte, unpartheyisch, ohne Heucheley. Jac. c. 3. v.
13. 14. 15. 16. 17.
II.
Die Fehler einer guten Auslegung: sind von zweyerley Arten; dann einige kommen von der Boßheit, andere von der Narrheit her. Welcher aus Boßheit sündiget, wird ein Verläumder genandt.
1. Ein Verläumder: dichtet andern solche Meinungen an, welche sie doch nicht haben, und verfolget hernacher dieselbe, als wenn sie solche Meinungen führeten.
2. Ein Verläumder: leget einem Autori seine Sachen dergestalt aus, als wenn sein Sinn so und so zu verstehen wäre, welches doch der Autor gantz und gar verleugnet; obgleich derselbe durch augenscheinliche Merckzeichen, seine Intention nicht demonstriren kan.
3. Ein Verläumder: leget seines Gegners Stillschweigen dergestalt aus, als wenn solcher ihme gewonnen gäbe, und seine Meinungen annehme, derowegen er auch hernachmals vorgiebet, daß er triumphiret hätte, und die Unerfahrnen zu bereden suchet, als wenn sein Gegner nicht hätte antworten können.
4. Ein Verläumder: machet Schlüsse aus einem General-Satz eines Autoris, obgleich der Autor ernsthafftig vor solchen Schlüssen einen Abscheu träget.
5. Wann sich nun einer vor dem Laster solcher Verläumdung wohl vorzusehen gedencket, so muß er Fleiß anwenden, daß er vor allen Dingen dergestalt zu Lesung eines Autoris schreite, daß sein Gemüthe von Praejudiciis, Feindschafft und Haß frey und loß seyn, und hernacher, wann die Sache noch zweiffelhafftig ist, eine solche Auslegung mache, dadurch alles zum besten gekehret wird; dabey lasse er sich dieses gesagt seyn, daß zur Entschuldigung und Defension eines Autoris kleine und geringe Raisons gehören und gnung seyn, zu dessen Anklagung und Verdammung aber wichtige Ursachen gehören. Christian Thomasens Einleitung zur Hoff-Philosophie c. 13. von der Klugheit eines andern Meinung zu verstehen, Pag. 268. 269. 270.
1.
Du erstgebohrner Sohn tieffsinniger Gedancken, So die Welt-Weißheit, mir in die Vernunfft geprägt: Ein Diener fordert dich, vor die Gerichtes-Schrancken. Die Klage zielt auff Blut: die wieder dich erregt: Die Druck-Preß hat dich zwar an dieses Licht gebohren. Der Richter-Stuhl zum Kind des Todes auserkohren.
|| [314]
2.
Du siehest über dich, den Lebens-Stab zerbrechen. An keiner Missethat, dein Hertze schuldig ist. Du hörest ungehört, das Donner-Urtheil sprechen. Daß du der Flammen werth: der Hölle würdig bist. Es setzet ein Verboth, dich in den Bücher-Orden, Die zur verbotnen Frucht und Contreband geworden.
3.
Damit nicht deine Lehr, verketzere die Erden: Dem reinen Lutherthum sey des Anstosses Stein; Solt du zur Straff und Reu: ein Staats-Gefangner werden; Und von der Erd verbant, dein Angedencken seyn. Um zu entwältigen dich aus des Lesers Händen: Muß der Buchführer dich hin auff das Rathhauß senden.
4.
Die hohe Clerisey: die Seraphinsche Sonnen: Bey den, die Brust und Seel, das Urim Thumim ziert; Die haben wieder dich, auch einen Haß gewonnen: Es wird ihr Geist, vom Geist: für GOttes Ehr gerührt; Sie schmecken einen Gifft, in den gedruckten Blättern: Ihr Strahl will darum dich, zerstücken und zerschmettern.
5.
In allen Kirchen, wird die Sturme-Glock gezogen: Der Kirche von Augspurg, ein heimlich Feuer dräut; Es soll dazu von dir, in den Papiernen Bogen: Ein gantzer Schwefel-Berg und Aetna seyn bereit; Die frey gesetzte Sätz: sind die verdorgne Minen: Durch die, du sprengen wilt, derselben Glaubens-Bühnen.
6.
Man feuret scharff auff dich, die geistlichen Geschützen. Des Zions Aussenwerck, beziehet dopple Wacht. Es sind auff dich gericht des Kirchen-Bannes Blitzen: Weil du ein Erb-Feind bist, der ihre Lehr veracht. Ein Starcker: suchet dich, durch Läster-Wort zu schwächen. Ein Seelig; will dir gar die Seeligkeit absprechen.
|| [315]
7.
Nun gehet zwar mein Sohn, dein Unglück mir zu Hertzen. Den Donner, der dich schlägt, auch meine Seele fühlt. Ich bin gericht in dir: mir schmertzen deine Schmertzen. Der Dolch: so dich verwundt, auf meinen Todt mit zielt. Ich muß dahero mich: dich aber mehr beklagen: Weil deine Tugend schon, trägt der Verfolgungs Plagen.
8.
Doch lasse deinen Muth: nicht durch dis Unglück fällen, Du meiner Sinnen Sohn und der Gedancken Frucht! Ein See-Mann scheuet nicht die Raserey der Wellen. Von Martis tapfrer Zucht: wird nicht die Flucht gesucht; Wo du erlangen wilt, des Ruhmes Lorbeer-Zeichen: Must der Verfolgung: du nicht aus dem Wege weichen.
9.
Verfolgung wohnet stets: wo Warheit wird gehasset; Das Reich der Finsterniß, ausübet seine Macht. Schreibt man da frey und neu: wird der Befehl verfasset: Die Schrifft: soll seyn erklärt in die gelehrte Acht. Es kan ihr Irrthum, nicht dieselben Bücher leiden: Die den gemeinen Weg des Irrthums, wollen meiden.
10.
Dein Schicksaal haben schon erlauchte Leut gelitten. In dieser Marter-Roll: man Boccalini findt. Hat den Machiavel, nicht jedermann bestritten? Für Pallavicini: sind wenig wohl gesinnt. Es hat Cartesius, vergallte Ehren-Wunden: Von denen Federen der Geistlichen empfunden.
11.
Beckeri Zauber-Welt: was Hobbes uns geschrieben: Sind für unächtes Gut und falsche Waar geschätzt. Des Tolands Wercke sind nicht ungestrafft geblieben: Und in das schwartze Buch der Inquisition gesetzt. Ich will vom Beverland; Spmosa dieses melden, Daß oben an sie stehn, bey den verdammten Helden.
|| [316]
12.
Du must ein Zeno seyn: nicht zu Gemüthe nehmen: Wann eine Otter-Zung, was übel von dir spricht; Must dich dem Christenthum der heut’gen Welt bequemen: Die niemahls selber sich: doch andre Splitter richt; Vergönne daß sie schimpfft: ihr Schimpffen bleiben Lügen. Dein kluges Schweigen: wird ihr Reden überwiegen.
13
Hör mit Gelassenheit, ohn runtzlichtes Erzürnen: Wann das ehrwürd’ge Amt, ein Teufels-Buch dich nennt; Ehr sie und GOttes Lehr: denn sie sind die Gestirnen: In den, der Warheits-Licht, ohn dunckle Flecken brennt. Ich leide ja mir dir: sie wollen mich nicht schonen: Sie werffen mich und dich, von ihren Cantzel-Thronen.
14.
Der eine tauffet mich, zu einem Atheisten: Dawieder meine Schrifft, ein Gegen-Zeuge ist; Ein ander stellt mich bey den Indifferentisten. Der dritte sagt: daß ich sey ein Naturalist; Hierüber muß ich nun, mit vollen Lippen lachen: Weil meiner Meinung, sie andrehen fremde Sachen.
15.
Doch um der klugen Welt: die Lieb zur Warheit träget, Und von der Dienstbarkeit der Eigenlieb befreyt; Zu zeigen treulich an: was man zur Last mir leget; Daß wieder die Vernunfft und Bibel es nicht streit; Will wie ein Heyd und Christ: die Haupt-Sätz ich ab fassen, Und ihrer Redlichkeit, zur Uberlegung lassen.
16.
Ich lehre, daß GOtt sey: und daß aus seinen Wercken: Der Jude, Christ und Türck, der Heyde ihn erkent; Ich suche diesen Satz, aus heilger Schrifft zu stärcken: Die ein Historisch Buch von vielen wird genennt; Ich mache die Vernunfft, zum Richter in dem Glauben: Und daß darinnen sey die Freyheit zu erlauben.
|| [317]
17.
Ich nenne GOtt ein Eins: nach seinem wahren Wesen. In GOtt: die Christenheit, noch drey Personen ehrt. Zwar wird Dreyfaltigkeit, nicht in der Schrifft gelesen: Die Sache an sich selbst: geglaubet und gelehrt; Das Heydenthum: ist nicht bey einem Drey geblieben; Es hat der Götter Zahl: unzählbar aufsgetrieben.
18.
Weil nun viel Götterey: der Gottheit schnur zu wieder. Die Welt ein Circkel bleibt: der einen Punct vorzeigt. Die schwere Trinität: nicht ist für Layen-Brüder: Vor dieses Heiligthum: Vernunfft die Knie beugt; So schreibe füglich ich mit freudigem Gewissen: Der Heyde und der Christ: steckt noch in Finsternissen.
19.
Doch lobe ich den Heyd: der viele Götter liebet. Der Christ: thut wohl, wenn er glaubt die Dreyeinigkeit. Es muß von jedem seyn, der Glaube ausgeübet: Zu der: von Priestern er ist worden eingeweyht; Die Staats-Religion: die kirchlichen Gesetzen: Muß der in Staaten lebt: dem GOttes Wort gleich schätzen.
20.
Da aber die Vernunfft: zum Priester ich gewehlet. GOtt, sich in der Natur mir deutlich offenbahrt; Wird wieder die Vernunfft und GOtt: gar nicht gefehlet; Wann mit der Gottheit sich, die einigkeit, nur paart. Die Gottheit würde sonst die Majestät verliehren. Daß GOtt vollkommen sey: ist aus dem Eins, zu spühren.
21.
Diß Eins von Ewigkeit: ist mein Ziel der Gedancken. Ich lieb und ehre es: das ist mein Gottesdienst. Von diesem Eins: werd ich zu keiner Zeit abwancken. Ich lieb ihn: weil er GOtt; ohn Absicht zum Gewinst. Ich lieb ihn: will er mir, den Sitz der Engel geben. Ich lieb ihn: heißt er mich, bey denen Geistern schweben.
|| [318]
22.
Ich lasse keine Furcht: sich zu der Lieb gesellen. Die Liebe mit der Furcht: stimmt gar nicht überein. Wo ich GOtt fürchten soll: muß ich das Zeugniß fällen, Das was unendlich ist: beleidiget kan seyn. Weil aber sich an GOtt, kein Mensche kan vergreiffen: Warum soll sich ein Mensch mit Furchten überhäuffen?
23.
Die Ehr begleit die Lieb; ich ehr GOtt in drey Stücken: Durch die Bewunderung: wann ich sein Werck betracht. Durch dancken: daß er mich, mit Seegen will beglücken. Durch Unterthänigkeit: die ich mein Pflicht-Theil acht. GOtt ist mein HErr: ich Knecht! sein Wollen ist mein Willen. Sein Rathschluß ein Geboth: die muß ich recht erfüllen.
24.
Doch dieser Gottesdienst: bleibt innerlich im Hertzen. Vernunfft regieret ihn, durch Warheit und im Geist. Kein Kühn-Rauch fremder Hand: muß selbigen anschwärtzen. Ich halte das für wahr: was die Vernunfft mich heißt; Die heißt mich: daß ich soll mich niemahls darnach richten: Was andere von GOtt und seinem Wort, erdichten.
25.
Doch weil zugleich ich bin, in derer Sclaven Orden: Der von dem Wincken ab-der Souverainen hängt: Ist derer Glaube, mir zu einem Nord-Stern worden: Nach welchem äusserlich, mein Glaubens-Schiff sich lenckt. Ich glaub das: was mein Fürst; und suche abzuwarten, Der Kirche Gottesdienst: nach aller Völcker Arten
26.
Durch diese Sätze nun: weil ich sie frey entdecket; Obwohl sie sind gegründt, in der Vernunfft und Schrifft; Hab ich die Prediger, zum Zorne auffgewecket; Ihr Auge: Mund: und Hertz: sind wieder mich vergifft. Ihr Ausspruch geht dahin: daß ich durch diese Sätze: Den Bau der Christenheit, biß auff den Grund verletze.
|| [319]
27.
Bey diesem Feld-Geschrey, der Schrifft und Grund-Gelehrten: Bleib wie Molinos, ich mit stiller Ruh beglückt. Wenn sie gleich durch die Macht der Zungen, mich zerstöhrten: Wird mein Gemüthe nicht aus dem Gewicht gerückt. Ich könte ihre Flüch: mit Gegen-Flüchen rächen: Ich aber segne sie: will Christi Lehr nicht brechen.
28.
Denn solt ich ärgern mich: thät ich dem Leibe Schaden. Die Schrifft, die Sitten-Kunst: flöst uns die Sanfftmuth ein. Solt vor die Richter, ich die Hohenpriester laden? Würd ein Verächter ich der Bothen GOttes seyn; Und einen Dinten-Krieg, mit ihnen anzufangen: Dazu fühlt mein Geblüth, kein feuriges Verlangen.
29.
Denn wenn ich recht beleucht die Glaubens-Zänckereyen: Find ich: daß ihre Blüt aus schwartzen Wurtzeln stammt. Die Früchte, die sie trägt: sind Schmähen: Schelten: Schreyen. Wer weiß nicht, daß ein Christ: den anderen verdammt? Ich muß den Türck und Heyd: für ächte Christen preisen; Indem sie, durch die Lieb, das Christenthum beweisen.
30.
Ich liebe Fried und Ruh; such meinem GOtt zu dienen Nach dem Begriff, den ich, von seiner Gottheit führ. Da aber aus dem Zanck, nicht solche Rosen grünen: Kommt es, daß für dem Zanck, ich einen Eckel spühr; Ich werd der Priesterschafft: ihr Lehren nicht verwehren: Sie aber mich auch nicht, zu ihrer Lehr bekehren.
31.
Ich lebe wie ich will: bin frey in meinem Dencken. Ich schreibe was ich denck. Ich rede was ich schreib. Von dieser Lebens-Weiß: wird keine Furcht mich lencken. Ich weiß, daß ich ein Knecht der göldnen Freyheit bleib; Der Glaube komt von GOtt: von GOtt kommt dieses Leben: Demselben werde ich, von beyden Rechnung geben.
|| [320]
32.
Nach diesem Vorbild nun: must du mein Sohn dich richten. Lieb GOt: leb frey und treu: fürcht nicht die böse Welt. Lieb deine Freund und Feind, nach den Gesetz und Pflichten: Thu das, was sie vergnügt: nicht aber ihn mißfällt; Im übrigen laß dich nicht künfftig mehr anfechten: Der Clerisey ihr Fluch: und der Gerichte Rechten.
33.
Du bleibst ein ehrlich Kind: obgleich nach den Gebräuchen Der Zunfft der Geistlichkeit: du nicht zunfftmäßig bist; Hier gilt nur die Usance, und in gewissen Reichen In Holl- und Engelland: Gewissens-Freyheit ist. Da wird man dich mein Sohn, in Ruh und Frieden lassen: Nicht aber wie am N. als einen Ketzer hassen.
34.
Und hiemit lebe wohl! du erste Krafft der Lenden, Die von mir, durch die Krafft der Welt-Weißheit erzeugt. Ich habe diesen Brieff, dir wollen übersenden Zum Zeichen: daß ich dir bin väterlich geneigt. Ich werde dich mein Blut nicht lassen unterdrücken: Und zum Beweißthum dir, bald neue Kräffte schicken.
35.
Indessen da von dir, die Gottheit wird gepriesen, Und ihre Allmachts-Hand: aus der Erschaffungs-Spuhr. Weil ferner wird von dir, durch gute Gründ erwiesen Das Wesen dieser Welt: die menschliche Natur; Wird wieder deine Feind: ihr Wettern, Donnern, Blitzen: Dich GOtt: die Welt: der Mensch: behüten und beschützen. (Kurtze Antwort auff die ersten beyden numeros.) §. XXXVII. Ob nun wohl so wohl bey dem ersten numero dieses ersten Stücks der Beylage die allegirten dicta scripturae ohne application angeführet worden, auch dergleichen bey den andern numero geschehen, ausser daß daselbst der Herr Quaerente bey der 2. 3. und 5. Section ad marginem etliche Striche gemacht hatte; so kan ein jeder doch aus seinen vorhergehenden Schrifften gar leichte seine verborgene Hertzens-Gedancken errathen, und daß er auch diese zwey Stücke unserm Responso entgegen setzen wollen. Daß aber beydes abermahl sine mica judicii geschehen, wird jedermann leicht begreiffen, wenn er nur ein wenig zurücke
|| [321]
blättert und quoad primum dasjenige, was ich
oben §. 25. wieder die auch daselbst impertinenter allegirten loca Paulina
angemerckt, und quoad secundum, was §. 27. 28. 29. 30. auff dergleichen excerpta
ausführlich gemeldet worden, auch hieher appliciren will.
§. XXXIIX. Das Poëma selbst betreffend, wiederhole ich zuförderst(Speciale Anmerckung bey dem
deitten, daß der Herr Autor anders schreibe als er
es meine.) dicta §. 33. & 34. und mercke noch über dieses
kürtzlich an, daß der Herr Autor abermahls mit der Einsendung desselben seiner
ohne dem schlimmen Sache mehr geschadet als genutzet, indem man ihn in dem 28.
Gesetze auf einem offenbahren falsiloquio ertappet, wenn er daselbst meldet, daß
er die ihm wiedrige Clerisey nicht verklagen wolte. Denn seine eingeschickte
facti species und die angehängten Fragen beweisen just daß contrarium. Und wenn
er etwan gemeinet hätte, seine überall praetendirte Ehrgierde dadurch an den Tag
zu geben, wäre es noch einfältiger: denn warhafftig, und nicht ridiculer Weise,
Ehrgeitzige gebrauchen gewiß so gar plumpe Erdichtungen nicht, sondern fingiren
etwas klüger und künstlicher.
§. XXXIX. Und indem der Herr Autor ferner zu Ende des 34. Gesetzes,(Item daß er Auslachens würdig sey / und gar mercklich
prale.) sein Atheistisches Scartecgen, als die erste Krafft seiner
Lenden tröstet, daß er selbiges nicht wolle unterdrücken lassen, sondern bald
neue Kräffte schicken, giebt er allen seinen vermeinten Wiederwärtigen, und also
auch uns, weil er uns deutlich unter selbige rechnet, eine vortrefliche
Gelegenheit, ihn auszulachen, und seine Pralerey mit Händen zu greiffen, welches
ihm bey klugen Leuten abermahls an der praetendirten Ehrgierde sehr hinderlich
seyn dörffte. Denn wo sind denn diese neuen Kräffte, die er seiner lieben
Mißgeburt allhier so treuhertzig verspricht, geblieben? Er mag wohl damahls
gedacht haben, es würden ihm dieselbe nicht entstehen, sondern von unserer
Facultät allenfalls durch einen Courrier oder Extra-Post solche zugeschicket
werden. Es ist aber leider nicht geschehen, und die wichtigen Ursachen sind in
unserm Responso zu finden. Daß ich von der in dem letzten Vers des letzten
Gesetzes befindlichen neuen Pralerey nicht viel Worte mache, welches vielleicht
dem Herrn Praetendenten vorgekommen, als wenn in diesem Schlusse ein ungemeines
scharffsinniges acumen verborgen wäre, welches alle vernünfftige Leute admiriren
würden; wenn mans aber einfältig in prosa referiret, so klinget es also: Weil du
so viel von GOtt, der Welt, und der Menschlichen Natur geschwatzt, (abstrahendo
jam, ob es gehauen oder gestochen sey) so wird dich auch GOtt, die Welt und der
Mensch beschützen. Quae? qualis? quanta?
|| [322]
(Entwurff einer Poetischen Antwort des Büchleins an seinen
lieben Papa, und ein kleines Specimen davon.)
