Predigt Nr. 12 – Vetter 8 – BT 22ra–24ra; LT 34va–38ra; AT 28ra–30va; KT 47rb–49va
[22ra]
Überschrift
Absatz 1
FN-Anzahl: 3
1 Am freytag nachdem sontag Invocavit
1. Ein vast schoͤne und nützliche ußlegung des Evangelij vom vischweyer unnd den fünff
vorschoͤpffen und bewegung des wassers Anzeigend wie gott etliche menschen laßt in
einem unwissen irer geistlichen gesundtheit und halt sie damit in vorcht und gedreng
etwan biß uff ir letst end und ergetzt sie darnach des aller rylichen. Gesetzt uff
die wort
Joannnis v.:
2 "Erat dies festus
aiudeorum et ascendit
Jesus Hierosolymama etc."
2
1 Am Freitag nach dem Sonntag Invocavit. Eine sehr schöne und nutzbringende Auslegung
des Evangeliums vom Fischweiher und den fünf Vorhallen und der Bewegung des Wassers.
[In ihr wird] dargestellt, wie Gott einige Menschen in Unsicherheit über ihr geistliches
Heil lässt und sie dadurch in Angst und Sorge hält, manchmal bis an ihr Ende, und
sie anschließend dafür reichlich entschädigt. [Sie ist] bezogen auf die Worte des
Johannes[evangeliums], 5. [Kapitel]:
2 "Erat dies festus a etc."
Abschnitt 1
Absatz 2
FN-Anzahl: 13
1
bIn disem evangelio lesen wir
b, das ein fest was der juden und gieng
Jesus hinauff gen
Hierusalemc.
2 Unnd da was ein vischteych der het fünff vorschopffe
d unnd
e lagen under den schopffen vil siecher menschen, die da warteten wenn der engel gottes
kaͤm herab von dem himmel und das wasser bewegte.
3 Und alsbald es von dem engel bewegt ward, so wurden die menschen von stund an gesunt.
die dar in
fam ersten
f geweschen wurden von allerley siechtagen, die sie an in hatten.
4 Dar
[22rb]under was ein siecher mensch, der was acht
g und dreyssig jar da gewesen.
5 Do denn unser herr
h sach und erkant, das er also lang do gelegen was, do sprach er:
6 "Wilt du gesundt werden?"
7 Der siech antwurt:
8 "Ich hab nieman, der mich in das wasser laß, so es bewegt ist.
9 Und wenn ich dar komm, so ist ein ander vor mir da gewesen."
10 Do sprach unser herr
i:
11 "Stee uff und nimm dein bett und gee."
12 All zuͦhand ward der siech gesundt, und er huͦb uff sein bett unnd gieng.
3
13 Nach langer red, die hie nach volgten, do stuͦnd der siech mensch uff unnd wißt nit,
das es
Jesus was.
4
14 Aber
j darnach fand in unser herr
k und sprach zuͦ im:
15 "Du bist nun gesundt worden.
16 Sünd nit mer, das dir nit würsser
loder ergers
l geschech."
5
1 In diesem Evangelium lesen wir, dass ein Fest der Juden stattfand, und Jesus ging
hinauf nach Jerusalem.
2 Und da gab es einen Fischteich mit fünf Vorhallen, und in den Vorhallen lagen viele
kranke Menschen, die darauf warteten, dass der Engel Gottes vom Himmel herabkäme und
das Wasser in Bewegung brächte.
3 Und sobald es durch den Engel in Bewegung geriet, wurden die Menschen augenblicklich
gesund, die darin als erste von allerlei Krankheit gewaschen wurden, die sie in sich
trugen.
4 Unter ihnen war ein kranker Mensch, der 38 Jahre dort verbracht hatte.
5 Als das unser Herr bemerkte und erkannte, dass er so lange dort gelegen hatte, sagte
er:
6 "Willst du gesund werden?"
7 Der Kranke antwortete:
8 "Ich habe niemanden, der mich in das Wasser bringt, wenn es in Bewegung gerät.
9 Und wenn ich [dann] dorthin gelange, ist ein anderer vor mir da gewesen."
10 Da sagte unser Herr:
11 "Steh auf und nimm dein Bett und geh."
12 Im selben Augenblick wurde der Kranke gesund, und er hob sein Bett auf und ging.
13 In langen Gesprächen, die sich anschlossen, [zeigte sich,] dass der kranke Mensch
aufgestanden war und nicht gewusst hatte, dass es Jesus gewesen war[, der ihn geheilt
hatte].
14 Und etwas später fand ihn unser Herr und sagte zu ihm:
15 "Du bist jetzt gesund geworden.
16 Sündige nicht mehr, damit es dir nicht schlechter gehe oder Schlimmeres geschehe."
Abschnitt 2
Absatz 3
FN-Anzahl: 13
1 Der
m
nsee diß wassers
n ist
o die zarte edel
pA person unsers herren
q Jesu Christi.
