Predigt Nr. 12 – Vetter 8 – BT 22ra–24ra; LT 34va–38ra; AT 28ra–30va; KT 47rb–49va
[22ra]
Überschrift
Absatz 1
FN-Anzahl: 3
Am freytag nachdem sontag Invocavit1. Ein vast schoͤne und nützliche ußlegung des Evangelij vom vischweyer unnd den fünff vorschoͤpffen und bewegung des wassers Anzeigend wie gott etliche menschen laßt in einem unwissen irer geistlichen gesundtheit und halt sie damit in vorcht und gedreng etwan biß uff ir letst end und ergetzt sie darnach des aller rylichen. Gesetzt uff die wort Joannnis v.: "Erat dies festus aiudeorum et ascendit Jesus Hierosolymama etc."2
Am Freitag nach dem Sonntag Invocavit. Eine sehr schöne und nutzbringende Auslegung des Evangeliums vom Fischweiher und den fünf Vorhallen und der Bewegung des Wassers. [In ihr wird] dargestellt, wie Gott einige Menschen in Unsicherheit über ihr geistliches Heil lässt und sie dadurch in Angst und Sorge hält, manchmal bis an ihr Ende, und sie anschließend dafür reichlich entschädigt. [Sie ist] bezogen auf die Worte des Johannes[evangeliums], 5. [Kapitel]: "Erat dies festus a etc."
Abschnitt 1
Absatz 2
FN-Anzahl: 13
bIn disem evangelio lesen wirb, das ein fest was der juden und gieng Jesus hinauff gen Hierusalemc. Unnd da was ein vischteych der het fünff vorschopffed unnde lagen under den schopffen vil siecher menschen, die da warteten wenn der engel gottes kaͤm herab von dem himmel und das wasser bewegte. Und alsbald es von dem engel bewegt ward, so wurden die menschen von stund an gesunt. die dar in fam erstenf geweschen wurden von allerley siechtagen, die sie an in hatten. Dar [22rb]under was ein siecher mensch, der was achtg und dreyssig jar da gewesen. Do denn unser herrh sach und erkant, das er also lang do gelegen was, do sprach er: "Wilt du gesundt werden?" Der siech antwurt: "Ich hab nieman, der mich in das wasser laß, so es bewegt ist. Und wenn ich dar komm, so ist ein ander vor mir da gewesen." 10 Do sprach unser herri: 11  "Stee uff und nimm dein bett und gee." 12  All zuͦhand ward der siech gesundt, und er huͦb uff sein bett unnd gieng.3 13 Nach langer red, die hie nach volgten, do stuͦnd der siech mensch uff unnd wißt nit, das es Jesus was.4 14 Aberj darnach fand in unser herrk und sprach zuͦ im: 15 "Du bist nun gesundt worden. 16 Sünd nit mer, das dir nit würsser loder ergersl geschech."5
In diesem Evangelium lesen wir, dass ein Fest der Juden stattfand, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Und da gab es einen Fischteich mit fünf Vorhallen, und in den Vorhallen lagen viele kranke Menschen, die darauf warteten, dass der Engel Gottes vom Himmel herabkäme und das Wasser in Bewegung brächte. Und sobald es durch den Engel in Bewegung geriet, wurden die Menschen augenblicklich gesund, die darin als erste von allerlei Krankheit gewaschen wurden, die sie in sich trugen. Unter ihnen war ein kranker Mensch, der 38 Jahre dort verbracht hatte. Als das unser Herr bemerkte und erkannte, dass er so lange dort gelegen hatte, sagte er: "Willst du gesund werden?" Der Kranke antwortete: "Ich habe niemanden, der mich in das Wasser bringt, wenn es in Bewegung gerät. Und wenn ich [dann] dorthin gelange, ist ein anderer vor mir da gewesen." 10 Da sagte unser Herr: 11 "Steh auf und nimm dein Bett und geh." 12 Im selben Augenblick wurde der Kranke gesund, und er hob sein Bett auf und ging. 13 In langen Gesprächen, die sich anschlossen, [zeigte sich,] dass der kranke Mensch aufgestanden war und nicht gewusst hatte, dass es Jesus gewesen war[, der ihn geheilt hatte]. 14 Und etwas später fand ihn unser Herr und sagte zu ihm: 15 "Du bist jetzt gesund geworden. 16 Sündige nicht mehr, damit es dir nicht schlechter gehe oder Schlimmeres geschehe."
Abschnitt 2
Absatz 3
FN-Anzahl: 13
Derm nsee diß wassersn isto die zarte edelpA person unsers herrenq Jesu Christi. Und das wasser, das also bewegt ward, das in disem deych gewesen ist, ist das hochwirdig kostbarr bluͦt unsers herren Jesu Christi des ewigen gottes sun ders warlich gott und mensch ist6 und uns alleint7 in seym heiligenu bluͦt lauterlichen geweschen und gereynigt hat8 undv von wedler suͤsserw lieb alle menschen weschen wil, diex zuͦ im woͤllen kommen mit rechter warer reüw ires lebens und sich des gantz bessern woͤllen.9
Der See, der mit diesem Wasser gefüllt ist, ist die liebe edle Person unseres Herren Jesus Christus. Und das Wasser, das in dem Teich war und wie beschrieben in Bewegung gebracht wurde, ist das verehrungswürdige kostbare Blut unseres Herren Jesus Christus, der ewiglich der Sohn Gottes ist, wahrer Gott und Mensch, und uns nur durch sein heiliges Blut rein gewaschen und geläutert hat und aus großzügiger zärtlicher Liebe alle Menschen reinwaschen will, die bereit sind, mit echter wahrer Reue über ihre Lebensführung zu ihm zu kommen und sich ganz und gar bessern wollen.
Abschnitt 3
Absatz 4
FN-Anzahl: 30
Die siechen, die da by diBsem teych lagen, der ein groß teil was und die da warten waren der beruͤrung des wassers von dem engel,10 das isty in ein sinn zuͦ nemen alles menschlich geschlecht, die under dem alten testament gefangen lagen in allem irem leben.11 Und darnachz nach irem todt muͦßten sieaa in der vorhelligen12 und warten der beruͤrung des wassersab. Das was wenn das edel lauter bluͦt unsers herrenac beruͤrt würd in seim edlenad bittern todt, da durch sie gesunt werden und genesen solten.13 Diseae14 siechen menschen, die da in disen teych des wassers nit kommen, die muͤssen ewiglich sterben on zwyfel. Esaf seint auch sollich siechen, die in disenag teich kommen, nachdem als diß wasser beruͤrt würt. Daz ist ein ußwendig beruͤrung, daz die menschen gemant werden oder [22va]in geruͤfftah durch die hell15 oder sunst grosseai betruͤbnyß oderaj durch ander zuͦfaͤll liebs oder leid, so keren sie sich zuͦ gott. Oder dise menschen werdenak beruͤrt mit dem wort gotts uß der lerer mund und die selben menschen kommen also zuͦ gott in disem wasser.16 alUnd wiewolal sie darin genesen und gesunt werden, so bleiben sie docham also ferr von der rechten warheitt, als ferr es an in ist, dasan wol zuͦ erbarmen ist. Und also blyben sieao ungeleütert, daz sieap muͤssen ingen in daz fegfeür undaq da lyden grosse schwere bitterliche pynar17, biß daz sie gantz und waras geleütert und gereinigt werden.
Die Kranken, die an diesem Teich lagen, von denen es viele gab und die auf die Bewegung des Wassers durch den Engel warteten, sind zusammen als die gesamte Menschheit zu verstehen, die ihr ganzes Leben lang durch das Alte Testament unterdrückt wurde und unfrei war. Und nach ihrem Tod mussten sie [= die Menschen] in die Vorhölle und dort ausharren und auf die Bewegung des Wassers warten. Das geschah, als das edle reine Blut unseres Herren bei seinem edlen leidvollen Tod bewegt wurde, wodurch sie gesund werden und gerettet werden sollten. Die kranken Menschen, die in diesen Teich, der mit diesem Wasser gefüllt ist, nicht gelangen, müssen zweifellos in Ewigkeit tot sein. Es gibt auch solche Kranke, die in diesen Teich gelangen, nachdem das Wasser in Bewegung versetzt wurde. Es handelt sich um eine äußere Berührung, bei der die Menschen durch die Angst vor der Hölle oder anderen großen Kummer oder durch andere äußere Ereignisse, ermahnt werden oder sie gerufen werden, ganz egal ob gut oder schlecht, und sie sich auf diese Weise Gott zuwenden. Oder diese Menschen werden berührt durch das Wort Gottes aus dem Mund derer, die es auslegen, und diese Menschen kommen ebenso zu Gott in diesem Wasser. Und obwohl sie darin gerettet und gesund gemacht werden, so bleiben sie trotzdem insofern von der eigentlichen Wahrheit entfernt, als es an ihnen [selbst] liegt, weswegen man doch Mitleid [mit ihnen] haben muss. Und so haben sie keine Läuterung erfahren, so dass sie in das Fegefeuer müssen und dort große, schlimme und schwer zu ertragende Schmerzen erleiden müssen, bis sie gänzlich und wirklich geläutert und rein geworden sind.
