Predigt Nr. 1 – Vetter 1 – BT 1ra–2vb; LT 1ra-3vb; AT 1ra-3rb; KT
25ra-26vb
[1ra]
Abschnitt 1
Absatz 1
FN-Anzahl: 0
1 Am heiligen wyhennacht tag predig doctor
Johannis Tauleri.
1 Predigt des Doktors Johannes
Tauler am heiligen Weihnachtstag
Abschnitt 2
Absatz 2
FN-Anzahl: 2
1 Der
erst theyl der predig des hochgelerten und wyrdigen vatters, erleüchten
lerers der heiligen geschrifft, doctor
1
Johannis Tauleri, die do anzeygen den
rechten grund eines warren christlichen lebens, gegründt uß der heyligen
gschrifft und ettlicher fürnemen heiligen lerer, uß denen er als ein
gewürbigs binle das aller süssest
2 honig
geystlicher volkomenheit zuͦsamen gelesen und zuͦ fruchtbarem
nutz viler menschen gepredigt hat.
1 Der erste Teil der Predigten
des hochgelehrten und würdigen Vaters, erleuchteten Lehrers der Heiligen
Schrift Doktor Johannes Tauler, die hier den wirklichen Grund eines wahren
christlichen Lebens anzeigen, begründet aus der heiligen Schrift und vielen
vorzüglichen heiligen Lehrern, aus (deren Schriften) er (wie eine fleißige
Biene) den höchst süßen Honig geistlicher Vollkommenheit gesammelt und zu
fruchttragendem Nutzen vieler Menschen gepredigt hat.
Abschnitt 3
Absatz 3
FN-Anzahl: 2
1 Uff wyhennachten ein sermon von dreyerley geburten, gezogen uff die dry
messen, die man uff den selbigen tag helt,
3 und wie wir die dry krefft unser sel
versamlen ſoͤllen und auch verleügnen aller eygentschafft willens,
begerens und würckens.
2 Genomen uß dem propheten
Esaia, ix. cap.:
3 "Puer natus est nobis et filius datus est nobis."
4
4 "Ein kind ist uns geborn, und ein sun ist uns
geben."
1 Zu Weihnacht eine Predigt von
dreierlei Geburt, ausgerichtet auf die drei Messfeiern, die man an diesem
Tag abhält. (Sie erklären), wie wir die drei Kräfte unsererer Seele
bündeln, und wie wir aller Eigenständigkeit des Wollens, Begehrens und
Wirkens abschwören sollen.
2 Genommen aus dem (Buch
des) Propheten Isaia, 9. Kapitel:
3 "Puer natus
est nobis, et filius datus est nobis."
4 "Ein Kind ist uns geboren, und ein Sohn ist
uns gegeben."
Abschnitt 4
Absatz 4
FN-Anzahl: 7
1 Heut begat mann dryerley geburt in der heiligen christenheyt, in der ein
yetlicher mensch so grosse froͤd und wunne
asolt haben und
a nemen, daz er
recht
b solt uß im selber springen in
jubel und
c in lieb und
d in danckbarkeit, in
e innerlicher froͤde.
2 Und
welcher mensch des nit in im befindt
f, mag sich wol
g foͤrchten.
1 Heute begeht man drei
verschiedene Geburten in der heiligen Christenheit, aus denen ein jeglicher
Mensch so große Freude und Wonne haben und ziehen sollte, dass er richtig
aus sich selbst springen sollte vor Jubel und in Liebe und in Dankbarkeit,
in innerlicher Freude.
2 Und welcher Mensch das nicht
in sich spürt, der kann sich wirklich fürchten.
Abschnitt 5
Absatz 5
FN-Anzahl: 3
1 Nun die erst und
h oberst geburt ist, so
i der himelisch vatter gebirt seinen eingebornen sun in
goͤtlicher wesenlicheit in personlicher underscheyd.
5
2 Die ander geburt, die man hüt begat, ist die
muͤterlich
[b] berhafftigkeit, die geschach in
junckfreulicher küscheit und in rechter lauterkeit.
3 Die dritt geburt ist, daz got alle tag und all stund würdt warlich
geistlichen geborn in einer guͦten sele mit gnaden und mit
liebe.
1 Nun, die erste und höchste
Geburt ist, insofern der Himmlische Vater seinen eingeborenen Sohn in
göttlicher Seinshaftigkeit und personenhafter Differenz hervorbringt.
2 Die zweite Geburt, die man heute feiert, ist die
mütterliche Fruchtbarkeit, die in jungfräulicher Keuschheit und wirklicher
Reinheit sich ereignete.
3 Die dritte Geburt ist, dass
Gott jeden Tag und jede Stunde wahrhaft geistlich geboren wird in einer
guten Seele mit Gnade und mit Liebe.
Abschnitt 6
Absatz 6
FN-Anzahl: 1
1 Dise drey geburten begat man heüt mit den dryen messen.
6
1 Diese drei Geburten feiert man
heute mit den drei Messen.
Abschnitt 7
Absatz 7
FN-Anzahl: 4
1 Die
A ersten meß
singt man in der finsteren nacht und gat also an:
2 "Dominus dixit ad me."