§. XL. Indessen ist mir beygefallen, ob etwan, wenn ich mich ein wenig nach dem
Genio des Herrn Praetendenten accommodirte, und ihm meine Gedancken gleichfalls
reimweise eröffnete, meine gute treuhertzige Erbarmniß und Ermahnung desto eher
durchdringen möchte, weil er doch ein grosser Liebhaber von einer ingeniösen
Poefie zu seyn scheinet. Nun mangelte es mir zwar eben an der invention nicht,
und überlasse ich dem Leser zu judiciren, ob sie nicht zum wenigsten eben so
ingeniös sey, als des Herrn Praetendenten seine. Es solte ein Antworts-Schreiben
seyn, daß das arme abscheuliche Monstrum (repete supra dicta §. 24.) an seine
liebe Mama, wie er sich oben betitelt, oder an seinen lieben Papa, wofür er sich
hier ausgiebet, wiederum abgehen liesse, und ihm darinnen seinen bißhero mit
lebendigen Farben abgemahlten elenden Zustand wehmüthig vorstellete, auch ihn,
daß es hohe Zeit sey in sich zu gehen, und von seiner groben Atheisterey
abzustehen, ernstlich vermahnete. Wegen der Materialien war gleichfalls keine
Sorge zu tragen; denn der Haupt-Grund konte aus unserm Responso, das übrige aber
und die illustrationes ex hactenus dictis genommen werden. Jedoch mangelte es
mir am besten, nemlich daß ich kein Poete war, und per dicta §. 35. nicht gerne
invita Minerva mich etwas unterfangen wolte. Nichts destoweniger, da sich ein
guter Freund anbot, daß er die Ausarbeitung dieser invention über sich nehmen
wolte, ließ ich es geschehen, aber da mir selbige gebracht wurde, sahe ich, daß
der gute Freund in der Reim-Kunst so ein elender Stimper war, als ich, und mag
also dem Herrn Praetendenten mit dem Abdruck des gantzen Gedichts, daß das
Seinige an Grösse übertraff und bey nahe seiner §. 14. exhibirten Gegenschrifft,
der Grösse nach, gleich kam, nicht verdrießlich fallen, jedoch wird er es nicht
übel nehmen, wenn ich ein klein specimen daraus, und was nur itzo §. 38. sq.
angeführet worden, hieher setze, damit er nicht dencke, als wenn dieser mein
gantzer Vorwand ein Gedichte sey:
Ach hertzer lieber Vater mein Lügt nicht so in den Tag hinein. Ihr sprecht, daß ihr die Clerisey Nicht wolt verklagen. ey! ey! ey! Da doch die facti species Gar augenscheinlich weißt, daß es Sich in der That gantz anders b’find. O weh! o weh! ich armes Kind. Ich hätte Schlösser drauf gebaut, Daß der Papa mir armen Haut
|| [323]
Bald würde kräfftge Hülffe schicken Der Clerisey
entgegn zurücken Daß viel Juristsche Facultäten Mir würden helffn aus allen
Nöthen, Und geben eine Correction Denen, die die
Confiscation Verhänget han, und ausgesprochen, Und würde werden wohl gerochen.
Seht aber was der Guckguck thut, S Responsum ist für mich nicht gut, Dieweil es
alles defendirt, Was den Papa und mich vexirt. Ey wohl! ist das die kräfftge
Hülffe? Es hilfft mir nicht mit einer Sülffe, Wolt sagen Sylbe sicherlich, Es
wolte nur nicht reimen sich. Das kränckt mich hertzlich, Herr Papa Daß ich steh
wie der bekante Herr Johannes da etc.
Ich habe dem Herrn Concipienten diese elende Verse ernstlich verwiesen,
sonderlich aber, daß dieser letzte Reim keine scansion und etliche pedes zu viel
hätte, er gab mir aber zur Antwort, daß er alles mit Fleiß also gedichtet hätte,
damit er die Wahrscheinligkeit in acht nähme, weil doch kein Vernünfftiger
praetendiren würde, daß das abscheuliche Monstrum, das bald nach der Geburt
confisciret worden, so anmuthige und reine Verse machen solte, als sein so
gelehrter und in der Poesie geübter und berühmter Herr Vater. Was den letzten
Vers beträffe, wolte er sich zwar nicht mit der bekanten Antwort eines armen
Poeten vertheydigen, der da gemeinet, daß die Verse, die etliche pedes zu viel
hätten, desto geschwinder lauffen könten, sondern er hätte in diesem Stück den
berühmten Herrn Praetendenten selbst imitirt, als der einer dergleichen licenz
in dem folgenden Poemate in dem 4. Vers des 11. Gesetzes sich bedienet hätte. Ob
nun wohl die Sache in der That sich also verhielte (wie davon unten zu seiner
Zeit §. 49. mit mehrern soll geredet werden,) habe ich doch das übrige von dem
weitläufftigen Werck supprimirt, jedoch mit dem Vorbehalt, daß, wenn der Herr
Praetendent es begehren solte, ihme selbiges von Anfang biß zu Ende in Vertrauen
könne communiciret werden.
|| [324]
(Erwehlung eines andern berühmten tentschen Poeten.)
§. XLI. Weil es sich nun nicht schicken wolte, dem Herrn Quaerenten mit
Uberschickung dieses Epistolii verdrießlich zu fallen; so habe ich mich hin und
her besonnen, ob ich nicht etwa sonst einem berühmten Poeten, dessen
Vergleichung sich der Herr Quaerente nicht schämen dürffte, etliche gute
Gedancken abborgen, und dem Herrn Quaerenten aus Danckbarkeit wieder zurücke
schicken könte. Ich habe auch nicht lange nachsinnen dürffen, indem mir alsobald
einer beygefallen, der zu seiner Zeit für einem von den berühmtesten gehalten
ward; und noch heute von dem berühmten Wagenseil und andern gelehrten Männern
dem Virgilio, Ovidio u. s. w. vorgezogen wird; dessen anmuthige und sehr
nützliche Schrifften in etlichen Bänden etliche mahl wegen grossen Abgangs
auffgeleget werden müssen; aus welchen man fast in allen Blättern gewahr wird,
daß der rechtschaffene Mann nicht alleine die heilige Schrifft fleißig gelesen
und höchlich geliebet, und daraus den Psalter, die Sprüche, den Prediger, und
die Weißheit Salomonis, den Jesus Syrach u. s. w. reimweise übersetzet, sondern
auch daß er viel Griechische und Lateinische gelehrte Scribenten von allerhand
Gattung, Homerum, Hesiodum, Virgilium, Ovidium, Terentium, Horatium, Lucianum,
Livium, Plutarchum, Aristotelem, Platonem, Crantzium, und viele andre mehr
fleißig gelesen, und derer Lehren hin und wieder mit gutem judicio angebracht.
Und ob er wohl in der lieben Metaphysica und Dialectica & Sophistica,
nicht eben viel sonderlich scheinet erfahren gewesen zu seyn, auch sich um die
qualitates occultas und andre unnütze Sachen der Scholastischen Physic nicht
sehr bekümmert haben mag, so weisen doch alle seine Wercke, daß er die
vernünfftigen principia einer wahren Morale und einer ächten Politic, ja gar des
von dem Herrn Quaerenten so höchlich geliebten Policey und Finanz wesens nicht
alleine wohl inne gehabt, sondern auch aus diesen schönen Principiis
herfliessende vielfältige gute Lehren in seinen Schrifften durchgehends
angebracht, und die Thorheiten und Gefährlichkeiten der Atheistischen und
abergläubischen, ingleichen thörichten und lasterhafften Morale, Politic, u.
Oeconomie sehr deutlich und handgreiflich für Augen gestellet, in der
Jurisprudenz von dem Amte gewissenhaffter Richter und Advocaten u. wieder dessen
vielfältigen auf beyden Theilen vorkommenden Mißbrauch, gar deutlich und
nachdrücklich zum öfftern gute Erinnerungen gethan; in der Theologie nicht nur
das Elend des Pabstthums, so viel Lehr und Leben betrifft, insonderheit der
Mönche und Pfaffen, sonder auch dessen annoch bey uns hier und dar vorhandene
grobe Brocken dergestalt mit lebendigen Farben, auch zuweilen ein wenig ironice,
oder satyrisch abgemah
|| [325]
let, daß man dieses alles
ohne grosses Vergnügen nicht lesen kan. Seinem Stande und Vermögen nach war er
zwar kein Edelmann, aber auch kein Bauer, und unter denen Bürgern lebte er in
einem solchen Stande, daß er für einen Meister in der Poesie zu allen Zeiten ist
gehalten worden, ob er schon kein eigentlicher Poeta laureatus (so wenig als
meines Wissens der Herr Quaerente) war. Er hat seiner beyder Gemahlinnen und mit
ihnen erzeugten Nachkommen in seinen Gedichten mit Ruhm erwehnet, und ihre
Tugenden gelobet. Gleichwie nun diese gute Haußhälterinnen waren, also war er
ein guter Oeconomus, der für sich und seine Nachkommen klüglich gesorget, auch
dieselbe mit Erwerbung und Anschaffung bürgerlicher Nahrung genungsam versorget,
und keine Schulden, so viel mir bekant, nach sich gelassen, die von seinem Erben
nicht bezahlet worden wären. Ja was braucht es viel von seinen Ehrenstande viel
Worte zu machen: da derselbe daraus genungsam kan abgenommen werden, weil die
Christliche Lutherische Kirche (zu welcher sich der Herr Quaerente doch auch
äusserlich bekennet) ihn ob er schon ein Leye, und kein Geistlicher war, und
etliche von seinen Liedern so hoch geachtet, daß selbige bis zu meiner Zeit noch
in denen öffentlichen Versammlungen so wohl als zu Hause sind gesungen worden,
und noch an vielen Orten gesungen werden, auch der Herr Quaerente vermuthlich
dieselben zum öfftern wo nicht selbst mitgesungen, doch von andern wird haben
singen hören.
§. XLII. Es sind zwar freylich seine Reime nicht nach der heutigen(Nemlich des ehrlichen Nürn bergischen Hanß
Sachsens.) galanten Art des Herrn Quaerenten geschrieben; aber es hat
dieser berühmte Poete auch nicht zu der heutigen galanten Zeit, sondern für
zweyhundert Jahren zu des Herrn Lutheri Zeiten gelebet; jedoch bin ich gut
dafür, daß wenn er zu unserer Zeit geschrieben haben solte, alsdenn seine Poesie
denen Gedichten des Herrn Quaerenten nichts nachgegeben, sondern wahrscheinlich
dieselben übertroffen haben würden; zum wenigsten wolte ich gut dafür seyn, das
er diejenige licentiam Poeticam nicht gebraucht haben würde, der sich unser Herr
Quaerent, wie allbereit oben §. 40. erinnert worden, in dem bald folgenden
Poemate bedienet hat. Mit einem Worte, es ist der ehrliche alte Hanß Sachs,
berühmter Meister-Sänger, und künstlicher Schuster, auch in seinem Alter
halbehrwürdiger Schulmeister in Nürnberg. Wem seine Schrifften nur ein wenig
bekant sind, wird gar bald sehen, daß alles dasjenige, was ich im vorigen
Paragrapho von seinen guten Qualitäten gerühmet, in der That sich so verhalte,
und keinesweges etwan ironice erdichtet sey: auch dasjenige, was ich von
|| [326]
seinen Gemahlinnen erwehnet, wird der Leser gantz
richtig in denen Gedichten unsers Hanß Sachsens in des dritten Buchs 1. Theil p.
530. seq. und in des fünfften Buchs dritten Theil am Ende p. 154. seq. finden;
und wird ein jeder vernünfftiger Mensch dem guten Hanß Sachsen, daß er seine
zwey Weiber mit dem Gemahl-Titel belegt, nicht zum Stoltz ausdeuten, wenn er
bedenckt, daß dieses damahls so gebräuchlich gewesen, wie unter andern D.
Luthers Auslegung des 6. Gebots in dem kleinen Catechismo jederman unterrichtet.
(Summarische Benennung etlicher aus seinen operibus hieher gehöriger Schrifften.)
§. XLIII. Nun habe ich zwar gar vieles in Hanß Sachsens Schrifften gefunden, das
ich dem Herrn Quaerenten wieder mit Poetischen Sachen zu regaliren hätte können
beydrucken lassen, als z. E. aus des ersten Buchs dritten Theil fol. 222. b.
seq. 1. die Comödie von einem Vater und zwey Söhnen, davon der eine zu karg, der
andere zu verschwenderisch war, die aber beyde zu Vertheidigung ihrer Laster gar
viele Sprüche aus heiliger Schrifft anzuführen wissen, und darinnen unserm Herrn
Quaerenten nichts nachgeben. Ferner aus besagten dritten Theil fol. 301. a. des
Klaffers Zung: ingleichen fol. 303. b. den Streuner und Klaffer aus dem 21.
Capitel Jesus Syrachs. Item fol. 332. seq. den Eigennutz, das greuliche Thier,
mit seinen zwölff Eigenschafften, sonderlich denen Eberzähnen, da er unter
andern diese nachdrückliche Worte braucht.
Durch Gesetz, Statut, und Policey, Haut er der Löcher mancherley. Noch fol. 334. b. seq. die Vergleichung eines kargen reichen Mannes mit einer Sau in 40. Stücken. Aus dem vierten Theil fol. 395. b. eine artige Beschreibung der Wanckelmüthigkeit (als mit welcher die Leute von melancholico sanguinischen Temperament, ihrer gewöhnlichen Hartnäckigkeit unbeschadet, insgemein sehr geplagt sind,) und fol. 489. b. von einem Neidischen und Geitzigen: Aus des andern Buchs vierten Theil p. 85. die Fabel von Schmeichler und Warhafften bey dem Affen-König: aus des dritten Buchs dritten Theil p. 84. seq. das Fastnachtsspiel: die Warheit will niemand herbergen; ingleichen p. 75. seq. den unersättlichen Geitzhunger: Aus des vierten Buchs andern Theil p. 220. seq. drey Philosophische Sprüche wieder den Neid, Müßiggang und Geitz. p. 239. seq. die Vergleichung eines geitzigen Mannes mit einer Otter. Aus des fünfften Buchs ersten Theil p. 23. & 88. den 14. und 53. Psalm von denen Thoren, die in ihren Hertzen sprechen: es ist kein GOtt; aus dem andern Theil p. 238. seq. von neun Stücken, die in Armuth bringen 1. Bauen, 2. Bergwerck, 3. Alchymie, 4. Haderey, 5. Rechten, 6. Pracht, 7. Bu
|| [327]
lerey, 8.
Spielen, 9. Trunckenheit etc. Aber ich habe doch aus unterschiedenen Ursachen
angestanden, mich einer von diesen bißher besagten Piecen zu bedienen, sondern
habe sieben andre Stücke ausgesucht, die ich dem Herrn Quaerenten hinwiederum zu
praesentiren mich entschlossen.
§. XLIV. Die ersten drey Stücke übersende ich dem Herrn Quaerenten(Beschreibung eines armen Atheisten von melancholischer
und sanguinischer complexion.) zur
Danckbarkeit wegen der oben in 36. §. angeführten an uns überschickten drey
Stücke. Und wie er dieselbe uns zu Erweckung mehrerer Frölichkeit zugesendet;
also bitte ich hingegen, der Herr Quaerente wolle diese drey Stücke in allen
Ernst zu seiner höchstnöthigen Selbst-Erkäntniß und Besserung, wenn anders
dieselbe möglich ist, gebrauchen. Seine erste Piece bestund aus allerhand dictis
scripturae, ohne application. Gegenwärtiges erstes Stück stellet aus dem zwey
und neuntzigsten Psalmen einen armen Atheisten und zwar von melancholischer und sanguinischer complexion für, wobey ich gleichergestalt die
Application so wohl dem Herrn Quaerenten, als dem unpartheyischen Leser
überlasse. Hanß Sachse hatte diese Schrifft 1559. an 13. Junii verfertiget, und
ist selbige zu befinden in des andern Buchs ersten Theile p. 123.
Der Königlich Prophet David, Das zwey und neuntzigist Psalm-Lied, Das machet er durch Geistes Sag, Zu singen auf dem Sabbath Tag, Da preiset er in dem Gesanck Wo man dem Herren saget Danck Und seine Werck erkennen thut Das heist er köstlich, fein und gut. Fängt an, und spricht: ein köstlich Ding Ist, wo man von Hertzen verbring GOtt dem HErren sey Lob und Danck Und mit frölichem Lobgesanck Seinem herrlichen Nahmen lobsing Du höchster Schöpffer aller Ding, Auf das man zu Morgens gerad, Verkünd dein überflüßig Gnad Die du bewiesen hast aufrecht, Dem gantzen menschlichen Geschlecht, Und daß man zu des Abends Zeit, Verkünd dein heilige Warheit, Die du durch dein göttliches Wort, Verkünden liest durch alle Ort, Der sey unser Hertz ein Verwalter Mit zehen Seiten auf den Psalter, Mit schön resonanzen und Scharffen Gedicht zu spielen auf der Harffen, Denn Herr du läst mich frölich singen Von deinen Wercken ob allen Dingen, Und ich rühme an allem End Die Geschäfft und Wercke deiner Händ, Herr wie sind deine Werck so groß. Deine Gedancken tief und grundloß Unbegreiflich und wunderbahr, Wie du doch hilffest immerdar Und beschützest die Lieben dein Welche dich anruffen allein, Und sich gäntzlich auff dich verlassen. Ein thörigt Mann aber dermassen, Der versteht deiner Werck auch nicht, Der Narr hat der auch kein Bericht, Meint was gescheh in allem Stück / Das komt alls her von dem Gelück
|| [328]
Hat auf Gottes Werck gar kein acht, Derhalb nur auf das zeitlich
tracht. Also die Gottlosen der maß Grünen auf der Erden wie das Graß, Auch
blühen alle Ubelthäter Wie das Graß in eim fanften Wetter Doch habens kein
Bestand auf Erden, Denn endlich sie vertilget werden Hie und dort immer ewiglich
Dieweil sie HErr nit kennen dich, Sind gottloß in ihren Thaten Derhalb vergehn
sie wie der Schatten, Aber du HErr bleibst ewiglich Der Allerhöchst in deinem
Reich, Denn all Ding stehn in deiner Hand Du bist deinem Volck ein Heyland. Drum
lieber HErr sie deine Feind All deine Feind, die werden heint Umkommen wie
gewaltg und hoch Sie sich auf Erden bedüncken doch, Die dich HErr vor haben
veracht Deiner Geliebten viel umgebracht, Viel deiner Auserwehlten Knecht. Ich
aber hof zu dir auf recht, Mein Hören und wahrhafter Glaub Der werd erhöhet in
dem Staub Eben gleich wie an eim Einhorn Das gar kühn unverzagt ist worn, Also
ist auch das mein Gemüth Erfreuet durch des Geistes Güth, Gesalbet mit dem
Gnaden-Oel Das mich ewig erfreuen söll, Dann mein Aug wird sein Lust bald sehn
An meinen Feinden in der Nähen, Auch wird mein Ohr hörn seine Lust An allen
boßhafftigen Sust, Welche sich setzen wieder mich, Wenns GOtt wird plagen
härtiglich Weil sie ihm lebten wieder sehr Verachten sein Gewalt und
Ehr, Und wird täglich von ihn geschmecht, Aber es wird noch der Gerecht, Grünen
gleich wie ein Palmen-Baum, Und aufwachsen in weitem Raum, Wie ein Ceder auff
Libanon Also wird auch zu nehmen thon, Ein from mer gottseeliger Christ Der
seinem Nächsten unschädlich ist, Wird grünen im wahren Glauben Des ihn kein
Unglück mag berauben, Und ist gepflantzet in das Hauß Des HErren sehr groß
überaus, Die in den Höhen grünen werden Der GOttes Gemein hie auff Erden, Und
wenn sie geleich werden alt So blühen sie doch mannigfalt Gar nützlich, frisch
und fruchtbahr seyn In des Herren Hauß und Gemein, Verkündigen frey um und um,
Daß der HErr sey getreu und frum, Der höchste Hort menschlichem Gschlecht Und
ist an ihm gar kein Unrecht.
Beschluß.
So beschleust David sein Gesang Gar mit einem holdseligem Klang Und lobet GOttes Werck mit Freuden Thut die mit Fleiß rühmen und geuden, Welliches doch könten allein, Die Gottseeling Christlicher Gmein, Aber die Gottlosen entwicht Verstehn die Werck des HErren nicht, Haben nur auf das Zeitlich acht Ihr Hertz nach GUT und WOLLUST tracht,
|| [329]
Sie grünen, wenn sie das gleich habend, Doch wie das Graß sie auf
den Abend, Werdens dürr, und plötzlich umkommen Aber der Gläubigen und Frommen,
Die sich in GOttes Wort bemühen Dieselbe zunehmen und blühen Und grünen hier in
dieser Zeit Und verkünden mit Frölichkeit Des Herren Treu, Ruhm, Lob und Ehr Bey
dem Nächsten mit That und Ehr Weil er allein ist der Heyland, Der
hilfft und schützt mit treuer Hand, Die sein, das im Geist nehmen zu Feyren ihr
Werck in stiller Ruh Und betrachten die GOttes Werck Mit Lob und Ruhm, das gibt
ihn Stärck, Als am Sabbath, daß ihn aufwachs Fried, Freud im Hertzen, wünscht
Hanß Sachs.
§. XLV. Des Herrn Quaerentis anders Stück, das in excerptis von(Von dreyerley Menschen auff Erden.)
verleumderischen Auslegungen bestunde; wird itzo aus Hanß Sachsen auch ohne
application erwiedert durch eine Meditation aus dem Hesiodo von dreyerley
Menschen auff Erden, weisen Leuten, Thoren, die sich lencken lassen, und endlich
hartnäckigten Thoren. Sie ist verfertiget worden anno 1558. an 1. Februario und
zu finden in des andern Buchs andern Theile p. 169. seq.