Abschnitt 4
Absatz 5
FN-Anzahl: 3
"Anat disem teych diß wassers stuͦnden fünff porten, vor den lag ein grosse menig der siechen, die alle warten waren der beruͤrung des wassers. Und welcher under in der erst darin kam, der ward gesunt, welcherley siechtumb er an im hat."18 Byau disen siechen menschen mügen wir vernemen hoffertig zornig haͤssig geytzig und unkeüsche menschen und also von allen den, die in diser weiß siech seind und sichav in dem bluͦtaw Jesu Christi weschen, daz die gesunt werden, ob sie anders selber woͤllen.19 C
"An diesem Teich, der mit diesem Wasser gefüllt war, standen fünf Tore, vor denen lagen viele Kranke, die alle auf die Berührung des Wassers [durch den Engel] warteten. Und derjenige von ihnen, der zuerst hinein [in das Wasser] kam, der wurde gesund, ganz egal, welche Krankheit er auch hatte." Unter diesen kranken Menschen sollen wir hochmütige, zornige, gehässige, geizige oder unkeusche Menschen verstehen, die in dieser [beschriebenen] Weise krank sind und sich in dem Blut Jesu Christi waschen [müssen], damit sie gesund werden, wenn sie es denn selbst wollen.
Abschnitt 5
Absatz 6
FN-Anzahl: 6
Die fünff porten diß teychs mag man nemen in eim andern synn die heiligenn fünff wunden unsers awherren.20 Durch der selben überguß seint wir geweschen und gesunt worden21 und erloͤßt von den toͤdtlichen siechtagen und gebrestenax. Aber in eim andern synn, so seind es fünff porten, das ist fünff uͤbungen der tugend mit underscheid ußgenommen, wie wol daz ist, das unß ayir aller not wereay, dochaz so ist ein mensch krencker den der ander.22
Die fünf Tore an diesem Teich kann man in einem weiteren Sinn als die heiligen fünf Wunden unseres Herrn verstehen. Durch den (Blut-)Strom, der aus ihnen floss, wurden wir von den zum Tode führenden Krankheiten und Schwächen gewaschen und geheilt und erlöst. Und wieder in einem weiteren Verständnis, sind die fünf Tore fünf Tugendübungen, durch vernünftige Überlegung ausgewählt, auch wenn es sich so verhält, dass wir sie alle nötig hätten, so ist doch der eine Mensch schwächer als der andere.
Abschnitt 6
Absatz 7
FN-Anzahl: 9
DDieba erst port an disen uͤbungen istbb ein tieffe underworffen demuͤtigkeit, dazbc der mensch nichtbd von im selber halt und daz er sich künd in leydender wyß under gott trucken und underbe all vernünfftigbf creaturen und ein yeglich ding, von wanne es kumm, das er das von gott demuͤtiklich uffnem und von niemant anders, und laß sich dem ewigen gott in einer demuͤtigen vorcht in warer verschmeung seinbg selbs in allen dingen in lieb. in leid, in haben, in manglenbh on alles widersprechen.[22vb]
Das erste Tor dieser [Tugend-]Übungen besteht in einer sich zutiefst unterwerfenden demütigen Haltung in der Weise, dass der Mensch nichts von sich selbst hält und imstande ist, sich in Passivität Gott und jeder denkfähigen Kreatur und jeder beliebigen Sache – was auch ihr Ursprung sei – unterzuordnen, so dass er [= der Mensch] dies in Demut von Gott – und von niemand anderem – annehmen kann und sich dem ewigen Gott in demütiger [Gottes-]Furcht in allen Dingen, in Liebe und Leid, in Reichtum und Armut, ohne jeden Widerspruch überlässt und dabei auf sich selbst nicht achtet.
Abschnitt 7
Absatz 8
FN-Anzahl: 8
Diebi ander port ist ein fleyssig bleiben E bey dem waren grund23. Ach, wie garbj not wer das manchen guͦten menschen, die in guͦter einfeltikeit ungewarnt ußlauffen uß irem grundt in guͦter scheinender weiß und wercken. Es sey an leren, an reden an wyrcken. Und lauffen also uß sinnlichen und lustlichen in das unwesenlich24. Und geschicht in dannbk als sant Augustinus spricht, das siebl also verlauffen in den creaturenbm, das sie nymmer mer wider inkommen.25 Derbn mensch solt in allen synen wercken und ußgengen seins grunds einbo fleissig warnemen haben und darin sehen mit allem ernst. Wenn er daruß wyrcken woͤlt, sobp blib der mensch aller seiner wercke in eim waren fryden von innen und von ussen. Und darumm hat der mensch nicht fryd in seinen wercken und ußgengen, wann er ußgegangen ist unvernünfftigklich nach bewegung der sinn und der ußwendigen faͤll und nit von eim goͤtlichen treyben und vermanen.
Das andere Tor besteht in dem Bemühen, in dem wahrhaftigen inneren Grund zu bleiben. Ach, wie hätten das manche gute Menschen wirklich nötig, die in gut gemeinter Arglosigkeit unvorsichtig ihren inneren Grund mit scheinbar nützlichem Verhalten und nutzbringenden Werken verlassen und auf diese Weise, von Sinneswahrnehmungen und angenehmen Empfindungen geleitet, in das Unbedeutende hinauslaufen. Und ihnen geht es dann so, wie der heilige Augustinus sagt, dass sie sich in den Kreaturen so verirren, dass sie nie wieder zurückfinden. Der Mensch muss bei allen seinen Werken und bei jeder äußeren Handlung sich beständig seines inneren Grundes bewusst sein und [durch ihn] ernsthaft reflektieren. Wenn der Mensch aus ihm [= dem Grund] heraus wirkte, so würde er bei allen seinen Werken nach innen und nach außen in einem echten Frieden ruhen. Und deswegen findet der Mensch keinen Frieden bei seinen Werken und äußeren Handlungen, weil er unbedacht [aus seinem inneren Grund] hinausgegangen ist und dabei dem Antrieb seiner Sinneswahrnehmungen und den äußeren Ereignissen und nicht göttlichem Antrieb oder göttlicher Aufforderung folgte.
Abschnitt 8
Absatz 9
FN-Anzahl: 8
Die dritF port istbq ein war wesenlich reüw der sündbr. Das ist ein wares abkeren von allem dem, dasbs nit war lauter got ist oder des got nit ein war ursachbt ist und das der mensch ein waren gantzen kere zuͦ gott thuͦ mit allem dem, das er ist inwendig und ußwendig.26 Und diß ist allein der kern und dasG marck des waren reüwens und mit einer gantzen getrawung versincken in daz lauterbu guͦt, das got selber ist.27 Und das der mensch auch beger an im und in im ymmer zuͦ bleyben unnd imbv anzuͦhangen mit gantzer lieb und mit einer lautern meinung mit eim vollen willen, denbw willen gottes zuͦ thuͦn, als ferr erbx kan und mag. Dazby ist ein wesenlich rüw. Wer dise reüw also hat, dem selbenbz werden on zwyfel sein sünd vergeben gantz und gar luterlich. caUnd ye mer ir ein mensch hat ye mer im vergeben wirt seiner sündca.28
Das dritte Tor besteht in einer aufrichtigen wahrhaftigen Reue über die Sünden. Das bedeutet, sich aufrichtig von allem dem abzuwenden, das nicht Gott selbst ist oder dessen Ursprung nicht Gott ist, und [es bedeutet,] dass der Mensch sich aufrichtig und vollkommen Gott zuwendet mit allem, was ihn innerlich und äußerlich ausmacht. Und das allein ist der Kern und das Herz der echten Reue, und sich [dabei] in das absolut Gute zu versenken, welches Gott selbst ist. Und wenn der Mensch darüber hinaus bei ihm und in ihm für immer bleiben und ihm in vollkommener Liebe und aufrichtigem Verlangen angehören möchte, ist daz eine echte Reue. Dem, der eine solche Reue besitzt, werden zweifellos seine Sünden ganz und ohne jede Einschränkung vergeben. Und je mehr ein Mensch von dieser Reue besitzt, um so mehr werden ihm seine Sünden vergeben.