3 "Der herr hat gesprochen zuͦ mir:
4 Du bist mein sun.
5 Ich
hab dich heüt" – das ist in ewigkeyt – "geboren"
7.
6 Und dise meß bedüt
j
die verborgene geburt, die geschach in der vinsteren verborgenheit
unbekanter gotheit.
8
1 Die erste Messe singt man in
der dunklen Nacht, und sie beginnt wie folgt:
2 "Dominus dixit ad me."
3 "Der Herr hat zu mir gesprochen:
4 Du bist mein Sohn,
5 ich habe dich
heute, das ist in Ewigkeit, geboren."
6 Und diese Messe verweist auf die verborgene Geburt,
die sich in der dunklen Verborgenheit unbekannter Gottheit ereignete.
Abschnitt 8
Absatz 8
Absatz 9
FN-Anzahl: 7
1 Die ander meß gat also an:
2 "Lux fulgebit
hodie super nos etc."
9
3 "
kDas liecht scheint
heüt über uns.
k"
4 Und die bezeichnet
l den schein der vergoͤttende
m menschlichen natur.
5 Dise
n meß ist ein teyl
oin der nacht
o und
ein theil im tag, wann
p sy was ein teil
bekant und ein theil unbekant.
10
1 Die zweite Messe beginnt wie
folgt:
2 "Lux fulgebit hodie super nos etc. "
3 "Das Licht scheint heute über uns."
4 Und die verweist auf den Glanz der göttlich
werdenden menschlichen Natur.
5 Diese Messe findet zum
Teil in der Nacht und zum Teil am Tag statt, denn sie (die Natur) war zum
Teil bekannt und zum Teil unbekannt.
Abschnitt 9
Absatz 10
FN-Anzahl: 3
1 Die dritt meß singet man an dem klaren liechten
q tag, und die hebt
r also
an:
2 "Puer natus est nobis et
s filius
tdatus etc."
11
3 "Eyn kind ist uns geborn, und ein sun ist uns
geben.
t"
4 Und anzeygtu die minnigklichen
geburt, die alle tag und in allen augenblicken sol geschehen und
geschicht in einer yetlichen guͦten seligenv sel, ob sy sych darzuͦ keret mit warnemen und
mit lieb.
5 Wan sol sy diser geburt in ir befinden
und gewar werden, das muͦß geschehen durch inkeren und widerkeren
aller irer krefftew.
6 Und in diser geburt wirdt ir gott also eigen und gibt
sich ir also eygenx, ydaz ye oder ye alsoy
eigen wardt, yzwann die vorgesprochen wort sprechentz:
7 "Ein
kindt ist uns geboren, und ein sun ist uns gegeben."
8 Er ist unser aaund
gantzaa unser eygen und überal eigen,
wann er wirdt alle zeyt geborenab on
underloß in uns.12
1 Die dritte Messe singt man am
hell leuchtenden Tag, und die beginnt so:
2 "Puer natus est nobis et filius datus etc."
3 "Ein Kind ist uns geboren, und ein Sohn ist
uns gegeben."
4 Und sie verweist auf die liebliche Geburt, die jeden
Tag und in jedem Augenblick geschehen muss und in einer jeden guten Seele
geschieht, wenn sie (die Seele) sich dort hin wendet mit Aufmerksamkeit und
Liebe.
5 Denn wenn sie diese Geburt in sich finden und
bemerken soll, muss das durch Einkehr und Umkehr all ihrer Kräfte erfolgen.
6 Und in dieser Geburt wird ihr Gott dermaßen zu
eigen und gibt sich ihr so völlig zu eigen, dass (es) je oder je ganz so
eigen wurde, denn die vorhin gesprochenen Worte heißen:
7 "Ein Kind ist uns geboren und ein Sohn ist uns
gegeben."
8 Er gehört uns, und ist völlig unser Besitz und
über alles uns zu eigen, denn er wird zu jeder Zeit in uns ohne Unterlass
geboren.
Abschnitt 10
Absatz 11
FN-Anzahl: 8
1 Von diser minnigklichen gburt, die
B dise letste messe bedeüt
ac, wellen wir nun aller erst reden
ad, wie wir darzuͦ
ae
kommen moͤgen und sollen, daz dise
af edel
geburt in uns adelichen und furchtbarlichen
af
gesche
[1va]
he.
2 Das soͤllen wir lernen
an der eygenschafft der ersten vaͤtterlichen geburt, so
ag der vatter sinen sun gebirt in der ewigkeit.
3 Wann von
überflüssigkeit des überschwencklichen reichtumbs der guͤte
gottesah mocht er sich nit innen enthalten:
4 Er muͦst sich ußgiessenai und gemeynsam machen.13
5 Wann als ajAugustinus sprichtaj:
"Gottes natur undak art ist, daz er
sich übergiesseal."14
6 Und also hat sich der vatter ußgossen am ußgang
der goͤtlichen person.
7 Und fürbas hat er
sich ingossenam inan die creaturen.15
8 Darumb sprach sant
Augustin:
9 "So
ao got guͦt ist
ap, sind wir guͦt
aq.
10 Und alles, daz alle
creatur guͦtes hat
ar, daz ist alles von der
weselichen guͦte gottes allein guͦt
as."