2 Und das wasser, das also bewegt ward, das in disem deych gewesen ist, ist das hochwirdig
kostbar
r bluͦt unsers herren
Jesu Christi des ewigen gottes sun der
s warlich gott und mensch ist
6 und uns allein
t7 in seym heiligen
u bluͦt lauterlichen geweschen und gereynigt hat
8 undv von wedler suͤsserw lieb alle menschen weschen wil, diex zuͦ im woͤllen kommen mit rechter warer reüw ires lebens und sich des gantz bessern
woͤllen.9
1 Der See, der mit diesem Wasser gefüllt ist, ist die liebe edle Person unseres Herren
Jesus Christus.
2 Und das Wasser, das in dem Teich war und wie beschrieben in Bewegung gebracht wurde,
ist das verehrungswürdige kostbare Blut unseres Herren Jesus Christus, der ewiglich
der Sohn Gottes ist, wahrer Gott und Mensch, und uns nur durch sein heiliges Blut
rein gewaschen und geläutert hat und aus großzügiger zärtlicher Liebe alle Menschen
reinwaschen will, die bereit sind, mit echter wahrer Reue über ihre Lebensführung
zu ihm zu kommen und sich ganz und gar bessern wollen.
Abschnitt 3
Absatz 4
FN-Anzahl: 30
1 Die siechen, die da by di
Bsem teych lagen, der ein groß teil was und die da warten waren der beruͤrung des wassers
von dem engel,
10 das ist
y in ein sinn zuͦ nemen alles menschlich geschlecht, die under dem alten testament
gefangen lagen in allem irem leben.
11
2 Und darnach
z nach irem todt muͦßten sie
aa in der vorhelligen
12 und warten der beruͤrung des wassers
ab.
3 Das was wenn das edel lauter bluͦt unsers herren
ac beruͤrt würd in seim edlen
ad bittern todt, da durch sie gesunt werden und genesen solten.
13
4 Dise
ae14 siechen menschen, die da in disen teych des wassers nit kommen, die muͤssen ewiglich
sterben on zwyfel.
5 Es
af seint auch sollich siechen, die in disen
ag teich kommen, nachdem als diß wasser beruͤrt würt.
6 Daz ist ein ußwendig beruͤrung, daz die menschen gemant werden oder
[22va]in geruͤfft
ah durch die hell
15 oder sunst grosse
ai betruͤbnyß oder
aj durch ander zuͦfaͤll liebs oder leid, so keren sie sich zuͦ gott.
7 Oder dise menschen werden
ak beruͤrt mit dem wort gotts uß der lerer mund und die selben menschen kommen also
zuͦ gott in disem wasser.
16
8 alUnd wiewol
al sie darin genesen und gesunt werden, so bleiben sie doch
am also ferr von der rechten warheitt, als ferr es an in ist, das
an wol zuͦ erbarmen ist.
9 Und also blyben sie
ao ungeleütert, daz sie
ap muͤssen ingen in daz fegfeür und
aq da lyden grosse schwere bitterliche pyn
ar17, biß daz sie gantz und war
as geleütert und gereinigt werden.
1 Die Kranken, die an diesem Teich lagen, von denen es viele gab und die auf die Bewegung
des Wassers durch den Engel warteten, sind zusammen als die gesamte Menschheit zu
verstehen, die ihr ganzes Leben lang durch das Alte Testament unterdrückt wurde und
unfrei war.
2 Und nach ihrem Tod mussten sie [= die Menschen] in die Vorhölle und dort ausharren
und auf die Bewegung des Wassers warten.
3 Das geschah, als das edle reine Blut unseres Herren bei seinem edlen leidvollen Tod
bewegt wurde, wodurch sie gesund werden und gerettet werden sollten.
4 Die kranken Menschen, die in diesen Teich, der mit diesem Wasser gefüllt ist, nicht
gelangen, müssen zweifellos in Ewigkeit tot sein.
5 Es gibt auch solche Kranke, die in diesen Teich gelangen, nachdem das Wasser in Bewegung
versetzt wurde.
6 Es handelt sich um eine äußere Berührung, bei der die Menschen durch die Angst vor
der Hölle oder anderen großen Kummer oder durch andere äußere Ereignisse, ermahnt
werden oder sie gerufen werden, ganz egal ob gut oder schlecht, und sie sich auf diese
Weise Gott zuwenden.
7 Oder diese Menschen werden berührt durch das Wort Gottes aus dem Mund derer, die es
auslegen, und diese Menschen kommen ebenso zu Gott in diesem Wasser.
8 Und obwohl sie darin gerettet und gesund gemacht werden, so bleiben sie trotzdem insofern
von der eigentlichen Wahrheit entfernt, als es an ihnen [selbst] liegt, weswegen man
doch Mitleid [mit ihnen] haben muss.
9 Und so haben sie keine Läuterung erfahren, so dass sie in das Fegefeuer müssen und
dort große, schlimme und schwer zu ertragende Schmerzen erleiden müssen, bis sie gänzlich
und wirklich geläutert und rein geworden sind.
Abschnitt 4
Absatz 5
FN-Anzahl: 3
1 "An
at disem teych diß wassers stuͦnden fünff porten, vor den lag ein grosse menig der siechen,
die alle warten waren der beruͤrung des wassers.
2 Und welcher under in der erst darin kam, der ward gesunt, welcherley siechtumb er
an im hat."