Abschnitt 9
Absatz 10
FN-Anzahl: 37
Die vierd portH istcb ein froͤlichecc willige armuͦtt. Escd ist zuͦ merckence ein ußwendig armuͦtt nach dem zuͦfall und ein inwendige armuͦt, dacf daz wesen ist der rechten waren armuͦt.29 Diecg usser armuͦt solen nit alle menschen haben. Es seint auch nit alle menschen dar [23ra]zuͦ beruͤfftch. Aber zuͦ der wesentlichen inwendigci armuͦt cjist uns allen geruͤfft in der warheit, allen dencj, dieck gottes fründ30 warlichcl woͤllen sein. Das ist, das uns gott allein besitzt in unserm grund und daz wir von kein cmanderen dingencm hiecn besessen werden und daz wir alle ding also behalten, als sie der ewig gott von uns wil gehalten haben in armuͦt unsers geystes,31 als sant Pauls spricht: "Diß sind, die durch gott alle ding haben gelassenco und doch alle ding besitzenI in der warheit."32 Das ist also, daz wir kein ding in diser zeyt also lieb soͤllencp haben, weder guͦt noch freünd noch eer noch liebcq noch seel noch lust noch nütz. Wenncr gott ein anders von uns woͤltecs haben, wir soͤlten das gern und williglich und froͤlich im zuͦ lieb und zuͦ lob seinem goͤttlichen vaͤtterlichen willen lassenct.33 10 Diß ist die ware wesentlich armuͦt, zuͦ woͤlchercu cwin der warheitcv cw alle guͦte menschen gehoͤren. 11 Und dise menschen haben allezeytcx in der bereitschafft alle ding freylich und ledigklich durch gott ze lassen, ob es der ewigcy gott von imcz gelassen wolt haben. 12  daAlso ist ze merckenda: 13 Hette diser menschdb ein künigkreych, er were dannocht in der warheit ein rechter warer wesentlicher armer mensch und würde dadurch nit gehindert der entpfengklicheit gotes.34 14  dcAlso on zweifeldc: die weil dises menschen gemuͤt kein zergengklich ding zuͦ ruͦw noch zuͦ frid mag gesettigen, wan er ist alweg die handt seiner begerung uffrecken zuͦ dem edlen almuͤsen des milten gottes,35 das da got selber ist,36 das mag im allein ein benuͤgen sein in seym grund und nicht anders. 15 Es seydd in den niderstende dfkrefften oder obersten lediger freyheit, dasdf da lust und unlust hat in formdg und in schaden.37 16  Dadh muͦß man sich inne leyden und lassen und darin gott wider ufftragen.
Das vierte Tor besteht in einer heiteren bereitwilligen Armut. Man unterscheidet eine äußere Armut, die von äußeren Gegebenheiten bestimmt ist, und eine innere Armut, in der sich der eigentliche Kern der echten aufrichtigen Armut zeigt. In äußerer Armut muss nicht jeder Mensch leben. Es sind auch nicht alle Menschen dazu berufen. Aber zu der eigentlichen inneren Armut sind wir alle berufen – das ist wahr –, alle, die wirklich Gottes Freunde sein wollen. Das bedeutet, dass Gott allein in unserem inneren Grund wohnt und dass wir von keinen anderen Dingen in Besitz genommen werden und dass wir alle Dinge in der Weise behandeln, wie Gott möchte, dass wir sie in geistlicher Armut [für ihn] verwalten, wie der heilige Paulus sagt: "Das sind die, die für Gott alle Dinge gelassen haben und doch – das ist wahr – alle Dinge besitzen." Es verhält sich [nämlich] so, daz wir in diesem Leben keine Sache, weder Besitz oder Freunde oder Ehre oder Liebe oder Seele oder Sinneslust oder Gewinn so lieben sollen, dass – wenn Gott etwas davon von uns haben wollte – wir es ihm gerne und bereitwillig und heiter aus Liebe zu ihm und zu seinem Lob seinem göttlichen väterlichen Willen überlassen sollten. 10 Das ist die echte eigentliche Armut, der – das ist wahr – alle guten Menschen angehören. 11 Und diese Menschen sind jederzeit darauf vorbereitet, von allen Dinge frei und unabhängig um Gottes Willen abzulassen, wenn der ewige Gott will, dass davon abgelassen wird. 12 Und so ist Folgendes ist zu beachten: 13 Besäße dieser Mensch ein Königreich, er wäre trotzdem – das ist wahr – ein Mensch in echter wahrhaftiger eigentlicher Armut und würde dadurch in seiner Aufnahmebereitschaft für Gott nicht geschwächt. 14 [Es stimmt] also zweifellos: Solange kann nichts Vergängliches den Sinn eines solchen Menschen so satt machen, dass er Ruhe und Frieden findet, denn er streckt immerzu die Hand seines Verlangens nach dem edlen Almosen des großzügigen Gottes aus, das Gott selbst ist. Das allein kann ihm in seinem inneren Grund Befriedigung geben. 15 Ganz egal, ob es in den untersten Lebenskräften ist oder in der höchsten unabhängigen Freiheit, ob es Freude oder Abscheu erzeugt und dabei nützlich ist oder schadet: 16 man muss sich hineinfügen und es erdulden und dabei Gott [alles] wieder anempfehlen.
Abschnitt 10
Absatz 11
FN-Anzahl: 23
Die fünfft port ist, das der mensch gott stettigklichen ein wider inleytendi und eindj ufftragen habe alles des, das erdk von imdl durch sein milte ewige gnad entpfangen hat und im das lauterlich wider uff [23rb]trage in den ursprunck und in den selben grund, da es herauß vormalß dm geflossen istdn.38 doEs ist mancher menschedo, der seer wollJ wenet daran zuͦ seindp: So im der ewig gott so groß wunderlich gnaden insencketdq, do erdr39 allzuͦmall mit solt geborn werden, so ds darauff mitt lust und mit lieb und spilet domit und flüssetdt nit zuͦhant als balde wider in den ursprung, sunder er hebtdu sich daran und zeüchtdv es an sich mitt eigenschafft, als ob es ychts das sein sey, und thuͦd denn seynendw vaͤtterlichendx schaden andy im selbs. Nundz dem menschen solt also ernst seyn zuͦ gott, daz er nyndertea kein gemerck solt haben uff alle ding, die do zuͦ beideneb seytenK zuͦschlahen an allem ußfliessen gottes, als zuͦ gleicher weiß der ein ding mit allen seinen krefften40 durch eyn maurec sicht durched einen engen spalt: Alle die weil er daz mit allen seinen krefften gern ansehe, das er da durch sicht, so hindert in das mittel nitt. Kert er aber seyn gemerck uff daz mittel und sicht daz selb an, wie klein es ist und wie dünne daz mittel ist, so wirt yenes gehyndert, daz er da durch sehen solt. Recht also magee daz mittel nit so klein gesin, daz ist, daz man ruͦet uff den gaben gottes, oder die ußflüsse moͤgen so lauter und so edel nit gesin, bleibt man daruff mit lust und mit gnuͤgd, man wirt gottes dadurch warlich gehindert, den man in den gaben lauterlich nemen solt undef sie als bald widerumb in got tragen und mit den gaben gottes insencken in den ursprung aller krafft41, da die gaben ußfliessen.
Das fünfte Tor besteht darin, dass der Mensch Gott beständig alles das zurückbringt und ihm wieder anempfiehlt, was er von ihm aus seiner großzügigen ewigen Gnade heraus empfangen hat, und ihm das in aufrichtiger Weise wieder zurückbringt in den Ursprung und dieselbe Quelle, aus der es einmal herausgeflossen war. Es gibt manchen Menschen, der der festen Meinung ist, er täte das: Wenn ihm der ewige Gott so große wunderbare Gaben verleiht, mit denen versehen er geboren werden soll, so wirft er sich darauf mit Leidenschaft und Freude und vergnügt sich damit und lässt es nicht so schnell wie mögliche wieder in den Ursprung zurückfließen, sondern er hält sich daran fest und zieht es mit Besitzanspruch an sich, als ob es etwa ihm gehöre, und fügt sich so seinen ererbten Schaden selbst zu. Der Mensch sollte so sehr zu Gott streben, dass er auf keinen Fall die Dinge beachten solle, die von beiden Seiten auf alles treffen, was aus Gott fließt, genauso wie der, der sehr konzentriert eine Sache durch den engen Spalt in einer Mauer betrachtet: Während er konzentriert das ansehen möchte, was er dort [durch den Spalt] sieht, wird er durch das Hindernis [= die Mauer] nicht gehemmt. Richtet er aber seine Aufmerksamkeit auf das Hindernis und betrachtet dieses, so wird dasjenige beeinträchtigt, welches er durch dasselbe [Hindernis] hindurch sehen wollte, ganz egal wie klein und schmal das Hindernis sei. Dementsprechend kann das Hindernis nicht klein genug sein – wie dass man sich auf den Gaben Gottes ausruht – oder auch das, was [aus dem göttlichen Grund] ausfließt, kann nicht rein und edel genug sein: Ruht man sich auf ihnen in Genuss und Selbstzufriedenheit aus, wird man – das ist wahr – auf diese Weise von Gott ferngehalten, den man in den Gaben uneingeschränkt empfangen sollte, um sie [= die Gaben] so bald wie möglich wieder Gott anzuempfehlen und sich mit den Gaben Gottes in die Quelle aller Macht zu versenken, aus der die Gaben hervorgehen.