16
1 Von dieser liebwerten Geburt,
auf welche diese letzte Messe verweist, wollen wir nun zuerst reden, auf
welche Weise wir dazu kommen können und sollten, dass diese Geburt in uns
auf edle und Frucht bringende Weise geschehe.
2 Das
sollen wir lernen anhand der Eigentümlichkeit der ersten väterlichen
Geburt, wenn der Vater seinen Sohn in der Ewigkeit hervorbringt.
3 Denn aufgrund des Überflusses des überschwänglichen
Reichtums der Güte Gottes kann er diese nicht in sich behalten,
4 er muss sich außgießen und zu Gemeinbesitz machen.
5 Denn, wie Augustinus spricht: "Gottes Natur
und Art ist, dass er sich ausgieße."
6 Und genau so hat sich der Vater ausgegossen beim
Ausfluss der göttlichen Person.
7 Und weiter hat er
sich eingegossen in die Geschöpfe.
8 Deshalb sprach
Sankt Augustinus:
9 "Wenn Gott gut ist, sind wir
gut.
10 Und alles, das alle Schöpfung an Gutem hat,
das ist alles einzig von der wesenhaften Güte Gottes gut."
Abschnitt 11
Absatz 12
FN-Anzahl: 1
1 Welches ist nun die eigenschafft, die
C wir in der vaͤtterlichen geburt mercken und
lernen soͤllen?
2 atDas ist also zuͦ verstonat:
3 Der vatter an seiner personlichen eigenschafft keretau sich in sich selber mit seiner
goͤtlichen verstentnuß17 und durchsicht sich
selberav in klarem versteen in dem
wesenlichen abgrund seines ewigen wesens.
4 Und
denn von dem blossen versteen sein selbs sprichtaw er sich gantzax uß.
5 Und daz wort ist sein
sun,18 und das bekennen
sein selbs istay daz geberen seins suns in der
ewigkeit.
6 Er istaz blibenba in wesenlicher
einigkeit und ist ußgeenbb onbc personliche underscheid.
7 Also gat er in sich und bekennet sich selber undbd gat denn uß im selberbebf in ein begirdbf sin selbesbg bild,19 daz er da bekannt und verstanden hat
in personlichem underscheydbh,
und gatbi wider in sich in volkumner
gefelligkeit sin selbs.
8 Die gevelligkeit sein
selbs fleüsset uß in ein unußsprechliche liebe, daz da ist der heylig
geist.20
9 Also blibt er inne und gat uß und gat wider
ein.
10 Darumb sind all
ußgeng umm die widergeng.
11 Hierumbbj ist des himels lauff aller edelst und
volkummest, wann er aller eygenlichest inbk
sein ursprung beginnetbl, da er uß
entspringtbm.21
12 Also ist des menschen lauff aller edDlest undbn volkommest, wann er
aller eygenlichstbo in seinen
ursprung gat.22
1 Welche ist nun die Eigenheit,
die wir anhand der väterlichen Geburt bemerken und lernen sollen?
2 Das ist wie folgt zu verstehen:
3 Der Vater mit seiner persönlichen Eigenheit wendet sich in
sich selbst mit seiner göttlichen Erkenntniskraft und schaut durch sich
selbst in klarer Erkenntnis in den wesenhaften Abgrund seines ewigen Seins.
4 Und dann von dem bloßen Verständnis seiner
selbst spricht er sich völlig aus.
5 Und das Wort ist
sein Sohn, und die Erkenntnis seiner Selbst ist das Hervorbringen des Sohnes
in der Ewigkeit.
6 Er ist verblieben in wesenhafter
Einheit und herausgegangen in/ohne (?) Unterscheidung der Person.
7 Ebenso geht er in sich und erkennt sich selbst, und geht
dann aus sich selbst in ein Begehren seines Ebenbildes, das er da erkannt
und verstanden hat in Unterscheidung der Person, und er geht zurück in sich
in vollkommenem Wohlgefallen seiner selbst.
8 Das
Wohlgefallen seiner selbst fließt hinaus in eine unaussprechliche Liebe, das
ist der Heilige Geist.
9 Genau so bleibt er in sich
und geht aus sich und geht zurück in sich.
10 Aus
diesem Grund bestehen alle Ausgänge um der Rückkehr willen.
11 Deshalb ist der Himmelslauf der edelste und vollkommenste,
weil er von seiner Eigenart her in seinem Ursprung beginnt, aus dem er
entspringt.
12 Genau so ist der Lauf des Menschen der
aller edelste und vollkommenste, denn er geht von seiner Eigentümlichkeit
in seinen Ursprung.
Abschnitt 12
Absatz 13
FN-Anzahl: 6
1 Nun die eigenschafft, die der himelisch vater hat
[b] in seinem
ingang und in seinem ußgang, die
bp sol auch
ein yeglich mensch an im haben, der ein geystliche muͦter wil werden
diser goͤtlichen geburt.
2 Er
bq sol gantz
br in sich gan
bsund denn uß im selber gan
bs.
3 Als wiebt die sel drey edel krefft hat, in den sy ist ein war
bild der heiligen dryvaltigkeit: gedechtnuß, verstentnuß und freyer
will.23
4 Und durch dise krefft ist sy gottes begriffig und
empfengklich, das sy alles
bu empfengklich werden
mag, das got ist und hat und geben mag, und ist durch diß sehen
bv in ewigkeit.