Es beschreibet Hesiodus Der alt berühmt Philosophus. Vor vielen Jahren ein weiser Heyd, Es sey dreyerley Unterscheid, Auff Erd bey allen Menschen Kinden, Wie man es noch täglich thut finden, Die ersten sind, welche sind worn Vom Einfluß der Natur gebohrn Das ihm eingepflantzt ist allezeit Lust zu der Tugend und Weißheit, Und brauchen der in ihrem Leben, Beyde mit Wort und Thaten eben Thun allzeit von ihm selber schlecht Alls was ist löblich, gut und recht, Diese haben den höchsten Adel, Weil sie leben ohn allen Tadel, Ihr gantz Leben voll Tugend scheint Und sind auch allen Lastren feind Wahrhafftig ohne all Heuchlerey Sind ein Fürbild und Spiegel frey, All andren Menschen in der Nähen Die ihr Wort und That hörn und sehen, Die denn auch besser von ihn wärn Dazu sie auch die Albren lehrn, Welche noch in der Irr umgehn Weder böß oder gut verstehn, Daß die auch durch Weißheit fürbaß Auch gehn der rechten Tugend Straß. Also der Menschen erster Theil Der lebet ihm selber zu Heil, Und weist mit hohen Fleiß die andren Auch den Weg der Weißheit zu wandren Doch dieser erste Theil oben gemeldt Ist der kleinste Theil in der Welt.
Der andre Theil.
Der andre Theil der Menschen Kinder Die sind etwas geadelt minder, Den ist von Einfluß der Natur Nit also eingepflantzet pur In ihr Vernunfft solche Weißheit Wie den ersten in dieser Zeit, Die leben hin nach Fleisch und Blut
|| [330]
Nach Neigung, Affect, Sinn und Muth, Ohn Zaum gleich der tollen
Jugend; Achten weder Weißheit noch Tugend, Weil sie darauff nie sind gewiesen
Also viel edler Zeit verliessen. Unempfindlich eigener Thorheit, So man sie aber
mit der Zeit, Mit sanfften Worten zeucht und lehrt Und solche Unart ihnen wehrt
Vertraulichen in aller Güth So habens doch ein gut Gemüth, Gehorsam gefällig und
geschlacht, Daß sie werden gar leichtlich bracht, Auf die Strassen der
Tugend-Bahn, Die nehmen sie begierlich an, Und würcket diese Straf und Zucht Bey
diesem Theil der Weißheit Frucht, Den Weg der Thorheit sie verlassen Und gehn
denn nach der Weißheit Strassen, Darin erkennen mit der Zeit Ihr Thorheit und
Unwissenheit Darin sie gangen sind gefährlich Und haben geirret so schwerlich,
Und wären auch verdorben drin Wo ihn ihr Hertz Gemüth und Sinn Mit Weißheit nit
wär worn erleucht Durch Zucht der Weißheit wär befeucht Der Theil ist grösser,
doch zuloben, Doch weit geringer, denn die oben.
Der dritte Theil.
Der dritte Theil der Menschen sind Gleich thörigt, toll und staren blind, Die gehn nach ihrem eignem Sinn Immer wie ein Saumroß dahin, Ihn gfält allein ihr eigne Weiß Und haben weder Acht noch Fleiß Was ihn sey schändlich oder löblich Die fehlen des rechten Wegs sehr gröblich, Also hin nach ihrm Kopf thun wandren, Von einer Untugend zu der andren In einem lasterlichen Leben Je länger je mehr darein bekleben Und wer sie unterweisen will Und ihn zeigen der Weißheit-Ziel Vernünfftiglich und wohl zu leben, Demselben kein Gehör sie geben, Und stellen sich zu diesen Dingen, Sambt thu er einem Todten singen, Wird von ihm seiner Lehr veracht, Verspott, verhöhnet und verlacht, Alle Zucht ist an ihn verlohren Schlagen die Weißheit aus mit Zorn, Und stellen sich also dagegen, Als woll man eyserne Kettn anlegen, Also in ihrer Thorheit verharren, Diese sind allezumahl Narren, Und lassen vor Thorheit nit ab Und bleiben Narren biß ins Grab.
Beschluß.
Bey dieses weisen Heyden Lehr So sieht man leider, daß vielmehr, Und grösser ist der dritte Theil Menschen auf Erd, lebt zu Unheil Ihn und auch andren zu der Zeit Nach eignem Willen und Thorheit, Der sie gemeiniglich nachtrachten Alle Straff Zucht und Lehr verachten Fehlen der edlen Weißheit Pfort Wie das probirt das alte Sprichwort, Weil jedem gfält sein Weiß so wol So ist das Land der Narren voll, Derhalb es auch so übel steht Gar schändlich und lästerlich geht, In allen Ständen ober und nieder
|| [331]
Bey Arm und Reichen hin und wieder, Bey dem Alter wie bey der Jugend
Findt man wenig Weißheit und Tugend Wie man etwa fund bey den Alten
Seins Gefallens thut ein jeder walten Des ist zukünfftg viel Ungemachs Der argen
Welt, so spricht Hanß Sachs.
§. XLVI. An statt des Herrn Quaerentis dritten Stücks will ich(Artzney wieder die Hoffarth.) selbigen das
folgende Carmen des Nürnbergischen Poeten recommendiren, welches er besage
seines fünfften Buchs andern Theiles p. 236. s. anno 1563. an 22. Maji
verfertiget, und dem er den Titel gegeben; Artzeney wieder die Hoffarth. Der
Herr Quaerent will par force ein cholerisches und ambitieus Temperament haben,
und mithin wegen eines vortreflichen judicii gelobt seyn. Ich habe öffters
erinnert, das diejenigen, die par force ehrgeitzig seyn wollen, eine recht
ridicule Ambition besässen und wenig warhafftige Ehrgierde, noch weniger aber
ein gut judicium hätten. Mich dünckt Hanß Sachse hat schon zu seiner Zeit,
sonderlich in denen mit andern Buchstaben gedruckten Versen, einerley Meinung
mit mir gehabt.
Petrarcha wieder die Hoffart, Und ihrer hochmütigen Art, Gibt uns ein heilsam Artzeney, Wie Hoffart zuvertreiben sey, Durch etliche Recept und Mittel Im hundert und eilften Capittel, In seinem Buch wieder das Unglück Beschreibt er kurtz gemeldtes Stück, Und spricht: sag an du Asch und Erden Wie kanst und magst hoffärtig werden? Wie kanst du dich erheben fast Mit aller schweren Sünden Last, Damit du hoch bist überladen, Die dir dräuen der Seelen Schaden? Wenn du dich gleich in Tugend üblest, Mit Hoffart du sie all betrübtest, GOtt ist der Hoffart mächtig feind, Wie in dem Lucifer erscheint, Der durch die Hoffart ist gefallen, Was blehst dich denn in Lastren allen Auff, der ohn Zahl stecken in dir, Wort, Werck, Gedancken und Begier. Welches aus allen kanst dich rühmen, Dem Hochmuth zu schmücken u. blümen, Welchem kein Lob kan folgen nach, Sondern allein Schand, Pein und Schmach, Gedenck daran, daß du bist sterblich, Am Leib stets abnehmest verderblich, Denck auff tausentrley Kranckheit Art Die all Augenblick auff dich wart, Denck an dein ungewissen Todt, Und an hundertley Angst und Noth, Die dir allzeit heimlich nachstellen, Dich an Leib, Ehr und Gut zu fällen, Denck an der deinen Feind nachschleichen, Und auch an deiner Freund abweichen Denck an das hinfliegende Gelück, Denck des Unfalls an deinem Rück, Gedenck vergangner böser Tag, Und fürcht der zukünfftigen Plag, Denck, die Hoffnung allzeit zabelt In Forcht und Sorg auff und abwabelt,
|| [332]
Denck an die Blindheit deins Gemüths, Und an die Schwachheit deins
Geblüths Denck an dein rachseliges Hertz, Denck an deins kalten Neides Schmertz
Denck an dein schnöd geitzige̅ Mut, Denck an dein geil unkeusches
Blut, Damit dein Jugend hast zubracht, Mit Wort, Gedanck, Werck ungeschlacht
Denck an dein Lüg, Betrüg und List Damit du stets umgeben bist / Denck an all
dein Gewohnheit schnöd, Denck wie du bist an Tugend blöd / Wie magst in so viel
Gbrechen dein Hoffärtig und hochmütig seyn: Denck, daß du durch der Hoffart
Pracht Bey GOtt und Menschen wirst veracht, Wer in der Hoffart thut verharren,
Den hält der weiß Mann für ein Narren Sglomon spricht, die Hoffart schwer Die
geht vor dem Verderben her. Homerus spricht, es sey auf Erden Kein
ärmer Thier voll mit Beschwerden, Denn der Mensch, der zu aller Zeit Voll ist
aller Gebrechlichkeit, Deshalb Mensch, wo du das bedenckest Der Hoffart Wurtzel
du bald kränckest.
Der Beschluß.
Weil man bey dieser Lehr verstaht, Daß ein Mensch so viel Brechens hat Die sein Leib und Gmüth hangen an, Soll er der Hoffart müßig gahn, Weil er mit stoltz, hochmütgen prangen Auf Erden gar nichts thut erlangen, Denn Feindschafft, Ungunst, Neid und Haß Bey jedermann, drum steht ihm baß, Daß jeder sich hält nach seim Stand, Und veracht aus Hochmuth niemand, Halt sich eingezogen und demütig, Gegn jedermann freundlich und gütig, Mit Worten, Wercken und Gebehr, So wird auch lieb gehalten er, Daß ihm auch viel Freundschafft auffwachs Bey jedermann, so spricht Hanß Sachs. (Das andre Stück der andern Beylage des Herrn Quaerenten.) §. XLVII. Nun folget das an unsere Facultät und mich gesendete andre Stück der andern Beylage. Der Titel und Inhalt desselben ist schon oben §. 31. zu finden. So kan auch dasjenige, was daselbst §. 32. 33. 34. 35. allbereit erinnert worden, so wohl in genere wegen der auch hier befindlichen dreyen Classen wieder repetiret werden, als insonderheit die Anmerckung §. 37. wieder die ersten beyden numeros.
I.
1. Verdamme niemand, ehe du die Sache zuvor erkennest: erkenne es zuvor und straffe es denn. Du solt nicht urtheilen, ehe du die Sache hörest, und laß die Leute zuvor ausreden. Jesus Syrach c. 11. v. 7. 8.
2. Euer Rede sey allezeit lieblich und mit Saltz gewürtzt, daß ihr wisset, wie ihr einem jeglichen antworten sollet. Coloss. 4. v. 6.
|| [333]
3. Denn eine richtige Antwort: ist wie ein lieblicher Kuß: Sprüchwört. Salomon. c. 24. v. 26.
4. Und wer ist, der euch darum schaden könte, so ihr nur sonst dem guten nachkommet? und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seyd ihr doch selig. Fürchtet euch aber für ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht. Heiliget aber GOtt den HErrn in euren Hertzen. Seyd aber allezeit bereit zur Verantwortung jeder mann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist. Und das mit Sanfftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so von euch affterreden, als von Ubelthätern, zu schanden werden, daß sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. 1. Petr. 3. v. 13. 14. 15. 16.
II.
1. Ein CALUMNIANTE: dichtet einem Scribenten einen Verstand an, den er nie in Sinne gehabt, und beschuldiget darnach denselbigen, als wenn er einer irrigen Meinung beypflichtete: will auch den andern mit aller Gewalt nöthigen, daß er gestehen solle, er habe die Worte nach seiner, des Calumnianten, Auslegung verstanden.
2. Ein CALUMNIANTE: excerpiret aus einem Scribenten alle zweydeutige Redens-Arten, und sondert sie von dem gantzen Cörper ab, lässet etliche Worte aussen, oder rückt dann und wann andere hinein, damit er nur bey andern Leuten denselben in wahrscheinlichen Verdacht bringen möge, als wann er lächerliche oder schädliche Irrthümer hegete.
3. Ein CALUMNIANTE: giebt für die Meinung eines Scribenten aus, was derselbe unter anderer Personen Nahmen discuriret, z. E. wenn in Dialogis, Gedichten, Comödien, u. s. w. Personen von unterschiedenen Character auffgeführet werden, und der Autor sich angelegen seyn läßt, den Character einer jeden Person durch gehörige Reden recht zu exprimiren, so fällt ein Calumniante zu, und legt dem Autori die Meinungen, die er unter der Person eines Pedanten, oder Heuchlers, oder eines der in Praejudiciis steckt, oder eines lasterhafften Menschen vorgebracht, bey, als wenn sie seine eigene wären.
4. Ein CALUMNIANTE: betrachtet in Beurtheilung eines Buchs nicht, aus was für Intention und Absehen ein Autor geredet, sondern er drehet alles nach dem Vorhaben seiner bösen Intention, und ist ihm dißfalls einerley, ob der Scribente aus Ernst oder aus Schertz, ausführlich und mit Bedacht, oder nur Zufallsweise und obenhin, Frags- und Bejahungs-Weise, auff seinen eigenen oder anderer Leute Antrieb etwas geschrieben; ob er seine Lehre vertheydigen und behaupten, oder seinen Gegner wiederlegen, und auff dessen Einwürffe antworten, oder wieder ihn aus seinen eigenen Geständniß disputiren wollen: ob er von denen Sachen rede, wie sie an sich selbsten sind, oder wie sie von dem gemeinen Mann, in allgemeiner Redens-Art gebrauchet werden, u. s. w. da doch unter diesen Umständen allen ein mercklicher Unterscheid ist, nach derer Veränderung auch ein weiser Mann seine Auslegung und Urtheil billig verändern muß.
5. Ein CALUMNIANTE: hütet sich sehr, daß er die duncklen Oerter mit den deutlichern nicht conferiret: sondern fället alsobald auf das zu, wenn ein Autor etwas kurtz, dunckel, oder insgemein gesetzt, und übergehet muthwillig die Erklährung, Beweiß, Umschränckung u. s. w. solcher Reden, die er anders wo antrifft.
6. Ein CALUMNIANTE: macht aus einem Satz eines Autoris nach seinem Gefallen, Folgerungen, die offenbahr irrig sind, und will den andern, der doch ausdrücklich und zum wenigsten mit einiger Wahrscheinlichkeit protestiret, daß er mit diesen Folgerungen nichts zu thun haben wolle, nöthigen, daß er sie als die Seinigen annehmen müsse. Thomasii Ausübung der Vernunfft-Lehre im 4. Hauptstück von der Geschicklichkeit von anderer Meinungen zu urtheilen, §. 55. 56. 58. 59. 60. 62. p. 259. 260. 261. 262,
1.
Mein Freund: ich habe dir, vor kurtzer Zeit geschrieben: Es wäre ein Verboth, gelegt auff meine Schrifft; Jetzt meld ich: daß es nicht bey dem Verboth geblieben: Ein Donner-Urtheil nun mich selbsten mit betrifft. Es hat beliebt dem Rath: den Rath-Schluß abzufassen: Nach Ausgang dreyer Tag: möcht ich die Stadt verlassen.
2.
Der Rathschluß, würde leicht desselben Seel verletzen: Der in der Uppigkeit, gesuchet seine Lust; Mich aber kan er nicht in blosse Furchten setzen: Weil meiner Seele, sind die Laster unbewust. Ich werde alsofort, mit Freud und Lust erfüllen: Des weisen Raths Befehl und hocherleuchten Willen.
3.
Denn meine Unschuld: wird sie stets betriumphiren, Die vor mich und die Schrifft: ein kräfftig Vorwort spricht. Sie werden mehr als ich, durch diesen Spruch verliehren: In welcher Neid und Haß, aus allen Zeilen bricht. Von des hochweisen Raths zu schnellen übereilen: Wird gar nicht vortheilhafft, die kluge Welt urtheilen.
|| [335]
4.
Ein Mann: der redlich sich im Leben hat bezeiget: Und an verschied’ne Höff, mit Treu und Ruhm gedient; Der bloß der Gottesfurcht und Tugend bleibt geneiget: Weil Seegen, Ehr und Lob aus solchen Wurtzeln grünt; Soll auff des Raths Geheiß, nun ihre Stadt vermeiden: In welcher, gleichwohl sie, viel böse Leute leiden.
5.
Zwar nehmen sie mein Buch, zum Vorwand ihres Spruches: Als wann gottlose Sätz, es hielte in sich ein; Sie führen ferner an, die Krafft des Priester-Fluches: Der zwäng sie, wieder mich, so ungerecht zu seyn; Doch die Ablehnungen, sind schlechte Wasser-Farben: Es scheinen durch sie vor, die überschminckte Narben.
6.
Denn was die Schrifft anlangt: so will die Vorred’ zeigen: Daß nach der Welt-Weißheit: sie bloß geschrieben sey; Die Schlüsse, die sie macht; sind gar nicht mein und eigen. Es sind von selbigen, viel alte: viel sind neu; Ich habe sie verfaßt: und wollen offen legen: Daß ihre Gültigkeit, ein jeder möcht erwegen.
7.
Ich red’ darin von GOtt: der Welt: des Menschen Wesen. Doch fliessen diese Wort aus der Welt-Weisen Mund. Ich hab’ sie nicht erdicht: ich habe sie gelesen: In Büchern: welche sind zulesen frey vergunt. Ich dencke wie ein Heyd: der bey den Christen lebet Und ihre Meinung lobt: doch seine mehr erhebet.
8.
Denn nachdem solcher Heyd, geforschet und erwogen: Was die Philosophie, von den drey Stücken lehrt; Nachdem auch fremde Reich und Länder, er durchzogen: Da auff vielfache Art, die Gottheit wird verehrt; So fänget endlich er, aus der Vernunfft-Uhrquellen: Von allem, was ihm dünckt: ein Urtheil abzufällen;
|| [336]
9.
Er untersuchet GOtt: nebst den Religionen: Wie bey den Jüden sie und Christen eingeführt. Er will der Türcken nicht: noch derer Heyden schonen: Wann wieder die Vernunfft, er ihre Lehr verspührt. Zuletzt will deutlicher, mit freyer Zungen zeigen: Zu welchem Gottesdienst: sich seine Regung neigen.
10.
Von GOtt geht er zur Welt: beginnt sie zu betrachten, Wie ein Geschöpff von GOtt: und wahres Wunder-Werck. Er weiß von ihrem Bau: der alten ihr Gutachten: Und kennet auch zugleich der neuen Augenmerck. Doch weil an keine Sect: sich sein Gemüth gebunden, Hat eigne Meinungen, er von der Welt erfunden,
11.
Von GOtt und von der Welt: kommt er auff die Naturen Der Menschen: derer Stand und Leben er entdeckt; Er suchet gantz genau zu spüren aus die Spuren: In den, der Ursprung liegt der Souverainität versteckt. Und schließt: vier Pfeiler seynd der Grund der Königs Thronen: Der Gottesdienst: Gesetz: die Straffen: das belohnen.
12.
Was, also dieser Heyd, von den dreyfachen Stücken, Aus der Vernunfft: der Schrifft: dem Umgang: hat bemerckt; Hab den Gelehrten, ich zur Nachricht wollen schicken: Weil mir daucht, Christi Lehr: wird durch die Sätz verstärckt. Aus diesem Zweiffel nun: zur Warheit um zu kommen, Ist dieses Werck, von mir, mit Vorsatz unternommen.
13.
Doch bin ich nur die Zung: durch die ein Heyd will sprechen. Ich bin der Feder-Kiel: damit der Heyde schreibt. Ich such nicht ab darum Lutheri Kirch zu brechen: Bey diesem Heydenthum: mein Leben Christlich bleibt. Spricht gleich ein Heyd durch mich: wird meines Heylands Glauben Mir niemand Lebenslang, aus meinen Hertzen rauben.
|| [337]
14.
Ob mein Beginnen nun so straffbar sey zu nennen: Daß ich deswegen gar das N. N. räumen muß? Laß der honneten Welt, ich über zu erkennen: Die spreche: ob ich hab verdient des Rathes-Schluß! Doch will ich GOtt zugleich in diesen streitgen Sachen: Zum Rächer jetzo hier: und dort zum Richter machen.
15.
Ich werd indessen nicht den hohen Rath verwunden, Wann ich schreib: daß durch sie, das Gast-Recht sey verletzt: Ich hab’ in ihrer Stadt, nicht das Gesetz gefunden: Dadurch ein Fremder wird in Sicherheit gesetzt; Beglückte Fremdlinge! die bey den Türcken sitzen. Weil sie dieselbige mit mehrerm Nachdruck schützen.
16.
Der Rath: kan ja die Rott verstockter Juden dulden: Ob unsern Heyland gleich derselben Mund verhöhnt; Mich aber hassen sie, ohn Ursach und verschulden: Obwohl ich bin wie sie, durch Christi Blut versöhnt. Wer also Christum schmäht; der kan in N. N. blühen! Wer aber Christum liebt: der muß aus N. N. ziehen!
17.