18
3 By
au disen siechen menschen mügen wir vernemen hoffertig zornig haͤssig geytzig und unkeüsche
menschen und also
von allen den, die in diser weiß siech seind und sichav in dem bluͦtaw Jesu Christi weschen, daz die gesunt werden, ob sie anders selber woͤllen.19 C
1 "An diesem Teich, der mit diesem Wasser gefüllt war, standen fünf Tore, vor denen
lagen viele Kranke, die alle auf die Berührung des Wassers [durch den Engel] warteten.
2 Und derjenige von ihnen, der zuerst hinein [in das Wasser] kam, der wurde gesund,
ganz egal, welche Krankheit er auch hatte."
3 Unter diesen kranken Menschen sollen wir hochmütige, zornige, gehässige, geizige oder
unkeusche Menschen verstehen, die in dieser [beschriebenen] Weise krank sind und sich
in dem Blut Jesu Christi waschen [müssen], damit sie gesund werden, wenn sie es denn
selbst wollen.
Abschnitt 5
Absatz 6
FN-Anzahl: 6
1 Die fünff porten diß teychs mag man nemen in eim andern synn die heiligenn fünff wunden
unsers
awherren.
20
2 Durch der selben überguß seint wir geweschen und gesunt worden
21 und erloͤßt von den toͤdtlichen siechtagen und gebresten
ax.
3 Aber in eim andern synn, so seind es fünff porten, das ist fünff uͤbungen der tugend
mit underscheid ußgenommen, wie wol daz ist, das unß
ayir aller not were
ay, doch
az so ist ein mensch krencker den der ander.
22
1 Die fünf Tore an diesem Teich kann man in einem weiteren Sinn als die heiligen fünf
Wunden unseres Herrn verstehen.
2 Durch den (Blut-)Strom, der aus ihnen floss, wurden wir von den zum Tode führenden
Krankheiten und Schwächen gewaschen und geheilt und erlöst.
3 Und wieder in einem weiteren Verständnis, sind die fünf Tore fünf Tugendübungen, durch
vernünftige Überlegung ausgewählt, auch wenn es sich so verhält, dass wir sie alle
nötig hätten, so ist doch der eine Mensch schwächer als der andere.
Abschnitt 6
Absatz 7
FN-Anzahl: 9
1 DDie
ba erst port an disen uͤbungen ist
bb ein tieffe underworffen demuͤtigkeit, daz
bc der mensch nicht
bd von im selber halt und daz er sich künd in leydender wyß under gott trucken und under
be all vernünfftig
bf creaturen und ein yeglich ding, von wanne es kumm, das er das von gott demuͤtiklich
uffnem und von niemant anders, und laß sich dem ewigen gott in einer demuͤtigen vorcht
in warer verschmeung sein
bg selbs in allen dingen in lieb. in leid, in haben, in manglen
bh on alles widersprechen.
[22vb]
1 Das erste Tor dieser [Tugend-]Übungen besteht in einer sich zutiefst unterwerfenden
demütigen Haltung in der Weise, dass der Mensch nichts von sich selbst hält und imstande
ist, sich in Passivität Gott und jeder denkfähigen Kreatur und jeder beliebigen Sache
– was auch ihr Ursprung sei – unterzuordnen, so dass er [= der Mensch] dies in Demut
von Gott – und von niemand anderem – annehmen kann und sich dem ewigen Gott in demütiger
[Gottes-]Furcht in allen Dingen, in Liebe und Leid, in Reichtum und Armut, ohne jeden
Widerspruch überlässt und dabei auf sich selbst nicht achtet.
Abschnitt 7
Absatz 8
FN-Anzahl: 8
1 Die
bi ander port ist ein fleyssig bleiben
E bey dem waren grund
23.
2 Ach, wie gar
bj not wer das manchen guͦten menschen, die in guͦter einfeltikeit ungewarnt ußlauffen
uß irem grundt in guͦter scheinender weiß und wercken. Es sey an leren, an reden an
wyrcken. Und lauffen also uß sinnlichen und lustlichen in das unwesenlich
24.
3 Und geschicht in dannbk als sant Augustinus spricht, das siebl also verlauffen in den creaturenbm, das sie nymmer mer wider inkommen.25
4 Der
bn mensch solt in allen synen wercken und ußgengen seins grunds ein
bo fleissig warnemen haben und darin sehen mit allem ernst.
5 Wenn er daruß wyrcken woͤlt, so
bp blib der mensch aller seiner wercke in eim waren fryden von innen und von ussen.
6 Und darumm hat der mensch nicht fryd in seinen wercken und ußgengen, wann er ußgegangen
ist unvernünfftigklich nach bewegung der sinn und der ußwendigen faͤll und nit von
eim goͤtlichen treyben und vermanen.
1 Das andere Tor besteht in dem Bemühen, in dem wahrhaftigen inneren Grund zu bleiben.
2 Ach, wie hätten das manche gute Menschen wirklich nötig, die in gut gemeinter Arglosigkeit
unvorsichtig ihren inneren Grund mit scheinbar nützlichem Verhalten und nutzbringenden
Werken verlassen und auf diese Weise, von Sinneswahrnehmungen und angenehmen Empfindungen
geleitet, in das Unbedeutende hinauslaufen.