5 Wann die sel ist
geschaffen zwischen zeyt und ewigkeit.
6 Nun mit
irem oͤbersten teylbw gehoͤrt sy in
ewigkeit und mit irem nidersten theylbx gehoͤrt sy in die zeyt mit irem sinnlichen
vichlichen krefften.24
1 Nun, die Eigenheit, die der
Himmlische Vater in seinem Eingang und seinem Ausgang hat, die soll auch
jeder Mensch in sich tragen, der eine geistliche Mutter dieser göttlichen
Geburt werden will.
2 Er soll gänzlich in sich gehen,
und dann aus sich selbst gehen.
3 Genau wie die Seele
drei edle Kräfte hat, in denen sie ein wahres Abbild der Heiligen
Dreifaltigkeit (ist): Gedächtnis, Erkenntniskraft und freier Wille.
4 Und aufgrund dieser Kräfte kann sie Gott
begreifen und empfangen, sodass sie für alles empfänglich werden kann, das
Gott ist und hat und geben kann, und (sie) ist wegen dieses Sehens in der
Ewigkeit.
5 Denn die Seele ist geschaffen zwischen
Zeit und Ewigkeit.
6 Mit ihrem obersten Teil gehört
sie in die Ewigkeit, und mit ihrem niedersten Teil gehört sie in die Zeit
mit ihren sinnverhafteten und tiergemäßen (instinkthaften) Kräften.
Abschnitt 13
Absatz 14
FN-Anzahl: 10
1 Nun ist
bydiß die
by seel beid
mit iren nidersten und obersten krefften ußlauffen in die zeyt und in die
zeytliche ding, umb die sipschafft, die die obristen
bz mit den nidersten haben, so ist der lauff ir vast
gering und bereit ußzuͦlauffen in die sinnlichen ding und entgat der
ewigkeit.
2 Da
ca
muͦß denn
cb von not ein widerlauff
geschehenn, sol anders dise geburt geborn werden und
cc
muͦß da eyn krefftig einkeren geschehen, ein inholen und
cd einwendig
versamlung aller krefft der nidersten und
ce
obersten, unnd sol
cf da werden ein vereinung von aller
zerstoͤrung, als alle vereinte ding seind krefftiger,
chso sy eins seindt, dann
cgso sy gespreytet seind
cg uff
ch manigfeltigkeyt
ci.
1 Nun ist diese Seele mit beiden,
ihren niedersten und obersten Kräften, ausgeflossen in die Zeit und in die
vergänglichen Dinge, wegen der Verbindung, welche die obersten mit den
niedersten (Kräften) haben, (und) so ist der (Aus-) Lauf für sie sehr
leicht und sie ist bereit, in die sinnenverhafteten Dinge auszufließen und
(sie) entgeht der Ewigkeit.
2 Da muss dann notwendig
ein Rückfluss stattfinden, wenn diese Geburt erneut geboren werden soll,
und es muss eine kraftvolle Einkehr geschehen, ein Einholen und eine
inwendige Versammlung aller Kräfte, der niedersten wie der obersten, und es
muss eine Vereinung von aller Störung erfolgen, wie alle vereinten Dinge
stärker sind, wenn sie vereint sind, als wenn sie versprengt sind in
Mannigfaltigkeit.
Abschnitt 14
Absatz 15
FN-Anzahl: 45
1 cjWann so
cj ein schütz ein zyl will
E treffenn, so thuͦt er ein aug
zuͦ, daß das ander dester genaͤwer sehe.
25
2 Also
ck der
ein ding tieff will mercken, der thuͦt alle sin sinnn dazuͦ
und zwinget sin sinn darzuͦ uff eins in die sele, da sy ußgeflossen
seynt,
3 also alle zwyge kommen uß dem stam des boms.
clUnd als
cl
all krefft versamlet sindt, sinnlich
cm und beweglich krefft in dem obersten,
cndaz ist in die oberst krafft und
cn grund
26.
4 Daz
co ist der ingang.
5 Dann so
sol
cp geschehen ein ußgang, ja, ein übergang uß
im selber und über in selber
cq, da
ſoͤllen wir
cr verloͤgnen aller
[2ra]
eigenschafft
cs willens und
ct
begerens und wirckens.
6 Denn
cusol bleiben
cu ein bloß
luter meinung
cv gots und des seinen nicht eigens
in kein wyse
cw zuͦ sein oder
cx werden oder
zuͦ gewinnen, dann allein imm
cy zuͦ sein unnd im statt zuͦ
cz gebenn auff das hoͤchste und
uff das naͤchest, das er seines wercks und seiner geburt in dir
bekommen moͤg
daund von dir an dem
ungehindert blyb
da.
7 Wann wenn
db zwey sollen eins werden, so muͦß sich das ein
halten
F lyden
dc, das ander wircken
dd.
27
8 Sol min oug entpfahen
de bylde in der wand
oder was es sehenn soll,
df so muͦß
es im
dg selber bloß sein aller bild, wann
dihet es ein
dhdi einig bilde
djin im
dj einiger
dkforme, so moͤcht daz oug nüt gesehen
dk.