Die Gegenpart: will zwar mir ohne scheu vorwerffen: Mein Buch wär seandalös: ich selbst ein Atheist Den Rathschluß, hätte man dahero müssen schärffen: Weil jede Sünde müst seyn nach Verdienst gebüßt. Ich antwort kurtz: der Mensch, so einen GOtt erkennet, Wird mit Beleidigung ein Atheist genennet.
18.
Doch endlich auch gesetzt: ich wär in solchem Orden. (Wiewohl ich gantz vernein die Atheisterey) Wär ich dann gleich dadurch zu einem Unmensch worden: Dem in der Stadt zu seyn, nicht bliebe länger frey? Der Eindruck der Natur: will daß der Menschheit Pflichten. Mann gegen alle soll, die Menschen seyn, entrichten.
|| [338]
19.
Ob sonsten dieser Spruch: kan mit dem Recht bestehen Und denen Regelen der Wohlanständigkeit? Will mit geschloßnem Mund, ich jetzo übergehen: Doch bleibet dieser Satz, ohn Wiederred’ und Streit; Die Sache hätt der Rath, geneigter können enden: Ohn desfalls, ein Decret der Abreiß, mir zu senden.
20.
Selbst die Entschuldigung: die man sucht vorzuschützen, Als wann den Rath dazu, die Geistlichkeit gebracht Durch ihre Predigten: ihr Schmähen: Schelten: Blitzen; Wird von der Billigkeit, unbillig gantz geacht. Der Rath ist das Stadt-Haupt: die Priester sind nur Glieder: Die Glieder, müssen thun nichts ihrem Haupt zu wieder.
21.
Denn nach dem meine Schrifft, den Priesteren mißfallen: Und sie durch ein Verboht; wurd in die Acht erklährt; So war nicht nöthig mehr der Cantzeln Donner-Knallen. Warum ward von dem Rath, es ihnen nicht verwehrt? Auff Cantzeln hören nicht subtile Streit und Schrifften. Sie pflegen insgemein vergallten Haß zu stifften.
22.
Es wär vom weisen Rath, ein weises Werck verrichtet: Hätt er dem Predigt-Stuhl ein Schweigen aufferlegt; Durch dieses Mittel wär der schwere Zanck vernichtet: Der vielleicht mehreren, noch mit der Zeit erregt. Der Brauch ist im Gebrauch, in vielen Königreichen: So bald die Geistlichkeit, fängt aus der Bahn zu weichen.
23.
Das Lehr-Amt: hätte selbst sich frömmer können führen. Es stimmet nicht ihr Zorn mit Christi sanffter Lehr. Sie predigen die Lieb: und lassen keine spühren. Ihr Eifer heisset nichts: für GOttes Lehr und Ehr. Es bleibet GOtt doch GOtt bey allen Ketzereyen. Die Falschheit: will den Glantz der Warheit, mehr verneuen.
|| [339]
24.
Die Ketzermacherey: wird keinen nicht bekehren, Durch Liebe bringet man die Irrenden zurück. Wer weiß nicht daß die Stürm: die Weinberg sehr verheeren? Hingegen ihnen nützt ein stiller Sonnen-Blick. Den Artzt: lobt jedermann, der ungesunde Beulen, Durch Oele lieber sucht, als Eßig auszuheilen.
25.
Es ist der Clerisey ja unverwehrt gewesen: Wie solche Freyheit ihr noch ferner offen bleibt; So bald als meine Schrifft, sie hatten durchgelesen: Die Schrifft: die wieder mich, sie zur Verfolgung treibt; Daß ihre Gründe: sie erst hätten recht erwegen: Und in der Gegenschrifft: klar sollen wiederlegen.
26.
Denn da die Welt-Weißheit: der Grund ist meiner Sätzen: Hört zur Catheder sie, nicht vor das Predigt-Amt; Ich will die Kirche nicht durch diese Lehr verletzen: Warum wird in der Kirch, dann diese Lehr verdammt? Man hätte wieder sie: vernünfftig sollen schreiben; Sie lassen unberührt, auff denen Cantzeln bleiben.
27.
Und also siehestu, mein Freund, aus diesen Zeilen: In welchen ich die Sach, dir treulich hab erzehlt; Wie hitzig daß der Rath, gewesen im urtheilen: Wie wieder GOttes Wort, die Geistlichkeit gefehlt; Der Rath: der durch den Spruch, zu weichen mir befohlen Die Priester: die zur Gluth, getragen Pech und Kohlen.
28.
Doch will der Vorfall, mich mit neuer Ehr beadlen: Man schreibt mich in das Buch gelehrter Märtrer ein. Der Priester Sitten, wird ein jeder aber tadlen Ihr Rachgier wieder mich: ein ewig Brandmahl seyn, Die Confiscation: des Raths Spruch: ich soll weichen; Wird mir zum Ruhm: dem Rath, zu keinem Sieg: gereichen.
|| [340]
29.
Ich hab indessen mir, zur Residentz erkohren: Ein angenehmes N. so nah an N. N. liegt. Ich lebe hier vergnügt: ich schlaff auff weichen Rosen. Die Hand der süssen Ruh, mich in den Schlaff einwiegt. Mein edler Zeit-Vertreib: ist Lesen, Schreiben, Dencken. Die Sinnen sich zu GOtt: der Welt: den Menschen: lencken.
30.
Und wann die Arbeit, will ermüden die Gedancken: So wandle ich ins Feld, der Ceres zugeweyht; Ich streiff die Wälder durch: besuche die Wein-Rancken: Des N. N. schöner Strand: giebt mir Ergötzligkeit; Doch wann ich mich ergötz mit diesen Spatzier-Reisen, Such in der Creatur, ich GOtt zugleich zu preisen.
31.
Mir fehlt nichts nur ein Freund, von gleich gesinnten Sinnen: Der GOtt zuerst: und sich: wie seinen Nächsten liebt; Derselbe sitzet steiff auff des Gelückes-Zinnen: Dem einen treuen Freund, GOtt zur Gesellschafft giebt. Ein treuer Freund: wird nicht von seinem Freund weg eilen, Er will mit ihm die Gall: und auch den Zucker theilen.
32.
Weil nun, mein Freund, du bist von dieser Freunde Arten: So gönne mir die Ehr von deiner Uberkunfft. Ich werd mit offner Brust und Freuden, dich erwarten. Ich nehme dich allein, in meiner Freundschafft-Zunfft. Komm bald: ich bitt dich sehr; ich end hiemit mein Schreiben. Nur schreib ich dieses noch; ich werd dein Diener bleiben. (Besondre Anmerckung von der klugen und unklugen Welt.) §. XLIIX. Also bleibet solchergestalt nichts mehr übrig, als daß ich über das vorhergehende sonst secundum regulas artis Poeticae wohl ausgearbeitete Poema nur drey kleine Puncte erinnere. Denn erstlich hat der Herr Quaerent in denen beyden letzten Versen des dritten Gesetzes
Von des hochweisen Raths zu schnellen übereilen Wird gar nicht vortheilhafft die kluge Welt urtheilen. sich sehr übereilet, daß er uns, als die wir in unserm Responso sehr vortheil
|| [341]
hafft, von des hochweisen Rahts
höchstbillichen, auch klugen und gerechten Spruche geurtheilet, diese seine
vergebene und ungegründete Hoffnung zugeschickt, und uns dadurch, wenn wir ja
seine Wiedersacher wären, eine offenbare Gelegenheit gegeben, ihn auszulachen.
Denn der gantze Context weiset, daß er dieses Poema damahls geschrieben, da er
noch hoffete, daß unsere Facultät, und vielleicht andre Collegia, für seine
schlimme Sache sprechen würden. Und ob wir wohl nicht affectiren, uns weder
Collegialiter noch in individuo für die kluge Welt in superlativo gradu
auszugeben; so ist er doch convinciret, daß er uns damahls noch unter die kluge
Welt gerechnet haben müsse: denn sonst hätte er ja thöricht gehandelt, wenn er
an ein Collegium, das er selbst unter die unkluge Welt gerechnet, seine speciem
facti geschickt hätte. Spricht er aber: damahls habe ich euch wohl für klug
gehalten; aber nun nicht mehr: so würden ihn vielleicht die Schüler, die noch
nicht in Prima sitzen, fragen. Ey warum denn nicht? ist es deßwegen geschehen,
daß sie dero Thorheit nicht beystehen, sondern selbige mit dem hochweisen Rath
und ehrwürdigen Ministerio verwerffen wollen? Ey so seyn sie doch so gut und
beantworten uns diese geringe Frage? So viel wir aus dieser explication
verstehen, so ist das die unkluge Welt, die es nicht mit sie hält, diejenige
aber die kluge Welt, die dero Sache vertheydiget. Ehe wir nun ad majorem
antworten, und derselben offenbahre partheyligkeit zeigen; so weisen sie uns
doch als einfältigen Schülern quoad minorem: wer oder wo sind denn nun
diejenigen, die sie die kluge Welt nennen? sind sie es denn etwan selber? das
wollen wir nicht hoffen, denn wir haben noch in tertia Classe gehöret: Laus
propria sordet. Oder sind sie es etwan gar alleine? das wollen wir noch weniger
hoffen. Es ist zwar ein jeder Mensch eine kleine Welt, aber es folget auch
daraus, daß er sich ex hoc praedicato auch nur eine kleine Klugheit zuschreiben
könne. Sind sie aber noch mit andern klugen Beyständen aus der Welt versehen,
warum lassen sie denn selbige nicht vortreten und benennen sie? & de his
nemo dubitat, nisi totus mundus. Wenn der Herr Quaerente diese wenige dubia
scholastica wird beantwortet haben, kan der Sache weiter nachgedacht werden.
§. XLIX. Jetzo schreite ich zu dem so offt erwehnten unachtsamen Vers(Von einem ungeschickten Vers.) in dem eilfften
Gesetze. Er schreibt daselbst also:
Von GOtt und von der Welt kommt er auff die Naturen Der Menschen, deren Stand und Leben er entdeckt: Er suchet gantz genau zu spüren aus die Spuren In den der Ursprung liegt der Souverainität versteckt.
|| [342]
Gewiß wenn Hanß Sachse einen solchen Schnitzer begangen hätte, die Meister-Sänger
zu Nürnberg hätten ihn aus ihrer Zunfft gestossen. Denn ob schon Hanß Sachs zu
seiner Zeit gewohnet war, unterschiedene Sylben zu verbeissen, oder aus zweyen
eine zu machen, und man nach dieser Methode den Herrn Quaerenten durchhelffen,
und das corpus delicti also
In den der Ursprung liegt, der Souvraintät versteckt, verbessern wolte; so wird man doch in denen gantzen Operibus des Hanß Sachsens nicht ein Exempel finden, daß er in einem Wort aus fünff Sylben dreye gemacht, und die andern zwey verschluckt hätte. (Von dem verletzten Gastrecht durch das gegebene Consilium abeundi.) §. L. Endlich so ist in dem 15. Gesetz ein neuer aber sehr grosser defectus judicii zu spüren, wenn der Herr Quaerente den hochweisen Rath beschuldiget, als ob sie durch das ihm gegebene Consilium abeundi das Gastrecht verletzt hätten. Hat denn der Herr Quaerente sich nicht des bekanten Verses erinnert. Post tres saepe dies &c. oder auff gut Hanß Sachsisch:
Dreytägger Gast Dreytägger Fisch Ist eine Last Taugt auff keinm Tisch. Hat er denn nicht distinguiret inter hospitium publicum & privatum, voluntarium & necessarium, seu mercenarium, da man doch diese distinctiones bey allen ICtis antrifft, die de jure hospitii gehandelt? hat er nicht wahr genommen, daß auch nicht einmal Gastwirthe schuldig seyn, unruhige u. Unfug anfangende, oder auch nur mit gefährlichen und ansteckenden Kranckheiten behafftete Gäste wieder ihren Willen bey sich zu behalten. Wie solte nun die Obrigkeit verbunden seyn, verkappte Philiosophos Ethnicos, Comoedianten, Collectores und ausbreiter gottloser Lehren, oder auch Weiber, die aus thörichter Phantasie die abscheulichsten Monstra gebähren, und weil sie sich als Gäste an einem Orte auffgehalten, auch andere sich ordentlich daselbst befindende sonst ehrliche Weibs-Personen mit solcher schädlichen Phantasie angesteckt, wegen Vorschützung eines eingebildeten nie erhörten Gast-Rechts zu dulden? (Repete supra dicta §. 22. 23. 24.) (Verehrung anderer Schrifften aus Hanß Sachsen) §. LI. Aber mich hierbey länger nicht auffzuhalten, so praesentire ich zur Danckbarkeit hinwiederum drey Gedichte aus Hanß Sachsen. Was anfänglich die excerpta des Herrn Quaerenten aus der Heil. Schrifft in diesem andern Stück betrifft, gebe ich ihm zu seiner Besserung gleichfalls allerhand Collectanea aus der heiligen Schrifft, die Hanß Sachse Anno 1528. unter dem Titul. Evangelium. Von dem Geitz eine kurtze
|| [343]
Summe aus der Schrifft gezogen, verfertiget, und hernach dem von
Geitz. ersten Buch seiner Gedichte und dessen ersten Theil fol. 68. selbige
beygefüget.
Christus im Evangelio. Matthaei sexto spricht also: Ihr sollet euch nit samlen Schätz, Die ihr verlieren möcht zuletz Durch Dieb, die sie möchten ausgraben, Sondern ihr solt mehr Achtung haben, Daß ihr Schätz samlet in dem Himmel; Da sie frist weder Rost noch Schimmel. Dann wo eur Schatz, ist eur Hertz, Den ihr verwahrt mit Angst u. Schmertz Niemand kan GOtt dien und dem Mamon, Niemand zwey Herren dienen kon. Eim thut er lieb, dem andern leyds, Darum so hüt euch vor dem Geitz, Wenn niemand darin leben kan, Daß er volle Genüg mag han All sein Gut dünckt ihn viel zu dünn. Was hülfs, daß er die Welt gewünn, Und litt doch Schaden an der Seel Das bracht den reichen Mann in Quel, Der in der Hölle ward vergraben, Der arm Lazarus ward erhaben. Besser ist weng mit GOttes Forcht, Denn grosse Schätz und viel versorgt. Weh dem, der samlet allezeit Der böß verfluchten Geitzigkeit. Nichts üblers, denn wer nach Geitz stelt, Nichts bösers, denn liebhaben Geld; Wann derselbig sein Seel hat feil, Die dadurch verliehrt ewig Heil Wie auch dem reichen Mann geschach, Der da zu seiner Seelen sprach: Iß und trinck, dann du hast genug, Den GOtt dieselbe Nacht noch schlug. Drum soll wir uns genügen lan, Wenn wir Futter und Decke han Dann die da wollen werden reich, Die fallen in Versuchung gleich. Geitz ist ein Wurtzel aller Sünd, Als viel Laster bezeugen thünd Als Wucher / Triegen und Finantzen, Mit hinterlisten Alefantzen Mit Lügen, Kriegen, hadren, Fechten / Mit schweren / verkehren des Rechten, Mit verkauffen und Auffschläg machen Mit Wechsel, stechen, listing Sachen Mit falcher Wahr, Zahl / Maß / Gewicht, Das alles durch den Geitz geschicht. Auch folgt daraus Spielen und Prassen Rauben und Morden auf der Strassen, Zürnen, Gottslästren, rauffen, schlagen, Dieberey und heimlich abtragen Nachreden, Neid und Ehr abschneiden, Der Geitz auch manche Eh thut scheiden, Verrathen, und auch Jungfrau schwächen Kuplen, Hurerey und Ehbrechen, Falscher Gottsdienst und Simoney, Bannen und geistlich Schinderey. Diß alles aus dem Geitz entspringet, Der hat die gantze Welt umringet In allen Ständen hoch und nieder, Durch alle Lande hin und wieder. Als Esaias hat geseit: All gehn sie nach der Geitzigkeit Von dem Minsten biß zu dem Meisten
Der Beschluß.
JEsu Christe thu uns eingeisten,
|| [344]
Durch dein heiligen Geist einwertz, Ein guten Geist in unser Hertz,
Daß es werd Herr zu dir bekehrt, Und nicht ankleb auf dieser Erd, An zeitlich,
zergänglichen Dingen, Die uns von GOtt ab wollen dringen, Sondern,
daß wir trauen auf dich, Wann du erneurst uns hie zeitlich Und darnach dort auch
ewiglich.
(Von einem armen Schuster und seinem reichen Nachbar.)
§. LII. An statt des andern Theils, oder der Excerptorum
aus meinen Schrifften de falsa & non sincera interpretatione; will ich
dem Herrn Quaerenten eine schon von dem scharffsinnigen Luciano entworffene
Fabel von Micillo einem armen Schuster und seinen
reichen Nachbar oder Gevatter (wie ihn Hanß Sachse titulirt) wohl zu überlegen
geben, deren Zweck ist, handgreifflich vorzustellen, daß ein armer aber dabey
vergnügsamer Mann viel glücklicher sey als ein reicher Nimmersatt, und daß also
jener mit diesem vernünfftiger Weise nicht tauschen werde. Hanß Sachse hat diese
Fabel 1562. d. 24. April in teutsche Reime gebracht, und ist dieselbe in dem
fünfften Buch seiner Gedichte in andern Theil p. 259. zu finden.
Lucianus der hoch Poet Vor Zeitn artlich beschreiben thät Wie vor viel Jahren ein Schuster saß, In Welschen Land, wellicher waß Mit seinem Nahmen Micillus genant, Der Tag und Nacht mit seiner Hand, Hart arbeitet und übel aß, Daß doch alls nit erspriessen was, Das er sich kunt erwehren mit, Der Armuht, die ihn gewaltig ritt, Denn groß war seiner Kinder Hauff Daß es gieng täglich mit ihm auff Doch nahm er also mit vor gut, Und hat ein leichtsinnigen Muth, Danckt GOtt, der ihm so viel beschert, Durch sein Arbeit, daß er ernährt, Sich, sein Weib, und all seine Kinder, Die Hofnung macht sein Armuth linder, Dann würd ihm auch einmahl gut Glück, Zu stehn und reichlich halten rück, Wie manchem zugestanden wär, Nachdem dacht er offt hin und her. Nun zu nechst seinem Hauß da saß, Ein Wuchrer, der sein Gvatter was, Mächtig und reich, doch gnau und karg, Der sein Schätz samlet und verbarg. Eins Nachts der Schuster lag in Bett, Da ihm eigentlich traumen thät, Wie sein Gevatter gestorben wär, Und wie ihn zu eim Erben der, Hätt eingesetzt über all sein Gut, Des war von Hertzen froh zu Muth, Der Schuster solcher reichen Hab Im Schlaf der Armuth Urlaub gab. Als er in solchen Freuden stahn Da fing zu krehen an sein Hahn Laut reißig davon er erwacht, Aus süssem Traum und sich bedacht, Und schrie, o du verfluchtes Thier, Wie hast aus freudreicher Begier Mich aus dem süssen Schlaf geschrecket, Zu dieser Armuth auferwecket, Und flucht dem Hahn in Zorn und Grim, Der Han sprach mit menschlicher Stim
|| [345]
Was hat dir traumt? zeig mir das an. Micillus erschrack ob dem Han,
Und sprach du Teuffelisch Gespenst, Ich beschwer dich, daß du dich nenst, Wer du
seyst? bist kein rechter Hahn Der Hahn antwort: wiß lieber Mann Platonis Seel
die ist in mich Jetzund gefahren warhafftiglich, Des weisen Manns ich dir
anzeug, Deines frölichen Traums nur stillschweig Wenn du erkenst deines Gfattern
neben, Sein elend armuthseliges Leben, So wünschest du dir nit sein Gut, Samt
sein armuthseligen Mut; Wolauf und geh eilend mit mir, Sein gut Leben will ich
zeigen dir. Der Hahn führet Micillum aus, Hin num in seines G’fattren Hauß, Alle
Schloß gingen gegen ihm auff So kamen sie die Steigen nauf Hinzu des reichen
Manns Schreibstuben Da sahens sitzen den geitzigen Buben, Bey einem finstren
Kertzen Licht Mit gantz traurigem Angesicht, Er wund sein Hand schwer
mütigleich, Und war erblichen wie ein Leich, Seine Schuldbücher um ihn lagen
Drein sah er, und was traurig sagen: Weh mir ob meinem Hertzeleyd, Mein Böden
liegen voll Getreyd, Daran da leit mir Geldes viel, Und doch kein Theurung
kommen will, Daß es mir trug zwifachen G’win, Und geht die Zeit ohn Nutzung hin,
Denn es hat auch vor den acht Tagen Das Korn wieder abgeschlagen Mich hat auch
noch nicht zahlet der, Die Frist doch lang verschienen wer, Dem ich
auf Pfand geliehen hab, Auch schlägt das Gold jetzt wieder ab, Und dazu auch die
grobe Müntz, Ich gewin an hundert kaum ein Untz, Auch fällt mir ein vor vierzehn
Tagen Hat mir einer sechs Pfund entragen, Auch geht mir groß Lohn auf mein
Knecht Ich fürcht, sie dienen mir nicht recht, Mich dünckt, wie sie mir in den
Tagen Haben etliche Schermüle abgetragen, Dergleich die Mägd fressen und
naschen, Und abtragen, was sie erhaschen. Eins theils G’sind ich urlauben will,
Im Hauß so geht mir auff so viel, Ich muß mein Zehrung machen linder, Mein Frau
trägt mir auch so viel Kinder, Deß muß ich erst kargen und spahren, Mein Handel
trägt nit wie vor Jahren, Ich gwin jetzt kaum den halben Theil, Mir ist
verschwunden Glück und Heil. Ey, Ey, Ey, Ey, wo soll ich naus? Ach ich muß
lauffen gar von Hauß, Und kratzt sich hefftig in dem Kopf, Der alte karge
geitzig Tropf, Sprach ich bin gantz und gar verdorben, Mir wär nichts besser
denn gestorben, In einem Brunnen oder Strang Mir ist von gantzem Hertzen bang,
Mein Hertz das schreuet Zetter Waffen Ich mag nicht essen, ruhn, noch schlaffen,
Weil ich mein Schatz nit mehren kan, Wie ich vor Jahren hab gethan, Bin ich je
arm und sehr elend, Und neiget sein Kopf in die Händ. Zu Micillo, so sprach der
Hahn: Wie gefällt dir der reiche Mann Samt seinem armuthseligen Leben, Sag ihm,
wollstu ihm dafür geben
|| [346]
Diese dein fröliche Armut, Die dir doch kommet recht zu gut, Mit
einem Gut unschuldgen Gewissen Wirst nie mit solchn Anfechtung bissen Und läst
dich an alldem begnügen Was dir GOtt täglich thut zufügen Durch deine tägliche
Arbeit Mit gringer Speiß, Leibes Gsundheit, Und dazu ein frölichen
Mut, Und hälltst GOtt für dein höchstes Gut. Darvon dir ewges Heil erwachs, Nach
dem Elend wünscht dir Hanß Sachs.