3 Und ihnen geht es dann so, wie der heilige Augustinus sagt, dass sie sich in den Kreaturen
so verirren, dass sie nie wieder zurückfinden.
4 Der Mensch muss bei allen seinen Werken und bei jeder äußeren Handlung sich beständig
seines inneren Grundes bewusst sein und [durch ihn] ernsthaft reflektieren.
5 Wenn der Mensch aus ihm [= dem Grund] heraus wirkte, so würde er bei allen seinen
Werken nach innen und nach außen in einem echten Frieden ruhen.
6 Und deswegen findet der Mensch keinen Frieden bei seinen Werken und äußeren Handlungen,
weil er unbedacht [aus seinem inneren Grund] hinausgegangen ist und dabei dem Antrieb
seiner Sinneswahrnehmungen und den äußeren Ereignissen und nicht göttlichem Antrieb
oder göttlicher Aufforderung folgte.
Abschnitt 8
Absatz 9
FN-Anzahl: 8
1 Die dritF port istbq ein war wesenlich reüw der sündbr.
2 Das ist ein wares abkeren von allem dem, dasbs nit war lauter got ist oder des got nit ein war ursachbt ist und das der mensch ein waren gantzen kere zuͦ gott thuͦ mit allem dem, das er
ist inwendig und ußwendig.26
3 Und diß ist allein der kern und das
G marck des waren reüwens und mit einer gantzen getrawung versincken in daz
lauterbu guͦt, das got selber ist.27
4 Und das der mensch auch beger an im und in im ymmer zuͦ bleyben unnd im
bv anzuͦhangen mit gantzer lieb und mit einer lautern meinung mit eim vollen willen,
den
bw willen gottes zuͦ thuͦn, als ferr er
bx kan und mag.
5 Daz
by ist ein wesenlich rüw.
6 Wer dise reüw also hat, dem selben
bz werden on zwyfel sein sünd vergeben gantz und gar luterlich.
7 caUnd ye mer ir ein mensch hat ye mer im vergeben wirt seiner sünd
ca.
28
1 Das dritte Tor besteht in einer aufrichtigen wahrhaftigen Reue über die Sünden.
2 Das bedeutet, sich aufrichtig von allem dem abzuwenden, das nicht Gott selbst ist
oder dessen Ursprung nicht Gott ist, und [es bedeutet,] dass der Mensch sich aufrichtig
und vollkommen Gott zuwendet mit allem, was ihn innerlich und äußerlich ausmacht.
3 Und das allein ist der Kern und das Herz der echten Reue, und sich [dabei] in das
absolut Gute zu versenken, welches Gott selbst ist.
4 Und wenn der Mensch darüber hinaus bei ihm und in ihm für immer bleiben und ihm in
vollkommener Liebe und aufrichtigem Verlangen angehören möchte,
5 ist daz eine echte Reue.
6 Dem, der eine solche Reue besitzt, werden zweifellos seine Sünden ganz und ohne jede
Einschränkung vergeben.
7 Und je mehr ein Mensch von dieser Reue besitzt, um so mehr werden ihm seine Sünden
vergeben.
Abschnitt 9
Absatz 10
FN-Anzahl: 37
1 Die vierd port
H ist
cb ein froͤliche
cc willige armuͦtt.
2 Es
cd ist zuͦ mercken
ce ein ußwendig armuͦtt nach dem zuͦfall und ein inwendige armuͦt, da
cf daz wesen ist der rechten waren armuͦt.
29
3 Die
cg usser armuͦt solen nit alle menschen haben.
4 Es seint auch nit alle menschen dar
[23ra]zuͦ beruͤfft
ch.
5 Aber zuͦ der wesentlichen inwendig
ci armuͦt
cjist uns allen geruͤfft in der warheit, allen den
cj, die
ck gottes fründ
30 warlich
cl woͤllen sein.
6 Das ist, das uns gott allein besitzt in unserm grund und daz wir von kein
cmanderen dingen
cm hie
cn besessen werden und daz wir alle ding also behalten, als sie der ewig gott von uns
wil gehalten haben in armuͦt unsers geystes,
31 als sant
Pauls spricht:
7 "Diß sind, die durch gott alle ding haben gelassen
co und doch alle ding besitzen
I in der warheit."
32
8 Das ist also, daz wir kein ding in diser zeyt also lieb soͤllen
cp haben, weder guͦt noch freünd noch eer noch lieb
cq noch seel noch lust noch nütz.
9 Wenn
cr gott ein anders von uns woͤlte
cs haben, wir soͤlten das gern und williglich und froͤlich im zuͦ lieb und zuͦ lob seinem
goͤttlichen vaͤtterlichen willen lassen
ct.
33
10 Diß ist die ware wesentlich armuͦt, zuͦ woͤlcher
cu
cwin der wa
rheit
cv
cw alle guͦte menschen gehoͤren.
11 Und dise menschen haben allezeytcx in der bereitschafft alle ding freylich und ledigklich durch gott ze lassen, ob es
der ewigcy gott von imcz gelassen wolt haben.