9 Oder hatt
dl das or ein getoͤn oder
dmwoͤlches ding
dm entpfahen soll
dn, das
muͦß eitel, ledig und won sein.
28
10 Den synn sprach sant
Augustinus:
11
"Geüß uß, das du moͤgest erfulet werden.
12 Gee auß, uff das du moͤgest ingan."
29
13 Und sprach ouch
G
anderßwo:
14 "O du edle sele! O du edle creatur!
Was gast du uß dir selber suͦchen den, der allzuͦmal und
aller warlichest und blossest in dir ist?
15 Und
sidt daz du bist teilhafftig goͤtlicher natur, waz hast du dann
zuͦ thuͦn oder zuͦ schaffen mit allen
creaturen?"
30
16 Wann nun der mensch alsodo die statt, dendp grund
bereitet, so ist kein zwyfel dran, Gott muͦß dasdq alsdr erfulends.
17 Der himel ryß ee unnd erfulet
das dtlaͤr und eyteldt!
18 Unnd
gott lasset vil mynder dein ding laͤrdu:
19 Es wer wider sein natur,
eigenschafftdv unnd
wider sein gerechtigkeit.31
20 Und darumb solt du schwygen, so
mag daz wort diser geburt in dir gesprochendw unnd in dir gehoͤrt werdenn.32
21 Aber sicher:
22 wilt du
sprechen, so muͦß er schwygen.
23 Man mag dem
wort nitt baß gedienen dann mit schweigen und mit
dx losen.
33
24 Gast du nun dyzuͦ all maldy uß, so gat er on allen zwyfel allezuͦmal
in weder minder noch mer dann als vil auß alsH vil yn.34
1 Denn, wenn ein Schütze ein
Ziel treffen will, so schließt er ein Auge, sodass das andere umso genauer
sehe.
2 Ebenso nimmt der, der ein Ding tief erfassen
will, all seinen Verstand dazu und zwingt seine Sinne vereint in die Seele,
aus der sie herausgeflossen sind.
3 So, wie alle
Zweige aus dem Stamm des Baumes kommen, so ist das das Hineingehen, wenn
alle Kräfte vereint sind, die sinnlichen und die bewegenden Kräfte hinein
in das Oberste, das ist die oberste Kraft und der Grund.
4 Das ist der Eingang.
5 Denn auf diese
Weise soll ein Ausfluss stattfinden, ja ein Übergang aus ihm selber und
über ihn selber (hinaus), da sollen wir alle Eigenheit des Wollens, des
Begehrens und des Wirkens abstreiten.
6 Dann soll eine
einfache reine Erinnerung Gottes bleiben, nichts vom Eigenen und von sich in
irgend einer Weise sein oder werden oder zu erwerben, als nur für ihn zu
sein und ihm Raum zu geben auf das höchste und das nächste, dass er sein
Werk und seine Geburt in dir bekommen kann und von dir daran ungehindert
bleibe.
7 Denn wenn zwei zu Einem werden sollen, so
muss sich das Eine leidend (empfangend) und das Andere wirkend (ver-)halten.
8 Soll mein Auge ein Bild an der Wand aufnehmen
oder was es sonst sehen soll, so muss es für sich selbst frei sein von
allen Bildern; denn hätte es ein einziges (?) Bild in sich in einziger
Form, so könnte das Auge nicht sehen.
9 Oder ist das
Ohr voller Getöne, oder welches Ding sonst empfangen soll, das muss rein,
frei und leer sein.
10 Diese Folgerung spricht Sankt
Augustinus aus:
11 "Gieß aus, dass du erfüllt
werden kannst.
12 Geh heraus, dass Du hinein gehen
kannst."
13 Und er sprach auch an anderer Stelle:
14 "O du edle Seele, o du edles Geschöpf, was gehst du
aus dir heraus um den zu suchen, der immer und wahrhaftigst und in
reinster Form in dir ist,
15 und nachdem du der
göttlichen Natur teilhaftig bist, was hast du dann zu tun und zu
schaffen mit allen Geschöpfen?"
16 Wenn nun der Mensch auf diese Weise die Stelle, den
Grund bereitet, dann gibt es keinen Zweifel daran, Gott muss das ebenso
ausfüllen.
17 Eher risse der Himmel und erfüllte das
Leere und Reine!
18 Und Gott lässt viel weniger deine
Dinge leer,
19 es wäre gegen seine Natur und
Beschaffenheit und gegen seine Gerechtigkeit.
20 Und
darum sollst Du schweigen, dann kann das Wort dieser Geburt in dir
gesprochen und in dir gehört werden.
21 Aber sicher
ist:
22 Willst DU sprechen, so muss er schweigen.
23 Man kann dem Wort nicht besser dienen als mit
Schweigen und mit Zuhören.
24 Gehst du nun immer
hinaus, so geht er ohne allen Zweifel immer hinein, nicht weniger und nicht
mehr, denn so viel heraus wie viel hinein.
Abschnitt 15
Absatz 16
FN-Anzahl: 16
1 Von
dz disem außgang finden wir ein glichniß in
herr
Moyses buͦch, das got
Abraham hieß gan uß seinem
[b]
land und
ea uß seinem geschlecht, er wolt im
zeygen alles guͦt.