(Von Reden und Schweigen.)
§. LIII. Nachdem auch der Herr Quaerente in seinem andern Poemate oder dritten
Stück der andern Schrifft nichts neues vorgebracht, sondern nur seine alte Leyer
wiederhohlet, die schon in dem ersten Poemate in seiner Specie Facti, und in der
neuen weitläufftigen Gegenschrifft da gewesen; und also billich hätte den
bekanten lateinischen Vers: Ridetur, chorda &c. bedencken sollen; wir
aber unsers Orts diese seine Schwatzhafftigkeit mit gehöriger Erbarmniß ansehen,
indem uns die tägliche Erfahrung zeiget, daß Leute von seinem Temperament, mit diesem Ubel (wenn sie nicht durch zeitige
Selbsterkäntniß demselben zuvor kommen) insgemein behafftet sind; als will ich
ihm die nützliche Lehren, die Hanß Sachse in besagtem fünfften Buchs andern
Theil p. 244. an 8. Augusti 1662. von dem Reden und Schweigen aus einem alten
Philosopho zu Papier gebracht hat, bestens recommendiren.
Simonides der weise Mann Der zeigt in seinen Schrifften an, Daß schweigen gar viel nützer sey Denn ohn Verstand zu reden frey, Dieweil das Schweigen ihn hab je Sein Lebenlang gereuet nie, Doch reden hab ihn offt gereut Mit Sorg und Furcht ihn überstreut, Reden hat ihr viel bracht in Noth Etwa in Schaden, Schand und Spott Dagegen hab Schweigen niemand, Bracht in Schaden, Laster noch Schand, Auch so lobet Doctor Freydanck Das Schweigen auch in dem Anfang, Und spricht: schweigen ist nütz und gut, Doch reden besser, wer ihm recht thut. Vermeint reden zu Noth und Nutz Das bring auch groß Ehr, Lob und Guts, Doch daß man nit red gar zu viel, Setzt er zu reden auch ein Ziel, Spricht: wilst mit Ehren werden alt So halt dein Zungen in Gewalt, Daß sie aus unbedachten Muth, Nicht red, was ihr gefallen thut, Und öffne ihr Heimlichkeit da, Denn es schreibt der weisse Seneca, Den Menschen man erkennen thu An seiner Zungen immer zu, Was er im Hertzen tragen thut Die Zung öfnet Hertz Sinn und Muth Derhalb die Zung erhalt im Zaum, Und laß ihr nit zu weiten Raum, Schreibt auch der Zungen Unterschid, Sey das ärgst und das best Gelid Vermeint ein weiß tugendhaffte Zung Sey heilsam und bring Frucht genung
|| [347]
Mit Lehren, vermahnen und rahten, Mit trösten und manchen Gutthaten,
Aber die böß Zung geschwätzig, Untreu, arglistig und aufsetzig, Verlogen,
vertrogen, unredlich Sey ihr und andren Leuten schädlich, Deßhalb schreibt auch
der weiß Cato, Die höchste Weißheit sey also, Daß man täglich und in zukunfft
Die Zung soll zähmen mit Vernunfft Daß sie nit heraus rede bald Was in Gedancken
ihr einfalt, Derhalben soll ein weiser Mann Eh er sein Red will fahen an, Sechs
Stück ernstlich bedencken woll Nachdem und er erst reden soll.
Das erste Stück.
Zum ersten hab er auf sich acht, Ob er das hab zu reden macht, Obs ihm billig und ziemlich sey Ohn Nachtheil unschädlich darbey, Ob auch der Handel ihm angeh. Ob er auch sey geschicket eh Zu reden, so er zornig wär, Truncken oder unmutig schwer, Soll er des Redens müßig gahn Daß ihm kein Unrath kom darvan.
Das ander Stück.
Zum andern, merck was sein Red sey, Lüg oder die Wahrheit darbey, So red er allein die Wahrheit Die ehrlich steht zu aller Zeit, Und soll der Lügen müßig gehn. Lüg kan mit Ehren nit bestehn, Wann Lüg thut sich selber aufdecken, Ihrm Herren selbst im Busen stecken, Und macht dem Mann ein Ungelauben, Thut ihm seins guten Gerüchts berauben, Daß man ihm hernach in der Zeit, Auch nicht gelaubet der Wahrheit, Jedoch mag man in Schertz u. Schimpf, In guten Schwencken doch mit Glimpf, Ein Ehrlüg thun zu Frölichkeit Doch niemand zu Schmach, Schand noch Leyd.
Das dritte Stück.
Zum dritten, merck auch wer die seynd, Mit den er red, Freund oder Feind, Sind sie ehrlich, treu und wahrhafftig, So red er mit ihn unzaghafftig, Sinds aber leichtfertig und hönisch, Untreu, Verräther und argwöhnisch, Einer unnützen losen Rott, So schließ er sein Mund, es thut Noth, Daß ihm nit durch solch lose Leut Sein Red aufs ärgest werd gedeut, Oder sein Red im Mund verkehrn, Ihn verzircken an Glimpf und Ehren Gegn der Obrigkeit hinder Rück, Durch ihr Untreu und falsche Tück.
Das vierte Stück.
Zum vierten er bedencken soll, Warum er jetzund reden woll. Hat er Ursach zu reden was, Red er niemand zu Neid und Haß Zu Zorn reitz er auch niemand, Mit Schmach zu Schaden, Spott und Schand, Sondern allein zu Ehr und Nutz, Der Wahrheit zu Steuer und Schutz Red er, was noth zu reden sey Dadurch man werd Gezänckes frey. Und Fried werd gehalten dermaß, Alles andre unterwegen laß.
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Das fünffte Stück.
Zum fünfften soll bey Jung und Alten Ein Mann gut Maß im Reden halten, Zu lang reden ist verdrüßlich, Sondern fein kurtz red und beschließlich Bescheiden, ordnlich und verständlich, Gantz deutlich klar und erkentlich, Freundlich oder ernstlich dabey, Darnach nun die Materi sey, Demnach soller sein Red auch stellen, Die Stimm auch nit zu hoch aufschellen, Sondern sittlich langsamer Maß So kan mans verstehn desto baß,
Das sechste Stück.
Zum sechsten merck er, ob sey Zeit Zu reden ietzt mit Nutzbarkeit, Daß es nit etwa sey zu fru Daß es nit etwa schaden thu, Damit etwas verhindert werd, Oder zukünfftig werd beschwerd Oder ob es nit sey zu spat, Daß solch Red gar ohn Frucht abgaht, Sondern daß die Red werd angenommen Ein Schaden mit zu unterkommen, Oder gefördert gemeiner Nutz, Oder befordert etwas guts Dieweil eine Red zu rechter Zeit Bringet eine grosse Nutzbarkeit Saget auch Salomon der weiß
Der Beschluß.
Welch Mann sich der 6. Stück befleiß Der hält sein Zunge wohl in Hut, Wenn er orndlich bedencken thut, Eh er anfang, sein Red erkenn, Wer, was, wem, warum, wie und wenn Wer das thät, der wär nit so gech, Mit Worten, unbhütsam und frech, Kein andren Leuten nie zu schaden, Und er blieb auch mit unbeladen Entgieng dadurch viel Ungemachs Bey GOtt und der Welt spricht Hanß Sachs. (Hertzliche Warnung an den Herrn Quaerenten.) §. LIV. Zum Beschluß warne ich aus Hertzens-Grunde den Herrn Quaerenten, daß er sich für seinen vielleicht sehr nahen grossen unnachbleiblichen Unglück hüte. Ich will ihm eben keine Gelegenheit zu spotten geben, wenn ich von seinem miserablen Zustand nach diesen Leben viel Worte machen wolte: sondern ich will nur zwey Worte von seinem zeitlichen Unglück anfügen. Er ist dienstloß, er suchet neue Hoffdienste bey mächtigen Potentaten und Fürsten. Kan er sich wohl einbilden, daß ein Evangelischer König oder Fürst unter den Protestirenden, dem sein Atheistisch Werckgen für Augen kömmt, ihn in Dienste nehmen werde? Man hat mich versichern wollen, daß er schon damahls, als er es drücken lassen, in eines mächtigen Catholischen Fürstens Dienste zu gelangen sich bemühet, und dergleichen noch suche. Gesetzt, GOtt verhängte es: und seine Consilia Cameralia fingen an unter seiner direction introducirt zu werden. Ich abstrahire itzo von derselben wahren oder Schein-Nutze. Weiß er nicht, daß alle Fremde, die bey einem mächtigen Fürsten geschwinde in Gnade kommen, nothwendig von denen Einheimischen geneidet und an
|| [349]
gefeindet werden? Würden diese nicht die schönste
Gelegenheit haben durch Producirung seiner Schrifft vermittelst des Pabsts und
der Clerisey seinen Catholischen Herrn zu forciren, ihn nicht alleine mit
Schimpff abzudancken, sondern nach ihren principiis als einem Atheisten mit
Feuer zu verbrennen? Zittert er nicht, wenn er an dieses unausbleibliche Unglück
nur gedencket? Danckt er uns nicht, daß wir in unserm Responso und ich in dieser
Schrifft ihn noch bey Zeiten dafür gewarnet, und den Weg gezeiget, sich heraus
zu reissen? Hat er also nicht die gröste Ursache, uns solchergestalt nicht für
seine Wiedersacher, sondern für seine wahren Freunde zu achten? etc.
§. LV. Aber ich singe tauben Ohren. Gleich itzo da ich meine Schrifft(Dessen neue Atheistische Schrifft.) beschliessen
will, kömmt mir ein anderes gleichfals confiscirtes Scartecgen unter die Hände,
davon er auch unstreitig Autor ist. Der Titel ist: Meditationes, Theses, dubia
Philosophica-Theologica, placidae eruditorum disquisitioni religionis cujusvis
& nationis, in magno mundi auditorio submissa a Veritatis Eclecticae
Amico. Freystadii 1619. Diese Schrifft ist noch viel entsetzlicher zu lesen als
die erste, indem er sich nicht gescheuet, viel dicta der heiligen Schrifft zu
Behauptung seiner ruchlosen Lehr-Sätze bey denen Haaren gleichsam herbey zu
ziehen: da ihm doch bekant ist, daß dergleichen grundlose Verdrehungen der
heiligen Schrifft von denen Evangelischen Theologis und JCtis sonderlich in
Bullis Papalibus vielfältig angemercket worden, inmassen keine Päbstliche Bulla
anzutreffen, darinnen nicht dergleichen vielfältige Verdrehungen Hauffenweise zu
finden seyn solten. Und er macht es doch noch gröber und liederlicher als alle
dergleichen Bullae, und erkläret die von ihm angeführten dicta auff eine solche
Weise, die von allen vernünfftigen Menschen in allen Christlichen Religionen
nothwendig muß detestiret werden. Und solchergestalt rennet er gleichsam
Sporenstreichs in sein zeitliches und ewiges Verderben.
§. LVI. Hat denn der arme elende Mensch keinen einigen wahren(Hanß Sachsens Gedichte, von Unterscheid zwischen einen
wahren Freund und Heuchler.) Freund, der ihn warne? Warum solte es ihm
daran mangeln? Aber er höret sie nicht, und hält den vor keinen Freund, der ihm
nicht schmeichelt, sondern ihm seine Laster für Augen stellet. Deßhalb hat er
auff die andre Seite des Titel-Blats etliche Verse aus des Horatii libro I.
Satyra 3. (die sich also anfangen: Nam vitiis nemo sine nascitur &c.)
andrücken lassen; allwo er diesen seinen Haupt-Fehler sattsam zu erkennen
giebet. Ich sage diesen Haupt Fehler. Denn vernünfftige Leute haben zu allen
Zeiten und bey allen Völckern diejenige für wahre Freunde erkannt, die
|| [350]
uns unsere Gebrechen sagen, hingegen aber diejenige
für Heuchler und Schmeichler, die unser thörichtes Thun loben; und hiervon finde
ich abermahls bey Hanß Sachsen zwar zuweilen einfältige, aber überall für den
Herrn Quaerenten recht nützliche Gedancken, wenn dieser in dem andern Theil
seines andern Buchs p. 87. sq. ein von ihm den 10. Dech. 1540. verfertigtes
Spiel mit dreyen Personen von dem Unterscheid zwischen einen wahren Freund und
einen Heuchler drucken lassen.
Der Heuchler tritt ein mit seinen Fuchsschwäntzen, neiget sich und spricht:
Seyd all gegrüst ihr ehrbarn Herren Ich komm daher zu euch von ferren, Mein Fuchsschwantz bey euch zu verkauffen Damit ich neulich hab durchlauffen Viel Land Königreich und Fürstenthum, Wo ich an Herren Höff hinkum, Find ich der Krähmer vor so viel, Daß meine Wahr nit gelten will, Darum ob einer hinnen wär, Der mein Wahr zu kauffen begehr, Der sprech mich an, es ist ihm eben Ich will ihm gute Pfennwerd geben
Der Jüngling komt, neyget sich und spricht:
Einen guten Abend ihr ehrbarn Leut Ich bin von einem beschieden heut, Zu kommen auf den Abend her, Da ein sehr grosse Freundschafft wär, Versamlet ehrbar Mann und Frauen Da eins dem andern thut vertrauen, All Heimlichkeit aus seinem Hertzen In Wiederwärtigkeit und Schmertzen, Beständig treu in allen Sachen, Nun ich hie möchte Kundschafft machen, Daß mir ein solcher Freund würd geben Weil dem Menschen schwer ist zu leben In so viel Trübsal und Beschwerden Ohn einem treuen Freund auf Erden Wie Antistenes sagt der weiß Einen solchen Freund such ich mit Fleiß: Und wo ich ihn hier überkähm Mit grosser Freud ich ihn annehm.
Der Heuchler tritt zu ihm und spricht
Darfstu eins Freunds, kom her zu mir Gut Freundschafft will ich leisten dir, Du bist ein feiner junger Mann, All dein Geberd steht dir wohl an Zu dir verseh ich mich alls guts Du hast die Ehr und ich den Nutz
Der Jüngling.
So du meiner Freundschafft thust begern Ist noth dich vorhin zu beweren Wie Plutarchus uns rahten thut Solt ich mein Leib, Ehr und mein Gut, In Glück und Unglück dir vertrauen Ist Noth mich wohl vor umzuschauen Was du führest in deinem Schild
Der Heuchler.
Wenn du mich gleich probiren wilt, Findstu mich eim freundlichen Knecht Auf alle Sättl bin ich gerecht, Sag, womit wilt du mich probiren,
Der Jüngling.
Da will ich mit dir conversiren, Ob du auch seyst meines Gemühts Hertzens, Willens, Seel und Geblüts Gleichheit der Gemüht macht Freundschafft gut
|| [351]
Wie Cicero beweisen thut, Drum will ich mich vor unterreden Ob ein
Will sey unter uns be eden; Erstlich wiß mich ein jehen Mann
Der Heuchler
O ich fang auch viel Hader an, Kan nit überhören noch übersehen Kein Mann soll sich hie lassen schmehen; Es hält sonst niemand nichts von ihm
Der Heuchler
So wiß, ich bin auch selten leer Was meinst, was menschlich Leben wär, Wenn man nit hätt ein guten Mut Wer weiß, wie lang es währen thut, Welchm Teuffel wolten wir denn spahren
Der Heuchler
Weiß nit, wie es so thier isch sey, Wer köstlich Wein, Wildprät und Fisch Allein thut essen an seinem Tisch, Und nit fremde Gäste darzu, Wie Seneca das sagen thu, Darum weil dus noch wol vermagst, Ob du gleich etwas darauf wagst; Und bist deinm Freund kostfrey und mild, So du in Freundschafft mehren wilt, Du kanst mir gar nichts mit verderben
Der Heuchler
Kein Ding auf Erden thut mir baß lieben Denn schön Frauen und Buhlerey Was meinst, das sonst für Freuden sey, Nims an, dieweil du kanst und magst
Der Jüngling
Hör zu ich bin auch abentheurisch, Schimpflich und schwenckisch, treib gut Possen
|| [352]
Man lacht mein offt, daß man möchte hossen Wo ich hab mit den Leuten
zschaffen.
Der Heuchler
O ich bin gar geleich eim Affen, Alls was ich sich, das treib ich auch Gar kurtzweilig ist all mein Brauch Ich mag nicht seyn einander Hutz
Der Jüngling
Ich merck, du bist fast meines Bluts, Und gleichst mir fast in allen Sachen Ich will gleich Freundschafft mit dir machen Du must zu Nacht heut mit mir essen
Der Heuchler beut ihm die Hand und spricht:
Mein Freund, das will ich nit vergessen, Dir dienen, wo ich mag und kan Du findst an mir ein rechten Mann Der, dir kein Raiß zu dien, abschlägt
Der Jüngling
Mein Freund geh, heiß Fohren und Hecht, Bereiten in meim Hauß auffs best Auff dich und andre ehrlich Gäst, Unser Freundschafft zu eim Anfang
Der alte wahr Freund beut dem Jüngling die Hand und spricht:
Mein guter Freund GOtt grüß dich heint Dein Gestallt gar freudenreich erscheint.
Der Jüngling
O Amice freu dich mit mir Groß Freud hab ich zu sagen dir Denn ich hab gar in kurtzen Stunden, Ein rechten wahren Freund gefunden, Den ich mir gar hab auserwehlt, All mein Heimlichkeit ihm erzehlt, Thun und Lassen Schimpf und Schertzens So ist er gantz meins Gmüths und Hertzens, Alls, was ich will, das will er auch Er ist mir nit ernstlich und rauch, Dabey kenn ich sein wahre Treu.
Amice der wahre Freund
Des deinen Freunden ich mich freu, Ein Freund ist lieblich allezeit. Des Salamon uns Uhrkund geit. Ey lieber hast ihn schon bewert?
Amice der alt wahr Freund
Das ist nit genug zu aller zeit, Allein in Wiederwertigkeit, So wird ein wahrer Freund erkennt; Wie Mamertes das klar benennt, Deßhalb hab selber acht dabey Daß nicht etwan ein Heuchler sey, Der sich in wahrer Freundschafft dein So tückisch zu dir schleichet ein, Mit schönen, hellen, glatten Worten, Mit Augendienst an allen Orten, Mit viel verheissen gantz unterthänig Des Red ist wie vergifftes Honig, Er gönt und thut dir gar kein guts Allein sucht er sein eigen Nutz, Wie er füll seinen Bauch und Säckel Sein Schmeichelwort sind nur ein Deckel Verborgner Schalckheit damit erlangt Dich hinterschleicht faht und betrangt
Der Jüngling
O Freund der Ding fürcht ich gar keins Wir sind von Hertzen so gar eins Ich wolt, daß du ihn höhrst und sechst Aber dich selbst mit ihm besprechst, Du wirst vernehmen kurtzer Zeit, Sein freundliche Holdseligkeit,
|| [353]
Wie er ist gar ohn alle Gallen Ich weiß, er wird dir auch
gefallen.
AMICE der alte Freund
Das ist kein Freund, das merck ich schlecht, Der seim Freund alles giebetrecht Es sey gleich böse oder gut, Wie Plutarchus beweisen thut, Ein Freund thut sich holdseelig machen In rechten und ehrlichen Sachen, Wo aber sein Freund unrecht thut, So straft er ihn mit Worten gut, Das ist der wahren Freundschafft Art
Der Jüngling.