Abschnitt 11
Absatz 12
Absatz 13
Absatz 14
FN-Anzahl: 47
"Aneg disen porten dises wegeseh lagen vil siechen und ein yeglicher, der zuͦm ersten in daz wasser kam nach der bewegung des engels, der ward gesundt."42 Was ist nun dise bewegung oder beruͤrung? Nichtei anders, dann das der geistej kompt oben herab in den menschen und beruͤretek alles des menschen inwendigkeit und macht ein groß bewegung da, also das da recht des menschen inwendigkeit wirt ummkeret und im zuͦmal wirt verwandelt und im die ding nit schmecken, dy im vorel wol schmackten und im lüstlich warend.43 Und darin im vormals [23va]grauset, das ist im nun lüstlich unnd begeret sein von hertzen. Daz selbem ist schmacheyt und ellend und ein edel leydigkeit, inwendigkeit, demuͤtigkeit, verworffenheit und abgescheidenheit44 von allen creaturen. Diß alles ist im denn sein hoͤchste wunne, wann dise beruͤrung des heiligen geists ist geschehen in der warheit in im.45 Und daL kümpt denn der siech, daz ist der außwendig mensch,46 mit seinen eusseren krefften gentzlich und gründtlich in den teich dises wassers und waͤscht sich recht da in Christo Jesu in seinem hohen erwirdigen kostbarn bluͦtt. Nun auß disem grund der waren beruͤrung so wirt eren sicherlich gesundt von allen seinen siechtagen, als geschriben steet: "Alle, die in anruͦrten, die wurden gesundt."47 10 Nuneo lasset unser lieber herr underweylen die menschen vor imep ligen. 11 Und seint doch zuͦmal genesen und wissen es doch nit und haben sich alles ihres lebens versehen und glauben von in selbs anders nit. 12 Und dasM thuͦd der ewig gott umb das allerbeste.48 13 Wann unser herr bekennet das gar woll von in: 14 Wißten sie, das sy also gantz genesen wereneq und gesundt worden, sy kerten alsbald uff sich selber mit wolgefelligkeyt.49 15 Darumb von grosser liebe und trew, die er allzeit zuͦ in hatt, so laßt er sy alle ir tag in eim unwissen stan in forcht und in gedreng und in demuͤtigkeit. 16 Und steend doch dise menschen in disem grad, das sie nit wider gott thuͦn woͤllen durch alle dise welt. 17 Ee50 das sy gott erzürnen woͤllen mit den sünden, ee woͤllen sy lieber durch gott froͤlich und freylich sterben, darumb daz sy der sünden damit moͤchten über werden. 18 Und darumb erist dißer ein sterben allezeit esin im selberes durch gottes willen mit einem tieffen versincken sein selbs gelassen sein zuͦ grundt dem goͤtlichen willen on alles wissen. 19 Wie gottet dise menschen haben will in zeit und in ewigkeit, darzuͦ geben sy sich allzeit gebunden und gefangenN dem willen gots on alles widersprechen. 20 Waseu geschicht nunev den menschen umb iren demuͤtigen ewgelaß irsew unwissen? 21 Nitt [23vb] anders dannex alsoey. Wennez fada kümpt der allmechtig vatter und syfa mit im heimfuͤren will an der stund ires todes, dafb ergetzet er syfc ihres unwissens und diser langen vinsternuß mit im selber. 22 Und thuͦd infd so vaͤtterlich und troͤstet siefe so lieblich und laßt sy denn dick vor irem tod schmecken und versuͦchenff und innen werden des, des syfg ewigklich in gott gebrauchen und geniessen sollen. 23  fhUnd die selben menschen sterben froͤlich mit grosser freüd und zuͦversichtfh. 24 Und die menschen, die im figantz getrawen haben und treü geleystetfi fjin soͤlcherfj vinsternuß und darben, die fuͤret er on alles mittel in seinen fkewigen goͤtlichen ursprungfk.51 25 Und werden dofl alsofm in der gottheit begraben und seind denn die seligen todte menschen, wanfn sy seind in gott gestorben und begraben.
"Bei diesen Toren dieses Weges lagen viele Kranke, und immer der, der als erster in das Wasser gelangte, nachdem der Engel es in Bewegung gebracht hatte, wurde gesund." Was ist nun mit dieser Bewegung oder Berührung gemeint? Nichts anderes, als dass der [heilige] Geist von oben herab in den Menschen kommt und das ganze Innere des Menschen berührt und es so in Bewegung setzt, dass das Innere des Menschen richtig umgedreht und augenblicklich verändert wird und er die Dinge nicht [mehr] ausstehen kann, die er vorher sehr mochte und die ihm Vergnügen bereiteten. Und was er zuvor verabscheute, ist ihm jetzt vergnüglich, und er begehrt es von Herzen. Dabei handelt es sich um Kränkung, Fremdheit, edle Einsamkeit, Andacht, Demut, verachtet zu werden und von aller Kreatur getrennt zu sein. Das alles wird ihm dann zu seinem höchsten Glück, denn diese Berührung durch den Heiligen Geist ist wirklich in ihm erfolgt. Und daraufhin kommt dann der Kranke – das ist der äußere Mensch – mit seinen äußeren [Lebens-]Kräften gänzlich und mit seinem inneren Grund in den Teich, der dieses Wasser enthält, und wäscht sich dort direkt in Christus Jesus, in dessem erhabenen verehrungswürdigen kostbaren Blut. Aus dieser Quelle der echten Berührung wird er zuverlässig geheilt von all seiner Krankheit, wie geschrieben steht: "Alle, die ihn berührten, wurden gesund." 10 Nun lässt unser geliebter Herr manchmal die Menschen vor sich liegen. 11 Und sie sind doch augenblicklich genesen und wissen es aber nicht, und sie haben sich ihr ganzes Leben lang vertan und glauben von sich selbst nichts anderes. 12 Aber das tut der ewige Gott nur zu ihrem Besten. 13 Denn unser Herr erkennt bei ihnen sehr wohl: 14 Wüssten sie, dass sie völlig gerettet und gesund sind, sie kümmerten sich sofort in Selbstgefälligkeit [nur] um sich selbst. 15 Deswegen lässt er sie aus seiner großen Liebe und Gnade heraus, die er ihnen stets entgegenbringt, in Unsicherheit bleiben und in Bedrängnis und in Demut. 16 Und doch befinden sich diese Menschen auf der Stufe, dass sie um alles in der Welt nichts gegen Gott [= Gottes Willen] tun wollen. 17 Bevor sie Gott mit Sünden gegen sich aufbrächten, würden sie lieber für Gott frohgemut und aus freien Stücken sterben, weil sie damit die Sünden überwinden könnten. 18 Und deswegen stellt dies ein immerwährendes Sterben für Gott in sich selbst dar, indem man sich tief in sich selbst versenkt und sich zutiefst dem göttlichen Willen überlässt ohne eigens Zutun. 19 Dafür, wie Gott diese Menschen in diesem Leben und ewiglich haben möchte, ergeben sie sich wie gefesselte Gefangene jederzeit ohne Einwände dem Willen Gottes. 20 Was erhalten nun diese Menschen dafür, dass sie sich demütig ihrer Unsicherheit überlassen? 21 Nichts anderes als das Folgende: Wenn der allmächtige Vater einst kommen wird und sie in der Stunde ihres Todes nach Hause bringen will, entschädigt er sie mit sich selbst für ihre Unsicherheit und für die Dunkelheit 22 und verhält sich so väterlich und tröstet sie so freundlich und lässt sie dann vor ihrem Tod ausgiebig das kosten und kennenlernen und erkennen, was sie in Gott in Ewigkeit genießen und woran sie sich erfreuen werden. 23 Und diese Menschen sterben glücklich mit großer Freude und Zuversicht. 24 Und die Menschen, die sich ihm vollständig anvertraut haben und ihre Treue in dieser Dunkelheit und Not bewiesen haben, die wird er unmittelbar in seinen ewigen göttlichen Quell geleiten. 25 Und auf diese Weise werden sie dann in dem göttlichen Wesen begraben und werden dann die seligen toten Menschen sein, denn sie sind in Gott gestorben und begraben.
Abschnitt 12
Absatz 15
FN-Anzahl: 22
"Nunfo kam unser herr und fand einen siechen do ligen, der was .xxxviii. jar siech O gewesen."52 Dißfp ist uns fqseer und fastfq zuͦ mercken, das diser siech was darumb siech zuͦ einer glory und eer gottesfr und nitt zuͦ dem tod. Werfs disem sinn und grund recht nach künt geen in der waren gebeytsamikeit, daz diser siech. xxxviii. jar hette mitt ernst und mit fleiß gewartet und gebeitet, biß daz in gott selbs gesundt gemacht hat und hieß in uffsteen und syn bet uff sich nemen unnd heimgeen in sein hauß!53 Diseft lere ist wider fualle geistliche menschen, die noch heüt der merteil leben – nit allesamptfu.54 Alsbald diefv in ein geistlichs leben tretten von iren sünden und lauffenfw in denn nittfx grosse ding zuͦ von unserm herren, so ist es alles verloren und kündenfy denn nyendert ufffz in selbs bleyben und klagen sich recht von got,P als ob er in unrecht thuͦ. Ach lieber gott, wie wenig menschen haben recht dise edle tugent, daz sy sich künnen gelassen und gelitten haben guͦtlich und willigklich und haltend sich nitt dar für, daz sy doch seind in der warheit!55 gdNuͦn wissend, woͤlcher mensch sich in diser gefencknuß gottes guͦttlich gelassen kann und nit ee ußbricht, byß in gottga selber ledig macht, wiegb wer daz sogc ein adelich nützliche fruchtbar ding!gd56
"Da kam unser Herr und fand einen Kranken dort liegen, der 38 Jahre lang krank gewesen war." Hierbei sollen wir sehr aufmerksam beachten, dass dieser Kranke zum Lob und zur Ehre Gottes krank war und nicht um zu sterben. Wer [doch] dieser Absicht und diesem Ziel folgen könnte in der aufrichtigen geduldigen Beharrlichkeit, mit der dieser Kranke 38 Jahre lang mit Anstrengung und Bemühen wartete und ausharrte, bis Gott selbst ihn heilte und ihm befahl, aufzustehen und sein Bett zu nehmen und in sein Haus zu gehen! Diese Lehre richtet sich gegen alle geistlichen Menschen, wie sie sich heute noch in der Mehrzahl verhalten – [doch] nicht alle. Wenn sie wegen ihrer Sünden ein geistliches Leben aufnehmen und ihnen dann nicht [gleich] von unserem Herren bedeutsame Dinge zuteil werden, dann geben sie alles verloren und können dann nicht in sich selbst ausharren und beklagen sich über Gott, als ob er ihnen unrecht tue. Ach, lieber Gott, wie wenige Menschen besitzen wirklich die edle Tugend, dass sie von sich [= ihrem Willen] lassen und geduldig und bereitwillig leiden und nicht glauben, dass sie sich im Recht befänden! Ihr sollt aber wissen: Ein Mensch, der sich dieser Gefangenschaft Gottes geduldig überlassen kann und nicht ausbricht, bis ihn Gott selbst befreit – was wäre das für eine würdige, hilfreiche und gewinnbringende Sache!