35
2 Alles guͦt das ist die goͤttlich
geburt, die ist alleyn alles guͦt.
3 Sein land
oder erdtrich, uß dem er geen solt, das ist der leychnam in
eb aller der genuͤglicheit
ec,
edwie man sy mag haben
ed.
4 Die fründ
eeee meinen wir die neygunge der
siñlichen kreffte und ir bildunge, die sy
ef nach in
ziehen und schleiffen.
5 Ouch sie
eg
bringen sy
eh in bewegunge liebs und
leides, freüde und trurigkeit, begerung und forchte, sorgfaltigkeit und
leichtfertigkeit.
6 Dise
ei freünd
seind uns gar nach angesypt
ej, der soll
man
ek eben warnemen, das man ir gang
el uß gee,
emsoll anders erzeygt
em werden alles guͦt, daz dise geburt
in der warheit ist.
1 Von diesem Ausgang finden wir
ein Gleichnis im Buch (des Herrn) Mose, dass Gott Abraham befahl, aus seinem
Land und von seinen Verwandten wegzugehen, denn er wolle ihm alles Gut
(allen Besitz?) zeigen.
2 Alles Gut, das ist die
göttliche Geburt, die ist allein alles Gut.
3 Sein
Land oder Landstück, von dem er weggehen sollte, das ist der Körper in all
der Genügsamkeit, die man haben kann.
4 Die
Verwandten deuten wir als Neigungen der sinnlichen Kräfte und ihre
Prägungen, die sie mit sich ziehen und (ein-) schleifen.
5 Die bringen sie auch in die Bewegung von Liebe und Leid,
Freude und Traurigkeit, Verlangen und Furcht, Sorgfalt/Besorgnis und
Leichtfertigkeit.
6 Diese Verwandten sind uns sehr
nahe versippt, auf sie soll man genau achten, dass man aus ihrem Gang
herausgehe, wenn alles Gut anders gezeigt/gezeugt werden soll, das diese
Geburt in der Wahrheit ist.
Abschnitt 16
Absatz 17
FN-Anzahl: 13
1 Man spricht ge
Imeinlich
en:
2 "Ein
eoheimgezogen kind ist
eo als ein rynd."
eo36
3 Das ist in disem war, wann die menschen, die nit
seind ußgangen über die natur, noch über das, daß die sinne moͤchten
bringen, sehen oder hoͤren oder schmecken oder bewegen, die dysem
heimuͦt oder allem heimuͦt natürlicher ding nit seind über und
ußgangen, diß sind recht als rinder oder kelber zuͦ verston dise
ep hohe goͤtliche ding.
4 Also
eqwann inn
eq ist ir inwendiger grund recht als
ein yßner berg, da nie kein liecht inne
er
erschynet
es.
5 Wenn in die sinnlicheit entgat, die bilde und die forme, so wissen und
entpfindenn
et sy nit mer.
6 Die
eu seynd noch daheim,
darumb
ev befinden sie diser edelen geburt nit.
7 Von disem sprach Christus
ew:
8 "Wer durch mich laßt vatter, muͦter,
bruͦder, schwester unnd aͤcker, der wirt
ex hundertfeltig so vil wyder ynnemmen
ey und dar zuͦ das ewig
leben."
37
1 Man sagt gemeinhin:
2 "Ein zuhause erzogenes Kind benimmt sich (draußen) wie
ein Rind."
3 Das ist insofern wahr, dass die Menschen, die nicht
über die Natur hinaus gegangen sind noch über das, was die Sinne
vermitteln können an Sehen oder Hören, oder Schmecken oder Fühlen, die
aus dieser Heimat oder aller Heimat naturgebundener Dinge nicht hinüber und
hinaus gegan- gen sind, die sind genau so wie Rinder oder Kälber
hinsichtlich des Verständnisses dieser hohen göttlichen Dinge.
4 Denn für sie ist ihr innerer Grund wie ein eiserner Berg,
in den nie ein Licht hinein scheint.
5 Verlieren sie
ihre Sinnesempfindung, die Bilder und die Formen, so wissen und empfinden
sie nichts mehr.
6 Sie sind noch daheim, deshalb
spüren sie nichts von dieser edlen Geburt.
7 Darüber
sprach Christus:
8 "Wer um meinetwillen Vater,
Mutter, Bruder, Schwester und Acker verlässt, der wird hundertfach so
viel zurückgewinnen und dazu das ewige Leben."
Abschnitt 17
Absatz 18
FN-Anzahl: 68
1 Nun haben wir geredt
ez von der ersten und
letsten geburt, wie wir in der letsten an der ersten sollen ler nemen.
2 Nun well
fa wir
fcsy
fb weisen an die
fc mittelsten geburt, als
fd der
gottes sun
fe hinnacht geboren ist von der
muͦter unnd unnser bruͦder ist worden.
3 Er ward in der ewigkeit geboren ein sun on muͦter und in der zeit
on vatter.
38
4 Sant
Augustin spricht:
5
"
Maria
[2va]
ist
ff vil seliger von dem, das gott
geistlichen in ir seel geboren was, dann das er leiplich vonn ir geboren
ist
fg."