Amice, du bist allzuhart, Du hast mich offt vexiret hie Was ich je thät, gefiel dir nie, Du bist mir nie recht freundlich worn
AMICE der alte Freund
O Freund, wie hast so zarte Ohrn, Die keine Straff nit dulden mügen, Dich freuen Schmeicheler und Lügen, Gwiß ist dein wahrer Freund ein Heuchler, Schleicher, Liebkoser und ein Meuchler, Ich möchte ihn wol hören und sehen.
Der Jüngling
Ja Amice, das soll geschehen, Schau, ietzund geht er gleich daher Hört weiter, wie ich ihn bewehr, Mein Miser Lux woher so spat?
Der Heuchler
Ich kom herüber aus der Stadt, Und hätt mich schier mit eim geschlagen Der dir thät etlich Ding nachsagen, Die doch alle erlogen warn
Der Jüngling
Mein Miser Lux, ich hab vor Jahrn Mit ihm ein Vertrag aufgericht Verwahrt mit Brief und Aides Pflicht, Des ich jetzt grossen Nachtheil hab, Wolt gern es wär wieder ab, Rath, wie ich mich der Ding mög fristen.
Der Heuchler
Such dir ein schalckhaffting Juristen Der all faule Handlung annehm, Und sich gar keiner Lügen schäm, Der dreht der Sachen wohl ein Nasen, Thut jener Theil ins Recht sich lassen So bstich sein Part und Advocaten, Mit etlich Thalern und Ducaten, Die machen denn durch Lüst und Renck Dem Wiedertheil so viel Einkleng Daß er die Sach vertheiding lat
AMICE der alte Freund
Gar nichts, als was du gwiß verheist Dasselb ohn alle Auszug leist Wilt anders sein ein Biedermann
Der Jüngling
Mein Miser Lux, mich ficht auch an, Ich hab ein Part, die vor Gericht Um 1000. Gülden mich anspricht, Und wenn ich nur zwey Zeugen hätt, Daß ich sie überzeugen thät, So würd ich frey, quitt, loß gesprochen.
AMICE der alt Freund
O Freund! das thu ich warlich nit
|| [354]
Solt ich ein falsches Zeugnüß gebe̅, Dein Schalckheit
nur zu schützen eben, Das wolt Pericles auch nit than: Ein wahren Freund solt an
mir han, Doch ohn Verletzung meiner Ehr
Der Jüngling
Mein Miser Lux, raht mir noch mehr; Ich hab ein Dörflein zu verwalten, Wie soll ichs mit den Bauren halten Soll ich seyn gütig oder wütig? Denn sie sind grob und wanckelmütig. Rath, welches Theils soll ich mich brauche̅?
Der Heuchler
O thu sie ernstlich niederstauchen Und straf sie streng und härtiglich So haben sie alle Sorg auf dich. Denn welcher Herr zu gmein sich macht Wird von sein Unterthan veracht Darum mit ihn nur scharff und rauch.
AMICE der alte Freund.
O nein, den deinen Unterthanen Stell dich nit gleich einem Tyrannen Wen viel förchten, spricht Seneca Und auch Franciscus Petrarcha, Derselbig muß auch förchten viel Darob verblättert wird das Spiel Das Volck wird aufrührisch und wütig, Darum halt dich gnädig und gütig Wie Nerva und Adrianus Käyser Antonius Pius So wird die Gmein zu dir begierig Und wird dein Herrschaft gantz langwierig Als Tullius der Weiß beschreibt.
Der Heuchler
Mein Freund, so gebrauch dein Gwalt und Macht Hastu doch Volcks und Gelds genug So bistu auch geschickt und klug Zu führen einen tapfren Krieg Denn gwinst mit grosser Ehr den Sieg Wie Cyrus, Xerxes und all ander Pyrrhus und der groß Alexander Doch laß mich Pfennigmeister seyn
AMICE der alte Freund
O Freund, den Fried dir auserwehl Durch Mittel-Weg den Krieg abstehl Krieg hat zerstreuet grosse Städt Die der Fried auferbauen thät Wie Troja, Saguntus vor Jahren Rom und Carthago hat erfahren. Wo der Fried ist, da wohnet GOtt Im Krieg wohnt der Teuffel und Todt, Gefängnüß, Brand, Mord und Rauberey Zerrüttung guter Policey, Wo aber kein Fried helfen will So wehr dich des Feindes Muthwill Zu dir setz ich hier Gut und Leben.
Der Heuchler
Das ist leicht: summa summarum, Betrug, practic, Vortheil und List, Zum reich werden am besten ist. Wilt überkommen Fürstlich Schätz, So mach viel Neurung und Aufsätz, Schlag auf all Wahr Ungeld u. Zoll,
|| [355]
Darzu kan ich dir helffen wol. Jedoch laß mich Schatzmeister seyn,
Ich weiß die Finanz groß und klein, Wie man die Sach verblühmen thu
Der AMICE
Ich rath, halt ein ehrlichen Wandel, Sey from, treu, warhafft in deim Handel Und laß auch dein Volck unbeschwert So wirstu ihm gar lieb und wehrt, Als Severus und Trajanus Wie auch Constantinus Chlorus Die litten gar kein neu Aufsätz Sondern hielten für ihre Schätz, Des Volckes Freundschafft, Lieb und Treu Meinst nit, das sey ein starck Gebäu, In Krieg und Wiederwärtigkeit
Der Jüngling
Miser Lux es ist grosse Zeit Zum Nachtmahl ich will voran gan Das Nachtmahl heissen richtn an Kom bald hernach, ich geh zu Hauß
Der Jüngling gehet ab Der Heuchler
Glück zu ich kan nit bleiben aus, Will gleich auf der Fart nach hin kummen Der Magen hebt mir an zu brummen.
Der Heuchler kehrt sich zu Amice
Hör Amice, du bist nicht ertig Du bist deim Freund zu wiederwertig, Du bist ein rechter Wenden Schimpf Du kanst auch weder Schertz noch Glimpf Du bist zu ernstlich streng und rauch Weist nit itzund der Freundschaft Brauch? Was dein Freund lobt, das lob auch mit Es sey gleich Lobs wehrt oder nit, Und was er schändt, das thu auch schänden, Dein Mantel nach dem Wind thu wenden Und was er will, das thu auch wollen, Traurt er, so thu dich traurig stellen, Lacht er, so thu auch mit ihm lachen Zürnt er, so zürn in allen Sachen, Freurt ihn, so thu ihm beid Hände blasen, Stinckt ihn was an, so rümpf die Nasen, Singt er, so soltu auch mit singen, Tantzt er, so soltu vorhin springen, Wenn er schnupft, so soltu gar weinen, Aller Ding dich mit ihm vereinen Denn wirst für ein Freund angenommen Möchst zu Gewalt, Ehr und Reichthum kommen Und bist bey grossen Herrn wehrt.
AMICE
Welch Mann eins wahren Freunds begehrt In Tugend und in Redlichkeit, In rechter Treu zu aller Zeit, Bleibt sein Hertz und Gemüth vereint Derselb ist allen Heuchlern feind Die also um ihn Feder klauben, Mit Schmeichlerey ihn thun berauben, Und kühlen ihm die seine Ohrn Machen ihn gar zu einen Thorn. Wenn bald ihn überfält ein Noth Gehn der Heuchler achtzg auf ein Loth, Und ziehen fein ab vor dem Garn Wie man denn täglich thut erfahrn Der Heuchler arglistige Tück.
Der Heuchler
Eben das ist mein Meisterstück, Daß ich hang einem Freunde an So lang ich sein geniessen kan, Bald sich das Unglück zu ihm wendt
|| [356]
So hat mein Freundschafft auch ein End. So tracht ich darnach zu eim
andern. Ich will gehn zu dem Nachtmahl wandern, Da ich will gute Bißlein finnen,
Du kanst dir kaum Brods gnug gwinnen Mit deinr Freundschafft du bist veracht
Alde, Alde, zu guter Nacht.
Der Heuchler gehet ab AMICE der alt beschleust
Ihr Herrn, hie mügt ihr mercken bey, Wie seltsam die wahr Freundschafft sey Zu dieser Zeit in allen Ständen, In geistlich weltlich Regimenten, Da ist Heuchlerey so gemein Ein jeder will der förderst seyn, Daß er dem Herren die Ohren melck. Durch diese heuchlerische Schälck Die Obrigkeit oft wird verhetzt, Zu einer Sach, darob zuletzt, Komt Land und Leut in Noth und Angst, Drum hat Diogenes vor langst, Den Heuchler schnöd vergleichet schier Auf Erden dem schädlichsten Thier. Nicosias der nennt sie Mucken Die eim sein Gut und Blut verschlucken, Antistenes wolt lieber haben, Daß er zu Theil hie würd den Raben, Dann den Heuchlern in seinem Leben Derhalb auch solche Heuchler eben, Keyser Severus Alexander Von seinem Hoff trieb alle sander, Daß er nicht würd von ihn verführt, Und groß Unkost erspahren würd. Hiebey so nehm ein jeder ab, Was er selber für Freunde hab, Und treib von ihm all Heuchler aus Behalt die Freund in seinem Hauß, Durch welch sein Gut und Ehr ihm wachs Wünscht euch mit guter Nacht Hanß Sachs.
Die Personen in das Spiel.
1. Der Heuchler mit den Fuchsschwäntzen. 2. Der Jüngling fein wohl gekleidet. 3. Amice der alt Freund bartet und alt bekleidet. (Noch eine kleine Erinnerung.) §. LVII. An statt der von dem Herrn Praetendenten gegen das Ende seiner Gegenschrifft angehängten captationis benevolentiae, will ich zum Beschluß noch eine kleine Erinnerung an felbigen hier anfügen, daß weil ihm unvergessen seyn wird, wie er einer von denen ältesten bey unserer Facultät examinirten Candidatis Juris gewesen; er dannenhero um so viel eher mit der an uns überschickten anzüglichen Gegenschrifft hätte an sich halten sollen; jemehr sonst die Regeln einer honneten ambition (die er seine herrschende passion zu seyn, die Leute par force bereden will) ihm solches würden gerathen haben, wenn er derselben hätte Gehör geben wollen. Zu geschweigen, daß, wie allbereit oben gedacht worden, kein vernünfftiger Mensch wird begreiffen können, zu was für einen raisonablen Zweck diese Gegenschrifft hätte dienen sollen. Jedoch ist nichts so wunderlich und wieder
|| [357]
die gesunde
Vernunfft, das nicht zuweilen auch von sonst listigen Leuten zu geschehen
pfleget. Es haben mich gute Freunde gewiß versichern wollen, daß der Herr
Praetendent gegen andere seine gute Freunde gemeldet haben solle; er hätte sich
befahret, daß unser ihm gegebenes Responsum von uns nicht heimlich gehalten,
sondern andern communicirt, und also etwan zu seinem praejudiz kund werden
würde. Dannenhero hätte er für nöthig gehalten, durch diese Gegenschrifft (wie
seine expression gewesen seyn soll) einen Trumpff darauff zu setzen, welche uns
antreiben solte, unser Responsum zu cachiren, damit wir nicht genöthiget würden,
zugleich auch die Gegenschrifft zu weisen, als welche uns keine Ehre bringen
würde. Ja er soll unser Responsum zwar seinen Freunden gewiesen, aber ihnen
wenig Zeit gelassen haben, solches mit Bedacht zu durchlesen; wegen der
Gegenschrifft aber soll er nicht allein sich öffters gerühmet haben, daß er
gewiß wüste, daß mich dieselbe treflich in die Nase gebissen hätte, und daß ich
sie gewiß nicht würde an das Fenster stecken; sondern auch unterschiedenen die
Copey darvon mit nach Hause gegeben, und ihnen mithin vergönnet, oder
Gelegenheit gegeben haben, solche abzucopiren. Gleichwie aber aus alle dem, was
bißhero gemeldet worden, sattsam zu sehen, daß des Herrn Quaerenten oder
Praetendenten seine praetensiones alle zwar in seinem Kopffe richtig oder
unstreitig sind, aber bey andern Leuten in einem gantz andern Credite stehen;
also ist es auch mit dieser seiner intention und klugen Erfindung beschaffen,
inmassen diese publication ausweiset, daß ich des Herrn Praetendentens Trumpff
für nicht allzuwichtig gehalten, und seine Gegenschrifft nun iederman, dem es
beliebet, zu lesen gebe, in der gewissen Zuversicht, daß selbige meiner renommée
weder Abbruch thun, noch einen Zusatz geben werde.
§. LVIII. Indem ich bey dem Druck dieser Juristischen Händel die(Noch ein merckwürdig Exempel von des Herrn Praetenden. ten fauler Minerva) gedruckten Bogen übersehe, werde ich gewahr, daß der
Herr Quaerente auch in seinem ersten uns zu geschickten, und oben §. 36. mit
beygedruckten Poemate, eben so einen Schnitzer gemacht, als ich aus dem andern
oben §. 49. angemercket, wo er nicht etwa noch gar grösser ist. Er spricht in
11. Gesetze:
Beckeri Zauber-Welt, was Hobbes uns geschrieben Ist für unächtes Gut, und falsche Waar geschätzt. Des Tolands Wercke sind nicht ungestrafft geblieben: Und in das schwartze Buch der INQUISITION gesetzt. Das Wort Inquisition hat hier eben so, wie oben das Wort Souverainität ein paar Sylben zu viel, und wie die Verbeissungs-Verwandlung
|| [358]
SOUVRAINTAET, nicht einmahl
von denen Meister-Sängern zu Nürnberg würde passirt werden; so dürffte es
vermuthlich, mit der verbissenen INQUSITZON noch schwerer her gehen. Jedoch will
ich dem Herrn Praetendenten nicht alle Hoffnung abschneiden. Vielleicht kan er
da zu Nürnberg in diesem Punct eher ein Responsum favorabile erhalten, als von
unserer Facultät in der Hauptsache. Welches letzte mir zwar von Hertzen leyd
ist, jedoch nicht wegen meiner und noch weniger wegen unserer Facultät, sondern
wegen des Herrn Quaerenten, daß er einem einigen von unserm Corpore dergleichen
Thorheit zu trauen dörffen oder sich dessen bereden mögen. DIXI
§. I.
(Politischer Nutzen für den Pabst der Lehre, daß die Ehe
ein Sacrament sey.)
UNter denen politischen Staats-Streichen, derer sich der Pabst zu Rom bedient,
alle weltliche Obrigkeit mit ihrer guten Bewilligung zu Roß und Mäulern zu
machen, ist dieser nicht der geringste, daß er die Leyen, (und zwar vielleicht
auch sich seibst und seine Clerisey bona fide) beredet, die Ehe sey ein
Sacrament; und müsse von ihm als Beschützern des Glaubens mit neuen
Straff-Gesetzen gleichsam umzäunet werden, die er aber doch gegen diejenigen, so
sich sonsten in allen Stücken gegen ihn submittirten, wieder verlassen und
darinnen dispensiren könte. Denn was thut doch die Liebe nicht? Ich entsinne
mich, daß fur etliche und dreißig Jahren ein Advocate zu Leipzig etwas
unbescheiden geschrieben hatte, und dannenhero für das Oberhoffgerichte daselbst
gefordert wurde, auch einen derben Verweiß kriegte. Der gute bestürtzte Mensch,
der sich dieses Umstandes bey seinem Erscheinen nicht versehen, wuste in der
Angst nicht, was er für eine Entschuldigung zu seiner deprecation gebrauchen
solte; endlich bat er, man möchte ihm den begangenen Fehler um deßwillen zu gute
halten, weil er zur Zeit seiner verfertigten Schrifft eben Bräutigam gewesen;
und also kein so ruhiges Gemüth als sonst gehabt hätte. Die Herren Assessores
hatten genung zn thun, daß sie in des armen Stümpers Anwesenheit das Lachen
verbissen, und schafften ihn demnach behende fort mit der Vermahnung, es nicht
|| [359]
mehr zu thun; als er aber abgetreten war, brache
ihre Fröligkeit etwas deutlicher und zwar um deßwegen desto nachdrücklicher aus,
weil unter ihnen den Herren Assessoribus selbst einer (und zwar eine Person, die
allbereit etliche und dreißig Jahre als Junggeselle zurück gelegt) das erste
mahl ein Bräutigam war, der also von dem einfältigen Advocato ohne seine
intention per indirectum war einiger tummen Einfalt mit beschuldiget worden. Dem
sey aber nun wie ihm wolle, so ist es doch gewiß, und trifft mehrentheils ein,
was der Poete sagt: Omnis amans amens. (Siehe oben p. 141.) Ja wenn man die
Historiam Politico-Ecclesiasticam durchgehen will, wird man gar leicht einen
völligen Discurs von dieser Materie verfertigen können, wie offte und vielfältig
die Päbste sich dieser Staats-Raison bedienet, und denen verliebten Königen und
Fürsten, die sich um ihre dispensation oder durch die Fingersehung beworben,
viele der Königlichen Gewalt höchst praejudicirliche Dinge vorher abgeschwatzt.
§. II. Dieweil aber bey dem Anfange der Reformation man
auf(Noch viele reliquien
dieser Lehre bey denen Protestirenden.) Universitäten entweder die
Politic gar nicht, oder doch nach denen principiis der Catholischen Clerisey
lehrete, als war es nicht zu verwundern, daß, unerachtet man bey zeiten gewahr
wurde, daß die Ehe kein Sacrament wäre; man dennoch nicht alle aus diesem
falschen asserto herfliessende conclusiones deutlich erkannte, sondern
dererselben noch viele in den Evangelischen Consistoriis beybehielte, und in
öffentlichen Schrifften defendirte, wie z. e. aus denen Consiliis Theologicis
Wittebergensibus & Dedekenni hin und wieder erhellet, zugeschweigen der
vielen Streit-Schrifften, die biß zu unsern Zeiten von der Ehe mit des Weibes
Schwester, item mit einem verschnittenen, von den Ursachen der Ehescheidung, von
der Vielweiberey, von dem Concubinat u. d. g. gewähret haben, und noch währen.
Jedoch hat GOtt auch in diesem Stück Gnade gegeben, daß seit dreißig Jahren auch
in dieser Materie von Ehesachen die Warheit mit Gewalt durchgebrochen, ob er
sich schon, wie auch sonsten in andern Stücken nach der Unerforschlichkeit
seiner Weißheit, hierzu gantz unterschiedener Instrumente bedient. Und weil ich
hiervon allbereit an andern Orten, sonderlich aber in denen Anmerckungen über
des Lancelotti institutiones des geistlichen Rechts über des andern Buchs 9. biß
16. Titul a p. 778. biß p. 987. weitläufftig gehandelt habe, als will ich mich
hiermit darauff kürtzlich beziehen.
§. III. Indessen, gleich wie sonsten die Erkäntniß der
Wahrheit so(Die aber einige Zeit hero sich)
wenig bey einem eintzelen Menschen, als bey einem gantzen Collegio sich mit
einen mahl völlig zu erkennen giebet; also ist es auch mit der Erkänt
|| [360]
niß
(nach und nach zu ändern angefangen.) der Wahrheit
in Ehe-Sachen hergegangen, und werden dannenhero auch die in diesen meinen
Juristischen Händeln vorkommende, in Ehe-Sachen ertheilte Urtheile und Responsa,
Exempel an die Hand geben, wie bey unserer Facultät, auch bey mir selbst diese
Erkäntniß nach und nach immer mehr und mehr gewachsen: Ja weil auch dieses noch
ad reliquias Papatus Politici gehöret, daß unerachtet der Sel. Lutherus
allbereit erkant, daß die Ehe ein weltlich Geschäffte sey, dennoch auch noch
heute zu Tage in quaestionibus juris (denn ausser denen quaestionibus juris ist
kein Zweiffel, daß, wie in allen menschlichen Händeln und Gesellschafften, also
auch in der Ehelichen Gesellschafft viele Fragen vorkommen können, die nicht nur
für die Herren Theologos, sondern auch für diese alleine & cum
exclusione Facultatum Juridicarum gehören) die Urtheils-Fragen, und über welche
Responsa juris eingeholet werden, gar öffters an beyde von denen obersten
Facultäten zugleich pflegen gerichtet zu werden; so ist es leicht zu begreiffen,
daß auch aus dergleichen Urtheilen und Responsis mag erkannt werden, wie auch
bey der löblichen Theologischen Facultät nach und nach in Ehe-Sachen die
Erkäntniß der Wahrheit zugenommen habe.
(Der erste Handel nebst dem darüber cum
rationibus gesprochenen Urtheil.)