12
daAlso ist ze merckenda:
13 Hette diser menschdb ein künigkreych, er were dannocht in der warheit ein rechter warer wesentlicher armer
mensch und würde dadurch nit gehindert der entpfengklicheit gotes.34
14
dcAlso on zweifel
dc: die weil dises menschen gemuͤt kein zergengklich ding zuͦ ruͦw noch zuͦ frid mag
gesettigen, wan er ist alweg die handt seiner begerung uffrecken zuͦ dem edlen almuͤsen
des milten gottes,
35 das da got selber ist,
36 das mag im allein ein benuͤgen sein in seym grund und nicht anders.
15 Es sey
dd in den nidersten
de
dfkrefften oder obersten lediger freyheit, das
df da lust und unlust hat in form
dg und in schaden.
37
16 Da
dh muͦß man sich inne leyden und lassen und darin gott wider ufftragen.
1 Das vierte Tor besteht in einer heiteren bereitwilligen Armut.
2 Man unterscheidet eine äußere Armut, die von äußeren Gegebenheiten bestimmt ist, und
eine innere Armut, in der sich der eigentliche Kern der echten aufrichtigen Armut
zeigt.
3 In äußerer Armut muss nicht jeder Mensch leben.
4 Es sind auch nicht alle Menschen dazu berufen.
5 Aber zu der eigentlichen inneren Armut sind wir alle berufen – das ist wahr –, alle,
die wirklich Gottes Freunde sein wollen.
6 Das bedeutet, dass Gott allein in unserem inneren Grund wohnt und dass wir von keinen
anderen Dingen in Besitz genommen werden und dass wir alle Dinge in der Weise behandeln,
wie Gott möchte, dass wir sie in geistlicher Armut [für ihn] verwalten, wie der heilige
Paulus sagt:
7 "Das sind die, die für Gott alle Dinge gelassen haben und doch – das ist wahr – alle
Dinge besitzen."
8 Es verhält sich [nämlich] so, daz wir in diesem Leben keine Sache, weder Besitz oder
Freunde oder Ehre oder Liebe oder Seele oder Sinneslust oder Gewinn so lieben sollen,
9 dass – wenn Gott etwas davon von uns haben wollte – wir es ihm gerne und bereitwillig
und heiter aus Liebe zu ihm und zu seinem Lob seinem göttlichen väterlichen Willen
überlassen sollten.
10 Das ist die echte eigentliche Armut, der – das ist wahr – alle guten Menschen angehören.
11 Und diese Menschen sind jederzeit darauf vorbereitet, von allen Dinge frei und unabhängig
um Gottes Willen abzulassen, wenn der ewige Gott will, dass davon abgelassen wird.
12 Und so ist Folgendes ist zu beachten:
13 Besäße dieser Mensch ein Königreich, er wäre trotzdem – das ist wahr – ein Mensch
in echter wahrhaftiger eigentlicher Armut und würde dadurch in seiner Aufnahmebereitschaft
für Gott nicht geschwächt.
14 [Es stimmt] also zweifellos: Solange kann nichts Vergängliches den Sinn eines solchen
Menschen so satt machen, dass er Ruhe und Frieden findet, denn er streckt immerzu
die Hand seines Verlangens nach dem edlen Almosen des großzügigen Gottes aus, das
Gott selbst ist. Das allein kann ihm in seinem inneren Grund Befriedigung geben.
15 Ganz egal, ob es in den untersten Lebenskräften ist oder in der höchsten unabhängigen
Freiheit, ob es Freude oder Abscheu erzeugt und dabei nützlich ist oder schadet:
16 man muss sich hineinfügen und es erdulden und dabei Gott [alles] wieder anempfehlen.
Abschnitt 10
Absatz 11
FN-Anzahl: 23
1 Die fünfft port ist, das der mensch gott stettigklichen ein wider inleytendi und eindj ufftragen habe alles des, das erdk von imdl durch sein milte ewige gnad entpfangen hat und im das lauterlich wider uff [23rb]trage in den ursprunck und in den selben grund, da es herauß vormalß dm geflossen istdn.38
2
doEs ist mancher mensche
do, der seer woll
J wenet daran zuͦ sein
dp:
3 So im der ewig gott so groß wunderlich gnaden insencket
dq, do er
dr39 allzuͦmall mit solt geborn werden, so
ds darauff mitt lust und mit lieb und spilet domit und flüsset
dt nit zuͦhant als balde wider in den ursprung, sunder er hebt
du sich daran und zeücht
dv es an sich mitt eigenschafft, als ob es ychts das sein sey, und thuͦd denn seynen
dw vaͤtterlichen
dx schaden an
dy im selbs.
4 Nun
dz dem menschen solt also ernst seyn zuͦ gott, daz er nyndert
ea kein gemerck solt haben uff alle ding, die do zuͦ beiden
eb seyten
K zuͦschlahen an allem ußfliessen gottes, als zuͦ gleicher weiß der ein ding mit allen
seinen krefften
40 durch eyn maur
ec sicht durch
ed einen engen spalt:
5 Alle die weil er daz mit allen seinen krefften gern ansehe, das er da durch sicht,
so hindert in das mittel nitt.