39
6 Wer nun will, das dyse geburt in seiner seel
geistlichen und seligklichen geboren werd als in
Marie seel, der soll warnemen der
J eygenschafft, die
Maria in
fh ir hat, die ein
fi
muͦter was leiplichen und geistlichen.
7 Sy waz
ein lutere reine
fj jungkfrow und
fk waz ein verlopte und vermechlete
fl junck frow.
8 Und sy waz
ingschlossen und
fm von allen
fndingen abgescheyden
fn40, wann
der engel gieng zuͦ ir yn.
41
9 Also
fo sol ein geistlich
muͦter gots
fp sein:
10 Sy sol sein ein
fq
lutere reine maget.
11 Ist sy wol etwan gewesen uß der
lauterkeit, so sol sy nun wyderkeren, so wirt sy wider rein unnd
maͤgtlich.
12 Wann
fr ein junckfraw
fs bedüt
ftals vil als daz ußwendig unfruchtbar ist und innen vil frucht hat
ft.
13 Also sol dise maget ir usser sinne zuͦschliessen unnd
nitt
fuvil gewerbs habenn, wann sy nit
fu vil frucht damit
mag
fv bringen.
14 Wann
fw
Maria
fxthet es ouch
fx nit dann zuͦ
fy goͤtlichen dingen.
15 Inwendig sol sy vil frucht haben.
16
"Die zierde des ewigen künigs tochter ist
fz
alles von innen."
42
17 Also sol die junckfraw in abgescheidenheyt sein
aller
ga ir sitten, ir sinn, ir
gelassenheit
gb
gcunnd all ir wort
gc,
18 so bringt sy vil
frucht
gd unnd grosse frucht
ge: gottes sune, gottes
wort, das alle ding ist und tregt in im.
19 Maria was ein vermehelte
gf junckfraw.
20 Also sol dise seyn
vermehelet
gg nach sant
Pauli red und lere.
43
21 Du solt deinen wandelbaren willen insencken in den
goͤtlichen willen der unbeweglich ist, das er deiner kranckheit
helff.
22
Maria was ouch ingeschlossen.
23 Also soll ouch dyse gemahel
gh
gottes syn ingeschlossen, ob si diser geburt will in der warheit in ir
befinden, doch nit allein mit zytlichem ußlauffen, die etwas gebrechen
schynen haben, sunder ouch von sinnlicher uͤbung der tugent.
24 Unnd sol ein ruͦw, ein stille in ir haben
unnd machen unnd
gi sich
gjdarinn fleißen
gj und die
gk sinn in der natur
gl verbergen
gm und entschliessen
gn etwan dick
go und
[b] machen in ir ein styllnuß, ein
gpinnerlich
ruͦw
gp
gqunnd rasten
gq.
25 Hievon sol man singen an dem
nachvolgenden nechsten sontag in dem
granfang
der
gr messe:
26
"Dum medium silentium."
44
27 "
gsDo alle ding waren
mitten in eim schwygen
gs
und die nacht iren lauff volbracht hett, hoͤre
gt45, do kam din
almechtige red von den künigklichen stuͤlen."
28 Das was daz ewig wort, von dem vaͤtterlichen
hertzen.
29 In disem mittelen schwyge, in disem da alle
ding seind, in dem ewigen schwygen und ein war
gustill und schwygen
gu ist,
denn
gv wirt man diß wort in der warheit
hoͤren,
wann sol got
sprechen, so muͦstu schwygen.46
30 Soll got
inganK alle ding muͤssen ußgan.47
31 Do unser herr
gw
ingieng in
Egypten, do fielen alle
abgoͤt nider, die im land waren
gx.
48
32 Diß seind din abgoͤt:
33 alles
gy, das dich irret des
warenn unmitlichen ingangs der ewigen geburt, es sy wie guͦt oder wie
heilig es schynet.
34 Unser herr
gz sprach:
35 "Ich bin kommen
zuͦ bringen ein schwert abzuͦschneiden
ha alles, das dem menschen
zuͦgehoͤrt: muͦter, bruͦder,
schwester."
49
36 Wann was dir heimlich ist, daz ist din find.
50
37 hbEs seind
hb manigfaltig bild, die diß wort in dir
bedecken unnd verbergen.
38 heAlleyn so ist sy dir doch nit
hcbestimmen ein gewyß zyl dyser
hc ruͦw.
39 Allein so
hd sy alle zeyt nit
he mag sein, so sol sy
hf doch eyn geystlich muͦter
diser geburt
hgsein.
40 Die
sol
hg das
hh mittel schwygen dick in ir ein gewonheit machenn, daz ir
die gewonheit ein habe
hi in ir mache, wann
daz einem wol geuͤbten menschen nüt ist, das beduncket ein
ungeuͤbte menschen
hj sein zuͦmal unmüglich, wann gewonheit machet
kunst.
51
1 Bisher haben wir von der ersten
und der letzten Geburt gesprochen, wie wir in der letzten an der ersten
lernen sollen.
2 Nun wollen wir die Lehre auch an der
mittleren Geburt nachweisen, wie der Gottessohn heute Nacht von der Mutter
geboren und unser Bruder wurde.
3 In der Ewigkeit
wurde er als Sohn ohne Mutter geboren, und in der Zeitlichkeit ohne Vater.