§. IV. Vor dieses mahl will ich bey dem Beschluß dieses ersten Theils ein paar
Händel anführen, über welche allbereit anno 1693. und 95. nomine Facultatis Theologicae & Iuridicae von mir theils ein
Urtheil, theils ein Responsum ausgefertiget worden. Was den ersten Handel
betrifft, so wurden aus der Regierung zu M. zu Ende des 1693. Jahres uns Acta
zugeschickt, in welchen folgender Casus enthalten. Ein gewisser Hauptmann hatte
seine Ehefrau sehr übel tractiret, dergestalt, daß die Scheidung von Tische und
Bette erkannt worden war, jedoch mit beygefügter Clausul, daß Kläger zu einer
andern Ehe zu schreiten nicht befugt wäre. Weil nun dieser das donum
continentiae nicht hatte, als war er bemühet, die Erlaubniß, daß er wieder
heyrathen dürffte, auff eine andre invention zu erhalten. Er offerirte sich
nemlich zur juratorischen Caution, daß er künfftig mit seiner Frau friedlich und
schiedlich leben wolte; diese aber war an dem Orte, dahin sie sich nach der
Scheidung von Tische und Bette gewendet hatte, nicht mehr anzutreffen, sondern
hatte sich anders wohin begeben. Da vermeinte nun der Mann, er hätte genungsame
Ursache, diese seine Ehefrau, als wenn sie ihn bößlich verlassen hätte zu
verklagen, und solchergestalt für sich die Freyheit wieder zu heyrathen, zu
erhalten; hingegen war ex Actis zu sehen, daß die Frau den Mann beschuldigte,
daß dieser inzwischen eine ledige Weibes-Person geschwängert
|| [361]
haben solte, und wurde dannenhero in December besagten 93. Jahrs
folgendes Urtheil cum rationibus decidendi wieder zurück geschickt.
Daß die von Klägern gesuchte völlige Ehescheidung noch zur Zeit nicht statt hat,
auch ihme bey Straffe 200. Thlr. zu untersagen, daß er sich durante Processu
anderweitig in kein Ehe-Verlöbniß einlasse: Es wird aber auf sein ferneres
Ansuchen an das Rensburgische Consistorium, oder wo sich Bekl. sonsten anitzo
aufhalten möchte, die Sache nochmals zu Vornehmung gütlicher reconciliation
recommendiret und in Entstehung derselben Bekl. zugleich in subsidium, oder da
der Ort ihres itzigen Aufenthalts nicht zu erfahren, edictaliter citiret, daß
sie binnen einer kurtzen Frist sich ad Acta erklähre, ob sie die fol. 175.
befindliche juratorische Caution ihres klagenden Ehemannes anzunehmen, und ihm
ferner ehelich beyzuwohnen gesonnen, oder da sie solches zu thun nicht willens,
ihre darwieder habende Exceptiones durch einen hierzu genugsam legitimirten
Gevollmächtigten ad Acta bringe, auch selbige, absonderlich aber, was sie fol.
Act 137. & 138. Klägern beschuldiget, daß er eine daselbst benennete
ledige Weibes-Person geschwängert haben solle, gebührend bescheinige, und
ergehet, so dann in der Sache allenthalben ferner was recht ist, V. R. W.
Rationes decidendi.
Was in dieser Sache bißhero gesprochen worden, zeigen die Acta fol. 113.
& 162. allwo beyderseits Partheyen quoad thorum & mensam wegen
Klägers gegen Beklagte verübte harte und vielfältige Saevitien von einander
separiret und zugleich erkant worden, daß Kläger zur andern Ehe zu schreiten
nicht befugt; Als nun hierauf Kläger fol. 172. gebethen, ihn zur juratorischen
Caution zu zu lassen, und an die Hochfürstliche Regierung zu Jever in subsidium
juris zu gesinnen, daß daselbst die Güte und reconciliation vorgenommen werden
möchte, ist diesem petito fol. 174. & 177. deferiret worden und Kläger
ferner, als f. 179. & 184. Nachricht ad Acta gebracht worden, daß
Beklagte sich von Jever hinweg und nach Holstein gewendet, auch itzo unter dem
Rensburgischen Consistorio gesessen sey, fol. 185. abermahl gebethen, nunmehro
auf die völlige Ehescheidung zu erkennen.
Ob er nun wohl aber mahls malitiosam desertionem seines Eheweibes vorgeschützet,
auch selbige durch einige Abschrifsten zweyer von Gerhardt Gottfried Wahren
Pastore zu H. W. erhaltenen Schreiben fol. 183. zu bescheinigen sich bemühet.
Dieweil aber dennoch ex Actis offenbahr, daß Kläger wegen seiner harten
Saevitien der Beklaaten zu der desertion Anlaß gegeben, auch in den übergebenen
Abschrifften viele Umstände von dem, was Beklagte besagtem Pastori zur Antwort
gegeben haben soll, ausgelassen, auch darbey fol. 184. b. gedacht worden, daß
Beklagte auff 4. Wochen, Bedenck-Zeit genommen, ihre wahre Hertzens-Meinung von
sich zu geben, und der Stylus des ersten Schreibens fol. 183 und was daselbst
von einer Tracht Prügel gedacht wird, genugsam Vermuthung giebet, daß gemeldeter
Pastor gezie
|| [362]
mende und Christliche Vorstellung
der Bekl. nach Nothdurfft nicht gethan haben möge; hiernächst auch aus Klägers
Schrifften fol. 127. neue Veranlassung des Mißvertrauens genommen wird, und aus
derselben in Actis beschriebenen Lebens-Art offenbarlich abzunehmen, daß
Beklagtin die bestellte juratorische Caution wieder ihren Willen anzunehmen
nicht angehalten werden möge, und vielmehr, wenn der fol. 137. b. & 138.
angeschuldigte Ehebruch erwiesen werden möchte, die Ehe propter adultorium
mariti künfftig zu scheiden wäre, und solcher gestalt die fol. 186. b. in
postscripto von Klägern angeführte Bedrohung, daß er aus Ungedult nicht möchte
verursachet werden, sich sonst zu übereilen, zur Ungebühr geschehen, als ist
obiger massen zu erkennen gewesen.
(Allerhand nützliche Anmerckungen von der Scheidung von
Tisch und Bette.)
§. V. Es ist in notis ad Lancelottum angeführet worden, daß die Scheidung von
Tisch und Bette ursprünglich an statt einer wahren Ehescheidung, von dem
Päbstischen Recht erfunden worden, und vorher andern Völckern unbekant gewesen.
Nach der Reformation aber hat man diese Scheidung von Tisch und Bette unter
denen Protestirenden als ein vernünfftiges Mittel beybehalten, die zwischen
Eheleuten entstandene Feindseeligkeiten auffzuheben, und die gehäßigen Gemüther
wieder zu vereinigen. vid. Ziegl. ad Lancelott. lib. 2. not. 519 & 545.
Nun will ich zwar diesen praetext nicht gantz und gar verwerffen, noch für gantz
unvernünfftig ausgeben: sondern gebe gerne zu, daß es jezuweilen mit guten
Success practiciret worden. Nichts destoweniger überlasse ich allen der Natur
der Menschen kundigen Gemüthern zu überlegen: 1. Ob nicht die tägliche Erfahrung
bezeige, daß unter funffzig Exempeln kaum fünffe zu finden, da dieses Mittel
fruchtbarlich angeschlagen, und ob nicht die regulae genuinae Politicae
erfordern, diejenigen Mittel vor vernünfftig auszugeben, die meistentheils nach
der allgemeinen Natur der Menschen, eine gute Würckung nach sich ziehen? 2. Ob
die erste Beybehaltung dieses Mittels unter denen Protestirenden nicht vielmehr
einer nicht allzuvernünfftigen Liebe derer Herrn Juristen gegen das Päbstische
Recht zuzuschreiben sey, und daß das Vorgeben der intendirten Versöhnung nur ein
blosser praetext gewesen? 3. Ob nicht zu diesen Unfug ein grosses beygetragen,
daß man in Auslegung heiliger Schrifft allzusehr an denen Patribus gehangen, und
dieser ihre Erklärungen dem göttlichen Wort selbst gleich geachtet, auch
dannenhero keine andre als adulterium & malitiosam desertionem, für
rechtmäßige Ursachen der Ehescheidung annehmen, solcher gestalt aber die
zwischen Eheleuten entstandene tödtliche und unversöhnliche Feindschafften nicht
für eine rechtmäßige Ursache der Ehescheidung erkennen wollen, in der That
selbst aber doch endlich darauff verfallen, wenn man auch wohl den
|| [363]
unschuldigen Ehegatten, der seines Lebens bey dem
andern nicht sicher gewesen, zur Wiederversöhnung und Beywohnung zwingen wollen,
und wenn dieser nicht gewolt, die Ehe sub praetextu malitiosae desertionis
geschieden? 4. Ob nun dieser Praetext raisonable sey? überlasse ich, wie
gemeldet, weiterer Uberlegung, und wird es vielleicht in folgenden mehr
Gelegenheit geben, meine Meinung hiervon etwas deutlicher zu melden. Indessen
kan zum voraus gelesen werden, was ich in notis ad librum 2. Lancelotti nota
503. & 504. allbereit wegen der rechtmäßigen Ursachen der Ehescheidung
mich erklähret, ingleichen was Brückner hiervon in Decisionibus juris
matrimonialis integris capitibus 16. & 25. von dieser Materie gemeldet.
Absonderlich aber bitte ich den von Brücknero weitläufftig erzehlten casum p.
256. biß 261. wohl zu überlegen, und 5. zu urtheilen, ob es vernünfftiger Weise
vertheydiget werden könne, daß daselbst ein liederlicher und zwey von seinen
Weibern grausam tractirender Ehemann dergestalt von allen beyden geschieden
worden, daß er wieder heyrathen dörffen, dergleichen Freyheit aber denen
abgeschiedenen Weibern unter dem praetext malitiosae desertionis vel contumaciae
nicht verstattet werden wollen: oder ob diese beyde Urtheil nicht sehr starck
nach denen reliquiis Papatus, so viel die Weiber betrifft, schmecken oder
riechen?
§. VI. Anno 1695. wurde über folgenden Handel ein Responsum(Der andere Handel nebst dem Responso.) von uns begehret, da ein Bräutigam seiner Braut, die
ohnedem aus Furcht und halbgezwungen sich mit ihm verlobt hatte, noch vor der
Hoch. zeit Unzucht zugemuthet, und sie darzu hatte forciren wollen; worauff die
Braut die Ehe durchaus nicht vollziehen wollen. Die mehrern Umstände dieses
Handels sind aus dem Responso selbst zu sehen, das ich in Monat Junio gemeldeten
Jahres in Nahmen beyder Facultäten auffgesetzet.
Als derselbe uns eine speciem facti nebst Beylagen sub B. & D. und zweyen
unterschiedenen Fragen etc. etc. und zwar anfänglich auf die erste Frage etc.
etc. hat Conradus von G. bey Veronicae Mutter seine Person besagte Jungfrau
Veronicam zu heyrathen angetragen, die Mutter aber ohne ihrer Tochter
Einwilligung ihm, daß er sich etwa 6. Wochen gedulden und hernach mit Antwort
versehen werden solte, zur Antwort hinterbringen lassen; Ehe aber dieser Termin
verstrichen, ist Conradus, den zu vorhero Veronica nie gesehen, auch von dessen
Wesen und Gemüthe keine Kundschafft gehabt, in der Veronicae Mutter Hauß kommen,
und hat sein Gewerbe fortgesetzet; ist Veronica, die alsofort, da sie Conradum
gesehen u. gesprochen, bey sich verspühret, daß sie keine Ehel. Affection zu ihm
würde tragen können, auch nicht zu Conrado in die Stube ferner gewolt, sondern
sich absentiret und verstecket, (dessen Bericht nach) unter vielen Weinen und
Seuffzen von der Mutter angetrieben, und von ihrer Mutter Bruder
|| [364]
bey der Hand in die Stube gezogen worden, welcher
auch, als es zum Jawort kommen, der Veronicae selbiges mit diesen Worten: nun so
sage ja, in dem Mund gegeben; hat hierauff Conradus nach etlicher mit der
Veronica gepflogenen Conversation sie mit Darbiethung ein paar Ohren-Ringe vor
60. Thlr. um den Beyschlaff sollicitiret, auch dergestalt mit Thätigkeit in sie
gedrungen, daß sie sich ferner seiner mit allen Kräfften erwehren, und endlich
laut ruffen müssen, worauff Veronica einen solchen Wiederwillen gegen Conradum
bekommen, daß sie die Ehe nicht vollstrecken, sondern von Conrado geschieden
seyn will;
Ob nun wohl sponsalia de praesenti (dafür wir die zwischen Conrado und Veronica
vorgegangene allen Ansehen und Umständen nach, absonderlich aber nach der
Beylage sub D. halten) ohne grosse und erhebliche Ursache nicht zu rescindiren,
und anfänglich der von Veronica praetendirte dissensus ihr wenig zu statten
kommen mag, in Betrachtung doch nicht mehr als metus reverentialis heraus kommen
würde, sie auch durch die nachfolgende familiaire Conversation ihr gegebenes
Jawort ratihabiret, und da sie nunmehro sich nicht scheuet, vermuthlich wieder
ihrer Anverwandten Willen ihren Wiederwillen gegen Conradum so nachdrücklich zu
bezeugen, sie vielmehr solches würde bey der Verlobung gethan, und die ihrer
Mutter und Anverwandten schuldige Verehrung nicht attendiret haben, wenn sie
damahlen, so ernstlich dissentiret hätte, auch wenn solches damahls geschehen,
die nunmehr gefolgte Unordnung nachgeblieben wäre; hiernächst was pro Veronica
angeführet wird, daß die Zumuthung des Beyschlaffs, so ihr von Conrado
geschehen, denen insidiis vitae und morbo contagioso oder insigni deformitati,
als causis justis repudii gleich zu achten, wo nicht vorzuziehen, in Rechten
nicht gegründet, sondern, wenn gleich insidiae pudicitiae, contagium animi,
& deformitas mentis höher in consideration zu nehmen wäre, als itzt
bemeldte Ursachen; dennoch dabey zu erwegen, daß diese vitiositas animi durch
Erkäntniß und Bereuung leichtlich zu ändern, auch pudicitia ohne Einwilligung
des andern Theils nicht so leicht als das Leben benommen werden mag, und ferner
des Conradi Vorgeben; daß Braut und Bräutigam post celebrata sponsalia schon
Ehe-Leute vor GOtt wären, obschon die copulatio sacerdotalis (die diß fals
adiaphora wäre) noch nicht geschehen, nicht nur abstrahendo a Legibus
Ecclesiasticis nicht gäntzlich an und vor sich selbst ungegründet ist, sondern
auch zum wenigsten diese Würckung nach hergebrachten Rechten hat, daß die aus
solchen post sponsalia publica ante benedictionem facerdotalem geschehenen
Beyschlaff erzeugte Kinder pro legitimis zu achten; bey dieser Bewandniß aber
ein dergleichen concubitus quoad effectus juris externi & Politici pro
scortatione aut stupro nicht ausgegeben werden kan, vielweniger einer Braut
propter attentationem actio injuriarum zu verstatten ist;
|| [365]
Dieweil aber dennoch die Kirchen-Rechte vermögen, daß propter ortas inimicitias
capitales & irreconciliabiles aus Noth und zu Vermeidung grössers
Unheils dissolutio sponsaliorum von der Obrigkeit ex officio gar wohl verordnet
werden kan, und dem Bericht, auch der Veronicae Beicht-Vaters Schreiben nach sub
D. Veronica nunmehr einen solchen Abscheu für Conradum bekommen, daß sie allen
von dem Beicht-Vater zu unterschiedenen mahlen geschehenen Zureden ungeachtet
nichts ferner von ihm wissen will, sondern lieber unverheyrathet zu bleiben sich
erkläret, und gleichwohl Conradus ihr zu diesen Wiederwillen allerdinges Ursache
gegeben, indem theils so wenig von ihm, als der Veronicae Freunden
verantwortlich, daß sponsalia mit so grosser Ubereilung und ohne gebührende
Erkundigung des Gemüths und Neigung, auch wohl mit hierbey gebrauchter List und
Bedrohung celebriret worden, woraus denn hernach gar leichtlich solche Früchte
erfolgen, die Conradus bey dieser Bewandniß sich mit zu imputiren: Theils der
von Conrado attentirte concubitus seines Einwendens unerachtet, für eine
ungeziemende, schändliche und in foro Ecclesiastico straffbare That zu halten,
indem zu geschweigen, daß keiner Privat-Person für sich Adiaphora nach Gefallen
zu ändern frey stehet, auch die Doctores nicht einig, ob und wie weit benedictio
sacerdotalis pro Adiaphoro zu halten, zum wenigsten bey denen, die in societate
civili leben, nicht auff das zu sehen, was etwan abstrahendo a Legibus humanis
vergönnet seyn möchte, sondern was Leges positivae verbieten, sie ebenfals in
conscientia obligiret, und sie wegen Ubertretung desselben GOtt, der die
Obrigkeit eingesetzet, schwere Rechenschafft geben müssen; auch in praesenti
casu der frühzeitige Beyschlaff durch die Kirchen-Rechte mit Kirchen-Busse
beleget wird, und hierinnen selbige ein Christlich Absehen haben, daß
vernünfftige Menschen und Christen nicht wie das unvernünfftige Vich zusammen
lauffen, sondern ihren Ehestand in Zucht und Erbarkeit (die auch von denen
Heyden nicht allerdinges aus denen Augen gesetzet worden,) anfangen sollen, im
übrigen auff gegenwärtigen Fall die Rechts-Regul: quod si talis accidat casus,
qui si tempore sponsaliorum adfuisset, sponsus vel sponsa nunquam consensisset,
tuncjudicem ad dirimenda sponsalia propensiorem esse debere, gar wohl appliciret
werden mag:
So erscheinet hieraus allenthalben so viel, daß wenn Veronica alles Einredens
unerachtet die Ehe mit Conrado dennoch nicht vollziehen will (dazu sie aber
nochmals ernstlich zu vermahnen ist, auch sich selbst dißfals zu prüfen und für
GOtt zu demüthigen, und denselben anzuruffen hat, daß sie durch dessen
Gnadverleihung den gefasten Wiederwillen überwinden, und, was in GOttes Nahmen
angefangen und bestätiget worden, ja nicht durch halßstarrigen Eigensinn
unterbrechen und deßwegen schwere Verantwortung und Unsegen auff sich ziehen
möge,) die zwischen ihr und Conrado getroffenen spon
|| [366]
salia gestalten Sachen nach von dem Consistorio aus Noth und zu
Vermeidung grössern Unheils zwar rescindiret, aber darbey beyden Theilen, zu
Verhütung Aergernisses, binnen einer Zeit anderwärtigen Ehegelöbniß sich zu
enthalten, billig untersaget wird.
Auf die 2. Frage E. W. V. R.
Ob wohl Veronica allenfals eydlich sich zu purgiren erböthig ist, daß der von
Conrado attentirte concubitus ihre vornehmste und nicht simulirte Ursache sey,
warum sie einen so festen Wiederwillen wieder Conradum gefasset, und hiernächst
daß in casibus matrimonialibus nicht contra matrimonium juramenta zu zu lassen,
von denen juramentis a parte parti delatis, nicht aber von juramentis
purgatoriis, davon doch jetzo die Frage, zu verstehen ist, und also scheinen
möchte, daß Veronica in Betrachtung der vielen für sie praesumtionem machendem
Umstände zu solchen juramento billig zuzulassen; Dieweil aber dennoch mit denen
Juramenten nicht zu spielen, und bekanten Rechtens, quod juramentum non
permittendum, si id quod juratum est, partem non relevet, aber bey der ersten
Frage allbereit ausgeführet worden, daß das von Conrado vorgenommene,
ungeziemende Beginnen für sich keine justam causam repudii auf Seiten der
Veronicae macht, sondern sie nur in etwas a poena excusiret, und in der
Ehescheidung bloß auff die daraus entstandene inimicitias irreconciliabiles zu
sehen ist, in diesem Stücke aber Veronica praesumtionem für sich hat, auch über
dieses gefährlich seyn würde, eine in so starcken Affecten stehende Person
schweren zu lassen, in Betrachtung die Menschliche Natur also beschaffen, daß
man in affectu etwas pro causa primario movente hält, und sich selbst beredet,
das man doch hernach, wenn die causa affectum movens weggethan, ist, zum öfftern
erkennet, daß es nur ratio secundaria & adjuvans gewesen, auch
solchergestalt viel darzu gehöret, ehe sich Veronica rechtschaffen prüfen könne,
ob, wenn sie Conradum zu vorhero hertzlich geliebet, sie den ihr zugemutheten
Beyschlaff sich ebenmäßig zu einem solchen Haß würde haben bewegen lassen; So
mag auch Veronica, da ein Zweifel wegen der Ursache ihrer aversion vorfallen
solte, gestalten Sachen nach über diesem Punct zum juramento purgationis nicht
zugelassen, oder solches von ihr gefordert werden. V. R. W.
(Etliche Anmerckungen darüber.)
§. VII. Ob wohl auch bey diesem Handel vieles könte erinnert werden, so wird es
sich doch füglicher schicken, bey anderer Gelegenheit solches zu thun, inmassen
die Lehre von denen Ehegelöbnissen bey denen Protestirenden fast noch
verwirreter ist als bey denen Canonisten. Siehe indessen, was ich allbereit in
der disputation de pactis futurorum sponsaliorum und in denen notis ad Lancel.
lib. 2. tit. de sponsalibus fürnemlich aber p. 817. seq. item p. 827. seq.
angemerckt habe. Vorietzo will ich nur diese zwey Puncte kürtzlich melden: 1.