6 Kert er aber seyn gemerck uff daz mittel und sicht daz selb an, wie klein es ist
und wie dünne daz mittel ist, so wirt yenes gehyndert, daz er da durch sehen solt.
7 Recht also mag
ee daz mittel nit so klein gesin, daz ist, daz man ruͦet uff den gaben gottes, oder
die ußflüsse moͤgen so lauter und so edel nit gesin, bleibt man daruff mit lust und
mit gnuͤgd, man wirt gottes dadurch warlich gehindert, den man in den gaben lauterlich
nemen solt und
ef sie als bald widerumb in got tragen und mit den gaben gottes insencken in den ursprung
aller krafft
41, da die gaben ußfliessen.
1 Das fünfte Tor besteht darin, dass der Mensch Gott beständig alles das zurückbringt
und ihm wieder anempfiehlt, was er von ihm aus seiner großzügigen ewigen Gnade heraus
empfangen hat, und ihm das in aufrichtiger Weise wieder zurückbringt in den Ursprung
und dieselbe Quelle, aus der es einmal herausgeflossen war.
2 Es gibt manchen Menschen, der der festen Meinung ist, er täte das:
3 Wenn ihm der ewige Gott so große wunderbare Gaben verleiht, mit denen versehen er
geboren werden soll, so wirft er sich darauf mit Leidenschaft und Freude und vergnügt
sich damit und lässt es nicht so schnell wie mögliche wieder in den Ursprung zurückfließen,
sondern er hält sich daran fest und zieht es mit Besitzanspruch an sich, als ob es
etwa ihm gehöre, und fügt sich so seinen ererbten Schaden selbst zu.
4 Der Mensch sollte so sehr zu Gott streben, dass er auf keinen Fall die Dinge beachten
solle, die von beiden Seiten auf alles treffen, was aus Gott fließt, genauso wie der,
der sehr konzentriert eine Sache durch den engen Spalt in einer Mauer betrachtet:
5 Während er konzentriert das ansehen möchte, was er dort [durch den Spalt] sieht, wird
er durch das Hindernis [= die Mauer] nicht gehemmt.
6 Richtet er aber seine Aufmerksamkeit auf das Hindernis und betrachtet dieses, so wird
dasjenige beeinträchtigt, welches er durch dasselbe [Hindernis] hindurch sehen wollte,
ganz egal wie klein und schmal das Hindernis sei.
7 Dementsprechend kann das Hindernis nicht klein genug sein – wie dass man sich auf
den Gaben Gottes ausruht – oder auch das, was [aus dem göttlichen Grund] ausfließt,
kann nicht rein und edel genug sein: Ruht man sich auf ihnen in Genuss und Selbstzufriedenheit
aus, wird man – das ist wahr – auf diese Weise von Gott ferngehalten, den man in den
Gaben uneingeschränkt empfangen sollte, um sie [= die Gaben] so bald wie möglich wieder
Gott anzuempfehlen und sich mit den Gaben Gottes in die Quelle aller Macht zu versenken,
aus der die Gaben hervorgehen.
Abschnitt 11
Absatz 12
Absatz 13
Absatz 14
FN-Anzahl: 47
1 "An
eg disen porten dises weges
eh lagen vil siechen und ein yeglicher, der zuͦm ersten in daz wasser kam nach der bewegung
des engels, der ward gesundt."
42
2 Was ist nun dise bewegung oder beruͤrung?
3 Nicht
ei anders, dann das der geist
ej kompt oben herab in den menschen und beruͤret
ek alles des menschen inwendigkeit und macht ein groß bewegung da, also das da recht
des menschen inwendigkeit wirt ummkeret und im zuͦmal wirt verwandelt und im die ding
nit schmecken, dy im vor
el wol schmackten und im lüstlich warend.
43
4 Und darin im vormals
[23va]grauset, das ist im nun lüstlich unnd begeret sein von hertzen.
5 Daz selb
em ist schmacheyt und ellend und ein edel leydigkeit, inwendigkeit, demuͤtigkeit, verworffenheit
und abgescheidenheit
44 von allen creaturen.
6 Diß alles ist im denn sein hoͤchste wunne, wann dise beruͤrung des heiligen geists
ist geschehen in der warheit in im.
45
7 Und da
L kümpt denn der siech, daz ist der außwendig mensch,
46 mit seinen eusseren krefften gentzlich und gründtlich in den teich dises wassers
und waͤscht sich recht da in
Christo Jesu in seinem hohen erwirdigen kostbarn bluͦtt.
8 Nun auß disem grund der waren beruͤrung so wirt er
en sicherlich gesundt von allen seinen siechtagen, als geschriben steet:
9 "Alle, die in anruͦrten, die wurden gesundt."
47
10 Nun
eo lasset unser lieber herr underweylen die menschen vor im
ep ligen.
11 Und seint doch zuͦmal genesen und wissen es doch nit und haben sich alles ihres lebens
versehen und glauben von in selbs anders nit.
12 Und das
M thuͦd der ewig gott umb das allerbeste.
48
13 Wann unser herr bekennet das gar woll von in:
14 Wißten sie, das sy also gantz genesen weren
eq und gesundt worden, sy kerten alsbald uff sich selber mit wolgefelligkeyt.