4 Sankt Augustin spricht:
5 "Maria ist viel seliger davon, dass Gott geistig in ihrer Seele
geboren wurde, als dass er leiblich von ihr geboren ist."
6 Wer nun will, dass diese Geburt in seiner Seele
geistig und in beseligender Weise geschehe wie in der Seele Mariens, der
soll die Eigenschaft erkennen, die Maria in sich hat, die körperlich und
geistig Mutter war.
7 Sie war eine reine unberührte
Jungfrau, und ebenso eine verlobte und vermählte Jungfrau.
8 Und sie war eingeschlossen und von allen Dingen
abgeschieden, als der Engel zu ihr hineinging.
9 Genau
so soll eine geistige Mutter Gottes sein:
10 Sie soll
eine reine unberührte Jungfrau sein.
11 War sie
wirklich einmal außerhalb der Reinheit, so soll sie nun dazu zurückkehren
und sie wird wieder unberührt und jungfräulich sein.
12 Denn eine Jungfrau bedeutet so viel, dass sie äußerlich
unfruchtbar ist und innerlich viele Früchte trägt.
13 Folglich soll diese Jungfrau ihre äußeren Sinne zuschließen und nicht
viel Gebrauch davon machen, denn sie kann damit nicht viele Früchte
hervorbringen.
14 Denn Maria tat das auch nicht, außer
zu Gott betreffenden Dingen.
15 Inwendig soll sie viel
Frucht tragen.
16 "Die Zierde der Tochter des
ewigen Königs ist gänzlich von innen."
17 Genauso soll die Jungfrau in Abtrennung von allen
ihren Gewohnheiten, ihrem Verstand, ihrer Gelassenheit und all ihrer Wörter
sein.
18 Dann bringt sie viele und große Frucht, Gottes
Sohn, Gottes Wort, das alle Dinge ist und in sich trägt.
19 Maria war eine vermählte Jungfrau.
20 Und genau so soll auch diese vermählt sein nach der Rede und Lehre von
Sankt Paulus.
21 Du sollst deinen wankelmütigen Willen
einsenken in den göttlichen Willen, der unveränderlich ist, dass er deiner
Schwachheit helfe.
22 Maria war auch eingeschlossen.
23 Genau so soll auch diese Vermählte Gottes
eingeschlossen sein, wenn sie diese Geburt wahrhaft in sich erfahren will.
24 Doch nicht nur mit vergänglichem Auslaufen, das
immer sichtbar gebrechlich ist, sondern auch mit von den Sinnen getragener
Tugendübung.
25 Und sie soll eine Ruhe, eine Stille in
sich haben und herstellen, und sich da hinein fließen und die Sinne in der
Natur verbergen und sehr oft aufschließen (?) und in sich eine Stille, eine
innerliche Ruhe und ein Rasten bewirken.
26 Da von wird
man singen am nachfolgenden nächsten Sonntag zu Beginn der Messe "dum
medium silentium."
27 "Als alle Dinge mitten in einem Schweigen
waren, und die Nacht ihren Lauf vollbracht hatte, (höre), da kam deine
allmächtige Rede von dem königlichen Stuhl."
28 Das war das ewige Wort von dem väterlichen Herzen.
29 In diesem vermittelten Schweigen, in dem dort
alle Dinge im ewigen Schweigen sind und eine wahre Stille und wahres
Schweigen herrscht, da wird man dann dieses Wort in (der) Wahrheit hören,
denn soll Gott sprechen, dann musst du schweigen.
30 Soll Gott hinein gehen, müssen alle Dinge heraus gehen.
31 Als unser Herr (Jesus) nach Ägypten hineinging, da fielen
alle Abgötter nieder, die in dem Land waren.
32 Dies
sind deine Abgötter:
33 Alles, das dich abhält vom
wahren unvermittelten Eingang der ewigen Geburt, es sei noch so gut, oder
wie heilig es scheine.
34 Unser Herr sprach:
35 "Ich bin gekommen, ein Schwert zu bringen, um alles
abzuschneiden, das zum Menschen gehört, Mutter, Bruder,
Schwester."
36 Denn was dir vertraut ist, das ist von deinem Feind.
37 Es sind vielfältige Bilder, die dieses Wort in
dir bedecken und verbergen.
38 Dennoch, sie kann dir
keinen sicheren Weg zu dieser Ruhe vorgeben.
39 Auch
wenn sie folglich nicht alle Zeit (da) sein kann, so soll sie doch eine
geistige Mutter dieser Geburt sein.
40 Die soll das
vermittelnde Schweigen oft in sich zur Gewohnheit machen, dass ihr die
Gewohnheit eine Haltung in ihr bewirke, denn was einem gut geübten Menschen
ein Nichts erscheint, das erscheint einem ungeübten Menschen häufig
unmöglich, denn Gewöhnung erzeugt Können.
Abschnitt 18
FN-Anzahl: 1
1 Das wir nuͦ alle diser edlen geburt
ruͦw
hk in uns geben, daz wir ware geistliche
muͦter werden, des helff uns gott.
2 Amen.
1 Dass wir nun alle dieser edlen
Geburt Ruhe in uns schenken, dass wir wahre geistliche Mutter werden, dazu
helfe uns Gott.
2 Amen.