Abschnitt 13
Absatz 16
FN-Anzahl: 1
[24ra]Das wir also gein steter hoffnung und langmuͤtigkeit in dunckler wißlosickeyt uns lyden mügen, das helff uns gott. Amen.ge
Dazu, dass wir auf diese Weise in beständiger Hoffnung und Geduld finstere Verlassenheit ertragen können, helfe uns Gott. Amen.

Variantenapparat

a–a fehlt LT AT, Iohan. v. KT
b–b Heut lesen wir im evangelio / das unser herr eynen außsaͤtzigen melaitschen man mit eym wort rein unnd gesunt machet / von seiner schwaͤren kranckheit / Und das thuͦt er noch taͤgelichs an unsen seelen mit seymm heilgenn bluͦt. Dar auff schleußt gar eben das evangelium von dem fisch teyg / das wyr diß mal vor uns woͤllen nemen. Wyr lesen KT
c do was christus iesus auf gheen ghein LT, da was jesus auf geen zuͦ AT
dvorschopffe] schopfen LT, AT
eunnd] und do LT
f–f fehlt LT
gacht] drey LT
hherr] lieber herre iesus christus LT
iherr] lieber herre iesus christus LT
jAber] Mer LT
kherr] lieber herre LT
l–l fehlt LT
mDer] Kinder der LT
n–n Diser fyschteich oder weier KT
oist] daz ist LT
pedel] edel minnigliche LT
qherren] lieben herren LT
rkostbar] zarte minnigliche LT
sder] der do LT
tallein] alle LT KT
uheiligen] heiligen edlen rosenvarben
vund] Und auch LT
w–wfehlt KT
xdie] die do LT
yist] ist daz LT
zdarnach] darnach erste LT
aasie] sie dann LT
abwasser] deichs LT
acherren] lieben herren iesu christi LT
adedlen fehlt KT
aeDise] Nu mer auch in disen letzsten tagen das do sein die tage des heiles szo mag kein mensch nymmer mer genesen dann durch das erwirdige czarte minnigliche blut unsers herren iesu cristi Nu wisset kinder dise LT, Und auch in disen letsten tagen das ist inn zeit der gnaden mach keyn mensch gesunt werden dan durch diß liebliche wasser diß teichs das ist das bluͦtt unsers herrenn Jesu Christi Und die KT
afEs] Nu kinder es LT
agdisen] disen minniglichen LT
ahgeruͤfft] gerufft das ist LT, würt geruͦffen KT
aigrosse] durch grosse LT
ajoder] ader sust LT
akwerden] werden aber LT
al–al Aber wisset disz thun sie also lawentlich das es sere und faste czu erbarmen ist Und darumb wie das ist das LT
amdoch] doch dannoch LT
andas] das es LT
aosie] sie dan also LT
apsie] sie dan LT
aqund] und mussen dan LT
arpyn] peynn und helsch feüwr unnd seyn da eynn spot der teüfell KT
aswar] gar LT AT
atAn] Kinder an LT
auBy] Kinder bei LT
avsich] sich dan LT
awbluͦt] dem zartten miniglichen blut unsers lieben heren LT
ax lieben herren iesu christi in dem selben uber nucz alle gesunt worden sein LT
ay–ay alle tügend not seind KT
azdoch] Aber doch LT
baDie] Das ist die LT
bbist] das LT
bcdaz] das ist daz LT
bdnicht] czu mal nichs nit LT
beunder fehlt LT
bfvernünfftig fehlt LT KT
bgsein] sich LT
bhmanglen] mangeln dem liebsten willen gottes LT
biDie] Nu die LT
bjgar] gar herczlichen LT
bkdann] dan das LT
blsie] ir also vil sein diszer menschen die dan LT
bmcreaturen] creturen BT
bnDer] Wysset lieben kinder der LT
boein] ein gar LT
bpso] Wiszt so LT
bqist] daz ist LT
brsünd] sunde Welchs ist das LT
bsdas] das do LT
btursach] sach LT AT, lauter ursach KT
bulauter] lauter minniglich LT
bvim] auch LT
bwden] den liebsten LT
bxer] der mensch LT
byDaz] O kinder daz LT
bzselben] selben menschen LT, fehlt KT
ca–ca wollen sie das ist das unsz got allein besicze in unserm grunde und das wir von keinen dingen anders in disem und als vil er yr mer hat als vil werden im die sunde des do mer und lauterlichen vorgeben LT
cbist] daz ist LT
ccfroͤliche fehlt KT
cdEs] kinder es LT
cemercken] pruffen LT, AT
cfda] daz da LT, AT
cgDie] Kinder die LT
ch ist aller menschen leben nit Czu dem selben wege Ist auch allen menschen nicht gerufft das sie auszwendig arme sollen sein Aber wist lieben kinder LT
ciinwendig fehlt LT
cj–cj sein wyr geruffen KT
ckdie] die do LT
clwarlich] warlich und leuterlich LT, fehlt KT
cm–cm dingen anders LT AT
cnhie] in diser zeyt LT AT, fehlt KT
cogelassen] verlassen KT
cpsoͤllen] nicht LT
cqlieb] leip LT AT KT
crWenn] Wolde nun der mild ewig LT
cswoͤlte fehlt LT
ctlassen] lassenn Disz sal gancz unser guter wille sein und alleczeit und stunde czu sein unnd nicht anders Aber kinder ob wol die arme krancke blode natur do wider ist do ligt czu mal nicht not an szo anders der frey wille darczu bereit ist Kinder LT, lassen in alle der weisen als er es wolt gelaissenn haben Murmelt unse krancke natuer dae weder dae leit nitt an soe unser will her zu bereit sy unnd soe wir haben ein vrie ledich gemoide in got erhaben das ungefangen ist von allen dingen KT
cuwoͤlcher] der LT
cvwarheit] waheit BT
cw–cwin der warheit fehlt BT
cxallezeyt] alczeyt ein frey ledig aufferhaben gemute in got das do warlich ungefangen ist in allen dingenn Daz ist weder mit lust weder mit liebe noch mit leide und steen alle czeit LT
cyewig] ewig mildt LT
czim] yn LT
da–da Nu also wist LT, Nun also ist ze mercken AT, und KT
dbmensch] menschenn eins LT
dc–dc fehlt KT
ddsey] ist woil KT
denidersten] indersten AT
df–df veelichen krefftenn das der mensch KT
dgform] gewinne KT
dhDa] das ist herwider nicht do LT
diinleyten] ein LT AT KT
djein fehlt KT
dker] man LT AT
dlim] got KT
dmvormalß] volmalß BT
dnist] ist Ach ach kinder der in disser portten wol und recht geraicht were KT
do–do Ach kinder die menschen die yn der pforten warlich geraten weren in einer wesentlicher weise wie ein adelich minniglich ding disz were Wisset daz mancher groszer mensche hie bleibet LT
dpsein] sein das er seinen unnucz hie schafft LT
dqinsencket] schencket KT
drer] sie LT
dsfalt er fallen sie LT
dtflüsset] fliessen LT
du sie haben LT
dvzeücht] ziehen LT
dwseynen] yren LT
dxvaͤtterlichen] verlichen LT, AT, marterlichen KT
dyan] hie an LT
dzNun] Nu wisset lieben kinder LT
eanynder] als nyrn LT, nierntt AT
ebbeiden fehlt KT
ecmaur] canczel KT
eddurch] oder durch KT
eemag] czu gleicher weisz so mag LT, so mag AT, das raͤstenn oder KT
efund] und soldt LT
egAn] Kinder an LT
ehweges] deiches do LT, deiches AT
eiNicht] Nichts nit LT
ejgeist] heilige geist KT
ekberuͤret] beruret do LT
elvor] vormals LT
emselb fehlt KT
ener] er dan LT
eoKinder nu LT
epim] siech LT AT
eqweren] sein LT
er–er kinder disz ist ein darben und LT, diß ist AT, ist ir ubung KT
es–es fehlt KT
etgott] go der himlische vater LT
euWas] Kinder das LT, Das AT
evnun fehlt LT AT
ew–ew gelaissenheit in irem KT
exdann] Wann LT
eyalso fehlt KT
ezWenn] Wanne das ist daz LT
fa–fa der liebliche tag kumpt das sie der ewige gott KT
fbda] Ach kinder do LT
fcsy] sie dan do LT
fdin] ynn dan do LT
fesie] sie dan do so adentlichen und so herczlichen LT
ff fehlt KT
fgsy] sie dan do LT
fh–fh unnd sterbenn sicherlich KT
fi–fi trawe haben gehaltenn KT
fj–fj haben in dem LT, in dem AT
fk–fk unspreichlichen ewigen lieht KT
fldo] dan do LT
fmalso fehlt KT
fnwan] darumb wan LT AT
foNun] Kinder nun LT
fpDiß] Kinder disz LT
fq–fq fehlt KT
frgottes] gotes des hymelschen vaters LT
fsWer] Ach liebe kinder der LT
ftDise] Kinder dise LT
fu–fu die leute die do KT
fvdie] sie KT
fwlauffen] laufft KT
fxnitt] nit zuͦ hancz KT
fykünden] konnen LT
fzuff] beyKT
gagott] der ewig got LT
gbwie] wie gar LT AT
gcso fehlt LT AT