49
15 Darumb von grosser liebe und trew, die er allzeit zuͦ in hatt, so laßt er sy alle
ir tag in eim unwissen stan in forcht und in gedreng und in demuͤtigkeit.
16 Und steend doch dise menschen in disem grad, das sie nit wider gott thuͦn woͤllen
durch alle dise welt.
17 Ee
50 das sy gott erzürnen woͤllen mit den sünden, ee woͤllen sy lieber durch gott froͤlich
und freylich sterben, darumb daz sy der sünden damit moͤchten über werden.
18 Und darumb
erist diß
er ein sterben allezeit
esin im selber
es durch gottes willen mit einem tieffen versincken sein selbs gelassen sein zuͦ grundt
dem goͤtlichen willen on alles wissen.
19 Wie gott
et dise menschen haben will in zeit und in ewigkeit, darzuͦ geben sy sich allzeit gebunden
und gefangen
N dem willen gots on alles widersprechen.
20 Was
eu geschicht nun
ev den menschen umb iren demuͤtigen
ewgelaß irs
ew unwissen?
21 Nitt
[23vb] anders dann
ex also
ey. Wenn
ez
fada kümpt der allmechtig vatter und sy
fa mit im heimfuͤren will an der stund ires todes, da
fb ergetzet er sy
fc ihres unwissens und diser langen vinsternuß mit im selber.
22 Und thuͦd in
fd so vaͤtterlich und troͤstet sie
fe so lieblich und laßt sy denn dick vor irem tod schmecken und versuͦchen
ff und innen werden des, des sy
fg ewigklich in gott gebrauchen und geniessen sollen.
23
fhUnd die selben menschen sterben froͤlich mit grosser freüd und zuͦversicht
fh.
24 Und die menschen, die im
figantz getrawen haben und treü geleystet
fi
fjin soͤlcher
fj vinsternuß und darben, die fuͤret er on alles mittel in seinen
fkewigen goͤtlichen ursprung
fk.
51
25 Und werden do
fl also
fm in der gottheit begraben und seind denn die seligen todte menschen, wan
fn sy seind in gott gestorben und begraben.
1 "Bei diesen Toren dieses Weges lagen viele Kranke, und immer der, der als erster in
das Wasser gelangte, nachdem der Engel es in Bewegung gebracht hatte, wurde gesund."
2 Was ist nun mit dieser Bewegung oder Berührung gemeint?
3 Nichts anderes, als dass der [heilige] Geist von oben herab in den Menschen kommt
und das ganze Innere des Menschen berührt und es so in Bewegung setzt, dass das Innere
des Menschen richtig umgedreht und augenblicklich verändert wird und er die Dinge
nicht [mehr] ausstehen kann, die er vorher sehr mochte und die ihm Vergnügen bereiteten.
4 Und was er zuvor verabscheute, ist ihm jetzt vergnüglich, und er begehrt es von Herzen.
5 Dabei handelt es sich um Kränkung, Fremdheit, edle Einsamkeit, Andacht, Demut, verachtet
zu werden und von aller Kreatur getrennt zu sein.
6 Das alles wird ihm dann zu seinem höchsten Glück, denn diese Berührung durch den Heiligen
Geist ist wirklich in ihm erfolgt.
7 Und daraufhin kommt dann der Kranke – das ist der äußere Mensch – mit seinen äußeren
[Lebens-]Kräften gänzlich und mit seinem inneren Grund in den Teich, der dieses Wasser
enthält, und wäscht sich dort direkt in Christus Jesus, in dessem erhabenen verehrungswürdigen
kostbaren Blut.
8 Aus dieser Quelle der echten Berührung wird er zuverlässig geheilt von all seiner
Krankheit, wie geschrieben steht:
9 "Alle, die ihn berührten, wurden gesund."
10 Nun lässt unser geliebter Herr manchmal die Menschen vor sich liegen.
11 Und sie sind doch augenblicklich genesen und wissen es aber nicht, und sie haben sich
ihr ganzes Leben lang vertan und glauben von sich selbst nichts anderes.
12 Aber das tut der ewige Gott nur zu ihrem Besten.
13 Denn unser Herr erkennt bei ihnen sehr wohl:
14 Wüssten sie, dass sie völlig gerettet und gesund sind, sie kümmerten sich sofort in
Selbstgefälligkeit [nur] um sich selbst.
15 Deswegen lässt er sie aus seiner großen Liebe und Gnade heraus, die er ihnen stets
entgegenbringt, in Unsicherheit bleiben und in Bedrängnis und in Demut.
16 Und doch befinden sich diese Menschen auf der Stufe, dass sie um alles in der Welt
nichts gegen Gott [= Gottes Willen] tun wollen.
17 Bevor sie Gott mit Sünden gegen sich aufbrächten, würden sie lieber für Gott frohgemut
und aus freien Stücken sterben, weil sie damit die Sünden überwinden könnten.
18 Und deswegen stellt dies ein immerwährendes Sterben für Gott in sich selbst dar, indem
man sich tief in sich selbst versenkt und sich zutiefst dem göttlichen Willen überlässt
ohne eigens Zutun.