Ist in denen rationibus ad
|| [367]
quaest. 1. unter andern
gemeldet worden, daß auch sponsalia de praesenti propter ortas inimicitias
capitales geschieden werden möchten. Wenn nun dieses richtig, würde zu
untersuchen seyn, was doch eigentlich die Ursache sey, daß man bey uns
dergleichen Feindschafft nicht auch für eine gnungsame Ursache halte, die Ehe zu
scheiden? Ob es nicht hauptsächlich deßwegen geschehe, daß die Ehe durch die
Priesterliche Trauung was Sacramentisches worden? etc. 2. Weisen es die
antecedentia & consequentia, daß die in dem responso ad quaest. 1. in
fine befindliche und mit andern Litern gedruckte Parenthesis mit denenselben
nicht wohl connectire. Wie dann auch besagte Parenthesis in das von mir
verfertigte Responsum bey der Revision von einer andern Hand war darzu
geschrieben worden; wannenhero ich auch dieses dem Leser überlasse zu
beurtheilen, ob nicht in dieser Parenthesi noch viele reliquiae arcanorum juris
Canonici verborgen, sonderlich aber unter was für einem praetext die sponsalia
quaestionis dafür ausgegeben werden mögen, daß sie in GOttes Nahmen (warhafftig)
angefangen worden, da doch die species facti gantz ein anders bezeuget.
I. Handel. Defension einer Frauens-Person, die wegen Kinder-Mords verdächtig
war.
HUmmarisches Geschrey wegen des Kinder-Mords. §. l. p. 1. Praeliminar Bedencken
und Uberlegung des Defensoris. §. II. p. 2. Auf was Weise derselbe die indicia
in Actis zu sehen bekommen. §. III. p. 3. Starcke indicia wieder die
Inquisitinnen. §. IV. p. 4. Fernere Uberlegung und resolution des Defensoris. §.
V. p. 14. Nachricht von dem, was mit des todten Kindes Lunge probiret worden,
und was daraus zu praesumiren. §. VI. p. 16. Praeliminar Verhör der beyden
Inquisitinnen von dem Defensore vorgenommen, und derselben Nutzen. §. VII. p.
17. Fortsetzung des Processes, und was dabey merckwürdig von 15. Octobris 1681.
biß zu dessen Ende. §. IIX. p. 20. Neuer und die Sache in etwas alterirender
Incident-Punct, wegen allzuzeitiger Suchung eines andern Collegii zu Sprechung
der Urtheile. §. IX. p. 25. Neuer Umstand wegen angegebener Intimidirung und
Corrumpirung der Zeugen. §. X. p. 38. Erstes Urtheil in dieser Sache Mense
Novembr. 1681. §. XI.
|| [368]
p. 28. Vernehmung der Köchin
nach Anleitung des Urtheils §. XII. p. 30. Item der Medicorum und des
Balbierers. §. XIII. p. 31. Zeugen Verhör wegen der vorgegebenen Bestechung der
Köchin. §. XIV. p. 32. Summarischer Inhalt der übrigen Acten Voluminis primi. §.
XV. p. 34. Gelegenheit, durch welche man den gehäßigen Commissarium loß worden.
§. XVI. p. 35. Die dazu gehörige Excerpta ex Actis. §. XVII. p. 35. Was für dem
neuen Commissario ferner biß zur responsion ad Articulos fürgegangen. §. XIIX.
p. 36. Anzahl der Articulorum, und Anmerckung darüber. Summarische Aussage der
Inquisiten. §. XIX. p. 36. In specie des Vaters. §. XX. p. 36. Der Mutter. §.
XXI. p. 38. Endlich der Tochter Annen. §. XXII. p. 40. Praeparatoria zur
Defension und Einhohlung der hierzu nöthigen Mittel. §. XXIII. p. 42. D.
Schreyers eydliche Aussage über Zeugen-Artickel. §. XXIV. p. 42. Die Defension
selbst. §. XXV. p. 43. Beylagen der Defension 1. Zeugen-Aussage pro Rea. §.
XXVI. p. 73. 2. D. Schreyers Deduction. §. XXVII. p. 74. 3. Locus Caroli
Raygeri. §. XXIIX. p. 76. 4. Responsum Herrn D. Rivini und D. Langens. §. XXIX.
p. 76. 5. Excerpta ex variorum Medicorum scriptis. §. XXX. p. 77. Erinnerung
wegen der Defensionen insgemein. §. XXXI. p. 78. Veranlassung des Anhangs zur
ersten Defension. §. XXXII. p. 81. Der Anhang selbst. §. XXXIII. p. 82.
Responsum der Medicinischen Facultät zu Franckfurt pro Rea. §. XXXIV. p. 83.
Interlocut ex Scabinatu, die Acta nochmahls in eine Medicinische Facultät zu
schicken. §. XXXV. p. 86. Supplication nach Dreßden, die Acta ad JCtos
Wittebergenses zu schicken. §. XXXVI. p. 86. Herrn D. Rivini und D. Langii
anderes Responsum, und was die Gelegenheit dazu gewesen. §. XXXVII. p. 89.
Responsum der Medicinischen Facultät zu Wittenberg. §. XXXIIX. p. 90. Neues
Urtheil der Herrn Schöppen zu Leipzig. §. XXXIX. p. 93. Supplique, die Acte an
die Herrn JCtos nach Wittenberg zu schicken. §. XL. p. 94. Anderwärtige und
letzte Defension derer Inquisiten. §. XLI. p. 95. Das Urtheil der löblichen
Juristen-Faculät zu Wittenberg. §. XLII. p. 103. Das letzte Definitiv Urtheil.
§. XLIII. p. 103. Nutzen dieses gegenwärtigen Casus. §. XLIV. p. 104.
II. Handel. Responsum vor einen Kornschreiber, der aus Haß von seinem
Kloster-Verwalter angegeben worden.
Erinnerung, wegen Schädligkeit der Denuntianten, und daß das Angeben für ein
Christlich Werck gehalten wird. §. 1. p. 105. Ingleichen von denen excessen der
Richter in Inquisitions Sachen, nebst einem artigen Exempel davon. §. II. p.
107. Gegeneinanderhaltung der Partheyligkeit der Richter und der falschen
Denuntianten. §. III. p. 109. Occasion gegenwärtigen Responsi, und dessen
Inhalt. § IV. p. 109. Anmerckung wegen der allegatorum juris. §. V. p. 117.
Unzulängligkeit, die
|| [369]
Denuntianten von Calumniren
abzuhalten, wenn gleich denen denuntiatis der Regress wieder sie vorbehalten
wird. §. VI. p. 118.
III. Handel. Die von der Inquisition absolvirte sind nicht allemahl befugt,
sich an denen Denuntianten zu erhohlen.
Etliche hieher gehörige Praeliminar-Anmerckungen. §. I. p. 119. Das Responsum
selbst. §. II. p. 120. Nicht alle vernünfftigen Leuten Wahrscheinliche crimina
sind deßhalben sufficient zur Special Inquisition. §. III. p. 123. Unterschied
der Formuln, etwas zu thun befugt, und unbenommen zu seyn. §. IV. p. 125.
IV. Handel. Ob und wie ferne es einer Unter-Obrigkeit zustehe, den
Staupenschlag oder Landes-Verweisung in eine geringere Straffe zu verwandeln.
Altes Schöppen-Urtheil, darinnen diese Frage bejahet wird. §. I. p. 125. Neues
Urtheil, darinnen diese Macht dem Fürsten vorbehalten wird. §. II. p. 126.
Dessen Vertheydigung wieder die gemachten Einwürffe. §. III. p. 127. Erklärung
und Ausnahme zweyer zu dieser Frage nicht gehörigen Fälle. §. IV. p. 128.
V. Handel. Von einem ungelehrten Beamten, der eine ihm angethane Beschimpffung
ungeschickt rächen wollen.
Unterschied unter der Formul, etwas zu thun befugt zu seyn, und wohlgethan zu
seyn. §. I. p. 130. Die actiones injuriarum nutzen wenig oder gar nichts. §. II.
p. 131. Summa des gegenwärtigen Handels nebst dem responso. §. III. p. 133. Noch
etliche Anmerckungen von der Ungeschickligkeit des Quaerenten. §. IV. p.
139.
VI. Handel. Von einem geitzigen Weibe, die ihren Ehemann durch eine
eigennützige Ehestifftung betrügen wollen, und selbst betrogen worden.
Die Umstände, durch welche die Braut den Bräutigam betrogen. §. I. p. 140. Die
eigennützige Ehestifftung selbst. §. II. p. 141. Responsum, daß dieselbe nicht
gültig sey. §. III. p. 143. Ein anderes, für derselben Gültigkeit. §. IV. p.
146. Beantwortung dieses letzten Responsi. §. V. p. 149. Ausgang der Sache. §.
VI. p. 151.
|| [370]
VII. Handel. Wie man sich zu verhalten habe, wenn man in juriret worden, und
weiß nicht von wem?
Kurtze, jedoch Juristische Beantwortung dieser Frage. §. I. p. 152. Warum
dieselbe so ausführlich erzehlet worden. §. II. p. 154. Ein neuer Handel von
gleichem Gewichte. §. III. p. 154. Beantwortung desselbigen cum allegatis legum
& doctorum. §. IV. p. 156.
VIII. Handel. Ein rares Exempel eines unförmlichen, iedoch von sehr hoher und
vornehmer Hand geschriebenen Attestats.
Erinnerung für Obrigkeitliche ungelehrte Personen. §. I. p. 159. Exempel eines
unförmlichen Attestats. §. II. p. 160.
IX. Handel. Original von einen tummem Zungendrescher.
Anmerckung von Zungendreschern überhaupt. §. I. p. 160. Ein lebendig Exempel
eines Zungendreschers. Ungemeine Auslegung, was ein leiblicher Eyd bedeute. §.
II. p. 161. Absurde allegation der Gesetze aus dem Corpore Juris. §. III. p.
163. Alle absurditaeten sind solchen Leuten ordentlich zuzuschreiben. §. IV. p.
164.
X. Handel. Unzeitiger Lermen über eine unordentliche Registratur.
Die an uns geschickte Frage. §. I. p. 164. Erstes Responsum §. II. p. 167. Das
andere. §. III. p. 168.
XI. Handel. Ob und wie ferne die Ertheilung eines Koch Privilegii ad Regalia
gehöre oder nicht?
General Erinnerungen bey diesem Handel. §. I. p. 169. Der Hauptzweck des
Responsi. §. II. p. 170.
XII. Handel. Von heimlichen Beyschreiben der Obrigkeit bey Verschickung der
Acten.
Wie vernünfftige Urtheils-Fragen abzufassen. §. I. p. 171. Unfug der allzu
generalen Urtheils-Fragen. §. II. p. 172. Oder der heimlichen Fragen und
Beyschreiben §. III. p. 173. Hieher gehöriger Handel und Responsum. §. IV. p.
174.
|| [371]
XIII. Handel. Von einem Prediger, der in seiner Predigt andere beschimpffet.
Straff-Amt der Prediger und wie solches einzuschrencken sey. §. I. p. 177. Hieher
gehöriger Handel §. II. p. 178. Unser Urtheil nebst denen rationibus. §. III. p.
179.
XIV. Handel. Untauglichkeit eines betrüglichen Vergleichs mit einem Prediger.
Grosse Dürfftigkeit unserer Prediger. §. I. p. 181. Responsum über den
rubricirten Handel. §. II. p. 181.
XV. Handel. Von Eingriff der Innungen in die Obrigkeitliche Gewalt.
Die quasi jurisdiction der Zünffte, und deren Mißbrauch. §. I. p. 182. Responsum
für die Innungen. §. II. p. 183.
XVI. Handel. Von zwey Geschwistern, die in Verdacht waren, daß sie ihre
Schwester gehangen.
Zweiffelhafftigkeit der Umstände des gegenwärtigen Handels. §. I. p. 185. Indicia
wieder die Inquisiten. §. II. p. 186. Partheyligkeit des adjungirten Amtmanns.
§. III. p. 187. Das von uns gesprochene Urtheil. §. IV. p. 188.
XVII. Handel. Ob das Stifft S. S. Simonis & Judae zu Goßlar ein
unmittelbares freyes Reichs-Stifft sey oder nicht?
Die dieferwegen eingeschickte Urtheils-Frage. §. I. p. 191. Das darauff erfolgte
responsum. §. II. p. 195.
XVIII. Handel. Absolvirung einer ungegründet angegebenen Hexe.
Zustand des Autoris zur selbigen Zeit. §. I. p. 197. Neun indicia wieder die
inquisitin, die doch alle verneinet. §. II. p. 198. Beweiß der indicien durch
Zeugen §. III. p. 198. Exceptiones des defensoris wieder diese indicia. §. IV.
p. 200. Darauff erfolgtes Urtheil. §. V. p. 200. Dessen rationes decidendi. §.
VI. p. 201. Daß auff das Angeben anderer Hexen nicht zu trauen. §. VII. p. 202.
Exempel von etlichen andern Hexen Acten. §. VIII. p. 203. Nemlich von einem
Mägdgen, das Mäuse ma
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chen können. §. IX. p.
204. Von einem Jungen, der abscheuliche Dinge per pacta mit dem Teuffel gethan
zu haben, freywillig ausgesagt. §. X. p. 205. Erinnerung wegen anderer Actorum
Magicorum §. XI. p. 206.
XIX. Handel. Von Partheyligkeit der Richter, die in Inquisitions Sachen die
ihnen nicht anstehenden Urtheil ab Actis removiren.
General Anmerckungen. §. I. p. 207. Derer application auff gegenwärtiges
Responsum. §. II. p. 207. Weitere Nachricht von removirung der Urtheile. §. III.
p. 211. Unterschiedene Exempel etlicher in Consistorial Acten öffters
vorkommender irregularitaeten. §. IV. p. 211. Summarische Hauptursachen, woraus
dieselben entstanden. §. V. p. 212. Und die darwieder zu gebrauchende remedia.
§. VI. p. 213.
XX. Handel. Leibes-und Seelen-Gefahr, auch Verlust der Ehre und reputation,
die aus Mißbrauch indifferenter oder auch gar sonst nützlicher Dinge entstehet.
Extract aus denen Acten. §. I. p. 214. Urtheil nebst denen rationibus. §. II. p.
217. Absonderliche Gedancken über die Rubric dieses Handels. §. III. p. 219.
Erklährung derselben. §. IV. p. 220. Fürnehmstes und fast eintziges Mittel
wieder diesen Mißbrauch. §. V. p. 221. Ursache der einen dem Urtheil angehängten
Clausul §. VI. p. 222.
XXI. Handel. Straffe eines alten Mannes, der einem Juden ein Kind verkauffen
wollen.
General Anmerckung von den Juden. §. I. p. 223. Application derselbigen auf
gegenwärtigen Fall. §. II. p. 224. Urtheil darüber. §. III. p. 224.
XXII. Handel. Von einem Salvo conductu, und was dem anhängig, in wörtlichen
Beschimpffungen.
General Erinnerungen bey diesem Handel. §. I. p. 225. Sonderlich von Schmähungen,
die implicite auch andre touchiren. §. II. p. 225. Das Responsum selbst. §. III.
p. 226.
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XXIII. Handel. Von Behutsamkeit der Richter, wenn sie Delinquenten gegen
Caution loß lassen.
Der Handel selbst, nach allen Umständen. §. I. p. 228. Das Urtheil cum
rationibus. §. II. p. 230.
XXIV. Handel. Elender Zustand, eines in die Atheisterey verfallenen Gelehrten.
Anfrage an die Facultät nebst Vorstellung der Geschicht. §. I. p. 223. Von
Confiscirung Atheistischer Bücher. §. II. p. 240. Ob das Corpus delicti
vernünfftiger Weise ausgelassen werden könne. §. III. p. 241. Die Beylage sub B.
§. IV. p. 241. Das Schreiben an die Facultät. §. V. p. 242. Das inserat. §. VI.
p. 245. Erster Vorschmack von judicio des Herrn Quaerenten. §. VII. p. 244. Und
von dem Zustand seines Gemüths. §. IIX. p. 244. Ein von dem Herrn D. W. zu
diesen Handel gehöriges Schreiben §. IX. p. 245. Praeparatoria zu dem Concluso
der Facultät. §. X. p. 246. Schluß der Facultät, und Zweck des Referenten bey
Ausarbeitung des Responsi. §. XI. p. 246. Das Responsum selbst. §. XII. p. 247.
Summarischer Inhalt von des Herrn Quaerenten Gegenschrifft. §. XIII. p. 265.
Fernere Erinnerung deßwegen, nebst der völligen Gegenschrifft selbst. §. XIV. p.
267. General Mangel dieser Gegenschrifft, daß selbige keinen vernünfftigen Zweck
haben könne. §. XV. p. 291. Die Einfalt des Autoris, daß er par force vor
ambitieus will gehalten seyn. §. XVI. p. 294. Und daß er einen gewissen locum
angeführet, als ob wir uns wiedersprächen. §. XVII. p. 295. Ingleichen, daß er
seine Antwort selbst für ungelehrt gehalten. §. XIIX. p. 296. Noch drey andre
grosse defectus judicii, die in der Gegenschrifft befindlich sind §. XIX. p.
297. Nebst dem unzeitigen queruliren über unsere rationes decidendi. §. XX p.
298. Und daß er unsere gebrauchte Gleichnisse wunderlich tituliret. §. XXI. p.
298. Erinnerung bey seinen Gleichnissen, wenn er sich bald mit einem
Comoedianten. §. XXII. p. 299. Bald mit einem Copisten gottloser Schrifften. §.
XXIII. p. 299. Bald mit einer Mutter eines abschenlichen Monstri vergleicht. §.
XXIV. p. 299. Die von ihm ohne judicio angeführten Sprüche des Apostels Pauli.
§. XXV. p. 300. Der Gegenschrifft erste Beylage. §. XXVI. p. 301. General
Anmerckungen, wegen ebenmäßigen Mangels des Judicii. §. XXVII. p. 306.
Insonderheit wegen des uns imputirten primi falsi. §. XXVIII. p. 307. Und daß er
wegen des Spinosae nicht gemuchst. §. XXIX. p. 308. Ingleichen wegen des
Vorgebens, daß wir ihn keiner cavillation würcklich überwiesen. §. XXX. p. 308.
Inhalt und Beschaffenheit der andern Beylage. §. XXXI. p. 309. Warum diese
Poetische Gedancken an uns geschickt wor
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den. §.
XXXII. p. 310. General Beantwortung dieser Ursachen. §. XXXIII. p. 310. Neues
argument von dem wenigen judicio des Herrn Autoris, §. XXXIV. p. 311. Ob diese
Poemata invita Minerva verfertiget worden. §. XXXV. p. 312. Das erste Stück
dieser andern Beylage. §. XXXVI. p. 312. Kurtze Antwort auf die ersten beyden
numeros. §. XXXVII. p. 320. Speciale Anmerckung bey dem dritten, daß der Herr
Autor anders schreibe als er es meine. §. XXXVIII. p. 321. Item daß er
Auslachungs würdig sey, und mercklich prahle. §. XXXIX. p. 321. Entwurff einer
Poetischen Antwort des Büchleins an seinen lieben Papa, und ein kleines Specimen
davon. §. XL. p. 322. Erwehlung eines andern berühmten teutschen Poeten. §. XLI.
p. 324. Nemlich des ehrlichen Nürnbergischen Hanß Sachsens. §. XLII. p. 325.
Summarische Benennung etlicher aus seinen Operibus hieher gehöriger Schrifften.
§. XLIII. p. 326. Beschreibung eines armen Atheisten von melancholischer und
sanguinischer complexion. §. XLIV. p. 327. Von dreyerley Menschen auf Erden. §.
XLV. p. 329. Artzney wieder die Hoffart. §. XLVI. p. 331. Das andre Stück der
andern Beylage des Herrn Quaerenten. §. XLVII. p. 332. Besondre Anmerckung von
der klugen und unklugen Welt. §. XLIIX. p. 340. Von einem ungeschickten Vers. §.
XLIX. p. 341. Von dem verletzten Gast-Recht, durch das gegebene consilium
abeundi. §. L. p. 342. Verehrung andrer Schrifften aus Hanß Sachsen; von Geitz.
§. LI. p. 342. Von einem armen Schuster und seinem reichen Nachbar. §. LII. p.
344. Von Reden und Schweigen. §. LIII. p. 346. Hertzliche Warnung an den Herrn
Quaerenten. §. LIV. p. 348. Dessen neue Atheistische Schrifft. §. LV. p. 349.
Hanß Sachsens Gedichte von Unterschied zwischen einem wahren Freund und
Heuchler. §. LVI. p. 349. Noch eine kleine Erinnerung. §. LVII. p. 356. Noch ein
merckwürdiges Exempel von des Herrn Praetendenten fauler Minerva. §. LIIX. p.
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