gd–gdNuͦn wissend woͤlcher ... nützliche fruchtbar ding] unnd leyden ire krancheit ire siechtage ire gefencknuͤß und bekorung biß das sie der herr selbs gesund mache Darumb spricht er nit das sie in der warheit uffsteen und geen und tragen ir bett und sein gesund Der sich in diesen gefencknüß hielte und nit ee außbreche biß das in der herr selbes loͤste Ach kinder was edel wunniglich dingk das were woͤlche gewalt woͤlche herrschafft wirt dem menschenn geben im würde recht zu gesprochen Stande uff Nummer salstu liggen Du sallst alle gefencknüß uͤber kommen und vrei sein und wandelen freilich und dragen dein bett was dich hie vormals troͤge das salstu nuͦn uffheben und tragen gewelltiglich und mechtich Ach der mensche den got also selbs erloͤst der ist wol erloßt und wandelt lustig und kumpt nach diser erbeitung in wunderliche freiheit der alle die muͤssen manglen die sich selbs loͤsen ee es zeit ist Wan nun dise menschen sich in soͤlcher freiheit befinden gantz gesunt und ires gefencknuß loß seyn so geschicht es wol das sie ausser disem fryd unversehens unnd unbehüetsam ußgeent under die manchfaͤltigkeit oder in ausseren dyngen oder in ire alte weisen und übungenn Unnd geschicht in dan recht wie disen krancken das sie kommen in eyn unbekaͤntenuß gottes Wan die Jüden fragten disenn werr in gesunt gemacht hett Des wüst er nit Aber do er wider inn den tempell kam do sprach im Jesus zu und er bekant inn und predigte dem volck Also sol diser lieblicher mensch thuͦn wan er der unbekaͤntnuß in sich gewar würt so soll er alle dyng begeben und geen schnellig in den tempel Das ist er sol mit sammlung aller seyner krefft ingeen in den tempel seyns inwendigen tieffen gruͤndts Wan er woͤl darin koͤmpt so fyndet er da waͤrlichen gott und wirt in da erkannen Und Jesus spricht im zu sagende in im Sich du bist gesunt worden nun hüet dich fürbaß Und dan predigen alle des menschen werck leben und wesenn got in der warheit Und wann der mensch alsus auß goͤtlichem waren befyndenn mit lauterem bekentniß in dem inwendigen tempel in seynem gruͤnd got funden hat und auch durch eigen schad wol versuͦcht ist und dan von got gewarnt ist dann wirt des menschen predigen eyn lauter gotkündigen fliessende auß empfyntlicher warheit und ist zu mal nütz unnd fruchtbar allen menschen KT
ge–ge etc. LT, fehlt AT

Marginalien

A Ußlegung etlicher wort uß dem bemelten ewangelio.
B Die siechen etc. Nach gemeinem synn drr [!] lerer.
C Die fünff porten
D Die erst port
E Die ander port.
F Die dritt port.
G Der kern und marck dess reúwens.
H Die vierde port.
I Die war wesenlich armuͦt.
J Ettlich nemen sich zuͦ vil an der gaben gottes und ruͦwen daruff.
K Glichnys.
L Hie kumpt der siech in den rechten tych.
M Warumb gott etlich nitt laßt wissen, das sie woll mitt im dran sindt.
N Aber sich zuͦ, wie es disen gelaßnen zuͦletst ergang.
O Warumb diser siech so lang kranck gelegen sige.
P Gelassenheit haben wenig menschen.

Glossar


Stellenkommentar

1 Der Sonntag Invocavit ist der erste Fastensonntag.
2 Io 5,1. - Io 5,1-15 wurde am Freitag nach dem Sonntag Invocavit als Evangelium gelesen (vgl. Ordinarium, S. 158, Nr. 612; zum Text der dort abgekürzt zitierten Perikope vgl. Missale [1484], Bl. 33rb-vb).
3 Io 5,1-9.
4 Vgl. Io 5,10-13.
5 Io 5,14.
6 Vgl. den zweiten Artikel des Nicaeno-Constantinopolitanums (Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta 1, S. 57,4-16).
7 Die Handschriften des 14. Jahrhunderts und auch AT sowie KT überliefern an dieser Stelle eine andere Lesart mit abweichendem Sinn.
8 Vgl. Apc 1,5: "[...] qui [Iesus] dilexit nos et lavit nos a peccatis nostris in sanguine suo [...]."; I Io 1,7: "[...] et sanguis Iesu Filii eius mundat nos ab omni peccato."; Hbr 9,13f. - Anders als in den frühen Drucken ist in den Handschriften des 14. Jahrhunderts an dieser Stelle nur vom Waschen die Rede.
9 Die Nennung der Reue und des Willens zur Besserung ist eine Konkretisierung, die sich in den Handschriften des 14. Jahrhunderts nicht findet. Zu der Auffassung, dass ein Willensakt des Menschen Voraussetzung für seine Erlösung sei, vgl. unten #,#; Pr. 7, # mit Anm. #.
10 Vgl. Io 5,3.
11 Vgl. Gal 3,23: "Prius autem quam veniret fides, sub lege custodiebamur conclusi in eam fidem, quae revelanda erat."
12 Gemeint ist der limbus patrum, ein Randbereich der Hölle, in dem die Gerechten des Alten Bundes bis zur Himmelfahrt Christi verbleiben mussten. Zu diesem Bereich der Hölle vgl. Ripelin, Compendium theologicae veritatis IV,22 (in: Albertus Magnus, Opera 34, S. 147): "Supremus locus inter haec est limbus sanctorum patrum, ubi fuit poena damni et non sensus, et fuerunt ibi tenebrae exteriores, et non tenebrae privationis gratiae. [...] Hic quoque locus 'sinus Abrahae' [vgl. Lc 16,22f.] dicebatur, quia ibi Abraham fuit." Zum Grund für den Aufenthalt der alttestamentlichen Gerechten in der Hölle vgl. Thomas, Summa theologiae III q. 52 a. 5 (Editio Leonina 11, S. 498): "Per hoc autem sancti Patres detinebantur in inferno, quod eis ad vitam gloriae, propter peccatum primi Parentis, aditus non patebat."
13 Nach Thomas von Aquin hat Christus bei seinem Herabsteigen in die Hölle die vor ihm verstorbenen Gerechten kraft seines Leidens befreit (vgl. Thomas, Summa theologiae III q. 52 a. 5 [Editio Leonina 11, S. 498f.]). Zur Gnade der Gerechten des Alten Bundes nach Thomas vgl. zusammenfassend Hoffmann, Gnade. Zu dem insbesondere auch in der Ikonographie weit verbreiteten Motiv der Höllenfahrt Christi vgl. zusammenfassend Koch, Höllenfahrt; Böcher u. a., Höllenfahrt; Loerke, Höllenfahrt.
14 An dieser Stelle fehlt im AT und BT ein Satz, der sich in den Handschriften des 14. Jahrhunderts und auch in den beiden anderen frühen Drucken findet.
15 Anders als in den frühen Drucken ist in den Handschriften des 14. Jahrhunders an dieser Stelle nicht von der Hölle die Rede.
16 Im Vergleich zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts fehlt an dieser Stelle im AT, BT und KT Text, der im LT noch weitgehend vorhanden war.
17 Zur Intensität der Qualen im Fegefeuer vgl. Augustinus, Enarratio in Psalm 37, n. 3 (CChr.SL 38, S. 384,33-35): "[...] grauior tamen erit ille ignis, quam quidquid potest homo pati in hac uita.", zitiert in Petrus Lombardus, Sententiae IV d. 21 c. 2 Nr. 117 (SpicBon 5, S. 380,13f.); Pseudo-Augustinus, De vera et falsa poenitentia c. 18 (PL 40, Sp. 1128): "Hic autem ignis etsi aeternus non fuerit, miro tamen modo est gravis: excellit enim omnem poenam quam unquam passus est aliquis in hac vita.", zitiert in Petrus Lombardus, Sententiae IV d. 20 c. 1 Nr. 109,5 (SpicBon 5, S. 373,5-8); Vetter 74, S. 399,23-27. - In den Handschriften des 14. Jahrhunderts und im KT ist der Text an der vorliegenden Stelle etwas ausführlicher, wobei die Qualen explizit als höllische beschrieben werden. Vgl. dazu Thomas, Super IV Sententiarum d. 21 q. 1 a. 1 qc. 2 s. c. 1 (ed. Moos 4, S. 1047, Nr. 15): "[...] '[...] sub eodem igne peccator crematur, et electus purgatur.' [vgl. Augustinus, De civitate dei I c. 8 (CChr.SL 47, S. 8,38-43)] Ergo idem est ignis purgatorii et inferni [...]."