19 Dafür, wie Gott diese Menschen in diesem Leben und ewiglich haben möchte, ergeben
sie sich wie gefesselte Gefangene jederzeit ohne Einwände dem Willen Gottes.
20 Was erhalten nun diese Menschen dafür, dass sie sich demütig ihrer Unsicherheit überlassen?
21 Nichts anderes als das Folgende: Wenn der allmächtige Vater einst kommen wird und
sie in der Stunde ihres Todes nach Hause bringen will, entschädigt er sie mit sich
selbst für ihre Unsicherheit und für die Dunkelheit
22 und verhält sich so väterlich und tröstet sie so freundlich und lässt sie dann vor
ihrem Tod ausgiebig das kosten und kennenlernen und erkennen, was sie in Gott in Ewigkeit
genießen und woran sie sich erfreuen werden.
23 Und diese Menschen sterben glücklich mit großer Freude und Zuversicht.
24 Und die Menschen, die sich ihm vollständig anvertraut haben und ihre Treue in dieser
Dunkelheit und Not bewiesen haben, die wird er unmittelbar in seinen ewigen göttlichen
Quell geleiten.
25 Und auf diese Weise werden sie dann in dem göttlichen Wesen begraben und werden dann
die seligen toten Menschen sein, denn sie sind in Gott gestorben und begraben.
Abschnitt 12
Absatz 15
FN-Anzahl: 22
1 "Nun
fo kam unser herr und fand einen siechen do ligen, der was .xxxviii. jar siech
O gewesen."
52
2 Diß
fp ist uns
fqseer und fast
fq zuͦ mercken, das diser siech was darumb siech zuͦ einer glory und eer gottes
fr und nitt zuͦ dem tod.
3 Wer
fs disem sinn und grund recht nach künt geen in der waren gebeytsamikeit, daz diser
siech. xxxviii. jar hette mitt ernst und mit fleiß gewartet und gebeitet, biß daz
in gott selbs gesundt gemacht hat und hieß in uffsteen und syn bet uff sich nemen
unnd heimgeen in sein hauß!
53
4 Dise
ft lere ist wider
fualle geistliche menschen, die noch heüt der merteil leben – nit allesampt
fu.
54
5 Alsbald die
fv in ein geistlichs leben tretten von iren sünden und lauffen
fw in denn nitt
fx grosse ding zuͦ von unserm herren, so ist es alles verloren und künden
fy denn nyendert uff
fz in selbs bleyben und klagen sich recht von got,
P als ob er in unrecht thuͦ.
6 Ach lieber gott, wie wenig menschen haben recht dise edle tugent, daz sy sich künnen
gelassen und gelitten haben guͦtlich und willigklich und haltend sich nitt dar für,
daz sy doch seind in der warheit!
55
7 gdNuͦn wissend, woͤlcher mensch sich in diser gefencknuß gottes guͦttlich gelassen kann
und nit ee ußbricht, byß in gott
ga selber ledig macht, wie
gb wer daz so
gc ein adelich nützliche fruchtbar ding!
gd56
1 "Da kam unser Herr und fand einen Kranken dort liegen, der 38 Jahre lang krank gewesen
war."
2 Hierbei sollen wir sehr aufmerksam beachten, dass dieser Kranke zum Lob und zur Ehre
Gottes krank war und nicht um zu sterben.
3 Wer [doch] dieser Absicht und diesem Ziel folgen könnte in der aufrichtigen geduldigen
Beharrlichkeit, mit der dieser Kranke 38 Jahre lang mit Anstrengung und Bemühen wartete
und ausharrte, bis Gott selbst ihn heilte und ihm befahl, aufzustehen und sein Bett
zu nehmen und in sein Haus zu gehen!
4 Diese Lehre richtet sich gegen alle geistlichen Menschen, wie sie sich heute noch
in der Mehrzahl verhalten – [doch] nicht alle.
5 Wenn sie wegen ihrer Sünden ein geistliches Leben aufnehmen und ihnen dann nicht [gleich]
von unserem Herren bedeutsame Dinge zuteil werden, dann geben sie alles verloren und
können dann nicht in sich selbst ausharren und beklagen sich über Gott, als ob er
ihnen unrecht tue.
6 Ach, lieber Gott, wie wenige Menschen besitzen wirklich die edle Tugend, dass sie
von sich [= ihrem Willen] lassen und geduldig und bereitwillig leiden und nicht glauben,
dass sie sich im Recht befänden!
7 Ihr sollt aber wissen: Ein Mensch, der sich dieser Gefangenschaft Gottes geduldig
überlassen kann und nicht ausbricht, bis ihn Gott selbst befreit – was wäre das für
eine würdige, hilfreiche und gewinnbringende Sache!
Abschnitt 13
Absatz 16
FN-Anzahl: 1
1 [24ra]Das wir also
gein steter hoffnung und langmuͤtigkeit in dunckler wißlosickeyt uns lyden mügen, das
helff uns gott.
2 Amen.
ge
1 Dazu, dass wir auf diese Weise in beständiger Hoffnung und Geduld finstere Verlassenheit
ertragen können, helfe uns Gott. Amen.