18 Io 5,2-4.
20 Vgl. Thomas, Super Ioannem c. 5 l. 1 Nr. 704 (ed. Cai, S. 132): "Per hos quinque porticus mystice significantur, secundum Chrysostomum, quinque vulnera corporis Christi [...]." Eine entsprechende Aussage konnte in den Schriften von Johannes Chrysostomus nicht ermittelt werden.
21 Vgl. Is 53,5.
22 Während in den frühen Drucken hier von unterschiedlich schwachen Menschen die Rede ist, geht es im etwas ausführlicheren Text, den die Handschriften des 14. Jahrhunderts tradieren, um die jeweils spezifischen Schwächen eines Menschen.
23 Gemeint ist der Seelengrund. Zu diesem vgl. Anm. # in Pr. 1.
24 An dieser Stelle überliefern die Handschriften des 14. Jahrhunderts andere Lesarten mit abweichendem Sinn.
25 Vgl. Augustinus, Enarratio in Psalm 4, n. 9 (CSEL 93,1A, S. 102,1-3): "Sed homines temporalia sectantes, qui certe multi sunt, nihil aliud noverunt dicere nisi: Quis ostendit nobis bona, cum vera et certa bona intra semetipsos videre non possint." Vgl. auch Augustinus, De vera religione c. 49 n. 94 (CChr.SL 32, S. 249,16-18): "Ita omnis palma cognitioni datur et artifico et comprehensioni ueritatis, ad quam nullo modo perueniunt, qui foris eam quaerunt." Das Augustinus-Zitat wird ähnlich wie in der von Meister Eckhart stammenden Predigt 6 wiedergegeben (vgl. Pr. 6, #,# sowie die entsprechende Passage in Eckhart, Pr. 102, DW IV,1, S. 414,57-60: "Dar umbe sprichet sant Augustînus: vil ist der, die lieht und wârheit hânt gesuochet, und aber alles ûzwendic, dâ si niht enwas. Des koment sie ze dem lesten alsô verre ûz, daz sie niemer wider heim noch wider în enkoment. Und des enhânt sie die wârheit niht vunden, wan wârheit ist inwendic in dem grunde und niht ûzwendic.").
26 Vgl. Eckhart, Die rede der underscheidunge 16, DW V, S. 244,7-245,3: "Wâriu und diu aller beste pênitencie ist, dâ mite man grœzlîche und ûf daz hœhste bezzert, daz ist: daz der mensche habe ein grôz und volkomen abekêren von allem dem, daz niht zemâle got und götlich ist an im und an allen crêatûren, und habe ein grôz und ein volkomen und ein ganz zuokêren ze sînem lieben gote in einer unbewegelîchen minne alsô, daz sîn andâht und gelust grôz ze im sî." Diese Definition ist die Umkehrung einer Begriffsbestimmung der Sünde, die sich bei Augustinus findet (De libero arbitrio II,53,200 [CChr.SL 29, S. 272,72f.]): "[...] malum sit auersio eius [uoluntatis liberae] ab incommutabili bono et conuersio ad mutabilia bona [...]." Eckharts Definition der Buße ("pênitencie") wird in der vorliegenden Predigt für die Reue verwendet, in Taulers Predigt 16 für die Buße insgesamt (vgl. Pr. 16, #,#).
27 In den Predigten Taulers wird Gott häufig als absolut Gutes ("lauter guͦt") bezeichnet (vgl. unten Anm. #; Pr. 13, #,#; Vetter 12, S. 59,33; 19, S. 80,12f.; 20, S. 82,10; 21, S. 85,17; 22, S. 89,27; 26, S. 105,11f.15; 108,11f.; 32, S. 120,2-4; 50, S. 230,18; vgl. auch Schlüter, Grundlagen, S. 149f. mit Anm. 103). Zu dieser Bezeichnung für Gott vgl. Pseudo-Dionysius, De divinis nominibus IV,1-4 (PG 3, Sp. 693 A-700 C; PTS 33, S. 143,9-149,8; Dionysiaca 1, S. 145-172; lateinische Übersetzung durch Johannes Sarracenus in: Albertus Magnus, Editio Coloniensis 37,1, S. 113,36-165,75).
28 Vgl. Eckhart, Die rede der underscheidunge 16, DW V, S. 245,3-246,2.
29 Zur Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Armut vgl. Eckhart, Pr. 52, DW II, S. 486,8-487,4.
30 Zum Begriff "Gottesfreund" vgl. Anm. # in Predigt 4.
31 Vgl. Mt 5,3.
32 Vgl. II Cor 6,10.
33 Im Vergleich zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts fehlt im AT und BT an dieser Stelle eine Textpassage über den Willen des Menschen, die im LT noch vorhanden war und im KT zum Teil wieder ergänzt wurde.
35 Vgl. Eckhart, Pr. 33, DW II, S. 151,4-6: "Hæte der mensche alle die werlt, sô sol er doch sich dünken arm und sol alle zît ûzrecken die hant vür die tür unsers herren gotes und biten umbe daz almuosen der gnâde unsers herren [...]."
36 In den Handschriften des 14. Jahrhunderts ist an dieser Stelle vom absolut Guten ("lutern guͦt") die Rede, das Gott selber ist. Zu dieser Bezeichnung für Gott vgl. oben Anm. #.
37 Im Vergleich zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts fehlt im AT, BT und KT an dieser Stelle Text, der im LT noch vorhanden war.
38 Hier wird der zur Emanationsvorstellung komplementäre neuplatonische Gedanke einer Rückkehr in den Ursprung (Remanation) aufgegriffen. Zu diesem vgl. Pr. 1, #,# mit Anm. #. - Im Vergleich zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts fehlt im AT und BT an dieser Stelle Text, der im LT noch vorhanden war und im KT zum Teil wieder ergänzt wurde.
39 Die im LT, AT und BT überlieferte Lesart "insencket" ist wohl aus der in Handschrift F überlieferten Lesart "inschencket" entstanden, während die Straßburger Handschriften und auch der KT die Lesart "schenket" tradieren.
40 An dieser Stelle überliefern Handschriften des 14. Jahrhunderts die schwierige Lesart "knehten", die wohl durch Verlesung aus mitteldeutsch 'krechten' (='kreften') entstand.
41 Anders als in den frühen Drucken ist in den Handschriften des 14. Jahrhunderts an dieser Stelle davon die Rede, dass der Mensch mit aller Kraft im Ursprung versinken solle.
42 Io 5,3f.
43 Im Unterschied zu den frühen Drucken und zu den Straßburger Handschriften des 14. Jahrhunderts enthält die Handschrift F an dieser Stelle eine umgekehrte Aussage.
44 "abgescheidenheit" ist ein Terminus, der in seiner mystischen Bedeutung von Meister Eckhart geprägt wurde. Er bezeichnet eine innere Lösung von allem Menschlich-Irdischen (vgl. Ruh, Geschichte 3, S. 347-351).
45 Dieser Nebensatz gehört in den Handschriften des 14. Jahrhunderts zum folgenden Satz.
46 Zu Taulers Verständnis des äußeren Menschen vgl. , Anm. # in Pr. 10.
47 Mt 14,36 par. Mc 6,56.
48 Dieser erläuternde Satz findet sich nicht in den Handschriften des 14. Jahrhunderts.
49 Vgl. auch Lc 17,11-18.
50 Die hier beginnende längere Passage, die die Unterwerfung unter den göttlichen Willen thematisiert, findet sich nicht in den Handschriften des 14. Jahrhunderts.
51 In der Konstitution "Benedictus Deus" definierte Papst Benedikt XII. im Jahr 1336 die Lehre, dass Menschen, in denen es nichts zu reinigen gibt, unmittelbar nach ihrem Tod zur selig machenden Schau (visio beatifica) des göttlichen Wesens gelangen (vgl. DH Nr. 1000, S. 406f.). Benedikts Vorgänger Papst Johannes XXII. hatte seit 1331 die Auffassung vertreten, dass den verstorbenen Gerechten die visio beatifica erst nach dem Weltgericht zuteil werde, und war dabei auf heftigen Widerstand gestoßen (vgl. Johannes XXII., Sermons; Hoffmann, Streit; Maier, Schriften; Trottmann, Vision, S. 417-811).
52 Vgl. Io 5,5f. - In den Handschriften des 14. Jahrhunderts wird an dieser Stelle Io 5,5-9 zitiert.
53 Vgl. Io 5,8.
54 Die Aussage über die Verbreitung eines solchen Verhaltens findet sich nicht in den Handschriften des 14. Jahrhunderts und wurde im KT wieder gestrichen.
55 Die Aussage über die Selbsteinschätzung solcher Menschen hat in den Handschriften des 14. Jahrhunderts einen anderen Sinn. Im Vergleich zu diesen fehlt zudem im Folgenden Text.
56 Im Vergleich zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts fehlt im LT, AT und BT hier der letzte Teil der Predigt, in dem Io 5,8f.12-15 ausgelegt wird. Im KT wurde diese Passage wieder ergänzt.
Johannes
Anm.: Evangelist
weiterführende Informationen
Jesus Christus
Anm.: biblische Person
weiterführende Informationen
Johannes, Chrysostomus
Anm.: Kirchenvater, Patriarch von Konstantinopel
weiterführende Informationen
Augustinus von Hippo
Anm.: Kirchenvater
weiterführende Informationen
Eckhart, Meister
Anm.: Dominikaner; Theologe, Philosoph und Mystiker
weiterführende Informationen
Paulus von Tarsus
Anm.: Apostel
weiterführende Informationen
Benedikt XII.
Anm.: Papst
weiterführende Informationen
Johannes XXII.
Anm.: Papst
weiterführende Informationen
Ordinarium juxta ritum sacri ordinis fratrum praedicatorum, hg. von Franciscus-M. Guerrini, Rom 1921Missale ordinis praedicatorum, Venedig: Nikolaus von Frankfurt 14848° [Digitalisat]Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Editio Critica, Bd. 1: The Oecumenical Councils. From Nicaea I to Nicaea II (325-787), hg. von Giuseppe Alberigo u. a., Turnhout 2006 (Corpus Christianorum)Albertus Magnus, Opera omnia 34: Compendium theologicae veritatis in septem libros digestum. Prima pars summae de creaturis, hg. von Auguste Borgnet, Paris 1895Thomas von Aquin, Opera omnia. Iussu impensaque Leonis XIII P. M. edita cura et studio Fratrum Praedicatorum, Bd. 11: Tertia pars Summae theologiae. A quaestione I ad quaestionem LIX, Rom 1903Hoffmann, Albert M., Die Gnade der Gerechten des Alten Bundes nach Thomas von Aquin, in: Divus Thomas 29 (1951), S. 167-187Koch, Ernst, Höllenfahrt Christi, in: Krause, Gerhard / Müller, Gerhard u. a. (Hg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15, Berlin/New York 1986, S. 455-461Böcher, Otto / Felmy, Karl Christian / Sparn, Walter, Höllenfahrt Jesu Christi, in: Betz, Hans Dieter u. a. (Hg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 4., völlig neu bearbeitete Aufl., Bd. 3, Tübingen 2000, Sp. 1855-1860Loerke, Marc-Oliver, Höllenfahrt Christi und Anastasis. Ein Bildmotiv im Abendland und im christlichen Osten, Diss. Regensburg 2003 [online]Augustinus Aurelius, Opera 10,1: Enarrationes in Psalmos I-L, hg. von Eligius Dekkers und Johannes Fraipont, 2. Aufl., Turnhout 1990 (CChr.SL 38)Petrus Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae, Bd. 2: Liber III et IV, Grottaferrata (Rom) 1981 (SpicBon 5)Pseudo-Augustinus, Appendix, in: Augustinus Aurelius, Opera omnia, hg. opera et studio monachorum ordinis Sancti Benedicti e congregatione S. Mauri, Bd. 6, Paris 1845 (PL 40), Sp. 725-1358Vetter, Ferdinand (Hg.), Die Predigten Taulers aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, Berlin 1910 (DTM 11) [Digitalisat]Thomas von Aquin, Scriptum super Sententiis magistri Petri Lombardi, hg. von Marie Fabien Moos, Bd. 4, Paris 1947Augustinus Aurelius, Opera 14,1: De civitate dei. Libri I-X, hg. von Bernhard Dombart und Alfons Kalb, Turnhout 1955 (CChr.SL 47)Thomas von Aquin, Super Evangelium S. Ioannis lectura, hg. von Raphael Cai, 5., revidierte Aufl., Turin/Rom 1952Augustinus Aurelius, Opera. Enarrationes in Psalmos 1-50. Pars 1A: Enarrationes in Psalmos 1-32 (expos.), hg. von Clemens Weidmann, Wien 2003 (CSEL 93,1A)Augustinus Aurelius, Opera 4,1: De doctrina christiana. De vera religione, hg. von Joseph Martini und K.-D. Daur, Turnhout 1962 (CChr.SL 32)Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke, Bd. 4,1: Meister Eckharts Predigten, Bd. 4,1, hg. und übersetzt von Georg Steer unter Mitarbeit von Wolfgang Klimanek und Freimut Löser, Stuttgart 2003Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke, Bd. 5: Meister Eckharts Traktate, hg. und übersetzt von Josef Quint, Stuttgart 1963Augustinus Aurelius, Opera 2,2: Contra Academicos. De beata vita. De ordine. De magistro. De libero arbitrio, hg. von William M. Green, Turnhout 1970 (CChr.SL 29)Schlüter, Dietrich M., Philosophische Grundlagen der Lehren Johannes Taulers, in: Filthaut, Ephrem (Hg.), Johannes Tauler. Ein deutscher Mystiker. Gedenkschrift zum 600. Todestag, Essen 1961, S. 122-161Pseudo-Dionysius Areopagita, Opera onmia quae exstant, hg. von Balthasar Cordier, Bd. 1, Paris 1889 (PG 3)Pseudo-Dionysius Areopagita, Corpus Dionysiacum 1: De divinis nominibus, hg. von Beate Regina Suchla, Berlin/New York 1990 (PTS 33)Pseudo-Dionysius Areopagita, Dionysiaca. Recueil donnant l'ensemble des traductions latines des ouvrages attribués au Denys de L'Aréopage [...], Bd. 1, [Paris] [1937]Albertus Magnus, Opera omnia, Bd. 37,1: Super Dionysium de divinis nominibus, hg. von Paulus Simon, Münster 1972Eckhart, 〈Meister〉, Die deutschen und lateinischen Werke. Die deutschen Werke, Bd. 2: Meister Eckharts Predigten, Bd. 2, hg. und übersetzt von Josef Quint, Stuttgart 1971Ruh, Kurt, Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996Denzinger, Heinrich / Hünermann, Peter (Hg.), Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 43. Aufl., Freiburg/Basel/Wien 2010Johannes XXII., Les sermons de Jean XXII sur la vision béatifique. Texte précéde d'une introduction et suivi d'une chronologie de la controverse avec la liste des écrits pour et contre le Pape, hg. von Marc Dykmans, Rom 1973 (Miscellanea historiae pontificiae 34)Hoffmann, Georg, Der Streit über die selige Schau Gottes (1331-38), Leipzig 1917 [Digitalisat]Maier, Anneliese, Schriften, Daten und Personen aus dem Visio-Streit unter Johann XXII., in: Archivum historiae pontificiae 9 (1971), S. 143-186Trottmann, Christian, La vision béatifique des disputes scolastiques à sa définition par Benoît XII, Rom 1995 (Bibliothèque des Écoles Françaises d'Athènes et de Rome 289)
Tauler, Johannes, Sermones: des hoch||geleerten in gnaden erleüchten do||ctoꝛis Johannis Thaulerii ſannt || dominici oꝛdens die da weißend || auff den naͤcheſten waren weg im || gaiſt ʒů wanderen durch überſwe||bendenn ſyn. von latein in teütſch || gewendt manchem menſchen ʒů || ſaͤliger fruchtbarkaitt:||
Augsburg: Otmar, Johann 1508, 2° (VD16 J 783)
Digitalisat: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10813511-4
Tauler, Johannes, Des erleuchten D. Johan||nis Tauleꝛi / von eym waren Euangeliſ=||chen leben / Goͤtliche || Pꝛedig /|| Leren /|| Epiſtolen /|| Cantilenen /|| Pꝛophetien /|| [...] nů erſtmals ins liecht kommen.|| Auch ſeynd hier bey die [...] Pꝛedigen Thauleri / woͤlche [...] || gekurtʒt / gelẽgt vnd ver||dunckelt waren [...] || treüwlich gebeſſert.||
Köln: Gennep, Jaspar von 1543, 2° (VD16 J 777)
Digitalisat: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10149255-0
Tauler, Johannes, Joannis Tau||leri des ſeligen lerers || Pꝛedig / faſt frucht||bar ʒů eim recht || chꝛistlichen || leben.|| Deren Predigen || garnah hie in diſem Bůch des halb=|| theyls meer sind deñ in andern vorge||truckten buͤcherẽ die man ſidhar mit || der hilff gottes funden hat / Der ſeyn || woꝛt yetzt wider erwecket vnnd aller || welt verkündet.||
Basel: Petri, Adam 1522, 2° (VD16 J 785)
Digitalisat: http://diglib.hab.de/drucke/ed000745/start.htm
Tauler, Johannes, Sermon des groß||gelarten in gnadẽ erlauchtẽ docto||ris Johannis Thauleri pꝛedigerr || oꝛdens. weiſende auff den neheſtẽ || waren wegk. yn geiſte cʒu wãdern || durch vberſchwebẽden ſyn. vnuoꝛ||acht võ geiſtes ynnigẽ voꝛwãdelt || ĩ deutſch mãchẽ mẽſchẽ ʒu ſelikeit.||
Leipzig: Kachelofen, Konrad 1498, 4° (GW M45246)
Digitalisat: http://diglib.hab.de/inkunabeln/65-2-theol/start.htm
Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek, Hs. 41
Literatur: http://pik.ku-eichstaett.de/3585/
Digitalisat: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:25-digilib-36841
XML: unbekannt
XSLT: unbekannt